Dann will ich mal meine Eindrücke schildern und eine Wertung abgeben. Vorab möchte ich sagen, war ich verblüfft, wie viel erzählerische Finesse hier in der Userschaft ruht.
Achja, sorry, wenn ich ein bisschen grob im Ton wirke. Ich bin da mit schlechten Berufsgewohnheiten gestraft.
Krysos1962
Gefällt mir aus mehreren Gründen überhaupt nicht. Zunächst wäre da der stilistische Overkill. Über einen Großteil der Geschichte verliert sich die Erzählung in Detailbeschreibungen, die für die magere Handlung keinerlei Relevanz haben. In einer derart kurzen Geschichte tut es eigentlich nicht Not, die Szenerie so verschwenderisch detailliert zu beschreiben, zumal die wiederholten Exkurse über Schneeflocken und dergleichen die Handlung auch etwas zerfahren in meinen Augen. An manchen Stellen wirkt es so, als habe Krysos einen Ausdruck eher benutzen wollen, um eben dieses oder jenes klangvolle Wort eingebracht zu haben. Auch wenn es sich inhaltlich nicht so recht einfügen will. Dass ein
junges Mädchen, "seit ewiger Zeit" einen Lieblingsplatz hat...wirkt etwas gezweckt.
Am störendsten empfinde ich aber die verquere Moral der Geschichte. Weihnachten ist ein Fest der Nächstenliebe und eine Weihnachtsgeschichte, die sich schon inhaltlich kaum mit dem Fest beschäftigt (abseits von einem "kurz vor dem Weihnachtsfest" zur zeitlichen Verortung), könnte wenigstens die Moral dahinter ansprechen. Und das ist hier eben nicht der Fall. Im Gegenteil: In Krysos' Geschichte sind die meisten Leute kalt und herzlos, abseits von gesichtslosen Gönnern und Danica, die ihre Wohltätigkeiten wohl auch eher darin sieht, das Mädchen ins Gebet einzuschließen. Um dem ganzen ein Happy-End zu verpassen wird dann letztendlich göttlicher Beistand bemüht. Darum gehts nicht in dem Fest. Eine Weihnachtsgeschichte deren Moral bestenfalls lautet, "bete eifrig und du wirst vom irdischen Leid erlöst", will ich nicht so recht gutheißen.
Formal ist die Geschichte ganz in Ordnung. Ein paar Typos und etwas Tempusgerutsche, aber nichts Wildes. Das Bild, die Letter, Absätze und die Schriftgröße geben dem ganzen eine schönes Bild einer Geschichte. Fügt sich nebenbei auch schön ins Forenlayout ein.
Dawnbreaker
Seine Geschichte liest sich erfrischend anders und weiss mir über weite Strecken besser zu gefallen. Die Entscheidung, in Präsens und aus der Ich-Perspektive zu schreiben, ist mutig, lohnt sich aber besonders deswegen, weil die Jagd dadurch szenischer und atmosphärischer wirkt. Auch Dawnbreakers Geschichte ist dezent übersättigt mit blumigen Ausdrücken, lenkt dabei aber kaum bis gar nicht von der Handlung ab. Mancher Zusatz ist vielleicht etwas überflüssig (Ehefrau ist eine gute Kämpferin?

) und ich kenne mich jetzt nicht gut mit Hirschen aus...aber erkennt man an einem Rehkitz spontan ob es männlich oder weiblich ist? Naja, das ist aber auch bloß Kür.
Schön finde ich die Mischung aus melancholischem Grundthema und leicht humorvollen Spitzen.
Weihnachten wird hier sehr humanistisch ausgelegt, was ich grundsätzlich schön finde. Dadurch fügt sich die Moral des Festes homogen in die Welt Tamriels ein. Ob es letztendlich eine kluge Entscheidung des Vaters ist, das andauernde Mobbing eben so hinzunehmen, hm, darüber ließe sich wohl diskutieren. Und ob man in einer Jäger-Sammler-Gesellschaft wie der Himmelsrands, die auf tierische Produkte angewiesen ist, so eine Dialektik passend fahren kann, will ich auch nicht so in der Tiefe bedenken.
Das alles trübt aber keineswegs die vergnügte Leserei und die herzwärmende Schlussnote.
Ronsen
Erfrischend klar und schnörkellos wirkt Ronsens Geschichte, die sich trotzdem durch Auge fürs Detail erstaunlich gut bildhaft in Himmelsrand einfügt. An vielen Stellen scheint auflockernder Humor hindurch und so wirken auch die ernsten Untertöne nicht zu dramatisch. Mit Embry und Myra zaubert Ronsen zwei angenehm gegensätzliche Charaktere. Vor allem ersterem schneidert er dabei schöne, authentisch wirkende Dialoge auf den Leib, die nicht künstlerisch überstilisiert wirken, sondern waschechtes Himmelsrand-Flair tragen.
Das Lied in der Mitte ist simpel, trägt aber die winterliche Stimmung schön und bereichert das Ganze stilistisch noch einmal um einen Aspekt.
Das Finale ist etwas vorhersehbar und klischeehaft, aber auch nicht so sehr, dass es schmerzen würde. Ich sehe abseits von der Tour durch den Schornstein allerdings nicht viel Weihnachtsgefühl in der Erzählung.
Formal gefällt mir die Geschichte ebenfalls. Ein bisschen uneinheitlich mit den Zeiten am Anfang, fängt sich dann aber schnell.
Schlussendlich nutzt Ronsen auch die Länge der Kurzgeschichte gut aus und liefert mithin die rundeste Geschichte der Teilnehmer aus erzählerischer Sicht.
Achja: Wenn Embry alleweil bei Sabjorn vorbeischaut...wie kommt es dann, dass er dessen Tochter nicht kennt?
VRanger
Auch diese Geschichte braucht ein wenig, um in Fahrt zu kommen und eine Handlung aufzubauen, nachdem zunächst immer wieder blumige Einzelbeschreibungen von Orten, Objekten, Personen und Gesten vom Geschehen ablenken. Selbst die Sprache der beiden namenlosen Hauptfiguren wirkt dabei sehr hochgestochen und affektiert, was man von einer Himmelsrand-Geschichte nicht zwingend erwarten würde. Des Weiteren ist auch diese Geschichte von offensichtlichem Streichmaterial ("Sie übrigens auch.") nicht frei. Das alles ist aber Kritik auf hohem Niveau, denn die Handlung, die sich hier entfaltet, hat beinahe alles, was man von einer guten Kurzgeschichte erwarten kann. Anders als die anderen Teilnehmer setzt VRanger ganz darauf, eine Enthüllungsgeschichte Stück für Stück zu erzählen, die ihre Spannung hauptsächlich dadurch erhält, dass man als LeserIn immer mehr Material bekommt, um das Ganze inhaltlich zu deuten. In diesem Sinne hat die Geschichte sogar etwas Wiederlesewert! Besonders schön finde ich, dass es neben einer spannenden kurzweiligen Erzählung aber auch eine (unterschwellige) weihnachtliche Note gibt, die obendrein sogar Pointe des Berichts ist.
Von kleinen Abstrichen in der B-Note abgesehen, liefert VRanger eine in allen Belangen runde Weihnachts-Himmelsrand-Geschichte ab, die im besten Sinne 'unterhält'.
Fraessig
Um etwas Lob voranzuschicken, ließe sich über Fraessigs Geschichte sagen, dass sie sehr stilsicher formuliert ist und erfreulicherweise jede Figur ihre sprachlichen Eigenheiten hat. Dabei wirken die Dialoge nicht unnötig gekünstelt, sondern rauh, witzig, pointiert usw. Auch die Beschreibungen sind klar und zeichnen ein zweckmäßiges Bild der Szenen. Dabei liegt der Fokus aber doch deutlich stärker auf dem gesprochenen Wort.
Inhaltlich bereitet mir die Geschichte jedoch auf zweierlei Weise Bauchschmerzen. Zunächst gewinnt die Geschichte unnötig an Länge durch die Nebenhandlung mit dem Amulett. In einem längeren Format würde das vielleicht nicht stören, aber im Vergleich zu den Einsendungen anderer Teilnehmer, die konzentriert und dediziert ihre Handlungen darlegen, wirkt dieser Nebenplot unnütz und ziellos. Sind Astrid und Risandi(?) nicht quitt, wenn sie Dolch und Amulett tauschen? Woher kommt die Service-Bereitschaft von Astrid, Risandi
zusätzlich noch beim Einbruch zu helfen? Generell wirkt die Erzählung recht konstruiert und erklärt Umstände gar nicht oder unzureichend. Zufällige Treffen, zufällige Dialoge zum Belauschen, zufällige Verletzung, zufälliger Mord. Diese Häufung hinterlässt bei einer so kurzen Geschichte ein ungutes Gefühl.
Dass die Geschichte letztendlich eine ziemlich morbide Auslegung der Weihnachtsmoral darstellt, hat mich übrigens nicht weiter gestört. Dass sie sich generell mit der Moral auseinandersetzt, ist für sich ja schon mal etwas schönes.
Formal ist Fraessigs Beitrag sehr sauber und leistet sich nur in den seltensten Fällen kleine Fehler.
Trinovas
Zunächst fällt auf, dass Rechtschreibung etwas ist, woran Trinovas etwas feilen sollte. Gerade der Mangel an Kommata zwang mich mehrmals zum verdutzten Zweimal-Lesen. Muss nicht sein bei einem Text, den man wochenlang planen und ausbessern kann. Stilistisch steht die Geschichte auf der Kippe. Einerseits steckt in der Schreibe rauhe Nord-typische Direktheit und dass die Geschichte weitgehend frei von unpassendem Pathos ist, finde ich begrüßenswert. Andererseits geht ihm stellenweise die Schriftsprache flöten und die Erzählung wirkt sehr salopp und fast schon unbeholfen. In den Dialogen mag das passend sein, in den Beschreibungen allerdings weniger.
Auch Trinovas' Auslegung der Weihnachtsmoral ist sehr allgemein und humanistisch. Eine Geschichte von Kriegern mit Skrupel vor dem Töten zu erzählen ist nun nicht die Neu-Erfindung des Rades und auch nur im allerweitesten Sinn mit Weihnachten zu verbinden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Prioritäten der Geschichte eigenartig verteilt sind. Beinahe die Hälfte des Textes widmet sich Charakterbeschreibungen und dem Kampf mit dem Bären, weshalb die Misere mit dem Kaiserlichen in relativer Kürze abgehandelt wird. Ein dramatischer Höhepunkt fehlt mir weitestgehend und der eigentlich interessante Konflikt im Kern der Geschichte verpufft in der schulterzuckenden Unschlüssigkeit der Protagonisten.
Zusammenfassend werte ich also folgendermaßen:
1. Platz:
VRanger - Die rundeste Geschichte des Wettbewerbs, die konventionelle Erzählqualitäten mit Himmelsrand und Weihnachten gekonnt verflechtet und bis zum Schluss unterhält und überrascht
2. Platz:
Dawnbreaker - Durch Erzählperspektive und Tempus die mutigste, experimentellste Geschichte. Zwar nur vage weihnachtlich, aber dafür sehr souverän dargebracht und mit einem herzlichen, menschlichen Fazit.
3. Platz:
Ronsen - Knapp am 2. vorbeigeschrammt für mich. Lässt die Kurzgeschichte mal Kurzgeschichte sein und verpackt eine kleine, in sich stimmige Erzählung mit Humor, einem Fitzel Weihnachten, Gemütlichkeit und einer Prise Klischee.
4. Platz:
Trinovas Formale und stilistische Abzüge in der B-Note trüben den Eindruck einer grundsoliden, wenn auch nicht innovativen Erzählung. Nicht sehr weihnachtlich, aber dafür 'nächstenliebend'. Fragwürdige Gewichte bei den Elementen der Erzählung.
5. Platz:
Fraessig - Authentische Dialoge und konzentrierte Beschreibungen stehen einem unnötigen Nebenplot, sowie einer konstruierten Haupthandlung gegenüber.
6. Platz:
Krysos1962 - Die Rechnung geht für mich nicht auf. Sprachlich zu überladen, formal zu unsauber, etwas handlungsarm und mit einer ausgesprochen unweihnachtlichen Schlussnote ausgestattet.
Ich hoffe, dass das nachvollziehbar erscheint und den mühevollen, schönen Beiträgen Rechnung trägt.