Ich weiß wirklich wenig über die Philosophie Peter Singers, insbesondere über seine früheren Positionen. Trotzdem bin ich ein wenig erstaunt darüber, was hier im Thread als vermeintliche These Singers debattiert wurde.
Singers Ethik wird üblicherweise als Präferenzutilitarismus eingeordnet. Der zentrale Begriff einer solchen Ethik ist der des Interesses. Kurioserweise kommt dieser Begriff in der Diskussion hier praktisch nicht vor. Tatsächlich ist der einzige Slogan, den ich zu "Peter Singer" im Kopf habe, nicht etwa "Töte Behinderte!", sondern "Es gibt keine moralische Rechtfertigung für die Nicht-Berücksichtigung von Interessen.".
Die theoretische Basis von Singers Ethik dürfte vereinfacht gesagt schlicht sein, dass die ethische Beurteilung einer Handlung sich danach richtet, inwiefern Interessen befriedigt oder missachtet werden.
Natürlich ist damit eigentlich nichts gesagt, weil der Begriff des Interesses einer Präzisierung bedarf und unklar ist, wie Befriedigung und Missachtung unterschiedlicher Interessen gegeneinander abgewogen werden soll.
Trotzdem kann man bereits erkennen, dass weder Glück noch Geldwert für Singers Ethik grundlegend sind, wie hier unterstellt wurde. Ferner sehe ich nicht, wie es mit einer präferenzutilitaristischen Position konsistent sein sollte, Menschen zu ihrem Glück zu zwingen oder "die Moral zu ökonomisieren".
Die vermeintliche Brisanz von Singers Thesen rührt lediglich daher, dass in Singers Ethik die ethische Beurteilung einer Handlung unabhängig von Lebewesen, die keine Interessen haben können, ist.
Das heißt aber nicht, dass Handlungen an solchen Lebewesen stets ethisch zulässig sind. Beispielsweise wird die Tötung eines Säuglings unter gewöhnlichem Umständen die Interessen der Eltern missachten und deshalb auch nach Singers Auffassung nicht per se zulässig sein.
Die Folgen von Singers Thesen für die gesellschaftliche Akzeptanz körperlich oder mental beeinträchtigter Menschen sollte man durchaus kritisch prüfen. Dabei ist es aber wichtig im Blick zu behalten, dass Singer nicht meint, diese Menschen hätten kein Recht auf Leben (in dem Sinne, dass es stets zulässig sei, sie zu töten); schließlich ist ein Mensch mit Down-Syndrom oder ein Mensch ohne Beine nach jedem vernünftigen Maßstab dazu in der Lage, Interessen zu haben.
Ein Problem, auf das ich noch hinweisen möchte, ist, dass zumindest mir nicht klar ist, was Begriffe wie "Wert" oder "Recht" im Kontext einer (präferenz-)utilitaristischen Ethik überhaupt bedeuten sollen. Mir scheint, dass manche Kontroversen schlicht dadurch entstehen, dass man zunächst vertraute Begriffe in ein ethisches System importiert, das diese von sich aus gar nicht enthält, dann aber argumentiert, als hätten sie noch ihre alte Bedeutung; dass man auf diese Art und Weise bisweilen bizarre Aussagen "schlussfolgern" kann, verwundert nicht.
Hier noch zwei Links, die ich auf die Schnelle per Google gefunden habe, die aber bereits deutlich machen, dass zumindest
Manches, was hier diskutiert wurde, mit Singer eigentlich nichts zu tun hat:
FAQ Singers auf seiner Website in Princeton
Spiegel-Interview mit Singer von 2001