Müde als auch geschafft lümmelte Sheila in ihrem alten Schaukestuhl und genoss die Annehmlichkeit, auf welche die Frau für ihren Geschmack in letzter Zeit viel zu oft hatte verzichten müssen. In gleichmäßig sachtem Rythmus wippte sie leicht vor und zurück, jedoch ohne dass es ihr dabei gelang ihren Kopf frei zu bekommen, von den Gedanken die sie plagten.
Während ihre Rechte noch immer schlapp von der Lehne herabhing und die tiefschwarze Flasche schwenkte, musterte sie das leere Glas in ihrer anderen Hand.
Feiner Staub hatte sich wie Schnee auf der schimmernden Oberfläche der großen Schale niedergelassen und mit einem zarten Pusten stob er auf in die Luft, wo er sich schließlich im Nichts verlor. Man merkt dass du lang weg warst!, sprach Sheila zu sich selbst mit einem Augenrollen und stellte das Glas neben sich auf den Tisch.
Ihre Entscheidung war eindeutig zu Gunsten des Weins gefallen und so entkorkte sie gemächlich die schwere Flasche.
Mit einem lauten Plopp! löste sich der Korken vom Hals und jagte alsbald wie ein Bolzen durch das runde Turmzimmer, direkt auf Muck zu, der mit weit aufgerissenen Augen und lautem Kreischen dem Geschoss auswich. Sogleich nachdem das Tier bemerkt hatte, dass es offensichtlich noch am Leben war, begann es sich lautstark bei seinem Herrchen über die Attacke zu beschweren.
"Halt deine vorlaute Klappe, Affe! Sonst werd ich Abu Din DEINEN statt Candaals Kopf präsentieren!

Muck schwieg. Scheinbar spürte er die Anspannung in Sheilas Stimme und vor allem ihre Wut darüber, dass Wun Aba noch immer am Leben war.
Überhaupt verlief die ganze Geschichte weitaus weniger erfoglreich, als es sich die zukünftige Assassine vorgestellt hatte. Wie lange rannte sie dem Kerl nun schon hinterher?
Moment, nein! ER war es gewesen, der sie zuerst aufgesucht hatte. Unfassbar, seit wann liefen die Opfer denn bitteschön freiwillig zu ihren Mördern?
Vermutlich nur, wenn sie sich selbst ebenso als Täter sahen und die Rollenverteilung in ihren Augen genau umgekehrt war.
Sheila schüttelte energisch ihren Kopf und goß sich einige Schlucke des tiefroten Getränks in ihr Glas.
Bedächtig schwenkte sie es ihm fahlen Licht der Fackeln und begutachtete das, was für den heutigen Abend in nicht geringer Menge ihren Durst stillen sollte.
Gewisse Dinge bedürfen eines angemessenen Umgangs!, sagte sie sich und verdrängte den Gedanken daran, wie unvorteilhaft es war sich dem Alkohol hinzugeben, wenn das eigene Leben auf dem Spiel stand.

Während sie genüßlich den ersten Schluck in ihrem Mund hin und her spülte lies Sheila ihren Tag revue passieren.
Von Candaal hatte sie in der Stadt keine Spur gefunden. Weder in der Roten Perle, noch in den Trümmern des Hauses, dass er so liebevoll für sie entflammt hatte. Sinnlos war sie durch die Straßen und Gassen gezogen, hatte Leute befragt und versucht weitere Details über ihre Zielperson herauszufinden - aussichtslos!
Erst spät am Abend hatte sie von etwas gehört, dass ihre Aufmerksamkeit erregte. Ein Ball im Kastell.
Nun, sicher war der Schwarzhaarigen im Augenblick nicht nach Tanzen zumute. Jedoch beschlich sie das Gefühl, dass auch Candaal sich die Möglichkleit nicht würde entgehen lassen und die beiden dort aufeinander treffen könnten. Beim Tanzen erwürgt, wie romantisch!, schoss es ihr durch den Kopf und ein leises Kichern schlich sich über ihre vom Wein benetzten Lippen.