DVD-Start: 18.06.2002
Regie: Peter Medak
Genre: Horror/Drama/Krimi
Darsteller: George C. Scott, Trish Van Devere, Melvyn Douglas
FSK: 16
Inhalt: John Russells Familie wurde bei einem tragischen Autounfall getötet. Der alte Mann verlässt seine Heimat und zieht sich nach Seattel in ein altes, gewaltiges Herrenhaus zurück, um dort über den Schmerz hinweg zu kommen und sich vielleicht eine neue Existenz als Komponist und Universitätsdozent zu erarbeiten. Doch schon nach wenigen Nächten geschehen merkwürdige Dinge in dem alten Haus. Türen öffnen und schließen sich wie von Geisterhand, nachts erklingen seltsame Geräusche, Fenster springen ohne erkennbaren Grund und langsam aber sicher beginnt John die Warnung einer seltsamen älteren Frau ernst zu nehmen, die da lautete "Niemand kann in diesem Haus wohnen. Das Haus mag Menschen nicht."
Kritik: Ich schimpfe ja oft und gerne über das Fernsehn, seien es nun die ewigen Werbeunterbrechungen, die oft gekürzten Ausstrahlungen von guten Filmen oder die unsägliche Unsitte, dass man das Fernsehprogramm nicht zurückspulen kann, wenn man was verpasst hat (Unverschämtheit, wie ich finde, was denken die sich nur dabei?). Aber hin und wieder hat man ja keine andere Wahl, als die olle Flimmerkiste einzuschalten und nicht nur dazu zu verwenden, den DVD-Player (oder DVD-Playerin, höhö) daran anzuschließen. Wenn besagter Player zum beispiel gerade nicht verfügbar ist, weil er vielleicht in der eigenen Wohnung steht und man selbst gerade bei den Eltern zu Besuch ist. Wow, merkt ihr was? Das passiert mir in letzter Zeit irgendwie überraschend häufig.
Jedenfalls begab es sich am Freitag, also Vorgestern, dass ich mal wieder die Fernsehzeitung taxierte, auf der Suche nach irgend was, was man sich an diesem jenen Abend anschauen könnte. Und da fiel mein Blick so mir nichts dir nichts auf die lustige kleine Spalte der nicht ganz so großen Sender der deutschen Fernsehlandschaft. Erst mal fiel mir auf, dass auf dem Sender mit dem tollen Titel "Das Vierte" der gar nicht mal so üble Horrorstreifen "Dead End" lief, aber den schaute ich mir nicht an, denn der Sender direkt neben dran ("Tele 5 - Der Spiefilmsender" - das soll keine Schleichwerbung sein) bot mir ein interessantes Dreierpack: "Clockwise", "Devour" und "Das Grauen", drei Filme von denen ich meinen Lebtag noch nichts gehört hatte. Naja, wobei, "Das Grauen" kam mir schon irgendwie bekannt vor. Aber egal, ich schweife ab. Jedenfalls war es ja seit Jahr und Tag mein Bedürfnis endlich mal völlig unvorurteilsbehaftet an einen Film ranzugehen, mich quasi selbst ins kalte Wasser werfen. Also was gäbe es da besseres, als von 20.15 Uhr bis morgens um zwei auf der Couch meiner Eltern zu liegen und mir drei Filme (mit Werbeunterbrechung, na toll) anzuschauen, von denen ich noch nie gehört habe... Hm... Vanilleeis vielleicht. Ihr entschuldigt mich? *traptrap*
So, da bin ich wieder, äh... wo waren wir? Ah ja, richtig, es ging um die drei Filme, die ich mir vor ein paar Tagen anschaute. Also besser gesagt um "Das Grauen", denn mein erster Eindruck, dass ich nie von dem Streifen gehört hätte, täuschte mich ganz arg. Denn bei dem handelte es sich um nichts anderes als den 80er-Jahre-Horrorklopper "The Changeling", auf dessen IMDB-Seite ich wenige Tage zuvor noch vorbeigesurft war (irgendwie lande ich seit etwa drei Jahren mit schöner Regelmäßigkeit etwa einmal im Monat auf der Seite des Films) und den ich schon vor knapp acht Jahren oder so im Wiesbadener WoM (gibt's mittlerweile nicht mehr, wenn ich mich nicht täusche) auf DVD gesehen hatte. Und den ich mir eigentlich als Blindkauf zulegen wollte, sobald die Portokasse es mal wieder hergäbe. Das hat mir jetzt das Fernsehprogramm erspart.
Lange Rede kurzer Sinn (wow, ich hab schon wieder drei Absätze mit völlig nichtssagendem Gelaber vollgekriegt, huldigt mir gefälligst), "Das Grauen" ist unser heutiger Patient in der kleinen Zelluloid-Sezierschule. Der Film aus dem Jahre 1980 ist ein klassisches Exempel für den guten alten Geisterhaus-Horror, wie ihn schon "Tanz der Totenköpfe" oder "House on Haunted Hill" (der alte mit Vincent Price) zelebrierten. Und irgendwie jagten diese Filme mir, wenn sie gut gemacht waren, schon immer einen Schauer über den Rücken. Entsprechend lächerlich sind sie natürlich, wenn das Produktionsteam zu viele bewußtseinserweiternde Drogen geschluckt oder schlicht und ergreifend keinen Bock hatte, aber naja, jeder braucht ein Hobby. Ist "Das Grauen" eher ein Vertreter der ersteren oder der zweiteren Zunft, das ist die Frage, die wir hier jetzt klären wollen.
Meine Fresse, der Streifen gehört auf jeden Fall auf den ersten Stapel, jawoll. Was Peter Medak ("Romeo is Bleeding", "Species II") hier auf Film bannte ist wirklich ein Ausbund an Atmosphäre und heftigen Thrills, dass sogar gestandenen Horrorfilmfans gehörig der Arsch auf Grundeis gehen kann. Ja, damit meine ich mich. Mister "Mich erschreckt nichts, ihr Weicheier", der immer noch mit schöner Regelmäßigkeit darüber lacht, dass Ponti "The Descent" unheimlich fand. Ja, ich gestehe, "Das Grauen" hat's mir gezeigt. Was um so faszinierender ist, denn eigentlich hatte der Streifen nichts zu bieten, das man als alteingesessener Horrorgucker nicht schon mal irgendwo gesehen hätte. Die Prämisse ist wie gehabt, uns' Held setzt sich mit dem Geist in seinen vier Wänden auseinander und versucht ihn irgendwie los zu werden. Dabei verzichtet Drehbuchautor Russell Hunter (hat sonst nix geschrieben) auf großartige Überraschungen, unvorhergesehene Wendungen oder ähnliches. Ganz und gar der alten Schule ist der Streifen entsprungen, so geradlinig ist er. Und irgendwie auch kammerspielartig.
Den wirklich tragende Rollen gibt es in "Das Grauen" nur eine und zwei halbe. Unser Leading-Man ist der 1999 verstorbene Oskarpreisträger George C. Scott ("Patton"), der hier den alternden Hausbesitzer und vom Schicksal gebeutelten Witwer spielt und das macht der Mann unglaublich gut. Ihm beim Spielen zuzuschauen ist eine wahre Freude, so emotional und lebensnah ist seine Darstellung. Entgegen heutigen Gewohnheiten ist es wirklich toll einen Film zu sehen, in dem der Hauptdarsteller noch wirklich nach Können und nicht nach Aussehen ausgesucht wurde. Auch sonst fand ich die Darstellerriege recht erfrischend, denn Leute unterhalb von 30 findet man im Cast kaum. Kein Teeniewahn weit und breit, in den achtzigern. Ist doch schön, so einen "alte Leute Film" zu sehen. Egal, ow waren wir? Ah, genau... Die zweite bedeutsame Rolle wird bekleidet von Scotts damals angetrautem Eheweibe Trish Van Devere (spielte in einer "Columbo"-Folge, war damals immerhin auch schon knackige 37 Jahre alt), die so was wie Scotts Love-Interrest abgibt. Nicht wirklich... also irgendwie schon, aber die Chemie zwischen den beiden war... seltsam. Von einem Augenblick auf den Anderen waren die beiden plötzlich per du und so... Nett, ich hatte nämlich absolut kein Bock, mir in dem Film noch irgend welches Liebesgeschnulze anzuschauen, aber etwas befremdlich fand ich das schon. Jedenfalls liefert auch die gute Trish eine ordentliche Darbietung ab, nicht so gut wie Scott, aber sie hat auch weniger Screen-Time, ist dem Zuschauer nicht so nahe und ist außerdem eine Frau (Sexismus ftw!!!). Die dritte "große" Rolle (also mit zehn+ Minuten Screentime) spielt der zweifache Oskargewinner Melvyn Douglas ("Willkommen, Mr. Chance") und auch er muss hinter Scott zurückstecken, hat aber auch ein paar große Charakterszenen, vor allem gegen Ende.
Aber ach, große Schauspielkunst ist in einem Horrorfilm ja leider Gottes verloren, wenn der Film seinem Genre nicht gerecht wird. Da stellen wir "Das Grauen" gerade noch mal auf den Prüfstand und ich sage gleich vorweg: Er besteht. Die Aufnahmen des düsteren Hauses sind großartig, die Musik und die Soundeffekte tragen ihr übriges dazu bei. Ansonsten ist der Film recht effektarm, was es allerdings zu sehen gibt macht auch heute, nach 28 Jahren, noch einen sehr gute Eindruck (das brennende Treppengeländer war einfach nur geil). Ich kann gar nicht darauf zeigen, woher der Film eigentlich seine Faszination, seine Atmosphäre (die so dick ist, dass man sie mit dem Messer schneiden könnte) und seinen Grusel zieht, es ist irgendwie ein Konglomerat aus allem, aus einer fantastischen aber doch glaubhaften Story, aus der minimalistischen Inszenierung, aus der ruhigen Erzählweise und den wirklich sehr eindrücklichen Bildern vielleicht. Jedenfalls ist Medak mit "Das Grauen" ein wirklich großer Wurf gelungen, der den Test der Zeit besteht und auch heute noch große Klasse und verdammt unheimlich ist. Für jeden, der die Schnauze voll hat von modernem Horrorschmu mit kreischenden Teenies und einer Atmosphäre wie ein Glas Wasser.
Kommen wir zum Fazit: Beware ye who enter here... Filmfreunde die leicht zu horrifizieren sind, werden von "Das Grauen" wohl eben selbiges sein. Denn der Film ist trotz seiner eher dünnen und vorhersehbaren Story ein atmosphärisches Meisterwerk sondergleichen mit einem großartigen Darstellerensemble und einer wirklich tollen Inszenierung, so dass der Streifen auch fast drei Jahrzehnte nach seinem Erscheinen nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. Für anspruchsvolle Horrorfreunde ein Muss.
Einzelwertungen
Darsteller: 09/10 (George C. Scott war ein ganz Großer seines Faches)
Plot: 05/10 (eher durchschnittliche Kost und nichts, was man heutzutage nicht schon mal irgendwo anders gesehen hätte, aber nett)
Effekte: 08/10 (relativ effektarm, aber die, die man geboten bekommt, sind große Klasse)
Anspruch: 07/10 (ein Film, der alle Sinne des Zuschauers packt und nicht mehr loslässt und sich vor allem auch noch recht intelligent aus der Affäre zieht)
Gesamtwertung: 09/10 (einer der großartigsten Horrorfilme, den ich je gesehen habe... mit Sicherheit wohl der beste klassische Geisterhaus-Film)
Link zur IMDB-Seite (Wertung: 7.4)
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