Kinostart: 09.11.2006
Regie: Alfonso Cuarón
Genre: Sci-Fi/Drama
Darsteller: Clive Owen, Julianne Moore, Michael Cain
FSK: 16
Inhalt: Die Welt ist am Ende. Seit 18 Jahren wurde kein Kind mehr geboren und die Aussichtslosigkeit der Situation sorgt für Mord und Totschlag auf den Straßen. In diesem Chaos tritt eine Rebellengruppe an den ehemaligen Aktivisten Theo Farone heran und bittet ihn darum, Transitpapiere für eine junge Frau namens Kee zu besorgen, damit diese London verlassen kann. Dabei gibt es aber einige Probleme und plötzlich werden Theo und Kee von allen möglichen Leuten gejagt.
Kritik: Gegenreview, Gegenreview, yeehar! Ponti hat den Streifen hier ja schon über alle Maßen gelobt, aber naja, wir wissen ja, das unser junge Freund recht leicht zu beeindrucken ist. Hier jetzt also meine Gegendarstellung zu diesem... hm... Film.
Lasst mich als erstes sagen: Ehe ich den Film sah, habe ich die Buchvorlage von P.D. James gelesen und für eine exzellente Mischung aus düsterer Zukunftsvision und Politthriller befunden, die nur gegen Ende etwas geschwächelt hat. Tja, Regisseur Alfonso Cuarón ("Große Erwartungen", "Harry Potter und der Gefangene von Azkaban") hat das Buch wohl auch gelesen, das muss ich ihm zugestehen. Gefallen hat's ihm scheinbar nicht. Da fragt man sich doch, wieso er's dann verfilmt hat.
Naja, hat er nicht wirklich. Denn abgesehen davon den Titel, einige Schlüsselpunkte und rudimentär die Ausgangssituation (wobei er die so sehr verändert hat, dass sie Titel und Aussage des Buches ad absurdum führt) geklaut und sein eigenes Ding gedreht. Muss ja nicht schlecht sein, zugegeben. Mal schauen, wie er und seine (relativ hochkarätige) Darstellerriege sich geschlagen haben.
Als erstes fällt einem die Optik des Streifens ins Auge und man sieht schon, dass Cuarón ursprünglich aus der Kamera-Abteilung kommt. Toller Einsatz des filmischen Auges, lange Aufnahmen ohne Schnitte, alles sehr schön in Szene gesetzt. Der Film ist visuell eine wahre Wonne, das muss man ihm lassen. Im selben Augenblick fällt aber auch etwas ganz anderes auf: Auf einen überraschenden, dichten oder wenigstens sinnvollen Plot wird beinahe vollständig verzichtet, der Film ist erschreckend dumm, Logikfehler entstehen so weit das Auge schaut, erklärt wird nix, der Zuschauer kriegt einfach eine Sammlung von Fakten auf den Tisch gehauen und muss zusehen, was er damit anfängt. Charaktermotivationen sind ebenso Mangelware, was aber kein Wunder ist, da die Figuren auf dem Bildschirm allesamt völlig flach und eindimensional sind.
Sympathie können trotzdem ein paar aufbringen... Handgezählt nämlich zwei. Zum einen uns' nomineller Held Clive Owen ("Shoot 'em Up", "Sin City") als Theo Farone (der allerdings aus den völlig falschen Gründen die Sympathie des Zuschauers erringt, er spielt nämlich so cool und abgebrüht wie in all seinen Filmen, also in etwa so emotional wie ein Backstein) und Michael Caine ("Batman Begins", "Get Carter") als Althippie Jasper (ich hatte zwar erst tierische Zahnschmerzen, als ich bemerkt habe, in was Cuarón die Figur des Jasper umgeschrieben hat, aber Caine war trotzdem genial), der eine astreine Darbietung abfeiert. Ganz große Klasse der Mann, der hat seine beiden Oscars zu Recht. Der Rest des Darstellerensembles ist nettes Füllwerk. Julianne Moore ("Hannibal", "Magnolia") hat das Problem, dass ihre Figur mit einem Minimum an Screentime abgespeißt wurde und ihre Rolle sowieso etwas dämlich ist, Chiwetel Ejiofor ("Serenity", "Kleine schmutzige Tricks") spielt gegen die Tatsache an, dass er ein völlig unmotivierter und charakterloser Bösewicht ist. Und Clare-Hope Ashitey ("Shooting Dogs") ist eine extrem hölzerne und untalentierte Darstellerin. Man mag es ihr verzeihen, die ist jünger als ich und es war erst ihr zweiter Film.
So plätschert der Film über weite Strecken einfach so dahin. Versteht mich nicht falsch, er ist nicht langweilig, aber er ist schlicht und ergreifend vernachlässigbare, vergessenswerte seichte Unterhaltung ohne tiefern Sinn. Hier und da kann er mit ein paar hübschen Bildern aufwarten, aber die meiste Zeit trumpft er mit lahmen Dialogen und einem planlos wirkenden Hauptdarsteller auf (nix Held wider Willen, das war Theo im Buch... im Film findet er sich nach etwa zehn Minuten absolut mit seiner Rolle ab und ist von diesem Augenblick an ein stinknormaler Protagonist, dessen Motivation allerdings gegen null tendiert). Die Qualitäten, die James' Buchvorlage hatte, werden dabei voll und ganz ignoriert, Cuarón dreht einfach, wonach ihm gerade ist. Hier eine kleine Actionszene, da ein wenig Gelaber, an der Ecke ein Fünkchen Charakterentwicklung, die bei näherem Hinschauen keine ist. Alles sehr vorhersehbar und beliebig. Auch die Tiefe, die der Film mit der "Second Coming"-Allegorie einzubringen versucht (auch eine von Cuaróns Ideen) ist unsagbar aufgesetzt, weil sie einem mit dem Holzhammer über die Birne gedonnert wird. Danke auch...
Und dann retten die letzten 15 Minuten den Film vor der absoluten Mittelmäßigkeit. Da gibt der Film endlich zu, dass er die ganze Zeit über keine konsistente Story hatte, scheißt gepflegt drauf und feiert eine der genialsten Sequenzen ab, die man je auf der Leinwand beobachten durfte (zugegeben, ich hab den Film nur auf DVD auf einem winzigen Fernseher gesehen, aber die Szene tat trotzdem ihre Wirkung). Da funktioniert sogar die Shaky-Cam wirklich wirklich dufte. Man muss dazu sagen, das ist so inkonsequent wie es doof ist, aber es funktioniert ganz einfach (genau wie die reingeschnippselte Zombie-Szene in der "Geisterstadt der Zombies", wobei hier der Film drumherum trotzdem noch was kann). In dieser Hinsicht stellt der Film die Buchvorlage auch in den Schatten: Das Ende ist wesentlich stärker.
Da liegt im Endeffekt aber auch der Hund begraben. Wieso tut Cuarón das? Wieso die komplette Ummodelung der Buchvorlage? Die wäre nämlich exzellent zu verfilmen gewesen und hätte einen wesentlich besseren Streifen ergeben. Wenn Cuarón einfach die Buchstory übernommen und sein Ende angefügt hätte, der Film wäre brillant gewesen. So allerdings verschenkt der Film vieles von seinem Potential.
Kommen wir zum Fazit: Als Literaturverfilmung ist "Children Of Men" entsetzlich. Cuarón nimmt alle Stärken von James' Vorlage und wirft sie komplett über Bord, nur um dann seinen eigenen Schmonz auf dem leeren Tisch aufzubauen. Der ist größtenteils sinnfrei, seichte Unterhaltung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dank der guten Optik, Michael Caines Performance und dem brillanten Ende kann der Film abseits der Kategorie "Buchverfilmung" aber trotzdem Punkten. Der Streifen ist gut, keine Frage. Aber er ist auf keine Weise gut, die der Vorlage gerecht werden würde. Er ist schlicht und ergreifend ein guter Unterhaltungsfilm.
Einzelwertungen
Darsteller: 07/10 (Michael Caine ist brillant, Clive Owen zieht seine typisch planlose Performance ab, der Rest geht in Ordnung)
Plot: 05/10 (die Plotentwicklung tendiert gegen null, Überraschungen sind Mangelware, genau wie Motivationen, so bleibt nichts wirkliches außer einer guten Grundidee)
Effekte: 08/10 (da trumpft der Film gegen Ende voll auf, genial)
Anspruch: 04/10 (alles, was der Film an Tiefe zu bieten hat, wird mit dem Holzhammer serviert)
Gesamtwertung: 07/10 (ich hab' zwischen 7 und 8 geschwankt, aber die Beliebigkeit der ersten anderthalb Stunden muss leider zu Punktabzug führen)
Link zur IMDB-Seite (Wertung: 8.1)
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