Kinostart: 26.11.2003
Genre: Thriller/Action
Regie: Doug Liman
Darsteller: Matt Damon, Franka Potente, Chris Cooper
FSK: 12
Inhalt: Etwa hundert Kilometer von Marseille entfernt fischt ein Fischkutter einen jungen Mann mit zwei Kugeln im Rücken drin aus dem Wasser heraus. Der kann zwar französisch und flämisch, hat aber keinen gesteigerten Plan davon, wer er ist, bzw. wieso man ihm balistisch zu Leibe rücken wollte. Auch ein Besuch bei einer schweizer Bank verschafft nur wenig klarheit, aber immerhin merkt uns' Held, der sich fortan Jason Bourne nennt, bei der haarsträubenden Verfolgungsjagd, dass er Fiesärschen ganz gut auf's Maul geben kann. Gemeinsam mit der Studentin Marie macht er sich auf gen Paris um herauszufinden, wer, was, wann, wieso und überhaupt...
Kritik: Donnerstag: Ich hab' gerade meine liebste Gitarre halbwegs zu Hackfleisch verarbeitet (beim Saiten aufziehen ist irgendwo am Tremolo ein Stück abgebrochen, Scheiße auch) und auch sonst keinen gesteigerten Plan, was ich tun soll, denn ich sitz bei meinen Eltern und Marla ist irgendwo, aber nicht hier. Also muss ich mich mal wieder aufs Fernsehprogramm verlassen und wer sich darauf verlässt ist verlassen, wie man so schön sagt... Glück nur, dass Vox an diesem Donnerstag (dem 29. Januar, übrigens dem 25. Geburtstag meines Bruders) gar nicht so fies in den Komposthaufen griff sondern etwas halbwegs ansehbares aus dem Hut zauberte. Namhaft "Die Bourne Identität", ein Agententhriller basierend auf dem Buch von Robert Ludlum, den ich nicht zum ersten Mal sah. Irgendwann drängte ein Kumpel mir den Streifen schon auf DVD auf und da nahm ich das gute Stück in Augenschein und lasst euch nicht zu viel verraten, aber der heutige Film ist der Auftakt zu einer Trilogie und den dritten Teil, "Das Bourne Ultimatum", hab ich noch daheim auf DVD rumliegen, nur noch nicht angeschaut, weil ich den zweiten Streich bis zum heutigen Tag noch nicht sah...
Egal, wir haben es also mit einem Agentenfilm, einer Literaturverfilmung und dem ersten von mehreren Parts zu tun, drei potentielle Möglichkeiten, um viel zu verkacken. Aber ich deutete es im oberen Ansatz schon an, ansehbar ist "Die Bourne Identität" allemal, wenn nicht sogar mehr. Und das hat mehrere Gründe. Allen voran die Tatsache, dass Regisseur Doug Liman ("Mr. & Mrs. Smith", "Jumper") eine sehr stringente Inszenierung aus dem Hut zaubert. Man sollte keine inszenatorischen Großleistungen erwarten, aber Liman nimmt das Skript, das das Drehbuchautorengespann Tony Gilroy ("Armageddon", "Lebenszeichen") und W. Blake Herron ("Vorbilder") aus dem Ludlum-Klassiker (übrigens Jahre zuvor schon mal mit Richard Chamberlain in der Hauptrolle auf Zelluloid gebannt) extrahierte, und bastelt ein spannungstechnisch sehr dichtes Ding daraus. Das fängt schon an, wenn unser da noch namenloser Held eher leblos im Mittelmeer (oder gehört der Part schon zum Atlantik?) herum schwimmt und von den eher schlichten Fischern geborgen wird. Auch die quasi-Vorstellung von Bourne ist sehr gut gelungen, auch wenn hier die Zeitspanne, die der Film zu überbrücken versucht, etwas... äh... schlecht rüberkommt. Wenn Bourne nicht so etwas fallen lassen würde wie "Ich bin jetzt schon zwei Wochen auf diesem Schiff", dann hätte ich geahnt, dass sie ihn vor ein paar Stunden aus dem Wasser gefischt hätten, aber gut, ich war eh nie so der Beste darin, solche Zeitspannen in Filmen einzuschätzen.
Hauptsächlich haben wir es bei "Die Bourne Identität" aber mit einem Actionstreifen zu tun, oder? Hm, ja, irgendwie schon, auch wenn die 12er-FSK da etwas verwunderlich ist, denn wenn man sich ein zünftig bretzelndes Baller-Feuerwerk wünscht, dann muss da doch mindestens mal ein blauer Aufkleber drauf sein, oder? Immerhin sehen es die deutschen Jugendschützer ja gar nicht so gerne, wenn Homo Sapiens Sapiens auf Artgenossen schießen... "Die Bourne Identität" findet da glücklicherweise einen gesunden Mittelweg. Ja, es gibt coole Actionszenen. Wenn Bourne zum Bleistift zwei schweizer Polizisten in wenigen Augenblicken zu Hackfleisch verarbeitet, wenn er in der amerikanischen Botschaft in Zürich einen gewaltigen Aufruhr verursacht, wenn er in einem Hotelzimmer in Paris gegen einen Killer mit Martial-Arts-Skills auftrumpft. Es gibt immer wieder nette Actioneinsprengsel, die relativ realistisch inszeniert sind (mit Ausnahme der letzten des Films) aber viel Freude machen, Überhand nehmen diese aber nie.
Die meiste Zeit über schlägt das Regisseur/Drehbuchteam Liman/Gilroy/Herron nämlich damit tot, Bourne auf der Flucht zu zeigen und dabei versucht er auch noch herauszufinden, was denn überhaupt Sache ist. Hier greift wieder die Spannungsschraube, man selbst weiß nämlich kaum mehr als der nominelle Held (okay, ein bißchen mehr schon), man spürt nur diese allgegenwärtige Bedrohung. Der Feind ist einfach übermächtig und unser Heldengespann quasi dauernd in Gefahr. Das schafft Atmosphäre, das ist sehr gut durchgezogen, so machen Agententhriller Freude.
Etwas weniger mit Ruhm bekleckert der Streifen leider sich von Seiten der Darsteller, zumindest was die Hauptrollen betrifft. Jason Bourne wird gespielt von Matt Damon ("Good Will Hunting", "Dogma") und der zeigt sich in diesem Film zwar ziemlich muskulös und kampftechnisch gar nicht übel, aber einen guten Schauspieler macht das immer noch nicht aus ihm. Ich mag Matt Damon nicht, das gebe ich freimütig zu. Er hat einfach seine Mimik nicht ordentlich unter Kontrolle... oder zu gut, auf jeden Fall tut sich da nicht sonderlich viel. Ihm zur Seite als Studentin Marie steht die deutsche Franka Potente ("Anatomie", "Lola rennt", "Creep") und sie wirkt hier... sagen wir mal "befremdlich". Per deffinitionem halte ich die gute Frau eh schon für keine gute Darstellerin, aber hier zieht sie ihre Rolle souverän durch, was stört ist ihre Synchronisation, die zwar soweit ich weiß von Potente selbst übernommen wurde, die aber - so komisch das klingen mag - nicht passt. Deutsche in amerikanischen Produktionen, das ist immer ein Gefahrenfaktor, wobei Benno Fürmann in "Mutant Chronicles" bewieß, dass es auch gut geht, Potente hingegen fügt sich so gut in den Film ein wie ein fünf Meter großes Eichhörnchen in eine Selbsthilfegruppe für anonyme Sexsüchtige. Blumiger Außdruck, ich weiß, also noch mal kurz zum mitschreiben: Potente passt nicht. Wesentlich besser sieht es schon in Sachen nebenrollen aus. Den besten Eindruck hinterlässt da wohl zweifelsohne Chris Cooper ("Interstate 60") als so was ähnliches wie der Chef des Treadstone-Projekts, der so eine Art Gegenspieler für Bourne darstellt (wobei es eine ganze Weile dauert, bis die beiden sich tatsächlich mal gegenüber stehen). Cooper hat einfach das perfekte Gesicht für einen gemäßigten Fiesarsch und spielt wie immer große Klasse. Weiterer Höhepunkt ist der damals noch unbekanntere Clive Owen ("Shoot 'em Up", "Children of Men") als schweigsamer Killer "The Professor" (hier auch mit Brille). Owen als Bösewicht ist etwas, was man nicht jeden Tag zu sehen bekommt. Und hier wirkt er auch endlich mal anders als in all seinen anderen Rollen, nämlich nicht so erzwungen cool, sondern tatsächlich eiskalt, effizient und bedrohlich. Auch Altstar Brian Cox ("Blutmond") liefert mal wieder gute Arbeit ab, seine Figur kommt etwas kurz, dadurch kann er nicht wirklich glänzen, aber ich laß, dass das in den folgenden Teilen noch ausgebaut werden würde. Und auch Julia Styles ("Save the Last Dance") hat mich beim ersten Sehen positiv überrascht. Ich hatte die Frau eigentlich immer für eine untalentiertere Leelee Sobieski gehalten, aber sie macht die eigentlich eher nicht so impressive Rolle der Treadstone-Koordinatorin Nikki sehr memorabel. Bin ich mal auf die folgenden Teile gespannt, was die gute Frau da noch rausreißt.
Hier kommt auch der Wermuthstropfen daher: "Die Bourne Identität" ist - wie schon mehrfach erwähnt und angedeutet - der Auftakt einer Trilogie und zwar einer, die tatsächlich in allen drei Teilen eine fortlaufende Geschichte erzählt. So ist es kein Wunder, dass am Ende des ersten Teils noch nicht alle Geheimnisse aufgedeckt wurden, ja der Zuschauer tatsächlich kaum schlauer ist als vorher. Deswegen lässt einen das Ende des Films etwas in der Luft hängen, macht andererseits aber den Fehler eine total dämliche Endszene dranzutackern, die mehr zu einem Einzelfilm als zum ersten Teil einer Trilogie passt. Ich will jetzt nicht groß spoilern, aber für die bedrohliche Atmosphäre des Films ist diese letzte Szene viel zu unbeschwert. Vielleicht verliert sie ein wenig an destruktiver Wirkung, wenn man direkt hinterher den zweiten Teil sieht und es dann quasi direkt weiter geht, ich weiß es nicht, ich sah den zweiten Teil noch nicht, aber so... Hm...
Wenn man davon jetzt aber mal absieht, dann ist "Die Bourne Identität" eine sehr runde Sache, die vielen anderen vergleichbaren Filmen des Agentenfilm-Genres (also zum Bleistift den neueren "James Bond"-Teilen oder den "Mission: Impossible"-Filmen) eine wichtige Sache voraus hat, nämlich ein tatsächlich inspiriert geschriebens Drehbuch abseits der dämlichen "Sie haben einen Auftrag, dieses Band wird sich in zehn Sekunden selbst zerstören"-Plotten. In Sachen Action zieht der Film zwischen "Mission: Impossible 2" natürlich den kürzeren (um jetzt mal im gleichen Genre zu bleiben), aber ansonsten...
Kommen wir zum Fazit: "Die Bourne Identität" ist relativ kompromissloses, unterhaltsames Agentenkino der intelligenteren Variante. Ein schnieker Plott, gute Actionszenen und eine hochkarätige Nebendarstellerriege sowie eine tolle, bedrohliche Atmosphäre halten den Zuschauer die vollen zwei Stunden bei der Stange. Die Endsequenz wirkt etwas dämlich und als Hauptdarsteller hätte ich mir wen anders gewünscht, trotzdem bin ich sehr gespannt auf die folgenden zwei Teile (zumal vor allem der dritte Teil "Das Bourne Ultimatum" noch besser sein soll). Gute Arbeit.
Einzelwertungen:
Darsteller: 07/10 (die Nebendarsteller sind großartig, die beiden Hauptrollen... naja)
Plot: 09/10 (sehr gute, spannende Story und ausgesprochen intelligent)
Effekte: 07/10 (die Actionszenen sind größtenteils sehr schick anzuschauen, bei der Letzten stieß mir aber der Einsatz einer Puppe an einer Stelle ziemlich sauer auf)
Anspruch: 05/10 (an sich zwar recht clever und auch mit ein paar moralischen Ansätzen, aber nichts, was großartige Denkarbeit benötigen würde)
Gesamtwertung: 08/10 (guter Actionthriller, als einzelner Film hat er ein etwas ernüchterndes Ende, als Teil der Trilogie... wer weiß?)
Link zur IMDB-Seite (Wertung: 7.7)
Link zum Trailer
Die DVD bei Amazon.de