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So lag er nun da, erfüllt von Verzweiflung und Wehmut. Dabei war er so nah dran gewesen! Nur ein einziger Schritt fehlte noch, einmal unter dem Vorhang hindurch und alles wäre vorbei gewesen. All der jahrelange Selbsthass, die Verachtung sich selbst gegenüber, die unendliche Schuld, die er verspürte... Vorbei. Es wäre mit einem einzigen Schritt vorbei gewesen.
Doch stattdessen lag er hier nun, der Blick von Tränen getrübt, Wangen und Nase vom lautlosen Schluchzen gerötet und die Hände im roten Samtvorhang gekrallt. Ein tiefes Gefühl von Versagen und Scham erfüllte Berash. Nicht einmal das hatte er geschafft.
Was hatte er sich auch davon erhofft? Absolution? Das das Gefühl von Reue endlich aus ihm gerissen wurde wie der Dorn in einer schwärenden Wunde? Lächerlich. So war Beliar nicht. Der dunkle Gott vergab keiner Schwäche, er erteilte keine einfache Vergebung. Wie hatte Berash nur glauben können, dass er einfach vor dem Heiligtum knien musste, damit Beliar ihm all das vergab, was er getan hatte? Beliar half dem Starken und gab seinen Segen an diejenigen, die sich behaupten konnten. Und jetzt gerade war Berash weder das eine noch das andere.
Und das machte ihn wütend! Wie konnte es sein, dass er hier wie ein kleines Kind lag und all sein Elend in die Welt hinaus klagte ohne etwas dagegen zu tun? Er, der einst die Assassinen angeführt hatte, die dunkle Kunst der Schattenmimik meisterte und Träger seiner Klaue gewesen war, wenn auch nur für kurze Zeit?
Beliar hatte ihm all das damals nicht gegeben, weil er schwach war! Berash war stark! Er hatte gelogen, gekämpft und getötet für all das, was er erreicht hatte. Und in einem schwachen Moment hatte er es weggeworfen, als wäre es unnützer Ballast gewesen. Aber was war, wenn er sich alles wieder zurück holen würde? Wenn er sich aus dem Dreck, in welchen er sich selbst hinein geworfen hatte, wieder heraus kämpfte?
Die Hände krallten sich wieder in den Vorhang, diesmal jedoch fest und von Wut erfüllt. "Nein..." wisperte der Assassine. "Nein." sprach er erneut, diesmal deutlicher, und richtete sich langsam wieder auf.
"Nein!" Mit Nachdruck sprach er das einfache Wort aus, packte den Vorhang, welcher das Heiligtum verhüllte, noch fester.
"NEIN!" schrie er lauthals, den Kopf in den Nacken gestreckt. So laut, dass selbst die Götter ihn hören mussten!
Mit einem unglaublich festen Ruck riss Berash den Vorhang aus seiner Halterung und herunter und enthüllte damit das Heiligtum. Oder das, was zumindest noch davon übrig war. Auch wenn sie es nicht komplett zerstört hatten, die Symbole waren unkenntlich gemacht worden, das Antlitz entstellt.
Berash wusste mit einem Mal, dass Beliar nicht mehr hier war. Unergründliche Klarheit erfüllte seine Gedanken, fast wie eine Epiphanie. Der dunkle Gott hatte die sonnenverbrannten Gefilde Varants verlassen und ob er je zurück kehren würde war fraglich.
Er spürte eine Wärme an der Brust, die ihn überraschte. Im ersten Moment hatte er es für seinen Zorn gehalten, doch die Wärme war äußerlich, nicht tief in ihm drinnen. Es war, als würde das Rabenamulett, welches er gefunden hatte, seinen neu erfassten Mut übernehmen und ihm Zustimmung vermitteln.
Berash holte das Amulett hervor und musterte es eindringlich. Glänzte es vielleicht etwas mehr als vorher? War da nicht ein gewisses Funkeln in den Augen des Schädels, welches vorher nicht da gewesen war?
Vielleicht war es auch nur seine Einbildung. Doch eines wusste er. Hier konnte ihn nichts mehr halten.
Der Assassine wollte sich schon vom geschändeten Heiligtum abwenden, als etwas anderes seine Aufmerksamkeit erregte. Ein kurzes Blitzen wie von einem verirrten Sonnenstrahl, welches von Metall wieder zurück geworfen wurde.
Er schob den abgerissenen Vorhang achtlos beiseite und ging um das Heiligtum herum. Dort lag das, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte:
Es war ein Schwert. Ein dunkles Langschwert mit geschwärzter Klinge, die Parierstange mit stilisierten Wirbeln verziert, darunter ein einfacher, kleiner Rabenschädel, der Knauf in Tränenform.
Was machte ein solches Schmuckstück hier? Wieso lag es hier so einfach herum? War das ein weiteres Zeichen von Beliar oder nur ein glücklicher Zufall?
Es war ihm egal. Die Waffe war besser als der simple Krummdolch oder das gestohlene Schwert, welches er dem Wächter abgenommen hatte. Also tauschte Berash kurzerhand das gestohlene gegen das Gefundene und wandte sich in Richtung Ausgang. Und blieb erneut stehen, als er eine Gestalt im Torbogen stehen sah.
Es war der Gardist, welchen Berash auf dem Weg hierher getroffen hatte. Und dieser stand mit verschränkten Armen und abschätziger Miene dort und musterte sowohl den Raum als auch Berash selbst, während er mit der Zunge schnalzte.
„Tsk, Tsk, Tsk. Ich wusste doch, irgendwas an dir war faul.“ Er schüttelte den Kopf und setzte ein entschlossendes Gesicht auf. „Von wegen neu. So schlimm kann es in Myrtana doch nicht stehen, dass sie jemanden wie dich schicken.“ Er trat ein paar Schritte näher heran und zog dabei sein Schwert.
„Was bist du, hm? Einer von den Assassinen, die immer noch nicht erkannt haben, woher der Wind weht? Ein verblendeter Gläubiger, der glaubt hier die Stimme seines Gottes zu hören? Oder einfach nur ein dämlicher Dieb? Ist ja auch egal.“ Er zuckte mit den Schultern und hob sein Schwert.
„Du kannst es uns beiden einfach machen und das Ding weglegen und dich festsetzen lassen. Die anderen Wachen dürften eh gleich wieder zurück sein. Und wenn der Statthalter nett ist, lässt er dir vielleicht auch eine Hand übrig.“
Berash zögerte, als er die entschlossene Miene des Gardisten sah. Es wäre auch zu schön gewesen, einfach wieder herauszuspazieren. Und er hatte noch gedacht, dass es zu einfach gewesen war.
Mit Sorge betrachtete Berash das Schwert des Gardisten. Es schien, als würde es auf einen Kampf hinaus laufen müssen, wenn er hier heraus wollte.
Er hatte jedoch schon verdammt lange nicht mehr richtig gekämpft und war ziemlich eingerostet. Doch einfach aufgeben konnte er auch nicht, schließlich hatte er einiges durchgemacht um ein letztes Mal hierher zu kommen. Es blieb dem Assassinen einfach nichts anderes übrig.
Er packte den Griff des gefundenen Schwertes fester und machte sich bereit.
„Nein.“ war das einzige Wort, was ihm über die Lippen kam. Wie vorher auch schon war diese simple Weigerung das einzige, was er zu sagen hatte. Doch verströmte dieses einfache Nein so viel mehr. Es war Widerstand, Kampfansage, Motivation und noch so vieles anderes.
Es reichte. Hier und jetzt würde es sich entscheiden. Entweder starb er hier oder nicht. Und wenn es denn sein letztes Gefecht sein sollte, dann würde er Stolz über die Schwelle treten wollen!
Der Gardist grunzte verächtlich und zuckte erneut mit den Schultern. „Wie du meinst, Alter.“ Er hob das Schwert und trat näher an Berash heran. Dieser tat es ihm gleich, die Schritte anfangs zögerlich, doch dann immer energischer und schneller werdend, so lange, bis Berash auf den Gardisten zustürmte. Er hatte genug!
Mit einem wutentbrannten Schrei auf den Lippen hob er die gefundene Klinge und schlug mit all seiner Kraft zu. Der Gardist hob sein eigenes Schwert und blockte die Klinge des Assassinen, musste jedoch mit der anderen Hand die Klinge stützen um den wuchtigen Schlag Berashs aufhalten zu können. Ächzend ging er in die Knie.
„Hast doch mehr Kraft als gedacht...“ knurrte er, bevor er aus den Knien heraus federte und Berashs Klinge zurück stieß und zum Gegenschlag ansetzte. Berash, durch jahrzehntelanges Training geübt, wich fast schon instinktiv dem Schlag aus indem er sich zur Seite beugte und um seinen Gegner herum tänzelte. Und dann sofort mit einem Stich zurück schlug!
Der Gardist konnte nicht schnell genug reagieren und musste einen ordentlichen Stich in den Oberschenkel hinnehmen, der ihn fast zum einknicken brachte. Berash jedoch trat zurück, hob das Schwert zum Gruß mit der flachen Seite vors Gesicht und ging einen Schritt zurück, bevor er sich umdrehte und zum Ausgang stürmte. Er hatte weder die Kraft noch die Zeit sich lange mit dem Wächter zu beschäftigen, also musste er ihn verlangsamen. Und so war er hinter ihn gekommen und konnte einfach durch den Torbogen verschwinden. Heute würde er nicht töten, wenn es sich vermeiden lies.
„Komm zurück, du Feigling!“ Spie der Gardist ihm hinterher und humpelte in Richtung Torbogen. Berash jedoch dachte nicht daran und lies den zeternden Mann einfach hinter sich. Jetzt musste er schnell sein!
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Bakaresh
»Es ist so eine große Ehre euch in meinem Heim wissen zu dürfen Herr. Solch eine Freude, dass ihr wieder unter den Lebendigen weilt. Dieses Land hat Jemanden wie euch nur zu schmerzlich vermisst«, DraconiZ’ Gegenüber schüttete sich langsam und bedächtig den Apfeltee in die kostbar verzierte Teetasse, so als handelte es sich um ein förmliches Ritual, welches in keinem Falle anders ablaufen durfte. Vielleicht war dem auch so. »Wahrlich die Gabe der Rhetorik hat euch nicht verlassen. Ich hörte von euren Worten in den Ruinen und ich kam nicht umhin euch direkt einzuladen«, er nippte an dem Tee und lies ein vergnügliches Geräusch seinem Mund entweichen, während der Weißhaarige sich in seinem Stuhl zurücksinken lies und gespannt den umfangreichen Schmeicheleien lauschte die der Mann, der genauso hoch wie lang war, von sich gab. Prächtige Gewände spannten sich um seinen beleibten Körper und an Händen und um den Hals glitzerten Juwelen im Sonnenlicht. Das Haus in das der Paladin eingeladen worden war wirkte prächtig. Der Besitzer war wahrlich nicht unscheinbar. Er zeigte Bakaresh und der Welt den Reichtum den er sich, wahrscheinlich wenig ehrlich, erarbeitet hatte. »Wie gerne erinnere ich mich an unsere gemeinsame Zeit zurück. Was habt ihr nicht für eine wundervolle Vorstellung abgeliefert bei der Prüfung der Klingen. Ich muss ja sagen ich war sehr skeptisch, was euch betraf. Das möchte ich in keinster Weise verhehlen. Schließlich bin ich eine ehrlich Seele«. Ein leichtes Zucken auf dem Gesicht des Streiters. »Als ihr mich von dem Schwarzmagier umbringen lassen wolltet«, ergänzte der Obskuromant. »Eine Notwendigkeit Herr. Eine Prüfung ist schließlich eine Prüfung ist es nicht so?«. Er wies noch einmal und sehr eindringlich auf den Tee und das Gebäck vor Ihnen. »Esst nur. Trinkt! Ihr spracht vom Leben und der Freiheit. So lasst sie uns genießen!«. Er lachte und nahm sich selbst noch Einiges, so als befürchtete er ansonsten aus seiner geliebten Form zu geraten.
DraconiZ nickte dem Mann zu. »Ich fühlte mich geehrt Nermin al-Qurashi, dass ihr mich in euer Heim eingeladen habt. Es ist das erste Mal seit ich wieder hier weile, dass ich solch eine angemessene Einladung erhielt. Das möchte ich euch natürlich sehr hoch anrechnen«. Er schaute dem ehemaligen Klingenmeister tief in die Augen. Er stammte ursprünglich aus Ben Erai und war einer derjenigen gewesen, die ihn in den Kreis der Klingenmeister erhoben hatten. Schon damals hatte er das Kämpfen vernachlässigt und war eher den Weg eines Händlers und Aristokraten gegangen. Nun schien es ganz offensichtlich so, dass er schon lange Zeit keine Klinge mehr in der Hand gehalten hatte. Scheinbar hatte ihm Ben Erai nicht mehr so recht getaugt und er war nach Bakaresh übergesiedelt. Das ergab durchaus Sinn. Bakaresh hatte schon vorher den größten Einfluss gehabt. Nun wo hier der Handel weiter florierte, war es richtig ein Stück des Kuchens abhaben zu wollen. Wobei Nermin deutlich so aussah, dass er es mit einer Diät versuchen sollte. »Es freut mich über alle Maßen dieses zu hören«, frohlockte er. »Vielleicht mögt ihr mir die Ehre erweisen euch einen Geschäftsvorschlag anzuhören?«. DraconiZ nickte ihm aufmunternd zu. »Ich möchte euch Informationen und gute Worte anbieten«, sagte er grinsend. »Informationen über Bakaresh und ganz Varant. Gute Worte um euch Türen zu öffnen. Ihr wart 10 Jahre verschwunden. Ich habe viele Verbindungen und kann etwaige Zweifel leicht zerstreuen. Die Geschäfte laufen exzellent. Man zählt auf das Haus al-Qurashi hier in Bakaresh und in Ben Erai«. Der Weißhaarige musterte den Mann. »Das ist sehr großzügig von euch. Was erwartet ihr denn von mir?«
»Einfach alles Herr«, sagte er und lachte wieder. Seine gute Laune schien durch nichts zu trüben zu sein. »Ihr habt mir imponiert bei der Prüfung der Klingen, bei der wir alles daran gesetzt haben euch zu töten. Ihr habt den Bund mit dem Gott des Todes geschlossen. Nun scheint es mir ihr habt sogar die Möglichkeit die Gunst Myrtanas wiederzuerlangen. Welch ein Narr ich wäre da nicht zu investieren! Seht meinen bescheidenen Beitrag als Investition in unsere gemeinsame Zukunft an. Eine Investition in mein Haus und meine Familie. Lasst mich der erste Unterstützer eurer Sache sein Herr!«. Der Streiter nickte auf die Worte. »Also ebenfalls Informationen und gute Worte«, fasste der Streiter zusammen und beide verzogen die Lippen zu einem Lächeln. »Wer wäre ich solch ein generöses Angebot auszuschlagen?«, fragte der Paladin. »Wir verstehen uns«, meinte der Händlerfürst und wischte sich seinen benetzten Mund ab. »Hasan ist tot Herr. Ist noch lange wie die Untoten aus seiner Heimatstadt dahingesiecht und dann hat ihn Beliar geholt. Mur’ahat ist ebenfalls tot. Hat sich im Krieg im Rausch mit mehreren Ordensrittern messen wollen, was nicht gut für ihn ausging. Die junge Alenya streift irgendwo durch die Wüste. Keine weiß gut zu berichten was sie umtreibt. Drognan aus Mora Sul ist steif und alt geworden wie viele andere. Sein Sohn leitet nun seine Geschicke. Yarif und Yurif sind irgendwo in der Nähe von Isthar. Bei Ihnen ist ebenfalls unklar, was aus Ihnen wurde. Ob weitere Klingenmeister ernannt wurden ist unklar. Es gibt das eine oder andere Gerücht, doch um ein Exempel zu statuieren sollte das Vorgehen gegen mich, Alenya, Drognans Sohn und die Bastarde aus Isthar ausreichen«, sagte er plötzlich als er der Meinung war, dass ihre Vereinbarung besiegelt war. »Ich werde überdies ein sehr gutes Wort für euch bei den Händlerfürsten einlegen Herr. Ich bin euer ergebener Diener«, er verneigte sich theatralisch.
Der Assassine argwöhnte, dass nicht nur die Aussicht auf zukünftige Erträge, sondern die ganz nahe Bedrohung seines Lebens ihn zu der Unterstützung trieben, doch er verwarf den Gedanken. Er musste irgendwo anfangen und Nermin schien ein guter Anfang zu sein. »Unsere Geschäfte mögen erblühen«. Er zog ein Pergament aus seinem Kaftan und schob es Nermin herüber. Der Händler entrollte es und lies seinen Blick hastig über die Lettern schweifen. »Ich.. danke euch Herr. Das ist hilfreich«. DraconiZ nickte und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Wenn Cruz herausfand, dass er das Wissen so weitergab würde das zu Problemen führen.
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Bakaresh - Ruinenfeld
»Ich bin Jasem, Sohn von Drognan!«, der hünenhafte Mann der mit nacktem Oberkörper durch die behelfsmäßige Arena schritt machte sich noch größer als er ohnehin schon war. Seine Präsenz schien den ganzen Raum der alten Ruinen einzunehmen. Wieder war DraconiZ in den Ruinen und wieder ging es darum sich zu beweisen. Der erste Kontrahent hatte sich gefunden seinen Anspruch in Frage stellen zu wollen. Nach alter Art der Assassinen wollte er das in einem Gottesurteil durch Zweikampf entscheiden. Der Weißhaarige hatte lächelnd zugestimmt. »Diesen Emporkömmling, diesen Schandfleck auf der Ehre von Bakaresh schicke ich zurück nach Midland!«, rief er hochmütig. »In vielen kleinen Teilen!«, lachte er und die Menge stimmte mit ein. Er schien in der Unterwelt Varants keine kleine Größe zu sein. Es waren mehr Menschen versammelt als zuvor, darunter auch Drognan selbst und Nermin. Viele der Versammelten nickten ihm wohlwollend zu. Doch die Mehrheit beobachtete still das weitere Prozedere. Wenn man in Varant länger leben wollte, dann hütete man sich vorschnelle Entscheidungen zu treffen. Die Dinge ändern sich schnell in der Wüste, so wie Stürme die Landschaft veränderten und Keiner wollte derjenige sein, der die Warnung der Elemente nicht verstand. Drognan schloss sich der Mehrheit an. Auch er schien erst abwarten zu wollen. Scheinbar fand das Vorgehen seines Sprösslings nicht seine volle Zustimmung.
Der Paladin erhob sich, selbst nur mit einer schwarzen Hose bekleidet und wog Valien in der Hand. Einen Kampf auf Leben und Tod nahm man niemals auf die leichte Schulter. Eine einzige Bewegung, ein kleiner Fehler und es war vorbei. Sein Gegner würde keine Gnade walten lassen. Es stand zu viel für ihn auf dem Spiel. Es war Stolz der ihn trieb und sein Stolz würde ihn zu Dingen bringen, die viele nicht für möglich hielten. DraconiZ lies seine Klinge in der Hand kreisen. Fühlte sich gut an. Er schaute zu Ugrasal hinüber der ihm zunickte. Sie hatten Cruz von dem Spektakel berichtet und der Marinekommandant war einverstanden, dass er keine guten Männer verschwenden würde, um in irgendeiner Weise hier mitzumischen. Stattdessen würde er in der Stadt selbst dafür sorgen, dass dort Recht und Ordnung gehalten wurden. Nach den Informationen die sie aus mehreren Quellen bisher zusammentragen konnten, schien die Anzahl derer die sich recht offen gegen Myrtana wendeten bald dezimiert zu werden. In der Stadt herrschte eine gespannte Stimmung. Wie eine Katze die sich auf die Lauer legt um bald zuzuschlagen.
»Na was ist du Kröte? Hast du genug nachgedacht?«, meine Jasem wieder lachend und wandte sich zum Publikum, das er für seines hielt: »Wollt ihr sehen wie ich ihn niederstrecke?«. Applaus. Es war unklar ob sie einfach nur Blut sehen wollten oder wirklich für den Mann aus Mora Sul waren. Dem Weißhaarigen war es ohnehin gleich. Indem er die Herausforderung angenommen hatte, hatte er den Anspruch des Paladins akzeptiert und zementiert. Alle die hier waren taten es ebenso. Es hatte seinen Zweck erfüllt. Der Gladiatorensohn schrie wie ein Bär als er unvermittelt angriff. Sein Kampfstil wirkte wie der eines Nordmarers, nur mit zwei Waffen. Er verließ sich auf seine Kraft und seine Größe, mehr als auf Geschicklichkeit. Das spiegelte auch die Wahl seiner Waffen: Ein midländisches Langschwert und eine nordmarer Axt. Scheinbar hatte sein Vater ihn die Vielseitigkeit der Waffen des myrtanischen Reiches gelehrt. Der Stil von DraconiZ war gänzlich das Gegenteil. Er kämpfte elegant. Mit schnellen, fast tänzerisch anmutenden Bewegungen. Valien kreiste und wehrte ab und sein Körper fand immer wieder einen Weg den mächtigen Streichen zu entkommen. Er zwang Jasem eine kreisförmige Kampfchoreographie auf, die er immer wieder versuchte zu durchbrechen. Es gelang ihm nicht. Bald schon bildeten sich Schweißperlen auf den Stirnen der Kontrahenten. Der Ritter von Khorinis lachte. »Du wirkst doch recht plump für deine großen Worte«, griff er den Stolz seines Gegners an. »Du hättest mehr üben sollen Bursche«.
Er beherrschte sich und wandte sich wieder ans Publikum. »Seit ihr bereit für den Kampf?«. Wieder schrien sie und das Weißhaar machte sich bereit. Jetzt nahm der Streiter vor ihm alle Kraft zusammen und stürmte wie ein wild gewordenes Rhinozeros auf ihn zu. Wieder und wieder schien es als wollte er mit Schwert und Axt die Welt selbst spalten. Hätten sie ihn einem Kornfeld gekämpft, so wäre schon jetzt kaum mehr Korn übrig. DraconiZ sammelte sich. Der Kampf durfte nicht zu lange dauern. Es brauchte eine brutale direkte Geste um etwaige andere Herausforderer vor dem Entschluss ihn herauszufordern zu bremsen. Mit jeder Ausweichbewegung brachte er sich besser in Position. Drognan stand auf und schrie etwas, was allerdings bei beiden Kontrahenten nicht ankam.
Die Gelegenheit kam als Jasem zu weit ausholte und mit seiner Axt unter Hüfthöhe landete. DraconiZ riss Valien nach oben und stach eines Speeres gleich in Richtung der rechten Achselhöhe seines Gegners. Dieser wich nach hinten zurück, doch die Zornesklinge traf ihr Ziel dennoch. Die Schwertspitze kostete das Blut der rechten Schulter, bevor es wieder nach hinten gezogen wurde um den Konter abzuwehren. Der Mann aus Mora Sul keuchte und musste seine Axt fallen lassen. Ein dumpfes Geräusch auf dem Wüstenboden. Dickflüssiges Blut tropfte aus der Wunde und es war offensichtlich, dass Jasem mit seinem Kreislauf kämpfte. Zorn, Angst und Schreck mischten sich in seinem Gesicht zu einer undefinierbaren Masse.
»Kniet vor dem König und ich lasse euch leben«, raunte der Klingenmeister. »Achtet das Gesetz der myrtanischen Krone und steigt mit mir auf!«, rief er dann an die Menge gewandt. »Für euch die Frieden und Wohlstand. Für Myrtana die Herrschaft!«, wandelte er den alten Spruch der Assassinen unter Zuben um. Sein Gegner kämpfte mit seinem Stolz. Seine Chancen war drastisch gesunken und doch: Wenn er jetzt kniete würde ihn Keiner mehr für voll nehmen. Er musste es tun. Der Assassine nahm seine Kraft zusammen und brüllte. Mehr Verzweiflung als Zorn. Der Schlag war viel zu langsam. DraconiZ wich aus und schlug ihm mit Valien seine Waffe aus der Hand. So dass er unbewaffnet vor dem Paladin stand. Die Zornesklinge zeigte genau auf seine Kehle. In seiner Verzweiflung packte Jasem die Klinge mit seiner linken Hand und versuchte an seinen Kontrahenten heranzukommen. Der Weißhaarige zog brutal an der Klinge, drehte sich um den Unbewaffneten und schlug ihm hart mit dem Schwertknauf ins Gesicht. Jasem ging zu Boden. Die Menge stöhnte auf. Die ersten forderten den Tod des Mannes aus Mora Sul. Beliar kannte keine Gnade. Nur den Schmerz und Tod. Das war was sie wollten. DraconiZ schielte zur Tribüne. Es war ihm zuwider Blut zu vergießen.
Drognan kam auf die Beine. Sein Gesicht leichenblass und erschrocken. Nun kämpfte er mit seinem Stolz. Der Paladin wartete ob er etwas tun würde, doch als die Rufe zu laut wurden nahm er sein Schwert fester in die Hand und positionierte sich über dem Mann, der keuchend am Boden lag. »Hab keine Angst mein Kind. Der Tod holt uns alle. Du hast tapfer gekämpft. Ein Platz in Beliars Reich ist dir sicher«, sagte er laut genug, dass sie ihn verstehen konnten. Dann hob er Valien an.
»HALT!«, donnerte die Stimme von Drognan kurz bevor er zugestochen hatte. »Ich Drognan von Mora Sul, Klingenmeister von Varant unterstütze euren Anspruch«. Er war auf den Kampfesplatz gelaufen und hatte beide Hände beschwichtigend nach oben gerissen. In sein altes Gesicht hatten sich tiefe Sorgenfalten gegraben. »Erlaubt mir ihn zu versorgen Herr«, bat er. DraconiZ trat von dem jungen Mann zurück. »Achtet ihr die Gesetze Myrtanas?«, fragte der Weißhaarige ihn fordernd. Drognan überlegte nicht lange. »Das tue ich!«, rief er. Seine Stimme fast hysterisch. »Dann erkläre ich unseren Zwist hiermit für beigelegt«.
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Bakaresh
»As-salamu alaikum«, sagte eine weibliche Stimme vor dem Streiter, der gerade in einer Stube der Kasbah damit beschäftigt war einige Papiere zu sondieren. Sie verzeichneten erste Erfolge. Das war schon einmal positiv. Doch die Bedrohung durch die Assassinen war noch immer immanent. Falls es überhaupt möglich war sie jemals zu zerstreuen. Zumindest war seine Stimme gehört worden und der Anspruch des Paladins war akzeptiert worden. Jetzt galt es diesen zu verteidigen. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Es stand noch immer alles auf dem Spiel. »Nun ob du wirklich in Frieden kommst wird sich zeigen«, meinte der Weißhaarige verhalten und bedeutete der Kriegerin sich zu setzen. Diese schaute abschätzig zu ihm herüber und lies sich dann angespannt auf dem Stuhl nieder, während sie fest seinen Blick hielt. »Bist du gekommen deinen Treueschwur zu erneuern Alenya von Braga? Oder ihn überhaupt zu schwören?«.
Die Klingenmeisterin schaute pikiert. »Ganz der Alte. Kein Sinn für Umgang und Höflichkeit«, meinte sie grimmig. Sie zuckte mit den Schultern. »Das kommt ganz darauf an«. DraconiZ seufzte. Natürlich kam es darauf an. Er setzte die Feder ab mit der er Notizen angefertigt hatte und schaute kurz zum Fenster hinaus. Die Straßen der Stadt waren belebt wie eh und je. Scheinbar hatte alles was Ugrasal und er getan hatten keinen bleiben Eindruck hinterlassen. Das hatte der alte Bund ebenfalls äußerlich nicht. Einzig die Paladine und die Schwarzmagier des Kastells hatten wirklich das Antlitz der Stadt verändert. Auch wenn der Kern, das Bebende Herz unangetastet blieb. »Auf was genau kommt es an?«, fragte er als er aufstand und ihr ein Getränk anbot. Zumindest mochte er den Eindruck von Höflichkeit nicht vermissen lassen. Die Streiterin lies sich zurücksinken, wobei ihre tiefschwarze Rüstung knarzte. Ihre Narben im Gesicht und ihr rabenschwarzes Haar verliehen ihr ein bedrohliches Aussehen. Doch wenn man sie etwas länger kannte, konnte man die Menschlichkeit hinter der Fassade erkennen. Sie kämpfte für etwas, nicht nur für ihren eigenen Gewinn. »Auf deine Beweggründe«. Sie lies die Worte wirken, bevor sie fortfuhr: »Du warst die Verkörperung des Todes. Die Inkarnation von Beliars Zorn. Nun plötzlich scheint dir aufgefallen zu sein, dass du auch eine menschliche Seite besitzt. Das Zorn und Rache alleine zu wenig sind. Warum?«, sie schaute ihn aus ihren unergründlichen Augen prüfend an.
Der Klingenmeister schaute in den Becher den er sich gerade genommen hatte, so als könnte die klare Flüssigkeit darin ihm die Antwort auf diese gewaltige Frage geben. »Mein Glauben und mein Inneres ist besiegt worden. Nein nicht besiegt. Vernichtet. Zwei Mal. Erst in Khorinis als klar wurde, dass die Orks gewinnen würden und dann in Bakaresh als die Paladine kamen«, er schluckte und stellte den Becher seufzend ab. Er musste nun wirklich aufrichtig sein. Hier war Täuschung nicht angebracht. »Ich versank Dank der Schattenmimik in tiefe Finsternis. Eine Ewigkeit lang. Über 10 Jahre lang flehte ich erlöst zu werden. Nicht mehr kämpfen zu müssen. Endlich den Frieden zu finden, den ich allen versprochen hatte. Doch Beliar nahm mich nicht auf und Innos’ verlangte immer noch, dass ich vor ihm kniete.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es muss einen Weg geben die Götter zu achten ohne sich vollends für ihre Ränke einspannen zu lassen. Ich denke es ist meine Aufgabe diesen Weg zu suchen und ich rechne mir die meisten Chancen als Teil des größten Reiches aus, was Morgrad jemals gesehen hat«. Alenya hatte sich alles nickend angehört und lachte dann. »Dann stimmt was sie sagen. Du bist völlig verrückt«. Sie lachte. Kurze Zeit stimmte DraconiZ ebenfalls ein.
Einige Zeit schaute sich Alenya im Zimmer um, dann verkündete sie: »Ich werde auf dich aufpassen. Irgendjemand muss es schließlich tun und ich habe gerade ohnehin nichts wichtigeres vor, als die Welt in ihren Grundfesten zu erschüttern«. Grinsend stand sie auf und ging dann wortlos aus dem Raum. Sie lies den Obskuromanten erfreut und verwirrt zurück.
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Bakaresh
DraconiZ saß mit Ugrasal, Sir Cruz, Alenya und Nermin an einem großen Tisch. Vor ihnen lagen einige Dokumente und die Gesichter der Anwesenden war in Furchen gelegt. Es war eine große Aufgabe die vor Ihnen stand. »Nun es scheint, dass ihr bisher einige Erfolge zu verbuchen habt«, brach der Seebär als erster das Schweigen. Es war ein schöner Tag und wenn die Gesichter nicht so ernst drein geblickt hätten, so hätte man es für ein geselliges Beisammensein im Hause Nermins halten können. Der Marieneoffizier hatte sich erst mehrfach bitten lassen das Haus des Händlerfürsten zu betreten, doch nun wo er hier saß schien er sich gut in die Situation gefunden zu haben. »Die Informationen die ihr liefern konntet waren sehr hilfreich und wir konnten einige Straftäter bereits zur Rechenschaft ziehen«, er tippte nervös mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Doch die großen Fische laufen weiterhin frei herum«, er schaute grimmig zu dem Händlerfürsten herüber in dessen er Haus er sich befand. »Es braucht Zeit und Geduld eure Exzellenz«, antworte der Angesprochene, während er sich verbeugt, soweit es ihm möglich war wie er an dem Tisch saß jedenfalls. »Es sind mächtige Personen. Sie einfach zu brüskieren leitet einen Bürgerkrieg ein. Das sollten wir doch vermeiden. Ich denke die Botschaft kam an«. »Ich stimme ihm zu. Es gab genug Krieg. Wir sollten unseren Einfluss nutzen und es langsam angehen«, pflichtete der Weißhaarige dem Händler bei. Cruz verzog angewidert das Gesicht. »Innos schließt keine Bündnisse mit solch einem Dreck. Er ist der Gott der Herrschaft und des Lichts!«, donnerte der Admiral. »Nun euer Gott hat den Konflikt bislang wenig erfolgreich gänzlich beigelegt. Ich denke die neue Vorgehensweise ist einen Versuch wert«, meinte Alenya ein wenig zu süffisant. Bevor Cruz antworten konnte, ergriff Ugrasal das Wort: »Es ist eine Angelegenheit unter Menschen nun. Die Zwist der Götter ist momentan zu Gunsten des Feuers ausgegangen. Wir sollten nun auf die Befindlichkeiten der Menschen achten und uns nicht in solche Dinge verstricken. Innos’ Sieg ist unbestreitbar«. Der Admiral der Südflotte schaute etwas versöhnlicher. »Wir sind auf einem guten Weg. Die Assassinen müssen sich umgewöhnen. Das wird nicht durch die wenigen Aktionen gelingen, die wir bisher hatten. Die Nachricht ist verkündet und es gilt nun sie zu verteidgen. Lasst uns darauf aufbauen. Mit eurer Unterstützung gelingt es mit wenig Blutvergießen«, fasste DraconiZ noch einmal zusammen.
Glas klirrte. Die Beteiligten waren schnell auf den Füßen und das nicht zu früh. Dicke Kugeln die rauchige Nebelschwaden in das Zimmer brachten fielen wie Mahnmale auf den Boden. Ugrasal und Alenya hatten beide schon ihre Klingen in der Hand, Cruz und DraconiZ ihre Dolche. Gestalten kamen durch den Nebel. »Für Beliar!«, gellten mehrere Stimmen durch den Nebel. Es war ein heilloses durcheinander, doch die Erfahrung der Streiter von dem Tisch machte sich bezahlt. Die nun herankommenden in schwarz gekleideten Gestalten hatten im ersten Angriff kein Glück. Ihre Streiche wurden abgewehrt. Ugrasal nahm einen Schnitt an der Schulter mit und Cruz bekam eine Schramme an seine Rüstung. Klingen scharrten übereinander. Blut floss. Das Weißhaar versuchte sich einen Überblick zu verschaffen, doch selbst seine Augen konnten den Nebel nicht durchdringen. So war er gezwungen sich auf Ohren und Gefühl zu verlassen. Der Kampf wurde brutal geführt. Ehre fand hier keine Anwendung. Sie waren gekommen das zarte Gewächs ihrer Zusammenarbeit zu zertreten. Ihr Bündnis hatte sie gestört und die die nicht bereit waren zu folgen wehrten sich nun. Es war wie es war. Erwartbar. Doch in diesem Moment blieb ihnen nicht viel Zeit. Er hörte Alenya hinter sich schreien. Er selbst wich einem Schwertstreich aus, doch einige Strähnen seines Haares nahm der Streich mit sich. Geistesgegenwärtig rammte er einem der Attentäter sein Kris in Richtung Hals und sah zu wie das Leben aus dem Angreifer wich. Nermin lachte. Scheinbar war die Situation bald wieder unter Kontrolle.
Drei der Angreifer überlebten des kurze aber heftige Gefecht. Sie wurden von den Klingenmeistern zu Boden gedrückt. »Das wird Konsequenzen haben«, fauchte Cruz, der sich wieder gefangen hatte. »Ich werde Jeder Made die es wagt das Gesetz des Krone zu brechen den Garaus machen!« . Auch die anderen sahen ein, dasss die Statuierung eines Exempels unausweichlich war. Nermin schaute DraconiZ tief in die Augen. Der Angriff hatte sie zusammengeschlossen.
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Gebirge nordwestlich von Mora Sul - Das Höhlensystem
Gerade als Jaleel seine Kohlezeichnung vom unterirdischen Kristallsee zusammengerollt und in seiner Schutzhülle verstaut hatte, rief Sahar in die Höhle hinein.
„Zeit zum Aufbruch. Wir werden mit Blickrichtung See ganz links anfangen und uns durch die Gänge arbeiten bis wir alle Winkel dieses verfluchten Höhlensystems ausgekundschaftet haben. Seid bereit auf Crawler zu treffen“, bellte sie ihre Befehle, während sich die Gruppe langsam sammelte.
Jabir wirkte müde von der Wache, aber auch stoisch, während er die Liva mit hartem Blick ansah.
„Wenn ein oder zwei von euch bei Fahim bleiben wollen, dann-“, begann die Anführerin erneut, wurde jedoch von Soraya unterbrochen, die noch immer neben dem Bärtigen kniete.
„Nicht nötig, er ist tot.“
Ihre Stimme war bar jeder Emotion, auch als die erfahrenen Kämpfer unter ihnen sich abrupt zu der Leiche drehten. Keiner sagte etwas, doch die Betroffenheit war nahezu greifbar. Fahim war das erste Opfer ihrer Rebellion, ohne dass sie ihrem Ziel eines freien Varants sonderlich viel näher gekommen waren seit sie sich alle das erste Mal vor Monaten getroffen hatten.
„Der Ausgang ganz links ist der, aus dem Zahira und ich gekommen sind“, traute sich der Chronist als erster das Schweigen zu brechen.
„Irgendwas auffälliges?“, fragte Sahar, die merklich weniger Aggressivität ausstrahlte als wenige Momente zuvor.
„Eine tiefe Schlucht, wo das rhythmische Geräusch sehr laut war. Meine Fackel fiel sehr lang, ehe sie am Boden aufschlug und erlosch“, berichtete Jal.
„Gut, dann werden wir den Gang vorerst als abgehakt betrachten. Auf geht’s, Leute! Je früher wir fertig sind, desto eher können wir uns dem Problem der Vorräte widmen.“
Das Schlurfen von Ledersohlen auf felsigem Untergrund war das Einzige, was den Aufbruch der nur noch sieben Kernmitglieder der Rebellion von Mora Sul verkündete. Sechs von ihnen zogen bereits ihre Waffen, nur der Chronist blieb unbewaffnet wie immer.
Der erste Gang, den sie sich vornahmen, führte steil nach oben. Es verstärkte Jaleels Theorie, dass die Höhle mit dem See der tiefste Punkt des unterirdischen Systems darstellte. Der See, der wohl eher als Süßwasserquelle bezeichnet werden sollte, war ein Indiz dafür.
Der Tunnel war schmal und die Decke niedriger, als in den bisherigen Bereichen, die sie gesehen hatten. An den Wänden waren keine der leuchtenden Kristalle und auch keine Edelmetall Adern oder Erzvorkommen. Entweder wurde hier bereits ausgiebig geschürft oder an dieser Stelle gab es einfach keine natürlichen Vorkommen der Schätze Varants.
„Vorsichtig!“, warnte Sahar die Gruppe, welche hinter ihr lief, da nicht genug Platz war um nebeneinander zu laufen, „Der Boden wird hier instabil, wie es aussieht. Ich sehe mehrere Löcher“, informierte sie die andern, was sie im Schein ihrer erhobenen Fackel sehen konnte, „Haltet euch an den Vordermann, wir werden schnell sein müssen und von einer Seite des Tunnels zur anderen springen müssen, schnelle, kleine Sprünge, alles klar?“
Jemand schien zu nicken, was Jaleel vom Ende der Truppe nicht sehen konnte, denn es kam Bewegung in die Rebellen.
„Halt dich an mich, Jal“, riet Naima, die vor ihm lief und folgte Soraya agil, indem sie von einem stabilen Bereich zum nächsten Sprang, immer im Wechsel von einem Bein aufs andere ohne lange zu verharren.
Gut, wofür habe ich sonst jeden Tag meinen Körper trainiert, wenn nicht für solche Herausforderungen?, fragte er sich, um sich selbst Mut zu machen.
Entschlossen sprang er mit dem linken Bein voran und landete an der Stelle, wo die kleine Blondine zuvor ihren Fuß aufgesetzt hatte. Mit jedem weiteren Sprung fand er sich besser in einen Rhythmus ein, mit dem er sich fortbewegen konnte, ohne den Anschluss an den kleinen Schatten zu verlieren. Allerdings handelte es sich bei diesem Hindernis nicht um ein von Menschen geschaffenes Werk, sondern von Launen der Natur, die keine Regelmäßigkeit aufwiesen. Immer wieder musste er weiter springen, als zunächst erwartet und ab und an musste er sich dicht an einer Seite des engen Tunnels halten, weil dort, wo zuvor einmal Boden gewesen war, nur noch ein tiefes schwarzes Loch wartete. An diesen Stellen war das seltsame Geräusch aus der Tiefe wieder deutlicher zu hören und irgendwie verleitete es ihn dazu, seinen Rhythmus daran anzupassen.
„Hey! Pass besser auf!“, fauchte Naima, mit der er beinahe zusammengestoßen wäre, weil die Gruppe gezwungen war sich langsamer fortzubewegen, da lediglich ein schmaler Streifen Fels übrig war, den sie überqueren mussten.
Dabei pressten sie sich eng an die Steinwand und rutschten mit den Füßen nach und nach über den Boden.
„Es ist nicht sehr weit!“, rief Sahar von der vermeintlich anderen Seite, „nur etwa zwei Dutzend Schritte!“
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Bakaresh
»Nichts?«. »Schweigen wie ein Grab. Haben mehr Angst vor Beliar als vor uns«. DraconiZ nickte. Die Attentäter waren nicht zu bewegen die kleinste Information preiszugeben. Ihnen war immer wieder gepredigt worden, dass es der Gott des Todes war der gefürchtet werden musste. Egal wie sie sehr sie unter Druck setzen würden, es würde nicht das geringste ändern. Sie standen auf dem Marktplatz und sahen zu wie sie dem Volk vorgeführt wurden. Der Galgen war aufgebaut worden und mit den Attentätern waren auch einige weitere vorgebracht die sich mehr oder weniger schweren Verbrechen gegen die Krone schuldig gemacht hatten. Die Sonne stand am Firmament wie ein Mahnmal Innos’ das die strafen wollte, die sich gegen seine Gesetze verschworen. Die Ordensleute die die Assassinen vor sich herschleiften hatten versteinerte Mienen. Sie wussten, dass Stärke repräsentiert werden musste, doch das Handwerk selbst war ekelhaft. Die Assassinen wehrten sich nicht. Ihr Schicksal war unausweichlich und sie hatten frohe Hoffnung, dass ihr Gott sie erlösen würde. Ihnen ewiges Leben an seiner Seite und in seinem Reich ermöglichen würde. Der Klingenmeister schnaubte bei dem Gedanken. Ihn hatte er nicht erlöst. Ihn hatte in ewiger Finsternis treiben lassen.
Sir Cruz kam, begleitet von einigen seiner Leute auf den Platz und zog direkt die Aufmerksamkeit auf sich. Alle Sträflinge waren in Position gebracht. Schlingen um ihre Hälse standen sie erhöht. Cruz sah aus wie der Henker, der er beabsichtigte zu sein. Der Weißhaarige ging mit wehendem Kaftan auf den Kommandanten der Südmeerflotte zu. »Habt ihr darüber nachgedacht?«, fragte er direkt und der Seebär nickte. »Versucht es. Doch wenn einer der Bastarde auch nur die leichteste Verachtung, den leichtesten Widerspruch zeigt, dann schicke ich ihn und sie in die Arme ihres Herrn. Bei Innos!«. DraconiZ nickte dankbar. Dann sprang er mit einer flüssigen Bewegung auf die Erhöhung auf der die Galgen aufgebaut worden waren. In myrtanischer Präzision sieben Galgen nebeneinander. Es war als Spektakel inszeniert und er würde die Bühne nutzen. »Volk von Bakaresh«, rief er den Schaulustigen zu. Er erkannte Nermin, Drognan und Sohn und einige weitere die ebenfalls gespannt schauten. Als er begann zu sprechen schien die Welt selbst den Atem anzuhalten und alle Blicke ruhten auf ihm. Schwer nicht nervös zu werden. »Wir kamen um eine neue Alternative aufzuzeigen. Eine Welt von Frieden und Wohlstand! Doch diese Männer und Frauen versündigten sich gegen das Gesetz des Königs. Drei von Ihnen versuchten mich selbst umzubringen«, er drohte anklagend gegen die Verbrecher. »Es wurde untersucht und alle von Ihnen wurden durch myrtanisches Recht für schuldig befunden«. Einiges Nicken in der Menge. »In ihrer grenzenlosen Güte und zum Zeichen des Friedens wird die Krone noch eine letzte Chance auf Besserung gewähren. Wenn die Verbrechen und alle Umstände gestanden werden und das Knie gebeugt wird, so werden wir Gnade gewähren«. Das Volk nickte. Das schien gerecht zu sein.
Theatralisch wandte er sich der ersten zu. Eine der Attentäter. »Im Namen König Rhobars des Dritten, deines Königs und Souveräns wurdest du zum Tode verurteilt. Gestehst du deine Verbrechen und kniest du vor dem myrtanischen Reich?«. Er spuckte ihm ins Gesicht. Der Paladin nickte. »maghfir lahu warhamhu, wa 'aafihi, wa'fu 'anhu, wa 'akrim nuzulahu, wa wassi' mudkhalahu a'ithhu min 'athaabil-qabri wa 'athaabin-naar (Vergib ihm und habe Gnade mit ihm. Verzeihe ihm und entschuldige ihn und mache seine Aufnahme ehrenvoll. Bewahre ihn vor der Strafe des Grabes und der Qual des Feuers)«, sprach er langsam und bestimmt. Bedauern schwang in seiner Stimme mit. Er wollte das Leben schützen. Doch manchmal bedurfte es einer starken Hand um das Unkraut herauszureißen. Er nickte Cruz zu. Der Mechanismus wurde in Bewegung gesetzt und das Urteil wurde vollstreckt.
Er wiederholte die Prozedur sieben Mal. Keiner der Attentäter sprach oder kniete. Jedoch alle vier Anderen. Die sangen wie die Nachtigall des Nachts und schworen auf ihre Familien, ihre Ehre und alle Götter, dass sie dem König und dem Reich auf ewig die Treue halten würden. Natürlich glaubten Cruz, Alenya, Ugrasal und er selbst das nicht. Allerdings brauchte es Zeichen. Zeichen für alle Anderen und diese Zeichen setzen sie.
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Neuling
Bakaresh, kurz nach der Hinrichtung
„Diese Myrtaner. Keine Eleganz. Kein Stil …“
Ein flüchtiges Lächeln umspielte Selikas Lippen unter dem feinen Schleier, der ihr Antlitz verhüllte. Sie stand auf dem Platz der Hinrichtung und beobachtete, wie die Körper der Gehängten in der Meeresbrise sanft schaukelten. Es hatte beinahe etwas hypnotisches. Die Leichen waren noch zu frisch, als dass sich die Aasvögel an ihnen gütlich tun würden, aber die ersten Fliegen hatten das Festmahl bereits gerochen und krochen über die Gesichter der Toten, um ihre Eier in die weit aufgerissenen Augen und die offenen Münder zu legen, aus denen die Zungen bläulich verfärbt herausragten. Nur einem der Delinquenten hatte der Sturz das Genick gebrochen, die sechs anderen waren am Strang baumelnd erstickt. Selika fragte sich, ob das Absicht oder Nachlässigkeit gewesen war. Jedenfalls hatte es einen gewissen Unterhaltungswert besessen.
„Die Menge scheint allerdings beeindruckt gewesen zu sein“, sagte Hassan. Der junge Mann stand neben ihr und schirmte mit einer Hand seine Augen vor der Sonne ab. Selika machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Der Pöbel ist leicht zu beeindrucken. Aber glaubst du ernsthaft, dass diejenigen, die die Botschaft wirklich erreichen sollte, sie bekommen haben?“
Hassan zuckte mit den Schultern: „Die Myrtaner haben zumindest einmal klargemacht, dass sie nicht mit sich spaßen lassen.“
„Hm“, machte Selika gelangweilt, „Gehen wir, ich habe auf dem Bazar einen Stand gesehen, der frische Datteln verkauft, die sehr verlockend aussahen. Oh, und wie steht es um unsere Weinvorräte? Haben wir noch etwas von diesem vorzüglichen Roten aus Torgaan?“
„Ich fürchte nein, Herrin. Die letzte Amphore wurde …“
„Besorge welchen. Außerdem frisches Fleisch. Rind, von bester Qualität. Obst und Gemüse. Gebäck. Und ein paar Musikanten für heute Abend. Keine aufdringlichen Gaukler! Welche, die für angenehme Stimmung sorgen können und dabei mit dem Hintergrund verschmelzen.“
„Erwarten wir Besuch?“, fragte Hassan verwirrt, „Habe ich etwa etwas vergessen?“
Selika lachte. „Nein, mein treuer kleiner Diener, natürlich hast du nichts vergessen. Wie könntest du, wenn ich dir doch sonst einen Finger nach dem anderen abschneiden würde?“
„Das würdest du…?“ Hassan wurde plötzlich bleich.
„Natürlich nicht!“, gurrte Selika, „Die Finger? Ich würde mit etwas ganz anderem anfangen! Zaida wäre vermutlich enttäuscht …“
Hassan blieb unvermittelt stehen. Selika lächelte in sich hinein.
„Du weißt von …?“, stammelte er und wurde plötzlich knallrot.
„Hassan, mein Junge“, sagte Selika sanft und legte ihm eine Hand auf den Arm, „Natürlich weiß ich von euch. Wissen ist eines meiner Hauptgeschäfte, schon vergessen? Und da wäre es doch peinlich, wenn ich nicht wüsste, was unter meinem eigenen Dach vor sich geht, oder nicht?“
Hassan schluckte schwer. „Ich … ja …“, stotterte er.
Selika neigte leicht den Kopf zur Seite. „Ja?“
„Es tut mir leid, Herrin! Ich …“ Als der Bursche vor ihr auf die Knie gehen und sich in den Staub werfen wollte, hielt Selika ihn fest.
„Hör auf, du Narr!“ Sie schüttelte den Kopf und lachte leise. „Glaubst du wirklich, es interessiert mich, was du mit irgendwelchen Dienerinnen anstellst? Von mir aus kannst du sie alle durchnudeln, bis sie nicht mehr laufen können, solange du darüber nicht deine Pflichten vernachlässigst! Also – Wein, Rindfleisch, Obst, Gebäck, Musik … verstanden?“
Hassan nickte, noch immer etwas blass um die Nase. Ob er wirklich glaubte, dass sie ihm sein bestes Stück abschneiden lassen würde, wenn er etwas vergaß? Selika überlegte, ob sie ihm erklären sollte, dass sie das natürlich nicht ernst gemeint hatte – zumindest nicht, solange die Verfehlungen sich nicht häuften – beschloss aber, den Jungen noch ein wenig schmoren zu lassen.
Dabei hatte sie keine Zweifel, dass Hassan ihre Anweisungen zu ihrer vollen Zufriedenheit ausführen würde. Der Bursche war wirklich ein Glücksgriff gewesen – wer hätte gedacht, dass ein Straßenjunge, der beim Stehlen erwischt worden war, sich als ein so treuer und zuverlässiger Diener erweisen würde, nachdem sie ihn vor die Wahl gestellt hatte, entweder dem Gesetz gemäß seine Hand zu verlieren oder seine Schuld bei ihr abzuarbeiten?
Das war kaum drei Jahre her, und in dieser kurzen Zeit war Hassan zu einem ihrer wichtigsten und treuesten Diener und Vertrauten geworden. Er war intelligent, gewitzt, verlässlich, fleißig und, nachdem sie ihm neben der angedrohten Peitsche der Verstümmelung das Zuckerbrot des luxuriösen Lebens gereicht hatte, treu wie ein Köter. Trotzdem, er war noch immer ein junger Mann und hatte den Kopf voll mit den Dingen, mit denen junge Männer eben den Kopf voll haben – und da war es besser, ab und zu an der Leine zu ziehen, damit er nicht auf dumme Gedanken kam und daran erinnert wurde, wo sein Platz war.
„Um deine Frage von vorhin zu beantworten – ja, ich erwarte Besuch.“
„Wen, Herrin?“ Hassan klang noch immer ein wenig heiser, auch wenn er sich darum bemühte seine Fassung wiederzugewinnen.
„Draconiz.“
„Den Klingenmeister, der sich den Myrtanern verschrieben hat? Er hat sich angekündigt? Warum weiß ich noch nichts davon? Ich hätte …“
„Weil du ihn noch nicht eingeladen hast. Überbringe ihm eine förmliche Einladung in mein Haus für heute Abend. Oh, und leg noch ein Geschenk obendrauf. Was auch immer dir in den Sinn kommt. Einen kostbaren Dolch vielleicht? Er ist – oder war – ein Assassine, die spielen doch immer gern mit Messern.“
Hassan neigte den Kopf. „Natürlich. Aber, darf ich fragen, warum du Draconiz einladen willst? Wie ich das sehe, bedeutet der Mann Ärger.“
„Da hast du vollkommen Recht, mein Guter. Er bedeutet Ärger. Er hat jetzt schon mehr Staub aufgewirbelt, als ihm selbst wahrscheinlich klar ist. Und diese plumpe Zurschaustellung myrtanischer Macht!“ Selika drehte sich noch einmal um und schaute in Richtung der Galgen, wobei sie langsam den Kopf schüttelte. „Er wird … Hilfe brauchen.“
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Bakaresh
DraconiZ schritt nachdenkend in der Kammer hin und her, während er Nermins Ausführungen über Selika ad Yasir bint Chamil al-Ashtari zuhörte. Er wog das Geschenk, einen prunkvoll verzierten perfekt ausbalancierten Dolch, in den Händen und bewunderte während er lauschte die Schönheit dieser Waffe. Als er in Khorinis selbst Schmied gewesen war hatte er nur selten etwas so Schönes herstellen können. »Menschen die ihr widersprechen verschwinden schon einmal leicht. Ich wäre vorsichtig. Viel konnten wir nicht herausfinden«, fasste der Händler und Klingenmeister noch einmal zusammen. »So wie bei euch«, steuerte Ugrasal zur Diskussion bei. »Iseri. Bei mir tauchen sie schon wieder auf. Ich bin doch kein Unmensch. Die Trauer soll doch möglich sein«, meinte Nermin verschlagen. »Ihr setzt gerne Zeichen«, korrigierte Alenya und alle nickten sich zu. Ihre illustre Runde kannte mittlerweile ihre eigenen Scherze. »Ich schaue, was mich erwartet«, meinte DraconiZ. »Wenn ich nicht wiederkomme setzt ein Zeichen«, meinte er zwinkernd, bevor er in den Kaftan gekleidet und nur mit seiner neuen Waffe ausgerüstet sich auf den Weg machte.
Der Weißhaarige wurde in eine Villa in der Hafengegend mit Blick auf den Ozean eingeladen. Das Gebäude selbst machte keinen überwältigenden Eindruck, doch die Lage war makellos. Viele hätten einiges gegeben so zu wohnen. Die Tür schwang auf und ein Mann öffnete die Tür. Sie tauschten den Friedensgruß aus und der Paladin schritt hinein. Drinnen war das Haus deutlich ausgesuchter und es war ein geschmackvoller Luxus vorhanden. Er entdeckte ein Bild von Adul har-traf. »Ein wunderschönes Kunstwerk«, meinte er zu der Dame die in kostbare Gewänder gehüllt zu ihm schritt. Schwarz und blutrot betonten ihre Reize und der Schmuck war nicht opulent, aber deutlich zu erkennen. Sie war eine schöne Frau die nicht protzen musste. Die Natur hatte ihr genug Gaben gegeben, dass zu wenig fehlte um das mit Schmuck ausgleichen zu müssen. Doch in ihrem Blick lag tödliche Gefahr. Sie war wie eine Rose mit giftigen Stacheln. »Drüben in der Kasbah hing auch eines von ihm. Der Drachentöter. Bei den Göttern! Dieser Mann konnte Kunst erschaffen wie kein Zweiter. Ich war wirklich betrübt zu erfahren, dass er ein so profanes Ende gefunden hat. Heruntergetreten von der hohen Festung und aufgekommen auf einem Stand mit Fischen. Das hat seine eigene Poesie nicht wahr?«, meinte er. »Ich danke euch für die herzliche Einladung meine Liebe«, meinte er und reichte ihr eine kleine Schachtel, in der ein metallenes Objekt klimperte. »Ich hörte ihr vermisst dieses Familienerbstück und ich habe mir erlaubt einen der unseren loszuschicken, um es wieder in euren Besitz zu bringen«. Er ging ungebeten durch den großen Eingangsbereich und wog den Dolch in der Hand. »Es ist ein Monster in jedem Menschen so sagt man nicht wahr?«, er wartete wieder nicht ab und sprach einfach weiter. »Leg eine Klinge in die Hand eines Menschen und es kommt zum Vorschein«. Er schaute sie animierend an. »Also hier bin ich. Habt ihr mich gerufen um eure Treue dem König gegenüber zu erneuern?«
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Bei Kap Dun
Das war also Danzos Bericht. Naira zog eine Decke um sich, denn so nass kalt wie es war, wollte sie nicht frieren und Danzo schien sie auch nicht in den Arm nehmen wollen. So ein Dummkopf. Er könnte so viel von ihr bekommen und dann behandelte er sie bestenfalls wie eine kleine Schwester.
“Dann wird Lasse unser Zielobjekt. Denn Siegbert will ich das nicht antun. Er ist eine ehrliche Haut und hat seine erste Familie im Krieg an den Orkpoken verloren. Er ist dann abgehauen und war bei den Rebellen. Er hat sich ein neues Leben aufgebaut und auch wenn es hart ist mit drei Mäulern, er schafft es schon und soll gar nicht auf den Gedanken kommen durch uns Ärger zu bekommen. Da Adan für Gisla zu sehr im Dreck steckt ist er nur Plan B. Richtig, mein Schatz?”, fragte Bhor. Gisla stimmte zu und überlegte sich schon was.
“Orkpoken? Was ist das gewesen?”, fragte Naira und kam Chani zuvor.
“Das erste Jahr nach der Orkinvasion in Myrtana erkrankten viele Menschen in den eroberten Orten daran. So gut wie jeden Menschen in den Orten hat es erwischt. Die Orks meinten, es wäre eine natürliche Auslese. Sie selbst bekamen aber Heilmittel ihrer Schamanen. Bei denen verlief alles milder und nur sehr wenige Orks starben daran. Bei den Menschen war es gefühlt jeder Vierte und genug nahmen die Orkpokennarben mit. Mich hat es damals auch erwischt und das hier hinterlassen.”, erzählte Eskiel und deutete auf seine Narben im Gesicht. Naira hatte tatsächlich gedacht, es wäre aus einem Kampf, doch sah man genau hin und ignorierte das Barthaar, dann waren die Narben nicht gerade genug und manche wirkten am Ende wie feine Wurzelstränge.
“Wie war die Krankheit? Was für Symptome?”, fragte Chani und der Regen wurde intensiver. Es würde heute keine Vorführung geben.
“Alle haben gesagt, trinkt nicht vom Wasser der Orks. Aber die Krankheit kam anders zu jedem. Fieber über Tage, reißende Schmerzen an den Stellen, wo die länglichen Eiterblasen sich bildeten. Hast du sie aufgekratzt bekamst du eine Infektion und es eiterte noch schlimmer. Hast du es gelassen, wurden die Blasen zu einer Großen. Die Flüssigkeit darin wurde grünlich und dann stieg das Fieber noch einmal an. Ab da ging es um Leben und Tod. - Wir konnten uns mit Atelaskraut und Isolation helfen. Die in den Städten haben Steinkraut, Birkenrinde und Feuernesseln verwendet. Hatte man es überlebt, blieben manchmal Narben wie meine im Gesicht irgendwo am Körper. Verdammte Orkpoken! Verdammte Orks!”, knurrte Eskiel, der sonst so gelassen wirkte. Klar waren sie ein Makel und bestimmt haderte er damit seither, aber dafür lebte er und war weit mehr wie diese Narben.
Gisla blickte auf, während Chani sich Notizen machte.
“Hört zu. Damit beginnt Phase 2. Naira und Eskiel bleiben bei ihrer Aufgabe. Haltet euch aber bereit. Eskiel, wenn Chani sich bemerkbar macht. Naira als Taschendiebin bei den Kämpfen. Chani wird ab Mittags in der Schwarzen Perle aushelfen und das Gefangenenschiff beobachten. Bhor und Danzo machen alles nach Plan und ihr versucht Lasses Vertrauen zu gewinnen. Informationen, Fundorte bestimmter Dinge wie Schlüssel oder mehr Details wären sehr nützlich. Naira soll angesetzt werden, wenn Lasse etwas bei sich hat, das wir brauchen. Ich hingegen werde versuchen zu meinen Jungs Kontakt aufzunehmen. Deswegen werde ich mit Chani das Schiff beobachten und wenn ich aktiv bin, soll Chani Eskiel es bescheid geben. Falls es Probleme gibt. Damit flattern die Bunten Vögel jetzt in Phase 2 los. Heute Abend gehen Chani und ich schon zu Corazon. Bhor und Danzo beginnen auch. Eskiel und Naira bleiben bei den Wägen. Es wird sicher noch lange regnen. Lasst uns gut essen, gut schlafen und dann den Abend beginnen!”, sagte die Kommandoführerin mit hochmotivierter Stimme und brannte darauf ihre Jungs bald zu sehen. Naira brannte auch darauf Phase 2 beginnen zu lassen.
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Apprentice
»Wenn du mir wohl die Frage verzeihst aber was wird das wenn es fertig ist?«, fragte Alenya halb besorgt halb belustigt. Ugrasal war gerade dabei deine Habseligkeiten zu packen und schien ganz so als ob er nicht beabsichtigte alsbald wiederzukehren. Es war dunkel geworden und ein leichter Wind heulte wie eine Meute streunender Hunde um das Haus. »Ich tue was längst überfällig ist. Ich stelle mich meinen beiden Schülern Yarif und Yuris. Sie sind die letzten die den Aufenthaltsort von Zuben kennen könnten und ich greife Draco unter die Arme. Sie werden nicht hierher kommen«. Er streckte einige weitere Dolche an seine Hüfte und an weitere Orte an denen man sie nicht direkt finden würde. »Der Emir sabiq hat hier alles im Griff. Ich werde für ihn tun was ich kann«. Die Klingenmeisterin schien nicht überzeugt von der Argumentation. »Solltest du fallen«, begann die Frau aus Braga, doch der Großmeister unterbrach sie: »Werde ich nicht. Jasem kommt ja mit«, er lachte und Alenya stimmte nach kurzem Überlegen mit ein. »Vertraust du ihm?«. Der Angesprochene schnaubte. »Sehe ich so naiv aus?«, fragte er und bereute es direkt. »Nun...«, begann sie und lachte dann wieder. »Mögest du dem Zorn Beliars entrinnen«, meinte sie dann schließlich als sie sich verabschiedeten.
Er traf Jasem am Rande von Bakaresh. Er trug eine schwarze Assassinenrüstung. Dort wo DraconiZ ihn verwundet hatte war immer noch ein Verband zu sehen. Die Wunde würde noch einige Zeit brauchen, bis sie verheilt war. »Du hast nun Gelegenheit dich zu beweisen und seine Schmach ungeschehen zu machen. Ich würde dir raten sie zu nutzen Bursche«, knurrte Ugrasal zur feierlichen Begrüßung. »Das werde ich!«, entgegnete dieser trotzig. »Dann los. Auf nach Isthar. Auf zu Tod und Verderben«
DraconiZ
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Innos-Kloster in Nordmar
Saraliel schritt bedächtig und nachdenklich in den von einem warmen Feuer erwärmten Raum. Draußen wehte der Schnee. Friedlich, langsam und ungetrübt. Dieser Ort hatte schon immer dafür gesorgt, dass der Zauberer sich geborgen fühlte. Er würde nicht sonderlich hier bleiben. Hatte bereits in seiner Tasche weshalb er gekommen war. Der Feuerkelch war sicher verstaut in seiner Tasche. Er war hoher Magier des Feuers und ihm war bereitwillig gegeben worden, wonach er verlangt hatte. Er setzte sich einen Tisch, an dem der Mann bereits saß der mit ihm zu sprechen gewünscht hatte. Edle Kleidung schmiegte sich über eine durchtrainierten Körper. Lange blond Haare säumten klug und schön dreinblickende Augen. Spitz liefen seine Ohren nach oben zu. Etwas, das der Magus erst bei DraconiZ und ihm selbst gesehen hatte. Der Mann musterte ihn mit einer Mischung aus Neugier, Spott und artistokratischem Eifer. »Ich bin Daelon Caladric...«, begann er, doch Saraliel unterbrach ihn mit einer harschen Geste. »Vater hat mir genug über dich erzählt Onkel. Spar dir deine Possenspiele für Jemanden anderen auf«. Kurz spiegelte sich Überraschung, dann wandelte sich das Gesicht zu Belustigung. »Lómin. So wie du lieber Neffe«, beendete er dennoch seinen Satz. Er maß abschätzig die Silhouette im Beutel des Feuermagiers und schien zufrieden zu sein. »Ich werde nicht den Familiennamen von Mutter tragen«, entgegnete Saraliel schroff. »Sie ist Beliar vollends verfallen und ich bin Diener der Kirche Innos’. Titel und Namen sind unbedeutend in der Herrlichkeit des Lichts«, meinte er herablassend.
Der Aristokrat gähnte übertrieben. »Wie schade, dass die Heiligkeit Arions so auf dich abgefärbt hat. Wir könnten so viel Spaß miteinander teilen«. Während Saraliel giftig schaute fiel Daelon nicht aus der Rolle. »Vielleicht ist noch etwas aus deinem Bruder zu machen«. Er schüttete sich ohne Hast Wein in einen Kelch. »Bist du bereit für die Seelenbeschau?«, fragte er ohne seinen Blick vom abwärts fließenden Wein abzuwenden. »Innos Wille wird geschehen«, sagte er aufrecht. »Sicher sicher«, meinte der Aristokrat weiterhin belustigt zurück. »Vielleicht gestattest du mir die Frage. Was hat der liebe Schwager denn über mich verlauten lassen?«, fragte er nun scheinbar wirklich interessiert. Saraliel hasste die Situation. Sein Gegenüber war undurchschaubar. Was wollte er? »Wie Mutter stammst auch du aus Varant. Hast dir einen Namen in den Orkkriegen gemacht, indem du Intrigen und Zwietracht gesät hast. Deine Hände sollen schmutzig von Blut und Schlamm sein, in dem du sie gebadet hast. Tust Dinge die gegen Orden, Innos’ und Anstand sind. Vater hat oft für deine Seele gebetet«. Der Beschuldigte nickte dann und wann. Am Ende zuckte er mit den Schultern. »Muss für deinen hohen Vater wohl so ausgesehen haben«, sagte er dann schließlich. Immer noch mit diesem verfluchten Lächeln auf seinem fast makellosen Gesicht. »Unsere Sippe stammt aus Varant. Wir sind die letzten der Lómin. Auch du trägst unser Mal«, er deutete mit dem Kelch auf die Ohren. »Wir sind verbunden lieber Neffe«. Er nahm einen Schluck. »Und ja auch ich diene dem Reich auf meine Weise. Irgendjemand muss schließlich tun, was ich tue«, meinte er mysteriös. Dann wechselte er, bevor Saraliel die Information verarbeiten, geschweige denn antworten konnte, abrupt das Thema: »Wird er die Prüfung bestehen? Wir müssen alles dafür tun.« »Vater hatte vertrauen in ihn. Ich bin skeptisch«, antwortete er nachdenklich und dachte darüber nach, dass er ihn über 10 Jahre nicht gesehen hatte. Menschen veränderten sich. Doch so wie er ihn in Erinnerung hatte, sah es nicht gut. »Ich lasse ihn nicht im Stich. Ich werde alles tun, was ich vertreten kann. Das habe ich Vater versprochen«. Wieder sah er entschlossen aus und Lord Lómin rollte mit den Augen. »Na immerhin hat der alte Sturkopf einmal was richtig gemacht«, meinte er und erhob sich dann geschmeidig. »Ich muss noch ein bisschen tun, was ich so tue. Ich möchte dein Gewissen damit nicht unnötig beflecken«, er verneigte sich und verließ dann den Raum.
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Neuling
Bakaresh, Selikas Villa
„Habe ich jemals einen Grund gegeben, an meiner Treue zum König, möge Innos ihm hundert mal hundert Jahre bescheren, zu zweifeln?“, antwortete Selika lächelnd und öffnete neugierig die kleine Schatulle, die Draconiz ihr überreicht hatte.
Das Medaillon, das darin zum Vorschein kam, war nicht sonderlich wertvoll – jedenfalls nicht materiell gesehen – aber es war tatsächlich ein Erbstück ihrer Familie, das einst während eines Einbruchs in ihr Haus gestohlen worden war. Das war inzwischen über zehn Jahre her. Nachdem ihr Vater das Zeitliche gesegnet hatte und ihre Methoden, die Geschäfte zu führen, begonnen hatten, erste Früchte zu tragen, waren einige der alteingesessenen Händler rasch eifersüchtig auf ihren sich anbahnenden Erfolg geworden und hatten auf verschiedenste Art versucht, sie zu unterminieren und sabotieren – der Einbruch war nur eines der unangenehmen Ereignisse dieser Zeit gewesen.
Selika hatte zwar herausfinden können, wer hinter dieser speziellen Aktion gesteckt hatte, und sie wusste mit Sicherheit, dass die Verantwortlichen nie wieder einen Einbruch organisieren würden (oder sonst irgendetwas), aber die Beute war verschwunden geblieben, ohne dass sie über ihren Verbleib hätte Auskunft erhalten können – etwas, das Selika mehr wurmte als der Verlust von Erbstücken, die über einen gewissen sentimentalen Wert hinaus nicht weiter von Bedeutung waren.
Und da spazierte dieser Draconiz in ihr Haus und überreichte ihr eines der verlorenen Schmuckstücke, das sie in all den Jahren nicht hatte wiederbeschaffen können. Sie war fast beeindruckt …
„Ein Geschenk, das Eurem Stand und Euren Ruf entspricht“, stellte sie fest und ließ das Medaillon an der feinen Silberkette im Kerzenlicht glänzen. Es hatte ihrer Mutter gehört, und deren Mutter zuvor. Ein einfaches silbernes Amulett, in das ein dunkler, lila schimmernder Amethyst eingelassen war. Fein gearbeitete Schriftzeichen um die Einfassung erbaten den Schutz der Götter für den Träger des Kleinods.
„Ich danke Euch! Tatsächlich ist mir dieses Schmuckstück vor Jahren gestohlen worden. Ihr macht Eurem Anspruch, Recht und Ordnung wieder zum Sieg verhelfen zu wollen, bereits alle Ehre. Ich bin froh, dies zu sehen. Der Statthalter ist ein entschlossener Mann, aber er ist eben nicht aus Varant. Und wir wissen beide, dass die Dinge hierzulande anders gehandhabt werden als in den … Wäldern dort im Norden. Aber genug davon, wir werden noch mehr als genug Zeit haben, über diese Dinge zu sprechen, nur, die Eingangshalle ist nicht der angemessene Ort dafür, habe ich recht? Bitte, folgt mir!“
Selika führte Draconiz durch das Atrium ihres Anwesens in den Speisesaal, der im hinteren Teil des Gebäudes lag. Die Fenster des Saales öffneten sich zum Meer hin, so dass eine angenehm frische Brise die Hitze in Zaum hielt und das sanfte, gleichmäßige Rauschen der Wellen für eine angenehme Geräuschkulisse im Hintergrund sorgte.
Die in varantischer Manier niedrige Tafel war über und über mit frisch zubereiteten Speisen gedeckt. Von würzig gebratenem Rindfleisch mit verschiedenen Saucen und noch ofenwarmem Fladenbrot über frisches Obst, Oliven und cremigem Ziegenkäse bis hin zu Süßspeisen, die mit so viel Zucker und Honig zubereitet waren, dass man meinen konnte, die Zähne würden darin kleben bleiben, ließ das Angebot nichts zu wünschen übrig. Ein dicker Teppich und weiche, mit kostbarem Samt bezogene Kissen luden zum Verweilen ein.
„Bitte, setzt Euch!“, forderte Selika ihren Gast auf und nahm ihrerseits Platz, wobei sie sich seitlich in die weichen Kissen lehnte. Die wenigen, strategisch platzierten Kerzen und Öllampen ließen die Schatten um sie herum geheimnisvoll tanzen und überließen der Phantasie mehr als den Augen.
Eine Dienerin in leichter, durchscheinender Kleidung trat heran und schenkte zwei Kelche mit Wein ein, während die Musikanten, die in einer Nische ihren Platz hatten, begannen, ein leises, ruhiges Stück anzustimmen.
„Auf Euch!“, sagte Selika und hob ihren Kelch. Als sie merkte, dass Draconiz einen kurzen Augenblick zögerte, lächelte sie. „Falls Ihr befürchten solltet, dass irgendetwas davon vergiftet sein könnte, muss ich Euch leider enttäuschen. Ich pflege niemanden im meinem eigenen Haus zu ermorden!“ Sie lachte, als hätte sie einen Witz gemacht.
„Ihr fragt Euch vielleicht, warum ich Euch eingeladen habe“, sagte sie schließlich, nachdem sie einen Schluck von dem vorzüglichen Wein genommen hatte. „Nun, ich könnte sagen, dass Eure Vorstellung in der Arena mir imponiert hat. Überrascht? Ja, ich war dort. Ihr seid ein … beeindruckender Mann. Aber nein, das ist nicht der eigentliche Grund. Ihr seid hier, weil ich Euch meine Hilfe anbieten möchte. Hm, ich sehe Zweifel in Euren Augen? Nun, lasst mich Euch überzeugen. Ich weiß, ihr seid lange Jahre fort gewesen aus Varant.“ Ein schmales Lächeln umspielte Selikas volle Lippen und ließ ihre makellosen, weißen Zähne aufblitzen. „In diesen Jahren hat sich einiges verändert! Um das zu erkennen, muss man jedoch unter die Oberfläche blicken. Ich zum Beispiel – wie Ihr vielleicht gemerkt habt, ist mein Haus bescheiden im Vergleich zu dem Palast, in dem der alte Azdin residiert. Aber wie Ihr ebenfalls erkannt habt, befinden sich nicht nur eines, sondern sogar mehrere Gemälde Abdul Har-Trafs in meinem Besitz, und ich denke, Ihr wisst, dass diese Kunstwerke ein Vermögen kosten. Noch vor fünf Jahren hätte ich nicht im Traum daran denken können, mir auch nur eines davon zu leisten. Und nun … Die Dinge sind im Fluss, und nicht jeder ist darüber besonders glücklich, versteht Ihr? Natürlich versteht ihr das. Schließlich steht auch Ihr für Veränderung und man hat bereits versucht, Euch die Kehle aufzuschlitzen. Ah, die berühmte varantische Gastfreundschaft!“
Mit einer spielerischen Geste durchbohrte Selika ein Stück Rindfleisch mit ihrem Messer und betrachtete es kurz, bevor sie es in ihrem Mund verschwinden ließ.
„Seht Ihr, ich bin im Grunde eine bescheidene Frau. Ich bin Händlerin, und als Händlerin brauche ich Ordnung und Stabilität für meine Geschäfte. Ich akzeptiere die Dinge, wie sie sind – die Herrschaft Myrtanas ist mir willkommen, solange sie eine stabile Herrschaft ist. Aber es gibt viele, die nicht so denken wie ich. Viele, die noch in alten Traditionen verhaftet sind und die alles tun würden, um ihren närrischen Traum, die Zeit zurückzudrehen, wahr werden zu lassen. Und auch, wenn sie damit zum Scheitern verurteilt sind, können sie doch für reichlich Unruhe sorgen, und das über Jahre hinweg. Glaubt mir … Ihr solltet weder die Mittel noch die Entschlossenheit Eurer Gegner unterschätzen. Hinrichtungen wie die der Attentäter heute Morgen können vielleicht den gewöhnlichen Pöbel beeindrucken, aber nicht diejenigen, die Eure echten Feinde sind. Im Gegenteil – ihr habt ihnen Märtyrer gegeben. Und hier in Bakaresh ist die Lage noch vergleichsweise ruhig. Mora Sul hingegen, oder gar Ishtar … oh, der Treibsand dort ist tief! Ihr werdet jemanden brauchen, der Eure Hand leitet, damit Eure Klinge das richtige Ziel findet …“
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Schmeicheleien, gutes Essen, ein sehr schön anzusehendes Äußeres und Selbstbeweihräucherung. Selinka zog alle Register. Sie tat es mit solch einer Leichtigkeit und so elegant, dass selbst DraconiZ sich zwischenzeitlich fragen musste, ob er ihr nicht einfach in die Arme fallen sollte und alle Angebote annehmen sollte, die so von sich gab. Wenn ihre Darbietung ein Theaterstück war, dann hätte sie in allen großen Häusern Myrtanas und Außerhalb auftreten können. Sie spielte zweifelsfrei Königsklasse. Sie log mit einer Grazie, dass er sie nur bewundern konnte. Eine bescheidene Frau. Er lachte innerlich.
»Alles fließt«, griff er den ersten Gedanken auf. »So ist es wohl. Ich bin nicht mehr der Gleiche und diese Stadt nicht. Was das für ein Abenteuer war, als ich vor so langer Zeit hier aufschlug! Wir waren diejenigen die Zuben diese Stadt aus den Händen riss und das Gedenken des alten Bundes hier wieder hochhielten. Wir vertrieben den Löwen aus Isthar mit Klaue Beliars! Waren das Zeiten. Alles schien möglich und nichts unerreichbar. Ich stimme zu. Das Volk von Varant ist seit je her stur. Sie beugten sich nur der Stärke«, er sinnierte noch einige Zeit still. »Ja heute ist heute nicht wahr? Verzeiht mir, wenn ich doch den Geist von damals aufgreife: Noch immer scheint mir alles möglich. Mit Hilfe Myrtanas kann Varant wachsen und gedeihen. Wir sollten unsere Kultur ehren und uns doch erneuern. Es freut mich sehr, dass ihr das ganz genauso seht wie ich«, fasste er ihre Worte kurzerhand für sich positiv zusammen. Er stand auf und beschaute sich noch einmal den Luxus der hier zur Schau gestellt wurde. Er konnte sich nicht vollständig davon freisprechen beeindruckt zu sein. Er schüttelte den Kopf und schaute zum Fenster hinaus.
»Wenn der Preis für den Frieden ist das Blut gezahlt werden muss, dann bin ich bereit ihn zu bezahlen. So wie es hier Brauch ist. Schließlich ist Bakaresh eine Stadt von Kunst und Bildung! Wenn ihr Informationen habt, wen ich mit der Klinge treffen sollte, dann gebt sie mir gerne. Dann sehen wir wohin uns die Kooperation führt«, er lies eine kurze Pause. »Und nennt euren Preis. Nichts auf der Welt bekommt man umsonst«. Er lachte.
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Bakaresh - Kasbah
Berash keuchte schwer, als er sich erschöpft an die Wand lehnte. Der dunkle Stein, aus dem die Wände der Kasbah vor ewigen Zeiten gebaut worden waren, war kühl und gab dem Assassinen ein Gefühl von falscher Sicherheit. Während der Schweiß auf seiner Stirn sich langsam abzukühlen begann verfluchte Berash stumm die Idiotie seines Unterfangens.
Es wäre auch zu einfach gewesen, wenn er unbemerkt ein- und wieder ausgegangen wäre. Wenn dieser verdammte Gardehauptmann, oder was er auch immer für einen Rang hatte, nicht gewesen wäre, dann hätte der einstige Emir des alten Bundes es vielleicht auch geschafft. Aber so? Beliars Eier, es würde verdammt schwierig werden.
Berash überdachte seine Optionen. Als erstes musste er die Kleidung loswerden. Sie waren auf der Suche nach einem falschen Gardisten, also wäre die simpelste Lösung einfach, sich auszuziehen und die Uniform irgendwo zu verstecken. Nur konnte der Krieger nicht einfach in seinem Unterzeug durch die Kasbah streifen, das wäre vermutlich so unauffällig wie Blasphemien schreiend durch ein Haus der Feuermagier zu tanzen. Da würde er doch lieber mit einem Beutel voller Süßigkeiten durch ein Waisenhaus gehen und versuchen zu behaupten, dass es Rosenkohl wäre.
Nein, er brauchte neue Kleidung. Oder seine alte. Aber da er diese in dem Zimmer mit dem ausgeraubten Wächter lag, war das vermutlich auch keine so gute Idee. Dieser war wahrscheinlich mittlerweile aufgewacht und versuchte verzweifelt sich zu befreien. Oder war vielleicht sogar schon befreit worden. Also war sein gebrauchter Kaftan wohl eher keine gute Idee.
Er könnte versuchen einen der Diener zu finden und diesem seine Kleidung abzunehmen. Doch sobald der Gardist, den Berash verletzt hatte, den Alarm auslöste (und das würde dieser Dreckskerl mit Sicherheit tun!), dann würden sich die Diener vermutlich zurück ziehen. Und Berash scheute sich davor einen Haufen Dienstboten und Helfer abzuschlachten nur für etwas andere Kleidung.
Die dritte Option war natürlich, dass er sich wieder zurück in die Tiefen der Kasbah begab und über den gleichen Weg wieder hinaus ging, wie er herein gekommen war. Das wäre, zumindest theoretisch, die einfachste Lösung. Doch gab es auch da ein paar Hindernisse:
Berash hatte weder Fackeln noch Proviant. Und mindestens etwas Licht würde er brauchen um durch die Katakomben unter der Kasbah zu streifen. Und Wasser.
Wenn der Assassine nicht so erschöpft gewesen wäre, dann hätte er sicherlich die Ironie darin gesehen. Ein Assassine, Krieger Beliars und Diener des Dunklen war auf Licht angewiesen.
Berash versuchte sich daran zu erinnern, was er in dem Lagerraum gesehen hatte, in welchem er die Kasbah betreten hatte. Könnte er da ein paar Fackeln oder etwas anderes improvisieren? Waren dort vielleicht auch Lebensmittel gewesen? Götter, er war einfach zu erschöpft.
Aber er musste es versuchen. Und das so schnell wie möglich.
Er stieß sich von der Wand ab und orientierte sich kurz, bevor er seine Schritte in Richtung Keller lenkte. Und gerade, als er ein paar Schritte gegangen war, ertönte das Läuten von Klingeln. Oder Glocken? Berash kannte sich nicht wirklich darin aus um es zu unterscheiden. Doch einen Alarm erkannte er überall.
"Scheiße, scheiße, scheiße!" fluchte er und begab sich schnurstracks in Richtung Lagerraum. Jetzt hatte er keine Wahl mehr.
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Neuling
Bakaresh, Selikas Villa
„Blut?“ Selika lachte leise und schwebte zu Draconiz ans Fenster, schaute aufs Meer hinaus. Ein beinahe voller Mond stand am Himmel und sein Licht spiegelte sich in den Wellen, ein Spiel aus Schwarz und Silber.
Schließlich drehte sie sich um, lehnte sich gegen den Fensterrahmen und musterte Draconiz von oben bis unten, als würde sie eine Ware begutachten. Scheinbar gefiel ihr, was sie sah, und sie zog amüsiert einen Mundwinkel nach oben.
„Ein Diener des Reiches Myrtana, und doch noch ganz der Assassine. Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass du jeden, der dir im Weg steht, zu Beliar schicken könntest. Aber … wird dich das deinem Ziel näherbringen?“
Selika machte einen Schritt auf Draconiz zu und stand nun kaum eine Handbreit von ihm entfernt. Um ihm in die Augen zu sehen, musste sie den Kopf ein wenig in den Nacken legen, was aber keineswegs bedeutete, dass sie ihm nicht auf Augenhöhe entgegentrat. Ihr Lächeln war selbstsicher, das Lächeln einer Frau, die wusste, was sie wollte und wusste, wie sie es bekam.
„Varant ist auch nach all den Jahren unter myrtanischer Herrschaft noch immer das Land Beliars“, erklärte sie, „So gut wie jeder hier läuft mit einem Messer herum, auch wenn man es auf den ersten Blick vielleicht nicht sieht.“
Mit einem schnellen Griff zog Selika eine Haarnadel aus ihrer Frisur, und während ihr langes Haar sich löste und wie ein ebenholzschwarzer Wasserfall ihre Schultern und ihren Rücken hinunterfloss, ließ sie die lange, spitze Nadel im Mondlicht funkeln. Das Metall glänzte mit einem bläulichen Schimmer – ein Schmuckstück aus hartem, unnachgiebigem magischem Erz, das in den richtigen Händen eine tödliche Waffe darstellen konnte.
„Diejenigen, die du zur Räson bringen willst, fürchten den Tod nicht. Jedenfalls nicht genug, um sich dadurch von ihrem Weg abbringen zu lassen. Ihr Martyrium würde sie ehren und ihr Vermächtnis sie überdauern, jemand anderes würde raschen ihren Platz einnehmen. Sie zu töten, wird dich also nicht weiterbringen.“
Sie warf die Haarnadel beiläufig auf eines der Kissen und lehnte sich wieder gegen den Fenstersims, wobei sie nachdenklich mit der Hand durch ihr Haar fuhr.
„Was also können wir dann tun? Wir bewegen uns jetzt in der Welt der Politik, mein Assassine, und in der Politik ist ein Messer an der Kehle oftmals um so vieles wirkungsvoller als ein Messer im Herzen! Deine Gegner – deine wahren Gegner, nicht diese armen Tropfe, die die Drecksarbeit für sie erledigen, wie die sieben, die ihr heute Morgen in dieser beeindruckenden Zurschaustellung myrtanischer Gerechtigkeit aufgeknüpft habt – sind reiche Männer. Anders als arme Männer, die nichts als ihr Leben zu verlieren haben und deshalb meist sehr daran hängen, ist es eine Eigenart reicher Männer, dass sie langfristig denken, über die Grenzen ihres eigenen Todes hinaus. Sie nennen den Reichtum, den sie angehäuft haben, ihr Vermächtnis, und nichts ist ihnen heiliger als ihr Vermächtnis. Es ist ihre Version von Unsterblichkeit. Ihre Seele wird eines Tages in Beliars Reich eingehen, das ist unausweichlich, doch ihr Vermächtnis, so glauben sie, wird ewig in dieser Welt existieren. Was tun wir also, mein Assassine?“ Selikas Lächeln nahm nun einen diabolischen Zug an, als sie wieder einen Schritt auf Draconiz zu machte und ihm in die Augen sah: „Wir zeigen ihnen, dass sie falsch liegen! Das ist es nämlich, was diese reichen Männer am meisten fürchten, mehr als alles andere, mehr als den Tod: Den Verlust ihres Reichtums, ihres Vermächtnisses – ihrer Unsterblichkeit. Droh ihnen damit, sie zu ruinieren, ihre Geschäfte zu zerstören, sie aus ihren Palästen in die Gosse zu zerren, und sie werden dir aus der Hand fressen. Damit gewinnst du Verbündete für dein Vorhaben – vielleicht keine freiwilligen Verbündeten, aber doch Verbündete, die dich unterstützen werden, statt offen gegen dich zu arbeiten, und wenn sie dabei noch so sehr mit den Zähnen knirschen. Wie du das anstellen sollst? Nun, das kann ich dir verraten. Ich denke, dir ist klar, dass jemand wie Tarek sein Vermögen nicht mit Obst und Gemüse gemacht hat, Ziyad mit stinkenden Kamelen oder Nael, indem er irgendwelches Grünzeug verhökert? Es ist ja ein offenes Geheimnis, dass in Bakaresh die meisten Geschäfte im Schatten gemacht werden, und auch das Licht Innos‘ kann nicht alle dunklen Winkel erhellen. Ich habe allerdings seit Jahren Augen und Ohren in diesen Schatten, und wenn wir zu einer Übereinkunft gelangen, kann ich dir viele interessante Dinge erzählen. Es ist dann an dir, dieses Wissen zu nutzen. Klopfe ein wenig an ihre Türen, lege ein paar kleinere Aktivitäten trocken, leuchte hier und da in ihre Keller, Hinterzimmer und die dunklen Gassen – aber übertreibe es nicht, du willst sie nicht zerstören, nur aufschrecken und sie wissen lassen, dass du weißt ... Und dann machst du ihnen Angebote, die sie nicht ablehnen können. Am Ende profitieren wir alle davon – ich sehe Varant bereits in neuem Glanz erstrahlen!“
Selika ließ ihren Blick wie verträumt in die Ferne schweifen, über das Meer und die sich am Horizont abzeichnende Küstenlinie der Insel, die wie ein Schutzwall den Hafen Bakareshs vor den Gewalten des ungezähmten Ozeans abschirmte.
„Der Preis dafür?“, wandte sie sich schließlich wieder an Draconiz und trat an ihn heran, so nah, dass sich ihre Körper beinahe berührten. Mit scheinbar unschuldiger Neugierde ließ eine Strähne seines schneeweißen Haares durch ihre schlanken Finger gleiten. „Nun, einmal könntest du mir verraten, wie du zu so einer bemerkenswerten Haarfarbe gekommen bist! Magie? Die berühmte Magie der Assassinen? Und zum zweiten … nun, wie ich schon sagte, die meisten Geschäfte in Bakaresh werden im Schatten gemacht, und du als Vertreter Myrtanas bist die Flamme, die Licht in diese Schatten bringt. Natürlich könnte es sein, dass ein übereifriger Diener der Krone das eine oder andere Mal etwas findet, was … mich vielleicht schlecht aussehen lassen könnte in den Augen unseres geliebten Königs. Ich versichere dir, das sind natürlich alles nichts als bedauerliche Irrtümer! Meine einzige Bitte ist also, solche Irrtümer, sollte es sie geben, ohne großes Aufsehen aus der Welt zu schaffen. Kannst du das für mich tun? Dann kannst du dir meiner vollen Unterstützung gewiss sein, mit allem, was ich … für dich tun kann.“ Selika lächelte wieder und sah Draconiz erwartungsvoll an, ihr Gesicht kaum eine Handbreit von dem Seinen. „Also, mein Assassine, haben wir eine Übereinkunft?“
Geändert von Die Rote Hand (05.10.2024 um 17:24 Uhr)
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»Haben wir«, meinte er und strich ihr zärtlich über die Wange. Dann fuhr er mit seinem Zeigefinger langsam durch ihr Haar und berührte sie an der Schulter. Der Ausblick über das Meer war wirklich wunderschön. »Informationen für Informationen. So soll es sein«. Sie schaute ihn an. Wartend wie die Raubkatze die sie war. »Die Haare sind tatsächlich durch die Macht der Götter verändert worden«, er versuchte etwas in den Augen zu finden, was er noch nicht wusste, doch konnte es nicht. Sie war der Inbegriff des Mysteriums. Nun hatte er wahrlich einen Pakt mit einem Dämon geschlossen. Nicht, dass es das erste Mal gewesen wäre. »Beliar selbst verlieh mir seine Gabe. Das ist nur ein Nebeneffekt«. Er sparte sich die ganze langweilige Geschichte für später. Denn als er geendet hatte zog er sie fest an sich heran und sie sprang ihm wie ein Tiger zu der seine Beute zu verschlingen dachte. Der Gedanke würde ihm in der nächsten Stunde noch öfter kommen.
Er fragte sich einige Zeit später ob wohl mehr Unsterblichkeit für ihn übrig bleiben würde, als ihm lieb war. Er verwarf den Gedanken allerdings rasch wieder. So viel Götterwirken wie an ihm gewirkt hatte machte es für ihn doch recht unwahrscheinlich, dass etwas geschehen würde. Er küsste sie noch einmal und erhob sich dann, wobei er erneut den Blick auf das Meer genoss. »Also: Cruz hat dich nicht direkt im Visier. Er hat dich lediglich unter Beobachtung. Suspekt, aber bisher angenommen königstreu. Du könntest dich mit Nermin austauschen. Der könnte dir sicherlich helfen. Ich bringe so gerne Menschen zusammen«, meinte er und seufzte. Das Wasser des Ozeans trotze allen Zeiten und all dem was Menschen aufbauten. Bei ihrer Übereinkunft war es fraglich. Es würde sich zeigen, was daraus entstehen würde. »Wem also würdest du empfehlen sollte ich drohen das Vermächtnis einzureißen? Ich weiß von Wun Aba, dass er den Frauen zugeneigter ist, als er sein sollte und dass er einige sehr unangenehme Dinge getan hat deswegen. Wenn das raus kommt wirft es nicht das Licht Innos’ auf ihn«. Er schaute sie an. Den durchtrainierten Körper, den lasziven Blick. War das eine erneute Einladung? Schon jetzt? »Was muss ich wissen?«, fragte er fordernd.
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Bei Kap Dun - Kb1
Es war der Abend des dritten Tages hier bei Kap Dun. Gisla und Chani waren zur Schwarzen Perle losgezogen, um mit Corazon gewisse Modalitäten zu klären und auch Larus einen Besuch abzustatten. Immerhin musste man abklären wo und wie man sich bei ihm versteckt, wenn es nötig wäre.
Bhor und Danzo hingegen waren als Trainer und sein Champion los gezogen, um die ersten Zähne auszuschlagen und Silberstücke zu verwerten.
Sie selbst blieben bei den Wagen und versorgten die Tiere, doch Eskiel verwandelte es danach mehr zu einer matschigen Geschichte. Auf nassem Untergrund durfte Naira ihre Übungen machen. Liegestütze, Kniebeugen und einmal um die Wagen sprinten. Kurze Pause und dann erneut mit Liegestützen beginnen.
Nach zehn Runden und drei Mal ausrutschen hatte sie genug und Eskiel erlaubte ihr, die Kleidung zu wechseln und was zu essen.
“Heute tanzt du auf dem Seil.”, erklärte er ihr kurzerhand und kurbelte, bis sich eines der Seile zwischen den Wägen spannte.
“So wie Danzo und du? Mit Sprüngen und Pirouetten?", fragte sie.
“Das wäre die hohe Kunst. Da bist du noch eine gewisse Zeit entfernt. Wenn du es einmal hin und zurück schaffst, bin ich zufrieden. Wie willst du es angehen?”, fragte Eskiel.
“Ich dürfte wohl eine Stange als Hilfe nehmen, nicht wahr? Dann würde ich das machen. Zuerst. Danach nur mit den Armen. Ich würde es wie beim Schleichen angehen und die dünnen Schuhe nehmen. Vielleicht barfuß? Und dann würde ich möglichst Seilfläche nutzen wollen. Heißt meine Füsse liegen leicht diagonal auf dem Seil auf. Darf ich meine Zehen zum festhalten nutzen?”
“Für Kunststücke ja. Im echten Leben wirst du nicht die Zeit bekommen. Deswegen nein. Der Rest passt soweit. Versuch es, Naira.”, sagte er gelassen und füttert Baku. Der Schwarzbär grummelte weil es nur halbgare Kartoffeln gab und sah dann wie Eskiel zu, wie Naira begann.
Naira hatte sich Danzos Speer gegriffen und zog sich Lederschuhe ohne Sohle an. Kurz suchte sie den Mittelpunkt des Speers und ging oder besser balancierte los.
Der erste Schritt war wie so oft der Schwerste. Halt finden und sich trauen den zweiten Schritt zu machen.
“Scheiß drauf…ich brauche eh einige Versuche.”, dachte sie sich und machte es einfach.
Schritt Zwei war gesetzt und Naira merkte, dass Zehen nunmal keine Finger waren. Festkrallen war nicht möglich. Kurz wackelte sie hin und her, glich halbwegs aus und machte zu ihrer Rettung den dritten Schritt, um wieder gut zu stehen. Leicht in der Hocke, atmete sie hektisch und wackelte halbwegs sicher vor sich hin. Sicher genug, um den vierten Schritt zu setzen und mit Sicherheit vom Seil zu stürzen. Die Fallhöhe von einer Armlänge überlebte sie mit Hilfe des Speerschafts und guter Landung. Schonend und sich möglichst noch fallen lassenend oder wenn es ging abrollen. Letzteres ging noch nicht so einfach, aber sie hatte von Eskiel gelernt, dass es besser war wie eine Katze zu landen.
“Nochmal…”, sagte sie und begann ihre gedankliche Strichliste…
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Bei Kap Dun - KB1
“Allleeeez hop!”, vollendete die junge Taschendiebin mit einem Sprung vom Podest an dem das Seil befestigt war und landete mit ausgestreckten Armen. Sie verbeugte sich vor Eskiel und den schlafenden Baku und grinste über das ganze Gesicht.
“Den Dreh hatte ich doch früh raus. Sieben Versuche mit Stange und fünf ohne Stange. Einmal hin und wieder zurück.”, sagte Naira mehr zu sich selbst, wie zu Eskiel. Der paffte an seiner Pfeife und nickte nicht einmal.
“Hey! Hast du überhaupt zugeschaut?”
“Ist das wichtig? Du machst das doch für dich?”
“Als mein Lehrmeister hast du zuzuschauen, Eskiel! Fehler erkennen und sowas.”
“Gut. Mit Stange hattest du sechs Mal Fehler gemacht und bist gestürzt. Vier Mal nur ohne Stange.”, provozierte der Waldläufer ein wenig und grinste ganz leicht. Naira verdrehte die Augen.
“Verarsch mich nicht. Hast du irgendwelche Tipps oder Ideen für nächstes Mal? Vielleicht auch mal ein Lob?”
“Mach weniger Fehler und lass die Stange weg. - Ganz ehrlich. Das schaut schon gut aus. Nur solltest du viel fokussierter sein. Ablenkung ist der Tod. Blende sonst alles aus. Du hast das früher schon gemacht. Das sehe ich dir an. Wo? Wer?”, fragte der Meisterakrobat.
“Schon vergessen? Ich wuchs in Nordmar, Myrtana und bei euch auf. In den Lagern gehörten so Übungen dazu. Man zeigte uns, wie man mit dem Speer über einen Baumstamm balanciert und wie man auf sehr dünnen Dingen vorsichtig vorgeht. Seltsamerweise hab ich das meiste dazu bei der Falkensippe gelernt.”, sagte sie und räumte wieder Danzos Speer ein
“So ungewöhnlich ist es nicht. Die Falken sind leichtfüßig und agil in ihrem Stil. Irgendwie müssen sie ja kompensieren, dass sie nicht fliegen können.”
“Naja…beruht ihr Ruf nicht mehr auf ihre Schützen? Falkenaugen und sowas?”
“Natürlich! Aber sie müssen ja auch in den Nahkampf. Früher…als es die Adlersippe gab, war deren Stil ähnlich. Mehr auf den Nahkampf bezogen. Ein Adlerkrieger war schon nicht ohne. Blöd, dass ihr Anführer irgendwann mal Mist baute und alle von ihnen noch mitzogen.”
“Ich hab davon gehört. Sklaven, Attacken auf uns in Silden. Ein Kampf in der alten Mine. Jetzt sind sie alle tot.”, meinte Naira.
“Bis auf einen. Okam. Er wurde begnadigt und folgt einem der Druiden auf Argaan.”
“Okam? Aha. Welchem? Dem Raben oder dem Wolf?”
“Du kennst sie?”, fragte Eskiel verwundert.
“Nur von den Geschichten.”
“Er folgt dem Jadewolf. Er hat damals für Okam gesprochen. War nicht einfach, sich damals zu entscheiden. Ich war dagegen, habe es aber akzeptiert.”, erklärte der Waldläufer und ließ das Thema darauf beruhen.
“Das Schleichen, diese Übung und die Körperübungen der letzten Tage wiederholst du, bis es höchstens einen Fehlersuch gibt. Hast du mal Ärger gibt es keine sieben Versuche. - Neue Lektion! Klettern! Was weißt du darüber?”
“Alles! Ich bin schon immer auf Bäume geklettert. Hoch, runter, gehangelt. Ja, das kann ich.”, erklärte sie und stemmte stolz die Hände in die Hüften.
“Dann kletter sofort aufs Dach des Wagens. Ohne die Leiter.”, forderte Eskiel auf. Naira blickte rüber und überlegte kurz, dann lief sie zu einem der Fenster und zog sich da schon mal hoch, bevor sie sich am unteren Rahmen haltend mit dem rechten Fuss versuchte am Dachbalken einzuhangeln. Klappte nicht ganz, so stellte sie sich hockend in den Fensterrahmen und streckte dann die Hand zum Dachbalken aus. Den erreichte sie und griff dann auch mit der zweiten Hand nach, um sich dann dran zu hängen. Mit Blick nach oben versuchte sie nun den Hintern und die Beine zuerst über die leicht schräge Dachkante zu bringen und scheiterte. Knapp, weil es zu viel Kraft kostete und die Distanz ein wenig zu viel war. Sie ließ ab und landete auf vier Gliedmaßen wie eine Katze auf dem Grund.
“Bäume sind keine Wägen, Dächer, Häuser oder sonst etwas, was der Mensch geschaffen hat. Ich glaube dir, dass du schon immer gut klettern konntest und dein leichter Körperbau wird dir noch gut helfen. Aber Klettern ist mehr wie hoch und runter. Klettern ist in der Basis Kraft und Ausdauer. Starke Hände und ein starker Körperkern der die Spannung hält. Der Rest ist drin Köpfchen. Du hattest einen Plan, aber hast dich in Sachen Kraft und Distanz verschätzt. Schau zu.”, sagte Eskiel und kletterte selbst in den Fensterrahmen. Er nutzte seine Arme um sich ebenso am Dachbalken hochzuziehen, verhakte dann aber seine Beine darin um Halt zu finden. Danach wirkte es sehr einfach, wie er sich an der Dachkante fest hielt, seine Umklammerung am Dachbalken löste und dann - nicht wie Naira es machen würde hochzog - sondern hin und her schwang bis er den Fuss oben gekonnt platzierte und sich mit Bein und Armkraft hoch zog.
“Nicht schlecht…”,kommentierte Naira und sah, dass sie noch einen weiten Weg hätte. Eskiel sprang herunter und rollte sich ab.
“Manche Wege sind länger, aber sicherer. Manche Wege werden steinig für dich, weil dir die Körperkraft noch fehlt. Aber deswegen machen wir das ja. Und zuerst benutzen wir unseren Kopf um einzuschätzen wie wir es angehen und ob unsere Kraft reicht. Reicht sie nicht, dann suchen wir uns einen anderen Weg oder Mittel. Schön blöd, wer keine Leiter nutzt wenn sie da ist.”, meinte der Waldläufer.
“Oder ein Seil - oder eine Kiste.”
“Verlass dich niemals auf Bruder Zufall oder Schwester das-passt-schon-irgendwie. - Und jetzt ab an die Dachkante und von dort, nach da hangeln, dann aufs Dach und zur anderen Seite. Keine Sprünge, keine tollkühnen Manöver. Du sollst lernen deine Umgebung zu nutzen und dabei sichere Grundlagen verwenden. Hangeln ist sicher.”
“Wenn man die Kraft in den Fingern hat…”
“Zarte Hände, Fräulein Flammenzunge?”
“Hände aus knorriger Eiche und Blutblasen. Los geht es!”, sagte Naira nach der Lektion und ging die wohl letzte Übung für heute an.
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Apprentice
Isthar
»Ihr hättet nicht kommen sollen Ugrasal«, meinte der ganz in schwarz gekleidete Yarif. Mondlicht spiegelte sich auf seiner Glatze. Kalter Stahl lag bedrohlich in seiner Hand. Ein Krummschwert nach Machart der Assassinen. Eine edle und tödliche Waffe. Die nach oben geöffnete Höhle in der Nähe von Isthar bot eine dramatische Kulisse für den Kampf der bald stattfinden würde. »Heute werden wir euch beerben«, ergänzte Yuris. Der ebenfalls Glatzköpfige Klingenmeister musterte den Großmeister der Kampfkunst abschätzig. Kaum ein Laut war in hier zu hören. Isthar war zu weit entfernt als von dort etwas herkommen könnte. »Du bleibst hier. Das ist mein Kampf«, zischte Ugrasal seinem Begleiter zu und Jasem nickte. Er hielt sich etwas abseits des steinigen Grunds, der ihnen als Kampffläche dienen würde. Schabend zog der Assassine des alten Bundes seine beiden Klingen blank und drehte sie in der Hand. Sie waren gerade und schmucklos. Die Zwillinge gingen in Position.
»Erst habt ihr Zuben verraten und dann die Assassinen«, keifte der erste der Beiden. »Wer seine Brüder verrät muss sterben!«, ergänzte der Zweite. »Wir werden auf euer Erbe spucken. Wir lassen jeden wissen, wer ihr wart!«. »Ein Wieselschiss und ehrloser Verräter!«. Ugrasal blieb äußerlich völlig regungslos. Er hatte seine Kontakte spielen lassen um das Duell anzusetzen. Um sich mit seinen ehemaligen Schülern zu messen. Sie würden niemals das Knie beugen. Zu tief waren sie im Morast Zubens versunken, als dass sie auch nur daran denken würden einen anderen Pfad einzuschlagen. Es blieb nur sie dem Gott des Todes anzuvertrauen. Er konzentrierte sich und besah sich beide ausgiebig. Die Zeit in Vergessenheit und auf der Flucht hatte sie ausgemergelt. Bald würden sie aussehen wie Hasan aus Ben Sala. Mehr tot als lebendig. Und doch gefährlich. »Ich war 8 Jahre alt als ich meinen ersten Mann getötet habe«, sagte er wehmütig. »Ich nahm ihm das größte Geschenk das man einem Menschen geben kann: Das Leben. Doch ich fühlte auch etwas anderes: Stolz. Stolz, dass ich mich erhoben hatte gegen die Ungerechtigkeit und das ist das für das ich stehe. Zuben hat dieses Land vergiftet und mich zum Schwur gezwungen. Ich bin froh, dass er der Vergangenheit angehört«, meinte er langsam und bedächtig. Dann steckte er seine Klingen wieder weg, löste sie samt Scheide vom Rücken und warf sie beide Jasem zu.
»Du willst unbewaffnet deine letzten Atemzüge tun?«, fragte Yuris ehrlich verwundert. »Wo ist Zuben?«, verlangte sein Lehrer zu wissen. »Bei dem Meister. Er sitzt dort und wartet dich zu foltern«, antwortete Yarif stattdessen. Ugrasal nickte und deutete auf zwei Teile eines Amuletts, was beide Brüder jeweils um den Hals trugen. »Abzeichen für seine Köter?«, meinte er lachend. Wenn er sie sich genauer anschaute, dann ergaben sie zusammen den ikonischen Kopf der Beliarstatue. »Es war seines und wir halten es in Ehren!«, knurrte der erste Bruder und dann begannen sie ihn zu umkreisen. »Wenn du also kampflos sterben willst, dann sei dein Wunsch willkommen«, meinte der zweite. »Ich nehme eure Klingen, wenn ihr damit fertig seid«, meinte Ugrasal nüchtern.
Kein Kampfschrei. Wie Tiger umkreisten sie ihre Beute. Der erste preschte voran und seine Klinge kam bedrohlich nahe. Doch Ugrasal wich ihr elegant aus. Schon kam die zweite heran und auch ihr wich ihr aus. Beide Brüder liefen fast ineinander und Ugrasal lachte. »Ich habe euch anderes beigebracht«, meinte er verächtlich. Wieder kamen sie heran. Er nutzte ihren Zorn. Das war ihre Schwachstelle. Sie meinten es schnell beenden zu können und nahmen ihn nicht mehr ernst. Ein Fehler. Als Yuris das nächste Mal herankam wich er geschickt aus, packte die Schwerthand und zog ihn aus dem Gleichgewicht, so dass er als Barriere für seinen Bruder diente. Yuris stöhnte erschrocken auf und Ugrasal trat ihm von außen ans Knie. Er lies vor Schmerz die Klinge fallen und ging mit Gewalt zu Boden. Der Assassine sorgte dafür, dass er nicht wieder aufstehen würde. Als die Klinge von Yarif kam, rollte sich Ugrasal zur Seite weg. Gerade schnell genug um nicht das Schicksal von Yuris zu teilen.
Yarif bewaffnete sich nun ebenfalls mit dem Schwert seines Bruders. »Beliar holt euch!«, schrie er, dann drosch er vor Wut und Trauer auf den Klingenmeister ein, so wie ein Bauer des Korn in Myrtana ernten würde. Ugrasal tat einen Schritt zurück. Dann erstarb die Bewegung und eine Klinge ragte aus dem Corpus des Angreifenden. Jasem war von hinten gekommen und hatte den Kampf beendet. Der Sohn von Drognan keuchte. »Sah so aus, als ob ihr Hilfe gebrauchen konntet«, meinte er grinsend. Ugrasal spuckte auf den Sandboden. »Nimm die Amulette und Schwerter. Lass uns sehen, dass wir wegkommen«
DraconiZ
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