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    Post [Story]Der Graf von Sulden

    Weit im wilden und kaum besiedelten Westen Myrtanas, im Hinterland der Nordmetropole Silden, liegt die alte Grafschaft derer von Sulden. Von den Intrigen des Reiches größtenteils isoliert, herrschte die Familie seit Generationen nahezu unbehelligt über ihre Ländereien. Doch immer mehr Berichte kommen dem König in Vengard zu Ohren, die das Bild einer immer desolateren Grafschaft zeichnen...


    Reiseunterbrechung



    Eigentlich hatte Marella in der Kutsche sitzen bleiben wollen. Denn auf der alten Reichsstraße zwischen Silden und Geldern war es zu dieser Jahreszeit kalt und feucht, zudem war die Straße in schlechtem Zustand und voller Löcher, in denen sich Pfützen gebildet hatten. In der Kutsche aber war es trocken, die Polster waren weich, sie konnte sich gemütlich in ihr Plaid wickeln und außerdem verbreitete ein Kohlebecken angenehme Wärme.
    Schließlich aber verließ sie die Kutsche doch.
    Es war ein Entsetzensschrei, der sie aus der Kutsche trieb, der lang anhaltende, schrille Schrei einer Frau - der Lady Hinde von Wolkenberg, um genau zu sein: Kurz zuvor hatte diese die Kutsche ungeduldig verlassen, um zu sehen, was die Weiterreise verzögerte. Bis dahin hatten die Damen in der Kutsche bloß das Gemurmel der Männer vernommen, von denen aber offenbar niemand es für nötig erachtete, den Damen den Grund für den unplanmäßigen Halt mitzuteilen.
    “Oje, war das Lady Hinde?”, stieß Marella hervor, “was ist mit ihr?”
    Lady Alzhara auf der Sitzbank gegenüber, den Ellenbogen lässig auf das Fensterbord und das Kinn auf die Faust gestützt, zuckte mit der Schulter: “Oh, womöglich hat sie sich den Saum ihres Kleides besudelt, oder ihr wurde der Hut von den Schultern geweht. Lasst uns doch einfach nachschauen!”
    Und so war es beschlossen: Marella und Alzhara verließen nun auch, als letzte, die Kutsche, streckten nach der langen Fahrt die Beine, und machten sich in Richtung der Menschentraube auf, die weiter vorne am Wegesrand stand. Der herbstliche Wind riss unangenehm an Marellas Kleidern und trieb ihr klamme Kälte an jede ungeschützte Stelle. Der Himmel war wolkenverhangen, und es sah nach Regen aus. Unruhig schnaubten die vor die Kutsche gespannten Pferde, als die beiden Damen an ihnen vorbeigingen.
    Die Lady Hinde war, wie Marella nun sehen konnte, offenbar in Ohnmacht gefallen, aber von den starken Armen Sir Tristifers aufgefangen worden. Lord Morten, Hindes Mann, fächelte ihr mit einem Taschentuch Luft zu und redete mit beruhigender Stimme auf sie ein. “Oh, die arme Hinde”, sagte Marella, Alzhara jedoch stieß einen verächtlichen Laut aus.
    Marellas Aufmerksamkeit wurde jedoch bald auf die Szenerie gezogen, die sich vor den beiden Kutschen und dem halben Dutzend Pferden der Reisegruppe befand und auch die restlichen Reisenden in Anspruch nahm: Der Grund für die Verzögerung. Pablo, der Knappe Lord Tristifers, wollte die beiden Damen noch aufhalten, doch es war zu spät: Der Anblick, der sich Marella bot, ließ sie mit erschrockenem Zischen die Luft einziehen.
    Es hatte sich offenbar um Bauern oder andere Leute aus dem einfachen Volk gehandelt die mit einem einfachen Ochsenkarren auf der Straße unterwegs gewesen waren: Ein älteres Pärchen und zwei junge Männer, die alle grobe, durchaus aber warme Kleidung trugen. Und alle waren sie tot. Auch der Ochsen, der den Karren gezogen hatte, war getötet worden. Einige der Toten hatten wohl zu fliehen, andere zu kämpfen versucht, doch vergeblich: Pflastersteine und Pfützen hatten sich vom Blut der Ermordeten rot gefärbt.
    “Dies ist kein Anblick für Damen”, sagte Lord Ambrose, und presste die Lippen missbilligend zu einem Strich, “Ihr hättet die Kutsche nicht verlassen sollen! Die Burschen werden das wegräumen, und dann können wir unseren Weg fortsetzen.”
    “Und Euch interessiert gar nicht, was hier geschehen ist?”, fragte Lord Morten und hielt sich das Taschentuch, mit dem er zuvor seiner Frau zugefächelt hatte, vor den Mund, als er den Blick auf die Toten richtete. “Seht nur, sie waren bewaffnet. Alle, selbst die Frau. Ist es um den Landfrieden des Königs hier so schlecht bestellt, dass wackere Untertanen bewaffnet auf den Straßen reisen müssen, und selbst dann noch gemeuchelt werden?” Er wandte sich wieder an seine Frau, die in Tristifers Armen offenbar wieder langsam zu sich kam: “Mach Dir keine Sorgen, Liebes, es wird alles gut.”
    “Worum sollte es sich schon gehandelt haben?”, fragte Lord Ambrose ungeduldig, “es waren eben Räuber, wie in dieser innosverlassenen Gegend nicht anders zu erwarten. In Vengard ist man schon seit einiger Zeit über den schlechten Zustand dieser Grafschaft in Sorge. Wir hatten ohnedies vor, heute Abend auf Schloss Sulden Halt zu machen, da können wir den Grafen gleich von diesem Vorfall wie auch vom schlechten Zustand seiner Straßen unterrichten. Überhaupt: Eine Beschwerde beim König wäre ebenso angebracht. Eine Unverschämtheit ist das, sein Lehen so zu vernachlässigen!”
    Lord Ambrose war als Herr von Gotha einer der höchsten Lords und ein Berater des Königs, wie Marella wusste, hatte das Amt des Kanzlers schon mehrere Male innegehabt und wusste wohl über so ziemlich alles Bescheid, was im Reich und der Aristokratie vorging. Derzeit bekleidete er den Rang eines der drei Reichsinspekteure und unterrichtete die Krone regelmäßig vom Zustand des Reiches.
    “Lord Alois ist einfach nur alt“, meinte Morten, “ich kann mich gar nicht an eine Zeit erinnern, als er noch nicht Herr auf Burg Sulden war. Mit seiner Gesundheit soll es auch nicht zum Besten stehen. Ich denke nicht, dass man ihm das wirklich anlasten kann.” “Umso mehr Grund, ihn zu ersetzen!”, entgegnete Ambrose. Marella war verwirrt. “Hat denn der Graf keine Erben, die ihm zur Hand gehen können?” Ambrose schüttelte den Kopf, “Lord Alois Sulden war wohl mal verheiratet, aber die Frau ist früh gestorben. Seither keine weiteren Ehen und erst recht keine Erben. Das Geschlecht derer von Sulden wird mit ihm aussterben, und das Lehen geht zurück an die Krone.” “Oder an einen der jüngeren Silden”, warf Morten ein, “wäre ja im Prinzip noch dieselbe Familie.” Sir Tristifer hatte offenbar andere Dinge im Kopf, als die mögliche Verteilung von Lehen: “Die Räuber, die das getan haben, müssen für ihre Verbrechen bezahlen! Ich sollte Lord Alois mein Schwert zur Verfügung stellen, und in seinem Namen die Ordnung auf seinen Straßen wiederherstellen!”
    Alzhara, die bislang geschwiegen hatte, trat näher an die Toten heran. “Soso, Räuber also. Das müssen schon sehr sonderbare Räuber sein, dass sie die Ladung des Karrens einfach haben liegen lassen. Womöglich hatten sie aber auch einfach Hunger, das würde immerhin erklären, wieso diese Menschen lauter Bisswunden aufweisen, aber keine solchen, wie sie von Schwertern oder Äxten stammen.” Alzhara kicherte höhnisch. “Ach, und dass dem Mann dort vorne der Arm offenbar eher ausgerissen denn abgehackt wurde, das ist wohl eine besondere Spezialität der hiesigen Räuberbande?”
    Ambrose betrachtete sie kurz säuerlichen Blicks. Sir Tristifer hingegen wirkte verunsichert. “Wenn es keine Räuber waren, dann vielleicht irgendwelche Tiere? Wölfe vielleicht?”
    “Für Wölfe sind diese Bisswunden dort zu klein”, entgegnete Lord Morten, “es sieht eher aus… nun, die Spuren sehen fast aus, als wären sie von Menschen.” Dem Edelmann war das Unbehagen deutlich anzusehen. “Vielleicht Goblins?”, überlegte Tristifer.
    Ambrose winkte ab: “Einerlei! Die Bauern sind tot, und daran können wir nichts ändern. Wir geben dem Grafen Bericht, dann soll er sich der Sache annehmen. Schließlich ist es SEIN Land, und SEINE Verantwortung.” An Tristifer gewandt: “Auch haben wir nicht die Zeit, so lange auf Sulden zu bleiben, bis die Verantwortlichen - um wen es sich auch immer handeln mag -”, er warf Alzhara einen kurzen, bösen Blick zu, “zur Strecke gebracht wurden.” Ambrose winkte die Knechte herbei. “Räumt das beiseite”, befahl er, “wir müssen weiter.”
    Damit schien die Angelegenheit für ihn erledigt, doch Alzhara schnalzte missbilligend mit der Zunge: “Tststs, Lord Ambrose! Wie pflichtvergessen Ihr doch manchmal seid! Wir können diese Leichen doch unmöglich so liegen lassen. Wäre es nicht angebracht, ihnen eine zumindest provisorische Bestattung zuteil werden zu lassen?”
    Seit die Reisegesellschaft gemeinsam von Geldern aus aufgebrochen war, hatte Marella die Spannung zwischen dem altgedienten Lord und der selbstbewussten Lady mit Interesse verfolgt. Ambrose war es gewohnt, dass ihm niemand widersprach und man ihm höchsten Respekt entgegenbrachte. Alzhara wiederum schien weder von Ambroses Persönlichkeit, noch seiner Stellung auch nur im Mindesten beeindruckt. So triezte sie ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit, indem sie jeden Denkfehler aufdeckte oder berichtigte. Je mehr sich Ambrose darüber ärgerte, desto vergnügter schien die scharfsinnige, junge Lady.
    “Lady Alzhara hat Recht!”, stimmte Marella ihrer Reisegefährtin zu, “es wäre schändlich, diese armen Menschen einfach so liegen zu lassen.” Ambrose knirschte mit den Zähnen und bedachte Marella mit einem wütenden Blick. Doch musste er einlenken: “Ihr habt wohl Recht, Myladies. Es wäre nicht innosgefällig, die Leichname unbestattet zu lassen. Knechte, Ihr habts gehört: Macht Euch an die Arbeit! Sir Tristifer, als dem Herrn Innos geweihter Ritter werdet Ihr vielleicht am ehesten einige Worte finden, um den Toten Geleit ins Jenseits zu geben.”
    Tristifer erklärte sich einverstanden, und so machte das Gesinde sich an die Arbeit: Die Burschen hoben behelfsmäßige Gruben aus, während die Mägde sich um das Wohl der wartenden Herrschaft kümmerten.

    Marella und Alzhara entfernten sich einige Schritte von der Gesellschaft, um sich die Beine zu vertreten. Die lange Fahrt in der Kutsche hatte Marellas Glieder steif werden lassen, und in der herbstlichen Kälte tat etwas Bewegung gut. Alzhara erklärte ihr Namen und Wirkung einiger Pflanzen, die am Wegesrand wuchsen. “Seht, dort!”, sagte sie, “das ist Feuernessel, ein bei Magiern sehr beliebtes Kraut, da es den Geist stärkt und belebt, die Konzentrationsfähigkeit verbessert, von Müdigkeit befreit und die geistige Empfänglichkeit für magische Strömungen verstärkt. Jedoch sollte man in seinem Gebrauch Acht geben, da es den Mut erhöht und das Urteilsvermögen trübt. Außerdem kann man davon süchtig werden und eine Überdosis kann zu Halluzinationen führen.” Marella war von Alzharas Wissen überaus beeindruckt. Sie zog ihren Umhang gegen den weiter auffrischenden Wind etwas fester, während Alzhara sie etwas vom Wege abführte, um ihr einige weitere Blumen und Pilze zu zeigen.
    Plötzlich hörte Marella ein Knacken hinter sich. Erschrocken fuhr sie herum. “Ihr solltet Euch nicht von uns entfernen! Diese Gegend ist nicht sicher. Kommt bitte wieder zu den andern zurück!” Marella schnaubte wütend: “Sir Tristifer! Habt Ihr mich aber erschreckt!”
    “Verzeiht bitte, Mylady. Aber lasst uns nun zurückkehren.”
    Alzhara zuckte bloß mit den Schultern. “Ich fühle mich mitnichten bedroht, Sir. Doch wenn Ihr so sehr darauf besteht!”, sie schenkte Marella ein spöttisches Lächeln, “kommt, meine Liebe. Wir wollen doch nicht, dass dem armen Sir Tristifer unseretwegen bang ums Herz wird.”

    Als sie zum Lager zurückgekehrt waren, dauerte es noch eine Weile, bis die Leichen verscharrt und ihnen aus Steinen ein notdürftiges Denkmal verschafft war. “Möge Innos diese armen Seelen in sein himmlisches Reich führen, auf dass sie auf ewig in seinem Lichte wandeln mögen”, betete Sir Tristifer, bevor sich die Gruppe wieder reisefertig machte, und den Weg endlich fortsetzte.
    Marella hörte, wie erste Regentropfen auf das Kutschdach trafen, als das Gefährt anfuhr. Sie war froh, diesen Ort hinter sich zu lassen.
    Geändert von MiMo (30.03.2017 um 22:18 Uhr) Grund: 23:39

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    Kutschfahrt



    Regen prasselte auf das Kutschdach, der Wind zerrte an den Türen, und auch die vor die Fenster gehängten Felle vermochten ihn nicht davon abzuhalten, Feuchtigkeit und Kälte ins Innere zu tragen. Das Kohlebecken strahlte zwar noch Hitze ab, vermochte aber angesichts der immer kälteren Temperaturen kaum Linderung zu verschaffen. Also blieb Marella nur, sich in ihre Decken und - da sie sich diesmal neben diese gesetzt hatte - an Alzhara zu kuscheln, die sich daran offenbar nicht störte und tatsächlich eine behagliche Wärme und angenehmen Duft ausströmte. Auf der Sitzbank gegenüber hatten sich Lord und Lady Wolkenberg in ähnlicher Weise aneinandergeschmiegt. Nur Ambrose musste auf solcherlei Bequemlichkeit verzichten und verbarg stolz jedes Anzeichen, zu frieren.
    Draußen begann es zu dämmern, und die Gespanne legten ein höheres Tempo als bisher vor, um die verlorene Zeit einzuholen und Burg Sulden rechtzeitig zu erreichen, bevor die hereinbrechende Nacht auch das letzte Licht vertilgt hätte, so dass angesichts von Wolken und Regen nicht einmal mehr der Sternenhimmel etwas Licht hätte spenden können. Da die Straße aber derweil nicht besser geworden war, ließ das höhere Tempo die Passagiere jede Unebenheit, jedes Schlagloch umso schmerzlicher spüren.
    Marella war langweilig. Niemandem schien an einer Unterhaltung gelegen. Ambrose hatte offenbar genug damit zu tun, grimmig dreinzuschauen, Hinde versuchte, an der Schulter ihres Mannes zu schlafen, der anscheinend seinen Gedanken nachging und nicht zu zittern versuchte. Alzhara hatte sich ein Buch auf den Schoß gelegt, störte sich weder am Ruckeln noch an der zunehmenden Dunkelheit und schien auch die Kälte in keiner Weise wahrzunehmen. Marella versuchte, auf die Seiten zu schielen und zu ergründen, was Alzhara las, konnte jedoch kein Wort erkennen.
    Draußen blitzte es auf. Marella zählte die Sekunden. “Dreizehn Sekunden”, sagte sie schließlich, als sie den Donner hörte. Ambrose runzelte die Stirn, und Morten schaute verwundert. “Wie bitte?” “Dreizehn Sekunden zwischen Blitz und Donner”, sagte sie. “Oh. Und nun?”
    Da schaltete sich Alzhara ein. “Die Sekunden zwischen Blitz und Donner zu zählen kann mithilfe einer kleinen Rechnung Aufschluss über die Entfernung zum Gewitter geben, da der Donner länger braucht, um die Entfernung zurückzulegen, als das Licht des Blitzes. Bei Dreizehn Sekunden handelt es sich um Dreizehn dividiert durch drei Meilen, da der Schall in einer Sekunde etwa eine Drittelmeile zurücklegt. Das Gewitter ist also Viereindrittel Meilen von uns entfernt.”
    Damit widmete sich Alzhara wieder ihrem Buch. Morten wusste offenbar nichts zu antworten, Hinde schlief immer noch und Ambrose versuchte, noch grimmiger auszusehen.
    Marella wartete auf den nächsten Blitz. Diesmal waren es nur zehn Sekunden. Das Gewitter kam also näher, und auch der Wind, der um die Kutsche pfiff, wurde immer stärker.
    “Das gefällt mir alles nicht”, sagte Morten, “was, wenn wir die Burg nicht mehr rechtzeitig erreichen?” Marella fröstelte bei dem Gedanken, die Nacht ohne sichere Unterkunft verbringen zu müssen. “Sir Tristifer wird uns bestimmt rechtzeitig hinbringen”, entgegnete sie halbherzig, aber vermochte dadurch Morten ebenso wenig zu beruhigen, wie sich selbst.
    Erneutes Blitzen. Diesmal ließ der Donner nicht mehr lange auf sich warten. Mittlerweile kam fast gar kein Licht mehr von draußen herein. Nur noch die Kohlenpfanne spendete ein wenig diffuses Licht, das mehr Schatten als Helligkeit erzeugte. Nun mussten offenbar auch Alzharas Augen vor der Dunkelheit kapitulieren, da sie das Buch wegpackte. “Wir könnten ein Spiel spielen”, schlug Marella vor, um das bleierne Schweigen in der Kutsche zu durchbrechen. “Entschuldigt, Mylady, mir ist nicht nach spielen”, sagte Ambrose. “Die Kohlen”, sagte Alzhara, und hatte damit den Gegenstand benannt, den Marella hatte erraten lassen wollen. Es handelte sich um das einzige in der Kutsche, das noch Farbe hatte.
    Das Prasseln des Regens wurde nur noch vom gelegentlichen Donnern übertönt, das immer häufiger wurde. Marella überlegte, wie sie endlich ein Gespräch in Gang bringen könne, als plötzlich die Lederhaut, mit der das Fenster auf ihrer Seite verhangen war, vom Wind weggerissen wurde.
    Regen prasselte nun in die Kutsche herein, durchtränkte Marellas Kleidung und der Wind zerrte an ihren Haaren. Hinde, die bis dahin zumindest so getan hatte, als schliefe sie, schreckte vergeblich vor den hereinbrechenden Naturgewalten zurück.
    Als es diesmal blitzte, sah Marella dunkle Schemen am Fenster vorbeihuschen, die sich vor der allgegenwärtigen Schwärze abzeichneten. Es musste sich um Bäume handeln, doch in Marellas Phantasie wandelten sich diese zu finsteren Gestalten, die mit Klauen nach der immer schneller voranpreschenden Kutsche griffen.
    Durch das Unwetter war es so laut geworden, das jedes normale Gespräch vergebens gewesen wäre. Marellas Unbehagen wuchs sich zu Angst aus, und die Kälte ließ ihren durchnässten Leib zittern.
    Nur Alzharas Wärme gab ihr noch einen letzten Rest von Halt und Geborgenheit.
    “Ruhig, Kind”, raunte die Ältere in Marellas Ohr, und diese spürte Alzharas Atem heiß auf der Wange.
    Doch nicht einmal die Gegenwart Alzharas konnte Marella in dieser Situation beruhigen.
    Blitz. Knorrige Finger. Donnern.
    Marella meinte, Wispern im Wind zu hören. Stimmen. Waren da nicht etwa Schreie?
    “Menschen vernehmen Dinge, die nicht sind”, versuchte Alzhara sie zu beruhigen, “Produkte ihrer Vorstellung.” Trotz des Lärms konnte Marella sie deutlich verstehen. Alzhara sprach mit ihrer üblichen, ruhigen, warmen Stimme. Wie nur konnte es sein, dass Alzhara noch immer so viel Hitze ausstrahlte?
    “Wir müssen aus diesem Unwetter raus!”, rief Ambrose. Anders als bei Alzhara wurden seine Worte vom Wind weggerissen und waren kaum zu verstehen. “Und wie wollt Ihr das bewerkstelligen?”, rief Alzhara zurück, “fliegen vielleicht? Wie es aussieht, könnt Ihr Euch nichtmal beim Gesinde Gehör verschaffen. Es sei denn, Ihr wollt nach vorne auf den Kutschbock klettern.”
    Irgendwie schaffte es Alzhara, auch beim Anschreien gegen den Wind einen spöttischen Unterton in ihre Stimme zu legen. Das Gewitter gewährte Marella einen kurzen Blick auf Ambroses düstere Miene.
    “Da ruft doch jemand”, entfuhr es Hinde. “Habt Ihr die Schemen gesehen?” Morten hatte die Augen furchtsam aufgerissen, “dort draußen IST irgendetwas!”
    “Dort ist nichts”, spottete Alzhara, “abgesehen von Eurer Phantasie.”
    Als es diesmal blitzte, war der Schemen am Fenster eindeutig nicht der einen Baumes. Es war etwas lebendiges, das sich bewegte.
    “Eure Phantasie, und unsere Eskorte unter Sir Tristifer.”
    Es schien, als wolle Morten zu einer Erwiderung ansetzen, als plötzlich ein lautes Krachen ertönte, und die Sitzbank unter Marella wegbrach. Kurz darauf spürte sie einen Aufprall, und das Holz unter ihr knarrte und splitterte.
    “Das waren die Hinterräder!”, schrie Ambrose.
    Marella wurde nun auf und ab geschleudert. Kreischen und Bersten von Holz und Metall. Doch noch hielt die Kabine, deren hinterer Teil über die Pflasterstraße schleifte. Ängstlich drängte sich Marella noch enger an Alzhara. Alzhara drehte Marellas Kopf zu sich, bis sich ihre Blicke trafen. Alzharas Augen waren dunkel und ruhig. Und doch schienen sie wie von einem inneren Feuer zu glimmen. Seltsame Ruhe erfasste Marella.
    Plötzlich ließ der Wind nach, so dass nun wieder das Prasseln des Regens zu hören war, und ein weiterer Ruck ging durch die Kutsche. Irgendetwas hatte sich verändert. Bis Marella begriffen hatte, worum es sich handelte, wurde die Tür aufgerissen, und kräftige Arme griffen nach ihr. Sie wollte schreien und sich wehren. “Ruhig”, rief Alzhara, und da erkannte Marella, dass sie angehalten hatten, und dass es bloß Sir Tristifer war, der ihr aus der Kutsche helfen wollte.
    Zitternd stieg sie aus dem geborstenen Gefährt und erkannte, dass sie sich in einem Burghof befanden. Von irgendwoher kam Licht, auf welches Sir Tristifer sie zuführte, und sie erkannte, dass es sich um den Eingang zu einem Bergfried handeln musste.
    Erleichterung durchflutete Marella. Endlich waren sie auf Burg Sulden angekommen!
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:17 Uhr) Grund: 01:43

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    Willkommen



    Tristifer konnte sich nicht entsinnen, jemals so erschöpft gewesen zu sein. Oder so nass. Oder so verfroren. Der Ritt nach Burg Sulden war mörderisch gewesen: Strömender Regen und eisiger Wind hatten Ross und Reiter schnell bis auf die Knochen durchnässt und frierend bis zur Erschöpfung getrieben. Nun, abgesehen natürlich von den Herrschaften in der einen und deren Leibdienern in der anderen Kutsche, die es vergleichsweise gut getroffen hatten.
    Dunkelheit und Regenschleier hatten kaum zwei Meter Sicht zugelassen, und es hatte an ein Wunder gegrenzt, dass sie rechtzeitig von der Reichsstraße ab- und auf die Burg zugebogen waren, die hoch oben auf einer Klippe thronte und von ihrer erhöhten Position aus Straße und umliegende Ländereien beherrschte. Angesichts der Witterung hatte man aber kaum etwas von der Burg sehen, sondern lediglich einen Schemen noch tieferer Schwärze erahnen können, der sich wuchtig und dräuend von seiner Umgebung abhob.
    Das Torhaus war unbewacht gewesen, die Zugbrücke herabgelassen und das Gitter hochgezogen, was Tristifer ebenfalls wunderlich erschien. Auch, wenn er eine solche Nachlässigkeit zutiefst missbilligte, war er doch darüber froh gewesen und hatte diesen glücklichen Umstand als Einladung wahrgenommen, die Reisegesellschaft einfach in den Burghof zu führen.
    Das dritte Wunder an diesem Abend hatte darin bestanden, dass man sie sogleich und ohne Umschweife empfangen hatte: Kaum hatten sie im Hof Halt gemacht, da öffnete sich bereits das Portal des Burgfrieds und spuckte eine Reihe von Bediensteten aus, die sich der Neuankömmlinge und auch deren Pferden und Reisegepäcks annahmen.
    Nun standen sie in der Eingangshalle der Burg, die dunkel und verlassen aussah. Lediglich der Leuchter des älteren, hageren Mannes, der sich als der Verwalter der Burg vorgestellt hatte, drängte die Schatten mühsam zurück. Die meisten Reisenden schlotterten vor Kälte, vor allem Tristifers Männer aus der Eskorte waren die Mühen der vergangenen Stunden anzusehen. Selbst den beiden Kriegern aus Nordmar, die Tristifer auf Ambroses Befehl in einer kleinen Ortschaft nördlich von Geldern angeheuert hatte, war es nicht besser ergangen, und die sollten doch eigentlich an Kälte gewohnt sein! Einzig Lady Alzhara, obwohl ebenso durchnässt wie die anderen Herrschaften, schien gelassen wie eh und je. Lediglich einige verkohlte Löcher in ihrem Kleid schienen ihr Sorgen zu bereiten. Als sie Tristifers Blick bemerkte, lächelte sie entschuldigend. “Ein kleines Malheur mit dem Kohlebecken in der Kutsche”, sagte sie, “aber ich gehe davon aus, dass IHR es auch ohne umherfliegende Kohlen noch schlechter getroffen habt.”
    In diesem Augenblick meldete sich der Verwalter. “Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, bringe ich Euch zu seiner Lordschaft Graf Alois”, sagte er leise, wartete jedoch nicht etwa auf eine Antwort, sondern machte sich sogleich auf den Weg. “Versucht bitte, Schritt zu halten”, fuhr er fort, “denn die Burg ist groß und es leben hier kaum mehr Menschen. Würde sich einer von Euch verlaufen, wäre er kaum mehr wieder zu finden.”

    Burg Sulden war in der Tat ein imposanter Bau: Bereits im Hof hatte sich Tristifer einen Eindruck von der enormen Größe des Burgfrieds mit seinen vielen Türmen, Erkern und Wehrgängen machen können, umgeben von gewaltigen Mauern. Nun, da sie sich im Inneren befanden, war dieser Eindruck von Größe noch intensiver, bewegten sie sich doch durch lange Fluren so hoch gebaut, dass das Licht der Kerzen ihres Führers deren Decken kaum erreichte.
    Und doch: So gewaltig die Burg auch sein mochte, offenbarte sie allenfalls vergangene Pracht, die Erinnerung an bessere Tage, als dieser Ort noch nicht einsam und nahezu verlassen, sondern durch eine Vielzahl an Einwohnern belebt war. Die Zeiten, als die Familie Sulden noch groß und mächtig gewesen war, und von diesem ihrem Stammsitz aus den Westen Myrtanas beherrscht hatte.
    Damals waren Dienstboten durch diese Hallen gewandelt und hatten Befehle ihrer Herren ausgeführt, von Rittern bewacht, an die nur noch die Rüstungen gemahnten, die in den Fluren Spalier standen und im Kerzenschein aufschimmerten. Hie und da zierten verstaubte Portraits lange verstorbener Suldens die Wände, deren Gesichter im diffus flackernden Licht zu monströsen Grimassen verschwammen. Ratten huschten vor dem kleinen Lichtkegel davon, dem die Reisegruppe folgte, und warfen mitunter riesenhafte Schatten an schimmlige Wände, von denen der Putz bröckelte oder Spinnweben herabhingen.
    Wahrlich: Verglichen mit seiner Burg waren Alois Suldens Straßen in nachgerade vorzüglichem Zustand!

    Die anderen aus der Reisegruppe waren sichtlich erleichtert, dem Unwetter entkommen zu sein, das im Innern der ansonsten totenstillen Burg bloß als leises Pfeifen des Windes und schwaches Donnergrollen zu vernehmen war: Trotz Kälte und Zugigkeit in der weitestgehend unbeheizten Burg boten deren starke Mauern doch Schutz vor den draußen tobenden Gewalten.
    Doch die hohen Wände warfen den Klang ihrer Schritte auf unheimliche Weise zurück und erzeugten das Gefühl, als bewege sich noch etwas anderes außerhalb des Kerzenscheins in der Dunkelheit um sie herum. Luftzüge oder das Quieken der Ratten ließen die Reisenden zusammenzucken. Morten fühlte sich offenbar höchst unbehaglich und hielt die Hand seiner Frau in festem Griff. Der schien es nicht besser zu gehen. Die Mägde und Leibdiener aus dem Gesinde drängten sich eng zusammen, und selbst Ambrose wirkte verunsichert.
    Als Tristifers Blick auf Alzharas Rücken fiel, die weder zitterte, noch ängstlich schien, und er die gelassene Eleganz bewunderte, die sie trotz des klatschnassen und schmutzigen Kleides ausstrahlte, drehte diese den Kopf, und warf ihm über die Schulter hinweg einen Blick zu, der ihn froh sein ließ, dass das Licht so schlecht und es daher so schwer war, die Röte zu erkennen, die sein Gesicht zu bedecken begann. Nein, Alzhara hatte offenbar ganz und gar keine Angst! Nicht zum ersten Mal war Tristifer von ihrer Haltung beeindruckt, und nicht zum ersten Mal beklagte er den Umstand, dass sie von weit höherem Stande war, als er selbst.
    “Wie viele Menschen leben hier in der Burg?”, fragte Tristifer den Verwalter, um sich abzulenken. “Nur seine Lordschaft, meine Wenigkeit und die Hand voll Bediensteter, die sich Eurer Reittiere und Eures Gepäcks angenommen haben”, entgegnete er, “obwohl der Graf ein großes Haus bewohnt, unterhält er doch nur einen kleinen Haushalt.”
    Nun verstand Tristifer, warum das Torhaus so unbewacht dagelegen hatte: Eine so große Burg konnte unmöglich von einem halben Dutzend Diener in Schuss gehalten werden, und so sparte man insbesondere an den Dingen, die zum unmittelbaren Überleben nicht notwendig waren. Die Wartung der Mechanismen von Gatter und Zugbrücke gehörten zweifellos zu diesen Dingen.
    “Wir sind gleich da”, näselte der Verwalter, und führte die zitternden und durchnässten Reisenden endlich in einen beleuchteten Raum, in dem ein prasselndes Kaminfeuer etwas Wärme verbreitete. Es war ein relativ kleiner Raum, kaum vergleichbar mit der großen Halle am Eingang, doch dafür leichter zu heizen und sauber zu halten. Regentropfen schlugen von der anderen Seite auf die Scheiben schmaler und gardinenverhängter Fenster. An den Wänden hingen weitere Gemälde und Wandteppiche, und der Boden war mit Binsen bedeckt, die wohl weniger als eine Woche alt sein mochten.
    Zwar handelte es sich nicht um den prächtigsten Burgsaal, den Tristifer bislang gesehen hatte, doch eine Verbesserung war es allemal!
    Ein großer Tisch dominierte den Raum, an dessen der Tür abgewandter Seite sich von einem ausladenden, thronartigen Sessel eine sonderbare Gestalt erhob. Selten hatte Tristifer jemanden gesehen, der auch nur annähernd so alt aussah, wie dieses Geschöpf: Nur noch spärliche Reste dünnen, weißen Haares fielen in langen Strähnen von einem schrumpeligen Köpfchen. Das mit seinen Runzeln und Falten übersäte, hagere Gesicht hätte ebenso gut zu einem Toten gehören können. Die Hände, die der Besitzer zu einer Willkommensgeste ausgestreckt hatte, waren altersfleckig und die Finger kaum mehr als hautüberzogene Knochen mit schlecht geschnittenen Nägeln, die einen klauenartigen Eindruck vermittelten.
    “Willkommen auf Burg Sulden”, rief der greise Graf mit rauer, heiserer Stimme seinen Gästen entgegen, “Verzeiht bitte den schlechten Zustand meines Schlosses und den ärmlichen Empfang, doch hatten wir mit keinerlei Besuch am heutigen Abend mehr gerechnet.”
    Der Verwalter legte die letzten Schritte bis zu seinem Herrn zurück, und flüsterte diesem einige Worte ins Ohr. Der legte den Kopf schräg, nickte schließlich, und wandte sich wieder seinen Gästen zu: “Wenn ich mich vorstellen dürfte: Lord Alois Graf von Sulden”, eine Bewegung, welche die Burg und das umliegende Land einzuschließen schien, “Herr über diese bescheidene Grafschaft. Kommt doch bitte herein und wärmt Euch an meinem Feuer! Harrick, mein Verwalter, hat mir berichtet, dass eine Eurer Kutschen bedauerlicherweise nicht mehr fahrtüchtig sei. Mein Gesinde wird gewiss dafür Sorge tragen, dass diese Schäden repariert werden. Auch Eurer Pferde wurde sich gewissenhaft angenommen.”
    Der Verwalter umrundete den Tisch wieder, verbeugte sich knapp vor den Gästen, und verließ den Raum.
    Graf Alois deutete auf eine zweite Person, die bislang am Tisch gesessen hatte und sich nun ebenfalls erhob: “Wie es der Zufall so will, seid Ihr am heutigen Abend nicht meine einzigen Gäste: Ich darf Euch die junge Lady Isabella von Montera vorstellen.”
    Die junge Dame machte einen Knicks in Richtung der neuen Gäste und lächelte schüchtern. Tristifer fand sie überaus schön. “Es ist mir eine Freude, Euch kennen zu lernen”, sagte sie, “schade, dass Ihr nicht früher angekommen seid, sonst hätten wir gemeinsam speisen können. Doch bin ich sicher, dass Herr Alois noch etwas für Euch auftreiben wird. Nicht wahr, Herr Graf?” Strahlend lächelte sie den alten Mann von der Seite her an.
    “Apropos, da Ihr es ansprecht”, fuhr Ambrose dazwischen, “wir hatten in der Tat vor, Eure Burg früher zu erreichen. Bedauerlicherweise wurde unsere Reise unplanmäßig aufgehalten. Doch lasst mich uns zunächst vorstellen…”
    Tristifer konnte sehen, wie Lady Alzhara die Augen verdrehte. Zweifellos missfiel ihr, dass Lord Ambrose als ranghöchstes Mitglied für die gesamte Gruppe sprach. Sie und Ambrose gaben einander regelmäßig Streitgespräche, in denen der Lord der Lady für gewöhnlich unterlag. Tristifer war nicht sicher, ob ihn die Wortgewandtheit Alzharas imponieren oder ihre Respektlosigkeit dem älteren Lord gegenüber empören sollte.
    “…ich bin Lord Ambrose von Gotha, Reichsinspekteur seiner Majestät. Dies sind Lord Morten von Wolkenberg nebst Gemahlin Lady Hinde, die Jungfer Lady Marella von Eberfurt und…”, Ambrose zog eine Grimasse, als er zu Alzhara kam, “…Lady Alzhara Ignigfera. Zudem Sir Tristifer, Ritter des Königs.”
    Die Genannten neigten der Reihe nach wahlweise den Kopf oder knicksten artig zur Begrüßung. Tristifer fiel auf, dass sich Alzhara für ersteres entschied. Er selbst verbeugte sich knapp, wie es sich für einen Ritter gegenüber einem hohen Lord geziemte.
    “Des Weiteren wären da natürlich noch unsere Begleiter”, warf Alzhara ein, “die im Stande aber natürlich viel zu niedrig anzusehen sind, als dass seine Lordschaft Ambrose Euch mit deren unbedeutenden Namen plagen wollte, werter Herr Graf.”
    Ambroses Gesicht nahm eine leicht rötliche Färbung an. Graf Alois jedoch lächelte weiterhin huldvoll und neigte auch in Richtung Dienerschaft kurz das Haupt.
    “Selbstverständlich werden wir uns auch des Wohls unserer Gäste niedrigeren Standes annehmen.”
    In diesem Augenblick kehrte der Verwalter mit einem weiteren Diener zurück. “Ihr werdet Euch sicher umkleiden wollen, bevor Ihr Euer Nachtmahl einnehmt. Harrick hat Sorge getragen, dass Euch angemessene Unterkunft bereitet werde.” Der Verwalter verbeugte sich knapp. “Wenn Ihr mir bitte folgen würdet!”
    Tristifer fand, dass er sich ruhig mal etwas anderes einfallen lassen könne.

    “Hier entlang, die Herrschaften”, sagte der Verwalter, als sie wieder auf den zugigen und kalten Flur herausgetreten waren, “Nemrod hier wird die Dienerschaft zu den Gesindequartieren führen.”
    Damit wollte sich der Verwalter schon zum Gehen wenden, doch die junge Marella hielt ihn zurück: “Verzeiht bitte, Herr Verwalter, aber soll das heißen, dass meine Zofe anderswo übernachten soll?” Ein Ausdruck von Missmut trat in Harricks Gesicht, doch seine Stimme blieb gleichmütig: “So schien es uns angemessen.” Marella rümpfte die Nase. “Mir scheint dies keineswegs angemessen. Leonnie pflegt das Bett mit mir zu teilen. Sie kommt mit mir.” Der Verwalter schien etwas einwenden zu wollen, überlegte es sich dann jedoch anders: “Wie Mylady wünscht”, entgegnete er nur.
    Während sie ihre Zofe bei der Hand nahm, warf Marella Alzhara ein stolzes und verschwörerisches Lächeln zu, die es anerkennend erwiderte.
    Tristifer sah die Beziehung, welche die beiden Damen im Laufe der Reise geknüpft hatten, mit gemischten Gefühlen. Gewiss: Alzhara war launenhaft, stolz, unbeugsam und bewegte sich oftmals sehr hart am Rande dessen, was die höfische Etikette erlaubte. Zugleich aber zeigte sie oft enorme Klugheit und Scharfsinn, die weit über bloßen Witz hinausgingen, und Marella schien von dem Einfluss der älteren Freundin bislang nur zu profitieren. Zu Beginn der Reise war Marella ein schüchternes und ängstliches Ding gewesen, mit zwar vollendeten Umgangsformen, wie es sich für eine junge Dame geziemte, aber eben auch einer derart scheuen Zurückhaltung, wie sie allenfalls in schnulzigen Minneliedern als reizvoll erscheinen konnte. Mittlerweile aber gewann die junge Dame zunehmend an Selbstvertrauen. Tristifer jedenfalls hätte die keckere Marella der schüchternen Version eindeutig vorgezogen.
    Außerdem musste Tristifer Marella in dieser Angelegenheit zustimmen: Es war allgemein üblich, dass eine Jungfer mit ihrer Zofe das Bett teilte. Außerdem wäre Marellas Zofe so dem Zugriff von Tristifers Knappen Pablo entzogen, der ganz eindeutig ein Auge auf das hübsche Mädchen geworfen hatte.
    “Können wir also?”, fragte der Verwalter, und setzte sich in Bewegung.
    “Sagt, Herr Harrick, wie sieht es eigentlich mit unserem Gepäck aus?”, richtete Alzhara das Wort an ihn. Der machte sich nicht die Mühe, sich zu ihr umzuwenden, um zu antworten: “Das Gepäck wurde selbstverständlich zu Euren Gemächern gebracht, Mylady. Ah, da wären wir schon.”
    Der Korridor, in dem sie nun standen, unterschied sich nach Tristifers Dafürhalten nicht von denen, die sie zuvor durchkreuzt hatten - Hohe Decken, dunkle Nischen, schmutzige Wände, von denen Türen abgingen - abgesehen davon, dass ihr Reisegepäck hergebracht worden war.
    “Lord und Lady Wolkenberg werden heute in diesem Zimmer schlafen”, sagte der Verwalter und öffnete eine der Türen. Als er dies sagte, lachte Lady Alzhara kurz auf, winkte aber spöttisch lächelnd ab, als die anderen sie mit verständnislosen Blicken bedachten. Die Wolkenbergs teilten dem Verwalter mit, welche Gepäckstücke er ihnen in das Zimmer tragen solle, und verabschiedeten sich kurz darauf von den anderen. So ging es weiter mit Ambrose, Marella samt Zofe und mit Alzhara, und schließlich waren Harrick und Tristifer alleine in dem dunklen Flur.
    “Da wären wir, Sir”, sagte er schließlich, als sie vor einer weiteren Tür angelangt waren. Im Gegensatz zu den anderen trug Tristifer sein weniges Gepäck selbst, und so war er kurz darauf alleine.

    Es handelte sich um ein kleines Gemach mit eigenem Kamin, in dem man ein Feuer angezündet hatte. Aber das war natürlich erst nach ihrer Ankunft auf der Burg geschehen, so dass es immer noch kalt und klamm im Raum war. Beherrscht wurde das Zimmer von einem Himmelbett, dessen Behänge an manchen Stellen löchrig waren und die leicht müffelten. Das Bettzeug aber schien zumindest frisch zu sein. Kleiderschrank und Sekretär komplettierten das Mobiliar.
    Tristifer legte seine Tasche ab und öffnete sie. Endlich konnte er diese feuchten Kleider loswerden!
    Geändert von Sir Ewek Emelot (12.08.2013 um 12:59 Uhr) Grund: 01:43

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    Nachtmahl



    Morten und Hinde Wolkenberg waren sich darüber einig, dass dies kein Ort zum Verweilen war. Nicht nur, dass die Burg alt und baufällig war, nein, auch der Graf selbst war offenbar als Gastgeber eher nachlässig, das Personal praktisch nicht vorhanden und es war abzusehen, dass man hier keineswegs den Komfort finden würde, den man üblicherweise in Anspruch zu nehmen pflegte. Das Zimmer war kalt und zugig, zudem dunkel und muffig, und die Einrichtung schien aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen.
    “Binsen. Er hat Binsen auf dem Fußboden, hast Du das gesehen? Seit wann benutzt man nun schon Bodenteppiche?” “Der erste verbriefte Fall eines Fußbodenteppichs geht auf das Jahr 435 zurück und stammt vom Bericht über einen Empfang im Palast des gelderner Bischofs Regibor Major. Der Fürst von Geldern war davon so sehr angetan, dass er anordnete, alle Binsen in seiner Burg zu entfernen und durch Teppiche zu ersetzen. Von da an traten Fußbodenteppiche nach und nach ihren Siegeszug in Myrtana an. In Varant und auf den südlichen Inseln ist das allerdings bereits viel länger üblich.”
    Morten war nicht zum ersten Mal von dem phänomenalen Gedächtnis seiner Frau beeindruckt. “Was Du nicht alles weißt, Liebes!”
    Liebes lächelte nur, während sie sich ein frisches Kleid überzog und ihrem Gemahl den Rücken zukehrte. “Könntest Du mir wohl kurz helfen?” “Wieso eigentlich haben nicht auch wir darauf bestanden, dass Marla und Henry mit uns kommen?”, fragte Morten seine Frau, während er die Bänder ihres Kleides festzurrte, “so, wie es das Fräulein Marella getan hat? Ist das nicht eine Unverschämtheit, uns dergestalt von unsern Leibdienern zu separieren?” Hinde schwieg dazu. “Wenn wir fertig sind, muss ich erstmal den Abort aufsuchen”, fuhr Morten fort. “Ja, hoffentlich holt uns hier bald jemand ab. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie hungrig ich bin!”, entgegnete seine Frau. Morten grunzte missgelaunt: “Du glaubst doch nicht, dass ich warte, bis diese näselnde Vogelscheuche von Verwalter hier auftaucht, um uns abzuholen! Oder eine von diesen anderen, kümmerlichen Gestalten, die dieser Graf sein Gefolge nennt.”
    Hinde drehte sich zu ihrem Mann um und schaute spöttisch zu ihm auf. “Morten, mein Lieber. Willst Du etwa andeuten, dass Du ALLEINE diese Burg auf der Suche nach einem stillen Örtchen zu durchsuchen gedenkst?” Morten tat empört: “Wieso bei Innos sollte ich nicht? Hältst Du mich für so einen Feigling, dass ich das nicht zustande brächte? Zugegeben, dieses alte Gemäuer ist schon etwas unheimlich. Aber es sind eben doch nur Spinnweben und Schatten. Wie Lady Alzhara schon sagte: Lebhafte Phantasie ist alles, was wir zu fürchten haben.” Hinde schüttelte den Kopf. “Es ist mehr als nur unheimlich, Morten”, ihre Stimme nahm einen ernsten Ton an, “ich hätte schwören können, dass da draußen während der Kutschfahrt etwas war. Und nein, ich meine NICHT Tristifer und seine Männer. Und als wir durch die Gänge hier gelaufen sind… ich weiß nicht.” Morten lachte. “Sei doch nicht so abergläubig!” Doch Hinde kannte ihren Mann zu gut um die Unsicherheit nicht zu erkennen, die in diesem Lachen lag.
    “Außerdem gibt es noch einen anderen Grund, warum wir diesen Raum nicht alleine verlassen sollten. Und der, mein Lieber, hat nicht das Geringste mit Aberglauben zu tun.” “Ach, und das wäre?” “Schau Dich mal hier im Raum um, Mort. Fällt Dir nichts auf?” Morten sah sich im Zimmer um “Nun?”, fragte Hinde mit gehobenen Augenbrauen. “Ich… nun, es ist etwas ärmlich. Das Bärenfell sieht alt aus und die Sessel sind etwas durchgesessen…” Hinde zuckte mit den Schultern. “Dann geh eben Deinen Abort suchen, Schatz. Ich werde Dich nicht aufhalten. Aber beschwer Dich nicht, wenn Du im Dunkeln stürzt und Dir die Knochen brichst!”
    Endlich erkannte Morten, was sie meinte: “Es gibt keine Kerzen!”, sagte er mit vor Verwunderung geweiteten Augen. “Keine Kerzen”, stimmte Hinde zu, “und keine Fackeln. Auch draußen keine Fackeln. Wir haben nur das Kaminfeuer als Lichtquelle, und das lässt sich wohl kaum mitnehmen. Ich sehe Dich auch nicht gerade ein Möbelstück zertrümmern und eine Fackel bauen. Nein, Morten. Man hat die Tür zwar nicht abgeschlossen, doch dürfte das wohl nichts als eine bloße Formalität sein. De Facto sind wir hier in diesem Raum gefangen, bis uns jemand abholt oder es Tag wird.” “Du glaubst nicht, dass das Nachlässigkeit ist?” fragte Morten nachdenklich. “Möglich”, antwortete Hinde, “aber genauso möglich, dass man nicht WILL, dass wir uns frei in der Burg bewegen. Vielleicht eine Schrulle des Grafen, vielleicht wirklich weil die Burg baufällig und für unachtsame Besucher gefährlich ist. Oder aber man will irgendetwas vor uns verbergen. Wie auch immer: Ich glaube nicht, dass es sich bloß um ein Versehen handelt.”
    Hindes Worte klangen in Mortens Geist nach, als er ein Geräusch von jenseits der Tür zu vernehmen meinte. “Oh, ob das endlich dieser Harrick ist?”, warf er seiner Frau zu und begab sich zur Tür, diese zu öffnen. Doch nichts. Nur Schwärze jenseits des kleinen Halbkreises aus Licht, welches aus der geöffneten Tür auf den Flur fiel. Morten schloss die Tür wieder.
    “Merkwürdig”, sagte er, “hast Du nicht auch etwas gehört?” Hinde zuckte ratlos mit den Schultern. “Ich weiß nicht, Mort, es kann sein. Nach diesem enervierenden Tag würde ich mich aber nicht wundern, wenn unsere Sinne uns Streiche spielten.”
    Erneut ein Klopfen oder Schaben von der Tür. Oder kam es überhaupt von der Tür? Morten war sich nicht sicher. “Da erlaubt sich doch einer einen Scherz mit uns!”, fluchte er.
    “Scholl auf einmal leis ein Pochen, gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her”, zitierte Hinde ein bekanntes Gedicht. “S’ ist Besuch nur, und nicht mehr”, ergänzte Morten. Doch sahen beide einander ihr Unbehagen an. “Konnte Dir kein fröhlicheres Gedicht einfallen?”, fragte Morten.
    Morten fuhr zusammen, als es diesmal an der Türe pochte. Laut vernehmlich. Wütend stapfte er zur Tür und riss sie auf. Ein schmales Lächeln umspielte die Lippen des Verwalters, dessen Stimme jedoch so tonlos blieb, wie sonst: “Seine Lordschaft hat für die werten Gäste ein Nachtmahl auftragen lassen”, sagte er leise, “bitte folgt mir!”

    Auf das Klopfen hin öffnete Leonnie die Tür. “Lady Marella ist gleich so weit”, beschied sie dem Verwalter, und wenige Momente später schlossen sich Marella und ihre Zofe der kleinen Gruppe an. Sie nickte den Edelleuten zu und war froh, dass sie endlich etwas würde essen können. Außerdem hoffte sie auf etwas heißen Gewürzwein, um endlich wieder warm zu werden.
    Der Verwalter hatte bereits Ambrose und die Wolkenbergs im Schlepptau, die einen recht missgelaunten Eindruck machten. Es fehlten also nur noch Tristifer und Alzhara. Arm in Arm mit Leonnie setzte sich Marella in Bewegung. Marella hätte zu gern ein Gespräch begonnen, doch die Stille, die nur vom gedämpften Rauschen des Unwetters und dem Hallen ihrer Schritte durchbrochen wurde, ließ ihr jedes Wort im Halse stecken bleiben. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass dies nicht der rechte Ort für eine Unterhaltung war.
    Den anderen schien es nicht anders zu ergehen. Die Wolkenbergs tuschelten bloß leise miteinander, und Marella glaubte nur, ein gezischtes “verfluchtes Geisterschloss” verstanden zu haben. Ambrose war im Allgemeinen ohnehin nicht gesprächig und nach der schlimmen Kutschfahrt noch grimmiger, als sonst. Der Verwalter indes schien sich zwar nicht unwohl zu fühlen, war aber offensichtlich an keinerlei Konversation interessiert.
    Während ihr Führer vorne weg schlurfte, stieß Morten plötzlich einen Schrei aus: “Also es reicht jetzt langsam mit diesen albernen Faxen!”, fuhr er den Verwalter an, der sich verwirrt zu den Gästen umdrehte. “Wie meinen?”, fragte er. “Habt Ihr extra einige Leute abgestellt, um Gäste zu erschrecken?”, fragte Morten aufgebracht. Eine steile Falte bildete sich auf der Stirn des Verwalters, der Morten lediglich aus blassen Augen anstarrte. “Da war eine Bewegung in den Schatten!”, Morten deutete auf einen dunklen Gang, der von diesem abzweigte. “Mylord irrt sich und wäre gut beraten, sich vorschneller Anschuldigungen in Zukunft zu enthalten.” Marella meinte, die leise Andeutung einer Drohung in der Stimme des Verwalters zu vernehmen, der sich wieder zum Gehen wandte.
    Als Morten erneut zu einer hitzigen Erwiderung ansetzen wollte, stockte er. Diesmal konnte es auch Marella sehen: Eine Gestalt löste sich von den Schatten und drang in den Lichtkreis vor. Erst wollte Marella schreien, dann erkannte sie, um wen es sich handelte. Lautlos näherte sich die Gestalt dem Verwalter, der schon einige Schritte weitergegangen war. Der fuhr herum, als sich Morten räusperte, womöglich mit einer weiteren Verwarnung auf den Lippen, doch erschrocken riss er die Augen auf und stolperte zurück.
    “Apropos vorschnelle Anschuldigungen”, säuselte Alzhara fröhlich, “das nächste Mal solltet Ihr Euch vergewissern, bevor Ihr die Sinneseindrücke eines Eurer Gäste einfach abtut! Verzeiht bitte, ich wollte mich ein wenig in der Burg umsehen und habe mich wohl etwas verlaufen. Zum Glück habe ich Euer Licht gesehen und konnte so zu Euch finden.”
    Alzharas Grinsen war so unverschämt, dass Marella nicht anders konnte, als laut zu lachen. Der Verwalter rang damit, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten und verlor diesen Kampf kläglich. In seiner Wut sah er so komisch aus, dass selbst Ambrose ein hämisches Lächeln zeigte. “Lasst uns endlich Sir Tristifer abholen!” sagte er, “wir sind allesamt hungrig.” “Und für mich ein Abtritt, bitte”, warf Morten ein. Der Verwalter schnaubte. “Beim Wohnsaal seiner Lordschaft”, knurrte er.

    Während sich Morten die Hose zuknüpfte, schaute er auf das kleine Licht, das man ihm hierfür zugebilligt hatte. Er nahm es an sich und trat wieder auf den Korridor hinaus. Kurz überlegte er, ob er mit seinem Lichtlein nicht doch einen Erkundungsgang durch die Burg machen solle. Er schaute den Flur hinauf und hinab: Auf beiden Seiten nichts als Schwärze, wo das Licht seiner Kerze endete. Nur aus der schmalen Ritze unter der Tür zum Wohnsaal drang ein schwacher Lichtstreifen. Ein Luftzug ließ ihn frösteln und das Kerzenlicht flackern. Für einen Augenblick stieg eine schreckliche Panik in ihm hoch, dass die Kerze verlöschen könne. Er schüttelte den Kopf und legte hastig die wenigen Schritte zurück, stieß die Tür auf und trat in den beheizten und erleuchteten Saal.
    Die andern hatten sich bereits am Tisch niedergelassen. Neben Hinde war noch ein Platz frei, auf den Morten zusteuerte.
    “Der Wein ist alt und sauer”, zischte sie ihm zu, “und das Fleisch ist unglaublich zäh.” Dabei lächelte sie in Richtung Graf, der auf seinem Thron saß und die Hände lässig auf die Lehnen gestützt hatte. Die langen Fingernägel schabten in rhythmischen Bewegungen über das Holz.
    “Immerhin ist es warm”, sagte Marella, die zu Mortens anderer Seite saß und mit beiden Händen einen Pokal umschlang, aus dem es dampfte. Ein Schluck am eigenen Kelch verifizierte die Aussagen beider Frauen.
    “Habt Dank für den gastfreundlichen Empfang”, tönte Ambroses Stimme durch den Raum, “insbesondere angesichts unseres spätnächtlichen Erscheinens.” Der Graf machte eine wegwerfende Geste und lächelte freundlich: “Aber das ist doch selbstverständlich, Lord Ambrose. Insbesondere, wenn es sich um so hohen Besuch handelt wie Euch und Eure Begleiter.” An Alzhara gewandt: “Auch Eure Bediensteten in den Gesindequartieren laben sich in diesem Moment an unseren Speisen, Mylady.” Alzhara nickte knapp und kaute auf einem Stück Fleisch. Nach ihrem letzten Streich war sie in Mortens Ansehen enorm gestiegen: Zwar hatte sie auch ihn erschreckt, doch der Gesichtsausdruck dieses Harrick war es allemal Wert gewesen!
    “Da wir nun die Gelegenheit haben, würde ich mich gern über den Grund für unser spätes Eintreffen unterhalten”, nahm Ambrose das Gespräch wieder auf. Das Befinden der Diener schien ihn nicht im Mindesten zu kümmern.
    “Wir wären durchaus sehr viel früher eingetroffen, wenn sich unsere Reise nicht unplanmäßig verzögert hätte. Sagt, Mylord, habt Ihr vielleicht Probleme mit Räubern oder… wilden Tieren in der Gegend?” Auf des Grafen ohnehin schon faltiger Stirn erschienen weitere Runzeln, was ihm das Aussehen einer alten Zitrone gab. “Nicht, dass ich wüsste”, sagte er, “wurdet Ihr denn überfallen?”
    Ambrose verneinte und erklärte, was ihre Reise so verzögert hatte.
    “Weder Räuber noch eine erhöhte Aktivität irgendwelcher wilder Tiere sind uns bekannt. In der Wildnis gibt es freilich Wölfe und Bären, auch der ein oder andere Schrat soll gelegentlich gesichtet werden. Aber nichts davon sollte für eine so große und bewaffnete Gruppe wie die Eure eine Gefahr darstellen.”
    “Für uns nicht, für jene Bauern hingegen schon. Ich muss seine Lordschaft nicht daran erinnern, dass es zu den Pflichten eines Kronvasallen gehört, den Frieden des Königs zur Sicherheit eines jeden Untertanen umzusetzen.”
    Gespannt beobachtete Morten, wie der Graf reagieren würde. Der saß steif und steinern auf seinem Thron und ließ keine Regung erkennen.
    “Auch die Straßen der Grafschaft sind in bedauernswertem Zustand”, fuhr Ambrose fort, “seine Majestät könnte angesichts von… gewissen Berichten wohl zu einem… falschen Bild gelangen. Ich bin mir aber sicher, dass Mylord meine diesbezüglichen Sorgen ausräumen kann? Was also soll ich dem König zutragen?”
    Morten hätte erwartet, dass sich das Gesicht des Grafen röten oder es noch blasser werden würde, als ohnehin schon. Er hätte Empörung oder Zerknirschung erwartet, angesichts der kaum verhohlenen Anschuldigung durch den Reichsinspekteur.
    Doch Graf Alois Miene blieb unverändert. “Wir Suldens regieren dieses Land schon länger, als Myrtana einen König hat. Ich bin sicher, dass Ihr mit Euren Worten unsere Souveränität nicht in Frage zu stellen gedachtet?”
    Souveränität? Was sprach dieser Graf von Souveränität? Er war doch nur ein Vasall des Königs!
    Morten war froh, als sich die junge Lady Isabella zu Wort meldete, und mit fröhlicher Stimme die Spannung, die sich im Raum aufgebaut hatte, brach: “Diese Toten gesehen zu haben muss sicher schrecklich gewesen sein! Ich will mir das gar nicht ausmalen. Zum Glück blieb mir dies auf meinem Weg erspart. Aber sagt: Findet Ihr es nicht auch schade, dass Graf Alois gar keinen Sänger auf seiner Burg hat? Es wäre doch so viel angenehmer, beim Essen etwas Musik zu haben.”
    Isabella erhob sich von ihrem Platz und verbeugte sich leicht in Richtung Graf.
    “Wenn Ihr gestattet, werde ich Eure neuen Gäste mit einem Lied erfreuen.”
    Die versteinerte Miene des Grafen wandte sich dem Mädchen zu. Ein knappes, kaum vernehmliches Nicken.
    “Wunderbar!” jauchzte sie und begann sogleich mit einem bekannten Minnelied.
    Ihre warme, volltönende Stimme erfüllte den kleinen Saal und schien auch die allgegenwärtige Kälte zurückzudrängen. Mortens Stimmung hellte sich auf, Speis und Trank schienen mit einem Mal besser zu schmecken, als zuvor, und die Anspannung begann langsam, von den Reisenden abzufallen.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (12.08.2013 um 13:01 Uhr) Grund: 15:40

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    Frühstück



    Nachdem sich Hinde und Morten zu Bett begeben hatten, legten sie sich eng aneinander. Morten lauschte noch eine Weile dem Rauschen des Windes, das gedämpft in das Gemach drang, und dem Regen, der gegen die Fensterläden pochte, und ließ sich die aufregenden Ereignisse des Tages durch den Kopf gehen. Bald schon bemerkte er, wie Hindes Atem sich beruhigte und regelmäßiger wurde. Behaglich kuschelte er sich enger an seine Frau, sog ihren Duft ein und freute sich ob des Schicksals, das ihre Eltern die Verlobung vor so vielen Jahren hatte vereinbaren lassen. Arrangiert oder nicht, Morten hätte keine bessere Ehefrau finden können.
    Gelegentlich knackte einer der Scheite im Kamin, dessen Feuer langsam herunterbrannte. Der Regen schien nachzulassen. Morten dachte daran, wie schön Lady Isabellas Stimme, und wie gelöst die Runde beim Nachtmahl gewesen war. Wider alle Wahrscheinlichkeit hatte der späte Abend doch noch einen angenehmen Abschluss gefunden.
    Seine Gedanken entglitten ihm immer mehr. In die Erinnerung an den Abend auf Burg Sulden mischten sich Bilder und Klänge vergangener Feste und Gelage, während er langsam in den Schlaf hinüberdämmerte.
    Plötzlich mischte sich ein Missklang in den Strom von Mortens Eindrücken, und kurz darauf war er wach. Mortens Herz pochte unnatürlich schnell, und für einen Augenblick wusste er nicht mehr, wo er war. Er tastete nach dem beruhigenden Gewicht seiner Frau, vergewisserte sich Hindes Anwesenheit, und langsam beruhigte sich sein Herzschlag wieder. Das Feuer im Kamin war nun völlig erloschen, und im Zimmer war es völlig dunkel.
    Im Traum hatte er etwas gehört. Den Entsetzensschrei einer Frau? Hatte er vom Schrei geträumt, den Hinde am Mittag gemacht hatte, als sie die toten Bauern gesehen hatte? Oder hatte er wirklich etwas gehört?
    Er lauschte in die Dunkelheit hinein. Doch nichts. Der Regen hatte aufgehört, gegen die Läden zu prasseln, und nur der Wind schien weiter um die Ecken und Erker der Burg zu pfeifen.
    Morten drehte sich auf die Seite und schlief wieder ein.

    Beim Frühstück am nächsten Morgen fehlte von Sir Tristifer jede Spur. Marella nahm an, dass er beim Gesinde nach dem Rechten sah und sich darum kümmerte, dass es allen gut ging. Auch Graf Alois war nicht zugegen, so dass sein Thron verwaist dastand.
    “Das ist normal”, plapperte Lady Isabella vergnügt, während sie in ihrem Essen herumstocherte und gebratenen Speck auf dem Teller hin und her schob. Offenbar hatte sie wenig Appetit. “Der Graf ist meistens den ganzen Tag über furchtbar beschäftigt. Dafür nimmt er sich abends Zeit und bleibt meist lange wach. Naja, alte Menschen brauchen wohl auch nur wenig Schlaf, so sagt man.”
    “Warum seid Ihr eigentlich hier zu Gast?”, fragte Alzhara, “Ihr scheint ja nicht bloß auf der Durchreise zu sein, wenn Ihr bereits die Gewohnheiten seiner Lordschaft kennt.” “Oh, das ist wegen meinem Vater”, flötete Isabella, “er hat hier in der Grafschaft geschäftlich zu tun. Weil er ein alter Freund des Grafen ist, darf er von der Burg aus operieren. Zur Zeit aber besucht er irgendwelche Handelspartner im Umland, oder sowas. Ich hoffe, dass er in ein paar Tagen zurückkommt.”
    Marella fand es seltsam, dass Isabellas Vater seine Tochter auf eine Geschäftsreise mitnahm. Vor allem aber war diese alte Burg ganz sicher kein guter Ort für so eine junge Edeldame. Gerade wollte sie Isabella anbieten, mit zu Marellas Verwandtschaft in Silden zu kommen, bei welcher sie den Winter über Urlaub zu machen gedachte, als sich Ambrose einmischte.
    “Isabella von Montera…”, sagte er nachdenklich, “das Herzogtum Montera ist doch das größte und wohlhabendste Lehen des Reiches. Es wundert mich, dass ein Montera Geschäfte hier in der Suldenei zu tätigen hat. Ihr stammt von einer Nebenlinie ab, nehme ich an?”
    Isabella lächelte etwas verschämt. “Einer etwas ärmeren Nebenlinie, ja. Mit der Herzogsfamilie haben wir leider nicht viel mehr als den Namen gemein. Aber immerhin haben wir doch dieselben Vorfahren und stammen in direkter Linie vom ersten Herzog von Montera ab!”
    “Nicht nur das”, warf Hinde ein, “die Gemahlin des ersten Herzogs von Montera hieß ebenfalls Isabella und war die Tochter des Königs Gorano, der vor über 800 Jahren auf dem myrtanischen Thron saß. Damit fließt nicht nur königliches Blut durch Eure Adern, sondern ihr seid auch Namensvetterin einer myrtanischen Prinzessin.”
    Offenbar war Isabella dies nicht bekannt gewesen, denn sie strahlte über das ganze Gesicht ob dieser Eröffnung.

    Das Gespräch wurde rüde unterbrochen, als plötzlich die Tür zum Saal aufgestoßen wurde.
    Sir Tristifer, begleitet vom Verwalter Harrick, betrat mit forschen Schritten den Raum, sah sich kurz um, und steuerte dann auf Hinde und Morten zu. Marella bemerkte, dass Tristifers Miene ernster und sorgenvoller schien, als sonst.
    “Lord Morten, Lady Hinde…” Tristifer räusperte sich, “…ich muss Euch eine bedauerliche Mitteilung machen.” Die beiden angesprochenen blickten den Ritter verwirrt an. “Es geht um Eure Zofe Marla. Sie… nun, es hat einen… Unfall gegeben. Sie… sie ist tot.”
    Betretene Stille machte sich in dem Raum breit. “Tot?”, wisperte Hinde schließlich, ungläubig, “aber wie…?”
    “Wir haben sie in den Stallungen gefunden”, sagte der Verwalter mit seiner emotionslosen, näselnden Stimme. Er wirkte ebenso teilnahmslos, wie sonst auch. “Offenbar begab sich Eure Magd diese Nacht in die Box eines Eurer Pferde. Das Pferd muss angesichts des Sturms und Eurer schlimmen Herfahrt unruhig und aggressiv gewesen sein. Es ist auf die Magd losgegangen und hat sie getötet.”
    Hinde schluchzte empört: “Magd? Sie war meine Zofe, keine einfache Magd!” Morten schüttelte den Kopf, sichtlich schockiert. “Aber… was sollte sie denn bei dem Pferd gewollt haben? Wieso sollte sie mitten in der Nacht in den Stall gegangen sein?”
    Tristifer legte Morten die Hand auf die Schulter. “Wir wissen es nicht. Womöglich wollte sie nach den Pferden sehen, oder vielleicht wollte sie etwas aus einer der Kutschen holen.” “Und wieso steigt sie dann zu einem wilden Gaul in die Box?”, fuhr Morten auf.
    “Wir wissen es nicht.”
    “Bringt uns zu ihr”, befahl Hinde und erhob sich von ihrem Platz, “ich will sie sehen. Oh, der arme Henry! Die beiden waren so gut befreundet!” Morten stand ebenfalls auf. “Ja, wir wollen sie sehen.”
    Alzhara lachte kurz auf. “Ich dachte, Mylady vertrage den Anblick von Toten nicht?“ Von allen Seiten erntete sie böse Blicke. Auch Marella fand, dass sie diesmal entschieden zu weit ging.
    Nur der Verwalter schien ähnlicher Meinung wie Alzhara zu sein: “Es wäre unangebracht. Wir werden uns um eine angemessene Bestattung kümmern.”
    Hinde sah den Verwalter zornig an. “Seit dreißig Jahren schon dient sie in unserem Haushalt!”, fauchte sie, “wir werden ihre sterblichen Überreste nicht in einem innosverlassenen Rattenloch in der Suldenei zurücklassen! Und ob es angemessen ist, den Leichnam meiner Zofe zu sehen, bestimme immer noch ICH!”
    Morten fasste seine Frau bei der Hand und die beiden setzten sich Richtung Tür in Bewegung.
    Der Verwalter jedoch vertrat ihnen den Weg. “Ihr könnt nicht alleine durch die Burg gehen! Ihr würdet Euch verirren. Ihr solltet wirklich hier bleiben.”
    “Geh uns aus dem Weg!”
    Da schaltete sich Alzhara wieder ein: “Bei Tage betrachtet ist Eure Burg nicht halb so gespenstisch, wie in der Nacht. Ich bin sicher, dass Sir Tristifer den Weg auch alleine findet.” Der nickte und begab sich ebenfalls zur Tür. “Ich bringe Euch hin”, sagte er. Der Verwalter schien noch etwas einwenden zu wollen. “Macht schon Platz!”, rief Alzhara. Der Verwalter schnaubte wütend, gab den Weg aber frei. Tristifer und die Wolkenbergs verließen eilig das Zimmer.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:18 Uhr) Grund: 15:46

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    Marella wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Sie hätte Hinde und Morten gern getröstet, doch fielen ihr keine passenden Worte ein. “Es tut mir Leid um Euren Verlust”, hatte sie bloß sagen können, “Marla war ein lieber Mensch.” Die Wolkenbergs hatten darauf jedoch kaum reagiert, und Alzhara hatte eine abfällige Bemerkung darüber gemacht, dass Marella die Zofe doch gar nicht gekannt habe und also nicht wissen könne, ob sie ein lieber Mensch gewesen sei oder nicht. “Ich aber habe sie gekannt”, hatte Marellas Zofe Leonnie erwidert, die immerhin viele Wegstunden zusammen mit der Toten in einer Kutsche verbracht hatte, “und Marla WAR ein lieber Mensch.”
    Noch schlimmer als Alzharas trockener Zynismus aber war Lady Isabellas Versuch gewesen, Anteilnahme zu zeigen: “Ihr werdet gewiss bald eine neue Zofe finden”, hatte sie Hinde zu trösten versucht, was eine weitere, zynische Bemerkung Alzharas und einen sehr bösen Blick Hindes nach sich gezogen hatte. Die junge Dame hatte sich darauf bald verabschiedet und den Saal fluchtartig verlassen.
    Nun waren die reisenden Adligen alleine in Graf Alois' Wohnzimmer, bis auf Marellas Zofe Leonnie und Mortens Kammerdiener Henry. Die Wolkenbergs hatten ihn nach Marlas plötzlichem Tod nicht alleine lassen wollen.
    “Wir müssen so schnell wie möglich hier weg”, sagte Morten, “diese Burg und dieses Land sind mir nicht geheuer.” Ambrose schüttelte den Kopf. “Ich kann verstehen, dass diese Sache Euch mitnimmt. Es war gewiss ein schrecklicher Unfall. Aber es ist gewiss nicht die Zeit für Panik.”
    Hinde hingegen pflichtete ihrem Mann bei: “Ihr habt sie nicht gesehen, Ambrose. Es war… schrecklich.” Morten ergänzte: “Es ist kaum zu glauben, dass ein Pferd das getan haben sollte. Sie war kaum wieder zu erkennen. Von diesem Ort geht ein böser Einfluss aus, wenn er ein Pferd zu so was treibt. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob man dieses Tier nicht lieber töten sollte.” “Es ist immer noch ganz unruhig”, stimmte Tristifer zu, “nur mühsam konnten wir die Tote bergen. Niemand traut sich derzeit an das Tier heran.”
    “Wir sollten mal nicht überreagieren”, versuchte Ambrose die anderen zu beruhigen. “Überreagieren?”, zischte Morten, “es ist jemand GESTORBEN! Ich will jedenfalls keinen Augenblick länger hier bleiben, als nötig.” “Eure Gram vernebelt Euer Urteilsvermögen”, sagte Ambrose, “wir sollten nicht in irgendwelchen albernen Aberglauben verfallen. Das ist irrational.”
    Als Alzhara das Wort ergriff, dachte Marella, dass sie Ambrose zustimmen werde. Schließlich pflegte Alzhara für gewöhnlich, ruhig und vernünftig zu sein und belächelte alle Formen irrationaler, abergläubischer Ängste. Doch sie irrte sich: “Morten hat recht. Von diesem Ort geht sicherlich kein guter Einfluss aus. Es wäre besser, ihn möglichst schnell hinter uns zu lassen.”
    Der Verwalter betrat den Saal. Leise schlurften seine Pantoffeln über den Boden und raschelten in den Binsen. “Wir wären nun bereit, eine Bestellung für das Mittagsmahl entgegenzunehmen”, sagte er.
    “Nein danke”, fauchte Morten, “der Appetit ist mir vergangen!” “Sagt, Herr Harrick, wie sieht es mit der Reparatur unserer Kutsche aus?”, fragte Alzhara. “Bedauerlicherweise haben wir nicht alle Teile vorrätig, die für die Instandsetzung nötig sind. Wir haben jedoch bereits beim Schmied eines nahe gelegenen Dorfes danach geschickt. Ihr werdet gewiss in den nächsten Tagen Eure Reise fortsetzen können.”
    “In den nächsten Tagen?”, brauste Morten auf, “ich werde ganz sicher nicht noch TAGE hier verbringen!”
    “Es wird Euch nichts anderes übrig bleiben”, beschied der Verwalter.
    “Das werden wir ja sehen”, entgegnete Morten grimmig, “Außerdem wünsche ich, umgehend mit dem Grafen zu sprechen.” Der Verwalter verzog das Gesicht. “Seine Lordschaft ist unabkömmlich.” “Unabkömmlich? Ein Mitglied unseres Haushalts ist gestorben, man hält uns hier quasi gefangen, und der Herr Graf ist UNABKÖMMLICH? Mir ist ehrlich gesagt egal, ob der alte Zausel seinen Schönheitsschlaf hält oder ob er sich bloß die Eier schaukelt. Aber ich will umgehend mit ihm sprechen!”
    Ambrose schien einen beschwichtigenden Einwurf machen zu wollen, der Verwalter aber kam ihm zuvor und knurrte wütend: “Es gibt keinen Grund, Graf Alois mit dieser Angelegenheit zu behelligen”, sein Gesicht war vor Wut rot angelaufen, und die zu Schlitzen verengten Augen hielt er böse auf Morten gerichtet, “Es sei denn, Ihr wollt andeuten, dass er etwas mit diesem Unfall zu tun habe.”
    “Es reicht jetzt!”, fuhr Ambrose dazwischen. Dann, mit ruhigerem Tonfall: “Wir sollten uns alle beruhigen.”
    Morten hielt die Hand hoch. “Seht Ihr, wie sehr meine Hand zittert?” Ambrose runzelte die Stirn. “Wie bitte? Eure Hand zittert doch gar nicht.” “Richtig. Sie zittert nicht. Ich soll mich beruhigen? Beruhig Dich doch selbst!”
    Marella war entsetzt über diese Eskalation des Gespräches.
    Morten verschränkte die Arme. “Wir können natürlich einfach warten, bis noch ein paar Leute sterben. Irgendwann brauchen wir dann ohnehin nur noch eine Kutsche.”
    Ambrose schluckte eine Erwiderung herunter. Er war offenbar klug genug, den Zorn der Wolkenbergs nicht weiter zu beflügeln.
    “Also, die Bestellung?”, fragte Verwalter Harrick, “wenn ich dem Küchenpersonal Bescheid gebe, werde ich gleich Euren Diener zurück zum Gesinde führen können.” Hinde widersprach: “Werdet Ihr nicht! Henry bleibt von nun an bei uns. Und wenn wir denn noch eine Nacht hier verbringen müssen, so stellt ein weiteres Bett oder eine Matratze in unser Zimmer!”
    Es war offensichtlich, dass dem Verwalter diese Anweisung nicht gefiel. Doch verzichtete er ausnahmsweise darauf, zu widersprechen, wofür Marella sehr dankbar war.
    “Bringt einfach irgendetwas Essbares”, befahl Alzhara, “und außerdem kochendes Wasser! Lady Hinde, Lord Morten, wenn Ihr gestattet, bereite ich Euch einen Tee zur Beruhigung zu.” Alzhara erhob sich, “ich werde nur kurz die Blätter aus meinem Gepäck holen.” Dem Verwalter schenkte sie ein Lächeln: “Ihr braucht Euch keine Umstände zu machen, ich finde den Weg schon alleine”, und schon war sie zur Türe hinaus.

    Leanders Herz schlug schneller als gewöhnlich. Eine grausame Unruhe hatte von ihm Besitz ergriffen, wie er sie zuvor noch nie gekannt hatte. Wände und Decken um ihn herum wirkten dunkel und drohend, und er hatte das Gefühl, als bekomme er keine Luft. Er tänzelte einige Schritte hin und her, doch das rhythmische Klacken, das er auf dem Boden verursachte, vergrößerte seine Nervosität nur noch.
    Und überall war Blut. Das Stroh war damit getränkt, der Boden rutschig davon, und die Wände wiesen hässliche Spritzer auf, die langsam eintrockneten. Der Geruch lag ihm schwer in der Nase und selbst im Mund schmeckte er den bitteren Geschmack.
    Seine Wahrnehmung war seit dem Vorfall verändert. Es schien ihm, als nehme er alles intensiver wahr. Farben schienen schärfer voneinander getrennt, Geräusche klangen ihm lauter in den Ohren und Gerüche waren stärker als sonst. Irgendetwas in ihm hatte sich verändert, und ein Teil von ihm ängstigte sich ob der vagen Gewissheit, dass diese Veränderung unumkehrbar sei.
    Leander hörte ein leises Rascheln. Jemand näherte sich. Sein Kopf ruckte zum Eingang, in dem bald schon eines dieser zweibeinigen Wesen erschien. Die Beine waren zwar unter einem bis fast zum Boden fallenden Stoff bedeckt, doch wusste Leander, was sich darunter befand.
    Das Wesen schaute ihn an. Er starrte mit einem Auge zurück. Reglos stand die Gestalt da, versenkte ihren Blick in sein Auge, und ein seltsames Gefühl stellte sich bei Leander ein, ein Kribbeln in seinem Kopf. Die Gedanken wurden ihm schwer, die Wahrnehmung schwand zu einem zähflüssigen Wabern seichter Empfindungen dahin, und sein Herzschlag beruhigte sich. Die Gestalt öffnete das niedrige Türchen und betrat die Box.
    Leanders Nüstern blähten sich. Etwas war anders an diesem hier. Es unterschied sich von den anderen Zweibeinern. Der Geruch kam ihm bekannt vor, und erzeugte eine entsetzliche Angst in ihm. Er wusste: dieses hier war ein Feind. Ein Teil von ihm drängte ihn, zu fliehen, ein anderer zu treten, zu beißen, diese Kreatur zu zermalmen. Das Geschöpf näherte sich ihm durch Leanders wie durch einen roten Schleier getrübtes Blickfeld. Nun war es fast heran. Sein Kopf ruckte vor, schnappte zu… doch nein! Irgendetwas hielt ihn ab. Er wollte toben, um sich treten, doch kein Muskel seines Körpers bewegte sich. Noch immer blickte er in die Augen des Wesens, das unverwandt zurückblickte.
    Schließlich war es bei ihm angekommen und legte einen Arm um seinen Hals. Das Gesicht näherte sich dem seinen, bis sich ihre Stirne berührten. Leander spürte etwas, eine Präsenz, die in seinen Kopf eindrang. Sie war warm und fürsorglich, vermittelte Ruhe und Gelassenheit.
    Doch Leander wollte keine Ruhe und Gelassenheit. Er wollte fliehen, diesen Ort und dieses Wesen möglichst weit hinter sich lassen! Oder Blut schmecken, das Blut dieser Kreatur, die böse und sein Feind war. Er wehrte sich.
    Die Präsenz in seinem Kopf zog sich zurück.
    “Schade”, hörte er das Wesen sagen. Noch während er sich darüber wunderte, dass er das Wort verstand, wurde sein Kopf herumgerissen. Er hörte noch ein Knacken, danach gaben seine Beine nach und es wurde dunkel um ihn.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (13.08.2013 um 21:25 Uhr) Grund: 01:43

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    Den restlichen Tag über blieben die Wolkenbergs größtenteils unter sich, Sir Tristifer war die meiste Zeit irgendwo in der Burg unterwegs und kümmerte sich um irgendetwas, derweil Ambrose sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte, um irgendwelche wichtigen Akten durchzuarbeiten, die mit seiner Tätigkeit für den König zusammenhängen mochten. Marella blieben für Konversation also nur Alzhara und Isabella, die sich nach dem Mittagsmahl wieder in den Saal begeben hatte und wieder so fröhlich wie eh und je war.
    Da sich das Wetter gebessert hatte, hatten die Frauen beschlossen, ein wenig draußen spazieren zu gehen. Alzhara führte die beiden jüngeren auf die Zinnen der Burg, auf denen noch immer ein starker Wind wehte, der allerdings seine stürmische Kraft während des Unwetters eingebüßt hatte. Der Himmel war immer noch zum größten Teil bewölkt, hie und da jedoch riss die Wolkendecke auf, so dass goldene Strahlen hindurch schienen und helle Lichttupfer in die Landschaft malten, die sich von hier oben gut überblicken ließ.
    “Ob es dort oben in den Wolken wirklich ein Schloss gibt, in dem ein Troll lebt?”, sinnierte Marella, indem sie ein bekanntes Märchen aufgriff. Alzhara lachte: “Das wäre aber kein sonderlich guter Baugrund. Stellt Euch vor, Ihr würdet auf einem Land leben, in dem regelmäßig der Boden auseinander geht und bodenlose Löcher aufreißen.” “Das Märchen ist aber schön”, sagte Marella, “außerdem könnte so etwas mit Magie doch vielleicht funktionieren. Oder?” Alzhara schien ernsthaft darüber nachzudenken. “Vielleicht” antwortete sie schließlich, “mit Magie ist vieles möglich. Es ließe sich vielleicht auch ein Schloss in den Wolken bauen. Würdet Ihr gern in den Wolken leben?”
    Der Blick, den Alzhara Marella zuwarf, wirkte nicht spöttisch, sondern ehrlich interessiert und ernst. So, als könne Alzhara es wahr machen, falls Marella einen entsprechenden Wunsch äußern sollte.
    “Gibt es varantiner Honig in den Wolken?” Alzhara kicherte: “Nein. Ich glaube nicht.” “Dann lieber nicht.”
    Alzhara nickte. “Lasst uns ein paar Schritte gehen!”
    Die Damen stiegen eine der Treppen herunter, die in den Burghof führten. Der war größtenteils unbefestigt und der Boden noch vom Regen aufgeweicht und matschig. Marella raffte den Saum ihres Kleides ein wenig, damit es nicht allzu schmutzig werde.
    Isabella begann, über die Vor- und Nachteile von varantiner Honig zu dozieren, einige Exkursionen über Ardeanischen Nougat und südinsulanische Schokolade inbegriffen, während sie den Burghof überquerten. “Am besten aber schmeckt die Schokolade aus der Faktorei Robletone aus Trelis”, erklärte Isabella gerade, als sie an den Stallungen vorbeikamen. Aus dem Innern drangen Stimmen zu ihnen heraus.
    “Hier muss es geschehen sein”, unterbrach Marella Isabellas Monolog. Die hielt in ihrem Redeschwall inne.
    In Begleitung eines von Graf Alois Knechten trat Sir Tristifer aus dem Gebäude, mit grimmigem Gesichtsausdruck. Als er die drei Damen sah, steuerte er auf sie zu.
    “Wie geht es dem Pferd?”, fragte Alzhara, “ist es immer noch so wild und aufgebracht?”
    Tristifers Blick verdüsterte sich noch mehr. “Im Gegenteil. Es ist so ruhig, wie ein Tier nur sein kann. Es ist tot.” “Ihr habt es getötet?” Isabella schlug die Hände vor den Mund. Marella fand es sonderbar, dass der Tod eines Tieres sie mehr schockierte, als der eines Menschen.
    “Nein, haben wir nicht. Es hat sich offenbar selbst getötet. Hat seinen Kopf so stark gegen die Wand gerammt, dass der Hals gebrochen ist.”
    Alzhara runzelte nachdenklich die Stirn. “Sonderbar. So ein Irrsinn kann nicht nur am Unwetter gelegen haben. Zeigen die anderen Tiere irgendwelche Symptome?” Tristifer verneinte.
    “Vielleicht ist es besser so”, sagte er schließlich, “so wahnsinnig, wie es war, hätte es ohnehin für nichts mehr getaugt. Entschuldigt mich bitte!”
    Tristifer wandte sich von den Damen ab und verschwand, gefolgt von dem Lakai, in Richtung Burgfried.

    Trotz der schlimmen Nachrichten, die der Tag gebracht hatte, fühlte sich Marella am Abend gut. Die Bewegung an der frischen Luft hatte ihr gut getan, und sie war hungrig. Da das Gefolge der Gäste Alois’ Küchenpersonal diesmal zur Hand gehen würde, versprach sich Marella auch ein weit besseres Essen, als zuvor.
    Doch während die Nacht über die Burg hereinbrach und tiefe Schatten es Winkel für Winkel eroberten, erwachte dessen schaurige Natur wieder zum Leben. Marella verfluchte ihre Phantasie, die sich in jeder dunklen Nische Dämonenfratzen ausmalte und war froh, als sie endlich den Speisesaal erreicht hatte.
    Die Stimmung war allgemein gedrückt und ein richtiges Tischgespräch kam nicht zustande. Selbst Isabella merkte bald, dass ihr Geplapper auf wenig Gegenliebe stieß und gab es auf.
    Der Graf ließ sich erst nach dem Essen blicken und nahm seinen Platz vor Kopf ein. Die Wolkenbergs versicherte er seiner Betroffenheit angesichts des bedauerlichen Unfalls und bot an, nach einem Innospriester schicken zu lassen, um den Leichnam der Toten in einer angemessen würdevollen Zeremonie zu verbrennen, auf dass man ihre Asche mitnehmen und dort bestatten könne, wo immer es den Herrschaften genehm sei. Da dies aber einen weiter verlängerten Aufenthalt bedeutet hätte, bat Morten bloß um einen einfachen Sarg, den man auf einem der Kutschdächer transportieren könne. “Särge haben wir zwar keine vorrätig, doch lässt sich gewiss rasch einer zusammenzimmern”, sagte der Graf und scharrte mit den Fingern über die Thronlehne.
    An diesem Abend gingen alle früh zu Bett, und Marella war froh, ihre Zofe Leonnie bei sich zu haben.

    Leonnie war dabei, Marellas Haare zu kämmen, als es an der Türe pochte. Leonnie öffnete, und Sir Tristifer betrat den Raum.
    “Verzeiht, Mylady! Ich bin gekommen, um Euch das hier zu geben.” Tristifer hielt Ihr eine Kerze hin. “Ihr könnt sie am Kaminfeuer entzünden. Falls irgendetwas sein sollte, könnt Ihr damit zu uns anderen finden. Ambrose und Alzhara haben ihre Zimmer gleich neben Eurem, die Wolkenbergs links den Gang hinunter und ich zur anderen Seite in dem Flur gegenüber.” Dann legte er einen schmalen, langen Dolch auf das Tischchen, an dem sie saß. “Nur für den Fall”, sagte er, bevor er sich wieder zum Gehen wandte.
    Marella ließ ihren Blick noch lange auf Tristifers Gaben ruhen, derweil sich Leonnie leise summend ihrem Haar widmete. Diese Vorkehrungen beunruhigten Marella zutiefst: Zuerst drängte Lady Alzhara zum schnellstmöglichen Aufbruch, und dann brachte Tristifer ihr Waffen? Dass selbst diese starken und tapferen Menschen mit ihrer Erfahrung und ihrem Urteilsvermögen so offensichtlich besorgt waren, zeigte Marella, dass es mit ihren eigenen Ängsten mehr auf sich haben mochte, als bloße, von Schauerlektüre inspirierte Hirngespinste.

    Als Tristifer Alzharas Tür hinter sich schloss, war er einigermaßen mit sich zufrieden. Er hatte alle Vorbereitungen getroffen, die ihm möglich waren, um in dieser Nacht einen ähnlichen Vorfall wie in der vorangegangenen zu verhindern: Gesinde und Herrschaften waren mit Licht und zumindest leichten Waffen ausgestattet, alle hatten die Anweisung, möglichst in der Nähe der anderen zu bleiben oder diese im Notfalle zu suchen. Insbesondere Alzharas Bereitschaft, auf die junge Marella Acht zu geben, beruhigte Tristifer.
    “So spät noch unterwegs?”, vernahm er eine Stimme hinter sich. Er war wenig verwundert, den Verwalter wieder zu erkennen, als er sich zu dem Sprecher umgedreht hatte.
    “Was geht es Euch an?”
    Der Verwalter hob eine Braue und musterte Tristifer mit einem Blick, der ebenso einer Kakerlake oder einem Schmutzfleck hätte gelten können. “Ich mache mir nur Sorgen um Euer Wohlbefinden, Sir. Ihr solltet Euch nächtens nicht in der Burg herumtreiben. Bei dem schlechten Licht könntet Ihr auf einer der ausgetretenen Stufen ausrutschen und Euch den Hals brechen. Ein Todesfall, den Eure Gruppe in diesen Mauern zu beklagen hat, sollte wohl genügen, nicht wahr?”
    Tristifers Augen verengten sich zu Schlitzen. “Eure Sorgen sind unbegründet, danke. Wie Ihr sehen könnt, habe ich ein Licht. Und ich habe durchaus bereits dunklere und weitaus schrecklichere Orte als diesen erkundet.”
    Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft hörte Tristifer den Verwalter lachen: Ein leiser, schnarrender Laut. “Ich sehe schon, wir haben es mit einem edlen, tapferen Ritter der Kirche Innos’ zu tun. Bei Euren Diensten für die Kirche mag Innos wohl seine schützende Hand über Euch halten. Doch HIER solltet Ihr nicht allzu sehr auf die Hilfe Eures Gottes vertrauen.” “Wie meint Ihr das?” Tristifers Stimme war nur noch ein gepresstes Flüstern.
    Der Verwalter lachte wieder: “Oh, es ist nichts. Nur, dass sinnlos durch ein altes Schloss zu stolpern womöglich nicht gerade die gottgefällige Tätigkeit im Kampf gegen das Böse ist, die Innos’ Aufmerksamkeit verdient hätte.”
    Tristifer schnaubte wütend. Der Verwalter aber wandte sich bloß um und entfernte sich. “Bleibt nicht zu lange wach! Innosgefällige Menschen schlafen in der Nacht”, spottete er.

    Natürlich ging Tristifer nicht in sein Zimmer. Er würde sich doch nicht den Launen dieses erbärmlichen Wichts beugen! Mochte der spotten und geheimnisvoll tun, wie es ihm beliebte, Tristifer hatte ganz entschieden das Gefühl, dass in dieser Burg etwas vor sich ging, wovon der Graf nicht wollte, dass es bekannt werde. Und genau darum wollte Tristifer herausfinden, um was es sich handelte.
    Tristifer fühlte sich durchaus gewappnet: Er trug eine Kerze in der Hand und sein Schwert an der Hüfte, mit dem er sehr wohl umzugehen wusste. Er hatte einen guten Orientierungssinn und das Schloss bereits am Tage einigermaßen zu erkunden vermocht, auch wenn zumeist entweder der Verwalter oder einer von dessen Lakaien an Tristifers Seite gewesen waren, möglicherweise um dafür Sorge zu tragen, dass er seine Schritte nicht in die falsche Richtung lenkte.
    Natürlich verspürte er auch eine gewisse Furcht. Es war Nacht und daher dunkel, das Gemäuer war alt und baufällig, weitgehend unbekanntes Gebiet und erzeugte eine Atmosphäre latenter Bedrohung. Manch anderer Ritter behauptete von sich, keinerlei Furcht zu kennen. Tristifer hingegen hielt diese entweder für Idioten, oder aber für Lügner, zumal er sich fragte, welchen Wert Tapferkeit für jemanden haben sollte, der angeblich gar keine Angst verspürte.
    Worauf sich Tristifer allerdings sehr wohl etwas einbildete, war seine Fähigkeit, der eigenen Furcht Herr zu bleiben. So auch jetzt: Die Hand, welche den Leuchter hielt, zitterte nicht, seine Schritte waren leise und vorsichtig, doch sicher und ohne Zögern. Seine Sinne waren in voller Aufmerksamkeit geschärft, doch nicht furchtsam überspannt.
    Zudem hatte er den Verwalter keineswegs belogen: Er HATTE bereits dunklere und schrecklichere Orte als diesen hier erkundet. Tatsächlich kam ihm diese Burg beinahe schon gemütlich vor, im Vergleich zum Unterschlupf jenes Nekromanten, damals, als… Was war das?
    Tristifer legte den Kopf schräg und lauschte. War das ein Geräusch gewesen? Ein Schlurfen oder Schaben, wie von Schritten? Die Ratten in diesem Gemäuer erzeugten ständig Geräusche, doch dies hier mochte sich davon abgehoben haben.
    Als sich das Geräusch nicht wiederholte, setzte er seinen Weg fort. Am Tage hatte er lediglich die Wege zwischen den Punkten gehen können, an welchen die Gäste sich aufzuhalten pflegten: Schlafkammern, Wohnsaal, Gesinderäume und Küche, sowie den Weg in den Hof und zum Stall. Nun, da er alleine war, konnte er sich aber frei bewegen.
    Da ihm nichts besseres einfiel und er glaubte, dass man Geheimnisse eher im Keller unterbrächte, hielt er sich an Treppen stets abwärts. In der Tat waren die Stufen ausgetreten und rutschig, doch Tristifer besaß die Gewandtheit eines erfahrenen Ritters.
    Er betrat die Gewölbe unter der Burg, die in einem erstaunlich guten, baulichen Zustand, ansonsten jedoch ebenso schmutzig waren, wie der Rest der Burg. Die Decken waren hier niedriger, und anstelle von mottenzerfressenen Gobelins, ausgeblichenen Bildern und staubigen Standrüstungen umgaben ihn hier bloß grobe Wände aus dunklem Gestein, die in ein Gerippe aus Säulen und Bögen eingelassen waren. In den Mauerabschnitten zwischen den tragenden Elementen befanden sich jeweils kleine Nischen, in welchen ehedem Lichter gebrannt haben mochten. In der Mitte der Flure zog sich ein schmutziger Läufer die Gänge entlang, der einst rot gewesen sein konnte, nun aber so dreckig war, dass man die ursprüngliche Farbe nicht mehr erkennen konnte. Tristifer fand es seltsam, dass so etwas ausgerechnet im Keller auslag.
    Was er wohl hier unten finden würde?
    Erneut meinte er, ein Geräusch zu vernehmen, und einen kaum erkennbaren Schimmer aus einem der Gänge. Offenbar war er nicht der einzige, der zu später Stunde noch durch das Schloss geisterte. Er bog leise schleichend in den Gang ein und hielt die Hand vor die Kerze, um deren Schein zu dämpfen, so dass ein anderer, nächtlicher Wanderer ihn nicht schon von weitem bemerken würde.
    Der Gang machte einen Knick. Tristifer hielt die Kerze möglichst verdeckt, als er um die Abzweigung spähte und am anderen Ende des Ganges erneut jenen schwachen Schein kurz aufleuchten zu sehen glaubte.
    Tristifer machte sich an die Verfolgung, konzentriert darauf bedacht, selbst möglichst keinerlei Laute von sich zu geben.
    Langsam huschte er vorwärts. Gleich hätte er die nächste Biegung erreicht!
    Plötzlich brach der Boden unter ihm weg.
    Einen Herzschlag lang befand er sich in freiem Fall, bevor er mit den Armen auf dem Boden aufschlug und sich mühsam festhalten konnte. Seine Beine baumelten über dem Abgrund, der sich unter ihm aufgetan hatte. Es war offenbar ein rechteckiges Loch im Boden, eine Art Falltür, die er nicht bemerkt hatte. Hätte er nicht schnell genug reagiert und Halt gefunden, wäre er hindurch gefallen.
    Tristifer stemmte sich hoch und kam wieder auf sicheren Grund.
    Da fiel sein Blick auf den Leuchter, den er bei seinem Fall losgelassen hatte, und der beim Aufprall auf dem Boden erloschen war.
    Erloschen? Woher kam denn dann das Licht?
    Langsam drehte Tristifer den Kopf.
    “Ich hatte Euch gewarnt. Diese Burg ist für Euch nicht sicher”, schnarrte der Verwalter. “Ob Innos über Euch wachte, vermag ich nicht zu sagen. Zu Eurem Glück aber habe ICH über Euch gewacht. Andernfalls wärt Ihr nun bei völliger Dunkelheit in diesem Gewölbe verloren.” Der Verwalter schnalzte missbilligend mit der Zunge. “Ich will lieber gar nicht fragen, was Ihr hier unten finden zu können glaubtet. Doch schlage ich vor, dass Ihr Euer nächtliches Abenteuer nun beendet und in Euer Gemach zurückkehrt. Wenn Ihr gestattet: Ich begleite Euch.”
    Tristifer knirschte mit den Zähnen und rieb sich den vom Sturz schmerzenden Ellenbogen, als der Verwalter sich lächelnd umwandte. Er griff nach seinem eigenen Leuchter, der ihm ohne Feuer aber nichts mehr nutzen würde, und folgte dem Licht des andern zu seinem Zimmer.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:19 Uhr) Grund: 16:13

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    Es dauerte einen Augenblick, bis Hinde die Veränderung benennen konnte, welche sie aufgeweckt hatte: Morten lag nicht mehr neben ihr. Verwirrt richtete sie sich auf und blickte sich im Raum um. Das Feuer im Kamin war zu einer schwachen Glut heruntergebrannt, so dass der Raum in Schatten verhüllt lag. Doch sie meinte, einen etwas dunkleren Schemen ausmachen zu können, der sich leise tappend auf die Türe zu bewegte. Von der anderen Seite des Zimmers konnte sie das leise Schnarchen Henrys vernehmen, der auf seiner Matratze schlief.
    “Morten?”, fragte sie in das Dunkel hinein, doch der Schemen reagierte nicht. Hinde schlug die Decke zurück und stand auf. Sie spürte die Kälte, die aus dem Boden drang und von den kläglichen Überresten des Kaminfeuers nicht mehr zurückgedrängt werden konnte. Henry auf seiner Bettstatt regte sich und murmelte einige unverständliche Worte, offenbar kurz davor, aufzuwachen.
    Der Schemen hatte die Tür nun erreicht, und diese öffnete sich.
    Hinde legte die wenigen Schritte bis zur Tür zurück und spürte einen kalten Luftzug, der vom gänzlich unbeheizten Flur hereinwehte. Eine Gänsehaut begann, ihre Arme zu überziehen und sie zog ihr Schlafgewand etwas enger um sich.
    Es handelte sich bei dem Schemen tatsächlich um Morten. Hinde legte ihm die Hand auf die Schulter und wiederholte leise seinen Namen. Morten aber reagierte noch immer nicht. Sie rüttelte an seiner Schulter und sagte seinen Namen nun lauter. Ein Ruck ging durch Mortens Körper.
    “Mhm… was ist los?”, stammelte er, “Hinde?”
    “Du bist aufgestanden und hast nicht auf mein Rufen reagiert”, sagte sie. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, dass auch Henry sich nun aufgerichtet hatte und sich anschickte, aufzustehen.
    “Es ist alles in Ordnung, Henry”, sagte sie, “offenbar hat mein Gemahl lediglich… geschlafwandelt.”
    Hinde schloss die Tür, nahm Morten bei der Hand und führte ihn zum Bett zurück.
    Sonderbar. Morten hatte noch nie geschlafwandelt. Er schien immer noch verwirrt und nicht zu wissen, wo er war. Doch leistete er keinerlei Widerstand, sondern folgte ihr gefügig zu Bett.
    Hinde war froh, sich wieder in die warmen Decken kuscheln zu können. Sie lauschte dem Atem ihres Mannes, bis sie glaubte, dass er wieder eingeschlafen war. Dann drehte auch sie sich auf die Seite und tat es ihm nach.

    Beim Frühstück am nächsten Morgen glänzte Graf Alois erneut mit seiner Abwesenheit, und auch die junge Isabella von Montera ließ sich durch den Verwalter entschuldigen. Sie leide an einer Unpässlichkeit und wünsche, das Frühstück in ihren Gemächern einzunehmen, teilte der den Gästen mit.
    So war die Reisegruppe also für sich.
    Die beiden Wolkenbergs und ihr Kammerdiener wirkten an diesem Morgen müde und übernächtigt. “Habt Ihr nicht gut geschlafen?”, fragte Marella und nippte an ihrem warmen Würzwein. Hinde verdrehte bloß die Augen, während Morten mit den Schultern zuckte und auf seinem Brot herumkaute.
    “Wir sollten sehen, dass wir heute endlich von hier wegkommen”, sagte Tristifer, “wenn die Leute des Grafen das mit unserer Kutsche nicht hinbekommen, müssen wir uns irgendwie selbst behelfen.”
    Alzhara und Morten stimmten zu, lediglich Ambrose widersprach. “Wie soll denn das aussehen?”, fragte er, “soll der Graf den Eindruck bekommen, dass wir seine Gastfreundschaft fliehen?” “Wieso Eindruck? Genau das tun wir doch, oder?”, fragte Marella, was Alzhara ein Kichern entlockte.
    “Gewisse Formen müssen gewahrt bleiben!”, beschied ihr Ambrose, “auch wenn es unangenehm ist. Natürlich will hier niemand länger als nötig verweilen. Aber der Graf hat seine Hilfe mit der Kutsche angeboten. Es wäre unhöflich, dies auszuschlagen.” “Wieso denn, wenn er diese Hilfe gar nicht leistet?”, entgegnete sie. Ambrose hatte darauf offenbar keine Antwort.
    “Habt Ihr denn Zugang zu irgendwelchen Werkzeugen oder Werkstätten des Grafen?”, fragte Alzhara Tristifer. Der verneinte: “Die Leute hier sind ebenso stur wie schlüpfrig: Man bittet sie um etwas, das sie aus irgendeinem Grund nicht leisten wollen, und man bekommt ein Dutzend halbseidener Ausreden, gegen die sich aber nichts stichhaltig einwenden lässt. Oder sie vertrösten einen. Am Schlimmsten ist dieser Harrick.”
    “Meint Ihr denn”, fragte Marella, “dass man unseren Aufenthalt absichtlich verlängert?”
    Niemand gab klare Antwort, die Gesichter aber sprachen Bände.

    Bis zum Mittagsmahl nahm der Tag einen langweiligen und ereignisarmen Verlauf, den Marella sich durch einige Gymnastik- und Tanzübungen abzukürzen suchte, welche Alzhara ihr und Leonnie zeigte. Im Anschluss nahmen die drei ein heißes Bad, widmeten sich ausführlich ihrer Körperpflege und probierten schließlich diverse Flakons und Tiegel aus Alzharas Kontingent an Duftwässern, Pflegesalben und anderlei Kosmetikartikeln, um sich schließlich aufwendige Frisuren zu machen, passend zu ebenso aufwendigen und geschmackvollen Kleidern aus Alzharas Garderobe.
    Als sie den schäbigen Wohnsaal betraten, fühlte sich Marella zwar völlig deplaziert, aber doch auch sauber, frisch und begehrenswert - nicht zuletzt auch ob der Blicke, welche die Herren ihr unwillkürlich zuwarfen. Auf Ambroses Frage, was diese Aufmachung zu bedeuten habe, beschied ihm Alzhara, dass eine Dame keineswegs eines Grundes bedürfe, sich ausführlich ihrer Toilette zu widmen, sondern dass allenfalls Gründe bestehen könnten, es nicht zu tun. Einen solchen Grund könne sie hier aber nicht ausmachen.
    “Ein wunderschönes Stück”, lobte Hinde mit Blick auf Alzharas Kleid, welche das Kompliment dankend annahm.
    Schließlich wurde das Essen aufgetragen, das auch diesmal unter Mitwirkung des gästeeigenen Personals zubereitet worden war. Der Verwalter stand stumm und steif im Raum, derweil sich Lakaien um die Verteilung der Speisen bemühten.
    “Wie geht es denn dem armen Fräulein Isabella?”, fragte Alzhara den Verwalter. “Lady Isabella ist immer noch unpässlich und wird daher an der Mahlzeit nicht teilnehmen.” “Was hat denn das arme Kind?”, bohrte Alzhara weiter. “Bedauerlicherweise kann ich Euch diese Frage nicht beantworten.” “Möglicherweise bedarf die junge Dame einer medizinischen Behandlung? Zufälligerweise bin ich in medizinischen Belangen nicht gänzlich unbewandert und könnte Lady Isabella durchaus untersuchen und gesundheitlich beraten.”
    Alzhara schenkte dem Verwalter zwar ein strahlendes Lächeln, doch schien in diesem Lächeln noch etwas anderes mitzuschwingen, das Marella nicht ganz benennen konnte.
    “Lady Isabella wünscht Ruhe und ist an keinerlei medizinischer Konsultation interessiert.”
    Mit diesen Worten wandte sich der Verwalter zur Tür und verließ den Raum, ebenso wie die Lakaien, welche das Essen mittlerweile auf der Tafel serviert hatten.
    Tristifers Blick ruhte nachdenklich auf Alzhara. “Sonderbar. Es klang fast so, als wolle der Verwalter nicht, dass jemand mit Lady Isabella spricht.” “Was soll schon daran sonderbar sein? Lady Isabella wünscht eben ihre Ruhe, und Herr Verwalter Harrick erfüllt bloß seine Pflicht, diesen Wunsch zu erfüllen”, entgegnete Ambrose und steckte sich ein Stück Braten in den Mund.
    “Ich hingegen fand es schon irgendwie komisch, wie er auf Alzharas Fragen reagiert hat”, mischte sich Marella ein. Im Grunde war sie ja froh, dass Isabella nicht zugegen war, denn diese hatte sich doch weniger als gute Gesellschaft denn als Nervensäge erwiesen. Dennoch hatte sie den Eindruck, dass Harrick Alzharas Fragen unangenehm gewesen waren.
    “Wir haben doch schon gestern darüber gesprochen, Mylord”, sagte Tristifer, “in dieser Burg wollen wir lieber übervorsichtig sein, als nachlässig. Wir haben schon jemanden verloren. Noch einmal mein Beileid”, eine angedeutete Verbeugung gegenüber den Wolkenbergs.
    “Genau genommen haben wir ZWEI verloren”, schaltete Alzhara sich ein, “Marla und das Pferd. Sagt, Sir Tristifer, habt Ihr gestern Nacht noch irgendeine Entdeckung machen können?” Der schüttelte den Kopf: “Abgesehen davon, dass es im Keller Falltüren gibt, leider nein. Aber ich bin mir sicher, dass der Verwalter mich verfolgt hat. Plötzlich stand er hinter mir. Es scheint, als würde man nicht nur tags über jeden unserer Schritte überwachen.”
    Alle anderen waren von diesem Wortwechsel verwirrt.
    “Sir Tristifer wollte gestern Nacht die Burg erkunden, unbehelligt von Alois’ Dienern”, erklärte Alzhara.
    “Und was hofftet Ihr zu finden?”, fragte Ambrose, “es ist alles andere als höflich, unseren Gastgeber irgendwelchen Verdächtigungen auszusetzen und durch seine Burg zu spuken.”
    “Es ist aber auch unhöflich, sich den ganzen Tag nicht blicken zu lassen, uns von unserem eigenen Personal nach Möglichkeit zu isolieren und unsere Bewegungsfreiheit einzuschränken”, sagte Marella und erntete spontane Zustimmung durch Tristifer.
    “Im Grunde hatte ich gehofft, nichts zu finden”, sagte der, “es wäre das beste für alle Beteiligten, wenn wir es nur mit den Schrullen eines Greises zu tun hätten. Doch spüre ich, dass hier etwas nicht stimmt.”
    “Glaubt Ihr denn, dass Isabella in Gefahr ist?”, fragte Marella.
    Da räusperte sich Morten: “Nun… ich bin mir ja nicht sicher, ob es etwas zu bedeuten hat, aber…” Morten stockte kurz, fuhr dann aber fort, “…ich habe diese Nacht von einer jungen Frau geträumt. Es könnte sich dabei um Lady Isabella gehandelt haben.”
    Hinde wirkte ob dieser Eröffnung etwas pikiert.
    “Was genau habt Ihr denn geträumt?”, fragte Ambrose. “Ich träumte… nun, ich träumte, dass… also genau kann ich es nicht mehr rekonstruieren. Aber in jedem Falle war eine junge Frau in Gefahr. Ich glaube, dass es sich um Lady Isabella handeln könnte, dass der Traum von ihr handelte. Und… nunja, heute ist sie verschwunden…” Verunsichert brach Morten ab.
    “Also”, sagte Ambrose mit gedehnter Stimme, “lasst mich mal zusammenfassen: Ihr habt von irgendeiner Frau, die VIELLEICHT Lady Isabella war, irgendetwas geträumt, worin diese VIELLEICHT in Gefahr gewesen sein mag, und wollt dies nun als Indiz dafür nehmen, dass Graf Alois ihr etwas angetan haben könnte? Sehe ich das richtig?”
    Morten schaute Ambrose unsicher an. “Ja, das seht ihr richtig.”
    “Ist denn so was möglich?”, fragte Marella und blickte unwillkürlich zu Alzhara, “dass jemand solche wahren Träume hat?”
    Alzhara brummte nachdenklich: “Es kommt in der Tat vor, dass mental sehr empfindliche Menschen Wahrträume haben. Im Prinzip hat jeder Mensch einen geistigen Sinn, der ihm prinzipiell ermöglicht, magische Strukturen und Strömungen wahrzunehmen. Diese Wahrnehmungen sind aber in der Regel so schwach, dass wir sie kaum bemerken. So ähnlich, wie wir in der Regel auch das Rauschen unserer eigenen Körperflüssigkeiten im Ohr nicht hören. Wenn es ansonsten allerdings sehr ruhig ist, zum Beispiel wenn wir kurz vor dem Einschlafen im Bett liegen, mögen wir dieses Rauschen sehr wohl vernehmen. Oder auch unseren Herzschlag und dergleichen. Ähnlich ist es mit unseren spirituellen Sinnen: Ist unser Bewusstsein nicht mehr in dem sonst üblichen Maße mit unsern eigenen Gedanken beschäftigt, werden wir dafür empfänglicher. In der Regel erreicht man diesen Zustand durch diverse Arten der Meditation, manche Menschen erreichen ihn aber unwillkürlich im Schlaf, wo die geistigen Empfindungen sich durch Träume bemerkbar machen.” Alzhara schaute Morten an: “Hattet Ihr schon einmal ähnliche Träume, von denen Ihr glaubtet, sie könnten real sein?”
    Der aber verneinte.
    “Dann wäre es höchst ungewöhnlich, wenn Ihr Euch ganz plötzlich als besonders empfängliches Medium erweisen würdet. Dergleichen ist in der Regel zu einem Teil angeboren und entwickelt sich weder so spät, noch so plötzlich. Insbesondere nicht ohne magische Ausbildung.”
    Hinde legte ihrem Mann die Hand auf den Arm und fragte: “Kann Schlafwandeln ein Symptom für solche Träume sein?” “Mhm… möglich, dass der Körper unwillkürlich auf die Eindrücke reagiert. Schlafwandel kann in der Tat diese Ursache haben. Schlafwandelt Morten denn?” “Normalerweise nicht. Diese Nacht aber schon. Übrigens mehrmals. Heute morgen konnte Mort sich seiner nächtlichen Spaziergänge nicht entsinnen, seiner Träume aber offenbar sehr wohl.”
    Das machte auf Alzhara offenbar einen gewissen Eindruck.
    “Woher wisst Ihr eigentlich so viel über diese Dinge?”, fragte Ambrose argwöhnisch. Alzhara bedachte ihn mit einem Blick, als habe er eine sehr dumme Frage gestellt. “Habt Ihr niemanden in der Verwandtschaft, der eine klerikale Laufbahn eingeschlagen hat und Magier geworden ist? Einen jüngeren Bruder vielleicht, der nicht erbberechtigt ist? Jemanden, der mit Euch über seine Tätigkeit als Magier sprechen könnte?”, fragte sie spöttisch.
    Ambrose knirschte mit den Zähnen. “Einen jüngeren Bruder, ja. Aber wir unterhalten uns nicht über solche Dinge.”
    Alzhara zuckte mit den Achseln. “Bei mir ist das anders. Wir haben vielerlei sehr interessante Gespräche geführt, soweit es mit einem Laien wie mir eben möglich ist.”
    Tristifer hatte sich die letzten Augenblicke auffällig zurückgehalten, lediglich die Finger an die Stirn gelegt und offenbar fieberhaft nachgedacht. Nun wollte er der Gruppe die Ergebnisse seines Nachdenkens mitteilen: “Lasst uns zusammenfassen: Von diesem Ort geht ein schlechter Einfluss aus, der eines unserer Pferde in den Wahnsinn treibt und dazu bringt, jemanden zu töten. Morten hat seltsame Träume, die sich bewahrheiten. Wir werden permanent beobachtet und an der kurzen Leine gehalten, und der Graf ist tagsüber nicht zu sprechen.”
    “Und denkt an die Toten auf der Straße!”, ergänzte Hinde.
    “Die wiesen Bisswunden auf”, sagte Tristifer, “aber nicht von einem Tier, sondern von einem Menschen. Der Graf ist ungewöhnlich alt.” “Einhundertvier, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt”, warf Hinde ein. Tristifer nickte dankbar und fuhr fort: “Erkennt Ihr da kein Muster?”
    Ambrose lachte ungläubig. “Ihr wollt doch nicht etwa andeuten, dass Graf Alois eine Art… ähm, Vampir ist, oder dergleichen? Der Mann ist ein tattriger Greis! Er könnte wohl kaum einem Kind gefährlich werden.”
    “Er sieht alt und verfallen aus, ja. Das tun Untote im Allgemeinen immer. Ich hatte durchaus bereits mit solcherlei Gezücht zu tun und kann Euch versichern: So verrottet und hinfällig sie auch erscheinen mögen, besitzen sie doch erstaunliche Kräfte.”
    “Und wenn Graf Alois KEIN Vampir ist?”, fragte Alzhara. “Wie wollt Ihr das feststellen?”
    “Wir müssen ihn nur dazu bringen, ins Sonnenlicht zu treten!”, entgegnete Tristifer, “denn das Licht unseres Herrn Innos bannt die Untoten.”
    “So sagt man zumindest”, meinte Alzhara, “aber ob das auch stimmt? Gewöhnliche Untote vergehen ja auch nicht im Sonnenlicht. Warum sollten Vampire da eine Ausnahme machen?” “Weil sie nicht bloß hirnlose Konstrukte sind, die der Macht eines Magiers entstammen, sondern schreckliche Unholde, deren bloße Existenz Innos lästert!”, sagte Tristifer voll Innbrunst. “Ihnen ist von ihrem Gebieter, Beliar, eine größere Macht gegeben. Doch am Tage, im Angesicht Innos’, trifft der Zorn des Herrn sie dafür umso stärker!”
    Ambrose war dunkel angelaufen. “Das ist Wahnsinn! Ich kann nicht gestatten, dass ein Vasall der Krone sich gegenüber derart lächerlichen Anschuldigungen rechtfertigen muss.”
    Tristifer erhob sich entschlossen. “Das müsst Ihr auch gar nicht. Wenn es sich um eine Kreatur Beliars handelt, dann ist dies nicht mehr Eure Zuständigkeit, Mylord. Als Innos geweihter Ritter bin ich meinem direkten Lehnsherrn, der Krone und der Kirche verpflichtet. Nicht aber Euch, Mylord Reichsinspekteur Ambrose.”
    Ohne sich weiter um Ambroses Proteste zu kümmern, verließ Tristifer den Raum. “Bleibt hier”, sagte er noch, “allesamt!”
    Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

    In seinem Zimmer angekommen, holte Tristifer sein Schwert hervor. Nicht das normale Schwert, welches er für gewöhnlich zu tragen pflegte und in den meisten Situationen mehr denn ausreichend war. Es war ein gutes Schwert, gepflegt und geschärft, hervorragend ausbalanciert, lag ihm sicher in der Hand.
    Doch war es eben nur ein gewöhnliches Schwert aus gewöhnlichem Stahl, nicht vergleichbar mit seiner anderen Klinge: Das geweihte Ordensschwert nutzte er so gut wie nie. Wann immer er es zur Hand nahm, dem sirrenden Ton lauschte, mit dem es aus seiner Scheide glitt, den bläulichen Schimmer bewunderte, den es ausstrahlte, war er erneut davon fasziniert. Es war leichter, schmaler und sehr viel schneller als das andere, und die Klinge war messerscharf, und doch so widerstandskräftig, wie es nur Schwerter aus dem magischen Erz der Insel Khorinis waren. Es war keine Klinge für den Alltag, nicht dafür geeignet, gegen wilde Tiere oder Räuber oder in der Schlacht verwendet zu werden. Es war ein heiliges Schwert, welches nur gegen die finsteren Mächte Beliars zu nutzen war. Tristifer besaß dieses Schwert bereits seit mehr als fünfzehn Jahren, benutzt hatte er es jedoch lediglich drei Mal, jedes Mal in direktem Auftrag der Kirche.
    Tristifer zögerte kurz. War diese Situation wirklich angemessen? Oder bildete er sich alles bloß ein?
    Tristifer ging auf die Knie nieder. Das Schwert auf dem Schoß, schloss er die Augen und horchte in sich hinein, horchte auf eine Eingebung Innos’. Waren hier finstere Mächte am Werk, oder handelte es sich bloß um einen tragischen Unfall, der sich zufällig an einem aufgrund des Alters unheimlichen Ort ereignet hatte? War Alois ein Scheusal, in dessen Fänge sie mit Betreten der Burg geraten waren, oder doch nur der greise, sterbende Spross einer sterbenden Dynastie?
    In Gedanken konnte er beinahe Alzharas Stimme hören, in nüchternem, etwas spöttischem Pragmatismus: “Besser, das Schwert unnötig herumtragen, als es im Notfall schmerzlich zu vermissen.”
    Als er die Augen öffnete und sich wieder erhob, zögerte er nicht mehr, und einen Augenblick später fühlte er das beruhigende Gewicht seiner Ordensklinge an der Seite.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:21 Uhr)

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    Tod



    Regar wich langsam zurück, das Schwert zur Abwehr erhoben, obwohl er sich keine Illusionen darüber machte, dass er sterben würde. Seine Gefährten lagen bereits leblos am Boden, und Regar sah keine Veranlassung, zu glauben, dass es ihm anders ergehen könne.
    Die Gestalt war wie aus dem Nichts aus den Schatten heraus erschienen und hatte Hano und Farlan mit bloßen Händen getötet, schneller als irgendwer hätte reagieren können. Noch während sie Farlan das Genick brach, hatte sie ihm das Schwert entwendet, und Brin damit einen tödlichen Stich versetzt. Jetzt war nur noch Regar übrig.
    Die Gestalt ging neben Brins Leiche in die Hocke, tauchte die Fingerspitze in die Blutlache und erhob sich wieder. Sie hob den Finger vor das Gesicht und betrachtete ihn nachdenklich, bevor sie ihn ableckte, als handle es sich um einen Tupfer Sahne. “Mhm“, machte sie nachdenklich.
    Langsam setzte sie sich in Bewegung, ruhig und ohne Hast, das Schwert nachlässig gesenkt.
    Doch Regar wusste, dass er sterben würde.
    Und dennoch durfte er nicht fliehen. Er musste seine Pflicht erfüllen, seinem Herrn dienen, ihn schützen. Er wappnete sich.
    Am Ende ging es noch schneller, als er erwartet hatte.
    “Herr…!“, rief er noch, doch weiter kam er nicht: Farlans Schwert - das Schwert, das Farlan gehört hatte - zuckte vor, stieß seine eigene Klinge beiseite, und ehe er auch nur einen Muskel rühren konnte, spürte Regar bereits einen Schmerz in der Brust.
    “Dein Herr kann Dir nicht mehr helfen”, sagte die Gestalt, und plötzlich lag Regar auf dem Boden. Er spürte warme Nässe an der Wange.
    “Was für eine Schlamperei”, hörte er die Gestalt noch sagen, mit leichtem Ärger in der Stimme, “Du hättest sofort tot sein müssen. Nun, sieh es mir bitte nach. Ich benutze diese Dinger nicht allzu oft.”
    Er hörte ein Scheppern, derweil sein Blick sich trübte.
    Das letzte, woran er dachte, war sein Herr: Graf Alois würde gewiss sehr, sehr böse sein, wenn er hiervon erfuhr.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (13.08.2013 um 21:26 Uhr) Grund: Korrektur 17:35

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    Konfrontation


    Als Tristifer auf den Gang hinausgetreten war, war dieser leer gewesen, und die sonst so hartnäckig an seinen Hacken klebenden Aufpasser des Grafen seltsamerweise verschwunden.
    Nun, umso besser. Dies hatte ihm die Gelegenheit verschafft, unbehelligt das Gesinde aufzusuchen und Anweisung zu erteilen, dass sich alle im Wohnsaal des Grafen versammeln sollten. Dies würde die Sicherheit aller besser gewährleisten.
    Lediglich zwei Männer aus der Eskorte hatte Tristifer mit sich genommen: Ole und Frode, die beiden Krieger aus Nordmar. Alle drei waren sie nun auf dem Weg in die Gewölbe, in denen Tristifer in der Nacht vom Verwalter überrascht worden war. Tristifer war sicher, dass er den Grafen dort finden würde, tief unter der Erde. Hieß es nicht, dass Vampire in Särgen übertagten? Und Särge fand man gewöhnlich in Krypten oder Grüften unter der Erde.
    Nun, Voraussetzung war natürlich, dass es sich beim Grafen auch wirklich um einen Vampir handelte.
    Die Recken wollten gerade in einen Korridor einbiegen, als jemand im Durchgang erschien und diesen blockierte.
    Der Verwalter.
    “Was wünschen die Herrschaften?”, fragte dieser mit seiner leisen, emotionslosen Stimme.
    “Wir wünschen den Grafen zu sprechen. Und zwar unverzüglich. Sonst…” Tristifer legte die Hand an den Schwertgriff.
    Der Verwalter verzog keine Miene. “Wo wolltet Ihr denn nach ihm sehen?”, fragte er ruhig, “im Keller etwa? Ich sage es noch einmal: Seine Lordschaft ist…” “Beschäftigt, ja. Natürlich ist er das. Interessiert mich aber nicht. Im Namen Innos‘, des Königs und der heiligen Kirche: Führt uns zum Grafen!”
    Der Verwalter lächelte verächtlich und machte eine leichte Verbeugung, die ebenso viel Verachtung ausdrückte wie das Lächeln. “Wenn Ihr denn darauf besteht. Es geht hier entlang.”
    Der Verwalter ging an Tristifer und seinen Männern vorbei und führte sie in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.

    Das Zimmer, zu welchem sie geführt wurden, war letztlich in einem der oberen Stockwerke ganz in der Nähe des Wohnsaales. Der Verwalter gebot ihnen, draußen zu warten, klopfte an und trat ein. Kurze Zeit später kam er wieder heraus und beschied den beiden Nordmarern, draußen zu warten. Einzig Tristifer werde Einlass gewährt.
    Nun, wenn es denn so sein sollte, würde er diesen Grafen eben alleine stellen. “Wartet hier und passt auf, dass diese Ratte hier sich nicht von der Stelle rührt!”, befahl er, und trat ein.
    Im Innern waren die Vorhänge zugezogen, so dass nur gedämpftes Licht von außen in das Gemach fiel. Es war größer und etwas komfortabler eingerichtet, als die Gästezimmer, welche Tristifer bisher gesehen hatte. Auf dem Boden lagen Teppiche aus Varant, die Wände waren getäfelt und sauber, das Bett prächtig und in gutem Zustand. Auf der anderen Seite, von den Gardinen verhängt, war eine Fensterfront mit Glastür zu einem ausladenden, überdachten Balkon. Der Graf selbst saß in einem Ohrensessel vor dem Kamin, trug einen Morgenmantel und Pantoffeln.
    “Harrick teilte mir mit, dass man mich unbedingt sprechen müsse?”, fragte der Graf mit brüchiger Stimme.
    Tristifer antwortete nicht, sondern durchmaß das Zimmer mit forschem Schritt und riss die Gardinen zurück. Weißes Tageslicht fiel in das Zimmer hinein, die direkte Sonneneinstrahlung jedoch wurde vom säulengestützten Dach des Balkons abgehalten. Tristifer stieß die Flügel der Glastür auf, worauf sich die Gardinen im hereinwehenden Wind blähten, und trat auf den Balkon. Von hier aus hatte man Blick auf die Schlucht am Fuße des Bergs, auf dem die Burg errichtet worden war. Die Dämmerung war bereits angebrochen, und die Sonne stand kurz davor, die Bergspitzen im Westen zu berühren.
    Tristifer drehte sich zum Grafen um.
    “Warum kommt Ihr denn nicht nach draußen, Mylord?”, fragte er, “das Wetter ist schön und ihr könntet das letzte Sonnenlicht dieses Tages genießen.”
    Gespannt wartete er auf die Reaktion des Grafen, der die Stirn in Runzeln gelegt hatte und rasselnd ein- und ausatmete.
    Schließlich erhob sich der Graf, schwer auf die Lehnen seines Sessels gestützt. Die Pantoffeln schabten über den Boden, als der Graf sich schlurfend in Bewegung setzte.
    Schon hatte er den Durchgang zum Balkon erreicht. Die Zehenspitzen berührten bereits dessen sonnengetränkte Fliesen. Ein Schritt noch, und…
    Der Graf trat ins Sonnenlicht. Weder krümmte er sich zusammen, noch begann er zu qualmen oder gar zu brennen. Gelassen legte er die kurze Strecke bis zum Geländer zurück, an dem Tristifer stand, und schaute in Richtung Sonnenuntergang.
    “Fürwahr, Sir. Ein schöner Anblick. Darf ich nun fragen, weshalb Ihr mich belästigt?” Der Graf sprach sanft und leise und in seiner Stimme schwang eine unendliche Müdigkeit mit.
    In diesem Augenblick erkannte Tristifer, dass er sich geirrt hatte. Der Graf war kein Vampir. Er hatte kein Monster in Menschengestalt vor sich, sondern nur einen traurigen, einsamen, alten Mann, der wusste, dass sein Leben bald enden, und dass mit ihm ein tausend Jahre altes Erbe untergehen würde. Tristifer empfand nur noch Mitleid mit Lord Alois Graf von Sulden, dem letzten der Suldens.
    Und er empfand Scham.
    Tristifer beugte vor dem alten Lord das Knie und senkte demütig den Kopf. “Verzeiht mir, Mylord”, sagte er, “ich habe mich geirrt. Bitte… verzeiht mir die Störung.”
    Der Graf reagierte nicht sofort, sondern blinzelte weiter in die sich herabsenkende Sonne, seufzte schwer. Dann schließlich blickte er auf Tristifer herab und legte eine Hand auf seinen Kopf. Tristifer spürte die spitzen, langen Fingernägel auf der Kopfhaut. “Erhebt Euch, Sir. Ich bin kein König, vor dem zu Knien sich eines Ritters geziemt.”
    Tristifer erhob sich wieder.
    “Wenn denn also wirklich nichts wäre, so lasst mich jetzt bitte allein”, sagte Alois, “ich bin müde.”
    Tristifer verbeugte sich noch einmal und verließ schleunigst des Grafen Gemach.

    Graf Alois hörte, wie die Tür zu seinem Gemach hinter dem Ritter ins Schloss fiel. Versonnen blickte er in den Sonnenuntergang. Der Wind zerrte an seinem Gewand und an seinen Haaren, ließ die langen, weißen Strähnen wie Bänder flattern. Keine Regung ging durch seinen Körper, kein Zittern oder Frösteln angesichts des Windes, nicht einmal ein Blinzeln der Augen.
    “Gewöhnliche Untote vergehen ja auch nicht im Sonnenlicht. Warum sollten Vampire da eine Ausnahme machen?”, hörte Alois eine Stimme hinter sich und fuhr herum.
    Sie stand im Schatten zwischen den Säulen. Das Kleid, das sie trug, war hinreißend und auf subtile Weise aufreizend geschnitten. Lächelnd trat auch sie nun ins Sonnenlicht. Ihre Haare wurden vom Wind erfasst, eine dunkle Lockenpracht, die sich im Winde blähte.
    Doch wie war sie hier hergekommen?
    Lady Alzhara trat an Alois’ Seite und legte die Hände auf die Brüstung. Gelassen stand sie da und Alois vermochte keinerlei Anspannung zu erkennen. Konnte es sein, dass auch sie… doch nein! Sie atmete ruhig ein und aus und er spürte die Wärme, die von ihr ausging. Wer auch immer sie war: Sie war lebendig, wunderschön und begehrenswert.
    “Es ist schade, nicht wahr?”, sagte sie nachdenklich, “wo doch der Aberglaube so hübsch ist. Die Realität aber hat offenbar keinen Sinn für Romantik, keinen Sinn für die Tragik eines zu ewigem Leben verfluchten, edlen Geschöpfes und seiner tragischen Sehnsucht, die Sonne erneut erblicken zu dürfen. So viele junge Damen wären so bitter enttäuscht!”
    Alois wandte sich ebenfalls wieder der Sonne zu. Nun standen sie Seite an Seite an der Brüstung, und Alois fühlte das Leben, das von Alzhara ausging… nach dem es ihn so sehr gelüstete.
    “Oh, es steckt durchaus ein Funken Wahrheit in diesen Geschichten”, sagte Alois leise, und diesmal war seine Stimme kein brüchiges Krächzen, sondern voll und wohlklingend.
    “Ich weiß”, entgegnete Alzhara gelangweilt, “das Sonnenlicht vernichtet Euch zwar nicht, doch schwächt es Eure Kräfte.”
    Alois lachte leise. Diese Dame kannte sich in der Tat gut aus. Er malte sich den Geschmack ihres Blutes auf der Zunge aus. “Seid Ihr eine Art Jägerin?”, fragte er.
    Alzhara lachte vergnügt, laut schallend. “Jägerin?”, prustete sie, “wieso in Dreigötternamen sollte ich meine Zeit damit vergeuden, Vampire zu jagen? Aber ja, wenn Ihr so wollt: Ich bin tatsächlich eine Jägerin. Allgemein gesprochen. Aber letztlich versteht Ihr das ohnehin nicht. Sonderbar übrigens, wie vorhersehbar diese Unterhaltungen sind. ‘Seid Ihr eine Jägerin?’”, Alzhara äffte seine Stimme nach, “ist das so eine Obsession bei Euch Vampiren, immer danach zu fragen?”
    Alois schielte zu der jungen Frau hinüber, die ihn von der Seite her ansah. Ihre dunklen Augen glänzten vor Schalk. Es ärgerte ihn, dass sie wusste, was er war, und doch keinerlei Furcht zeigte. Entweder sie besaß irgendein Geheimnis, das ihr diese Sicherheit gab, oder sie war schlicht dumm. Ob sie wohl über Zauberkräfte verfügte?
    “Wie dem auch sei. Ich bezog mich vorhin nicht auf das Sonnenlicht”, sagte er. “Man sollte es eher als eine Metapher betrachten: Wir sind tatsächlich jene tragischen, zur Unsterblichkeit verdammten Geschöpfe mit unstillbarer Sehnsucht. Nur…”
    Alzhara schnaubte verächtlich: “Wie erbärmlich! Und erneut: So vorhersehbar! Jaja, ‘nur richtet sich diese Sehnsucht nicht auf den Anblick des Sonnenlichtes, sondern auf etwas anderes. Es ist das Leben selbst, wonach wir uns sehnen. Blablabla.' Wollt Ihr wirklich die Tragik literarischer Vampirfiguren auf die animalische Gier nach Blut herunter brechen? Damit mögt ihr vielleicht halbstarke Knappen überzeugen, die es nach einfachen Geschichten von Monstern und Helden gelüstet. Mehr aber nicht.”
    Diese Respektlosigkeit gefiel Alois nicht. Und doch erregte sie ihn zugleich. Mit dieser hier würde er spielen, bevor er das Leben aus ihr heraussaugen würde.
    Doch zuvor musste er eines in Erfahrung bringen.
    “Seit wann genau wisst Ihr, was ich bin? Und woher?” “Och, was soll denn die Frage? So schwer war das ja nun wirklich nicht rauszufinden. Selbst Tristifer ist alleine darauf gekommen. Aber wenn Ihr es unbedingt genau wissen wollt: Ich hatte gleich so meinen Verdacht, dass hier etwas nicht stimmt. Der elendige, modrige Geruch von Tod liegt hier in der Luft, wisst Ihr? Aber sicher war ich, als Euer Harrick diesen dummen Fehler gemacht hat. Schon komisch, dass sonst niemand ihn bemerkt hat.” “Fehler?” Wovon sprach sie da? Würde er Harrick bestrafen müssen, wenn er mit ihr fertig war?
    “Harrick hat die Wolkenbergs namentlich angesprochen, als er ihnen ihr Zimmer zugewiesen hat.” Alois verstand nicht. Alzhara verdrehte die Augen, als habe sie es mit einem dummen und begriffsstutzigen Kind zu tun. “Er war nicht zugegen, als Ambrose uns vorgestellt hat. Also konnte er auch unsere Namen nicht kennen, es sei denn, man hätte ihm diese auf magischem Wege mitgeteilt. Da bleiben nicht allzu viele Geschöpfe übrig. Ihr konntet also nur noch ein Magier sein, ein Vampir oder eine Hand voll anderer Wesen, von denen ich aus anderen Gründen mit Sicherheit ausschließen konnte, dass Ihr es seid. Gewissheit über Eure Natur brachte mir dann das arme Pferd. Wirklich: Es so schändlich auszunutzen war schrecklich gemein. Was für eine Verschwendung! Aber es war in seinem Wahnsinn leider nicht mehr zu retten. Die arme Marla habt Ihr wohl auf dieselbe Weise in den Tod gelockt, wie Ihr es mit Morten vorhattet?”
    Alois war baff. Diese Alzhara zeigte in der Tat eine erstaunliche Auffassungsgabe. Doch verstand sie nicht die Gefahr, in der sie schwebte?
    “Nun, da Ihr meine Natur aufgedeckt habt, was sollte mich daran hindern, Euch unverzüglich zu töten?”, fragte er mit leiser, sanfter Stimme.
    Alzhara kicherte. “Mich töten? Mit DEN dürren Ärmchen?”
    Alois lächelte überheblich. Dieses Lächeln war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, es hatte ihm ein Leben lang gute Dienste geleistet, Untergebene, Verhandlungspartner und Feinde gleichermaßen verunsichert. Es würde ihm noch viele Jahrhunderte lang weiter dienen.
    Er konzentrierte sich kurz, ließ seine besonderen Kräfte wirken, und seine Gestalt verschwamm, die Haare änderten die Farbe und wurden voller, die Falten im Gesicht glätteten sich, die Wangen füllten sich, Altersflecken verschwanden.
    Alois hätte erwartet, dass diese Verwandlung die junge Lady beeindrucken würde. Die aber zuckte nicht einmal mit der Wimper. Er wusste, dass er nun eine stattliche, schöne und für junge Frauen anregende Gestalt hatte. Normalerweise funktionierte das. Aber irgendetwas war hier anders.
    Alois beherrschte sich, um seinen Ärger nicht zu zeigen. Er würde seine Contenance nicht im Angesicht eines Kindes verlieren. Zumindest nicht bis zu dem Augenblick, wo das Spiel aufhören und er über sie herfallen würde. Doch musste er vorsichtig sein. Es hatte mehr mit dieser Dame auf sich, als auf den ersten Blick ersichtlich war.
    “Äußerlichkeiten sind so unendlich nichtssagend”, erklärte er geheimnisvoll lächelnd. Alzhara lächelte ebenfalls, wissend und überheblich. “Allerdings. Haben wir vielleicht noch irgendwelche anderen Plattitüden auf Lager?”
    Seine Wut steigerte sich.
    Alois trat näher an sie heran. Ihr Geruch stieg ihm in die Nase: Sie hatte heute Sport gemacht und gebadet, Seife und Duftstoffe benutzt. Alois vermochte den Geruch von Mandel und Vanille zu erkennen. Nicht, dass ihn dies besonders reizte. Er stand über solchen Dingen. Der Geruch ihres Körpers selbst aber, ihres lebendigen Leibes, berauschte ihn.
    Und da war noch etwas. Alois vermeinte, etwas ihm unbekanntes zu wittern, eine völlig fremde und unbekannte Note. Er spürte etwas an dieser Frau, das ihn gar zweifeln ließ, ob sie gänzlich menschlich sei. Was mochte es sein? War sie von den Göttern berührt? Er kannte den Gestank der Götter aus deren Tempeln! War es bloße Magie? Er kannte auch den Gestank der Magier. Es war also mehr als das. Etwas, das seine Gier noch weiter anfachte - und ihn zugleich ängstigte.
    Alois trat so nahe an Alzhara heran, dass sie steil zu ihm aufblicken musste. Mit den Fingerspitzen berührte er ihre Wange.
    “Fürchtest Du nicht, ich könne Dir den Hals aufreißen?”, fragte er, “meine Zähne hineinschlagen?”
    “Auch wenn Du die Drohung noch so sehr ausmalst, wird sie doch nicht beeindruckender. Aber Du kannst es ja versuchen, wenn Du magst”, antwortete sie.
    Alois Hand schoss vor, sich um ihren hübschen, kleinen Hals zu legen, und… wurde in der Bewegung gestoppt. Er spürte den festen Griff ihrer Finger. Alois war verblüfft, von ihrer Reaktionsschnelligkeit ebenso wie von ihrer Stärke. Er legte etwas mehr Kraft darin, die Bewegung zu vollenden, doch sie hielt dagegen. Plötzlich spürte er einen Schlag gegen die Brust und taumelte zurück.
    “Du bist schnell”, fauchte er, “und stark! Aber letztlich bist Du doch nur eine Sterbliche.”
    Alzhara lächelte nachsichtig. “Sterblich, gewiss. Seltsamerweise klingt dies aus Deinem Munde wie eine Beleidigung. Bist Du so töricht, die Macht jenes größten aller Geschenke - des Lebens! - so kläglich zu unterschätzen? Achja, ich vergaß! Das ist ja schlicht und ergreifend typisch für Deinesgleichen: Die größte Stärke eines jeden Lebewesens deutet Ihr als Schwäche.”
    Er lachte hämisch. Ihre Worte amüsierten ihn. Was wussten Sterbliche schon von Stärke, diese belanglosen Kreaturen, die ihm nichts als Beute waren und so schnell vergingen?
    Wie ein Raubtier sein Opfer umkreiste er Alzhara, bis er zwischen ihr und dem Ausgang stand. Nun blickte er genau in die Sonne, die bereits tief stand und bald schon hinter den Bergen versunken sein würde. Er ging einige Schritte rückwärts, bis sein Gesicht in den Schatten der Überdachung tauchte.
    “Was ist los?”, fragte sie, “Angst vor der Sonne? Keine Sorge, bald schon ist sie verschwunden. Dann kannst Du mich mit voller Kraft angreifen. Das ist es doch, was Du willst, nicht wahr? Ihr seid einfach zu berechenbar. Hast Du eine Ahnung, wie oft ich diese Unterhaltung bereits geführt habe? Nein?” Sie seufzte schwer, “selbst Eure Versuche, geheimnisvoll und erhaben zu wirken, sind sich gleich. Nun, was soll’s, wenn die Sonne endlich weg ist, können wir es hinter uns bringen.”
    Der Zorn kochte in Alois hoch. Was erlaubte sich dieses elende Balg? Seine Miene verzog sich zu einer bösen Grimasse, die spitze Eckzähne zeigte. “Vorher werde ich mich Deiner Gefährten annehmen, Kind!”
    Alzhara lachte. “Oh, wirklich? Ich gehe davon aus, dass Du jetzt gleich auf telepathischem Wege Deine Diener alarmieren willst? Bedaure, die habe ich vorhin schon getötet.”
    Alois sendete seinen Geist aus, den seiner Diener zu berühren. Doch fand er nichts als Leere. Einzig Harrick schien noch lebendig zu sein “Was hast Du getan? Du WAGST es?”
    Sie kicherte vergnügt. “Ich habe das getan, was Dich am meisten ärgern würde, nicht mehr und nicht weniger. Es war ja klar, dass es zum Kampf kommen würde. Ihr Vampire wollt immer kämpfen, Dummerchen die Ihr seid. Aber gräme Dich nicht! Deine Sklaven waren bis zum Ende tapfer. Treudoof, aber eben tapfer. Schon komisch, was so ein kleiner Tropfen Vampirblut nicht alles bewirken kann, hm?”
    Alois hatte nach und nach den Spaß an diesem Spiel verloren. Aus irgendeinem Grunde konnte ihm diese Sterbliche immer einen Schritt voraus sein. An Scharfsinn und Rhetorik mochte sie überlegen sein, aber ob sie im Kampf ebenfalls bestehen könnte?
    “Was, wenn ich nicht warten will, bis es dunkel ist?”, fragte er, “was, wenn ich Dich JETZT angreifen will?”
    Sie zuckte mit den Schultern: “Dann werde ich Dich wohl mit bloßen Händen aufhalten können, Schätzelein. Zumindest noch für…” sie blickte sich um, maß den Stand der Sonne, “…fünf Minuten oder so.”
    Alois wollte keine fünf Minuten warten.
    “Sonne hin oder her, Du wirst mich keine fünf Sekunden aufhalten!”, zischte er und stürmte los.
    Sie reagierte so schnell, wie er erwartet hatte, parierte seinen Schlag, indem sie erneut sein Handgelenk griff und ihm nahezu beiläufig den Arm brach.
    “Jetzt habe ich Dich”, triumphierte er, und ließ sich über das Geländer fallen.
    Die Welt um ihn herum drehte sich. Noch immer hielt Alzhara sein Handgelenk umklammert, und während sie beide immer schneller auf den Boden der Schlucht zurasten, sah Alois das erste Mal an diesem Abend Verwunderung in Alzharas Gesichtsausdruck.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:22 Uhr) Grund: Korrektur 17:38

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    Während sie beide immer schneller auf den Boden der Schlucht zurasten, sah Alois das erste mal an diesem Abend Verwunderung in Alzharas Gesichtsausdruck. Doch dieser Augenblick währte nicht lange. An die Stelle von Verblüffung trat ein feuriges Funkeln in Alzharas Augen, als seien diese das Fenster zu einem lodernden Inferno, und plötzlich spürte Alois eine sengende Hitze von Alzharas Leib ausgehen. Sie ließ seinen Arm los und stieß sich von ihm ab.
    Warum ängstigte sie sich nicht? Verstand sie nicht, dass sie sterben würde?
    Alois beobachtete, wie eine Veränderung durch Alzharas Körper ging. Ihr Leib verformte sich, wuchs, Klauen traten an die Stelle von Händen, rote Schuppen an die Stelle von Haut, und als ihr Kleid, dieses schöne Kleid aus teuerster Seide, riss, entfalteten sich ledrige Flügel, die Alzharas Fall bremsten, so dass sie hinter Alois zurückblieb. Und doch füllte ihr wachsender Körper sein Blickfeld immer weiter aus. Schließlich stieß sie ein markerschütterndes Gebrüll aus, und Feuer und Rauch schossen aus ihrem Maul.
    “Ein Drache?”, dachte er. Entsetzen überkam ihn.
    Dann spürte er einen Aufprall.

    Alzhara fühlte den Wind unter ihren Schwingen und genoss das berauschende Gefühl, zu fliegen. Sie korrigierte die Flugbahn, wich geschickt vor den Hängen aus, welche die Schlucht bildeten, und ließ sich langsam gen Boden gleiten. Wahrlich: Es war zu lange her, seit sie das letzte Mal geflogen war! Am Ende hatte dieser mickrige Vampir sich doch noch als Überraschung erwiesen. Und nicht nur das: Er hatte ihr wahre Freude bereitet!
    Alzhara landete auf einer Lichtung in dem Gehölz am Grunde der Schlucht und entwurzelte beiläufig mit peitschendem Schwanz einige Bäume. Es bereitete ihr Vergnügen, die mächtigen Stämme durch die Luft trudeln zu sehen.
    Alzhara gab ihrer Freude durch einen weiteren Schrei Ausdruck, bevor sie die Rückverwandlung ihres Körpers begann. Ihr Leib schrumpfte wieder zusammen und bald schon spürte sie den Wind über nackte Haut streichen, fühlte den schlammigen, vom Regen noch feuchten Grund unter ihren Zehen… all jene Eindrücke eines Menschenleibes. Drachen hatten hervorragende Augen, Nasen und Ohren, doch an haptischen Empfindungen reichten sie nicht an die Menschen heran.
    Sie setzte sich in Bewegung, auf den Punkt zu, an dem Alois aufgeschlagen war. Hier unten, in der Schlucht, war es bereits Nacht, die Sonne war hier bereits vollständig durch die Berghänge verdeckt und so lag alles in schattigem Zwielicht. Ein Blick nach oben zeigte ihr, dass nur noch die Spitze der Burg von einem schmaler werdenden Sonnenstrahl erleuchtet wurde. Ein letztes Aufblitzen der spitzen Dächer, und die Nacht senkte sich an diesem Abend endgültig über Burg Sulden.

    Alois hatte sich etwa zwanzig Zentimeter in den Boden gebohrt und offenbar alle Knochen gebrochen, die so ein Menschenleib aufwies. Doch es steckte Bewegung in diesem zerschundenen Körper. Alzhara erkannte, dass sich Alois’ Körper langsam wieder instand setzte. Er sah ihr entgegen und empfing sie mit einem röchelnden Lachen, das offensichtlich zeigen sollte, wie unbeeindruckt und souverän er auch in dieser Situation blieb. Doch klang es lediglich nervös und überspannt, ein kläglicher Versuch, sich selbst Mut zu machen.
    “Ein Drache”, röchelte Alois und richtete sich mühsam auf, “was für eine ungeheuerliche Überraschung! Und was für ein seltenes Geschenk. Ich frage mich, welche Wirkung es wohl auf mich haben wird, wenn ich Drachenblut trinke? Welche Kräfte es mir geben wird?” Dieser dämliche Vampir bedachte Alzhara mit einem recht infantilen Grinsen, das ihr wohl Angst einjagen sollte, und eine animalische Gier trat in seine Augen. Sie war über so viel Dummheit ehrlich verblüfft. “Du willst mich IMMER NOCH bekämpfen?”, fragte sie und beschrieb mit ihrer Hand eine kreisende Bewegung.
    “Kämpfen? Ich werde Dich in Stücke reißen!”, knurrte Alois.
    Alzhara schüttelte ungläubig den Kopf und trat einige Schritte zur Seite. “Ist Dir da vielleicht eine Kleinigkeit entgangen, hm? Halloho! Jemand zu Hause? ICH BIN EIN DRACHE! Eines dieser gigantischen, fliegenden Wesen mit Zähnen größer als Deine Beine. Soll ich es Dir buchstabieren? D-R-A-C-H-E, Drache. Hast Du jemals einen Drachen getroffen? Nein? Hast Du eine Ahnung, wie mächtig wir sind? Ich fresse Urviecher zum Frühstück und verputze einen Schattenläufer als Einlage für Zwischendurch.“
    “Ich bin ein unsterbliches Geschöpf”, zischte Alois, “und gebiete über Kräfte jenseits Deiner Vorstellung, sterbliches Wesen!” Uh, das hätte Alzhara beinahe zum Zittern gebracht - vor Lachen über so viel Torheit.
    Lag es an ihr, oder waren alle Vampire hirnlose Dummköpfe?
    Es handelte sich ja nun nicht um das erste Mal, dass Alzhara von einem Vampir angegriffen wurde. Die konnten sich in der Tat kaum bezähmen, wenn sie sie in ihrer menschlichen Gestalt trafen. Es schien, als ginge etwas von ihr aus, dass Vampire reizte und unwiderstehlich für sie war. In der Vergangenheit hatten einige Exemplare Alzhara auch dann noch weiter bekämpft, als eigentlich abzusehen war, dass sie verlieren würden. Doch noch keiner von ihnen hatte sie in ihrer wahren Gestalt gesehen, wie Alois vorhin. Und doch, obwohl er sich ihrer Natur bewusst war, gedachte er nicht, aufzugeben.
    “Jaja, natürlich”, seufzte sie, “außerdem hältst Du jeden Abend ein Pläuschchen mit Beliar persönlich und kannst ’Alle meine Lurker’ mit verbundenen Augen singen.”
    Der Vampir gab bloß ein Fauchen von sich, das Alzhara recht lachhaft und kläglich vorkam. Menschliche Leiber waren für artikulierte Konversation geschaffen, nicht aber für animalische Drohlaute. Das Äquivalent, das sie in ihrer wahren Gestalt von sich geben konnte, hätte einen schwarzen Troll in die Flucht geschlagen - zumindest die intelligenteren Vertreter.
    Alois ging leicht in die Hocke, machte sich zum Angriff bereit. “Ich würde das lassen”, sagte sie, doch zu spät: Alois Füße bohrten sich in die Erde, als er sich kraftvoll abdrückte und voranstürmte.
    Sie musste zugeben, dass sie diesem Angriff in ihrer menschlichen Gestalt mit bloß physischen Mitteln nicht hätte beikommen können, weder in Schnelligkeit noch Körperkraft. Die Abwesenheit der Sonne zeitigte eben doch ihre Wirkung.
    Glücklicherweise aber standen Alzhara nicht nur physische Mittel zu Gebote, und der elende Tropf hatte nicht bemerkt, dass sie ein magisches Abbild von sich geschaffen hatte, zu dem er die ganze Zeit gesprochen hatte.
    Anstatt sie also umzureißen und seine Zähne in ihren Hals zu rammen, drang er durch das Abbild und wurde vom eigenen Schwung fortgerissen und zu Fall gebracht, so dass er der Länge nach in den Schlamm fiel. Das sah so komisch aus, dass Alzhara ein Kichern nicht verhindern konnte. Ein Fingerschnippen ließ die Illusion verschwinden, und die echte Alzhara tauchte auf der Lichtung wieder auf und hielt sich lachend die Hand vor den Mund.
    “Superber Angriff!”, lobte sie.
    Als Alois wieder auf die Beine kam, glänzte blanker Wahnsinn in seinen Augen. Ohne Zögern griff er ein weiteres Mal an. Eine wegwerfende Handbewegung, als verscheuche man eine Fliege, und Alois heranpreschender Körper wurde zur Seite gerissen, prallte gegen einen Baum, der darob in leichte Schieflage geriet, und kam schließlich unsanft auf dem Boden auf.
    “Mächtig bist Du!”, knurrte er, während er sich aufrappelte, “aber glaubst Du wirklich, dass Du mich so besiegen könntest? Ich könnte dies die ganze Nacht über fortsetzen, ohne dass mir irgendein Schaden entstünde. Wie lange hältst Du dies wohl durch?”
    “Lange genug.”
    “Lange genug wozu? Erkenne endlich die Aussichtslosigkeit Deines Kampfes! Ich bin UNSTERBLICH!”
    Alzhara war außerstande, dieses Ausmaß an Begriffsstutzigkeit zu erfassen.
    “Ich werde ganz sicher nicht die ganze Nacht mit Dir kämpfen”, meinte sie.
    “So, und wie gedenkst Du mich zu töten? So oft Du mir auch die Knochen brechen magst, kurze Zeit später bin ich wieder geheilt.”
    In einer Geste der Verzweiflung nahm sie die Hand vor das Gesicht und schüttelte den Kopf.
    “Also gut”, sagte sie, langsam und deutlich, in einem Ton, als erkläre sie einem Kind einen komplizierten Sachverhalt, “ich bin ein roter Drache. Ein Geschöpf, das nicht nur unglaublich intelligent, schön, stark, erhaben und über die Maßen anbetungswürdig ist, sondern vor allen Dingen FEUER spucken kann. Du bist ein Vampir. Ein Geschöpf, welches durch Feuer vernichtet werden kann. Wenn wir nun also die gegebenen Prämissen mithilfe eines praktischen Syllogismus auswerten, zu welchem Ergebnis kommen wir dann? Hm?”
    Gespannt wartete Alzhara auf eine Antwort.
    “In Deiner Drachengestalt hättest Du natürlich recht. Aber Du hast Dich törichterweise entschlossen, mir als Mensch entgegenzutreten.”
    Alzhara verdrehte die Augen. “Nun… Du verstehst nicht sonderlich viel von Physik, oder? Oder von Biologie? Siehst Du, mit den Fähigkeiten der Drachen ist das so eine Sache. Natürlich speien wir Feuer aus dem Maul. Aber weißt Du: Die hierfür nötigen, alchemischen Vorgänge würden die Funktion jedes lebendigen Organismus erheblich beeinträchtigen. Oder nehmen wir das Fliegen: Glaubst Du ernsthaft, dass unsere verhältnismäßig kleinen Flügel ausreichen könnten, so große und schwere Leiber in der Luft zu halten? Ich will ja nicht abstreiten, dass unsere Flügel tatsächlich eine kleine Rolle spielen. Im Wesentlichen aber fliegen wir mit Magie. Und rate mal, wie es mit dem Feuer aussieht!”
    Alzhara spreizte die Finger ihrer Rechten, bis die Spitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger ein Dreieck bildeten, in dessen Mitte eine Feuerkugel entstand.
    “Wir Drachen sind die Hüter der Elemente. Ich brauche keine Drachengestalt, um Dich mit Feuer zu vernichten. Ich trage das Feuer in meiner Seele.”
    Alois zischte und griff erneut an. Diesmal hatte Alzhara endgültig genug, und die Feuerkugel raste auf den Angreifer zu. Der wich zur Seite aus und wollte weiter voranstürmen, doch mit einer Bewegung beider Hände ließ Alzhara eine Flammenwand zwischen sich und Alois entstehen. Als dieser von seinem Schwung vorwärts getragen die Flammenwand passiert hatte, brannte er Lichterloh und kreischte vor Pein.
    Alois warf sich auf den Boden und versuchte, das Feuer zu ersticken, das seine Kleidung und Haare verzehrte, seine Haut schwärzte und sein Fleisch Blasen schlagen ließ. Oh, welch herrliche Zuckungen, welch wunderbares, schmerzerfülltes Kreischen!
    Alzharas Mundwinkel zuckten nach oben.
    Doch letztlich war dies kein lebendiges Wesen. Der Geruch war falsch, nicht der herrliche Duft bratender Beute, sondern schimmlig und Übelkeit erregend. Es handelte sich eben doch nur um einen Vampir, ein unnatürliches, widerwärtiges Geschöpf, und Alzharas Lächeln verzerrte sich zu einer Grimasse der Abscheu.
    Sie war es leid.
    Ein weiterer Feuerball schoss aus ihrer Hand und traf den sich krümmenden, kreischenden Leib des Vampirs, der zurückgeschleudert wurde und endlich verstummte. Nur noch leichte, abebbende Zuckungen zeugten davon, dass es sich einst um etwas Lebendiges gehandelt hatte. Die Flammen vollendeten ihr Werk und verwandelten Alois von Suldens Leib in Asche, die in sich zusammenfiel und in einem leichten Luftzug verwehte.

    Das Feuer von Alzharas Flammenwand war heruntergebrannt. Der Regen der vergangenen Tage hatte die Umgebung so sehr getränkt, dass es sich nicht ausbreiten konnte. Alzhara bedauerte es fast, war es doch zu lange her, seit sie zuletzt ein Flammenbad genommen hatte. Alois Sulden war endlich endgültig vernichtet, und es gab nichts weiter mehr zu tun.
    Doch plötzlich waberte ein weißer Nebel aus dem Boden der Lichtung empor und bündelte sich, verdichtete sich zu einer Gestalt. Einer Alzhara sehr wohl bekannten Gestalt.
    “DU?”, stieß sie verblüfft aus, als die Gestalt endlich vollständig vor ihr stand.
    Alzhara begann schallend zu lachen.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:25 Uhr) Grund: 16:59

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    Abendröte



    Alzharas Prusten und Lachen schallte über die Lichtung und ihr nackter Körper bebte und krümmte sich zusammen. Sie spürte, wie warme Tränen ihre Wangen herab liefen, und wischte diese mit den Fingerknöcheln weg, derweil sie die andere Hand auf den schmerzenden Bauch legte.
    “Was ist so komisch?”, fragte ihr Gegenüber.
    “Och, gar nichts”, kicherte Alzhara, “abgesehen davon, dass ich Dich doch glatt vergessen hatte.”
    Die andere runzelte verständnislos die Stirn.
    “Und was ist daran so lustig?” “Na, dass Du mir entgangen bist. Ich meine: ICH habe Dich vergessen, einfach nicht mehr an Dich gedacht.” Ratloses Schulterzucken. “Und?”
    “Ach, dass Euch solche Ironie auch immer entgeht! Ich jedenfalls finde es zum Schreien”, beschied Alzhara und hatte sich mittlerweile wieder im Griff.
    Sie musterte die andere.
    “Ich nehme an”, sagte sie, “dass Du hinter all dem hier steckst? Oder, wenn IHR mir verzeihen wollt, Hoheit: Dass IHR hinter all dem hier steckt, PRINZESSIN Isabella?” Alzhara unterdrückte ein weiteres Kichern.
    “Nun, zumindest handelte Alois nicht souverän, also ja. Übrigens ist ‘prinzliche Durchlaucht’ völlig hinreichend.”
    “Oh, da sind wir aber sehr bescheiden! Ein toller Trick übrigens, dieses Erscheinen aus dem Nichts. Verwandlung in und aus Nebel, ja?” “Mhm.” “Beeindruckend. Ich finde es ja toll, dass Ihr Vampire Eure Kleidung offenbar mitverwandelt.” “Oh ja, sehr praktisch. Ich habe übrigens selbst keine Ahnung, wie das funktioniert. Ich mache es einfach. Ihr Drachen scheint es da ja nicht ganz so gut zu haben. Damit hätte ich übrigens beim besten Willen nicht gerechnet. Es war ja durchaus von Anfang an offensichtlich, dass es eine besondere Bewandtnis mit Euch haben würde, wenngleich ich eher eine Verbindung zu Innos und zur Feuermagie erwartet hätte, Lady Alzhara IGNIFERA. Aber ein leibhaftiger Drache? Da wäre es sogar noch untertrieben, zu sagen: Sowas trifft man nicht alle Tage!”
    “Nicht wahr?”, Alzhara grinste vergnügt, “gehe ich aber recht mit der Annahme, dass Du Dich für den bedauerlichen Tod Deines Untergebenen gleichwohl zu rächen gedenkst?”
    Isabella zuckte lässig mit den Schultern. “Natürlich. Ich kann es doch nicht hinnehmen, dass meine Kinder einfach so von einem räudigen Miststück von Drachenhure ermordet werden! Wie stünde ich da, wenn sich herumspräche, dass ich die meinen nicht zu schützen weiß?”
    Alzhara erhob mahnend den Zeigefinger und schnalzte missbilligend mit der Zunge: “Nanana, das sind aber sehr unfeine Umgangsformen für eine Prinzessin! Außerdem war er es ja wohl selbst Schuld. Immerhin hatte ich ihn gewarnt.”
    “Ja, ich muss gestehen: Alois war nicht gerade das klügste meiner Kinder. Ich werde in Zukunft wohl größere Sorgfalt bei der Auswahl an den Tag legen müssen. Man lernt eben doch nie aus. Nicht einmal nach achthundert Jahren.”
    Isabella lächelte überheblich. Offensichtlich empfand das junge Ding achthundert Jahre tatsächlich als eine lange Zeitspanne.
    “Meinst Du eigentlich nicht, dass Du aus dieser Sache noch etwas anderes gelernt haben solltest?”
    “Und das wäre?”
    Alzhara deutete auf das Häuflein Asche, das von Alois übrig geblieben war.
    “’Leg Dich nicht mit Alzhara an!’”
    Isabella lachte vergnügt. “Du solltest mich nicht mit diesem Welpen vergleichen! Ich besitze eine weitaus größere Macht als er. Mhm, ich schätze, Du könntest aber fliehen. Verwandle Dich, flieg davon, und ich könnte Dir kaum folgen.”
    Alzhara legte den Zeigefinger an die Unterlippe und tat so, als dächte sie angestrengt nach. “Lass mich mal überlegen… ähm… nein! Vielen Dank, aber ich bleibe. Nicht auszudenken, wenn sich herumspräche, dass ich vor einem Vampir Reißaus genommen hätte!”
    Ohne weiteres Zögern, schoss Alzhara einen Feuerball auf die einstige Prinzessin ab. Sie erwartete nicht, dass dieses Geschoss treffen könne. Sie erwartete vielmehr ein schnelles Ausweichen - nach rechts, stand doch auf der anderen Seite ein großer Baum. Und in der Tat: Isabella wich dorthin aus, wo Platz war. Genau in die Flammenwand, die Alzhara dort entstehen ließ.
    “Allzu einfach”, sagte Alzhara, doch Isabella verhielt sich anders als Alois. Weder kreischte sie auf, noch geriet sie in Panik. Ruhig trat sie aus den Flammen heraus. Ihr Kleid hatte Feuer gefangen und wurde von den Flammen verzehrt, ihre Haut schwärzte sich. In ihre Augen trat ein unheilvolles, rotes Leuchten, und sie verzog den Mund zu einem bedrohlichen Grinsen.
    “Nicht schlecht!”, knurrte sie, “doch wie gefällt Dir DAS?”
    Isabella legte den Kopf in den Nacken und reckte die Arme zum Himmel. Alzhara spürte eine Veränderung in der Luft, eisige Kälte, die von der Umgebung Besitz ergriff. Ein Blitz erleuchtete den Himmel, gefolgt von Donnergrollen und den ersten Tropfen eines heftiger werdenden Regenfalls. Die Flammen, die Alzhara herbeigezaubert hatte, waren bald erstickt und Isabellas Körper erholte sich rasch von den Verbrennungen.
    Alzhara erkannte, dass dieser Kampf weitaus schwieriger werden würde.
    Die nun beide nackten Frauen standen einander eine Weile gegenüber, umtost von Wind und prasselndem Regen. Eisige Schauer klirrender Kälte wurden von wabernden Hitzewellen beantwortet, die von Alzharas Leib ausgingen.
    Isabellas Angriff kam plötzlich. Ihre Gestalt verschwamm zu einem Schemen, und Alzhara hätte ihren magischen Schild beinahe nicht mehr rechtzeitig erschaffen können. Anstatt jedoch schmerzhaft gegen diesen zu prallen, bremste Isabella ihren Lauf und stieß sich geschickt von der unsichtbaren Barriere ab, so dass sie einige Meter zurückspringen und elegant auf den Füßen landen konnte.
    Alzhara hob verwundert die Brauen. Ihre Kontrahentin vermochte also magische Barrieren zu erspüren?
    Isabella zauderte nicht lang, sondern umkreiste Alzharas Schild. Im Vorbeilaufen nahm sie einige Kiesel auf, die sie auf Alzhara zufliegen ließ, sobald sie die Deckung umrundet hatte.
    Alzhara spürte einen heftigen Schmerz, als sich das Geschoss in ihre Schulter bohrte und ihr das Schultergelenk brach. Ein weiterer Stein traf sie an der Hüfte. Die Hand auf die Schulter gepresst ging sie in die Knie und hörte Isabellas hämisches Lachen.
    Mühsam zog Alzhara den Stein aus ihrer Schulter und erhob sich wieder. Sachte strich sie mit den Fingerspitzen über die Wunde, blaue Lichtfäden waberten um ihren Körper und heilten ihre Verletzungen.
    “Heilen kannst Du Dich also auch”, stellte Isabella fest, “allerdings wohl kaum beliebig oft, nehme ich an?”
    Alzhara antwortete mit einem Flammengeschoss.
    Das allerdings durchdrang Isabellas Körper wirkungslos.
    Eine Illusion! Alzharas Blick huschte über den Boden um die Stelle herum, an der sie Isabella geglaubt hatte. Keine zusätzlichen Fußspuren.
    “Wie schmeckt Dir Deine eigene Medizin?”, hallte eine Stimme über die Lichtung, die von überall und nirgends zu kommen schien, gefolgt von einem bösen Lachen.
    “Sich in Luft aufzulösen ist unfair!”, entgegnete Alzhara.
    Das Lachen wiederholte sich, und um Alzhara herum entstanden ein Dutzend Abbilder ihrer Gegnerin.
    “Na, kannst Du die Täuschungen von der echten unterscheiden?”, fragte es aus einem Dutzend identischer Münder.
    Alzhara feuerte einer der Isabellas vor die Füße. Schlamm spritzte nach allen Seiten, als das Geschoss sich in die Erde bohrte und explodierte.
    “Das war die Falsche!”
    “Die Illusion passt sich an”, stellte Alzhara fest, “und stellt auch frische Schlammspritzer dar. Aber bei allen Abbildern so, wie sie auf das Original treffen. Interessant. Der Rest, meine Liebe, ist einfache Mechanik.”
    Diesmal feuerte Alzhara auf die echte Isabella. Die wich aus und die Illusionen verschwanden.
    Isabella fauchte böse und ging erneut zum Angriff über. Diesmal versuchte sie nicht, Alzharas Verteidigung auszuweichen. Stattdessen warf sie die Hände nach vorne und durchstieß den Schild. Ein Lichtblitz zuckte über die Lichtung, als Alzharas Abwehr kollabierte. Die Vampirin riss sie zu Boden, gab ein gieriges, siegesgewisses Fauchen von sich, und senkte ihren Kopf zu Alzharas Hals herab. Alzhara spürte bereits die spitzen Zähne an ihrer Haut. Welch elendige, untragbare Situation, von einem Vampir in den Schlamm gedrückt zu werden! Gewaltiger Zorn erfasste sie.
    “So nicht”, zischte sie, und ließ die Lichtung explodieren.

    Als sich der Rauch verzogen hatte und die Flammen etwas heruntergebrannt waren, stand einer verkohlt am Boden liegenden Isabella die gewaltige Gestalt eines Drachen gegenüber. Die vom Himmel herab fallenden Regentropfen zischten leise, wenn sie auf Alzharas heißen Leib trafen und verdampften. Sie blickte mit zu Schlitzen verengten Echsenaugen auf das mickrige Wesen herunter, das sich trotz der schweren Verletzungen wieder aufrichtete und siegessicher lachte.
    “Mich wirst Du nicht vernichten können”, rief das Geschöpf und schoss auf Alzhara zu. Sie spürte einen heftigen Schmerz an der Pfote, wo die andere ihr eine Schuppe ausgerissen hatte, bevor sie als verschwommener Schemen zwischen den die Lichtung umgebenden Bäumen verschwand.
    Alzhara spürte eine erneute Bewegung, diesmal von der anderen Seite, doch auch diesmal war sie nicht schnell genug: Zorniges Gebrüll erfüllte die Schlucht und hallte von den Hängen wieder, als ihre Flanke aufgerissen wurde.
    Sie spie lodernde Flammen aus ihrem Maul. Alzhara drehte sich um sich selbst und verbrannte alles in ihrem Umfeld zu Schlacke. Langsam trat Isabella aus den Flammen heraus und zeichnete sich als schwarzer Schemen vor der gleißenden Lichtwand ab. Wie ein weißer Halbmond prangte ein Grinsen auf dem schwarz verbrannten Gesicht der Vampirin.
    Beim dritten Angriff war Alzhara vorbereitet: Mit einer schnellen Bewegung der Pfote schleuderte sie Isabella zur Seite. Dort wurde diese von einem mächtigen Flügelschlag empfangen, der sie wieder zurückprallen und durch die Luft trudeln ließ. Ein letzter Hieb mit der Pranke schmetterte Isabella zu Boden, der es nicht mehr gelang, sich rechtzeitig zu erheben: Schon bohrte sich Alzharas Klaue durch Isabellas Brust und nagelte diese am Boden fest.
    Die Vampirin wand sich.
    “Mhm”, dröhnte Alzharas mächtige Drachenstimme, “sollte es nicht etwas größere Wirkung zeitigen, wenn ich Deine Brust durchbohre?”
    Isabella gab ein krächzendes Lachen von sich, wobei sie einen Schwall Blut ausspuckte.
    “Einen jüngeren Vampir zu pfählen wird diesen lähmen”, antwortete sie, “töten könntest Du ihn nur durch Enthauptung oder durch Feuer. Bei MIR hingegen sieht dies anders aus. Ich habe die Grenzen des Körperlichen lange schon hinter mir gelassen.”
    Alzhara legte den Kopf schräg, schaute auf das kleine Wesen hinab.
    “Dann hast Du sicher nichts dagegen, wenn ich es mit Feuer versuche”, sagte sie.
    Das Feuer ergoss sich aus ihrem Maul auf die Gestalt am Boden, züngelte an Alzharas Pfote empor und breitete sich aus. Der lang anhaltende Feuerstrahl verstärkte sich, Steine schmolzen dahin, Sand verwandelte sich in Glas.
    Doch Isabella widerstand.
    Schließlich gab Alzhara es auf.
    Ihr Zorn beruhigte sich, wich einer sonderbaren Belustigung darüber, dass sie in diesem mickrigen Vampir ihre Meisterin gefunden hatte.
    “Erkennst Du nun die Aussichtslosigkeit Deines Kampfes?”, fragte Isabella, die sich von vorne schon wieder erholte, während ihre Rückseite in der glühenden Erde weiter briet.
    Alzhara überlegte kurz.
    “Du bist bereits geflogen, nicht wahr?”, fragte sie.
    “Aber ja. Als Fledermaus, als Rabe, als Nebelgestalt. Wieso?”
    Alzhara lachte dröhnend. “Weil Du heute höher fliegen wirst, als jemals zuvor!”
    Ihre Klauen bohrten sich tief in die Erde und umschlossen Isabellas Leib. Sie stieß sich vom Boden ab und gewann unter mächtigem Schwingenschlag schnell an Höhe.
    Isabella rief etwas, doch ihre Worte wurden vom Flugwind weggerissen. “Willst Du mich zu Tode stürzen?”, hallten Isabellas Gedanken in Alzharas Kopf, als die Vampirin es telepathisch versuchte.
    “Nein”, sendete Alzhara ihre Antwort an Isabellas Geist, “wusstest Du, dass der Morgrad rund ist?”
    Offenbar wusste Isabella mit dieser Information nichts anzufangen.
    Alzhara kümmerte sich nicht weiter darum. Es schien, als amüsiere sich ihre Gegnerin über ihre wirkungslosen Versuche, diese zu vernichten, und so hatte Isabella offenbar kein Interesse daran, sich zur Wehr zu setzen.
    “Genieße den Flug!”, riet Alzhara, und entfernte sich immer weiter von der Burg. Immer höher stieg sie, immer schneller flog sie dahin.
    Bald schon berührte sie die Wolkendecke, die von der Vampirin herbeigerufen worden war, sich aber nun, da diese keinerlei Interesse mehr an dem Unwetter hatte, ohne die vampirische Magie beinahe ebenso schnell wieder auflöste, wie sie entstanden war.
    Die Luft wurde dünner und kälter, doch Alzhara störte sich daran nicht. Sie stieg weiter auf.
    Bis sie am Horizont einen Schimmer ausmachen konnte.
    Als Isabella den Schimmer bemerkte, befand sich Alzhara bereits wieder im Sinkflug. Sie nahm weitere Geschwindigkeit auf, glitt durch die Lüfte dahin, und aus dem Schimmer am Horizont erhob sich eine rotgelbe Scheibe.
    Die Sonne.
    Alzhara machte einen Felsvorsprung aus, auf dem sie landen konnte. Es würden ihr nur wenige Augenblicke bleiben, doch das wäre genug, und so setzte sie endgültig zum Sturzflug und schließlich zu einer eleganten Landung an. Ihre Pfote bohrte sie auch hier in die Erde, so dass Isabella sich nicht ohne weiteres aus ihrem Griff befreien könne.
    “Der Sonnenaufgang?”, keuchte die, “wie ist das möglich?”
    Alzhara lachte nur. “Das ist nicht der Sonnenaufgang”, erklärte sie, “es ist der SonnenUNTERGANG. Wir sind nach Westen geflogen, Dummerchen. Dem Sonnenuntergang hinterher. Ich sagte doch: Der Morgrad ist eine Kugel. Tag- und Nachtwechsel entstehen aus der Rotation des Morgrad um sich selbst - oder der Sonne um den Morgrad, je nach dem, welche Theorie Du bevorzugst. Ich frage mich ja, ob Du im Angesicht der Sonne immer noch so widerspenstig sein wirst, wie in dunkler Nacht!”
    Isabella wollte etwas erwidern, doch dazu kam es nicht. Alzhara spie ihr Feuer auf die kleine Gestalt. Diesmal kreischte die Vampirin vor Schmerz auf, als sie Feuer fing, wand sich unter Alzharas Klaue, während die Flammen sie auffraßen und Haut, Fleisch und Knochen dahin schmolzen, zu Asche verbrannten.
    “Schließlich endest Du eben doch nicht anders, als der kleine, dumme Alois“, dachte Alzhara, als sich Isabellas Asche im Wind verteilte.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (07.09.2013 um 23:25 Uhr) Grund: 17:11

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    Abreise



    Als Alzhara am nächsten Morgen den Wohnsaal betrat, war die restliche Reisegruppe bereits anwesend. “Ihr seht übernächtigt aus”, stellte Ambrose fest. “Ja, etwas viel Lärm diese Nacht, findet Ihr nicht?”, entgegnete sie. Ambrose kommentierte das nicht weiter. Obwohl alle zumindest einen Teil des nächtlichen Kampflärms gehört haben mussten, schien niemandem an einer Aufarbeitung dessen gelegen, was sich zugetragen haben könnte.
    “Oh, wie schade, dass Ihr heute nicht mehr das schöne Kleid von gestern tragt”, sagte Hinde bedauernd. “In der Tat. Mir ist bedauerlicherweise ein Missgeschick unterlaufen. Ich fürchte, dass es nicht mehr zu retten ist.”
    Die Stimmung während des Frühstücks war seltsam gelöst. Ohne die beiden Vampire und deren Dienern schien es, als hätte sich ein Schatten von Burg und Umgebung gelüftet. Die Burg wirkte plötzlich nicht mehr bedrohlich, das Gefühl ständiger Gefahr war verschwunden. Die andern spürten diese Veränderung, auch wenn sie sich diese sicherlich nicht erklären konnten, und so waren alle entspannter, gelöster als in den Tagen zuvor.
    “Heute brechen wir auf”, meinte Ambrose. “Das Gesinde ist der Auffassung, dass eine Reparatur der Kutsche mit den in der Burg auffindbaren Mitteln möglich sei.” “Was gedenkt Ihr, dem König mitzuteilen?”, fragte Alzhara. “Ich werde seine Majestät davon in Kenntnis setzen, dass dieses Lehen neu zu vergeben ist. Sobald wir in Silden ankommen, werde ich einen Brief aufsetzen, und derweil Lord Silden als kommissarischen Verwalter einsetzen.” Alzhara nickte zufrieden. Ambrose hatte verstanden, dass Alois nicht mehr lebte, und verzichtete darauf, der Sache weiter auf den Grund zu gehen. Damit zeigte er mehr Verstand, als in all der Zeit zuvor.
    Da weder der Graf noch irgendeiner seiner Diener mehr auffindbar war - der Verwalter hatte sich nach Alois‘ Tod davongemacht -, konnte niemand mehr Einwände erheben, sich an den Vorräten der Burg zu bedienen. So konnte man sich rasch für einen Aufbruch bereit machen, und verabredete, sich hierfür am späten Vormittag im Hof zu treffen.

    “Lady Alzhara, auf ein Wort!” Alzhara wandte sich zu Tristifer um. Die andern verließen den Saal, um sich auf die Abreise vorzubereiten, so dass sie und Tristifer bald alleine waren. “Sir Tristifer, was ist denn?”, fragte sie lächelnd.
    Tristifer blickte zu Boden, offenbar unschlüssig, wie er fortfahren solle. Schließlich fasste er sich ein Herz, schaute ihr in die Augen, atmete tief durch und fragte: “Seid Ihr ein Drache?”
    Alzhara hob die Brauen. “Ja, bin ich. Woher wisst Ihr das?”
    “Ihr wart nicht bei den anderen im Wohnsaal. Man hatte mir gesagt, dass Ihr den Saal kurz nach mir verlassen hättet. Ich habe dann nach Euch gesucht und schließlich durch ein Fenster auf diesem Balkon beobachtet.”
    “Werdet Ihr mich jetzt bekämpfen?”, fragte sie. Tristifer schien unschlüssig. “Ich weiß nicht, was Ihr und der Graf alles besprochen habt, doch er war es, der Euch angriff. War er doch ein…?” “Ein Vampir? Ja, war er.” “Dann hattet Ihr Recht. Sie vergehen nicht im Sonnenlicht.” “Nein.” “Hat er Lady Isabella also tatsächlich ermordet?”
    Alzhara überlegte kurz, ob sie ihn anlügen solle. Doch sie entschied dagegen: “Nein. Isabella war die wahre Feindin. Sie war die ältere und mächtigere von den beiden. Ich habe beide vernichtet.”
    Tristifer nickte. “Gut”, meinte er.
    Die beiden schwiegen eine Weile. Alzhara betrachtete Tristifers Gesicht, der offenbar nachdachte. Ihr Blick wanderte an seinem Körper herunter.
    “Wir Drachen kennen keinen Adel oder Standesgrenzen”, sagte sie beiläufig, “Ihr habt ja wohl hoffentlich keine Probleme damit, dass ich die Gestalt eines Drachen annehmen kann?” Es dauerte einen Augenblick, bis Tristifer begriff, und eine leichte Röte sein Gesicht zu überziehen begann. “Wenn Ihr es nicht… währenddessen tut.” Alzhara kicherte vergnügt.

    Als sie fertig waren, hatte Alzhara ihren Kopf in Tristifers Armbeuge geschmiegt und strich über seine Brust. Er hatte den Arm um sie gelegt und streichelte ihre Schulter. Sie wusste, dass es Menschenmännern gefiel, wenn Frauen sich dergestalt an sie schmiegten. Das gab ihnen das Gefühl, besonders stark und männlich zu sein.
    Alzhara aber spürte, dass er eine Frage hatte.
    “Ja?”, sagte sie.
    Tristifer fühlte sich offenbar ertappt.
    “Ich… nun, es gibt da etwas, das ich noch gern wüsste…”
    “Ach! Was denn?”
    “Wieso hast Du den Vampir bekämpft? Seid Ihr nicht beide Kreaturen Beliars?”
    Alzhara fand es lustig, dass er diese Frage erst jetzt stellte. Das gefiel ihr: Sie mochte Männer, welche die richtigen Prioritäten setzen.
    “Nein. Die Vampire wohl schon, aber Drachen nicht. Wir sind Hüter der Elemente und wenn überhaupt, dann eher mit Adanos verbunden. Genau genommen aber ist unser Wille frei. Sonst noch etwas?”
    “Du hast Dich während der Reise sehr um die junge Marella gekümmert. Warum?”
    Alzhara dachte eine Weile über die Frage nach.
    “Magst Du Marella?”, fragte sie. “Ja”, antwortete er. “Warum?” “Nun… weil sie sehr liebenswert ist.”
    Alzhara grinste fröhlich. “Siehst Du: Da hast Du Deine Antwort!”
    Das schien ihn zufrieden zu stellen.
    “Und außerdem…”, fuhr Alzhara fort, und zeigte ihm ein böses Grinsen, “hatten wir Drachen doch immer schon eine Schwäche für schöne Jungfrauen.”
    Für einen Sekundenbruchteil huschte ein Ausdruck von Entsetzen über Tristifers Gesicht. Dann entschied er offenbar, es für einen Scherz zu nehmen, und lachte ausgelassen.

    Tristifer und Alzhara waren die letzten, welche im Burghof erschienen. Marella hatte den Eindruck, dass diese ein sonderbares Lächeln tauschten, vor allem aber war sie froh, dass endlich alles zum Aufbruch bereit war: Die Kutsche war wieder fahrtüchtig, das Gepäck verstaut und endlich waren alle versammelt.
    "Wenn Ihr gestattet, Mylady", sagte Tristifer und hielt ihr galant die Hand hin, ihr beim Besteigen der Kutsche zu helfen. "Natürlich", antwortete sie und schenkte ihm ein Lächeln.
    Als alle ihre Plätze eingenommen hatten, setzte sich die Kutsche ruckelnd in Bewegung. Oh, was würde sie froh sein, wenn sie endlich in Silden ankäme! Und sie hoffte inständig, niemals wieder nach Burg Sulden zurückzukehren.



    Ende
    Geändert von Sir Ewek Emelot (13.08.2013 um 21:28 Uhr) Grund: Korrektur 18:20

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    Dies ist die erste Geschichte mit mehr als zwei Posts, die ich jemals beendet habe. Ursprünglich sollte sie wesentlich kürzer werden, als sie mir nun tatsächlich geraten ist, doch hoffe ich, dass sie zu keinem Zeitpunkt langweilig wirkt.
    Auch handelt es sich um das erste Mal, dass ich in einer meiner Geschichten wirkliche Action beschreibe. Immerhin sollte ausnahmsweise einmal niemand sich beschweren können, dass in meiner Geschichte nichts geschehe! Darob war und bin ich recht unsicher, da ich mich frage, ob ich solche Inhalte überhaupt ansprechend vermitteln kann.
    Bedanken kann man sich für die Geschichte auch bei John Irenicus (was ich hiermit tue), der mir zu den ersten beiden Kapiteln positive Rückmeldung gegeben hat. Andernfalls hätte ich mich womöglich nicht getraut, die Geschichte zu posten.
    Die von den Wolkenbergs zitierten Verse im Kapitel "Nachtmahl" sind übrigens aus Edgar Ellen Poes Gedicht "Der Rabe", aber das schien mir hier irgendwie sehr passend.

    Noch eine Anmerkung zum Beginn des ersten Kapitels: Den Fehler habe ich absichtlich nicht verbessert, um zu sehen, ob es jemandem auffällt. Bislang hat sich niemand beschwert.
    Geändert von Sir Ewek Emelot (03.12.2012 um 16:05 Uhr) Grund: Sig aus

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