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Die 3 Postulate der Vernunft, auf lange Sicht sinnvoll? Freiheit, Gott, Unsterblichkeit.
Postulate sind nicht beweisbar aber als Annahme sinnvoll.
Kant ging davon aus, dass folgende Postulate gegeben sein müssen um letzten Endes die Glückselligkeit und ein moralisches Leben der Menschheit zu garantieren. Wir haben hier im Forum etliche Male darüber diskutiert wie wahrscheinlich bzw. unwahrscheinlich die Existenz eines Gottes oder des freien Willens ist, nie aber wie sinnvoll die bloße Annahme hierfür wäre, abseits von Wahrheit und Lüge.
Wir sprechen hier von
1) Freiheit: die Freiheit die durch den kategorischen Imperativ gegeben wird (im Kern: Handle so als ob du wollen kannst, dass deine Handlung ein allgemeines Gesetz werde, mehr Details:Kategorischer Imperativ)
2) Gott: Der Glaube an Gott (Kant war christlich geprägt) und durch ihn die Hoffnung auf immer währende Entlohnung oder Bestrafung als Antrieb für das vernunftbegabte Wesen Mensch.
3) Unsterblichkeit: Die Unsterblichkeit der Seele hinterlässt Spuren, sie durch Handlung nach dem KI nicht zu schädigen sollte das das Ziel eines jeden Menschen sein.
Ich sehe warum Kant diese Annahmen für sinnvoll hält, halte sie jedoch für naiv. Der Annahme von der Existenz eines Belohn/Bestraf-Prinzips durch einen Gott geht bereits eine weitere Annahme vorraus, nämlich dass es sich um den christlichen Gott handeln muss. Das mag für einen strenggläubigen Christen keine Hürde darstellen, Kant scheitert hier jedoch an seinem Anspruch allgemeine Gesetze formulieren zu wollen. Und dieser spezifische Punkt kann nur von einem Bruchtteil der Menschen einfach "hingenommen" werden, nämlich von eben jenen die bereits davon ausgehen, dass dem so ist. Damit formuliert Kant meiner Meinung nach seine persönlichen Präferenzen zu einem allgemeinen Gesetz um.
Schopenhauer hat Kants Ansichten übrigens ähnlich kritisiert, Kants Fehleinschätzung (zumindest meiner Meinung nach) ist also definitiv nicht nur im Kontext seiner Zeit zu betrachten.
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Du stellst die Postulate vollkommen falsch da. Sie sind keine objektiven Annahmen des Menschen an sich, sondern vielmehr subjektiv notwendig - Postulate der praktischen (!) Vernunft. Damit ist deiner Bewertung bereits der Boden entzogen. Die drei genannten Postulate, deren Wortlaut gegenüber dem Originaltext nun auch deutlich vereinfacht ist, sind Voraussetzung für eine moralische Handlung, nicht für Glückseligkeit oder moralisches Leben als solchem. Sie sind, im Rahmen der kantischen Definition von Postulat, notwendig für die subjektive moralischen Handlung.
Dein Verweis auf das christliche (Gottes)Bild ist nun gänzlich falsch. Mit dem christlichen Gott rechnet Kant letztlich schon in der Selbstzweckformel an, die den Glauben in der Form, in der wir ihn heute erleben, perse unmöglich macht. Gott nach Kant ist immer eine Vernunftgestalt, eine notwendige Annahme zur Handlung (eben ein Postulat) - das hat keine (!) reale, stoffliche Wirklichkeit.
Die Frage "Was darf ich hoffen?" wird in der religiösen Ideologie immer mit einem auf irgendeinen Gott zurückgehend beantwortet. Im Christentum ist der Mensch nur durch seine Gottesbeziehung moralisch. In der kantischen Vernunft ist das Moralische die logische Folge der Pflichterfüllung, der Pflichten, die aus der Vernunft a priori ableitbar ist (den Imperativen). Moral also als logischer Selbstzweck des Menschen.
Um abschließend noch auf die Postulate zurückzukommen: die Begründung ist durchaus logisch haltbar.
- Freiheit muss logische Voraussetzung sein können, um moralisch handeln zu können. Den Moral definiert sich auch durch die Möglichkeit der nicht-Moral. Nur durch die Möglichkeit der Wahl kann ich überhaupt moralisch Handeln.
- Die Unsterblichkeit der Seele ist notwendig, um die Moral als solche zu erreichen. Denn die durch die Moral angestrebte Vollkommenheit ist praktisch nicht erreichbar, das menschliche Leben ist zu kurz.
- Die Voraussetzung des Gottes an diesem Punkt (die eine andere ist, als die grundlegende Erkenntnis, Metaphysische Aussagen - damit auch Gott - nicht erkennen zu können) bedeutet nichts weiter als die Annahme eines Belohnungs- und Schuldprinzips. real nicht gegeben, also ist die subjekte Annahme dessen notwendig, um als Individuum moralisch Handeln zu können.
Interessant wäre wohl zu thematisieren, ob die letzten beiden Punkte nach wie vor Notwendigkeit des individuellen moralischen Handelns sind.
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Sehe das ähnlich.
Das Belohnungs-/Bestrafungssystem ist absolut veraltet und widersinnig.
Vermutlich hängt es (auch) damit zusammen das es damals noch keine wirklich flächendeckend-funktionierende
Justiz gab und man seine Hoffnung auf Gerechtigkeit deswegen auf Gott verlagerte.
Was für mich ein sinnvolles "höheres Prinzip" wäre:
Karma. Aber nicht im Sinne von "Wenn du jetzt leidest wirst du im nächsten Leben Millionär".
Sondern eher im Sinne von: Der Tierquäler wird im nächsten Leben Tier, der Sklaventreiber Sklave,
der Kapitalist Putzfrau usw.
Das ist so ziemlich das einzige was sich mir persönlich als ansatzweise logisch erschließen würde.
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 Zitat von Alo
Was für mich ein sinnvolles "höheres Prinzip" wäre:
Karma. Aber nicht im Sinne von "Wenn du jetzt leidest wirst du im nächsten Leben Millionär".
Sondern eher im Sinne von: Der Tierquäler wird im nächsten Leben Tier, der Sklaventreiber Sklave,
der Kapitalist Putzfrau usw.
Das ist so ziemlich das einzige was sich mir persönlich als ansatzweise logisch erschließen würde.
Ich halte es für falsch, Menschen danach abzuwerten, was sie sind und waren. Denn alles, worauf ein Mensch zugreifen kann, um sich ein Bild zu machen und danach zu handeln, kommt von außerhalb, wird ihn prägen wie eine leere Münze. Auf einer Münze steht nichts drauf, wenn es niemanden und nichts gab, was sie geprägt hat. Und sie kann genau wie der Mensch im Kindesalter nicht entscheiden, was sie wie stark prägt und was nicht.
Durch Karma wäre ein neueres Leben keine zweite Chance, sondern bloß der Preis/das Geschenk für das erste.
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@Märzhase
Ich denke so einfach ist das nicht, wenn man zwei verschiedene Menschen unter den exakt gleichen Bedingungen aufwachsen lässt würde man wohl kaum den gleichen Menschen antreffen. Natürlich lässt sich darüber streiten wie viel genetisch bedingt ist, Schopenhauer denkt, dass eine Handlung immer nach dem exakt gleichen Muster ablaufen wird, wenn man die Motivation und das Wesen eines Menschen kennt lässt sich diese voraussehen. Freier Wille ist praktisch nicht vorhanden.
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Das Gottespostulat bei Kant hatte doch nichts mit Strafe oder Belohnung zu tun? Meines Wissens war Gott lediglich Garant der Möglichkeit von zweckmäßigem Handeln überhaupt, diente der praktischen Vernunft also nur dazu, dass die Welt so eingerichtet sei, dass in ihr auch zweckgerichtete Handlungen grundsätzlich erfolgreich ausgeübt werden können. Dass die Welt so ist können wir aber nicht wissen, sondern nur hoffen, und für die Konsistenz dieser Hoffnung soll Gott herhalten bzw. müssen wir eine Ursache der Welt wollen, welche die Welt so einrichtet, dass wir darin das tun können, was wir wollen. Eine Ursache der Welt, welche die Welt auf intelligente Weise so einrichtet, dass diese grunsätzlich mit dem Willen eines vernünftigen Wesens übereinstimmen kann, hieße Gott.
Soweit es mich betrifft reicht mir das Postulat der Freiheit, das ich dann aber auch für praktisch notwendig halte, wenn es irgend um vernünftige, ethische Argumentationen gehen soll.
Geändert von Sir Ewek Emelot (08.05.2012 um 18:40 Uhr)
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 Zitat von Märzhase
Ich halte es für falsch, Menschen danach abzuwerten, was sie sind und waren. Denn alles, worauf ein Mensch zugreifen kann, um sich ein Bild zu machen und danach zu handeln, kommt von außerhalb, wird ihn prägen wie eine leere Münze. Auf einer Münze steht nichts drauf, wenn es niemanden und nichts gab, was sie geprägt hat. Und sie kann genau wie der Mensch im Kindesalter nicht entscheiden, was sie wie stark prägt und was nicht.
Durch Karma wäre ein neueres Leben keine zweite Chance, sondern bloß der Preis/das Geschenk für das erste.
Ich sage doch das Karma nicht als Preis oder Geschenk.
Sondern als Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln.
Die Beispiele haben es wohl nicht ganz deutlich gemacht.
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 Zitat von Alo
Ich sage doch das Karma nicht als Preis oder Geschenk.
Sondern als Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln.
Die Beispiele haben es wohl nicht ganz deutlich gemacht.
Aber was soll daran sinnvoller sein? Mit "sinnvoll" kann hier jedenfalls nicht "plausibel" gemeint sein, weil das genausowenig beweisbar ist, wie irgendeine Vorstellung eines Gottes. Du kannst allenfalls sagen, dass diese Vorstellung Dir besser gefällt, aber daraus folgt nicht, dass sie wahrscheinlicher ist.
Diese Vorstellung vertritt übrigens auch Platon, oder zumindest erwägt er das an einigen Stellen: Die Seele werde in etwa so, wie sich der Mensch verhalte. Wenn also der Mensch sich z.B. räuberisch verhält, neigt die Seele im nächsten Leben zu einer räuberischen Lebensweise und inkarniert in einen Wolf, während eine tugendhafte Lebensweise ohne Einsicht in die Gründe der Tugend die Seele im nächsten Leben als Biene oder Ameise inkarnieren lasse. Nur mit einem philosophischen Leben könne man die Reinkarnation nächstens vermeiden, und stattdessen bei den Göttern und Ideen verbleiben, oder so ähnlich, wo man dann endgültige Erkenntnis erlangen könne.
Aber das ist ja alles Spinnerei. Vor allem: Wenn man als Ameise geboren wird, wie soll man sich je so verhalten, dass man irgendwann als Mensch wiedergeboren werden könnte?
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 Zitat von Nichtsnutzigergnom
Ich denke so einfach ist das nicht, wenn man zwei verschiedene Menschen unter den exakt gleichen Bedingungen aufwachsen lässt würde man wohl kaum den gleichen Menschen antreffen.
Hast du dafür eine Begründung?
 Zitat von Nichtsnutzigergnom
Freier Wille ist praktisch nicht vorhanden.
Das hängt davon ab, wie du freien Willen definierst. Innerhalb gewisser Grenzen kann man auch frei sein.
 Zitat von Alo
Sondern als Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln.
Was für Erfahrungen?
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 Zitat von Märzhase
Hast du dafür eine Begründung?
Inwiefern? Es handelt sich hier um ein Gedankenexperiment, es ist schlicht und einfach nicht möglich zwei Menschen unter den exakt gleichen Bedingungen aufwachsen zu lassen, bereits verschwindend geringe Unterschiede können das Ergebnis bereits verfälschen. Es ist jedoch bekannt, dass es dennoch Verhaltensunterschiede unter ähnlichen Bedingungen gibt. So kann eine Person die als Kind missbraucht wurde entweder aggresiv oder völlig zurückhaltend sein, plausibel wäre für den Psychologen beides. Der Mensch als "ungeprägte Münze" mag vielleicht eine angenehme Vorstellung sein, ob man hier auch von Realität sprechen kann...nun ich halte es zumindest für zweifelhaft.
 Zitat von Märzhase
Das hängt davon ab, wie du freien Willen definierst. Innerhalb gewisser Grenzen kann man auch frei sein.
Differenziere bitte zwischen Shopenhauers Ansichten und meiner eigenen Meinung, die habe ich nämlich noch gar nicht geäußert.
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 Zitat von Märzhase
Was für Erfahrungen?
Erfahrungen die einem beispielsweise Trugschlüsse oder Fehler aufzeigen.
 Zitat von Sir Ewek Emelot
Aber was soll daran sinnvoller sein? Mit "sinnvoll" kann hier jedenfalls nicht "plausibel" gemeint sein, weil das genausowenig beweisbar ist, wie irgendeine Vorstellung eines Gottes. Du kannst allenfalls sagen, dass diese Vorstellung Dir besser gefällt, aber daraus folgt nicht, dass sie wahrscheinlicher ist.
Diese Vorstellung vertritt übrigens auch Platon, oder zumindest erwägt er das an einigen Stellen: Die Seele werde in etwa so, wie sich der Mensch verhalte. Wenn also der Mensch sich z.B. räuberisch verhält, neigt die Seele im nächsten Leben zu einer räuberischen Lebensweise und inkarniert in einen Wolf, während eine tugendhafte Lebensweise ohne Einsicht in die Gründe der Tugend die Seele im nächsten Leben als Biene oder Ameise inkarnieren lasse. Nur mit einem philosophischen Leben könne man die Reinkarnation nächstens vermeiden, und stattdessen bei den Göttern und Ideen verbleiben, oder so ähnlich, wo man dann endgültige Erkenntnis erlangen könne.
Aber das ist ja alles Spinnerei. Vor allem: Wenn man als Ameise geboren wird, wie soll man sich je so verhalten, dass man irgendwann als Mensch wiedergeboren werden könnte?
Ich meine es nicht im Sinne von beweisbar.
Sondern das diese Vorstellung meiner Meinung nach die logischste ist wenn man von einen gutgesinnten höheren Macht ausgeht.
Jemand der scheinbar recht wilkürlich und gnadenlos ist wie der christliche Gott ist für mich nicht alliebend --> Unlogisch
Ein liebender Gott der einen seine eigenen Fehler aufzeigt --> Schon logischer
Aber das ist natürlich meine persönliche Meinung.
Naja, bei meinem Konstrukt geht es darum das man irgendwann so viele Erfahrungen
gesammelt hat das man dadurch quasi von alleine zum besseren "Menschen" wird.
Die meisten anderen Vorstellungen basieren ja auf Bestrafung und Belohnung im nächsten Leben,
ohne das man seine Fehler wirklich einsehen und korregieren kann.
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 Zitat von Nichtsnutzigergnom
Inwiefern? Es handelt sich hier um ein Gedankenexperiment, es ist schlicht und einfach nicht möglich zwei Menschen unter den exakt gleichen Bedingungen aufwachsen zu lassen, bereits verschwindend geringe Unterschiede können das Ergebnis bereits verfälschen.
Richtig, es handelt sich um ein Gedankenexperiment. In der Realität ist es glaube ich nicht möglich, zwei Menschen unter den exakt gleichen Bedingungen aufwachsen zu lassen. Ich fragte auch nur, wie du eben deshalb darauf kommst, dass man bei exakt gleichen Bedingungen dennoch zwei unterschiedliche Menschen vor sich hätte - wo kommt der Unterschied denn her?
Und ist dieser Unterschied überhaupt relevant und nicht doch eher - nebensächlich, ja gar unscheinbahr?
 Zitat von Nichtsnutzigergnom
Differenziere bitte zwischen Shopenhauers Ansichten und meiner eigenen Meinung, die habe ich nämlich noch gar nicht geäußert.
Ich brauche zwischen gar nichts zu differenzieren, solange es keine Relevanz hat, welche Ansichten du wann vertrittst, vertratst und vertreten wirst - was im Bezug auf mich genau dann zutrifft, wenn ich so oder so erstens unabhängig von dem Beitrag, dem Verfasser und dem, dessen Ansichten vertreten werden argumentiere und kommentiere ( zumindest versuche ich das^^ ) und zweitens kein Bild vom Verfasser des Beitrages durch dessen Beitrag mache - und wenn doch, dieses Bild dann zur Unrelevanz verdonner oder relativ halte.
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 Zitat von Märzhase
Ich fragte auch nur, wie du eben deshalb darauf kommst, dass man bei exakt gleichen Bedingungen dennoch zwei unterschiedliche Menschen vor sich hätte - wo kommt der Unterschied denn her?
Genetische Unterschiede lassen sich wohl kaum ignorieren, die Frage halte ich ehrlich gesagt für ein wenig stumpf.
 Zitat von Märzhase
Und ist dieser Unterschied überhaupt relevant und nicht doch eher - nebensächlich, ja gar unscheinbahr?
Es gibt keine "kleinen" Unterschiede, wichtig ist, dass es überhaupt Unterschiede gibt. Bereits ein einziger Unterschied kann den Lauf der Dinge abändern.
Denk einfach ans genetische Pendant von "Ach, wäre ich doch nur ein paar Minuten früher/später erschienen".
 Zitat von Märzhase
Ich brauche zwischen gar nichts zu differenzieren, solange es keine Relevanz hat, welche Ansichten du wann vertrittst, vertratst und vertreten wirst
Deine Aussage war auf mich bezogen, du hast sie so formuliert als ob ich dieser Aussage zustimme.
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 Zitat von Nichtsnutzigergnom
Genetische Unterschiede lassen sich wohl kaum ignorieren, die Frage halte ich ehrlich gesagt für ein wenig stumpf.
Es kann sein, das Ich den Prägungen deshalb so viel Bedeutung beimesse, weil sie dass sind, was ich sehe. Ich sehe nicht, was für Gene ein Mensch hat - ich sehe nur, wie er sich verhlält und kann durch in-Erfahrung-bringen nachvollziehen, wieso ( einschneidende Erlebnisse usw. ) er sich so verhält.
Da gehen genetische Unterschiede unter, man kann nicht mehr leicht differenzieren.
 Zitat von Nichtsnutzigergnom
Deine Aussage war auf mich bezogen, du hast sie so formuliert als ob ich dieser Aussage zustimme.
Du hast recht, tut mir leid.
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