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    Held Avatar von Rhodgar
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    Rhodgar ist offline
    Rhodgar war unfähig, auch nur ansatzweise mehr einen klaren Gedanken zu fassen. Er wirbelte umher, überschlug sich und machte Spiralen, alles natürlich vollkommen unbeabsichtigt und durch den ungebremsten Flug immer weiter angestachelt. Die Haare peitschten ihm wie tausend ledrige Striemen durch das Gesicht, Robenärmel und das untere Ende des eleganten Nähwerkes flogen nur so umher. Blut schoss dem Magier in den Kopf. Ein Druck entstand, und Rhodgar hatte das Gefühl, als platze ihm jeden Moment der Schädel.
    Wenn er einmal in die Position kam und einen minimal gehaltenen, nur den Bruchteil einer Sekunde andauernden Blick nach oben werfen konnte, dann stellte er mit jedem Mal fest, dass das sowieso schon so dämmrige und schwache Licht von Bakarum immer kleiner wurde, und es drohte ganz zu verschwinden.
    Und er? Würde er ewig fallen? In ein nie enden wollendes Loch gestoßen, auf ewig verdammt dazu abzusacken? Oder würde er in einem Moment auf harten Stein aufschlagen? Dann wäre es aus.

    Wieder drehte Rhodgar sich einmal um sich selbst, und dieses Mal schaffte er es für ein paar Sekunden so zu fallen, dass er den dahin schwindenden Lichtpunkt der Niederstadt noch im Blickfeld hatte.
    Alles lief wie schematisch aneinandergereiht, langsam und träge (natürlich nur vor seinem geistigen Auge, die Zeit ließ sich in der Realität nun einmal leider nicht verlangsamen).
    Und Rhodgar schrie. Machte damit dem Druck in seinem Kopf ein wenig Luft, befreite sich von der beklemmenden Furcht. Er schrie um sein Leben, wenn doch wissend, dass ihn alle noch so lauten Schreie nicht auffangen würden, seinen Sturz nicht abfedern und ihn retten könnten. Doch er schrie.
    Mit einem Mal sah er Bilder vor den Augen, die seine Rufe in der Kehle erstickten. Klar und deutlich, beinahe sogar noch schärfer als Erinnerungen an sich. Denn es handelte sich bei diesen Wahrnehmungen ganz eindeutig um Dinge, die er bereits erlebt hatten. Sein gesamtes Dasein zog noch einmal an ihm vorbei. Das waren dann wohl die berühmten letzten Augenblicke vor dem Ende.
    Seine Kindheit... der Überfall auf das Dorf... seine ersten Schritte in der Welt da draußen... und dann folgten die Bilder, die in direkter Verbindung mit dem Erlebten im Zirkel standen. Rhodgar hatte dieser Gemeinschaft bereits einen großen Teil seines Lebens gewidmet.

    Und er bereute keine einzige vergangene Sekunde.

    Plötzlich wurde sein fallender Körper von einem Ruck durchschüttelt. Sein Hinterkopf schlug hart in den Nacken, sodass er für einen Augenblick Sterne vor Augen sah. Doch Rhodgar war noch immer im Stande zu fühlen, dass er nicht mehr fiel... dass er festgehalten wurde. Zwischen all den Funkellichtern, die seinen Blick durchzogen, glaubte er eine schemenhafte Figur zu erkennen. Mehr auszumachen war bei dieser Dunkelheit unmöglich.
    Der Magier spürte, wie sich der Gürtel um seine Hüfte spannte, ihm beinahe die Luft abdrückte. Jappsend und keuchend versuchte er trotz des Schocks, den Arm zu ergreifen, an dem die Hand hing die ihn da ergriffen hatte. Er umklammerte das doch eher schmale Handgelenk, tastete sich bis zu dem Oberarm vor und umfasste schließlich den Bauch der Person, die ihm offenbar an einer dieser Lianen hinterher gesprungen war. Für Rhodgar stand fest, ganz gleich ob Mann oder Frau, derjenige würde einen Kuss bekommen, wenn sie... naja, sollte es ein Mann sein reichte eine Umarmung aber doch... wenn sie wieder "festen" Boden unter den Füßen hatten, wovon man bei der Niederstadt ja nie wirklich sprechen konnte.
    Das alles geschah in einer fließenden Bewegung. Den Schwung nahm die Person mit, und hangelte sich, dem noch immer betäubten Schwarzmagus eine Halterung bietend, hoch, höher, bishin zur Kante des Abgrundes, in den sie sich eben noch so wagemutig gestüzt hatte.
    Doch so ganz reichte der Schwung auch nicht. Es war abzusehen, dass die beiden es nicht schaffen würden, wieder auf dem Boden zu landen, das Seil würde vorher wieder zurückschwingen.

    Doch was diese personifizierte Verrücktheit nun tat, das war eine Mischung aus Wahnsinn, Geisteskrankheit, Tollkühnheit, Heldenmut, Akrobatik und einer Menge Glück. Im toten Punkt der Schwingung machte sie einen gewaltigen Satz, sodass sie mit ihrer Hand den Rand des Loches umfassen konnte. Allerdings würde sie es nicht mehr schaffen, Rhodgar und sich selbst über die Klippe wieder hochzuziehen.

    Benebelt sah der hohe Schwarzmagier nach oben, und das einzige was er in dem nun besser bestellten Licht erkannte, war die goldene Mähne. Wärme breitete sich aus in seinem Herzen, und seine Augen klappten entspannt zu.
    Danke... dachte er.

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    Martin sah in die Tiefe. Hinter ihm lief der Magier, der sich als Seraphin vorgestellt hatte, Furchen in die Erde.
    „Wie lange, als wir das letzte Mal gemessen haben?“ fragte Thomas leise. Martin zuckte die Schultern.
    „Keine Ahnung. Sie wäre jedenfalls die erste, die aus solchen Tiefen wiederkehrt.“
    Seraphin sah auf, schien etwas sagen zu wollen, doch schwieg dann wieder.
    Martin sah ihn nervös an.
    „Was meinst du? Hat er das vorhin ernst gemeint?“ flüsterte er Thomas zu.
    Sein Freund nickte grimmig. „Ich würde lieber keine Magier unterschätzen.“
    „Was machen wir dann…“ fragte Martin.
    „Keine Ahnung. Beten, das es kein dann gibt…“ schlug Thomas vor.
    Da wurden Fackeln in der Tiefe sichtbar und rufe laut.
    „Das glaub ich ja nich…“ flüsterte Martin und stieß seinen Freund in die Rippen.
    Seraphin bemerkte es ebenfalls. Er stürzte an das Geländer und starrte in die Tiefe.
    Und da kamen sie. Mehre in Tüchern vermummte Männer kletterten an Seilen empor. Auf dem Rücken hatte einer Rhodgar, ein anderer Mona.
    „Rhodgar!!!“ brüllte Seraphin, den Tränen der Erleichterung nah. Der hohe Schwarzmagier hob den Kopf, grinste schwach und reckte eine Hand empor.
    Martin und Thomas atmeten tief durch.


    So saßen sie vor ihnen, die Magier, die es eigentlich nicht mehr gab. Nur noch in Geschichten, schon zu alt, um Bedeutend zu sein, aber noch nicht alt genug um als Märchen durchzugehen.
    „Also, ihr werdet heute erstmal in meiner Hütte schlafen. Ich penne vor der Tür.“ meinte Martin. Er deutete in den kleinen Wohnraum.
    „Sicher nicht das was ihr sonst gewohnt seid…“ Er zuckte die Schultern. „Aber wir haben nicht mehr.“
    Seraphin nickte. Rhodgar lehnte erschöpft im Türrahmen.
    „Nun, Morgen reden wir, okay? Warum ihr hier seid und das alles…“ Damit verabschiedete er sich und ließ die Männer allein.

    Thomas stand im Halbschatten einer nah gelegenen Hütte und begrüßte ihn neugierig.
    „Und? Was haben sie gesagt? Waren sie noch sauer?“ fragte er.
    Martin winkte grinsend ab.
    „Es sind Magier, selbst die brauchen Mal einen Augenblick Ruhe vor dem knappen Tod. Lass sie schlafen. Morgen wird sich alles klären.“ Damit ging er weiter.
    „Bringen sie gutes oder schlechtes?“ fragte Thomas noch kleinlaut.
    Martin blieb stehen und seufzte. „Mein Onkel hat mir gesagt, dass die Magier wie Regen in einer Wüste sind. Sie bringen leben…doch sind sie zu lange da, bringen sie Tod. Lass uns abwarten, was uns jene dort bringen wollen.“ Damit ging er weiter. Zu seiner ehemaligen Geliebten. Nach diesem Stress hatte er Appetit auf Sex bekommen.

  3. Beiträge anzeigen #103
    Ehrengarde Avatar von Renata
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    Renata ist offline

    Archiv der Magier, Hochfeste

    Renata holte tief Luft. Estragon, der alte Estragon, war zurück. Gut, wenn er Ruhe wollte, konnte er Ruhe haben. Fast hätte sie ihm - nachdem sie ihm den Wasserschlauch in die Hand gedrückt hatte - noch ein „pöh“ zugerufen, konnte sich aber gerade noch bremsen. Sie begnügte sich erst einmal damit, aus dem Kreis der Blätter wieder heraus zu treten und mit verschränkten Armen zuzusehen, was ihr offenbar so durstiger Gildenbruder denn vorhaben mochte. Im Augenblick schien dieser es auch nicht so recht zu wissen, trinken tat er jedenfalls nicht. Etwas unentschlossen drehte er sich wie suchend in den zum Rund ausgelegten Seiten hin und her. Dann goss er etwas Wasser in die hohle Hand. Eine umständliche Art, zu trink…, dachte die Magierin gerade ansatzweise, als Estragon das Wasser auf eines der Blätter träufelte. Er wird sie verderben! schoss es ihr durch den Kopf, fast wäre sie zurück in den Papierkreis gesprungen um sich die Verfärbung des angefeuchteten Papiers, die sie von ihrem jetzigen Standpunkt schon sehen konnte, aus der Nähe zu betrachten. Aber nein, sollte der Rätsellöser doch seine Ruhe haben. Ihre Neugier trieb sie dann außen um den Ring herum zu diesem Zettel, über den auch Estragon sich schon beugte. Zähne und Lippen hatte sie fest aufeinander gepresst, damit ihr nicht noch aus Versehen eine Frage entfleuchte. Schließlich hatte sie auch ihren Stolz.

    Auf dem Papier, auf das sie jetzt beide sahen, war an den nassen Stellen deutliche Zeichen und Buchstabenreihen zu erkennen, ganz unabhängig von den die Seiten kreuz und quer durchschneidenden und über den Rand hinaus laufenden Sätzen, zu klein geschrieben jedoch, als dass Renata es aus dieser Entfernung hätte lesen können. Estragon starrte immer noch gebannt auf das Blatt, nickte ein paar mal, murmelte etwas von „…ja, genau! Das ist es doch…“ und nahm einen großen Schluck aus dem Wasserschlauch. Doch statt herunter zu schlucken spuckte er das Wasser in einem feinen Nebel über die ausgebreiteten Blätter. Zu dem Zeitpunkt wunderte es Renata schon nicht mehr, dass auch auf den anderen angefeuchteten Seiten Zeichen erkennbar wurden, wo vorher keine waren…. Gebannt starrte Estragon auf dieses neuen Schriften, nahm eines der Blätter auf, legte es wieder ab und nahm ein anderes. Dann erinnerte er sich offenbar, dass er nicht alleine hier war und sah etwas verblüfft zu der immer noch schweigenden (und darauf stolz seienden) Magierin. „Was sagst Du dazu...?“ fragte er etwas atemlos. Renata sagte erstmal immer noch nichts und schenkte ihm statt dessen das breiteste und strahlendste Lächeln, das sie im Moment entbehren konnte.

    „Na gut…“ meinte er, straffte sich und begann dann, vorzulesen: „… Du, der Du das gut versteckte Geheimnis entdecktest und nun diese Zeilen liest, sei gewarnt. Lass Dir gesagt sein, dass….

  4. Beiträge anzeigen #104
    Ritter Avatar von Estragon
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    Estragon ist offline
    „Warum beginnen solcherlei Schriften immer mit den selben Warnungen?“ fragte Renata mürrisch.
    „Weil es gefährlich ist solcherlei Schriften zu lesen.“ meinte Estragon abwesend und überflog die nächsten Zeilen. Immer schneller jagten seine Augen über das Papier. Immer gieriger saugte sein Verstand an den Worten. Sein Herz jedoch begann zu frösteln.
    „Scheint eine Art Tagebuch zu sein. Ein Bericht über den Aufstieg der Priesterschaft.“ meinte er vorsichtig. Renata trat neben ihn.
    Estragon blieb plötzlich hängen…einfach hängen. Er schüttelte den Kopf und las die Zeile erneut. „Das kann nicht stimmen…“ wisperte er.
    „Was?“ Renata schaute ihn an. „Estragon, du zitterst. Setz dich, bevor du mir umkippst.“ Sie zog einen Stuhl an den Seitenkreis.
    Der Magier schüttelte entnervt den Kopf. „Dafür haben wir keine Zeit mehr!“ bellte er schärfer als beabsichtigt.
    Er lass den Absatz erneut. „Das kann doch nicht sein!“ rief er.
    „WAS ZUM TEUFEL IST LOS?“ schrie Renata plötzlich los.
    Estragon zuckte erschrocken zusammen und sah ungläubig in ihr Gesicht.
    „Hör zu, du machst mir Angst.“ sagte sie leise. „Also sag, was los ist, damit ich den Grund kenne, warum man sich fürchten sollte.“
    Der Magier nickte und schloss die Augen.

    „…es scheint nun klar, dass dieser charismatische Nabetsedon doch von einer üblen Macht besessen ist. Doch die Aufstände in der Niederstadt werden schlimmer und der König hat die ersten von uns an den Krater befohlen, um das Volk zu schützen. Wogegen? Gegen hungernde Menschen? Gegen Bettler und Sterbenskranke?
    Halmeit ist davon überzeugt, das dieser Aufstand nicht zufällig eintritt, wo wir immer nähr an die Lösung des Rätsels gekommen sind. Seine Nachforschungen über den Dämonenstern und die Teufelsmonate waren sehr..beunruhigend…“


    Renata schluckte schwer. Jetzt brauchte sie den Stuhl. Estragon war indes wie im Fiber und ratterte die Worte runter wie am Fließband.

    „ Vierter Mondwechsel und seid Wochen tobt der Kampf in der Niederstadt. Es sind schon über 200 Soldaten gefallen und mehr als 1000 schwer Verwundet. Wir haben die Serpiden unterschätzt. Sie sind nicht wahnsinnig. Sie sind nur wild entschlossen und zu allem bereit. Was bleibt den armen Teufel auch anderes. Botrom hat die ersten Kriegsmagier bestimmt. Seid mehr als vierhundert Zyklen wurden keine Kriegsmagier mehr berufen. Schreckliche Mächte können sie entfesseln. Man sagt, zum Preis ihres Seelenheils. Ich bete, dass nicht mein Name aus dem Hut gezogen wird.
    Halmeit hat endgültig den Beweiß für seine Theorien geliefert. Der Hohepriester ist von einem der Chaosdämonen besessen. Wir wissen noch nicht viel über sie, aber was klar ist, sie sind älter als die Erde, das Feuer, der Wind, das Wasser, das Licht oder die Finsternis zusammen. Und einer von ihnen ist hier in Laiér. Doch das dem Volk, nein gar dem König begreiflich zumachen…“


    „Chaosdämonen?“ fragte Renata mit belegter Stimme.
    „Ja, ich las ein paar Sachen über sie im Kastell. Kräfte der Zerstörung. Manche Gelehrten sagen, sie seien älter als die Götter selbst. Einige davon waren sogar Gelehrte der Schwarzkunst Beliars.“
    „Ließ bitte weiter.“ bat Renata.
    „Wirklich. Ich weiß nicht ob ich weiter lesen will. Vielleicht sollten wir einfach nach Hause fahren und…“ Estragon raffte sich das Haar. Seine Brille war honiggelb.
    „Nein, das können wir nicht. Und das weißt du. Und nun ließ weiter. Ich will es auch nicht hören, aber tu es einfach.“ weiß Renata an und diesmal war ihre Stimme kalt und ausdruckslos.
    Estragon hatte schon fast das Ende des Kreises erreicht.

    erster Mondzyklus des neuen Jahres.
    Die Priesterschaft hat die Macht an sich gerissen. Das Gemetzel der Kriegsmagier in der Niederstadt war gute Munition für sie, uns in Laiér als das Böse überhaupt zu denunzieren. Dabei wollten wir doch nur…


    „Hier hört der Text auf.“ Estragon schritt weiter und fand den Faden wieder.

    “Halmeit ist tot. Das war zu erwarten. Jurik und Bandelblum sind blind und nicht von Sinne wieder gekehrt. Sie schrieen etwas von der Geburt des Teufelsbalgs und das dieser in die Hochstadt kommen würde. Ein Kind, das im Licht des Dämonensternes geboren und in den Teufelsmonaten das erste Blut vergossen hatte. Es würde kommen und Laiér würde dem Chaos und der Vernichtung anheim fallen.“

    „Hilias.“ sagte Renata leise. Sie schniefte kurz und wischte sich die Augen trocken. Nur ein kleiner Schwächeanfall. Estragon bezweifelte, ob Rhodgar oder Seraphin sich ähnlich gut hätten beherrschen können.

    Und bevor sie an einem seltsamen Fiber starben, prophezeiten sie folgendes:
    Wird der Teufelsbalg kommen, kann sich der Dämon seiner Kraft bedienen. Er wartete auf ihn. Wartet, dass dieses Kind aus Blut und Asche zu ihm stößt. Zusammen werden sie das grausige Werk des blutigen Feuerregens vollenden. Der sengende Schrecken ist zurückgekehrt.
    Sie verstarben wenige Nächte später. Erbrachen förmlich ihr…“


    Estragon ließ diese Passage aus. Sagte er könnte die Schrift hier nicht lesen. Doch er wollte nur Renatas Nerven schonen.

    Wir fliehen. Der Erzpriester hat uns drei Tage gegeben. Die Mehrheit der Magierschaft hat sich für die Flucht entschieden. Ich werde mit ihnen gehen. Die, die hier bleiben wollen, werden bald einem schlimmen Ende entgegen gehen. Doch das wissen sie. Und in Gedanken sind wir alle bei ihnen.
    So ende ich meine Schriften mit folgendem Rat, wer immer du bist. Flieh! So wie wir. Es gibt keinen Weg, ihn zu Stoppen. Wenn der sengende Schrecken in Laiér erst eingetroffen ist, sind nicht einmal mehr wir in unserem fernen Turm sicher!“


    Estragon hatte den Satz zu Ende gelesen, da flammte plötzlich das Papier auf. Obwohl es klatschnass war, sprangen plötzlich Feuerblüten und Hitzewellen aus den Seiten und verzerrten sie in Windeseile, um am Ende in feuchter Asche zu vergehen.
    Der Magier setzte sich erschöpft auf eine freien Stuhl und versuchte verzweifelt, Tabak in seine Pfeife zu stopfen.
    „Renata? War Hilias…zu irgendeinem Zeitpunkt einem…sengenden Schrecken ähnlich?“
    Renata antwortet lange Zeit nicht. Das Abbrennen der Zettel hatte sie mit einem gleichgültigen Blick verfolgt.
    Geändert von Estragon (02.07.2004 um 06:26 Uhr)

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    Ehrengarde Avatar von Renata
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    Renata ist offline
    „Hmm. Demnach sind Dir daran keine Erinnerungen von ihm übrig geblieben? Nein, offensichtlich wohl nicht…“ Die Magierin hatte einen kurzen, vielleicht prüfenden Blick auf Estragon geworfen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder den sich langsam zu Ascheflöckchen auflösenden Blättern zuwandte. „dann war sein Bewusstsein in dem Moment wohl schon gegangen… Aber ja, Deine Frage kann ich nur mit Ja beantworten. Es passierte ganz am Ende, dort, wo sein Schicksal sich erfüllte.“ Und Deines begann, fügte sie im Stillen noch hinzu. Sie erinnerte sich sehr genau an die Säule aus Licht, die das Dach der alten Abtei durchbrach und bis in den Himmel ragte, der Schrecken, der ganzen Heeren von Wiedergängern und anderen unheiligen und untoten Wesen den Garaus machte. Wie sollte sie das auch vergessen können.

    Der Geruch von brennendem Tabak brachte sie in die Gegenwart zurück. „Das Schicksal scheint Euch beiden sehr eindrucksvolle Aufgaben zugedacht zu haben.“ Sie setzte sich dem still und in sich versunkenen vor sich hin qualmenden gegenüber. „… Wird der Teufelsbalg kommen, kann sich der Dämon seiner Kraft bedienen… zitierte sie das eben gehörte. „..… Er wartete auf ihn. Wartet, dass dieses Kind aus Blut und Asche zu ihm stößt. Zusammen werden sie das grausige Werk des blutigen Feuerregens vollenden. Der sengende Schrecken ist zurückgekehrt…“

    „Ich verstehe, dass du Angst hast, vielleicht besser, als Du denkst. Aber noch steht nicht fest, ob Du mit dieser Prophezeiung gemeint bist. Oder dass sich diese Prophezeiung erfüllen muss“. Der Schwarzmagier hatte die Arme um den Oberkörper geschlungen, als ob er fröre, dabei schien warm die Sonne durch die Glaskuppel auf die beiden Magier, die irgendwie hier hin zu gehören schienen.

  6. Beiträge anzeigen #106
    Ritter Avatar von Estragon
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    Estragon ist offline
    Estragon nahm sich noch einen Moment, dann erhob er sich. „Es hilft nichts. Wir haben sowieso keine andere Wahl. Ich sehe keine Alternativen.“
    „Also zum Volksforum?“ fragte sie.
    Er nickte. Beide packten ihre Sachen zusammen und verließen den Ort, der sich ihnen so wundervoll geöffnet hatte und sie nun mit einem hässlichen Gefühl von besiegeltem Schicksal entließ.


    Der Morgen graute. Dennoch war es bitterkalt außerhalb der Hochfeste. Estragon und Renata standen eine Augenblick neben einander und schauten von der vierten Ebene aus in die Hochstadt hinab.
    „Dort. Das ist es.“ sagte Estragon und zeigte voraus auf das Zentrum der Stadt. Dort war der riesige Klotz aus Marmor und Stahl, Basalt und Kupfer. Ein achteckiges Monumentaldenkmal, das niemand vergessen sollte, wer in der Hochstadt nun das sagen hatte.
    „Die Höhle des Drachen.“ säuselte Renata.
    „Rhodgar und Seraphin sollten sich beeilen. Ich weiß nicht, ob wir dieses Ding jemals verlassen, wenn wir es einmal betreten haben.“
    „Kommt jetzt der heroische Satz, wo du mir sagst, dass ich nicht mitzukommen brauche, Gevatter?“ fragte Renata schmunzelnd.
    Estragon enttäuschte, aber überraschte sie nicht mehr wirklich durch seine kalten Antworten. Diesmal lautete sie:
    „Sterbe ich, werdet ihr auch sterben.“
    Renata nickte grinsend. „Ich wünsche uns auch viel Glück.“ meinte sie trocken. Damit machten sie sich auf, die Höhle des Drachens zu betreten.
    Und der Drache, der dort solange gedöst hatte, warf schon lange seine gierigen Blicke auf sie.

  7. Beiträge anzeigen #107
    Lehrling Avatar von LafajetII
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    Hochfeste 2. Ebene Haus des Festenlords


    Das Chaos kennt und erlaubt nur eine wiederkehrende Konstante. Seine eigene Existenz.
    Notiz eines unbekannten khorinischem Kastellstudentes

    II

    Zu gleicher Stunde stand der Walllord von Laiér auf der Terrasse von Lord Fangots Haus, das sich in der abgeschirmten, zweiten Ebene der Hochfeste befand.
    Er schaute zornig auf das Panorama der Hochfeste, die steil unter ihm ihr Rückrat in den Talkessel ergoss, in dem die Hochstadt errichtete worden war.

    „Lafajet, versuch uns zu verstehen. Wir haben nicht weiter gewusst. Was hätten wir tun können.“ redete Fangot auf seinen Rücken ein. Die anderen Lords saßen schweigend auf steinernen Bänken um die Steinkessel herum, in dem Kohle zur Wärmung gegen die schneidende Morgenluft angezündet worden war.
    „Verräter und Meuchelmörder. Nicht viel mehr seid ihr. Ich schäme mich gerade zu, das ich euch einst Brüder nannte.“ zischte der Lord.
    „Mach mal halblang, Kurzer. Wir haben immer im Interesse Laiér gehandelt.“ meinte Wortan verdrossen.
    „Was kümmert uns das schon. Die Steine hätten sowieso niemals aufgeladen werden können. Das wussten wir alle.“ Bismut verschränkte die Arme vor der Brust.
    „Die Magier waren eine Gefahr. Was hätten wir tun sollen?“ warf Hektor ein, doch man sah ihm an, das er im Grunde selbst nicht von dem Plan der Lordschaft überzeugt war.
    „Ihr habt einfach einen Weg gesucht, sie los zu werden. Mehr nicht.“ Lafajet stieß sich vom Geländer ab und wanderte zu einem Podest aus Stein rüber. Dort stand ein kleines Bierfass und mehre Krüge. Alle noch trocken.
    Lafajet wollte sich einen voll machen, dann stellte er ihn geräuschvoll ab. Heute war nicht die Stunde zum Trinken.
    Tolodin schaute auf. Seine Stimme war sachlich. „Es war letzterndes meine Entscheidung. Bismut hat uns die Situation sehr deutlich dargelegt. Wir haben zusammen überlegt, wie man am besten reagieren sollte. Zum Wohl des Königreiches habe ich die Entscheidung getroffen, die Magier ins Volkforumshaus zu entsenden.“
    „Du hast ihnen eine Falle gestellt. Die Steine sind immer noch in der Werft, wo sie hingehören.“ zischte Lafajet.
    „Achtet auf euren Tonfall, Walllord.“ mahnte Melkent. Lafajet funkelte ihn hasserfüllt an. Die anderen hielten den Atem an. Diesmal würden keine Stühle zu Bruch gehen. Nicht Bier würde den Boden benetzen. Es würden Dolche sein, die fliegen würden. Die trenne würden. Und Blut, statt Bier würde spritzen.
    „Nein, lass ihn reden, Melkent. Wir sind Brüder und nicht Soldaten irgendwelcher Ränge. Das waren wir nie.“ meinte Tolodin lächelnd.
    „Es stimmt. Ich legte ihnen eine Falle und einen Köder aus. Doch dein Freund Estragon scheint sehr gerissen und mächtig. Ebenso seine Gefährten. Vielleicht bringen sie das Unmögliche ja fertig. Der Erzpriester wird auf jeden Fall erstmal beschäftigt sein. Das werden wir nutzen. Ich glaube, das uns die Magier mehr als Ablenkung dienlich sein können.“
    „Eine Ablenkung, Tolodin! Das ist nicht dein Ernst! Sie können die Flotte wiederherstellen. In drei, vielleicht vier Wochen würden wir kampfbereit der weißen Front entgegen treten, um…“ wollte Lafajet es versuchen.
    „Und was ist, wenn die Flotte steht?“ fragte Tolodin gelassen.
    „Was?“ erwiderte Lafajet verwirrt.
    „Was ist, wenn die Flotte steht?“ wiederholte Tolodin seine Frage. Der Walllord antwortete nicht.
    Tolodin erhob sich und trat vor die großartige Aussicht.
    „Dann will ich es dir sagen. Sie werden gehen und wir sitzen in drei Monaten genauso da wie vorher. Vielleicht wäre die weiße Front geschlagen. Das mag sein. Aber mit ihnen auch die letzten Magier unser Stadt. Wie sollen wir dann bitte überleben können, wenn wir nach einem halben Jahr unsere Grenzen nicht mehr verteidigen könnten.“
    „Zwei Monate.“ ließ Wortan missmutig hören. „Solange halten die Steine bei alter Belastung von damals aus. Dann is Sense.“
    Tolodin deutete mit der offenen Hand auf den Flottenlord. Hör hin, er sagt es dir! schien diese Geste zu bedeuten.
    „Wie lange würde es eigentlich dauern, bis alle Schiffe aufgeladen sind?“ fragte Hektor.
    Der Flottenlord überschlug, nahm die Finger zur Hilfe und staunte dann selber.
    „Bei vier Magiern und dem Tempo, was unsere Zauberer drauf hatten…etwas über 9 Jahre.“
    Die Lords nickten betrübt, als haben sie genau das erwartet. Lafajet wurde schwindlig, so hilflos fühlte er sich.
    Sie wollen das wirklich tun…sie haben mich nur hiergeholt, um es mir zu sagen…denn es ist bereits beschlossene Sache… dachte er.
    „9 Jahre.“ wiederholte Tolodin langsam und setzte sich wieder. „Zum Mal wir die Hochstadt eh nicht für einen Krieg verlassen dürften. Darauf warten die Priester doch nur. Jetzt wo sie auch in die Hochfeste dürfen…wäre das noch leichter für sie.“ gab Bismut noch hinzu.
    Lafajets Unmut machte sich in einem geplagten Aufschrei Luft.
    „Ihr Wahnsinnigen. Das wird niemals gelingen. Ihr könnt nicht einfach da reinspazieren und sie alle umbringen?“ herrschte er die Lords an.
    Doch sie blieben unerschütterlicher Mine. „Entweder sie oder wir.“ sagte Tolodin kalt. „Ich frage dich nun, Bruder. Bist du für uns oder gegen uns?“
    Die Lords sahen ihn forschend an.
    Lafajet straffte sich. „Unter diesen Umständen kann ich mich nicht dem Plan anschließen, den meine Brüder hier beschlossen haben.“
    Tolodin erhob sich. Melkent und Bismut ebenfals.
    Der Kriegslord blickte freundlich, aber mit einer gewissen Distanz zu Lafajet auf.
    „Dann wäre ja alles besprochen. Ich würde dir Vorschlagen, das du mit deinem Schiff eine große Runde ausfährst. Sagen wir 6 Wochen. Solange werden wir benötigen.“ Lafajet ließ den Kopf hängen. „Also verstößt du mich…“ murmelte er.
    Tolodin ließ den Kopf bedächtig sinken, als wollen er über diesen Gedanken einen Augenblick meditieren. Dann sah er auf. „Bruder, wenn du wiederkehrst, werden wir dich immer noch Bruder nennen. Doch dies scheint ein Weg zu sein, den du nicht mit uns gehen kannst.“. Damit verließ der Kriegslord die Terrasse. Bismut klopfte Lafajet auf die Schulter und grinste.
    „Pass auf dich auf und erinnere dich, wer deine wirklichen Freunde sind, okay?“ Er ging ebenfalls rein.
    Melkent war der letzte. Er schenkte Lafajet ein seltsam wissendes Lächeln. „Ich wünsche dir viel Glück, Lafajet. Den Weg, den du nun wählst, kannst nur du allein gehen.“

    Lafajet sah ihnen noch einen Augenblick nach. Hektor, Fangot und Wortan standen um ihn herum.
    „Ist schon in Ordnung so. Sie haben Recht. Wennde in die Kirche willst, musste eben auch durch schmutzige Gassen gehen. Das Ziel ist sauberer als der Weg.“ meinte Wortan.
    „Wir könnten ja auch noch mal mit ihnen reden. Du musst ja nicht gehen. Dich nur…raushalten…“ meinte Fangot. Er blickte die anderen an.
    Hektor schüttelte den dicken Kopf. „Nein. Dann müsste er tatenlos alles mit ansehen. Ist schon richtig. 6 Wochen werden reichen. Dann ist der gröbste Spuck hier gelaufen.“ Er klopfte Lafajet auf die Schulter.
    „Ihr könnt das nicht ernsthaft in Erwägung ziehen…“ flüsterte Lafajet.
    „Wir müssen was tun, Wallmade. Es wird nicht besser, wenn wir weiter warten. Mach dir keine Sorgen. Wir haben den Erlass. Der wird uns absichern.“ Wortan nickte zuversichtlich.
    „Wenn erst das Feuer und die Plünderer auf den Strassen angekommen sind, erzähl mir das noch mal. Dann stell dich vor den tobenden Mob, halte das Papier in die Höhe und versuche sie damit zu halten!“ Lafajet konnte es nicht mehr ertragen. Seine Brüder waren von Sinnen. Nur so konnte es sein. So und nicht anders.
    „Ich muss zu meinem Schiff.“ Lafajet hastete zum Ausgang. Er war einfach zu wütend und gekränkt, als das er noch länger ihre Gesichter ertragen konnte. Sie langen falsch. Ganz einfach falsch.
    Er verließ grußlos Fangots Haus..
    Geändert von LafajetII (02.07.2004 um 09:39 Uhr)

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    Lehrling Avatar von Lordschaft_Laiers
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    „Es tut weh…so etwas. Und alle schmerzt es. Doch wir mussten so handeln. Er wird es verstehen. Er wird es begreifen.“ Tolodin stand am Balkonfenster und schaute Lafajet nach, wie er die Strasse zum nächsten Abstiegspunkt entlang lief.
    Die anderen nickten. „Ja, das wird er.“ meinte Tolodin und drehte sich um.
    „Gut, aber nicht desto Trotz müssen wir mehr wissen. Lafajet berichtete, das er die Magier zu Zweit ins Archiv geführt habe. Zu zweit.“ Tolodin schaute fragenden in die Runde.
    Bismut zuckte die Schultern.
    „Normet weiß nichts. Bei ihm sind sie nicht untergetaucht.“ meinte er.
    Hektor ergriff das Wort. „Logisch wäre nach Estragons kleine Ansprache eigentlich nur eines. Sie sind in die Niederstadt.“
    Die Lords nickten. „Ja, oben würden sie auffallen. In der Feste sind sie nicht und im Volkforumshaus können sie auch nicht sein.“ sagte Fangot.
    Tolodin schaute zu Melkent.
    „Was denkst du?“
    Der lange Mann betrachtete seine Finger und lächelte dünn. „Es ist die einzige Möglichkeit. Aber warum sind sie dort? Das ist die Frage. Was versprechen sie sich davon? Wollen sie absichtlich ihre Kräfte schwächen und nur zu Zweit dem Erzpriester gegen überteten?“ Er schaute alle an, seine Augen spürten im listigen grünem Feuer, das Katzen manchmal haben, wenn sie eine Maus nur zum Spaß quälten.
    „Was auch immer die da unten wollen, uns brauch es wohl nicht scheren.“ poltere Wortan.
    Tolodin blickte ihn scharf an. „Zwei Magier könnten in unseren Strassen umherstreifen. Ich will einen freien Rücken für unseren Plan haben.“
    „Wenn sie wirklich in der Niederstadt sind, überleben sie keine drei Tage dort.“ sagte Bismut und lehnte sich entspannt zurück. „Alles steht für uns Brüder.“
    Tolodin und Melkent wechselten einen raschen Blick. Sie verstanden sie gut. Wie gut, war vorher niemandem aufgefallen. Nicht einmal dem restlichen Lords.
    Geändert von Lordschaft_Laiers (02.07.2004 um 09:54 Uhr)

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    Volkforumshaus Arbeitszimmer des Hohepriesters

    Der Hohepriester brütete über den allwöchentlichen Absegnungsbeschlüssen. Macht bedeutet Bürokratie. Mehr Macht bedeutete mehr Bürokrat.
    Doch er hatte nicht mehr den Kopf dafür frei. Nicht, seid dem er diesen verdammten Bericht über die außergewöhnlichen Aktivitäten seines Kanzlers studierte hatte.
    Da war von vier Fremden die Rede. Vier Fremde, die in der Obhut der Lordschaft standen. Kanjelt hatte sich erkundigt und sofort von mehren Stellen Spitzelberichte erhalten, in denen mehre Male seltsam gewandete Leute aufgefallen waren. Drei Männer und eine Freu.
    Und einer der Männer trug eine Brille.
    Kanjelt überfolg seine Arbeit, ohne wirklich zu lesen. Die Brille hatte schon der dämliche Kanzler erwähnt. Verdammter Dreckskerl. Dieses inkompetente Stück von einer Kanalratte hatte wirklich geglaubt, ein Bericht würde in dieser Sache ausreichen.
    Der Hohepriester lächelte frostig. Wenigstens würde das dem Kanzler nicht noch einmal passieren. Er würde…gemaßregelt werden. Mit einem glühenden Nagel, so hoffte Kanjelt inständig.
    Es klopfte. „Herein!“ rief Kanjelt. Ohne aufzuschauen, wusste er, wer da sein Arbeitszimmer betreten hatte.
    „Hohepriester.“ grüßte eine schroffe Stimme. Kanjelt sah lächelnd auf. „Es freut mich sie zu sehen. Ich hätte eh heute noch nach ihnen schicken lassen. Wie war die Anreise?“
    „Scheußlich. Es wird immer schwieriger, durchzukommen, ohne gesehen zu werden.“ meinte Kanjelts Gast und nahm vor dessen Schreibtisch Platz
    „Kann ich mir denken.“ lächelte Kanjelt.
    Beide sahen sich einen Augenblick schweigend an. Spannung erfüllte den Raum, doch nur kurz. Schließlich war dies nicht ihr erstes Treffen.
    „Was gibt es neues.“ löste der Hohepriester das Schweigen aus den unsichtbaren Ketten.
    „Sie haben sich getrennt. Zwei sind in die Niederstadt hinab gestiegen. Noch weiß keiner warum.“
    „Die Lords?“ fragte Kanjelt.
    „Sind an der Sache dran, aber tappen da eben so im Dunkeln wie ihr es wohl tut.“
    Der Hohepriester lächelte breit. „Tolodin ist ein Narr, wenn er meint, ich würde seinen Plan nicht durchschauen. Das alles tritt nur allzu berechenbar ein. Er weiß, das der Erlass des Königs die Macht nicht ewig im Gleichgewicht halten kann.“
    „Die anderen zwei sind schon auf dem weg hierher.“ berichtete die Stimme ausdruckslos.
    „Ja, das haben wir erwartet. Und entsprechende Vorkehrungen getroffen.“
    „Wie sehen die aus?“ fragte die Stimme.
    „Der Erzpriester will sich persönlich um die Angelegenheit kümmern.“ antworte Kanjelt knapp. Seine Stimme verriet deutlich, das dieses Thema nicht zur nähren Erläuterung stand. In gar keinem Fall.
    Der Gast hob beschwichtigend die Hände. „Schon gut. Ich muss mich nur abstimmen. Ich will nicht, das durch Missverständnisse irgendwelche Unglücke entstehen.“
    Kanjelt nickte lachend. „Ja, wer will das schon.“
    „Also, die zwei Magier in der Niederstadt…sie könnten ein Problem sein.“ sagte Stimme, ohne auf das herzliche Lächeln des Hohenpriesters einzugehen. Denn dieses Lächeln hatte bisher nur selten die Augen erreicht.
    „Ich denke nicht, dass dies ein Problem sein wird. Wir werden uns der Sache annehmen. Der Erzpriester hat im wesendlichen überhaupt nur an dem Brillenträger Interesse.“
    Der Gast nickte verdrossen.
    „Aber die Niederstadt ist ein heikles Thema. Man kann da nicht einfach so reinspazieren, versteht ihr?“ sagte die Stimme.
    „Wir werden diskret sein. So wie immer. Die zwei Magier werden die Niederstadt nicht lebend verlassen und der Brillenträger kommt freiwillig zu uns. Er wird dem Erzpriester übergeben, während ich mich um die Lords kümmern kann.“
    Der Gast erhob sich. „Dann wäre alles geklärt?“ fragte er.
    Kanjelt nickte und ließ ihn ziehen. Als der Gast die Tür hinter sich geschlossen hatte, musste sich Kanjelt einen Lachanfall verkneifen. Manche Menschen waren einfacher auszurechnen, als ihre Körper hoch waren.
    Tolodin…willst du dich mit uns anlegen? Willst du wirklich den ersten Stein werfen? dachte Kanjelt.
    Das würde er zu verhindern wissen. Wenn der Kriegslord sich endlich zu einem offenem Schlagabtausch durchgerungen hatte, so wollte Kanjelt die Sache sich noch etwas ziehen lassen. Sicher, das Volk war auf ihrer Seite. Doch bis dieses verdammten Magier, diese dummen Fremdkörper nicht aus der Rechnung aufgelöst waren, wollte er keinen Krieg riskieren. Jedenfalls noch nicht.
    „Eine Ablenkung müsste her…“ flüsterte er. Hinter seiner dunklen Stirn begannen tausende Räder zu klicken und üble Hochöfen ihre dunkelroten Augen aus Feuer und Hass zu öffnen.

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    Volkforumshaus

    Estragon überblickte den Vorplatz eine Weile, dann schritt er aus dem Schatten der Gasse. Licht überflutet ihn. Sofort fühlte man sich erschlagen von der gewaltigen Leere, die hier herrschte. Waren die Strassen noch im allgemeinen Trubel eines Hecktischen Alttages versunken, war die Umgebung des achteckigen Baues menschleer.
    Grelle Marmorplatten leiteten die Schritte der Magier auf den Eingang zu.
    Dort standen zwei Wachen. Ihre weißen Roben waren unnatürlich hell. Die mächtigen Kapuzen ließen nur einen schmalen Sehschlitz offen. Sie hatten lange Lanzen auf den Schultern liegen.
    Estragon wurde langsamer und blieb zwischen ihnen stehen. Sie reagierten nicht. Renata sah ihren Begleiter unbehaglich an.
    „Als wären sie blind.“ meinte sie.
    Estragon schüttelte den Kopf. „Wir werden erwartet…“
    Renata machte große Augen. Der Magier zuckte mit den Schultern. „Damit ist auch unser letzter Trumpf zunichte.“
    Er lächelte dünn. „Doch selbst mit ihm standen unsere Chancen nicht sonderlich gut.“ schloss er.
    „Standen sie jemals gut?“ fragte Renata trocken. Estragon antwortete nicht und stieß die hohen Flügeltüren des Volkforumshauses auf.

    Sie betraten eine helle Eingangshalle. Priester und Beamte flanierten zwischen künstlichen Blumenbeten und kunstvollen Wasserspielen. Estragon und Renata sahen sich einen Augenblick um, dann nickte der Magier nach rechts. Sie gingen das breite Gewölbe entlang. Man sah sie, kümmerte sich aber nicht weiter um sie.
    Die Brille des Magiers waren schwarze Kreise. Renata tapste neben ihm und sah sich immer wieder verstohlen um.
    „Die ignorieren uns…“ flüsterte sie leise. „Sie fürchten sich kein bisschen.“
    Estragon nickte. „Aber ich würde es gerne genau wissen…“
    Er scherte plötzlich aus und ging auf eine der weißen Gestalten zu. Der Priester sah ihn kommen und erschrak fürchterlich. „Was…“ wollte er beginnen.
    Der Magier ging weiter auf ihn zu, Renata starrte ihm mit offenem Mund nach.
    „Was wollen sie…“ keifte der Mann panisch.
    Estragon sah sich um. Die anderen schauten rasch weg oder liefen weiter. Keiner sah ihn an.
    Die haben Angst… dachte er mit Genugtuung.
    Er tat noch einen weiteren Schritt auf den Kerl in dem weißen Fummel zu, so dass dieser panisch versuchte, auszuweichen. Er schlug lang hin.
    Estragon hatte genug gesehen. Er setzt mit Renata seinen weg fort.
    „Hat du es gemerkt?“ flüsterte er.
    „Ja, zum ersten Mal bin froh, das mich jemand fürchtet.“ Sie sah sich nach dem gestürzten Geistlichen um.
    Estragon lächelte kalt. „Ich auch.“
    Geändert von Estragon (03.07.2004 um 03:51 Uhr)

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    Tatsächlich wichen die in Weiß Gewandeten ihnen aus. Kehrten um, bogen wie zufällig in andere Gänge ab oder, wenn es gar nicht anders möglich war, gingen mit gesenktem Blick und möglichst viel Abstand an den beiden vorüber. Manche streiften dabei mit den Schultern an den Mauern entlang, als wollten sie auf keinen Millimeter verzichten, den sie zwischen sich und die Schwarzmagier bringen konnten. Der Gang, den sie eingeschlagen hatten, schien nahe der Außenmauer einmal um das achteckige Gebäude herum zu führen. Nach jeweils etwa hundert Schritten knickte er im stumpfen Winkel etwas nach rechts ab, an jedem Knick führte ein neuer Gang zur Seite weg. Renata stellte sich den Grundriss wie ein großes Rad vor, der Gang, auf dem sie sich bewegten war danach der Reifen, die abgehenden Gänge die Speichen des Rades. Sie hatten durch eine der „Speichen“ schon sehen können, dass sich an der Stelle der Radnabe eine große helle Halle befand. Drei dieser Speichen hatte sie nun schon hinter sich gelassen, bei der vierten bogen sie in diesen zur Mitte führenden Gang ein. Weiß war hier die dominierende Farbe. Nicht nur die Gewänder der hier Wandelnden, auch deren Bärte und in den meisten Fälle auch deren Haare waren weiß. Der Marmor, der den Boden und größtenteils auch die Wände bedeckte: weiß. Und überall da, wo kein Marmor Boden oder Wände verkleidete, war das Mauerwerk weiß getüncht. Renata fühlte sich etwas verloren in dieser kalten weißen Pracht. Selbst die Mittelhalle, die sie gerade betraten, war trotz der im Rund angeordneten acht Inseln aus kostbaren Mosaiken und plätschernden Brunnen irgendwie – unbeseelt. Wie ein nicht bewohntes Haus oder wie ein Garten voller kahler Dornenbüsche.

    Rund um diese Halle lief ein Säulengang, gekrönt mit einem Bilderfries, der allerlei mehr oder weniger grausame Geschichten erzählte. An vier Seiten führten breite Marmortreppen in den ersten Stock, der den Grundriss des Erdgeschosses wiederholte. Der Säulengang bildete hier eine Galerie, die den Blick in die Mittelhalle erlaubte. Eine Weile standen sie am Fuß einer dieser Treppen, Estragon hatte den Blick nach oben gewandt. „Den oder das, was wir suchen, werden wir oben finden – möglichst weit entfernt von den Gemeinen und hoch über allem, um alles überblicken und kontrollieren zu können“ „Ja“ erwiderte Renata „wie eine Spinne im Netz…“

    Auf einem Absatz der Treppe stand ein Mann. Er strahlte die selbstbewusste Sicherheit und Stärke desjenigen aus, der nicht nur gewohnt ist, Befehle zu erteilen sonder auch, dass seinen Anweisungen ohne Zögern folge geleistet wird. Er sah ihnen bei ihrem Aufstieg entgegen, im Gegensatz zu den anderen nicht mit Misstrauen sondern mit einer Art neugierigem Interesse, so wie man ein merkwürdiges und exotisches Insekt anschaut. Er hatte sich genau auf die Mitte der Treppe platziert, so dass sie ihm entweder ausweichen oder vor ihm stoppen mussten. Er musterte Estragons Augengläser und sprach den Schwarzmagier direkt an „…so, Ihr seid das also. Ich habe schon von Euch gehört. Allerdings hatte ich Euch nicht so früh hier erwartet.“

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    „Hohepriester Kanjelt.“ sagte Estragon. Der Hohepriester lächelte und nickte ehrwürdig.
    Einen Augenblick sah Estragon den Hohepriester nur an.
    „Was ist?“ fragte dieser.
    „Ihr seid der erste Farbige den ich in meinem Leben zu Gesicht bekomme…“ sagte der Magier.
    Kanjelt schaute kurz verwirrt, dann lachte er herzlich. Ein Lachen, in das man einstimmen wollte. Der Charme dieses Mannes war gerade zu beängstigend.
    „Nun, gefällt euch eurer erster…Farbiger?“ fragte Kanjelt.
    „Nein, ich hätte unter diesen Umständen gerne darauf verzichtet. Eure Nähe und die Nähe dieses Baues hier bereitet mit Kopfschmerzen und Übelkeit.“ antwortet Estragon.
    Kanjelt schien nicht überrascht. Er nickte, als habe er genau diese Antwort vorhergesehen.
    „Nun, dann will ich meine gute Kinderstube nicht vernachlässigen. Ich bin Knajelt, Hohepriester der Priesterschaft Laiérs. Es freut mich, eure Bekanntschaft zu machen.“ wandte sich der Mann an Renata.
    Die hohe Schwarzmagierin nickte nur.
    „Ich kenne euch.“ sagte sie schlicht.
    „Das glaube ich gerne. Also seid ihr hier. Wo sind die anderen zwei?“ fragte er beiläufig.
    „Wir sind allein gekommen.“ schoss es Estragons Mund.
    Kanjelt wirkte kurz überrascht. Die Offensichtlichkeit der Lüge ließ misstrauisch werden.
    Dann erhellte sich seine Mine.
    „Ihr wollt generell nicht preisgeben wo sie sind, stimmt’s?“ Kanjelt lachte.
    „Ihr seid mir schon ein paar clevere Schlitzohren. Der Erzpriester wird seine Freude mit euch haben.“ Kanjelt wandte sich die Stufen empor.
    „Demnach erwartet er uns.“ sagte Renata. Es war keine Frage.
    „Das tut er. Ich bitte euch, mir zu folgen.“

    Estragon und Renata sahen sich an, dann folgten sie dem Hohepriester. Es ging die steile Treppe entlang, bis weit unter das letzte Stockwerk.

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    Sie folgten Kanjelts Aufforderung und erklommen ein Stockwerk nach dem anderen. Seit dem ersten Stock, dort, wo die Stiegen noch einfach nach oben führten, waren de Höhenunterschiede zwischen den Stockwerken über Treppen ausgeglichen, die an den „ungeraden“ Seiten des jeweils unteren Stockwerkes begannen und in die „geraden“ Seiten der darüber liegenden Etage mündeten. Die Suche in der letzten durchgemachten Nacht hatten Spuren hinterlassen, all zu gern hätte die Magierin jetzt eine Mütze voll Schlaf genommen. Statt dessen stiefelten sie und der Schwarzmagier hinter dem Hohepriester her. Renata hatte es aufgegeben, auf die Etage zu achten. Sie mochten sich im fünften oder im neunten Stockwerk befunden haben, als Kanjelt plötzlich von einer schmalen Tür Halt machte. Die Tür war unscheinbar, wirkte wegen ihrer Höhe extra schmal, obwohl sie fast so breit war wie die Türflügel, die im Kastell ins Refektorium führten.

    Statt die Flügel aufzustoßen und hindurch zu gehen, blieb Kanjelt stehen, hatte die Hand schon angehoben, um dieses Bollwerk aus massiver Eiche zu öffnen. Dann überlegte er es sich anders und vergrub seine Hände in den weiten Ärmeln seines Gewandes. „Geht dort hinein, Ihr werdet schon erwartet.“ Estragon nickte „Ja, davon haben wir gehört, schauen wir mal, ob sich das Jahrzehnte lange Warten für Euch oder mich gelohnt hat.“ Kanjelt sandte ihm einen erstaunten Blick, während sich Estragon daran machte, die dopppelflügelige Tür zu öffnen. Die Magierin hatte erwartet, dass Kanjelt sie zum Erzpriester begleiten würde und war deshalb doppelt erstaunt, dass er an dieser Stelle so offensichtlich kniff. Er hatte ihnen dien Rücken zugedreht und entfernte sich mit eiligen Schritten.

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    „Komm.“ sagte Estragon.
    Renata sah dem Hohepriester nach und zuckte dann die Schultern.
    Estragon trat in die Finsternis, die nur vom schmalen Lichtband erhellt wurde, das von der Tür hinein schien.
    „Lass die Tür nicht zufallen…“ meinte Renata noch, da war sie auch schon wie von Geisterhand geschlossen worden.
    Jetzt war es stockdunkel. Nichts war zu sehen, so sehr man sich anstrengte.
    Estragons Hand streifte etwas Kaltes. Gleichzeitig schrie Renata erschrocken auf. „Bei Beliar…warst du das? Deine Hände sind eiskalt!“ keuchte sie.
    „Deine auch. Obwohl dieser Raum sehr warm ist.“ flüsterte er zurück.

    Plötzlich zog ätzendes Licht wie eine Schwertklinge über ihre Augen. Ein lautes Knacken war zuhören und dann das Geratter von Eisenrädern, die sich über einem Zahnkranz bewegten.
    „Was zum…“ wollte Renata schreien, da blitzte plötzlich Stahl in der Dunkelheit auf.
    Estragon flog herum und riss seine Gefährtin zu Boden.
    Beide lagen eine Sekunde dicht an einander. Sie verstanden sich völlig und so machte es weder Estragon und Renata etwas aus. Sie umarmte ihn kurz, aber kräftig und flüsterte ihm: „Danke, Gevatter!“ ins Ohr. Er stand auf und half ihr hoch.
    Um sie herum wurde die Dunkelheit von nacktem Sonnenlicht abgelöst.
    Es war die Kuppel. Estragon begriff jetzt. Es war die Kuppel in der sie standen. Und eine Hälfte dieser Wölbung schob sich gerade auseinander, so das Licht ins Innere fiel.
    Nun konnte er wieder einmal das Panorama von Laiér bestaunen. Und, was neu war, den ganzen Horizont. Ein gewaltiger Anblick. Die Hochfeste war zum ersten Mal deutlich in all ihrer Größe zu sehen.
    Renata stieß Estragon in die Rippen. Er drehte sich um und sah ihrem Angereifer vor sich stehen. Ein großer breitschultriger Kämpfer, der zwei riesige Breitschwerter in den Händen hielt. Eiserne Panzerhandschuhe klammerten sich an die Griffe der Waffen. Ansonsten war alles von dem Krieger in einer strahlend weißen Kutte verhüllt. Doch anstatt der Kapuze trug dieser hier einen silbernen Helm, bis knapp an die Ohren. Dann folgte weißer Stoff. Völlig weiß und völlig ohne Konturen. Die Augenhöhlen und das Nasenbein zeichneten sich leicht ab. Mehr nicht. Wie der Krieger sie dadurch erkennen wollte…aber natürlich war das eine dumme Frage. Er war sicherlich magischer Natur, dieser Krieger.

    „Nun, nicht ganz.“ meinte eine gelassenen Stimme. Estragon und Renata wirbelten auf den Absätzen herum. Dort, wo eben nur kahler Marmor gewesen war, stand jetzt ein schlichter Thron aus schwarzem Metall. Darüber ausgebreitet was ein rotes Cape. Wie ein Decke. Das Rot schien lebendig zu sein und sich in sich selbst zu winden, tausend Würmern gleich.
    „Irritierend, nicht wahr?“ sagte das blasse Geschöpf auf dem Thron. Ihn eine Menschen zu nennen, soweit ging Estragons Herz nicht.
    Das Gesicht des Erzpriesters war wie ein nichts sagende Zeichnung. Flach, ohne wirklich markante Anhaltspunkte. Ein perfektes Gesicht wirkt auf einen Betrachter verstörend, weil es eben nicht mit den völlig natürlichen Fehlerchen ausgestattet war, das jedes Gesicht hatte, oder haben sollte.
    Die Augen waren schwarz. Oder von sehr dunklem Blau. Vielleicht auch grün?
    „Probiert als nächstes Rot. Würde zu meiner Schleppe passen.“ meinte das Ding, das hier als Erzpriester verehrt wurde.
    „Bei Beliar…“ stöhnte Renata.
    Des Erzpriesters grauschwarzes Haar floss in weichen Kaskaden seine Schultern entlang. Nicht eine Strähne, nicht eine Haarspitze stand ab. Der matte Glanz schien darin stetig zu wandern, als würde man einem Wasserfall aus Glanz beobachten.
    „Ihr seid…“ wollte Estragon beginnen, doch der Erzpriester legte die Finger vor die Lippen.
    „Shhht…ich möchte noch einen Augenblick die Stille eurer Geister kosten dürfen.“ Und Estragon schwieg. Er konnte nicht anders als schweigen und glotzen. Jetzt waren die Augen sehr dunkles Silber. Da bestand überhaupt kein Zweifel.

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    Das rumpelnde Geräusch von Zahnrädern hielt derweil an. Der zunächst nur schmale Streifen Sonnenlicht breitete sich in der Kuppel weiter aus, wanderte die Bodenmosaiken entlang und drohte, die Gestalt auf ihrem metallenem Thron zu erreichen. „Nein, droht sie nicht….“ erklang die Stimme des Erzpriesters mit leicht genervtem Unterton. Tatsächlich schien das Licht einen Bogen um den Mann und seinen Thron zu machen, wurde gekrümmt und bildete seine Blase aus angenehm diffusen Licht ohne die scharfen Schatten des direkten Sonnenlichtes. „Hübsch, nicht wahr?“ kicherte die Gestalt in der Lichtblase. Sie war inzwischen aufgestanden. „Nicht, dass die Sonne mir etwas ausmachen würde, wie manche glauben…“. Trotz der silbernen Strähnen wirkte er seltsam alterslos, aufrecht und mit dem Gesicht eines jungen Mannes, ohne Falten und mit Augen von einem dunklen Blau, wie Renata sie noch nie gesehen hatte. Doch schien durch diese straffe und wie gespannt wirkende Hülle etwas Altes hindurch zu schimmern. Etwas sehr Altes, vielleicht Äonen schon alt.

    Ein Dämon! schoss der Magierin durch den Kopf. Der Erzpriester schüttete sich scheinbar aus vor Lachen. „Du stellst mich auf eine Stufe mit Wesen, die – was sehe ich da in Deinen Erinnerungen - Dir den Tee zu bringen pflegen? Oh bitte, verschon mich mit diesen kleingeistigen Ansichten….“ Er war näher an die Magier herankommen – und stand immer noch unmittelbar vor seinem Thron, Renata konnte sich auch nicht erinnern, ihn gehen gesehen zu haben. Also waren SIE es, die sich bewegt hatten, sie selbst und auch Estragon, der immer noch an ihrer Seite stand. Das Wesen vor ihnen hatte das Interesse an ihr verloren und konzentrierte sich nun ganz auf ihren Begleiter. Hinter ihrer Stirn blieb das Gefühl eisiger Kälte zurück, als sich die Aufmerksamkeit des Erzpriesters von ihr abwandte. Sie trat näher an ihren Gildenbruder heran, nahe genug, dass ihre Schultern sich berührten. Teils, um sich selbst seiner Nähe zu versichern, teils aber auch, um ihm das gleiche Gefühl zu vermitteln, um ihre Unterstützung – was immer sie auch würde tun können – auszudrücken.

    Es schien Renata, als ob die Augen des Erzpriesters jetzt violett glänzten, während er Estragon anstarrte, vielleicht spiegelten sich auch nur die Augengläser des Schwarzmagiers darin, die, wie Renata vermutete, gerade feurig rot waren. Die beiden Männer maßen sich schweigend, der Priester las wohl in Estragons Gedanken und wusste zweifelsohne wohl schon, dass sie den Wortlaut der Prophezeiung gefunden hatten und kannten. Estragon hielt ihm vielleicht gerade die wüstesten Flüche entgegen. Selbst an dem Stück Schulter und Arm, an dem sie sicht berührten, spürte sie seine Anspannung, sie musste diesen schon zu lange dauernden Kontakt zwischen den beiden irgendwie stören, um Estragon einen Vorteil zu verschaffen. „Du bist ein Dämon, was sonst sollt….“ endete er Versuch, den Erzpriester anzuschreien. Eine Handbewegung von ihm hatte sie verstummen lassen.
    Geändert von Renata (03.07.2004 um 19:21 Uhr)

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    Renata wurde plötzlich nach hinten gezogen. Estragon bemerkte es kaum. Du kannst mich hören, nicht war? Du kannst mich hören, wie ich hinter den Stirn wühle und grabe, oder? Der Erzpriester war in seinem Gedanken und blätterte seinen Geist durch wie ein Buch. Er strich mit eiskalten Fingern über die geheimsten Orte. Orte, die selbst ihm noch verborgen war.
    Renata keuchte derweil immer lauter. Der weiß gekleidete Krieger hatte auf das Handzeichen seines Meisters prompt reagiert und die Magierin am Hals gepackt und zu Boden geworfen.
    Nun war er über ihr und versuchte sie am Boden zu halten. Was alles andere als leicht war. Wie eine Katze wandte sie sich hin und her, bockte immer wieder ihren Körper auf und versuchte, das gesichtlose Ding abzuwerfen.
    "Estra...Estragon!" stieß sie hervor.
    Der Erzpriester sah kurz über die Schulter des Magiers. "Könntest du sie endlich zum Schweigen bringen?" fragte er freundlich, doch der weiße Krieger wusste diesen Ton zu werten.
    Renata nutzte die kurze Ablenkung und zog das Knie an. Warum nicht? Dieser weiße Krieger mochte vielleicht dieselbe Schwäche haben, wie andere Männer auch, obwohl sie nicht wirklich daran...
    Doch Tatsächlich zeigte der Tritt Wirkung.
    Der Krieger keuchte schwer und kippte zu Seite. Renata war frei.
    Sie sprang auf und wollte Estragon beistehen. Sie hatte ihren Freund schon fast erreicht, als der Erzpriester wie ein böser Traum plötzlich vor ihr auftauchte.
    "Wo wollen wir hin, schönes Kind?" fragte das Monster. Es klang, als wäre er ernsthaft Neugier darauf.

    "Estragon!" brüllte sie verzweifelt, da legte sich ein dicker Arm um ihren Hals und drückte zu. Der weiße Krieger brachte sein Gesicht dicht an ihr Ohr...und flüsterte zu ihrer vollkommenen Verwirrung. "Verdammt, jetzt sei endlich leise. Ich versuche nur deine Haut zu retten. An dir hat er doch überhaupt kein Interesse..."
    Diese Stimme kannte sie...sie hatte sie Schoneinmahl gehört. Aber wo nur?


    Der Erzpriester heilt ihn weiter mit seinen seltsamen Augen gefangen. Warum kehrtest du zurück? Was versprichst du dir davon, mhm? Ich habe dir doch damals ausdrücklich eine Warnung zukommen lassen. Wie kannst du nur dich und das Seelenheil deiner Kameraden aufs Spiel setzen, nur dem Ziel meiner Vernichtung....
    "Ich weiß nicht einmal, was ich euch getan habe..." sagte Nabetsedon traurig und ließ seine Körper wieder zurück auf den Thron gleiten.
    Estragons Verstand wankte wie ein baufälliges Gebäude im Sturm.
    Ja, warum eigentlich? Warum waren sie hier hergekommen. Der Erzpriester schien nie eine wirkliche Bedrohung gewesen zu sein.
    "Ja, deshalb versteh ich eure Motive nicht. Aber mach dir nichts draus, Sterblicher. Sobald wir die guten Teile aus dir erst einmal extrahiert haben...wirst du schon bald klarer sehen. Ich war damals verwirrt, als du zu uns kamst. Etwas schien anders als geplant, doch nun will ich die Gelegenheit nutzen. Sie bietet sich mir nicht ein zweites Mal so leicht!"
    Der Erzpriester erhob sich wieder. Er ging auf Estragon zu.
    Renata wollte sich wieder los reißen, doch der weiße Krieger hatte sie jetzt im Griff.
    "Nicht ungeduldig werden, Renata. Sie kommen gleich danach ran. Als kleiner Appetitanreger." grinste Nabetsedon.
    "Warum nicht gleich!" brüllte sie.
    "Ah, ihr wollte Zeit gewinnen für euren Freund." Der Erzpriester suchte tiefer. "Sogar eurer Leben würdet ihr dafür riskieren. Gut, ich werde mal mitspielen. Das könnte recht amüsant werden." Mit fließenden Bewegungen hielt er auf Renata zu. Der weiße Krieger gab sie frei und zog sich rasch in den Hintergrund zurück.
    Estragon starrte gedankenverloren auf seine Hände.
    Warum...warum...warum... Wie gelähmt drehte sich sein Denken nur um diese Frage.
    Warum...warum...warum

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    Das als Erzpriester verkleidete Geschöpf hatte ihr nur eine Hand auf die Wange gelegt. Eine harmlose Geste für jeden der nicht das spürte, was die Magierin fühlte. Eisige Kälte ging von der Hand aus, zog jedes bisschen Wärme aus ihr heraus. Mit gelähmten Willen blieb ihr nichts, als ihr Gegenüber anzustarren und zu spüren, wie sich der Frost in ihr ausbreitete, zuerst begannen die Zähne unter der Kälte zu schmerzen, dann die Nase und die Augen. Die Stirn schien schier platzen zu wollen, ehe das Eis den Hals und die Wirbelsäule erreichte. Ihre Lungen fühlten sich an als ob sie zu Gletschern würden.

    Mit der Wärme wurde ihr die Lebensenergie entzogen, ausgesaugt und leer wie ein Wasserschlauch, dachte sie noch, unfähig zu sprechen. Estragon stand selbstvergessen hinter dem Erzpriester und betrachtete stirnrunzelnd seine Hände. Renatas Herz schlug immer langsamer, während es langsam einfror. Nur der Wille des sie mit funkelnden Augen angrinsenden Priesters hinderte ihre Beine daran, einfach nachzugeben. Schwach und ausgelaugt schloss sie die Augen und sah so nicht mehr, dass der weiße Kämpfer sich bewegt hatte.

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    „Herr, ist das wirklich nötig. Ich meine, ist es wirklich nötig sie…“ hörte es Estragon hinter sich. Doch die Information drang nicht bis zu seinem Verstand durch. Der war mit wichtigerem beschäftigt. Der spannenden Frage, warum zum Teufel sie hier waren?!?
    „Schweigt lieber. Ich werde nicht über meine Beweggründe diskutieren. Ihr wollt euer Volk retten? Dann steht weiter im Schatten eurer Sterblichkeit und haltet die Klappe.“
    Estragon zuckte, als habe ihn ein schwerer Hammerschlag getroffen.
    …ich werde nicht über meine Beweggründe diskutieren…
    Warum…sind wir…hier?
    …nicht über meine Beweggründe diskutieren…
    [Warum…hier…[/I]
    Beweggründe…
    Warum…
    …gründe…
    WARUM???

    Estragons Knie knickten ein. Er schrie laut auf. Der Erzpriester wirbelte herum, Renata sackte zusammen und stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus. Der weiße Krieger packte die Griffe seiner Klingen, wartete aber noch ab.
    Der Schwarzmagier verstummte. Sein Schrei war wie ein panischer Vogelschwarm in der Halbkugel der Kuppel umher geflogen, um dann in Laiérs Luft vergehen.
    Der Erzpriester nickte dem weißen Krieger zu. Dieser zog seine Schwerter und trat zwischen Estragon und seinen Herren.
    „Dreh dich um.“ befahl Nabetsedon eisig.
    Der Schwarzmagier gehorchte. Sein Gesicht war ausdruckslos. Seine Brille glühend Rot.
    „Ihr habt geglaubt, ihr könntet mich festnageln. Ihr dachtet, dieses Rätsel würde meinen Geist verwirren. Ich habe begriffen, dass es völlig unerheblich ist, warum ich hier bin. Wichtig ist, DAS ich hier bin. Und eure Herrschaft endet.“ erklärte Estragon nüchtern.
    Der Erzpriester verzog das Gesicht zu einer hässlichen Fratze.
    „Du Narr! Du bist geboren nur zu einem Zweck. Meine Macht zu mehren und mich zu stärken. Du bist die Saat des Sturmes. Und ich werde sie ernten!“
    Der Erzpriester lächelte. „Du kannst das Chaos nicht aufhalten. Es ist Zeitlos.“
    „Vielleicht will ich es gar nicht aufhalten.“ meinte Estragon. Er sah wie Renata im Rücken des Erzpriesters davon kroch.
    Der weiße Krieger trat eine Schritt vor.
    „Was willst du dann?“ fragte dieser. Estragons Selbstvertrauen wankte einen Augenblick. Diese Stimme…er kannte sie. Aber woher? Unwichtig. Der Erzpriester war es, denn es zu bekämpfen galt.
    „Du bist ein Chaosdämon. Doch Wesen deiner Macht können sich nicht so verdichten, das sie als menschliche Erscheinung auftreten können. Nicht, ohne eine Teil ihrer Kräfte abzulegen. Ergo: Du bist nicht unbesiegbar.“ Estragon blickte durch die heißen Brillengläser auf.
    „Die Magier meines Ordens wären dir gewachsen. Mindestens einer denke ich.“
    Der Erzpriester lachte, doch es klang lange nicht mehr so selbstsicher wie am Anfang.
    „Ich weiß von eurem Hort. Längst haben meine Brüder ein Auge auf euch. Schon bald werden nichts als rauchende Steine zurück bleiben.“
    „Wir werden sehen.“ erwiderte Estragon. Er hatte das Reden satt. Taten sollten folgen.
    „Ja, das werden wir wohl. Ich sehe jetzt, dass du mir zu nichts nützen kannst. Du wirst sterben. Und mit dir deine ganze, lächerliche Sippschaft aus Schwarzmagiern, die es gewagt haben, sich einem der Zwölf in den Weg zu stellen. TÖTE IHN!“

    Der weiße Krieger war schnell. Er stürzte auf Estragon zu und hieb auf ihn ein. Der Schwarzmagier zog seine Waffe und sprang zurück und ging sofort in die Offensive. Jetzt musste es schnell gehen, sonst konnte der Erzpriester wieder die Oberhand gewinnen. Auch wenn er lange nicht so mächtig war, wie Estragon geglaubt hatte, war er noch gefährlich. Renata hatte sich inzwischen an der Wand empor gezogen und beobachtete den Kampf. Sie wird sterben, wenn du sie nicht schnell hier rausbringst… flüsterte ein Stimme in seinem Kopf. Estragon schob sie entnervt in den Hintergrund. Dafür hatte er jetzt keine Zeit. Der Kampf tobte heftig. Der weiße Krieger gewann langsam die Oberhand.

  19. Beiträge anzeigen #119
    Ehrengarde Avatar von Renata
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    Renata ist offline
    Noch nie hatte sie eine derartige Kälte gefühlt, sie war fast nicht in der Lage, Atem zu holen, die vereisten Gelenke waren kaum zu beugen, jeder eingefrorene Muskel schmerzte. Nur langsam drang in das Bewusstsein der Magierin, dass ein Waffengang begonnen hatte, amüsiert beobachtet von dem monströsen Erzpriester. Sie hörte, wie Metall auf Metall schlug, wie sich Klingen trafen. Estragon kämpfte einen ehrgeizigen Kampf gegen den weiß verhüllten Krieger, sein normales Einhandschwert sah im Vergleich zu den beiden Breitschwertern des Kriegers geradezu winzig aus. Mit einer großartigen Geste, die wohl Spott ausdrücken sollte, warf der Krieger eines seiner Schwerter beiseite, mit einem hässlichen Scheppern schlug es eine Ecke aus dem wertvollen Marmor des Fußbodens und schlidderte dann noch ein Stück von den Kämpfenden weg. Gegen die größere Reichweite des Breitschwertes hatte es Estragon schwer, andererseits war der Kämpe durch das Gewicht seiner Rüstung langsamer als er, darum versuchte der Magier, sein Handicap mit Geschicklichkeit und Gewandtheit auszugleichen. Tatsächlich war es ihm gerade gelungen, unter einem horizontal ausgeführten Hieb wegzutauchen und mit einer Drehung einen Treffer gegen die Brust des Gegner zu platzieren. Der Treffer jagte dem Kämpfer zwar die Luft aus den Lungen, aber außer einem Riss in seinem Gewand, unter dem ein Kettenhemd sichtbar wurde, hatte er darüber hinaus nicht sonderlich viel Wirkung gezeigt. Der Weiße schnaufte noch einmal und schwang dann seine Waffe zu einem schräg aufwärts geführten Schlag gegen Estragon. Diesem gelang zwar, sich durch seitliches Abrollen in Sicherheit zu bringen, war andererseits nach der Rolle aber auf den Knien gelandet hatte seinem Gegner damit einen Angriffsvorteil verschafft. Meine Runen dachte die Magierin panisch, ich muss an meine Runen kommen. Mit steifen Fingern nestelte sie in der Robentasche nach den Steinen, versuchte zu ertasten, welche Rune sie gerade in der Hand hielt.

    Der weiße Krieger war schon fast über Estragon, hatte das Breitschwert schon halb erhoben. „Stirb jetzt“ zischte er durch den Stoff seiner Hülle. Diese Stimme, woher verdammt kannte sie diese Stimme? Die Schattenflamme, die sie ihm hatte ins Gesicht schleudern wollen, war nur ein müder Abklatsch zu dem, dessen sie in ungeschwächtem Zustand fähig gewesen wäre, sie kokelte lediglich den weißen Stoff an.

    Mit dieser Aktion hatte sie die Aufmerksamkeit des Erzpriesters auf sich gezogen. „Du schon wieder…“ Bis dahin hatte er den Kampf interessiert verfolgt, sogar ein zufriedenes Lächeln hatte sich auf seine Lippen gestohlen, als er die Worte des Kämpfers hörte. Jetzt flog sein zorniger Blick zu der schon längst vergessenen Magierin. In seinen Augen war sie wohl nicht mehr als eine lästige Fliege, die sich mit ihrem Summen wieder in Erinnerung gebracht hatte. „Du bist zäher als ich Dir zugetraut habe. Aber macht nichts, das wird das letzte kleine Feuerwerk gewesen sein, das Du veranstaltet hast.“. Er hatte das weg geschleuderte Breitschwert aufgehoben und kam auf Renata zu. Die Spitze der Waffe war auf die am Boden Sitzende grichtet, bereit, zuzustoßen. „Für Dich habe ich keine Verwendung“ sagte er noch, dann riss ihn die Schattenflamme zurück, die die letzte Kraft der Magierin gekostet hatte.
    Geändert von Renata (03.07.2004 um 23:11 Uhr)

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    Ritter Avatar von Estragon
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    Estragon ist offline
    Der Erzpriester schrie mehr überrascht, als schmerzhaft auf, sich die Hände vor das getroffene Gesicht haltend. Estragon nutzte die Gelegenheit und rollte sich unter dem weißen Krieger weg, kam hoch und führte einen harten Zug nach oben. Die Maske wurde aufgeschlitzt und der weiße Stoff färbte sich rot. Der Krieger wippte zurück, wischte sich das Blut aus der klaffenden Gesichtwunde, dann ging er zurück in den Angriff.
    Estragon konnte noch einen Blick auf Renata erhaschen, die todesmutig mit der Rune in der einen, mit dem Dolch in der anderen Hand sich dem Priester entgegenstellte.
    Dann schlugen auch schon wieder die Klingen aufeinander und der Magier verlor die Sicht auf seine Gefährtin.
    Er wehrte den Schlag ab, der Krieger fuhr mit dem Kopf auf sein Nasenbein. Estragon hörte es laut in seinem Kopf knacken. Sofort schossen Tränen in seine Augen und verlor die Sicht.
    Der Krieger stieß ihm mit den Fuß zu Erde und wollte das Schwert hinterher schicken, da trat der Magier ihm gegen das Knie. Laut heulte der Krieger auf und brach zusammen. Estragon schlug nach ihm, der Krieger wehrte ab und rollte sich dann zur Seite. Estragon erhob sich schwindlig. Auch der Krieger stand linkisch auf.
    Beide schwitzten. Beide hörten nicht auf. „Bringen wir…das zu Ende.“ meinte der Kriege und hatte plötzlich eine Dolch gezogen. Er warf, Estragon duckte sich, aber es war zu spät. Das Metall schlug im Fleisch des rechten Brustmuskels ein.
    Der Magier sprang zurück, der Krieger setzte nach. „ Diesmal war’s nix mit den Zähnen hä?“ höhnte er.
    Estragons Wunde blutete heftig. Ihr war schwindlig und übel. Seine Knie knickten ein, der Krieger schlug ihm lässig das Schwert aus der Hand.
    „Schluss mit dieser Scheiße.“ Er legte Estragon die Klinge an den Hals, holte zum tödlichen Hieb aus. Estragon war wie erstarrt. Er wird mich wirklich köpfen… dachte er beinahe berauscht.
    Das schrie Renata. Es war ein so panischer Schrei, so völlig von Sinnen, das selbst der Krieger inne hielt. Die Kämpfer sahen zu dem großen Panorama hinüber.
    Dort kniete die Magierin vor dem Erzpriester. Ihre Augen waren vor Schreck geweitet. Die Hände langen schlaff an ihrer Seite.
    Das Gesicht des Erzpriesters…war weg. Einfach weg. Schwarze Leere. Der Kopf war wie ein Krug eingeschlagen und die porzellanartige Haut wies tatsächlich so was wie Bruchkanten auf.
    Und dort, wo eigentlich Augen, Nase, Mund hätten sitzen müssen –wo verdammt noch mal das Gesicht hätte sein sollen- war eine nicht zu beschreibende Schwärze.
    Estragon fing sich wieder. Was immer da ablief, Renata war im Begriff, von dem Erzpriester ermordet zu werden. Er zog aus seinem Ärmel seine letzte Waffe. Die alte Rasierklinge des Steinmetz Hilias.
    Der Erzpriester erhaschte wohl seine Gedanken. „TÖTE IHN ENDLICH!“ zischte er. Lippenlos!!!! brüllte es in Estragons Hirn.
    Der Krieger nickte zögerlich, doch da war Estragon schon mit dem Rasiermesser oben und schlug zu. Der Krieger wurde am Hals getroffen. Blut schoss an seiner weißen Kleidung wie ein Wasserfall hinab.
    Doch er krallte sich an dem Magier fest, so dass Estragon nicht zu Renata gelangen konnte. „Renata!“ brüllte er.
    Der Erzpriester lachte. „Erst ihr, dann sie…“ sagte er feierlich.
    Rhodgar! Seraphin! schoss es Estragon durch den Kopf, als der weiße Krieger ihm eine Dolchklinge in die Seite stach.

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