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    Post [Story]Eine sympathische Stadt

    1.


    Ein viel versprechender Morgen in der Hafenstadt Khorinis.
    Die Vögel trällerten ihre fröhlichen Weisen und hießen den Anbruch des neuen Tages enthusiastisch willkommen.
    Vom Meer her wehte eine sanfte, erfrischende Brise, während sich die Sonne hinter dem
    Horizont erhob, ihren strahlend blauen, himmlischen Thron bestieg und alle Erdenkinder mit ihrer wohltuenden Wärme beglückte. Inmitten dieser frühmorgendlichen Idylle hatte sich eine große, bunte Menschenmenge auf dem Richtplatz versammelt. Von Jung und Alt über Groß und Klein, Reich und Arm, von Fettleibig bis Magersüchtig, von Zurückgeblieben bis Hochintelligent – alle waren sie gekommen, um dem gesellschaftlichen Großereignis beizuwohnen, das in Kürze hier stattfinden sollte.

    Ganz Khorinis hatte auf seinen vormittäglichen Schönheitsschlaf verzichtet, um sich für ein paar, heiß ersehnte Sekunden in schamlosem Voyeurismus zu ergehen. Nervös traten sie von einem Bein auf das andere,
    bohrten in Nase und Ohren, knabberten an ihren Fingernägeln, raunzten, schwatzten und schwitzten vor Ungeduld und Vorfreude. Die Warterei quälte besonders die Kinder, für die eigens die vorderste Reihe reserviert worden war, damit sie auch nichts von dem heiteren Spektakel versäumten. Sie schrien, nörgelten, heulten und alberten herum, was ihnen nicht selten eine deftige, aber wohlmeinende Ohrfeige von Seiten ihrer Eltern einbrachte.
    Ein jeder der kleinen Unruhestifter hatte zudem noch ein Körbchen mitgebracht, das eine übel riechende, matschige Pampe aus verfaulten Eiern und Obst enthielt. Nur dem jüngsten Zuschauer, einem adipösen Zweijährigen mit ballonförmigem Schädel und dem hirnlosen Appetit eines Müllschluckers, war entgangen, dass der stinkende Abfall nicht zum Verzehr vorgesehen war.

    Langeweile, ein plötzliches Hungergefühl und der frühkindliche Drang die Welt auf oralen Wegen zu erkunden, ließen ihn in sein Körbchen greifen und sich eine stattliche Handvoll Müll in den Rachen stopfen. Kurz darauf nahm sein Gesicht eine merkwürdig grünliche Färbung an, er fing an wie betrunken herumzutorkeln, sich zu krümmen und heftig zu würgen. Schließlich geschah es – eine buchstäbliche Kotzfontäne schoss ihm aus dem Mund und die halbverdaute Kompostbrühe ergoss sich – rein zufällig – über die Festtagsbekleidung eines ehrenwerten, städtischen Würdenträgers.
    Geändert von MiMo (29.03.2017 um 17:01 Uhr) Grund: Sig aus

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    2.

    Der Angekotzte rang zunächst um Fassung, aber einen Augenblick später hatte er auch schon ausgeholt, um der kleinen Speckschwarte die Tracht Prügel ihres Lebens zu verpassen. Da hielt er plötzlich inne und überlegte, ob es nicht seinem Leumund schaden könnte, wenn er einen Zweijährigen vor den Augen der ganzen Stadt halb zu Tode prügelte.
    Während er nachdachte, fiel ihm unversehens auf, dass einige der Anwesenden an ihrem unterdrückten, schadenfrohen Gelächter beinahe zu ersticken drohten, was er als unerträgliche Beleidigung seiner Person verbuchte. Er ließ von dem Jungen ab und beschloss ein Exempel zu statuieren, indem er sich die dümmlichste Visage von allen aussuchte und ein paar kosmetische Optimierungen der besonders brutalen Art an ihr vornahm.
    Zunächst täuschte er eine rechte Gerade auf das Kinn seines Gegenübers an, bevor er unvermittelt zurückzog und ihm mit der linken Faust hinterhältig einen Schlag in die ungeschützte Magengegend versetzte.
    Als sich der Getroffene röchelnd zusammenkrümmte,folgte als Krönung ein spektakuläres Schlußmanöver.
    Die Versammelten genossen den Gewaltausbruch als kleinen Appetitanreger vor dem Hauptgang.

    Begeistertes Johlen ertönte, als der ehrenwerte, städtische Würdenträger den Kopf seines wehrlosen Kontrahenten ergriff, das Knie anwinkelte, seelenruhig maß nahm und sein blutiges Werk im Stile eines Rammbocks vollendete. Jedoch hatte er nicht lange Gelegenheit sich an seiner Tat zu erfreuen, denn für die Bürger von Khorinis war es zwar seit jeher ein Genuss eine Schlägerei mit anzusehen, aber andererseits eine unerreichte Passion selbst dabei mitzumischen. Es dauerte also kaum zehn Sekunden, bis der erste gelangweilte Hitzkopf auf den Plan trat, um die Gewaltspirale weiter anzuheizen.
    Ein Tippen auf die Schulter, ein sich verwundert umblickender Aristokrat, ein aggressives Paar schmale Schweinsäuglein und eine wulstige Stirn von der Härte einer Kokosnuss – mehr brauchte es nicht, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
    „Das war für den Zinken meines Schwagers, du hochwohlgeborenes Stück Scheiße!“
    Selbstverständlich hatte der Raufbold überhaupt keinen Schwager, aber eine Fahne, die stank wie ein in Fusel marinierter Tierkadaver.

    Nach der zweiten gebrochenen Nase gab es schließlich kein Halten mehr. Es passierte das, was häufig passiert, wenn man viele streitsüchtige Menschen zusammenpfercht, sie warten lässt und zum allem Überfluss noch Langeweile und Alkohol im Spiel sind: Es kam zu einer klassischen Massenschlägerei.
    Die Alten zweckentfremdeten ihre Gehhilfen, die manche von ihnen - in weiser Voraussicht- mit Stacheldraht umwickelt oder mit rostigen Nägeln bestückt hatten. Die Jüngeren Semester bedienten sich mehrheitlich der Prügelinstrumente, mit denen Mutter Natur sie ausgestattet hatte, also Füßen, Fäusten und Fingernägeln. Nur ab und zu schwirrten ein paar verirrte Maßkrüge durch die Luft, die man vom Freibierstand entwendet hatte, und zertrümmerten den einen oder anderen Kiefer. Die Jüngsten verfolgten das Schauspiel höchst interessiert. Sie saßen entweder gebannt und andächtig beobachtend am Rande oder feuerten ihre Erzeuger lautstark zu neuen Aggression an.
    Geändert von Reizloser Sexgott (26.02.2011 um 18:45 Uhr)

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    3.

    Ebenfalls Zuschauer waren die städtischen Ordnungshüter, die sich zwar pro forma der Wahrung des öffentlichen Friedens verschrieben hatten, de facto aber lieber soffen und faulenzten. Die beiden Stadtwachen namens Hasan und Roy hatten es sich auf einer Ladung beschlagnahmter Getreidesäcke bequem gemacht. Sie waren beide sternhagelvoll mit Freibier und dösten mit halbgeöffneten, glasigen Augen vor sich hin.
    Schlägereien wie diese waren langweilige Routine, kein Grund auch nur einen feuchten Furz von sich zu geben.
    Erst als sich Hasan durch die zunehmende Lautstärke des Tumults, durch Schlachtrufe, Schmerzenschreie und krachende Knochen zu sehr gestört fühlte, beschloss er etwas zu unternehmen: Er versetzte seinem Nebenmann einen leichten Rippenstoß.
    „Hey, Roy, marschier mal rüber zur Kaserne und sag bescheid, dass sie anfangen sollen, bevors die Leute wieder übertreiben.“
    Roy knurrte nur unwillig und drehte sich zur Seite weg.
    „Hörst du mir überhaupt zu, du versoffene Hafenratte?“
    Endlich schien ihn Roy gehört zu haben. Er rieb sich die Augen und setzte sich schwerfällig auf.
    „Ich hab dich weniger gehört als gerochen“, lallte er. „ Du stinkst aus dem Maul wie ein Troll aus dem Arsch.“
    „Weißt du was ich gestern Abend mit deiner Mutter getrieben habe, Roy?“
    Roy gab einen heftigen Rülpser von sich, bevor er sich wieder nach hinten lehnte.
    „Wahrscheinlich hat sie dich geritten wie ein preisgekröntes Rennpferd“, antwortete er gelassen, "und ich hoffe inständig, dass ihr diese Tortur den Rest gegeben hat. Drei Schlaganfälle zu überleben ist einfach nicht natürlich.“
    „Scheinst deine Mama ja nicht sehr zu lieben…“, bemerkte Hasan, während er anfing, die leeren Flaschen nach einem lauwarmen Restschluck zu durchforsten.
    „Wie soll man eine Mutter lieben, die zulässt, dass ihr einziger Sohn mit einem nichtsnutzigen Schluckspecht wie dir in dem trostlosesten Saftladen von ganz Khorinis endet? Weißt du, bevor ich deinem Beispiel gefolgt bin und mir systematisch das letzte bisschen Verstand weggesoffen habe, war ich mal ein echtes Wunderkind an der Flöte…“
    Hasan schlug sich beide Hände vors Gesicht.
    „Scheiße“, stöhnte er gequält auf, „verschon mich bloß mit diesem selbstmitleidigen
    Gefasel!“
    Roy machte eine wegwerfende Geste.
    „Von Alkoholikern behauptet man zwar gerne, dass sie immer die Wahrheit sagen, aber ich hab noch keinen getroffen, der sie auch mal hören wollte“, entgegnete er beleidigt.
    Geändert von Laidoridas (05.03.2011 um 13:14 Uhr) Grund: Sig aus

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    4.

    Lord Andre stand auf dem kleinen Platz vor der Kaserne und ließ seinen Blick beunruhigt über das Geschehen auf dem Richtplatz schweifen.
    Ein Stück weit hinter ihm stand der Hilfshenker Olaf, der sich gerade einen Popel aus der Nase zog und ihn unauffällig in seiner Mundhöhle verschwinden ließ. Dann kratzte er sich am Hintern und blickte stumm ins Leere.
    „Was hältst du eigentlich davon, dieser Bande von tollwütigen Affen ausgerechnet am Hinrichtungstag Freibier auszuschenken?“, fragte Andre etwas verständnislos.
    Olaf kratzte sich wieder, dieses Mal am Kopf. Der Schweiß brach ihm aus und er setzte eine hilflose Miene auf. Er war Fragen nicht gewohnt, die man nicht mit ja oder nein beantworten konnte oder die eine eigene Meinung erforderten.
    „Ich weiß nicht…Ich glaube…Ich mag Bier“, stammelte er.
    Andre seufzte.
    „Das hatte ich befürchtet“, entgegnete er resigniert. “Bier, die Essenz des Schwachsinns. Bier, die schlimmste Plage, die diese Stadt je heimgesucht hat. Noch vor der Pest, der Flutkatastrophe und dem Bürgerkrieg…und mindestens an letzterem trägt das Bier auch noch eine Mitschuld.“
    Olaf wusste nichts zu erwidern. Er zuckte nur teilnahmslos mit den Schultern. Sein Hintern begann wieder zu jucken. Sein letztes Bad war gut zwei Monate her. Dann schwiegen beide eine Zeitlang. Irgendwann ertrug Andre die Stille nicht mehr und beschloss ihr geistloses Gespräch fortzusetzen.
    „Ich bevorzuge ja Rotwein“, erklärte er nach einem vernehmlichen Räuspern.
    „Aber immer nur ein Gläschen zum Abendessen. Maßhalten ist eine Tugend. Wusstest du übrigens, dass Rotwein gut für das Herz ist? Er verlängert dein Leben und macht einen besseren Menschen aus dir. Lass dir das mal durch den Kopf gehen…“
    Er erwartete keine Antwort. Eigentlich wusste er auch, dass Unterhaltungen mit dem zurückgebliebenen Hilfshenker Olaf pure Zeitverschwendung waren. Ein Pflasterstein wäre ein besserer Gesprächspartner gewesen. Aber Andre war nicht wählerisch, wenn es darum ging sich ein wenig abzulenken. Er hätte jetzt gerne das eine oder andere Glas Rotwein geleert, um sich zu beruhigen, denn er saß buchstäblich auf glühenden Kohlen. Den anarchischen Mob auf dem Richtplatz kümmerte ja nicht, dass die brisanteste Hinrichtung des Jahrzehnts bevorstand. Für die braven Bürger von Khorinis war schließlich völlig unbedeutend, wer exekutiert wurde oder wofür, entscheidend war, dass exekutiert wurde.
    Andre hingegen sorgte sich um Sicherheit und Stabilität in der Hafenstadt, wenn die Hinrichtung nicht schnell und reibungslos über die Bühne ging. Immerhin waren der Statthalter von Khorinis, seine Frau, seine sieben Kinder, seine Konkubinen und sein Lieblingshund jüngst einem heimtückischen Mordanschlag zum Opfer gefallen. Ein Schuldiger war rasch gefunden - und den galt es jetzt aufzuknüpfen, um den Fall rasch ad acta legen zu können.
    Der Statthalter war zwar als korrupter Hurenbock verschrien, hatte es aber dennoch geschafft die wankelmütige Volksseele für sich zu gewinnen. Unter anderem indem er seine Untertanen konsequent mit Freibier abfüllte.
    Andre hatte ein Glas Rotwein auf das Wohl des Attentäters getrunken, als er die Todesnachricht erhielt.
    Er hatte nie ernsthaft versucht die Hintergründe des Falls aufzuklären. Um außerordentliche Unruhen auf den Straßen zu vermeiden, wollte er dem Affen einfach Zucker geben. Eine Flut an Freibier sowie eine sehenswerte Exekution würden sämtliche kritischen Fragen in seliges Wohlgefallen auflösen.
    Soweit Lord Andres Plan. Die Umsetzung ließ allerdings noch zu wünschen übrig.
    Die Hinrichtung zögerte sich gefährlich lange hinaus. Der Henker hatte sich in die Folterkammer zurückgezogen, um sich sorgfältig auf seinen „großen Auftritt“ vorzubereiten, wie er es formulierte. Mehr als zwei Stunden waren seither vergangen. Bisher hatte sich Andre beherrschen können. Eine erfolgreiche Hinrichtung war schließlich auch das Ergebnis einer gründlichen, handwerklichen Vorbereitung. Doch nun war seine Toleranzgrenze allmählich überschritten. Andre hatte noch nie robuste Nerven gehabt. Er wurde schnell nervös, bekam Herzrasen, zittrige Hände und kalte Schweißausbrüche. Ein Glas Rotwein sorgte meist für Linderung, aber da gerade keines in Griffweite war, bellte er stattdessen den arglosen Olaf an:
    „Hör mir genau zu, du menschliche Attrappe, du wirst jetzt schnurstracks da runter gehen und diesem schwarz maskierten Dilettanten etwas von mir ausrichten! Sag ihm, wenn er nicht innerhalb der nächsten fünf Minuten hier auftaucht, werde ich ihn eigenhändig aufspießen, ihn bei lebendigem Leib über offenem Feuer rösten und in seinem eigenen Saft schmoren lassen bis er gar ist, dann werde ich ihn ausweiden, ihn kunstvoll tranchieren und filetieren und schließlich als Schlachtplatte den Straßenkötern vorsetzen! Sag ihm das!“
    Andre atmete tief und erleichtert durch. Nichts war befreiender als seinem Ärger in einer cholerischen Schimpftirade Ausdruck zu verleihen, umso mehr wenn man ein dankbares Opfer parat hatte.
    Olaf schluckte schwer und blickte verschüchtert zu Boden, machte aber keine Anstalten, der Forderung nachzukommen.
    „Wird’s bald!“, zischte Andre.
    Olaf setzte sich mechanisch in Bewegung, seine Beine waren müde vom langen Herumstehen und der Schreck saß ihm immer noch in den Knochen. Er war schon fast im Halbdunkel des Kaserneneingangs verschwunden, als Andre ihm noch einmal etwas nachrief.
    „Ach - und eines noch, Olaf. Weißt du, warum du der geborene Handlanger bist?“
    Olaf schüttelte erwartungsgemäß den Kopf.
    „Ich…äh…keine Ahnung.“, presste er mühsam hervor.
    Andre lächelte überlegen.
    „Du hast es erfasst, mein Lieber. Genau deshalb.“
    Geändert von Reizloser Sexgott (11.03.2011 um 18:07 Uhr)

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    5.

    Henker Horst war immer noch in die Vorbereitung seines großen Auftritts vertieft.
    Inmitten von blutigen Zangen, Scheren und Meißeln, Streckbänken, Glutpfannen und Hodenquetschern posierte er vor einem großen Spiegel. Penibel betrachtete er die Kapuze aus schwarzem Sackleinen, die über seinen Kopf gestülpt war, und die übertrieben breiten, mit Stacheln bewehrten Bänder an seinen Armen.
    Dann besah er sich seinen nackten Oberkörper, der dem einer gealterten Puffmatrone glich – mit dem Unterschied, dass die Brust des Scharfrichters von einem räudigen Borstenteppich überzogen war. Horst griff unter seine Wampe, hob sie ein Stück an, ließ sie nach unten sacken und schüttelte zweifelnd den Kopf. Der Gürtel saß wohl wieder zu locker. Also griff der Henker nach unten und versuchte ihn straffer zu schnüren. Es sah aus, als würde man eine ganze Leberwurst gewaltsam aus der Pelle drücken. Horst aber gab ein zustimmendes Knurren von sich und ließ die Schnalle in die Riemenlöcher einrasten. Ganz zufrieden war er allerdings noch nicht.
    Er hatte sich bereits Dreck unter die Fingernägel gerieben, sich mit Hunde-Urin parfümiert, sich seinen Glücksbringer, die Schlinge, mit der er seinen ersten Mörder aufgeknüpft hatte, an den Gürtel gehängt und viele andere unappetitliche Dinge getan, die seiner Ansicht nach das stilsichere Auftreten eines Vorzeige-Henkers ausmachten. Aber etwas fehlte.
    Es wäre ihm wohl noch in den Sinn gekommen, hätte Olaf nicht in diesem Augenblick den Raum betreten.
    „Chef…“, begann der Hilfshenker zögerlich, ehe Horst ihn barsch unterbrach:
    „Egal, was es ist – es wird der Grund dafür sein, dass ich dich windelweich prügle, wenn du nicht auf der Stelle Land gewinnst!“
    Auf Störungen reagierte der Henker äußerst sensibel. Schon die kleinste Unterbrechung konnte ihn völlig aus dem Konzept bringen. Ein hohes Risiko, das er nicht bereit war einzugehen. Wer auch nur das kleinste Detail dem Zufall überließ, war eines perfekten Auftritts nicht würdig.
    „Aber Andre…“, entgegnete Olaf verschüchtert, doch weiter kam er auch dieses Mal nicht.
    "Ach, Papperlapapp!“, begann Horst sich in Rage zu reden.
    „Dieser ignorante Banause macht Ärger, was? Dem geht sein Bürokraten-Arsch auf Grundeis, weil ich ihn ein paar Minütchen warten lasse, richtig? Dieser verweichlichte Schnösel hat doch keinen blassen Schimmer von einer guten Hinrichtung…Und solange ich hier nicht fertig bin, kriegt er nicht mal einen feuchten Furz von mir zu Gesicht. Sag ihm das gefälligst!“
    Olaf bekam unvermittelt Kopfschmerzen, während sich sein altes Magengeschwür wieder einmal zu Wort meldete. Er hatte sich zwar mit der Zeit daran gewöhnt als menschliche Kotztüte für Frust und Allüren seiner Vorgesetzten zu dienen, aber angenehmer wurde es dadurch auch nicht.
    Allerdings nahm er es nicht mehr allzu persönlich. Horst war eine klassische Diva, launisch und eitel, das hatte Olaf mittlerweile ertragen gelernt. Und während der Chef lautstark weiter zeterte und dabei vor Wut mit allem um sich warf, was er zu fassen bekam, ging sein Untergebener einfach in Deckung und ließ den Sturm vorüberziehen.
    Geändert von Laidoridas (22.03.2011 um 18:53 Uhr) Grund: Sig aus

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    6.

    Irgendwann war Horsts hitziger Ausbruch wieder abgeebbt und der Henker schämte sich ein bisschen. Er fand im Nachhinein, dass dieser unkontrollierte Gefühlsausbruch eines professionellen Künstlers nicht würdig war. Diese Scham war es auch, die ihn zur Vernunft kommen ließ und die ihn zu einem seiner legendären Stimmungsumschwünge inspirierte.
    Plötzlich kam ihm wieder in den Sinn, dass ihn mit Olaf nicht nur der Beruf, sondern auch – was er sonst vehement bestritt – eine gemeinsame Sippschaft verband.
    „Lieber Vetter“, begann er zuckersüß, „du weißt, ich habe unserer dementen Großmutter auf dem Sterbebett geschworen, dich unter meine Fittiche zu nehmen. Und obwohl sie mich in ihren letzten Minuten für den leibhaftigen Erzengel gehalten hat und dich für ihr geliebtes Schmusehündchen – ich habe diesen Schwur immer hochgehalten.“
    Er legte Olaf väterlich eine Hand auf die Schulter.
    „Du weißt aber auch, dass ich dich ab und an maßregeln muss, wenn ich das Gefühl habe, dass du vom rechten Weg abkommst. Und mich bei meinen Vorbereitungen zu stören, war definitiv ein Schritt in die falsche Richtung, das ist dir hoffentlich klar?“
    Olaf nickte stumm. Seine tatsächliche Meinung verbarg er wie immer hinter einer Maske der Ausdruckslosigkeit.
    „Na fein“, lobte ihn Horst und tätschelte jovial seine Wange. „So, jetzt will ich mein Publikum aber nicht länger warten lassen! Geh und hol unseren designierten Galgenvogel aus der Zelle, bevor der Schimmel uns die Arbeit abnimmt.“
    Nachdem Olaf sich auf den Weg gemacht hatte, holte Horst noch einmal tief Luft.
    Durch die winzigen, vergitterten Fenster der Folterkammer drang der Lärm vom Richtplatz an seine Ohren. Die Leute verlangten nach ihm, seine Kunst brachte sie zum Jubeln, davon war er überzeugt. Und er genoss es. Er labte sich an ihren euphorischen Schreien, wenn wieder die Schlinge um einen Hals gelegt wurde, sich ein Schädel vom Rumpf trennte oder ein Ketzer in Flammen aufging. Horst entsprach nicht dem überholten Klischee vom schweigsamen Finsterling, der völlig ohne Elan seinem blutigen Geschäft nachgeht.
    Nein, Horst liebte seinen Beruf. Er war für ihn gleichsam Selbstverwirklichung durch den Strang. Denn sein einziges Talent – und nebenbei seine einzige Leidenschaft – bestand darin Menschen systematisch und möglichst publikumswirksam ins Jenseits zu befördern. Dabei sollte jede neue Hinrichtung ein Quäntchen besser werden als die vorhergegangenen. So hatte Horst über die Jahre hinweg einen geradezu zwanghaften Perfektionismus entwickelt, dessen Ausprägungen besonders der arme Olaf zu spüren bekam. So auch jetzt.


    „Was ist das denn bitte für eine Scheiße?“, fragte Horst, als der Hilfshenker den Delinquenten vorführte. Olafs Magengeschwür winselte um Gnade, während er selbst ratlos mit den Achseln zuckte. Er hatte jede einzelne der strikten Vorgaben seines Chefs penibel eingehalten – oder etwa doch nicht?
    „Soll ich dir auf die Sprünge helfen, du froschfickender Osterhase?“, brauste der Henker auf.
    „Dann wirf doch mal einen kurzen Blick auf die Aufmachung von unserem Freund hier…“
    Der Hilfshenker tat, wie ihm geheißen, konnte aber beim besten Willen nichts Tadelnswertes entdecken. Der Gefangene trug das übliche braune Büßerhemd aus grobem Leinen. Ansonsten war er nur mit den rostigen Ketten bekleidet, die seine Hände hinter dem Rücken fixierten.
    Auf die Fußfesseln hatte Olaf wie immer verzichtet. Sie waren überflüssig.
    Eine Flucht wurde bereits durch präventive Unterernährung verhindert – und in Extremfällen auch weniger elegant durch das Brechen von Beinen.
    „Na, fällt dir nichts auf?“, lauerte Horst.
    Olaf wusste nichts zu antworten. Er setzte wieder seine typische ahnungslose Miene auf und beschloss einen Schuss ins Blaue zu wagen:
    „Na, er…er ist nicht dreckig genug, oder?“
    Falsche Antwort! Der Kopf des Henkers nahm eine alarmierend rötliche Färbung an, das untrüglichste Zeichen für einen weiteren cholerischen Anfall.
    „Du überzüchtete Promenadenmischung!“, tobte Horst. „Nicht dreckig genug? Du hast wohl gerade dein letztes bisschen Hirn ausgeschissen! Hunderttausend Mal hab ich dir eingetrichtert, dass der Delinquent vor der Hinrichtung wie geleckt aussehen muss, so frisch und sauber wie der junge Morgen! Glaubst du irgendwem macht es Spaß, einen Kerl mit fauligem Obst zu bombardieren, der bereits aussieht als hätte er die letzten Wochen in einer Jauchegrube zugebracht? Verdammt, ich habe einen Ruf zu verlieren!“
    Der Henker hatte Mühe sich wieder zu beruhigen. Schließlich ließ er sich mit einem ächzenden Geräusch auf die Streckbank sinken, griff in seine Hose und holte irgendwo zwischen seinen Beinen einen Flachmann hervor.
    „Nun, du weißt ja, wie du deinen Fehler korrigieren kannst…“, sagte Horst, nachdem er einen tiefen Schluck genommen hatte.
    Olaf nickte devot. Er hatte diesen Fehler nicht das erste Mal begangen und wusste, was zu tun war. Also begann er sich pflichtschuldig bis aufs letzte Hemd auszuziehen, löste die Fesseln des Gefangenen und reichte diesem seine Klamotten. Er tat es völlig gleichgültig, ohne jedes äußere Anzeichen von Scham oder Erniedrigung. Während sein Untergebener so splitternackt vor ihm stand, schaute Horst beiläufig in den Spiegel. Plötzlich dämmerte ihm, was sein Auftreten noch komplettieren würde: ihm fehlte buchstäblich die letzte Ölung.
    „Olaf, bring mir das Moleratfett!“, befahl der Henker.
    Olaf legte dem Gefangenen noch eilig die Fesseln an, bevor er zu einem Regal in einer Ecke des Raumes hastete, um es nach Schmierfett zu durchwühlen. Völlig außer Atem kehrte er zurück und streckte seinem Chef die gewünschte Dose entgegen. Doch Horst machte keinerlei Anstalten, sie auch entgegenzunehmen. Er lehnte sich vielmehr zurück und legte entspannt die Hände in den Nacken.
    „Nett von dir, mein Lieber…“, bedankte sich der Henker und fragte dann gespielt verwundert: „Tja, wie konnte ich das nur vergessen? Was ist die prächtigste Brust denn wert, wenn sie nicht anständig eingeölt ist...Ach, richtig, ich erinnere mich! Eine gewisse Torfnase hat völlig rücksichtslos meine Konzentration gestört…Und ist mir jetzt was schuldig!“
    Seine letzten Worte waren von einem unheilschwangeren Grinsen begleitet. Olaf schauderte, als ihm klar wurde, welch perverses Anliegen sein Chef gerade an ihn gerichtet hatte. Er hätte es sogar vorgezogen, den Leichnam seiner dementen Großmutter zu pomadisieren. Denn die Brust seines Chefs war das mit Abstand grässlichste Verbrechen gegen die Natur, das er je mit ansehen musste. Und dieses behaarte Grauen mit Moleratfett einzucremen, war wohl prägender als jedes frühkindliche Trauma. Horst dagegen amüsierte sich über den unverhohlenen Ekel auf dem Gesicht seines Handlangers. Irgendwie tat ihm Olaf ein bisschen leid, aber Strafe musste schließlich sein.
    Geändert von Reizloser Sexgott (29.03.2011 um 17:36 Uhr)

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    Der Hutmacher rannte um seine Eier. Seinen lädierten Arm spürte er gar nicht mehr, obwohl er in geradezu groteskem Winkel vom Körper abstand und immer noch Blut aus der offenen Wunde sickerte. Er dachte nicht über den gesplitterten Knochen nach, der wie ein blutiger Pfahl aus der Haut ragte. Er registrierte nicht einmal die exzessive Gewaltorgie, die um ihn herum gefeiert wurde. Denn im Augenblick sorgte er sich in erster Linie darum, was - noch - zwischen seinen Beinen hing, natürlich auch um seine Frau, die ihn von liebestoller Eifersucht getrieben quer über den Richtplatz hetzte, aber vor allem um die scharfe Schere, die sie in der Hand hielt.
    „Streite es bloß nicht ab! Ich hab’s in deinen Augen gesehen! Du denkst nur an sie, wenn du auf mir drauf liegst, stimmt’s? Es ist die Frau des Wirts, oder? Dieses läufige Flittchen macht doch für alles die Beine breit, was einen Schwanz hat! Aber deiner Geilheit setze ich jetzt endgültig ein Ende! Warte nur!“, brüllte sie mit dem blindwütigen Furor einer männerhassenden Psychopathin. Die Hoden des Hutmachers schrumpften daraufhin auf Erdnussgröße zusammen und auch sein Lümmel zog sich verschreckt ins Körperinnere zurück. Währenddessen schnaufte und hechelte er vor Anstrengung, wie eine dürre Schindmähre, die eine Wagenladung fettleibiger Witwen auf Kaffeefahrt durchs Hochgebirge kutschiert.
    „Bitte mein Augenstern, lass die Schere fallen…Ich liebe dich…Du bist die einzige für mich…Glaub mir doch!“, rief er verzweifelt aus.
    „Hör auf zu lügen, du hässlicher Ziegenficker! Hast du mir vielleicht je irgendein Kompliment gemacht? Hast du mir seit fünfzehn Jahren mal irgendwas anderes ins Haus geschleppt als Dreck und deine verwahrlosten Saufkumpane? Andere Männer tragen ihre Frauen auf Händen, aber dir waren meine Gefühle ja schon immer scheißegal, du hast mich doch überhaupt nie richtig geliebt, du Mistkerl!“, kreischte sie hysterisch und fügte mit einem irren Glitzern in den Augen hinzu: „Aber ich liebe dich. Und ich werde dafür sorgen, dass du diese Liebe schätzen lernst…denn wer will schon ein altes, schwanzloses Wrack? Niemand, außer einer innig liebenden Ehefrau!“
    Ihre Worte waren begleitet von drohenden Schnipp-Schnapp-Geräuschen, die die urmännlichen Kastrationsängste ihres Gatten ins Unermessliche trieben.
    „Ich flehe dich an, mein Schatz, bitte…“
    Weiter kam er nicht, bevor er über einen Körper stolperte, der leblos auf dem Kopfsteinpflaster des Richtplatzes lag. In seiner Aufregung hatte er ihn komplett übersehen. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte. Dabei gelang es ihm gerade so, sich mit dem gesunden Arm abzurollen und seinen Fall zu bremsen. Doch nun war er wie auf dem Präsentierteller für seine kastrationswütige Gattin.
    „So jetzt geht’s deinen verschrumpelten Klöten endlich an den Kragen und deine schlappe Nudel bist du auch bald los! Noch irgendwelche letzten Worte für deine dahinscheidende Maskulinität?“, fragte sie zynisch und erhob die Schere - bereit zur Tat zu schreiten.
    Der Hutmacher bedeckte verzweifelt seine Kronjuwelen. Sturzbäche von kaltem Schweiß ergossen sich über seinen ganzen Körper. Seine Augen weiteten sich vor Angst. Er wusste, dass es kein Entkommen gab. Er war völlig wehrlos und nicht imstande aufzustehen. Hilfe von außen durfte er auch keine erwarten. Die Menschen waren viel zu sehr damit beschäftigt sich gegenseitig Schmerzen zuzufügen. Er würde also den Rest seines Daseins als geschlechtsloses Neutrum fristen müssen. Und - was noch viel schlimmer war - wie ein willenloser Zombiedackel am Rockzipfel seines alptraumhaften Weibes hängen.
    Er hatte nichts mehr zu verlieren und sein Verhängnis rückte unaufhaltsam näher, als es plötzlich aus ihm herausplatzte: „Du willst also Komplimente hören, mein Schatz? Dein Wunsch ist mir Befehl, ich geb dir Komplimente!“
    Seine Frau hielt inne und ließ zögerlich die Schere sinken.
    „Tatsächlich?“, fragte sie skeptisch.
    „Aber ja“, versicherte er eifrig, „weißt du was mir am besten an dir gefällt?“
    Die Angesprochene errötete und entgegnete verlegen: „Nein, sag es mir.“
    Der Hutmacher legte eine kleine Kunstpause ein und zog dann voll vom Leder:
    „Dass du aussiehst wie eine fresssüchtige Monsterkröte! Dass du mehr Haare zwischen deinen Arschbacken als auf dem Kopf hast! Dass du stinkst wie ein Haufen verrottender Fischabfälle! Und glaub mir, das war nur eine kleine Kostprobe…“
    Seine Angetraute stieß einen blutrünstigen Schrei aus und kam bedrohlich näher.
    „Danke, dass du mir auch noch einen Vorwand lieferst, dir die die Zunge abzuschneiden!“
    Der Hutmacher lachte unerschrocken, während er unbeholfen rückwärts kroch, um Distanz zwischen die Schere und seinen Unterleib zu bringen.
    „Darauf warte ich schon seit Jahrzehnten!“, schmetterte er ihr entgegen.
    „Du willst mir also die Eier abschneiden? Nur zu, ich hab deine ranzige Frustgrotte schon lange satt, und auf meine Zunge kann ich auch verzichten. Mit dir zu reden ist nämlich noch viel grässlicher als dich zu pimpern! Und wenn du schon mal dabei bist – kannst du mir nicht auch noch die Ohren abschneiden und die Augen ausstechen? Du würdest mich zum glücklichsten Ehemann überhaupt machen!“
    Geändert von Reizloser Sexgott (05.04.2011 um 19:57 Uhr)

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    Aus den Augen seiner Gattin schienen nun Funken zu sprühen und aus ihren Nasenlöchern Dampf hervorzuschießen. Sie klappte demonstrativ die Schere zusammen, wendete das scharfe Werkzeug in ihrer Hand und hielt es nun wie einen stoßbereiten Dolch mit der Spitze nach unten.
    "Du hast ja förmlich darum gebettelt, Liebster, also warum kleckern, wenn man auch klotzen kann? Sei unbesorgt, ich werde mein Witwendasein in vollen Zügen genießen. Zuerst werde ich das Geschäft verhökern und dann unser sauer verdientes Geld mit einem strammen, jungen Matrosen durchbringen, während du das Gras von unten wachsen siehst!“
    Die Erkenntnis, dass jede brave Hausfrau auch eine paranoide, mordlüsterne Opportunistin in trägt, die nur auf eine günstige Gelegenheit wartet sich zu offenbaren, kam für den Hutmacher reichlich zu spät. Er schloss die Augen in Erwartung eines tödlichen Stichs und wandte sich gedanklich noch einmal an seinen – sträflich vernachlässigten – Schöpfer:
    'Innos, Eure Heiligkeit oder allmächtiges Überwesen, was immer dir lieber ist…wie du bestimmt sehen kannst, bin ich im Begriff den Löffel abzugeben und wenn ich so auf mein bisheriges Leben zurückblicke, sehe ich nichts als Scheiße. Scheiße, die du fabriziert hast. Warum? Schenk mir reinen Wein ein! Hast du mich wirklich nach deinem Ebenbild geschaffen? Wenn ja, musst du der hässlichste Gott von allen sein…Und meine Frau? Gibt’s einen plausiblen Grund, warum du mir diesen Dämon an die Seite gestellt hast? War sie vielleicht eine Art göttliche Strafe dafür, dass ich als 16-Jähriger einmal zu oft meine Hosenschlange gewürgt habe…Jetzt spiel nicht den Unschuldigen, du weißt genau, was ich meine…Dann wäre da noch die Sache mit der Armut, der trostlosen Arbeit, die ich über alles gehasst habe, dem Alkoholismus und der Cholera, die mich drei geschlagene Jahre ans Bett gefesselt hat…aber was erzähl ich dir da eigentlich? Du hast das ganze Elend doch aus der ersten Reihe mitverfolgt und dabei genüsslich deine tausend Jahre alte Götterplauze gestreichelt…Ich hoffe nur du hast dich amüsiert, denn ab heute wirst du dir ein anderes Spaßäffchen suchen müssen…Wo wir gerade davon sprechen, wie stehen eigentlich meine Chancen aufs Paradies?...Ich deute dein Schweigen einfach mal als Absage. Überrascht mich nicht, wirklich nicht…Dann geht’s wohl ein Stockwerk tiefer, was? Ich hab Geschichten darüber gehört. Da unten wimmelt es nur so von Schwulen, Heiden und Abtreibungsbefürwortern. Die werden meinen zarten Körper rumreichen wie einen rostigen Spuknapf, das ist dir klar…Natürlich, aber ist nicht dein Problem. War ja noch nie dein Problem, was aus mir wird…Na gut, dann fahr ich eben zur Hölle. Aber vorher bitte ich dich noch um einen letzten Gefallen…ach was, ich fordere ihn! Immerhin hast du dich jahrzehntelang umsonst an meinen Qualen ergötzt. Ich hab also verdammt noch mal was gut bei dir…Ich will, dass meine Alte leidet! Sorg dafür, dass ihr die Haare ausfallen, dass ihr nächster Stecher sie mit den unappetitlichsten Geschlechtskrankheiten infiziert…Egal was, sei kreativ – Hauptsache sie leidet...Na ja, das wär’s dann auch so weit von mir. Heizt da unten schon mal den Ofen vor! In etwa zehn Sekunden bin ich da…’

    Plötzlich erklangen himmlische Trompeten über dem Richtplatz. Den Hutmacher überfiel daraufhin ein wohliger Schauer. Hatte der Gott seine Meinung doch noch geändert? Hatte er Mitleid empfunden ob dieses armen, hilflosen Erdenwurms? Würde er gleich in den Genuss von Wodka und Ambrosia kommen, würden ihm bald 77 sinnliche Jungfrauen zu Willen sein? Diese seligen Gedanken ließen ihn unwillkürlich sabbern. Leider vergebens.
    Denn, wie sich herausstellte, befand er sich weder auf dem Weg ins Paradies, noch waren die Trompetenklänge in irgendeiner Weise überirdischer als der Inhalt einer Hinterhof-Latrine.
    Doch entfaltete das leicht schiefe Getröte eine seltsame, ja geradezu wundersame Wirkung.
    Denn schlagartig hielt alles Leben auf dem Richtplatz inne, die wüsten Kampfschreie und das laute Schmerzensgeheul erstarben jäh und die Kontrahenten, die sich eben noch aufs Unerbittlichste bekämpft hatten, schienen in ihrer Bewegung erstarrt zu sein. Sie verhielten sich wie ferngesteuerte Lemminge, die alle zugleich einem reaktionsauslösenden Impuls gehorchten. Ihre Köpfe wandten sich reflexartig – wie an einer unsichtbaren Schnur gezogen – der breiten Treppe zu, die von der höher gelegenen Kaserne zum Richtplatz führte. Gleich würde es beginnen. Jenes spektakuläre Ereignis, auf das sie den ganzen Morgen sehnsüchtig gewartet hatten. Langsam verflüchtigte sich die kollektive Starre des Augenblicks – und mit ihr jede Form von aggressiver Stimmung. Es war, als hätten die Trompetenstöße die schwere Nebelwand aus Wut, Sadismus und Rachegelüsten, die die Masse eingehüllt hatte, einfach fort geblasen. Plötzlich reichte man sich freundschaftlich die Hände, klopfte sich gegenseitig den Staub von den Schultern und half dem anderen auf die Beine. Schließlich verabschiedete man sich und ging in Frieden auseinander – nach Art von guten Freunden, die sich während einer hitzigen Kneipendiskussion vorübergehend entzweit hatten:
    „Das mit der zermalmten Nase tut mir leid. Das nimmst du doch hoffentlich nicht persönlich, oder?“
    „Ach, was. Der Zinken hatte sowieso eine Korrektur nötig.“
    Auch der Hutmacher und seine Gattin hegten auf einmal seltsame, befremdliche Gefühle füreinander, die sich in warmem Bauchkribbeln und einem radikal veränderten Blickwinkel auf den Partner äußerten. Es war für die beiden etwas gänzlich Unbekanntes, und obwohl es sich gut anfühlte, doch auch ein bisschen erschreckend und verunsichernd. Seine Frau hatte nicht länger die Absicht ihm eine Schere in die Brust zu rammen, stattdessen setzte sie ein betörendes Lächeln auf. Im ersten Augenblick war der Hutmacher misstrauisch, doch bald staunte er nicht schlecht, welch unglaublichen Wandel sein Weib durchgemacht hatte.
    Das dämonische Scheusal war zu einem annähernd menschlichen Wesen geworden.
    „Liebst du mich noch?“, fragte sie mit pappsüßer Stimme.
    Er blickte sie aus treuen Hundeaugen an und nickte - völlig hingerissen.
    „Bitte vergib mir, dass ich so ein schlechter Ehemann war. Ab jetzt werde ich dich wie die Göttin behandeln, die du bist. Ich gelobe es.“
    Seine Frau strich ihm daraufhin sanft über die Wange.
    „Auch ich habe nicht alles richtig gemacht“, bekannte sie großmütig, “ich hätte weniger emotional reagieren sollen. Der Mordversuch und der gebrochene Arm…das war übertrieben, aber du musst mich verstehen. Ich wollte nur verhindern, dass du dich wieder anfasst…“
    Der Hutmacher lächelte sie verständnisvoll an.
    „Mach dir keine Sorgen, Schatz. Ich weiß doch, dass alles nur zu meinem Besten war. Wir sehen uns jetzt einfach die Hinrichtung an, dann gehen wir gemeinsam nach Hause, du machst mir ein paar Kräuterwickel für den Arm – und ich bin auf der Stelle wie neu.“
    Geändert von Reizloser Sexgott (12.04.2011 um 21:07 Uhr)

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    Lord Andre war beglückt und zugleich entsetzt von der Wankelmütigkeit des Mobs. Die schlagartige Einkehr von Ruhe und Ordnung auf dem Richtplatz hatte seine labilen Nerven stärker belastet als die vorangegangenen Ausschreitungen. Allerdings war es beruhigend zu wissen, dass der öffentliche Friede anscheinend so lange gewährleistet war, wie man dem Pöbel eine passende Ersatzdroge verabreichen konnte. Nur musste jetzt dafür gesorgt werden, dass sich diese Ersatzdroge nicht als wirkungsloses Placebo entpuppte.
    „Ich erwarte Maßarbeit“, ermahnte er den Henker. „Nichts als Perfektion. Keine Verzögerungen, keine Pannen und – bei allen Göttern – keine Effekthascherei! Mir ist da nämlich so einiges zu Ohren gekommen, was…“
    Andre hielt abrupt inne und warf Horst einen durchdringenden Blick zu.
    „Was glaubst du da gerade zu tun, du Mistvogel?“, herrschte er ihn. „Das ist Insubordination! Nimm gefälligst diese…diese Dinger aus dem Mund, wenn du mit deinem Vorgesetzten sprichst.“
    Der Henker verdrehte unwillkürlich die Augen. Erst wollte ihm diese stocksteife Bürokratenschwuchtel verbieten, seinem Publikum eine unvergessliche, künstlerische Darbietung zu liefern, und dann nahm er sich auch noch heraus, über seine Essgewohnheiten herzuziehen.
    „Das sind Rattenschwänze“, erklärte Horst. „Geräucherte Rattenschwänze. Echte Leckerbissen und noch dazu ein bewährtes Allheilmittel. Meine irre Großtante zum Beispiel: Die wurde allein durch den Verzehr von geräucherten Rattenschwänzen von ihrer dämonischen Besessenheit kuriert. Das kann ich beschwören! Ihr wollt nicht zufällig mal probieren?“
    Bei diesen Worten zog er einen halb abgenagten Rattenschwanz zwischen seinen schwarz verfärbten Zähnen hervor und reichte ihn dem Stadtkommandanten, der unterdessen kotzgrün angelaufen war.
    „Rattenschwänze?“, erwiderte Andre, mit seinem Brechreiz ringend. „Und ich dachte das wären nur kleine, dünne Würstchen…“
    Er stand – eine Hand vor den Mund gepresst – da und versuchte die Übelkeit zu vertreiben, indem er langsam ein- und ausatmete. Doch es war zu spät. Sein sensibler Magen hatte auf diese audiovisuelle Kränkung mit einer prompten Notentleerung reagiert, die Andre nicht nur seines halbverdauten Frühstücks, sondern auch eines Großteils seiner Würde beraubte.
    Horst platzte fast bei diesem Anblick. Sein Kopf war puterrot, seine Backen zum Bersten aufgebläht, sein Körper wurde in regelmäßigen Abständen von unterdrückten Vibrationen erschüttert, sodass seine Bierbrüste schlackerten. Durch tiefe, kontrollierte Atemzüge ließ er den aufgestauten Druck entweichen und konnte dann dem Drang nicht widerstehen, noch einmal gepflegt nachzutreten.
    „Ach ja, dieses zart-nussige Aroma zergeht förmlich auf der Zunge“, rief er, indem er sich unüberhörbar schmatzend einen weiteren Rattenschwanz in den Mund steckte.
    Andre war gerade dabei, sich von der ersten Kotzattacke zu erholen, als ihn zum zweiten Mal ein heftiger Würgereiz überfiel. Horst drehte sich feist grinsend zu Olaf um und sah ihn auf eine Weise an, die besagte: Diesem arroganten Kotzepileptiker hab ich’s ordentlich gegeben!
    Doch der - noch immer splitterfasernackte - Hilfshenker gähnte nur und nahm wie üblich einen teilnahmslosen Gesichtsausdruck an. Anders als der Gefangene, der die Szene interessiert mitverfolgte und dabei sogar mit den gefesselten Händen sanften Applaus spendete. Er trug Olafs Klamotten, die sackartig von seinem schmächtigen Körper herabhingen und über deren schweinischen Gestank er mehr als einmal die Nase gerümpft hatte. Horst nickte ihm wohlwollend zu. Er erkannte instinktiv die Voraussetzungen für eine fruchtbare Zusammenarbeit. Dann drehte er sich wieder um und musste zu seiner Enttäuschung feststellen, dass Andre doch kein zweites Mal gekotzt hatte.
    Stattdessen hatte er die verbliebenen Reste seines aristokratischen Stolzes zusammengekratzt und sich drohend vor dem Henker aufgebaut.
    „Ich bin der Stadtkommandant!“, bellte er. „Diese Stadt gehört mir. Du gehörst mir. Und glaub mir, meine Bluthunde haben schon feuchte Träume von deinem speckigen Hintern. Ich werde mich vorerst zurückhalten, ihnen den Gefallen zu tun. Aber nur solange du deinen Zweck erfüllst! Hast du das verstanden, du hirntoter Rosettenkaspar?“
    Horst machte eine übertrieben tiefe Verbeugung, ergriff unvermittelt die Hand seines Vorgesetzten und drückte einen sabbernden Schmatzer auf dessen Handrücken.
    „Immer zu Euren Diensten, mein Herr“, sagte er und meinte nur: fick dich.
    Andre zog die Hand angewidert zurück, holte mit der anderen weit aus und versetzte Horst mit aller Kraft, die er aufzubieten hatte, zwei schlecht gezielte Backpfeifen.
    Deren Wucht verpuffte aber wirkungslos an der fleischigen Rübe des Henkers. Lediglich seine Lippen waren ein wenig in Mitleidenschaft gezogen. Die waren aber ohnehin schon so schwulstig, dass eine weitere Schwellung gar nicht ins Auge sprang.
    „Ich danke euch demütigst für die Streicheleinheiten. Ihr seid zu gütig, mein Herr“, sagte er und spuckte einen Mund voll Blut aus.
    Andre wurde zornig und versenkte seinen stählernen Stiefel in der Plauze des Scharfrichters.
    Angetrieben von ohnmächtiger Wut und ohne Rücksicht auf Verluste. Als er das überlegene Grinsen auf Horsts Gesicht sah, spürte er plötzlich, dass sein Fuß feststeckte, beinahe bis zur Wade verschlungen von einem unersättlichen Leviathan aus Fett.
    Nachdem es ihm mit einiger Mühe gelungen war, sich wieder zu befreien, und ihm klar wurde, dass er gegen den Henker so nicht ankam, machte er eine wegwerfende Geste und stieß einen resignierenden Seufzer aus. Schließlich ließ er sie alle stehen und zog sich wortlos in seine Gemächer zurück. Horst setzte ein Siegerlächeln auf und spreizte demonstrativ den Mittelfinger in Richtung seines Kontrahenten. Veni. Vidi. Vici.
    Geändert von Reizloser Sexgott (20.04.2011 um 23:58 Uhr)

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    Andre schlug die Tür hinter sich zu, verschloss sie, lehnte sich mit dem Rücken gegen das massive Buchenholz und ließ sich unter einem schweren Seufzer herabsinken. Einige Augenblicke saß er einfach nur da und spürte, wie sich sein Organismus nach und nach entkrampfte. Schutzräume schaffen, Distanz gewinnen, das hatte ihm sein Psychiater auf dem Festland eingebläut. Auf Khorinis, dieser Enklave der Zurückgebliebenheit, gab es natürlich keine Psychiater. Ob man gesund war oder nicht, hatten allein die Götter zu entscheiden. Hier wurden Menschen verbrannt, weil sie die Pest überlebt oder sich einfach nur einen Pickel ausgedrückt hatten.
    Andre erhob sich, zog die unbequeme Rüstung aus und schlüpfte in sein bevorzugtes Kleidungsstück. Einen leichten Morgenmantel aus purpurnem Satin. Dann marschierte er auf direktem Weg zur Latrine. Diesen Teil seines Wohnbereichs hatte er besonders extravagant ausstaffieren lassen. Zumindest für die Verhältnisse der Insulaner. Der Handwerker, den er beauftragt hatte, war von so viel Dekadenz schlichtweg entsetzt gewesen. Anstelle von Lehmboden gab es Fliesen, anstatt eines wiederverwendbaren Lumpens benutzte man Wegwerfpapier, um sich den Hintern zu wischen, und man hockte sich auch nicht wie gewöhnlich auf eine Sperrholzkiste, sondern thronte erhaben auf einer Art Schüssel aus weißem Porzellan. Den Gipfel der Verschwendungssucht markierte aber eine unheimliche Apparatur, die es erlaubte, die Latrine mit Wasser durchzuspülen, um etwaige Überbleibsel zu beseitigen. Ein Scheißhaus, das nicht nach Scheißhaus stinkt und obendrein aussieht wie ein Palast? Dem Handwerker war nur ein Wort dazu eingefallen: Blasphemie.
    Eine geheime Oase der Entspannung, für Menschen, die sie zu finden wissen - soweit der Rat von Psychiater Delirus. Andre ließ also seine Beinkleider herab und bestieg die weiße Porzellanschüssel. Zunächst machte er sich daran, sein großes Geschäft zu verrichten. „Der Genießer weiß es zu zelebrieren wie seine eigene Hochzeit“, wiederholte Andre laut und entspannte ganz langsam seine Schließmuskeln. Es war ein sehr klarer, fast erleuchtender Augenblick, als die Wurst seinen Mastdarm passierte und schließlich ins nichts plumpste. Er verharrte noch einige Sekunden, um ihn voll auszukosten, bevor er etwas Papier abriss, sich den Hintern damit wischte und den Spülapparat betätigte.
    Der Schlüssel zur totalen Entspannung liegt in der doppelten Stimulierung...
    Die Worte des Psychiaters hallten in Andres Kopf nach, als er eine der Bodenfliesen anhob, die nur lose befestigt war. Unter ihr kam eine flache Mulde zum Vorschein, die als Versteck für ein abgegriffenes Buch diente. Andre strich versonnen über den unscheinbaren Ledereinband, der den Titel: ‚Graf Fellatio’s gesammelte Kopulationen‘ trug. Er begann die vergilbten Seiten durchzublättern. Bereits die erste zierte ein Bildnis des besagten Grafen – sich in bevorzugter Pose nackt auf einem Kanapee räkelnd. Der animalische Blick sowie Wolfsbehaarung am ganzen Körper und ein monströses Wehrgehänge zwischen den Beinen signalisierten unkontrollierte Potenz.
    Es gab einen Grund, weshalb man dieses Machwerk nicht offen herumliegen ließ. Für die Innos-Kirche war es der Teufel in Buchform. Es auch nur zu berühren, war eine schlimmere Sünde als die eigene Mutter zu vergewaltigen. Graf Fellatio war bereits zu seinen Lebzeiten exkommuniziert worden. Für seine letzte Ölung hatte er sich angeblich anstelle eines Priesters eine Prostituierte kommen lassen. Nur eine von vielen Legenden, die über diesen zügellosen Adeligen kursierten.
    Dieses Buch erlaubt Euch jede Frau zu haben, die Ihr wollt. Zu jeder Zeit, überall und ohne die lästigen Nebenwirkungen, die Weiber aus Fleisch und Blut so mit sich bringen…
    Delirus hatte es seinem Patienten kurz vor dessen Abberufung nach Khorinis geschenkt. Er selbst hatte einst Graf Fellatio therapiert und war maßgeblich an der Entstehung des Buches beteiligt gewesen – wenn auch unfreiwillig. Als Maßnahme gegen seine exorbitante Paarungswütigkeit hatte er ihm empfohlen all seine Ausschweifungen bewusst zu dokumentieren. Wie man heute weiß, zeigte es dahingehend keine Wirkung. Allerdings hatte Fellatio so seine Leidenschaft für die erotische Literatur entdeckt, seine Abenteuer niedergeschrieben und tausendfach unters Volk gebracht. Eine Tatsache, von der alleinstehende Männer im ganzen Land bis jetzt profitierten. So auch Andre, der immer noch suchend die Seiten durchstöberte. Fellatio war sehr flexibel gewesen und bot etwas für jeden Geschmack. Egal ob man nun mollige Mägde, zierliche Burgfräulein, schmutzige Stallburschen oder gar Hühner und Schafe bevorzugte – man kam auf seine Kosten.
    Andre entschied sich heute für Mirabelle, eine barbusige Volksfestschlampe aus dem Süden. Mit ihr verbrachte er die nächsten zehn Minuten. Zur Einstimmung las er den Text. Dann blieben seine Augen an den farbenfrohen Illustrationen hängen, die Fellatio und seine Partnerin in Aktion zeigten. Andres geschulte Phantasie und seine rechte Hand erledigten den Rest.
    Geändert von Reizloser Sexgott (01.05.2011 um 19:54 Uhr)

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    11.

    Horst verteilte eine überproportionale Menge Schnupftabak auf seinem Handrücken, sog sie ein und wischte den Rest an seiner Hose ab. Dann wandte er sich dem Gefangenen zu.
    „Meine Mutter hat das Zeug immer braunes Gold genannt. Auch eine Prise?“
    Der Gefangene schüttelte den Kopf und lächelte. Ein seltsam süffisantes Lächeln. Horst zuckte die Schultern. Seine Augen tränten und bräunliches Sekret rann ihm aus der Nase in den Mund. Doch das schien ihn nicht zu kümmern. Er leckte es einfach mit der Zunge weg.
    „Weißt du, das, was gleich dort unten stattfinden wird, ist eine Herausforderung, der wir uns gemeinsam stellen müssen. Wir sollten uns also vorher etwas besser kennenlernen, uns austauschen, ein gesundes Vertrauensverhältnis aufbauen und so weiter. Ich mache mal den Anfang: Also ich bin der Horst und ich werde heute dein Scharfrichter sein. Auf gute Zusammenarbeit!“
    Der Henker spuckte in seine rechte Hand und reichte sie seinem Gegenüber. Der Gefangene machte aber keinerlei Anstalten sie zu ergreifen, sondern nickte nur höflich mit dem Kopf.
    „Ich bin der Gärtner und werde heute mein Leben verlieren. So viel zur guten Zusammenarbeit.“
    Etwas indigniert zog Horst seine Hand zurück. Es war ja nichts Ungewöhnliches. Keiner seiner Klienten hatte ihm jemals diese Ehre erwiesen. Ob es die Skrupel waren, eine Hand zu schütteln, durch die man in absehbarer Zeit sterben würde, oder die Abscheu vor seinen schwitzigen, dreckverkrusteten Wurstfingern – ein ewiges Mysterium. Aber wahrscheinlich war es beides.
    „Hast du keinen Namen?“
    „Ich bin der Gärtner. So heiße ich.“
    „Ich meine einen richtigen Namen. Einen Namen, der dich individuell macht.“
    „Hab ich doch. Ich bin der einzige Gärtner in Khorinis und das in der 15. Generation. Schon meine Urururgroßeltern haben ihren Kindern keine Namen mehr gegeben. Das erschien einfach überflüssig. Zumindest solange, wie alle Nachfahren der Familientradition folgen würden.“
    „Und? Haben sie das?“
    „Aber ja. Bis auf eine Ausnahme. Meine Schwester hat sich dem ältesten Gewerbe der Welt verschrieben. Also hat sie sich auf Nutte umtaufen lassen. Wer weiß, vielleicht gründet sie ihre eigene Dynastie.“
    Er zwinkerte dem Henker verschmitzt zu. Horst gähnte vernehmlich, schüttelte den Kopf und warf dem Gefangenen einen tadelnden Blick zu. Er hasste amateurhaftes Komödiantentum. Es sei denn, er selbst gab es zum Besten.
    „Na gut“, räumte der Gärtner ein, „das war jetzt weder besonders witzig, noch besonders pietätvoll. Meine Schwester ist nämlich tot. Aber dass sie zumindest vorhatte Nutte zu werden, das stimmt.“
    „Tatsächlich?“
    „Ja. Aber meine Mutter konnte das natürlich nicht zulassen. Also hat sie das Nudelholz genommen, um ihr klar zu machen, dass sie vom rechten Weg abgekommen ist. Leider hat sie’s ein bisschen zu gut damit gemeint. Und jetzt ist meine Schwester tot.“
    „Das tut mir leid.“
    "Mir auch. Sie hätte nämlich meine Frau werden sollen."
    „Ist ja ekelhaft“, sagte Horst und spuckte einen braunen Schleimklumpen auf den Boden.
    „Was meinst du?“, fragte der Gärtner verwundert.
    „Lass dir eins gesagt sein“, erklärte der Henker daraufhin, „was Inzucht angeht, ist weniger wirklich mehr. Das weiß ich aus Erfahrung.“
    Der Gärtner schüttelte vehement den Kopf.
    „Für uns war sie aber schon immer notwendig. Es ist nämlich eine erwiesene Tatsache, dass man zum Gärtner geboren sein muss. Man kann das Gärtnern nicht einfach lernen. Man hat es in sich oder eben nicht. Und da wir schon immer die einzige Gärtnerfamilie auf Khorinis waren, blieb uns gar nichts anderes übrig, als durch Inzucht eine reinerbige Gärtnerrasse zu schaffen, um unseren Fortbestand zu sichern. Ist das so schwer zu verstehen?“
    Horst zuckte die Schultern.
    „Es kommt einem halt so manches zu Ohren. Über Säuglinge mit Ringelschwänzen oder zwei Arschlöchern und so…“
    „Dumme Vorurteile“, wiegelte der Gärtner ab. „Ich werde es dir beweisen. Pass auf.“
    Er zog sich mit den gefesselten Händen mühsam die Hose runter, drehte sich um und präsentierte Horst erwartungsvoll sein nacktes Hinterteil.
    „Und? Siehst du da etwa irgendwo ein Ringelschwänzchen?“
    Horst kam näher und betrachtete prüfend das ihm dargebotene Gesäß.
    „Nein“, sagte er schließlich, „aber da, wo es sein sollte, eine ziemlich hässliche Narbe.“
    „Wie bitte?“, fragte der Gärtner ungläubig.
    „Bist du schwerhörig? Eine Narbe! Ist ungefähr so groß wie der zermalmte Kadaver eines Spatzen, der unter ein Fuhrwerk gekommen ist. Und sieht übrigens genauso aus.“
    „Pah, und wenn schon. Da ist kein Ringelschwänzchen. Der Beweis ist also erbracht!“
    „Nichts da! Das ist kein Beweis“, beharrte Horst. „Da hätte ja sonst was sein können. Vielleicht sogar ein zweiter Schwengel oder ein drittes Bein.“
    Der Gärtner seufzte, zog sich die Hose wieder hoch und drehte sich um.
    „Du lässt dich wohl durch gar nichts überzeugen, was?“
    Der Henker dachte einen Augenblick nach, während er sich ausgiebig im Schritt kratzte.
    „Vielleicht doch“, sagte er irgendwann. „Lass uns mal nachsehen, wie viele Eier du in der Hose hast.“
    Der Gärtner nahm den Vorschlag sofort an, entblößte bereitwillig seinen Intimbereich und wackelte mit einer ungeraden Anzahl an Samenspeichern.
    „Das hast du’s“, verkündete er triumphierend. „Drei Stück. Wie sich’s gehört.“
    Horst wich im ersten Augenblick beinahe ehrfürchtig zurück. Dann kam er näher, um sich ein genaueres Bild zu machen.
    „Die Götter haben wirklich Humor“, stellte er fest, nachdem er den dreifaltigen Hodensack des Gärtners eingehend begafft hatte.
    „Was soll das heißen?“, argwöhnte der Gefangene.
    „Das soll heißen, dass du dir einen Platz im Panoptikum der Missgeburten verdient hast.“
    Bei diesen Worten lockerte er seinen Gürtel und zog sich seinerseits die Hose runter.
    „So gehört sich’s!“, verkündete er und lüftete das dichte Gehölz zwischen seinen Beinen.
    Der Blick des Gärtners fiel einen Moment lang nach unten und ein süffisantes Lächeln spielte um seine Züge.
    „In einem Punkt hast du Recht gehabt“, sagte er mit spöttischem Unterton. „Die Götter haben tatsächlich Humor. Schwarzen Humor. Sie sind geradezu tragikomisch.“
    „Damit spielst du wohl auf dich selbst an“, entgegnete Horst und verschränkte lässig die Arme vor der Brust.
    Der Gärtner schüttelte den Kopf, während sein Grinsen immer breiter wurde.
    „Ich kann mir ehrlichgesagt nichts Tragikomischeres vorstellen, als nur ein mickriges Ei in der Hose zu haben. Mein Beileid, du halbes Neutrum.“
    Derartig düpiert verbarg der Henker seinen singulären Hoden wieder zwischen den Schamhaaren. Aber an Kapitulation dachte er noch lange nicht.
    „Wir werden ja sehen, wessen Hoden hier die witzigeren sind!“, tobte er. „ Bald wirst du dir vorkommen wie der letzte Brocken Scheiße am Arsch der Welt!“
    „Wie willst du das denn bewerkstelligen?“
    „Einfach indem wir die Klöten eines Dritten begutachten.“
    Daraufhin klatschte Horst dreimal laut in die Hände und schrie nach seinem Untergebenen Olaf, der eben noch auf ein paar Strohsäcken hinter der Kaserne ein Nickerchen gehalten hatte.
    „Da bist du ja endlich, du faule Totgeburt“, wurde er von seinem ungeduldigen Chef willkommen geheißen, als er gähnend heran geschlurft kam.
    „Zeig deine Eier her!“, befahl Horst. „Und keine dämlichen Fragen.“
    Olaf, der es gewohnt war, sinnentleerten Anweisungen auf der Stelle und ohne Widerworte Folge zu leisten, zuckte nur die Schultern und tat, wie ihm geheißen. Immer noch im Adamskostüm, machte er die Beine breit und präsentierte seine Bestückung.
    Henker und Gärtner sahen zeitgleich Olafs Gehänge, worauf ihnen ein fast synchroner Laut des Ekels entfuhr. Ihre Gesichter verzogen sich.
    „Pervers!“
    „Widernatürlich!“
    „Monströs!“
    Das waren ihre Kommentare zu Olafs Hodenduett.
    Henker und Gärtner sahen sich an, in dem Wissen, dass sie eine ausweglose Pattsituation erreicht hatten.
    „Unentschieden?“
    „Unentschieden.“
    Geändert von Reizloser Sexgott (05.05.2011 um 13:41 Uhr)

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    Andre ging zum Weinschrank, schloss auf, nahm eine Flasche Chardonnay heraus, schloss wieder ab, zögerte einen Augenblick, öffnete das Schloss erneut und zog zwei weitere Flaschen hervor. Ihr solltet unsere Ansatzpunkte weiterverfolgen. Legt Euch auf das Sofa, genehmigt Euch ein Gläschen Wein, stellt Euch vor ich wäre da und fangt einfach an zu erzählen…
    Vom Weinschrank führte Andres Weg ihn zu der Vitrine, in der Familiengeschirr und Tafelsilber lagerten. Er griff sich ein Weißweinglas, ging zu dem kleinen Beistelltischchen neben dem Sofa, stellte Glas und Flaschen darauf ab und begann nach der Katze zu suchen. Er folgte dabei einer inneren Eingebung und dem beißenden Fäkaliengestank, der aus seinem offenen Kleiderschrank drang. Er fand das Tier fett und träge in seinem Lieblingshut dösend. Es hatte sich wohl gerade erleichtert und seine Hinterlassenschaften in einem Stapel parfümierter Unterhosen verscharrt.
    „Ach Rosi, du kleines Ferkel“, tadelte er sie liebevoll. „Na komm.“
    Die Katze gab ein ungehaltenes Murren von sich, als sie samt Hut aus dem Schrank gehoben wurde.
    „Na, bist aber du ein braves Kätzchen.“
    Was eine resolute Hausfrau gewiss mit dem Besen oder einer Portion Rattengift sanktioniert hätte, belohnte Andre mit zuckersüßen Streicheleinheiten. Rosi ließ alle Belästigungen duldsam über sich ergehen, schüttelte sich einmal kräftig aus und schlief weiter. Alles unter den verliebten Augen ihres Herrchens, das ohne Skrupel die ganze Stadt hätte niederbrennen lassen, nur um sie für zwei Minuten schnurren zu hören.
    „So, jetzt leistest du mir ein wenig Gesellschaft“, sagte Andre und setzte Rosi auf einem Stuhl neben dem Sofa ab. Das Tier schien mäßig begeistert. Rosi war eine Kreuzung aus gemeiner Haus- und räudiger Straßenkatze. Sie hatte die Farbe des winterlichen Laubwaldes und machte stets ein Gesicht, als hätte sie ihre eigene Kotze gefressen, was bestimmt nicht selten vorkam. Sein Psychiater hatte einmal gesagt, dass Rosi eine Art Kompensation für Andres Mutterkomplex wäre. In der Tat war die Ähnlichkeit zwischen beiden Damen frappierend, was ein Ölgemälde an der Wand bewies. Die weißen Schnurhaare, die matronenhafte Figur, das wuchernde Winterfell und die herabgezogenen Mundwinkel – sie hätten Schwestern sein können.
    Andre entkorkte eine Flasche Wein, füllte sich das Glas voll und legte sich auf das Sofa.
    „Weißt du Rosi, dass du mich an meine selige Frau Mutter erinnerst“, sagte er versonnen, während er das Porträt an der Wand betrachtete. Rosi begann sich mit den Hinterläufen am Ohr zu kratzen, was eine wahre Haarfontäne aufsteigen ließ.
    „Ja, ja, schon gut. Ich erwähne das jedes Mal. Ich weiß.“
    Er stürzte den Wein in einem Zug hinunter und machte das Glas ein zweites Mal voll.
    „Aber weißt du“, sagte er nach einem Moment des Schweigens, „Ihre natürliche Anmut, ihre Güte, ihre Wärme, all das spiegelt sich in dir wieder, mein Kätzchen…“
    Rosi fauchte ihn wütend an, als wollte sie sagen: Jetzt halt schon die Fresse, du verweichlichte Transe! Ein Satz übrigens, den ihm seine Mutter bevorzugt zugerufen hatte, wenn sie mal wieder – wegen der Wechseljahre, dem Wetter oder einfach nur aus Langweile – in beste Kinder-Quäl-Laune geraten war. Der kleine Andre hatte sich damals immer unter dem Bett verkrochen, um den mütterlichen Zuwendungen zu entgehen. Sein erwachsenes Ebenbild hingegen nuckelte lieber wie ein Säugling an der Weinflasche.
    Und immer wenn er es tat, verdammte er sich dafür. Denn der Wein war eine schmerzhafte Reminiszenz an seinen Vater. Dieses unschuldige, von ihm so verachtete Projektionsobjekt seiner frühkindlichen Komplexe und Traumata, wie es Andres Psychiater medizinisch-prätentiös formuliert hätte. Tatsächlich hasste der Stadtkommandant seinen Vater mindestens ebenso so leidenschaftlich wie er seine Erzeugerin vergötterte. Auch den alten Herrn hatte er ständig im Blick, wenn er auf dem Sofa lag. Sein Porträt hing neben dem seiner Gemahlin. Ein rundlicher Kerl mit einem dicken Kirschtortengesicht und vergnügter, roter Schnapsnase. Auf dem Bild trug er einen Morgenmantel und prostete dem Betrachter mit einem Glas Wein zu. Er sah aus wie ein freundlicher Penner, seine Gattin dagegen wie eine frigide, puritanische Nonne, die Kindern zur Vergebung ihrer Sünden die Haut abzog, um die frisch gehäuteten Schützlinge anschließend in einem Bottich mit Salzlake zu baden.
    Ersehntes Ideal und mahnendes Beispiel in so enger Korrelation vor Augen zu haben, stürzte Andre stets aufs Neue in einen inneren Zwiespalt. Er liebte den Wein und die Bequemlichkeit. Dann sah er den Vater, der ihm seine eigene Lasterhaftigkeit vorhielt, die Mutter, die ihn mit rügenden Blicken durchbohrte, und schließlich sich selbst, den labilen, lethargischen Alkoholiker. Das Ergebnis war Frust und Andres Reaktion bestand darin, einfach weiter zu saufen bis die Keimzelle dieser Frustration aus seinem Bewusstsein gespült war. Eine Methode, die nie zum gewünschten Erfolg führte. Stattdessen brachte es ihn auf immer groteskere Ideen, seinen Ödipus-Komplex zu verarbeiten.
    Während also die Welt um ihn herum zunehmend an Kontur verlor und drei identische Katzen auf drei identischen Stühlen vor sich hin schnarchten, griff Andre etwas unbeholfen zu einer länglichen Schatulle, die neben ihm auf dem Beistelltischchen stand. Er drapierte sie zunächst auf seinem Schoß, zog den Gürtel des Bademantels aus den Schlaufen, knotete ihn energisch um seine Stirn und öffnete das Kästchen. Es enthielt fünfzehn auf Seide gebettete, schartige Messer mit kurzen breiten Klingen.
    „Das ist der Tag der Abrechnung“, lallte er pathetisch und fixierte den Vater mit zusammengekniffenen Augen. Er nahm eines der Messer heraus und visierte hochkonzentriert an. Sein Blickfeld schwankte und er konnte nicht recht unterscheiden, ob nur seine Hand zitterte oder ob der ganze Raum um ihn herum in beständigem Rhythmus oszillierte. Es hatte schon zahlreiche Tage der Abrechnung gegeben und die Tatsache, dass das Porträt des Vaters bisher unversehrt geblieben war, zeigte, wie erfolgreich sie verlaufen waren.
    Andre verschwieg diese alternativen Methoden vor seinem Psychiater. Männliche Familienmitglieder mit phallusartigen Gegenständen zu bewerfen, ist ein unzweideutiger Hinweis auf eine unterdrückte homosexuelle Neigung, hätte der vermutlich geurteilt.
    Und homosexuelle Neigungen – ob nun unterdrückt oder offen ausgelebt – hatten auf Khorinis meist unangenehme Konsequenzen. In der Regel wurde der Delinquent solange mit einer glühenden Lanzenspitze und etwas Schmierfett bearbeitet, bis er den homosexuellen Geschlechtsakt als äußerst schmerzhaft empfinden musste.
    Geändert von Reizloser Sexgott (02.06.2011 um 18:27 Uhr)

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    Hasan kam schnellen Schrittes die Treppe zur Milizkaserne emporgestürmt. Immer wieder blickte er nervös hinter sich und auf den Mob, in dem es erneut zu gären und zu brodeln begann. Er fand Horst und den Gärtner in einen hitzigen Disput über Vor- und Nachteile des innerfamiliären Vögelns verwickelt. Der nackte Hilfshenker räkelte sich auf ein paar alten Holzkisten und sägte laut vor sich hin. Hasan konnte nicht fassen, was er da sah.
    „Kannst du vielleicht mal deinen Puddingarsch da runter schwingen und endlich anfangen!“, blaffte er den Henker an.
    „Entspann dich“, entgegnete Horst ganz seelenruhig, „wir liegen perfekt im Zeitplan, jede Minute, die sie länger warten müssen, steigert nur ihre Vorfreude…“
    Hasan fuhr ihm barsch über den Mund.
    „Hör mal, du selbstgefällige Analflöte, solange die sich vor lauter Vorfreude gegenseitig die Fresse polieren, soll mir das recht sein, aber sobald sie anfangen uns auf die Pelle zu rücken, hört der Spaß auf!“
    „Was soll das nun wieder heißen?“
    „Das soll heißen, dass diese Irren gerade dabei sind Roy zu lynchen, sozusagen als kleine Geste der Vorfreude!“
    „Sie wollen ihn doch nicht etwa aufknüpfen, oder?“, erkundigte sich der Henker besorgt.
    „Ganz genau das haben sie vor! Und der Idiot is so sternhagelvoll, dass er glaubt, sie wollen ihn nur mal eben hochleben lassen für seine ungeheuren Verdienste um dieses Pissloch von einer Stadt.“
    „Scheiße“, entgegnete Horst, „das kann ich nicht zulassen!“
    Hasan wirkte erstaunt ob der entschlossenen Reaktion des Henkers.
    „Und ich war mir sicher, dass du’s ihm von ganzem Herzen gönnen würdest…“
    Horst spuckte aus.
    „Das tue ich auch“, sagte er, „und wenn sie ihm nur mit Maßkrügen seine weiche Birne pürieren würden, hätt‘ ich damit nicht das geringste Problem, glaub mir. Aber ich kann einfach nicht zulassen, dass diese Bande von Amateuren meine Kunst entweiht!“
    Hasan seufzte.
    „Na, dann leg doch endlich los!“, sagte er.
    Horst schüttelte energisch den Kopf.
    „Da sieht man mal wieder, dass ihr alle mit ‘nem hirnfressenden Bandwurm im Schädel geboren wurdet! Keine Spur von Professionalität!“, fuhr er die Stadtwache an. „Bevor ich meinen Klienten nicht eingewiesen und wir den protokollarischen Ablauf nicht bis ins letzte Detail durchgegangen sind, gibt es keine Hinrichtung!“
    Hasan verdrehte genervt die Augen.
    „Kannst du ihn nicht einfach ohne Schikanen aufknüpfen?“
    „Kannst du nicht einfach die Fresse halten! Ich hab schließlich einen Ruf zu verlieren!
    Mein Publikum ist perfekt durchchoreographierte Programme gewohnt. Soll ich jetzt plötzlich wie ein blutiger Dilettant arbeiten, nur weil du dir deinen rosa Rüschen-Tanga einnässt? Weshalb soll ich den Leuten einen Haufen Scheiße vorsetzen, wenn sie einen Berg voll Gold haben könnten?“
    Hasan sah ihn verständnislos an und zuckte schließlich mit den Schultern.
    „Mir fällt grade ein, dass mir das alles an meinem Hämorriden geplagten Arsch vorbei geht“, sagte er, gähnte herzhaft und rieb sich die Augen.
    „Ich hab andere Sorgen. Um die Mittagszeit is meine Alte immer besonders rollig und ich hab die letzte Nacht im Puff durchgehurt. Meine Eier fühlen sich an wie Bratkartoffeln.“
    Horst schenkte ihm ein wenig empathisches Grunzen.
    „Das Problem haben wir doch alle…“
    „Du kennst aber meine Alte nicht!“, entgegnete Hasan. „Was ich da so tagtäglich in unserem Schlafzimmer durchleiden muss, hält sie für meine ehelichen Pflichten. Ich würd es einfach nur Vergewaltigung nennen!“
    Horst winkte ab.
    „Sex mit der eigenen Frau fühlt sich doch immer wie Vergewaltigung an, oder zumindest wie Prostitution. Man tut es eigentlich nur, um zu überleben. Um kein Gift im Essen zu haben oder um morgens nicht die eigenen Klöten im Frühstücksbrei vorzufinden. Wir sind alle Leidensgenossen, aber immerhin gibt es Möglichkeiten, das Ganze zu erleichtern…“
    Hasan wurde hellhörig.
    „Und die wären?“, fragte er neugierig.
    Horst schüttelte lächelnd den Kopf.
    „Alles hat seinen Preis, mein Bester. Was bekomme ich denn für meine lebensrettenden Ratschläge?“
    Hasan kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    „Naja“, meinte er, „Roy schuldet mir noch ein paar Münzen. Falls er die Sache heil übersteht, sprich ihn einfach drauf an, falls nicht, durchwühl seine Taschen und nimm dir, was du brauchst. Aber du solltest schnell sein. Der Mob da unten ist mindestens genauso raffgierig wie du.“
    Horst grunzte zufrieden.
    „Du schmeichelst mir“, entgegnete er leicht verlegen. „Aber nun zu meinem Teil der Abmachung. Den meisten Männern dürfte irgendwann aufgefallen sein, dass das durchschnittliche Eheweib so fett ist, dass es gar nicht mitkriegt, was unterhalb seiner monströsen Euter vor sich geht – oder wie es da aussieht. Sonst würde es wahrscheinlich verstehen, warum ihr Gatte filzlausverseuchte Hinterhofnutten vorzieht…“
    Er zwinkerte Hasan zu, aber der verzog nur das Gesicht.
    „Ich wollte keine Klugscheißer-Antwort“, entgegnete er lapidar. „Ich weiß, warum ich in ‘n Puff gehe!“
    Horst mahnte ihn zur Geduld:
    „Gemach, mein Lieber, das Beste kommt doch noch. Wenn sie nicht spitzkriegt, was unterhalb ihrer Titten passiert, hat sie auch keine Ahnung, was sich zwischen ihren Beinen abspielt, oder? Und das kann jeder untreue Hurenbock zu seinem Vorteil nutzen. Kannst du mir jetzt folgen?“
    In Hasans Kopf griffen langsam einige verrostete Zahnräder ineinander.
    „Dann muss ich sie also gar nicht wirklich ficken, richtig?“, fragte er zögerlich.
    „Zumindest nicht im konventionellen Sinn“, bestätigte der Henker, „ denn deine Fleischpeitsche kannst du getrost im Schrank hängen lassen.“
    „Und was soll ich sonst benutzen, n‘ Besenstiel vielleicht?“
    „Das wär schon ein guter Anfang“, sagte Horst. „Aber dir würd ich eher zum kleinen Finger
    raten. Sonst schöpft sie noch Verdacht.“
    Er klopfte ihm laut lachend auf die Schulter.
    Geändert von Reizloser Sexgott (25.06.2011 um 12:22 Uhr)

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