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"Das nenne ich mal effektive Magie!", rief Aniron, als sie gesehen hatte, wie Wombel mir nichts, dir nichts den Dreck der Zwillinge weg gemacht hatte. Daraufhin regte sich Fianna und Aniron blickte ihre Jüngste an: "Na, hast du gut geschlafen?"
Sie erntete ein breites Grinsen, dann steckte Fianna sich ihre Finger in den Mund und die Augen klappten wieder zu. Aber als Aniron weitersprach, hoben sich ihre müden Lider wieder.
"Mich verwirrt das ebenfalls. Auch ich bin der Meinung, dass wir über genug Abflüsse in der Stadt verfügen, dass so etwas nicht vorkommen kann - eigentlich. Ebenso verfügen wir über genug Magier, die die Macht haben, Wasser zu lenken. Dem sollten wir auf den Grund gehen. Tinquilius ist nach wie vor abwesend und gleichzeitig müssen wir sicher gehen, dass es der Bevölkerung gut geht. Ich finde es beunruhigend, dass solche Wassermassen in der Stadt möglich sind."
Fianna feixte ihre Mutter erneut an und tupfte ihr auf die Nase: "Pieks!", gurrte sie.
Aniron lächelte sie an und piekste zurück. Maris indessen, der immer noch ein bisschen angeschickert wirkte, klopfte Wombel auf die Schulter: "Das heißt doch Arbeit für dich, mein Bester. Wir sollten durch die Stadt gehen und die Schäden begutachten. Ich sehe die Münzen rollen für dich, Meister Wombel!"
Aniron nickte: "Wir sollten tatsächlich die Schäden begutachten. Außerdem sollten wir sehen, ob die Abflüsse frei sind. Die Ruinen unter Stewark werde ich nicht mit den Kindern betreten, aber wir sollten ebenfalls überprüfen, ob dort etwas vor sich geht. Ich habe mir bisher nie ein Bild von den Gemäuern gemacht, um ehrlich zu sein." Während sie sprach, schälte die Wassermagierin Fianna aus dem Tuch, mit dem das Kind getragen wurde.
"Bevor wir gehen, Wombel, brauchst du sonst noch etwas?", fragte sie, während Runa und Sinan mit dem Besen zurückkamen.
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Des Rätsels Lösung war am Ende doch einigermaßen einfach wie komplex gewesen. Wobei die Komplexität sich eher auf die verschiedenen Existenzebenen bezog, von der Garrick sprach und der in dieser Hinsicht wohl das Gleiche sehen konnte, wie es Murielle tat. Kiyan war mit Ankunft des Mannes, den er nur vom Namen her kannte, zum reinen Nebendarsteller verkommen, hatte brav seine magischen Schmuckstücke abgegeben und sich dort hingestellt, wo Esteban es ihm geraten hatte.
Gefolgt war ein wenig magisches Feuerwerk, welches sich in einem feinen, wie aus Silber gesponnenen Netz manifestiert hatte, dass nun quasi über dem Zugang zu den tiefen Bereichen der Ruinen lag und verhindern sollte, dass wohl entweder etwas daraus hervorkam oder hinein. Kiyan nahm es hin, wie die Magier es erklärten. Ihm fehlte schlicht die Ausbildung in magischen Dingen, um auch nur mehr als eine laienhafte Meinung äußern zu können.
Innerlich verfluchte er natürlich die Kurzsichtigkeit der drei Magier, die mit ihrem Wissen im Grunde nur die Wassermagier hätten informieren müssen, um eine großangelegte Erkundung der Ruinen und ihrer Geheimnisse in Bewegung zu bringen. Kiyan vermerkte sich einfach in Gedanken den Eingang zu den Ruinen und beschloss, irgendwann einmal selber wieder hier hin zu kommen. Besser organisiert, besser ausgerüstet und gewappnet für das, was auch immer in den Tiefen der Ruinen lauern mochte.
Nun, da alle wieder an der Oberfläche standen, verbeugte Kiyan sich steif vor Murielle, Esteban und Garrick.
„Meinen Dank, dass ich Euch begleiten durfte“, begann er, „Ich konnte … interessante Eindrücke gewinnen und hoffe, mich eines Tages dafür erkenntlich zu zeigen.“
Er klopfte sich auf das geheilte Bein, welches schon wesentlich genesener war. „Auch dafür. Wie ich bereits sagte, Esteban, Murielle: Ich schulde Euch etwas. Ich hoffe, dass ich beizeiten die Möglichkeiten habe, mich angemessen zu revanchieren. Bis dahin, wünsche ich Euch bei Euren Reisen alles Gute.“
Eine erneute höfliche Verneigung und ein Nicken in Richtung des Mannes namens Garrick. „Die Götter mit Euch. Möge das Schicksal Euch wohlwollend betrachten.“
Und mit diesen Worten drehte er sich um und fühlte im Innern immer noch das Köcheln des Zorns darüber, die Ruinen nicht weiter erkunden zu können.
Magier und Gelehrte. Nur die Götter wissen, was wir noch hätten entdecken können. Aber beim kleinsten Zeichen einer unbekannten Besonderheit wird der Rückzug angetreten. Entdecker werden die wohl nie werden …
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 nomina nuda tenemus
Esteban sah Kiyan die Enttäuschung an.
»Ärgert Euch nicht«, sagte er deshalb.
»Aber das, was dort unten lauerte, war zu gefährlich, um es weiterhin frei umherstreifen zu lassen. Zu stark für Euch und selbst für mich. Ihr spürtet die Präsenz und ich ebenfalls. Murielle hat bei ihrer Reise in andere Realitäten wohl die genaueste Vorstellung dessen erlangt, was auf uns wartete. In welcher Form auch immer es sich hier manifestieren würde. Doch wir konnten die Stadt nicht dieser feindlichen Kraft überlassen, die so stark ist, dass sie selbst eine magische Versiegelung sprengen kann«, erklärte er. »Es blieb uns keine Wahl, als die Expedition abzubrechen und die Ruinen zum Schutz der Menschen wieder zu versiegeln.«
Er wühlte in seiner Tasche.
»Ich habe hier noch die Münzen, die wir gefunden haben. Eventuell helfen sie bei der Einordnung dieser Kultur oder sie haben vielleicht zumindest bei Sammlern einen gewissen Wert. Ich überlasse Sie Euch. In den ganzen Kisten, die wir zuletzt fanden, hattet Ihr ja leider nichts von Wert für Euch gefunden. Von der vorgeschlagenen Öffnung einiger Gräber wart Ihr – aus begründeter Vorsicht – auch nicht überzeugt. Vielleicht war das auch gar keine schlechte Idee, was unsere Sicherheit betraf.
Und vielleicht sollten diese Ruinen zur Sicherheit anderer auch unser Geheimnis bleiben. Ich denke, Garrick wird sein Geheimnis, das er uns anvertraute, sicher auch nicht mit anderen teilen und für sich behalten, wo der Eingang liegt.«
Der Magier griff erneut in seine Tasche.
»Da fällt mir ein, Garrick«, er zog ein Bündel Papier heraus – die Abriebe der Steintafeln, »ich habe hier einige Abriebe. Vielleicht könnt Ihr sie eines Tages entziffern und ihren Inhalt deuten und damit Erkenntnisse über die Menschen, die dort damals lebten, gewinnen.«
Dann wandte er sich weder an Kiyan.
»Schließt Euch den Wassermagiern an, sie können Euch am besten bei zukünftigen Forschungen unterstützen. Allerdings beschränken sich ihre Forschungen traditionell vor allem auf die Hinterlassenschaften des Alten Volkes in Varant und Jharkendar. Ihr sagtet, dass Ihr die Ruinen von Setarrif erforschen möchtet. Dort solltet Ihr Euch vor wilden Tieren, Bestien und Banditen in acht nehmen. Sicher streifen dort viel feindliche Kreaturen umher. Sammelt dafür unterstützende Hände oder studiert die Magie Adanos, um Euch dort selbst verteidigen zu können.
Ich danke Euch für Eure Begleitung, Kiyan, und wünsche Euch nur Gutes. Allzu tief steht Ihr übrigens nicht in meiner Schuld, also keine Sorge deswegen. Wenn Ihr eines nicht allzu fernen Tages selbst ein mächtiger Magier seid, dann könnt Ihr gefahrlos allein die Hinterlassenschaften alter Völker erforschen.«
Ein Ruf ertönte, nicht allzu weit entfernt von den vieren. Er kam von unterhalb der Klippe, auf der die Stadt stand. Esteban schaute über die Mauer vor Garricks Haus nach unten.
»Dort unten ist ein Boot«, rief er überrascht. »Es wird doch nicht etwa ein Schiff gekommen sein und auf Reede vor Stewark ankern? Wir sollten der Klippenschenke einen Besuch abstatten, um mehr zu erfahren«, schlug er Murielle vor.
Und so sagten sie sowohl dem Kuriositätenhändler Garrick als auch Kiyan Lebewohl und schritten in Richtung des Gasthauses davon, wo sie sich nach Neuigkeiten erkunden wollten.
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"Nehmt Ihr den Schmuck an Euch.", bat sie ihn und reichte Don-Esteban das von ihr verwendete Amulett sowie den dazugehörigen Ring. "Sogar ich ungelehrtes Ding habe gespürt, dass dies keine einfache Magie war, das ist viele Nummern zu hoch für mich. Auch wenn es jetzt ermattet und nutzlos scheinen mag, ich traue dem Frieden nicht."
Sie betraten den Schankraum, der vom Besitzer des Gasthauses während der inzwischen vergangenen Zeit wieder einigermaßen hergerichtet worden und einigermaßen gut besucht war.
"Meint Ihr, wir sollten unsere restlichen Habseligkeiten schon zusammenpacken?", fragte sie erwartungsvoll. Die Aussicht die Insel vielleicht bald verlassen zu können, machte sie ganz ungeduldig.
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Höflich lächelnd hatte der Mann aus Gorthar vor seiner Verabschiedung dann doch noch die Münzen aus den Ruinen von Esteban entgegengenommen und sich den Ratschlag bezüglich den Wassermagiern und der Magie Adanos‘ angehört, welcher wahrscheinlich auf der Aussage Kiyans fußte, die er in den Ruinen getätigt hatte. Natürlich wusste er nicht, inwieweit er magisch begabt war. Ob er es überhaupt war und wenn nicht, wie er es werden könnte. Innerlich hatte er eher mit dem Gedanken gespielt, nach der vollständigen Genesung seines Beines ein Schwert in die Hand zu nehmen und sich den Streitkräften Ethorns anzuschließen.
Magie, dachte Kiyan während er durch die Straßen Stewarks ging, ich habe gesehen, was sie anrichten kann. Was sie bewirken kann. Gutes wie Schlechtes. Das Wesen unter der Stadt ist magisch und sicherlich nicht im Bereich der lieben Märchenfeen anzusiedeln. Aber Magie kann auch heilen und erschaffen. Die Frage ist: Wie finde ich heraus, ob ich sie beherrsche? In den Ruinen habe ich nichts gemerkt. Natürlich habe ich die Wesenheit gespürt, aber das hätte sicherlich auch jeder andere Mensch geschafft, wenn Estebans Mutmaßung über die Macht der Kreatur stimmen. Bei dieser Versiegelung habe ich nichts gespürt. Nichts. Die drei Magier hätten genauso gut auch nur mit den Armen wedeln und irgendein Kauderwelsch rückwärts sprechen müssen und ich hätte den Unterschied zu anderen Zaubersprüchen nicht bemerkt.
Er seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Vielleicht sollte er die Magier aufsuchen. Vorstellig werden. Vielleicht würden die ihn aber auch nur verlachen und mit einem Tritt in den Hintern vor die Tür setzen.
Geändert von Kiyan (26.02.2020 um 20:16 Uhr)
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Maris hatte natürlich nicht unrecht. Durch die Wassermassen waren bestimmt viele Holzkonstruktionen in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Dächer sicherlich weniger, aber Wombel dachte an die vielen Fässer und anderen Küfergefäße, die in zahlreichen Kellern durchaus eine Menge Feuchtigkeit abbekommen haben. Von den ganzen Tragebalken auf denen die meisten Häuser standen einmal angesehen gab es sicherlich einiges anzuschauen.
„Du hast recht, Maris. Ich gehe auch von einer kommenden, ganzen Menge Arbeit aus.“
Insgeheim war dem Zimmermann dies momentan aber eigentlich egal.
Die Abflüsse interessierten ihn und insbesondere die Tatsache, dass da unten vielleicht irgendetwas war, was den Wasserstau verursachte. Sei dies nur einfacher Abfall, oder etwas ganz anderes, er wollte auf jeden Fall nachsehen. Insgeheim hoffte er sogar darauf, dass etwas außergewöhnliches passieren würde. Er liebte seinen Zimmermannsjob, aber er war stets auch ein kleiner Abenteurer und Entdecker gewesen.
Er dachte kurz über Anirons Frage nach und sagte etwas verlegen:
„Naja, nunja … ich… ja.„
Aniron musterte den Holzfäller mit hochgezogener Augenbraue. Er räusperte sich vernehmlich und sagte:
„Meine Magierrobe … sie ist … naja es war im Gefecht und …“
Er hob hilflos die breiten Schultern und sein Gesicht war in diesem Moment leicht tomatig.
Hastig fügte er noch hinzu:
„Und ja. Krieg war ja schließlich auch und …“
„Wombel.“ Sagte die Priesterin Adanos und schaute dem Magier in die Augen.
Der Zimmermann atmete durch.
„Also ja bei Adanos. Es gibt etwas. Ich habe keine richtige Robe mehr. Meine richtige Robe wurde mir im Gefecht vom Leib gerissen und die Fetzen wurden notdürftig von … jemandem zusammengeflickt.“
Geändert von Wombel (26.02.2020 um 21:13 Uhr)
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Im Versteck
Mit ein paar behutsamen Hammerschlägen klöppelte Charon vollends den Steckbrief an die Wand und strich das finster blickende Gesicht ihres hochverehrten Pflegefalls glatt.
Lardo von Setarrif
Gesucht wegen Hochverrat, Raubmord, Brandstiftung, Eidbruch und Ketzerei
Letzter bekannter Aufenthalt Stewark
Kopfgeld 800 Goldstücke, tot oder lebendig
"Ambitioniert." erklärte Arko trocken und schielte unter den Würfelbecher. "Fünfundsechzig." verkündete er anschließend stolz und schob den Becher zu Mana, die mit verständnisloser Miene den Steckbrief musterte.
"Völlig idiotisch." verbesserte sie den Freibeuter, schüttelte den Becher, schlug ihn auf den Tisch und lugte dann darunter. "Pasch Drei!"
Der Kopfgeldjäger auf Probe schnappte den Würfelbecher vom Tisch und drehte ihn mit geschlossenen Augen ein paar Mal sachte, beinahe behutsam im Kreis. Dann gab er dem Becher einen schnellen Schlenker und stellte ihn sofort, ohne ihn einmal zu lüften, vor Arko auf den Tisch. "Pasch Fünf."
Arko legte bedächtig die gefalteten Hände in den Würfelbecher.
"Dann sag an. Wie willst du ihn aus der Stadt bekommen?"
"Bewusstlos in einer Kiste." Edon fing angelegentlich an, sich etwas Dreck unter den Fingernägeln wegzupulen. "Am besten garniert mit Knoblauch und Schafskäse, vielleicht noch ein paar frischen Zwiebeln. Ein Klassiker."
"Dafür hat die Torwache sicher Verständnis. Sie würde uns keinen halbtoten Kerl abnehmen, wenn wir ihn als Abendessen dekorieren."
Der Blick schweifte zu Mana herüber, die entschlossen schien, ein Blick durch den Würfelbecher hindurch zu werfen und dem Gespräch nicht die mindeste Aufmerksamkeit zu schenken.
"Genau. Sechs Kisten mit Knoblauch und Schafskäse, in einer stinkt noch eine Schnapsleiche vor sich hin. Faire Quote würde ich meinen."
Arko trommelte mit den Fingern auf dem Becher herum, überlegte kurz und schüttelte ihn dann.
"Und dir stinkt das gar nicht?" sinnierte er vor sich hin. Wortlos schob er den Becher zu Mana herüber, die ihn sofort hochriss und eine unschuldige Einundzwanzig entblößte ...
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Im Versteck
Edon hatte seinen Unterschlupf für sich. Arko war zurück bei seiner Crew und brummte ihnen genug Arbeit auf, damit sie nicht die nötige Muße hatten, auf bekloppte Ideen zu kommen. Mana hatte sich aus der Stadt verdrückt, um mit ihren blümchenaffinen Freunden den regionalen Kaninchenbestand zu meucheln - oder was die im Bluttal zu dieser Jahreszeit sonst noch trieben. Gelangweilt bewarf er Lardos Steckbrief mit einer hart gewordenen Brotkante. So brachte das Sinnieren einfach gar nichts. Niemand da, der einfallslos daneben stand und seine adrett verwirrte Festtagsmiene aufgetragen hatte. Er ließ den Blick schweifen.
In den Ecken stapelte sich der Krempel, auf dem Tisch die mittlerweile festgeklebten Bierhumpen und das Gekrümel der letzten paar Mahlzeiten. Ein einsamer Besen staubte fröhlich an eine Wand gelehnt vor sich hin und im Putzeimer hatten sich Spinnen ein behagliches Zuhause eingerichtet. Lustlos griff Edon nach dem Schürhaken und focht ein paar Hiebe nach einem Gardisten, der nicht mal in seiner Fantasie die Zivilcourage besessen hatte, pünktlich aufzutauchen, um von einer eleganten Schürhakenriposte gelöchert zu werden.
Entnervt schnappte er sich Eimer und Besen von der Wand. Auf den Besenstiel schob er - sehr zur Verstimmung der hausenden Spinnen - den umgestülpten Eimer und den Schürhaken knotete er kanpp darunter fest. Ein paar verstaubte Spinnweben und ein bisschen Metall, damit nichts auseinanderfällt - viel anderes hatten die meisten Passanten auch nicht im Kopf gehabt.
"Nun lausche gespannt, mein netzverhangener Freund. Ich will Lardo finden, umkloppen, verschnüren, verpacken und mit einem friedlichen Liebesbrief bis an die Türschwelle der Myrtaner verschiffen. Die Scheiße an Schritt Eins ist: ich weiß nicht, wo er ist."
Edon begann, auf und abzumarschieren.
"Das Gute ist: ich weiß, was ich von ihm weiß."
Er deutete auf den Steckbrief.
"Nämlich dass die Myrtaner ihn suchen, weil er." er studierte noch einmal gründlich den Steckbrief "etwas hatte, dass grundsätzlich wie ein geselliger Abend unter Freunden klingt."
Edon fummelte einen Kohlestift aus seiner Gürteltasche.
"Und jetzt Obacht, Meister Eimer - oder 'Meimer', um beim Du zu bleiben. Bei den Roten gibt es zwei Sorten von Straftaten: die, die man begeht, und die, die man nicht begehen muss, weil es egal ist, was man tut, man ist sowieso schuldig. Die erste Sorte sagt uns, was er getan hat. Und was er getan hat, sagt uns, was er tun kann. Die zweite Sorte sagt uns gar nichts, weil das das klassische Myrtaner Rechtsverdrehersprech für 'Mimimi, keiner von uns. Bäh!' ist."
Edons Schritte wurden schneller während er begann, mit mehr Enthusiasmus zu dozieren.
"Also, Obacht Meimer: Hochverrat ist die zweite Sorte. 'Als wir ihn mit einer Axt bedroht haben, da hat er gesagt, er wäre unser Freund. Als er selber eine Axt hatte, da hat ergesagt, er hätte neue Freunde. Buhuhu!'
Raubmord ist die erste Sorte. Er hat jemanden abgestochen und ihm hinterher die rosa Unterhose entwendet. Wir folgern daraus, dass er mit einer Waffe umgehen kann, dass er Geld braucht und das er zumindest irgendwann einmal im Besitz peinlich gefärbter Genitalwärmer war - das eigentliche Verbrechen auf dieser Liste.
Kommen wir zur Brandstiftung - ich mag Brandstiftung. Brandstiftung klingt für mich nach Gorillataktik. Man entzündet einen wütenden Affen und schickt ihn zu den Vorräten der politischen Gegner, um ihre Ressourcen zu schmälern und sie anschließend mit Scheiße zu bewerfen.
Und für Eidbruch und Ketzerei wird man im Norden schon verurteilt, wenn man beim Versteckspiel nur bis Neunzehn zählt - das hilft nicht."
Edon strich auf dem Steckbrief alle Verbrechen der zweiten sorte gründlich durch.
"Also muss ich meinen Mann suchen, wo es Waffen und Geld zu verdienen und stinkende, haarige Viecher gibt, die sich beim kleinsten Erfolg mit beiden Fäusten auf die Brust trommeln."
Geändert von Edon Mesotes (27.02.2020 um 16:14 Uhr)
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 nomina nuda tenemus
In der Klippenschenke war mehr los als sonst. Und der Wirt Ingor erklärte Murielle und Esteban auch gleich, weshalb. Ein Schiff war gekommen.
»Lasst mich raten«, erwiderte Esteban. »Es ist Feisal aus Bakaresh, richtig?«
»Ja, genau, woher wisst Ihr?«
»Ich hatte mir von Garrick diejenigen Händler aufzählen lasen, die Stewark anlaufen. Mangels Hafen sind das ja nicht so viele, da sich Handelsgut wie Getreide, Holz oder anderes, was in Massen verkauft wird, schlecht auf hoher See umladen lässt. Ich frage mich, womit dieser Feisal handelt.«
»Das werdet Ihr schon sehen, wenn Ihr Euch auf ihn einlasst«, entgegnete Ingor. und wies auf einen Tisch ganz hinten in der Gaststube, wo nur noch Dämmerlicht hin reichte. »Dahinten sitzt sein Bootsmanns-Maat, fragt ihn, ob er Euch mitnimmt. Ihr wollt doch noch immer aufs Festland, oder?«
»Ja, daran hat sich nichts geändert«, bestätigte Esteban, verabschiedete sich mit einem Kopfnicken vom Wirt und ging mit seiner Begleiterin an den Tisch, den ihnen Ingor bezeichnet hatte.
»Ihr segelt mit Feisal?«, fragte Esteban, nachdem er an dem Tisch stand. Sein Schatten fiel über das Gesicht des Mannes, der empor schaute, um zu sehen, wer ihn angesprochen hatte. Seine Gesichtszüge waren kaum zu erkennen bei dem wenigen Licht, noch dazu verdeckten dunkle Bartstoppeln die Züge rund um Mund, Wangen und Kinn.
»Kommt drauf an«, antwortete er.
»Worauf denn?«
»Zum Beispiel darauf, wer fragt.«
»Oh, Ihr habt recht. Ich bin Esteban, meine großartige Begleitung hier heißt Murielle. Wir möchten gerne von Stewark auf das Festland reisen. Feisal wurde uns empfohlen«, log er.
Der Mann prustete vor Lachen, hatte sich dann aber schnell wieder im Griff.
»Soso. Eine Überfahrt also. Zwanzig Kupferasse für jeden. Verpflegung kostet extra.«
»Na gut - Feisal wurde uns nicht empfohlen«, gab Esteban zu. »Aber es hätte ja sein können.«
»Das glaube ich kaum«, widersprach der Maat. »Ihr werdet schon sehen. Aber der Scherz war gut.«
Esteban und Murielle setzten sich. »Noch eine Runde?«
»Noch eine Runde vom Gleichen«, bestätigte Feisals Mann.
Esteban winkte Ingor heran.
»Er will noch einen - was auch immer er hatte. Außerdem Tee und Wein.«
Und Esteban begann, über den verlangten Preis zu verhandeln. Nicht, dass er es nötig hatte. Aber es machte einfach einen schlechten Eindruck, wenn man überall jeden genannten Preis einfach so akzeptierte. Wer wollte schon als Tor gelten, der sich regelmäßig über den Tisch ziehen ließ.
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„Kiyan, du lebst.“
Der Abenteuer sah den Bäcker verblüfft an. Dieser warf die Arme in die Luft.
„Bei den Göttern, ich habe schon vor dem König gesprochen und lautstark verlangt, dass nur die besten Schwerter Ethorns nach dir suchen sollen, begleitet von den Hofmagiern! Ich habe Seine Majestät bekniet, den Konflikt mit Rhobar ruhen zu lassen und seine Feuermagier und Paladine zur Suche hinzu zu ziehen! Aber … zum Glück bist du ja wieder da, du als verschollen gegoltener Kerl!“
Bevor Abel noch ein weiteres Wort sagen konnte, segelte ein nicht mehr ganz frischer und damit harter und schwerer Brotlaib durch die Bäckerei und traf ihn fast zielsicher in den Bauch. Daraufhin brach der Schöpfer der in die Tage gekommenen Speise in Gelächter aus und schüttelte mit seiner Pranke die Hand des Entdeckers.
„Na, wo sind denn deine beiden Spießgesellen?“, fragte er, „Der weißhaarige Medikus und seine liebreizende Begleiterin?“
Kiyan hob die Schultern. „Weiter gezogen, denke ich. Es gibt auch an anderen Orten unschuldige Kaufmannssöhne zu heilen. Aber, wenn wir in größter Not sind, sollen wir nur ihre Namen in den Sonnenuntergang rufen und sie werden erscheinen.“
„Wirklich?“
„Eher weniger. Wie ist die Lage, Herr Bäcker? Aufgestiegen zum Leibbäcker des Königs? Bist du damit sein Leiblaibzubereiter?“
„Hast du etwas auf den Kopf bekommen?“, fragte der Bäcker grinsend, „Ein Kantholz zum Beispiel?“
„Nein. Aber ich bin ein gemachter Mann! Reich, Abel, sag ich dir!“
Mit diesen Worten warf Kiyan die alten Münzen auf den Tisch, auf dem er noch einen Mond zuvor gelegen und die Beinheilung über sich hatte ergehen lassen.
„Die sehen alt aus.“
„In der Tat. Vor tausend Jahren wäre ich aber stinkreich damit gewesen. Gibt es hier einen Antiquitätenhändler? Dem kannst du sie vielleicht verkaufen.“
Abel hob die Schultern. „Vielleicht. Wahrscheinlich werden sie hier irgendwo verstauben. Sag mir lieber, was nun dein Plan ist?“
Auf diese Frage antwortete Kiyan auf die gleiche Weise, wie er auch schon der Stimme in seinem Kopf geantwortet hatte: Mit Schweigen. Unsicherem, unschlüssigem Schweigen. Er wusste schlicht nicht, was er wollte. Was konnte er, der ja ein Fremder in Stewark war, hier erreichen? Sein Fürsprecher war ein örtlicher Bäcker. Das würde weder Krieger noch Magier erzittern lassen und den König, würde er es in seiner Anwesenheit erwähnen, vielleicht dazu bewegen, ihn zumindest zum Hofnarren, viel eher aber zum Abtrittreiniger zu ernennen.
„Ich habe Pläne für die … fernere Zukunft. Kurzfristig, Abel, bin ich überfragt. Vielleicht sollte ich mich mal dort unter die Leute mischen, wo man … was lernen kann. Weder Magier noch Krieger brauchen jemanden, der außer einigen gesehenen Ruinen und Gräbern nicht viel mehr kennt.“
Kiyan blickte auf. „Hast du ein Schwert?“
„Was?“
„Na ja, Abel, warst du früher vielleicht mal ein Kriegerheld? Der Veteran, der sich dazu entschieden hat, der großen Bühne zu entsagen und – haha – kleine Brötchen zu backen? Der irgendwo im Keller sein legendäres Schwert verwahrt. Dämmerschlächter. Weltenender. Göttertod!“
„Ich habe die schartige Klinge meines alten Herrn irgendwo auf dem Dachboden liegen.“
„Existenzspalter?“
„Eher Staubfänger.“
„Gut genug. Darf ich es haben?“
„Es dient aber als Türstopper.“
„Du wurdest mit uralten Münzen bezahlt!“
„Bei Adanos, hol dir die Klinge und pack deine Münzen. Und dann sieh zu, dass du Arbeit bekommst. Ein Bäcker wird aus dir sicherlich nicht und für einen Dummschwätzer fehlt es mir letztendlich an Nerv.“
Kiyan grinste und klopfte Abel auf die breite Schulter. Auch der Bäcker verzog die zuvor gespielt ernst zusammengepressten Lippen zu einem Lachen.
„Möge Türstopper dir gute Dienste leisten.“
Geändert von Kiyan (28.02.2020 um 15:12 Uhr)
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Die Klippenschenke
Edon schob sich an mehreren beunruhigend reichhaltig ausgebauten Wandschränken aus menschlichem Fleisch hindurch, um noch einen Ecktisch zu bekommen, in der Hand schon mal vorsorglich die ersten beiden Bierkrüge. Der Dieb drappierte seinen Umhang über der Stuhllehne, schnallte den Waffengurt ab und legte ihn neben sich auf den Tisch, den ersten Humpen zusammen mit beiden Füßen auf der Tischplatte, den zweiten schon an den Lippen während er schon mit der linken Hand am Pfeifchen herumfummelte.
In der Kneipe tummelte sich die übliche Bagage aus Söldnern, angehenden Helden, Barden, Taugenichtsen, Freischärlern, Nutten und Halbstarken. Im Grunde die gleiche Klientel, die seit Menschengedenken die Tavernen bevölkerten, zertrümmerten, ruinierten und am Leben hielten. Dieser hier fehlte vielleicht der raue Charme oder die Mischung aus altbekannten Gesichtern und neuen Arschlöchern oder der Wirt mit Verstand aus der alten Kaschemme in Setarrif. Aber vielleicht änderte sich das ja auch wieder. Wenn der alte Sarpedon es lebend bis hierher geschafft hatte, dann wartete er sicher hufescharrend auf die Gelegenheit, dem hiesigen Tavernenbesitzer das Haus unterm Arsch wegzureißen und sich häuslich einzuquartieren.
Die Schankmaid brachte nach ein paar Momenten die Schüßel mit Eintopf gefolgt von einem ordentlichen Fladenbrot an den Tisch. Edon begann damit, das Brot in grobe Fetzen zu reißen und den Eintopf hinunterzuschlingen während er schmatzend und herzlich durch die Gegend röhrend noch einmal Blicke über das Klientel schweifen ließ. Was war der beste Plan, um diesen Lardo ausfindig zu machen?
...
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Die Klippenschenke war brechend voll. Natürlich verwunderte es Kiyan, dass um diese Uhrzeit schon ein Großteil der Tische besetzt war. Beispielsweise von Esteban und Murielle, die jedoch in ein Gespräch mit anderen Gästen vertieft waren, als dass sie ihren Forschungskollegen bemerkt hätten. So schlängelte und drängte sich Kiyan einen Weg durch die Menge und hielt dabei reichlich übervorsichtig das schartige Schwert, in der Hoffnung, niemanden versehentlich damit zu verletzen.
Zwar waren Kiyans Kenntnisse der Heilkunst recht überschaubar, aber ein Schnitt an der alten Klinge des großen Staubfängers würde eine Blutvergiftung zur Folge haben, die selbst der beste Medikus nicht mehr würde versorgen können.
Irgendwo auf dem Weg zu irgendeinem Platz besorgte sich der Abenteurer noch einen Krug Bier und eine Hähnchenkeule und ließ sich dann derart beladen an einem Ecktisch nieder. Dabei schwappte ein gutes Quäntchen des Bieres auf die Keule wie auch auf Staubfänger.
Erst im Sitzen bemerkte Kiyan, dass schon jemand mit zwei Humpen und einer Schüssel Eintopf dort saß. Dunkle Haare, dunkle Augen, dunkle Kleidung. Der Abenteurer schluckte kurz und überlegte, ob es ein Fehler gewesen war, sich wortlos zu setzen. Solche Männer hatte er in den Kneipen von Gorthar oft genug gesehen, auch wenn es schon lange her war. Einzelgänger, Glücksritter, dergleichen Spießgesellen. Oft mit hochtrabenden Namen und noch hochtrabenderen Geschichten. In neunzig Prozent der Fälle waren sie entweder alsbald verschwunden oder hatten noch hochtrabendere Questen erlebt. Am Ende war Kiyan der klaren Überzeugung gewesen, dass die meisten von ihnen einfach nur zu einer Innung besonders miserabler Charakterdarsteller gehört hatte.
„Äh“, kam ihm nur über die Lippen, „Prost? Und, äh, guten Appetit.“
Bier, Keule und Schwert erforderten nach wie vor die ganze Aufmerksamkeit von Kiyans Armen. Diesen entging die Schräglage der Klinge, die fast wie in Zeitlupe rutschte und klirrend zu Boden fiel.
„Das … war nicht geplant, glaube ich.“
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Etwas trampelte, polterte, klirrte und murmelte an seinem Tisch. Edon schielte von seinem Teller hoch zu einem ... Typen. So richtig mit Haut und Haaren, von links und rechts her je ein Bein und am Ende jeden Arms je eine Hand. Menschlich mochte man meinen. Edon schluckte seinen letzten Happen halb zerkaut herunter und betrachtete den Kerl.
In der Rechten schwang er die gemeine Stewarker Hähnchenkeule, der außergewöhnliche Fähigkeiten im subtilen Ersticken von Hunden nachgesagt wurde. Als Parierwaffe diente ihm der Bierkrug in seiner tönernen Ausführung, mit der fettig-schmalzigen Unterseiten-Emaille, die dem Gefäß seine einzigartige Flutschigkeit verlieh, mit der sie mühelos über jeden Tresen rutschen konnte. Zu Füßen lag dem Vogel ein schartiges, altes Schwert, das zuweilen durch Flohmärkte und Kuriositätenkabinette gehandelt wurde. Von der Kampftechnik, es bei Feindkontakt auf den Boden zu werfen, war dem Landstreicher allerdings wenig bekannt - entweder war das ein ganz ausgfuchst exotischer Attentäter, eine fortgeschrittene Null oder ein mittelmäßiger Meuchler, dem die Nutzlosigkeit seiner Bewaffnung im Augenblick der Tat gewahr wurde - kurzum, er war entweder genial, scheiße oder irgendwas dazwischen.
Edon holte tief Luft, war einen Augenblick still und schaute ein wenig verträumt in die Runde. Dann stürzte er sich wieder auf sein Essen, den offensichtlichen Entschluss gefasst, dass sein Eintopf ungleich mehr Aufmerksamkeit verdiente als der Mensch, der sich da gerade an seinen Tisch geschleust hatte.
Erst nachdem der letzte Rest Essen vernichtet war, schob er sich wieder das Pfeifchen zwischen die Lippen und musterte sein Gegenüber.
"Dein Schwert ... da gehört kein Rost dran."
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„Dein Schwert“
Eine bedeutungsschwere Pause folgte diesen ersten Worten, die Kiyan von dem Erstbesetzer des Ecktisches, an den er sich verirrt hatte, gehört hatte.
„Da gehört kein Rost dran.“
Dieser Hinweis war so unerhört logisch, dass ihm die Luft wegblieb. Wortlos bückte sich Kiyan nach der Waffe, die zu Boden gefallen war und lehnte sie vorsichtig so an die Wand, die den Ecktisch erst zum Ecktisch machte, ehe er einen Schluck Bier nahm und grummelnd in die Keule biss, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass der Wirt der Schenke nicht nur lächerlich unfähig im Umgang mit magisch geschaffenen Sintfluten war, sondern auch kein besonders guter Koch. Wobei ein toter Hahn über einem Feuer eigentlich wenig Talent erforderte.
„Mir wäre der Rost gar nicht aufgefallen“, antwortete Kiyan kauend, „Nein, ernsthaft. Ich bin davon ausgegangen, dass Schwerter, die man vom Dachboden eines Bekannten mitnimmt und die dort die ehrenvolle Aufgabe hatten, eine Tür im Durchzug vor dem Klappern zu bewahren, immer schartig und rostig und in allgemein beschissenem Zustand sind.“
Er schüttelte den Kopf. „Bist du Waffenschmied? Oder woher kommt solches Fachwissen wie mit dem Rost?“, ein weiterer Schluck Bier, „Lass mich raten, du bist der Waffenmeister von König Ethorn, das Schwert seiner Schwerter. Das Oberschwert. Hauptschwert? Was auch immer. Auf jeden Fall jemand, der unheimlich viel Ahnung von Klingen hat.“
Seufzend versenkte Kiyan erneut die Zähne in dem Fleisch und fand dabei wieder die Bestätigung, dass ein Wirt nicht gleich ein Gourmetchef war.
„War der Eintopf wenigstens lecker?“, fragte der Abenteurer mürrisch. „Oder genauso bescheiden wie das Fleisch?“
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Die Klippenschenke
Edon blies einen dichten Schwall Rauch aus und vernebelte sich für ein paar gute Augenblicke die sicht auf das Innenleben der kleinen Kaschemme.
"Die Bohnen hätten noch weicher sein können. Ansonsten Hunger, Ekel, Geiz, wie immer."
Der Landstreicher rückte seinen Hintern etwas bequemer auf dem Stuhl zurecht, schrubbelte mit seinen Schultern etwas auf der Lehne herum und tat sich an seinem zweiten Humpen Bier gütlich. Nebenbei zog er sich eine seiner Haarsträhnen lang. Die war immer noch schwarz - schon mal ein gutes Zeichen, dass er nicht nachts heimlich durch einen rothaarigen Hühnen aus dem rauen Norden ausgetauscht worden war. Das machte ja die Theorie mit dem Oberschwert der Schwertobersten einigermaßen unwahrscheinlich.
"Faule Ausrede, um den Dachboden nicht aufzuräumen. 'Bloss nicht, Aufräumen gefährdet den empfindlichen feucht-fauligen Charakter meiner Gaswolke hier oben. Die brauche ich doch für meine einzigartige Rostlegierung, die diesem Schwert seinen außergewöhnlich rustikal-nutzlosen Charme verleiht.'"
Edon paffte weiter gemütlich an seiner Pfeife und musterte die Klinge andächtig.
"Darf ich mal?"
Er deutete auf das gute Stück ...
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Also waren Eintöpfe ebenso wenig Ingors Stärke wie auch gebratenes Fleisch. In Gedanken machte sich Kiyan die Notiz, vielleicht einfach selber irgendwo mit dem Kochen anzufangen, um einerseits Kosten zu sparen und andererseits nicht mehr so abhängig von schlechten Kochkünsten zu sein.
Kiyan hob auf die Worte des Mannes nur die Schultern und reichte ihm das Schwert.
„Ich denke, dass die Klinge schon seit ihrer ‚Geburt‘ dort oben auf dem Dachboden gehaust hat. Oder dass sie mal vom Sperrmüll geklaubt wurde.“, sinnierte er, „Wäre ich stinkreich, würde ich mir einfach bei einem Waffenschmied was Anständiges kaufen. Da aber selbst Kirchenmäuse gerade wohlhabender sind als ich, muss das erstmal reichen, um … na ja, das Kämpfen zu lernen.“
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Edon balancierte das Schwert auf Zeige- und Mittelfinger aus. Ihr Schwerpunkt lag überraschend dicht am Heft. Entweder hatte jemand die Waffe mal primär als Stichwaffe geplant oder er Rost hatte sich schon tiefer in die Klinge gefressen. An eine Schmiedemarke erinnerte nur noch ein rotbrauner Fleck.
"Dein Freund hat seinen Dachboden aber schon über dem Meeresspiegel?"
sinnierte der Landstreicher stirnrunzelnd.
"Zumindest kannst du damit noch einmal jemanden erstechen, bis die Klinge bricht. Jemanden ohne Rüstung ... der nicht kämpfen kann ... und am besten überrascht ist. Wenn die Spitze stecken bleibt, bringt ihn das fast sicher um."
Edon reichte das Schwert mit dem Heft voran zurück und widmete sich erneut seinem Bierkrug.
"Aber du hast ja Glück. Wir haben ja schon festgestellt, dass ich eine Koryphäe der kritischen - und nicht zu vergessen kryptischen - Bemerkung bin und obendrein noch was vom Schwert verstehe. Trink aus und dann auf. Ich brauche immer Leute, die mir noch einen Gefallen schulden."
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„Nein, der Dachboden ist über dem Meeresspiegel. Sonst wäre es ja auch ein Keller. Aber bei den hohen Buden, die die Leute hier in Stewark haben, ist es wohl eher der Fall, dass es mal hereinregnet. Und solchem Wetter war die Klinge wahrscheinlich regelmäßig ausgesetzt.“
Kiyan verbarg seine Verwunderung darüber, dass der Kerl, der nun fachmännisch die Waffe prüfte, auch wirklich Ahnung davon hatte. Natürlich hatte er ihn für eine Art Söldner oder Kämpfer gehalten, wie es sie tausendfach auf der Welt gab. Jemand der entweder Ärger suchte und fand oder ihn verursachte. Und natürlich war er eine Koryphäe, eine Instanz der Kriegskunst. Wer, wenn nicht er?
„Das ist nur meine Aushilfswaffe“, Kiyan lächelte schief, „Meine magische Erzklinge steckt im versteinerten Schädel eines Erzdämonen, dessen Leichnam in einem unterirdischen Tempel vor sich hin fault. Dort wartet die Waffe, bis ich mich von meiner Amnesie erholt habe, um sie wieder für das Gute zu nutzen und, sagen wir, einer Handvoll Drachen den Arsch aufzureißen.“
Der Mann hielt inne, als er einen Schluck nahm und sah ihn fragend an.
„Okay, ich verstehe das schlechter Humor nicht deine Welt ist.“, murmelte der Abenteurer und trank einen Schluck von seinem Bier. Aus irgendeinem Grund beschlich ihn das Gefühl, dass sein Bier nicht so gut war wie das des Mannes. Da erst wurden ihm dessen abschließenden Worte klar.
„Wasn?!“, haspelte Kiyan und glotzt blöd, „Du willst jetzt loslegen? Sofort? Auf der Stelle? Nun, ja … dann legen wir los …“
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Edon schnallte sich wieder seinen Waffengurt um und schleuderte sich selbst den Umhang über die Schultern.
"Jetzt, sofort und auf der Stelle. Oder brauchtest du noch Zeit, den Wirt das gesammelte Ausmaß deiner Passivagressivität spüren zu lassen?"
Er schnappte sich seinen Bierkrug und stürzte den gesammelten Rest in einem Zug herunter und wischte sich anschließend mit einem stück Umhang den Mund ab. Dann drängte sich der Landstreicher durch die umstehenden Leute zurück ins Freie und beobachtete einen Moment lang sinnierend die Sterne.
"Die wichtigste Lektion immer zuerst: Essen!"
Redete Edon drauf los, einfach in der Annahme, dass sein neuer Schützling so ungefähr jetzt hinter ihm aus der Tür gewankt sein müsste.
"Du musst immer was zu Fressen haben, sonst macht alles keinen Sinn.
Ich kenne Arschkrampen, die behaupten, ein Mann mit Plauze ist zu langsam für den Kampf. Oder ein dürres Gerüst bricht bei einer gleich Parade in der Mitte durch. Beides Schwachsinn.
Aber du musst satt genug sein, damit dein Körper funktioniert. Wenn du kein Geld hast, klau dir was zu Essen, ist mir scheißegal."
Edon setzte sich in Richtung seines Versteckes in Bewegung, die rechte hand am Gürtel und die Linke lässig auf den Schwertknauf von Sturmschneide gelegt.
"So und nu' erzähl; was weißt du schon vom Schwertkampf ..."
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„… Essen!“
Halblaut fluchend hatte Kiyan versucht, an dem Landstreicher dran zu bleiben. Nur den Ausruf, dem vielleicht einige andere Worte voraus gegangen waren, hatte er vernommen. Verwirrt blieb er stehen und sah zurück zur Taverne, dann zu dem Kämpfer, der aber gleich munter weiter quatschte. Er erzählte von Dicken und Dünnen und der Wichtigkeit regelmäßiger Nahrungszunahme, was erneut eine unglaublich fortschrittliche Sichtweise war. Der Trend, dass Menschen etwas aßen, war noch nicht so alt.
Dann kam irgendwann im Gehen die Frage, was Kiyan vom Schwertkampf wusste, während er in Gedanken noch überlegte, ob er was zu schreiben brauchte und ob am Ende Noten vergeben werden würden.
„Äh“, gab er nur professionell von sich, „Die Theorie. Böses Ende in den Feind, gutes Ende in die Hand. Hauen, hacken, stechen. Man kann, glaube ich, auch Schläge abwehren, aber das fand ich schon immer sehr verwunderlich. Wenn da ein Nordmann mit einer Streitaxt auf einen einprügeln will, nimmt man die Beine in die Hand und versucht nicht, ehrenhaft zu sterben.“
Kiyan rieb sich das bärtige Kinn. „Mehr weiß ich auch nicht.“
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