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Die Arena
Als die Szenerie aufgebaut war, schaute sich Hierodius Lex die durch Holzbänke simulierte Gasse an. Sie war in der Tat ungefähr so breit, wie die Gassen im Hafenviertel. Dort kannte sich der breitgebaute Soldat gut aus. Vor seiner Aufnahme in die Reihen der Soldaten hatte er in der Hafenkneipe ein Zimmer gebietet.
Wollte man seinen Gegner nicht töten, war der Kampf in den engen Gassen durchaus eine Herausforderung. Denn er schränkte die Bewegungsfreiheit ein und machte es nahezu unmöglich, das Schwert vernünftig und ausladend zu schwingen. Bei einer tatsächlichen Auseinandersetzung im Hafenviertel mussten die Soldaten außerdem auch auf die nahelegenden Dächer achten. Denn gerne wurden von dort Steine oder andere Gegensteine geworfen, um die Arbeit des Militärs zu erschweren oder die im Dienste stehenden Männer und Frauen gar zu verletzen.
Redlef tauschte sein Schwert gegen eines der hölzernen Übungsschwerter aus. Hierodius Lex tat es ihm gleich und so standen sie wenig später auf Position. Der rothaarige Soldat stand am hinteren Ende der Gasse und wurde durch die Soldaten geschützt, die die ehrlosen Schläger darstellen sollten. Nun galt es für Hierodius Lex, einen geeigneten Weg zu finden, die Schläger auszuschalten und sich so einen Weg zu Redlef zu bahnen.
Noch einmal schaute sich der breitgebaute Soldat die Szenerie an. Dann blickte er zu den Soldaten auf und lief in schnellen Schritten auf sie zu. Die Männer hatten den Befehl, ihn aufzuhalten und genau das wollten sie tun. Kaum war er auf ihrer Höhe, bückte er sich in einer schnellen und unerwarteten Bewegung und nahm etwas Sand auf. Er warf es einen der Soldaten direkt ins Gesicht, worauf dieser die Orientierung verlor und wenig später zu Boden fiel, als ihm Hierodius Lex die Beine wegzog.
Dann ertönte ein stumpfes Geräusch, als der breitgebaute Soldat einen Schlag mit dem Holzschwert abwehren musste. Zwei Gegner waren noch übrig, eher er Redlef gegenüber stand. Durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit war es äußerst schwer, die Verteidigung der Soldaten zu durchbrechen. Hierodius Lex machte einen großen Schritt zurück und versuchte die Waffe so weit auszuholen, wie es möglich war. Mit voller Wucht trafen die Holzschwerter aufeinander und in diesem Moment der Konzentration warf er sich auf einen der Männer, während das Übungsschwert die Beine des anderen traf. Hätte Hierodius Lex sein Breitschwert verwendet, wäre der Milizionär vermutlich schwer verletzt gewesen.
Doch der breitgebaute Soldat konnte seinen Teilerfolg nicht lange genießen. Denn bereits wenige Sekunden später stürmte Redlef auf ihn zu. Nur mit großer Mühe konnte sich Hierodius Lex noch wegdrehen, lag jedoch nun auf dem Rücken. Das Übungsschwert lag schwer in der Hand und versuchte die Angriffe des Lehrers abzuwehren, als Hierodius Lex sich aufrichten wollte.
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Das Händler- und Handwerkerviertel, Haus des Großhändlers
Der Großhändler saß unmotiviert in seinem Laden im Händler- und Handwerkerviertel. Das Gespräch mit dem Gildenmeister verlief gut aber zufrieden war Maximuss trotzdem nicht. Seine Position hatte sich seit seiner Ankunft auf Argaan nur unwesentlich verbessert. Er hatte sich als Händler exquisiter Waren einen guten Namen gemacht und viele der Bewohner hatten einen Kredit bei ihm aufgenommen.
Doch Gold konnte den Grafen schon lange nicht mehr glücklich machen. Er hatte die Pläne des Gildenmeisters unterstützt, um sein eigenes Einflussgebiet zu vergrößern. Nun aber fühlte er Stagnation. Die Händlergilde musste den weiteren Werdegang erst noch planen und sich aufgrund der veränderten Bedingungen neu aufstellen. Trevorius hatte erklärt, dass man sich nun erst einmal bedeckt halten wollte, um keine schlafenden Hunde zu wecken. Denn wenngleich die Zitadelle einen Vertrag mit der Händlergilde geschlossen hatte, gab es hinter den verschlossenen Türen genug Verwalter, die der Händlergilde misstrauten.
Maximuss seufzte, als der letzte Tropfen aus der Weinflasche in den silbernen Kelch landete. Kurz bevor er zum Trinken ansetzte, klopfte es an der Tür. Wie gewohnt öffnete sie der treue Leibwächter Bragan und überzeugte sich davon, dass der Besuch in friedlicher Absicht kam. Es war ein älterer Mann, der schon öfter beim Großhändler eingekauft hatte. Er selbst war einst Seefahrer gewesen und hatte durch den Handel mit tropischen Früchten genügend Gold verdient, um einen sorgenlosen Lebensabend im Reichenviertel genießen zu können.
Der alte Mann hielt sich an seinem Gehstock fest. Seine Hand zitterte leicht, als er den Laden betrat. Er begrüßte den Großhändler, schaute sich eines der Präsentationsregale und an erhob dann seine Stimme: "Habt Ihr noch etwas von dem Nektar, den ich letzte Woche bei Euch gekauft hatte? Ich habe die letzte Flasche heute Morgen geleert und Ihr verkauft mit weitem Abstand dem besten Nektar dieser Stadt. Nun ja, genau genommen seit Ihr der einzige Händler, der überhaupt noch Nektar verkauft." er lachte.
Auch der Großhändler lachte auf und lief zu seinem Tresen. Tatsächlich lagerten dort noch zwei Flaschen, die er gerne bei Abschluss von wichtigen Geschäften verschenkte. Nun aber sollten sie zum Wohle des alten Mannes verkauft werden: "Sicher doch, Bertram. Diese zwei Flaschen sind aber meine letzten. Für Euch 90 Goldmünzen."
Freudig schaute der alte Mann zu den Flaschen herüber und fragte dann: "Und wie viel kosten sie sonst?" Der Großhändler lachte und erwiderte dann: "90 Goldmünzen." Auch Bertram fang wieder an zu lachen und schüttelte mit dem Kopf: "Ihr macht mich noch arm." Wenig später landeten die abgezählten Samtbeutelchen auf dem Tresen und wechselten ihren Besitzer.
Kurz bevor Bertram gehen wollte, schaute er sich um und seufzte. "Wisst Ihr..." sagte er. "Ich werde es wohl nie verstehen, warum ein Mann Eures Standes in einem Haus wie diesem hier wohnt. Warum ein solch guter Geschäftsmann noch selber hinter dem Tresen steht, statt Bedienstete zu beschäftigen. Im Reichenviertel stehen einige Anwesen zum Verkauf und wir können die Anwesenheit eines Grafen gut gebrauchen. Überlegt es Euch, es wäre mir eine große Ehre, Euch bald als Nachbarn begrüßen zu dürfen."
Mit diesen Worten verließ der Bertram den Laden im Händler- und Handwerkerviertel und ließ einen nachdenklichen Grafen zurück.
Geändert von Maximus (16.04.2016 um 20:17 Uhr)
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Der Faustschlag kam hart und unerwartet. Die Wucht riss sie von den Füßen, ließ sie rücklings in Dreck und Unrat landen. Die Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst, als hätte ein Oger sich auf sie geschmissen. Es folgten eine Reihe von Tritten mit schweren Lederstiefeln, die alle in die Seite und ihre Oberschenkel gingen. Keuchend und panisch rollte sich die Frau zusammen, versuchte ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Aber es trat niemand mehr. Es war sogar seltsam still, als wären die Unholde verschwunden. Das kalte Lachen jedoch strafte diese Vermutung Lügen. "Entschuldige, Schätzchen, ich habe dich wohl verwechselt.", kamen die Worte aus der Dunkelheit. Riannon sah nichts. Niemanden. Tränen verschleierten ihr die Augen, sie stöhnte schmerzerfüllt. Ein Tritt hatte wirklich furchtbar gut gesessen. Allein der Gedanke an Bewegung schien Wellen von Schmerz durch ihren Körper zu jagen.
"Antworte.", verlangte die Stimme kalt und fordernd. Es lief der Frau eiskalt den Rücken hinunter.
"Wa... warum?", stöhnte Riannon, "Wieso?"
"Ich sollte dich nur, hm, aufhalten, wenn man es denn so sagen will. Du erwartest Besuch in deiner schönen Gasse hier. Ihr Weiber besseren Standes scheint aber auch einfach nicht dazu zu lernen. Die beschissenen dunklen Gassen des Hafen- und Armenviertels sind nichts für euch Prinzesschen. Bleibt in euren Villen und Häusern, auf eurem Markt und in euren Gärten und wagt es nicht, hinab zu steigen in die Welt von Dreck und Scheiße.", die Worte ließen Riannon vor Angst zittern. Sonst kämpferisch, nun panisch. "Nun, Besuch, ja. Ein Freund von dir. Nun, bis jetzt."
"Schl... Schlitzer?", ächzte sie.
Das Geräusch als würde jemand ausspucken. Das Gefühl von Feuchtigkeit an der Wange, die nicht vom Dreck am Boden kam. Der Unhold hatte sie angerotzt!
"Diese Hurenwächterin? Dieses Mannsweib mit ihrer Bande aus Bordsteinschwalben? Ich könnte einen Haufen scheißen und der wäre gefährlicher als sie!"
Ein hämisches Lachen. "Nein, nein. Der habe ich ihre Grenzen aufgezeigt. Dein Freund ist ein anderer. Gottlob keiner von mir. Hätte ich solche Freunde, nun, wären sie tot."
"Wer ... wer dann?" Riannon musste sich zusammenreißen, nicht zu weinen. "Wer?!"
"Schau mich an!", herrschte die Stimme sie an. Endlich öffnete sie ihre Augen und sah. Jemand trat aus dem Dunkel eines Eingangs ins schwache Licht, welches von einer Laterne auf der Hauptstraße stamme. Es dauerte einige Augenblicke, ehe Ria das Gesicht richtig erfasst hatte. Dann einen Moment, ehe sie es zuordnen konnte. Dann keuchte sie überrascht auf.
"Der Bettler!"
Die richtige Antwort mit den falschen Worten. Der Tritt, der folgte, war bestens gezielt. Schreiend umklammerte sie ihren Unterleib.
"Hochwohlgeborene verlangt es danach, mich Bettler zu nennen? Du Stück Dreck, ich bin besseren Blutes als du und deine ganze beschissene Ahnenreihe. Im Vergleich zu der meinen seid ihr ein kleiner verkümmerter Busch, während wir eine mächtige Eiche sind. ORDOS. Das ist mein Name, ein altehrwürdiger!" Er tobte. "Ich sollte dich direkt abstechen, du dreckige, kleine ...!"
"Ordos! Beruhige dich, verdammt." Die Stimme Garns!
"Herr Garn, bitte, bitte helft mir!", schrie Riannon verzweifelt auf. Gleichwohl sie ihn hasste, er war ihre einzige Hilfe in dieser Situation!
"Beruhigen?! Oh, du Geck. Wäre die Bezahlung nicht so gut, würde ich dir mit bloßen Händen das Rückgrat rausreißen!"
"Zügle dich, verfluchter Berserker. Du willst mein Geld, also tust du was ich sage."
Ordos' Antwort war wütendes Grummeln. Riannon weinte nun.
"Garn, bitte ... " Sie war verzweifelt, verstand nicht. Garn kam näher, so dass Ria ihn sehen konnte. Er beugte sich herab, adrett und gutaussehend wie eh und je. Er streichelte über ihr rotes Haar, welches verdreckt und wirr war von der schmerzhaften Begegnung mit dem Erdboden.
"Du dummes, süßes Mädchen. Du kleine, naive Ignorantin. Mein süßer Stern, der meine Sonne hätte werden können, es jedoch vorzog, zu fallen. In die Dunkelheit und die Scheiße einer Gasse im Hafen.", sprach er mit beruhigendem Ton und gleichmäßgen streichelnden Bewegungen. "Dachtest du wirklich, du kannst einem dir fremden Bettler, den ich wie den Mist behandle, der er nun einmal ist, fröhlich Komplotte schmieden? Großspurig Rache versprechen? Gegen mich? Du, eine unbekannte Niemand, gegen mich, einen bekannten Jemand? Wie dumm du doch bist. Strahlend schön und doch erbärmlich dumm. Ordos hier" - er machte eine fahrige Geste dorthin, wo der riesenhafte Bettler stand - "Ist zwar ein Penner von der Straße, aber nicht dumm. Natürlich ist er auf seinen Vorteil bedacht. Als du also meintest, du müsstest mit ihm ein munteres Gespräch über - oder eher gegen - mich führen, suchte er mich natürlich auf und versprach mir hochheilig, dass du mich bestraft sehen willst."
Garn lachte auf. "Naiv, wie schon gesagt. Erst wollte ich ihn von der Wache abführen lassen. Meine schöne Ria soll gegen mich sein? Niemals, hundertfach gelogen! Dann aber habe ich nachgedacht. Deine Blicke, deine Haltung, dein wunderschönes und doch so offen ehrliches Gesicht, dem ich die Abneigung, die Verachtung und den mühsam verhohlenen Zorn ansehen konnte. Immer wieder. Selbst bei der Verhandlung mit Sabnada zuletzt. Ich dachte wirklich einige Zeit, ich könnte dich in jegliche Geschäfte einweihen. Eine Partnerin ... im Beruf und irgendwann im Bett, aber, nun ja ..."
Ria spuckte aus. Schmeckt sie Blut? Sie wusste es nicht. Es war ihr auch egal. Ein Teil von ihr hatte die Macht über den zitternden, heulenden Leib zurück erobert. Ihre Chancen, hier lebend herauszukommen, standen wohl gegen null, was sollte sie also vor diesem Hurenbock kuschen und und flehen?
"Eher würd ich's mit einem Ork und einem Echsenmenschen machen und Ordos dabei zuschauen lassen, als dass ich mich auf dich einlasse!", giftete sie, "Na los, sag deinem Lakai, dass er mich töten soll. Ich verspreche dir, wenn er es nicht tut und ich komme wieder hoch, wenn ich das hier überlebe, schwöre ich dir, dass ich dich büßen lassen werde. Ich spucke auf die Gerechtigkeit Innos', auf Vergebung und die Chance einer Verhandlung um deine Strafe. Ich. Werde. Dich. Töten!"
Garn lachte auf, ganz im Gegensatz zu Ordos. Der sah mit einer Mischung aus Überraschung und Missfallen auf sie herab.
"Dumm bist du, Schätzchen. Solltest dich herauswinden und dann die Möglichkeit nach Rache suchen. Jetzt hast du dich nur noch viel näher ans Tor Beliars bugsiert." Er spuckte aus. "Aber dein Kampfgeist imponiert mir." Er sah zu Garn. "Ich werde sie nicht töten, Kleiner. Tu es selber. Beweis dir und mir, dass du mehr Eier hast als das Weib, dass da auf dem Boden kriecht. Die hat mir gerade mit ihrer Ansage etwas Respekt abgerungen. Du hingegen, na, bezahlst andere, um deine Scheiße erledigen zu lassen. Aber ohne mich. Bin doch kein Straßenkehrer." Und mit diesen Worten verschwand der Mann aus der Gasse, ließ einen perplexen Händler zurück, der nun nach dem Dolch an seinem Gürtel fingerte.
"Nun, äh, dann tu ich's eben selber. Ich schieb's ihm dann einfach in die Schuhe, ja ...", murmelte er, während er sich zu der immer noch liegenden Frau hinabkniete. Die lag immer noch da, zusammengerollt. Langsam kam der Dolch näher, zielte mit kalter, eiserner Spitze auf die Stelle, wo ihr Herz lag. Ha, Garn zögerte. Die Händlerseele eines Teufels, aber den Mut einer Fleischwanze. Das kurze Zögern nutzt Riannon. Sie ließ ein herangezogenes Bein hochschießen. Der Stiefel traf krachend in den Bereich von Garns unterer Körperhälfte, die eine wahre Explosion von Schmerzen auslösen würde. Der Schrei, der dem Tritt folgte, war erst laut und brüllend, dann langsam ins Falsett abdriftend. Der Dolch klirrte auf dem Boden, sein Besitzer landete auf der Seite und hielt sich keuchend und ächzend das beste Stück. Die Frau kam schnell auf die Beine, langte nach der Waffe und stand da über Garn, triumphierend genug, um Bild für eine Statue zu stehen.
"Eigentlich sollte ich dich hier und jetzt töten, Garn. Aber das wäre ein zu gnädiges Ende. Ich verspreche dir hier und heute: Ich werde alles, was du aufgebaut hast, zerstören. Ich werde wie ein Feuersturm das Gebilde deiner Geschäfte niedermachen, dass nur noch Schutt und Asche bleiben. Ich werde die Kinder deiner gottlosen Geschäfte befreien und hier her zurück bringen. Ich werde dafür sorgen, dass du hier stehen wirst, ohne alles, mit nicht mehr, als die armen Leute hier haben. Dann werde ich ihnen zeigen, wer ihr vermeintlicher Retter, der vorgibt, ihnen zu helfen, wirklich ist. Und dann, Garn, werde ich dich töten. Eigenhändig und mit diesem deinem Dolch. Ich werde ihn dir ins Herz treiben und dabei zusehen, wie das Leben aus deinen Augen weicht."
Sie spuckte aus, rotzte ihm ins Gesicht. Dann war Riannon verschwunden. In Richtung Zitadelle. Sie würde Hilfe brauchen. Bewaffnete Hilfe. Sie hatte nun endlich einen konkreten Plan und den würde sie bis zum Ende verfolgen. Arrio Torrez' Sühne würde warten müssen. Erst galt es wie die rächende Klinge Innos' auf die Gottlosen hinabzufahren.
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Die Plaza von Thorniara
Eigentlich hatte er das ganz anders geplant gehabt.
Seit zwei Wochen bereiteten sich die Mannschaft der Santorija auf die Heimkehr aufs Festland vor, nachdem sie über ein Jahr auf Argaan gewesen waren. Die langen Liegezeiten waren an den Reihen der Crew des Pinaßschiffes nicht spurlos vorüber gegangen, sondern hatten sie etwas ausgedünnt. Bevor sie die Reise antreten konnten mussten daher neben dem notwendigen Proviant auch etwas mehr als ein halbes Dutzend Seeleute aufgetrieben werden. Das alles hatte Yared jedoch seinem Leutnant überlassen müssen. Der Kapitän selbst war damit beschäftigt gewesen, die letzten Akten, Unterlagen und Berichte zu vervollständigen, damit seine Nachfolger im Offiziersstab ihre Arbeit aufnehmen konnten. Die myrtanische Bürokratie und mit ihr ihre Staatskirche lebten nunmal nach dem Motto 'Quod non est in actis, non est in mundo'.
Doch nun war alles fertig, die Santorija würde in zwei Tagen ablegen und Yared hatte gerade die Schreibstube geräumt, die er für die Dauer seiner Tätigkeit als Kompaniekommandant in der Bastion bezogen hatte.
Vorgestellt hatte sich das Yared so dennoch nicht. Geplant war eigentlich gewesen, vor Ihrer Eminenz und Lord Hagen eine Generalbeichte ohne Rechtsfolgen abzulegen und anschließend in den Orden einzutreten- wenn auch vorerst nur temporär - als Ritter mit zeitlichen Gelübden. Er hatte sich sogar schon in seinem Geiste eine passende Rede zurecht gelegt gehabt:
... Ich will nichts abstreiten, was ich getan habe. Ich bin eigenwillig und ich habe in meinem Leben schon viele Fehler gemacht. Ein paar davon haben mir den Ritterschlag eingebracht. Ein paar haben Leid und Tod über andere, Freunde und Fremde, gebracht. Ich habe gelogen und ich war gut darin. Und ich weiß nicht, ob ich nicht doch wieder in eine Lage kommen werde, in der ich es wieder tun werde - gewollt oder gezwungenermaßen. Aber ich will vorerst reinen Tisch machen. Ich habe Schuld auf mich geladen. Meist hatte ich Gründe, gute Gründe so zu handeln, aber ich erwarte nicht, dass Sie alle meine Gründe verstehen werden. Manchmal dachte ich, es wäre notwendig, aber es war nur der einfachste Weg, die erfolgversprechendste Methode und ich bin der Versuchung erlegen. Dass Sie das verstehen oder gar billigen, ist rechtlich auch gar nicht notwendig. Alles, was ich getan habe fällt unter eine Königliche Amnestie. Das ermöglicht es mir überhaupt erst darüber zu berichten. Dennoch habe auch ich ein Gewissen und schäme mich so mancher Tat und dass ich keinen besseren Weg gefunden habe, meine Ziele und die derer, denen ich gedient habe, zu erreichen. Als Pfad meiner Besserung und zur Sühne für meine Taten möchte ich mich nun in den Dienst Innos' stellen ...
Yared war sich nicht sicher, was davon profane, leere Worthülsen, was Wahrheit und was glatter, unheimlich bequemer Selbstbetrug gewesen wäre. Doch diese Zukunft, die Zukunft als Sir Yared Ordensritter, Streiter Innos', schien jetzt außer Reichweite. Schon sein ursprünglicher Plan, in Thorniara eine Niederlassung der SSSuHK zu begründen, war nicht realisierbar gewesen. Der Drache war ein gutes neues Synonym für die Unwägbarkeiten des Lebens, die Gezeiten des Schicksals.
Was war ihm geblieben, von seinen hochtrabenden Plänen? Sein Schiff und ein Kaperbrief. Da war er wieder, Yared, der Korsar, und schlenderte nicht gänzlich unzufrieden, aber ziemlich ungebunden über die nächtliche leere Plaza vor der Zitadelle, dankbar, dass der Regen bereits nachgelassen hatte.
In all der Düsternis um ihn herum und in seinen Gedanken, nur erleuchtet vom rötlichen Widerschein des Leichtfeuers der Zitadelle in der dichten grau-glühenden Wolkendecke und auf den nassen Pflastersteinen, wurde der Kapitän einer Gestalt gewahr, die sich über den Platz schleppte. Für einen kurzen Moment zögerte Yared und entschleunigte seine Schritte.
Geändert von Yared (25.04.2016 um 03:03 Uhr)
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Schweißtreibend brachte der Novize seine Arbeit zu Ende. Er hatte es geschafft, ein Schwert verziert mit Ornamenten, fertig zu stellen.
Sein Lehrmeister begutachtete jenes mit geschultem Blick.
"Nicht' schlecht, Junge. Wirklich nich' schlecht. Ich denke, du kannst nun deine Arbeit alleine fortsetzen. Mich brauchst du nich' mehr. Und jetzt sieh' zu, das du Land gewinnst. Musst du nich' noch beten oder sowas?!"
An den rauen Ton des Schmieds hatte Snydex sich schon längst gewöhnt und so zog er ohne große Reden zu schwingen wieder Richtung Novizenunterkünfte.
Dort würde er nun erst einmal zur Ruhe kommen, ehe er sich schlau machen würde, wo er seine erlernten, magischen Fähigkeiten unter Beweis stellen könnte. Callindor und Pierre kamen nicht in Frage, soviel stand fest, doch gab es hier einen höher gestellten Feuermagier, der sich mit solchen Dingen abgab? Dies war jedenfalls etwas, was er zeitnah herausfinden wollte.
Kaum in der Unterkunft angekommen, ließ sich der schweißgebadete Novize in sein Bett, so nannten es die anderen jedenfalls, fallen. Es dauerte nicht lange, da wurden seine Augenlider schwerer und seine Muskeln schlaff. Kurz darauf verschwand er auch schon im Land der Träume.
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Red schlug weiter auf Lex ein und gab ihm keine Möglichkeit sich wieder aufzurichten. Schon sehr bald hatte er den Soldaten so weit in die Ecke gedrängt, dass er halb unter der Barke lag. Wäre dies in einem Ernstfall eine Hauswand gewesen, dann wäre er jetzt leichte Beute gewesen. Redlef ließ das Schwert sinken.
»Das wäre nun Euer Ende gewesen, mein Freund. Wenn Ihr stürzt und nicht sofort wieder auf die Beine kommt, dann werden sie über Euch herfallen, wie Hunde. Also: Stehst wachsam!« Red hielt Hierodius die Hand hin und half ihm auf die Beine. »Ansonsten habt Ihr euch sehr gut geschlagen. Wenn Ihr es wirklich nur mit ein paar Hafenrüpeln zu tun gehabt hättet, dann wäre es wohl nicht so weit gekommen. Diese Männer hier«, Red sah sich nach den Soldaten um, die bereits wieder standen und sich den Staub aus den Kleidern klopften, »haben eine irgendwie geartete Ausbildung erfahren. Damit haben sie gelernt systematisch vorzugehen. Das ist ein Vorteil, doch auch die Gauner im Hafen solltet Ihr nie unterschätzen, auch sie sind bisweilen sehr routiniert.«
Redlef wandte sich von Lex ab. Er wechselte ein paar Worte mit den Soldaten, dankte ihnen für ihre Mitarbeit. Erkundigte sich nach Ihren Diensten und ob soweit alles ruhig war. Die antworten waren zufriedenstellen und schließlich verabschiedeten sie sich.
»Also Lex! Ich bin sehr zufrieden mit Euch! Ich denke, solange ihr nicht einiges mehr an Routine bekommt, kann ich Euch vorerst nichts weiter beibringen. Kommt regelmäßig hier her, um zu üben, sucht Euch auch ein paar Soldaten, damit Ihr den Kampf Mann gegen Mann bestehen könnt.« Auch das Holzschwert fand seinen Platz zurück in der Tonne. Dafür legte Red sein altes Gardeschwert wieder an. Eigentlich wäre es mal an der Zeit ein neues zu bekommen, eines, welches angemessener war, doch da er immer noch seine immensen Schulden bei dem Großhändler abbezahlen musste, war ein neues Schwert für Ihn finanziell zurzeit nicht möglich. Das musste warten.
»Herr Lex, wie sehen Eure Dienste aus? gern möchte ich mit Euch eine Runde durch den Hafen und auch das Armenviertel drehen, um Euch euer neues Klientel vorzustellen.«
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Das Hafenviertel
Der breitgebaute Soldat wusste nicht, ob er mit seiner Leistung zufrieden sein sollte oder nicht. Die vermeintlichen Schläger hatte er zwar ohne allzu große Gegenwehr besiegen können, doch sein waghalsiges Manöver führte schlussendlich zur Niederlage gegen Redlef. Es stimmte, dass sich im Hafen wohl weniger gut ausgebildete Männer und Frauen befanden, die im Falle einer Konfrontation ähnlich koordiniert vorgingen. Doch auch die Kriminellen der Stadt verbesserten ihre Fähigkeiten stetig.
Auch Hierodius Lex klopfte den Sand von seinem Waffenrock. Als Angehöriger der Stadtwache war er ein Repräsentant von Recht und Ordnung. Seine Uniform sollte es ihm gleichtun. "Herr Lex, wie sehen Eure Dienste aus? gern möchte ich mit Euch eine Runde durch den Hafen und auch das Armenviertel drehen, um Euch euer neues Klientel vorzustellen." sagte Redlef, als der breitgebaute Soldat überprüfte, ob der Waffenrock nun wieder ansehnlich war.
"Sehr wohl." erwiderte Hierodius Lex und die beiden Männer machten sich auf dem Weg ins Hafenviertel. Langsam setzte die Abenddämmerung ein und die Bürgerinnen und Bürger von Thorniara erledigen noch einige wenige Einkäufe und kehrten dann in ihre Häuser zurück.
Die Schäden des Drachenangriffes waren noch vereinzelt zu erkennen. Nicht jeder konnte sich die Reparatur seines Hauses leisten. Wer hingegen Gold hatte, nutzte die Zerstörungswut der Kreatur, um das Haus auch optisch aufzuwerten. Es waren vornehmlich die Gebäude der Händler und Handwerker, die noch über ausreichend Gold für solche Annehmlichkeiten verfügten.
Nach einem Spaziergang durch das Händler- und Handwerkerviertel erreichten die beiden Männer das Hafenviertel. Es war ein Hort der Kriminalität. Zufluchtsort für jedwedes Gesindel von Argaan. Der Orden hatte einst durch eine massive Präsenz ihrer Krieger versucht, die Kriminalität zu bekämpfen. Doch man könnte das Vorhaben nur als blanken Aktionismus bezeichnen. Denn nach nur wenigen Tagen reduzierte man die Anzahl der Soldaten wieder und die ehrlosen Männer und Frauen konnten wieder unbehelligt ihren Geschäften nachgehen.
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Das Hafentor war noch offen gewesen und so konnten die beiden Soldaten ungehindert den Hafen betreten. Die beiden Uniformierten fielen auf wie bunte Hunde, sogar im schwindenden Licht des Abends. Doch sie fielen auf und die Menschen guckten. Offene Abscheu und Argwohn schlug ihnen entgegen.
Red hielt auf die Hafenkneipe zu. Sie war zu dieser Stunde immer noch gut besucht. Auffällig unauffällig blieb Red am Eingang einer Seitengasse in Sichtweite der Kneipentür stehen. Lex tat es ihm gleich.
Eine Zeitlang beobachteten sie die Leute. Allerlei Gesocks zog an ihnen vorbei. Sie wurden misstrauisch und feindselig beäugt. Red erzählte, was er zu berichten wusste.
»Die drei dahinten sind einfache Fischer. Bisher haben sie keinen Ärger gemacht, doch zwei ihrer Söhne sitzen gerade in Haft. Ihr wisst schon, der Blonde und der Hühne in der ersten Zelle. Die Jungs haben sich hier geprügelt und ihr Opfer musste zu den Heilern in den Tempel gebracht werden. Dennoch behaupten die Beiden steif und fest, dass das Opfer sie angegriffen hätte, tobsüchtig wurde und nicht von ihnen abließ. Sie hätten sich nur gewehrt, behaupten die Fischer.«
Einige Zeit Später tauchte ein Mann mit abgerissenem Mantel und einem Hut, der tief ins Gesicht gezogen war, auf.
»Dieser Kerl dort… Ich denke er hängt irgendwie im Sumpfkrautschmuggel mit drin. Schon mehrfach haben die Männer und Frauen in der Entzugszelle seinen Namen erwähnt. Sie nennen ihn Tim, den Streuner. Aber ich habe nichts gegen ihn in der Hand. Und auch nicht die Möglichkeiten etwas zu beweisen.« Verbittert sah er ihm nach. Doch dieser Ganove grinste bloß zu ihm herüber und verschwand dann in der Kaschemme.
»Zum Kotzen ist das…«, fluchte Red leise.
Weiter standen sie da und Red erzählte alles, was er meinte dass es wichtig ist. Auf seiner neuen Position würde er nicht mehr die Zeit haben, sich um all das zu kümmern. Auch erklärte er Lex die einzelnen Probleme der Familien. Am Hafenbecken erspähte er auch Annas älteste Tochter.. Nachdem ihre Mutter nach der letzten Geburt nun doch verstorben war, kümmerte sich die junge Frau um die Familie. Aber auch ihr rechnete Red nicht viel Erfolg aus. Wie auch ihre Mutter arbeitete auch diese junge frau seit frühster Kindheit hier im Hafen. Es war ein Trauerspiel und ein Kreislauf, den wohl nie irgendjemand aus dieser bedauernswerten Familie durchbrechen würde.
Ein anderer junger Kerl, noch ein Knabe eigentlich, war schon mehrfach straffällig geworden und Red kannte ihn von seinen Regelmäßigen Besuchen im Kerker. Er stahl, weil seine Eltern nicht arbeiten konnten und sie anders nicht überleben konnten.
Ein Gefangener war nie nur ein Gefangener. Immer gab es auch eine Geschichte hinter den Taten. Häufig war sie unendlich traurig…
»Achtung, es nähre sich zwei von Hinten«, murmelte Redlef. »Sie sind die Rückendeckung für die vier Kerle, die die gerade aus der Kneipe kommen. Sie werden uns gleich höflichst bitten, woanders herum zu stehen.«
Red veränderte seinen Stand, um sich bereit zu machen. »Obacht«, flüsterte er, »und los geht’s.«
»Guten Abend die Herren«, schnurrte der Anführer der kleinen Truppe mit aufgesetzter Höflichkeit. »Ein wundervoller Abend nicht?«
Red wollte gerade etwas erwidern, doch da fiel ihm der Kerl schon ins Wort und fuhr fort: »Der Sternenhimmel ist so wunderschön, der Ausblick auf’s Meer ist wunderbar und das Funkeln der Lichter der Stadt macht alles perfekt… fast perfekt, denn etwas stört meine schöne Aussicht…«, sein grinsen wurde breiter und dreckiger, »Ihr!«
Plötzlich veränderte sich seine ganze Haltung und auch die Stimmer. Er wurde im Nu aggressiv. »Verschwindet!«
Er zog einen Knüppel aus dem Gürtel seines Wamses.
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Das Hafenviertel
Die beiden Soldaten der Stadtwache waren umzingelt. Dass viele der Bewohner im Hafenviertel den notwendigen Respekt gegenüber der Obrigkeit verloren hatten, war hinlänglich bekannt. Dass sie aber derart offensiv und aggressiv auf die Angehörigen der Stadtwache zugingen, zeugte von ihrer Selbstsicherheit. Sie wussten um den Personalmangel in den Rängen der Soldaten.
Plötzlich zog einer der Männer einen Knüppel aus dem Gürtel seiner Wams. Die Situation drohte zu eskalieren und die beiden uniformierten Soldaten konnten nicht auf Verstärkung hoffen. In einem Bruchteil einer Sekunde musste überlegt werden, wie man der Gefahr begegnen wollte. Ein direkter Angriff mit dem Schwert sollte immer das letzte Mittel sein. So hatte es einer der Paladine in der Bastion verlauten lassen, als dieser im Auftrag des Ordens den Zustand der Stadtwache inspiziert hatte.
Würden die Soldaten aber auf den Gebrauch ihrer Waffe verzichten, wären sie nur allzu leichte Beute für das ehrlose Gesindel. Doch die Feuermagier des Ordens hatten nicht genügend Kapazitäten, um sich um schwerverletzte Bewohner der Stadt zu kümmern. Außerdem schadete es auch dem Ansehen der Stadtwache, wenn diese die Angreifer einfach niederstrecken würde.
Hierodius Lex entschied sich dazu, dem mit einem Knüppel bewaffneten Mann entgegen zu springen. Er riss ihn zu Boden, schlug ihn mit voller Kraft ins Gesicht und nahm den Knüppel an sich. Nun griffen auch die anderen Männer offen an. Einer von ihnen holte aus und traf den breitgebauten Soldaten direkt in den Nacken. Dieser drehte sich um und schmetterte den Holzknüppel in die Hüfte seines Gegenüber. Ein schmerzerfüllter Schrei schallte durch die Gassen des Hafenviertels.
Geändert von Hierodius Lex (18.04.2016 um 22:54 Uhr)
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Der verrückte Kerl stürzte sich wie ein Berserker auf den Mann. Hatte er denn aus ihrer Übung vorhin in der Arena nichts gelernt? Schon wieder stürzte er sich Hals über Kopf ins Getümmel. So viel Temperament hatte er dem sonst so ruhigen Soldaten gar nicht zugetraut. Doch er hatte in seiner Hitzköpfigkeit die Situation falsch eingeschätzt. Auch wenn diese Männer offensichtlich nur Knüppel oder ihre Fäuste bei sich trugen, so hatten sie doch sicherlich alle ein Messer oder ein Dolch versteckt am Körper.
Doch an beschwichtigende Worte waren jetzt nicht mehr zu denken. Das hier alles lief aus dem Ruder.
Red hatte nicht vor, sich von diesen Halunken niederschlagen und im Hafenbecken versenken zu lassen. Er zog gleich sein Schwert und donnerte es dem Erstbesten mit der Breitseite vor die Stirn. Der Mann fiel um wie ein Baum. Der im Mondlicht glänzende Stahl schüchterte dann doch ein. Die beiden Männer vor ihm wichen zurück. Doch Red hatte nicht genügend Zeit sich auch um die beiden Kerle hinter ihm zu kümmern. Sie ließen sich von der gezogenen Waffe nicht einschüchtern. Ähnlich wie Hierodius es getan hatte, stürzte sich einer der Männer auf ihn. Er umklammerte ihn von hinten und riss ihn zurück. Red spürte ein Stechen in der Seite. Das war ein Stich gewesen, der Mistkerl hatte versucht ihn hinterrücks mit einem Messer zu erstechen. Doch das Kettenhemd hatte den Stich abgefangen. Red versuchte das Gelichgewicht zuhalten und gleichzeitig sich nicht sein Schwert abnehmen zu lassen. Gegen zwei Angreifer war das nicht besonders einfach. Der zweite Kerl bekam einen Tritt ab und er versuchte den, der ihn festhielt, mit dem Ellenbogen im Gesicht zu treffen.
Beim dritten Versuch gelang es ihm und der Griff um seinen Hals löste sich. Er schaffte es gerade so eben eine Kampfposition wieder einzunehmen. Er drehte sich um, und wie er es schon mit Ravenne im Gebirge gemacht hatte, stand er nun auch mit Lex Rücken an Rücken und konnte nur darauf hoffen, dass der unerfahrene Kämpfer diese Taktik auch ohne Absprache erkannte und ihm den Rücken decken würde, so wie er auch ihm den Rücken freihalten konnte. Wenn diese Halunken nur genügend Schläge von den Beiden einsteckten, auch ohne sie in Stücke zu hacken, dann ergriffen sie vielleicht die Flucht. Doch wenn das hier länger dauern sollte, dann wurde auch bald der Rest des Hafens auf sie aufmerksam und man würde Lex und Cast morgen aus dem Hafenbecken ziehen.
Einem zu nahe kommenden Kerl versetzte REd einen ernsthaften Schnitt. Das ganze war eine deutliche, letzte Wahrnung an die Herren.
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Das Hafenviertel
Als Hierodius Lex und Redlef mit dem Rücken zueinander standen, hatten sie die Stärke der Angreifer bereits halbiert. Während einer durch die Wucht des Holzknüppels noch immer auf dem Boden lag, hatten sich zwei weitere Männer bei dem Anblick des Breitschwertes zurückgezogen. Unklar war, ob sie nur Verstärkung holen wollten oder die Entschlossenheit der Stadtwache doch unterschätzt hatten.
Der breitgebaute Soldat hatte es in der Vergangenheit des Öfteren beobachten können, wie die Angehörigen der Stadtwache dem Ärger im Hafenviertel förmlich aus dem Weg gingen. Nicht zuletzt auch wegen der Scheu einiger Soldaten, machte es den vor einigen Wochen durchgeführten Großeinsatz zur kurzzeitigen Bekämpfung jedweder Kriminalität im Hafenviertel unabdingbar.
Hierodius Lex wollte die notwendige Entschlossenheit demonstrieren und sah die besten Chancen für die weit unterlegenden Soldaten in einem Überraschungsangriff. Dass das Gesindel auch nicht davon zurückschreckte, die Stadtwache mit Messern zu attackieren, zeugte nur noch mehr von ihrer Skrupellosigkeit und davon, dass die Wache nicht mehr als Autorität im Hafenviertel wahrgenommen wurde.
Nun standen den Soldaten nur noch drei Männer gegenüber, die die Situation scheinbar abzuwägen versuchten. Mittlerweile hatte Hierodius Lex das Breitschwert aus der Scheide gezogen und schaute einen der Männer direkt in die Augen. Er konnte förmlich die Schweißtropfen auf dem Gesicht seines Gegenübers erkennen. Nun da die Stadtwache bereit war, ihre Schwerter gegen sie einzusetzen, wollte niemand eine weitere Konfrontation riskieren. Beschimpfungen waren alles, was sie den Soldaten noch entgegenbrachten konnten.
Dann sprang aus einer der seitlichen Gassen ein weiterer Mann hervor. Er hielt ein grobes Schwert in seiner rechten Hand und griff ohne Vorwarnung an. Hierodius Lex stieß Redlef zur Seite, um den Angriff des Mannes noch abwehren zu können. Wieder traf der Stahl aufeinander.
Mit offensiven Bewegungen drängte Hierodius Lex den Angreifer zurück in die Gasse. Die geringere Bewegungsfreiheit sollte beiden Männern zum Nachteil werden. Doch der Soldat hatte ein solches Manöver bereits in der Arena geübt. Ob der ehrlose Angreifer sich im Kampf ausbilden ließ, war hingegen mehr als fraglich.
Der Kampf dauerte einige Minuten und die Kraft des ehrlosen Mannes nahm mit jedem Schlag ab. Der breitgebaute Soldat holte so gut es ging aus und ließ sein Breitschwert auf den Gegner herunter rauschen. Wieder traf der Stahl aufeinander, doch der Angreifer konnte der Wucht des Schlages nicht standhalten und fiel zu Boden. Hierodius Lex schob das grobe Schwert mit dem Fuß zur Seite und schaute in die hasserfüllten Augen des Mannes.
"Na los, töte mich doch! Ich sterbe als freier Mann, während du immer ein Sklave sein wirst!" schrie es dem Soldaten entgegen. Dieser steckte das Breitschwert wieder zurück in die Scheide und erwiderte: "Wegen Angriff auf die Stadtwache seid Ihr hiermit verhaftet." Nur zu gerne hätte er jedoch diesem Abschaum seinen Wunsch erfüllt.
Geändert von Hierodius Lex (19.04.2016 um 00:32 Uhr)
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Redlef und Hierodius hatten den Gauner auf direktem Wege in eine Zelle gebracht. Den Rest der Männer hatten sie zurück gelassen, auch jede, die verletzt worden waren. Wenn sie sich aber länger im Hafen aufgehalten hätten, dann wäre die Chance, dass sie in weiteres Mal angegriffen worden wäre nur weiter gestiegen.
Nun, am nächsten Tag, in der Sonne des späten Nachmittags, sah das alles schon ganz anders aus. Am Vormittag hatte Redlef eine Bitte an den Tempel gerichtet, dass sich ein paar heiler sich im Hafen einmal nach Verletzten erkundigen sollten. Wahrscheinlich würden sie Niemanden Finden, denn dann müssten sich die Angreifer als die Gauner enttarnen, die sie waren. Doch mehr konnte er jetzt nicht mehr für diese Kerle machen.
Nun war er auf dem Weg ins Händlerviertel. Ravenne musste das Schild inzwischen fertig haben.
Ihr Haus war schnell erreicht. Er klopfte an ihrer Tür und wartete eine kurze Zeit lang. Als sich Niemand meldete setzte er sich auf ein Fass, dass vor ihrem Haus stand. Mit dem Rücken lehnte er sich an die Hauswand und genoss sie Sonne. Sie war angenehm warm.
Sicherlich würde Ravenne schon irgendwann auftauchen. Er hatte vorhin keine Reiter am Stall gesehen, also war sie wohl gerade nicht mit ihren Männern am Exerzieren. Der Gedanke war schon witzig, wie die stumme, zierliche Frau so eine Horde gestandener Männer kommandieren wollte. Er grinste breit, legte den Kopf auch gegen die Wand und schloss genießerisch die Augen. Die Vorstellungen waren einfach zu köstlich! Gerne würde er sich das mal genauer ansehen wollen. Sollte er sie sehen, musste er sie unbedingt fragen, wann sie das nächste Mal vor hatte ihre Männer zu versammeln.
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Es waren widersprüchliche Gefühle, die in Riannon tobten. Einerseits war da die Reste dieser panischen, fast animalischen Angst, ähnlich einem Urinstinkt, den Beutetiere seit Jahrmillionen besitzen, die sie vorantrieb, gleichermaßen aber auch das reine, lichterloh brennende Feuer der Entschlossenheit. Die Entschlossenheit, ein Exempel an Garn zu statuieren, die Strafe Innos' über die Gottlosen und Dunklen zu bringen. Obwohl ihre Kleidung verdreckt war - Matsch und Unrat - als auch Blut, welches aus ihrer etwas lädierten Nase - dem überraschenden Schlag Ordos' sei Dank - auf ihre weiße Bluse getropft war, schleppte sie sich voran. Die Tritte des Bettlers zeigten ihre Wirkung. die Frau verspürte Schmerzen in den Seiten und der Magengegend, da wo der Stiefel des Mannes sie getroffen hatte.
Ordos. Ich hätte erwartet, dass er mich tötet, ganz ohne viel Federlesen. Ich habe den Tod durch die Hand dieses Penners erwartet ... und er hat es mir geschenkt, hat mir das Leben gelassen und mich verschont. Ha, er hat sogar Garn vor die Füße gespuckt und ihn mir ausgeliefert. Sollte ich diesem Mann noch einmal begegnen ... straflos wird er nicht ausgehen, aber ich werde an den Hauch der Gnade denken, die er mir zuteil werden ließ.
Riannon blickte auf und sah das Bollwerk der Zitadelle vor sich, diesen dräuenden Riesen aus Stein. Ihr Blick fuhr über den Platz, der davor lag und blieb an einem Mann hängen, der wettergegerbt war und gekleidet wie ein wahrer Seewolf. Das Gesicht wirkte streng, gebräunt und wie altes Leder eines Stiefels, der das Erdenrund schon fünf Mal überquert hatte. Dabei wirkte er gar nicht so alt, trotz des grauer werdenden Haares. Er beobachtete sie mit einer Mischung aus Interesse und einer leichten Spur Besorgnis.
"Herr", sprach sie langsam und deutlich, bemüht, sich ihre Schmerzen nicht unbedingt anmerken zu lassen "Herr Kapitän" - einfach mal ins Blaue schießen - "könntet Ihr mir helfen? Seid Ihr jemand von der Zitadelle oder kennt Ihr jemanden dort? Die Wache? Oder jemanden vom Orden ... einen Magier beispielsweise?"
Die Fassade von Entschlossenheit und Stärke schienen zu bröckeln. "Bitte, ich ... ich brauche Hilfe", schloss sie schwächer als zuvor.
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Apprentice
Eine Brise kühlen Winds fegte durch die Gassen von Thorniara und hinterließ nur ein bedrückendes Gefühl in den Bewohner der Stadt. Schließlich kündigte ein lauter, raumfüllender Knall an, was bevorstand. Eine Flut finsterer Donnerwolken belagerte die Stadt von Süden her und lies die Leute in den Abendhimmel hinaufblicken, bevor sie mit träger Mine langsam aber sicher ihr Heim aufsuchten, nachdem sie ihre Sache beendet hatten.
Nur ein paar Minuten später waren die Gassen menschenleer, bis auf den einen armseligen Mann namens Djamal. Mit regungslosem, nichtssagendem Blick starrte er auf die Straße vor seinem Marktstand und wartete darauf, dass jemand sich für seine Waren interessierte. Vergeblich. Der Tag neigte bereits zum Ende hin, es war dunkel geworden und jeder hatte seine Geschäfte bereits erledigt. Das herannahende Gewitter hatte nur besiegelt, was ohnehin schon feststand: Dass dies ein weiterer erfolgloser Tag in Djamals bedauernswerten Karriere als Händler war. Dennoch blieb er stehen und wartete, wenn auch nicht in der Hoffnung sich dadurch einen Kunden zu verdienen. Er dachte nach. Auf dem hüfthohen Holztisch vor ihm lagen - links beginnend - einige Werkzeuge, als erstes ein kleiner Hammer. Er hatte die Form eines Adlerkopfs und machte trotz der rostigen Oberfläche optisch durchaus etwas her. Djamal zweifelte aufgrund der kleinen und nicht rechteckigen Aufschlagfläche daran, dass er besonders angenehm zum Arbeiten war. Daneben fand er einige seltsame Zangen, von denen er nur teilweise wusste, wofür sie geschaffen wurden. Ein Rasiermesser, mehrere Meissel und andere Dinge. Jeder Gegenstand unter ihnen war in irgendeiner Weise ungewöhnlich. Rechts daneben fand er einen Kerzenhalter aus Messing, der fünf Kerzen in kreisförmiger Anordnung aufnehmen konnte. Das zweite Exemplar davon hatte er einem einfältigen reichen Händler für einen dicken Batzen Gold verkaufen können. Mit einem Schmunzeln versetzte Djamal seine müden Augen zum nächsten Objekt: Eine kleine Sanduhr mit rotem Sand im Inneren. Er dachte zurück an die Reise, bei der er an sie gekommen war, als ein Regentropf ihm auf den Nacken klatschte und ihn von seinen Gedanken entriss. Er kannte jede einzelne Ware auf dem Tisch von oben bis unten auswendig und verlor bei der Feststellung dieser Tatsache augenblicklich das Verlangen, den Krempel erneut durchzuschauen. Das meiste lag schon so lange bei ihm, dass er es nicht mehr sehen konnte.
Gelegentlich wurde er gefragt, ob er neu in der Stadt sei. Bereits fünf Monate verkaufte er nun schon allerlei exotische Waren in Thorniara, aber seine Bekanntheit war nicht höher als die eines beliebigen Handwerkers. Und entsprechend schlecht waren die Gewinne. Keiner kaufte seinen Krempel. Natürlich hatte Djamal längst durchschaut, was der Kern des Problems war, und natürlich wusste er, wie die anderen Händler hier Gold machten. Meistens mit ehrlicher Arbeit, Fleiß und Schweiß. Djamal würde es jedoch nicht so weit kommen lassen, sich den Buckel krumm zu schuften. Die einfachste Weg war immer klügste Weg, deshalb musste er nur schlauer sein als die anderen, nicht fleißiger. Vielleicht hatte er sich ein wenig verschätzt mit seinem derzeitigen Warenbestand, aber er konnte auch nicht wissen, dass die Leute hier so wenig Geschmack besaßen. In jedem Fall konnte es nicht so weiter gehen. Als er schließlich sein Sortiment in einem Sack verstaut hatte und sich auf den Heimweg machte, war er bereits fest entschlossen. Morgen würde er nicht wieder an diesen Stand gehen und das selbe tun, es war an der Zeit etwas zu ändern. Mit einem selbstgerechten Grinsen schlenderte er schließlich davon.
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Die Plaza von Thorniara
"Yared, Milady."
Yared nahm sich den kurzen Moment, um die Lage zu erfassen, während er sich vorstellte. Der Korsar musterte das angegriffene Erscheinungsbild der jungen Frau vor ihm. Ihre weiße Alabasterhaut, die im Widerschein der Zitadelle rosig zu leuchten schien, kündete, wie auch ihr unbändig volles, rotes Haar, von ihrer nordländischen Abkunft. In ihren blauen Augen glomm trotz aller Erschöpfung, die ihre aristokratischen Züge zeichnete, der unauslöschbare Glanz innere Stärke - Mut, Leidenschaft und Klugheit.
"Ich stehe in Diensten der myrtanischen Krone.", fügte er an, um ihr Vertrauen zu gewinnen.
Dann fiel ihm das Blut auf. Es war in Dunkelheit und Schatten erst gar nicht richtig erkennbar gewesen.
"Ihr seid verletzt.", stellte Yared fest, "Darf ich Euch zum Hospital im Tempelviertel begleiten?"
In diesem Moment zuckte der erste Blitz über den wolkenverhangenen Nachthimmel. Kurz darauf prasselten schwere Tropfen auf das Kopfsteinpflaster der Plaza.
Yared grinste schief den Himmel an. Der Wind hatte zugelegt und peitschte nun den dichten Regenvorhang über die Dächer der Stadt. Dann sah er hinüber zum Rande des Platzes. Auf dem Weg zum Tempelviertel würden sie gänzlich durchnässt werden. Die Zitadelle lag am nächsten.
"Kommt, wir sollten uns auf jeden Fall erst einmal unterstellen." sagte er zu der Rothaarigen und bot ihr den Arm an, um sie auf dem Weg zu stützen.
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Apprentice
Mit etwas Kopfweh und einer nebeligen Sicht richtete Djamal sich auf und lies ein müdes, elendes Seufzen frei, aus dem sein Zustand leicht erahnt werden konnte. Er hatte gestern die Gesellschaft einer Dame vermisst und daraufhin zu viel vom besten Rotwein gekostet, den er bei sich lagerte. Sie hatte ihn einfach draußen stehen lassen, als er abends bei ihr geklopfte. Ein Fackelschein war durch ihr Fenster erkennbar gewesen und Djamal hatte keinen Zweifel, dass sie zu Hause gewesen ist und sein diskretes Klopfen bemerkt hatte. Über die genauen Gründe wollte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen, denn dies sollte ein großer Tag werden, der nun unglücklicherweise schon stark vorangeschritten war. Der Trubel und Lärm in den Straßen verriet ihm trotz abgedunkelter Fenster, dass es bereits nachmittags sein musste.
An jedem anderen Tag würde er jetzt seinen Marktstand beziehen und hoffen, dass jemand sich dorthin verirrte. Dummerweise war er auch nicht der einzige, der in dieser Warenkategorie handelte, in der Händlergilde gab es wenigstens einen reichen Kaufmann der ihm die Kunden wegschnappte. Natürlich war Djamal kein Mitglied der Händlergilde, aber das hatte er sich auch nie gewünscht. Diplomatie, Politik, festgesessen an einer Stelle und ständig Probleme, die es zu lösen galt. Alleine der Gedanke an ein derartiges Leben gab ihm das Gefühl, er sei innerlich abgestorben.
Dieser Tag war ein Neuanfang, wenn auch kein gründlich durchdachter. Sein erstes Ziel bestand darin, sich genauer umzusehen, denn das hatte er seit seiner Ankunft in Thorniara nicht wirklich getan. Vielleicht fanden sich noch irgendwelche gleichgesinnte Gestalten in der Stadt, die ihm eine neue Perspektive verschafften. Rumstreuner, Reisende oder junge Händler, die gerade ihr Geschäft aufmachen wollten. Würde er nichts derartiges finden, so musste er sich wohl oder übel als Lehrling einem großen Händler unterstellen und täglich für ihn arbeiten, oder sein Glück in einer anderen Stadt versuchen.
Mit einer weißen seidenen Kurta (einem etwa knielangen Hemd) mit goldenen Verzierungen gekleidet fiel würde er unter den anderen Bewohnern der Stadt definitiv auffallen, dazu nahm er sich eine Sackmütze, die er jedoch nicht aufzog sondern an sein Hemd band. Er war diesen luftigen Kleidungsstil von seiner Herkunft gewohnt und nutzte jeden Tag mit genügend Sonnenschein ihn zu tragen. Sein Fuß berührte die Türschwelle und seine Hand den Türgriff, als er für einen Moment regungslos dastand. Hinter dieser Tür würde er den gleichen Anblick finden wie an jedem anderen Tag, und doch fühlte es sich so anders an. Heute war nicht jeder Mensch nur ein potenzieller Käufer, sonder eine Persönlichkeit mit ihrer ganz eigenen Lebensgeschichte, von denen er gewiss die eine oder andere bald erfahren würde. Diese Denkweise war ihm durch seine trostlose Geschichte als Händler geradezu fremd geworden, und mit der Feststellung dieser Tatsache konnte er nicht anders als seinen Restalkohol zu vergessen und mit dem typischen eingebildeten Grinsen die Tür vor ihm zu öffnen und in die Stadt hinauszutreten.
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Apprentice
Mit einem tiefen Atemzug und einer übermotivierten Grimasse blickte Djamal die Szenerie vor sich an. Just in diesem Moment entleerte die Magd im zweiten Stock ihr Waschwasser aus dem Fenster, welches noch leicht auf Djamals Gewand spritzte. Empört blickte er nach oben und sah nur noch, wie sie wieder ins Innere verschwand. Ihr Missgeschick möge ihr verziehen werden, dachte er sich. Jedenfalls war er jetzt nicht auf Streit aus. Zurück auf der Straße fiel sein Blick auf ein junges Mädchen das er schon öfters gesehen hatte, während sie mit zwei Eimern Wasser vorbeiging. Als sie ihn bemerkte schenkte er ihr ein Augenzwinkern mit einem breiten Grinsen, welches sie nur mit rollenden Augen erwiderte und ihren Kopf wegdrehte. Sie hat wohl einen schlechten Tag, ich werde es ihr nicht nachtragen. Der erste vielversprechende Ort war der Markt. Hier würde er durch die Stände schlendern und sich die Leute etwas genauer unter die Lupe nehmen. Ob er jemanden fand, der seine Zukunft als Händler beeinflussen konnte oder nicht, er würde in jedem Fall versuchen einen Freund zu gewinnen.
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Behutsam legte Françoise die große Glaslinse auf ein Tuch und wickelte sie darin ein. Unter allen Linsen, die die Priesterin bisher hergestellt hatte, war diese die größte und zugleich die reinste. Es hatte eine Weile gedauert bis es ihr gelang die Magie richtig in das fragile Material zu verweben. Etliche Linsen hatten die Prozedur nicht überstanden. Leider gab es keinen anderen Weg, denn nur wenn sie mit ausreichend Magie geladen waren, konnte Françoise sie für ihre Zwecke gebrauchen. Und obwohl die Linse nun fertig da lag, fehlte ihr noch etwas wichtiges; eine Gravur mit Runen. Dazu brauchte es eine ruhige Hand.
Im Augenblick hatte Françoise anderes im Sinn. Sie musste einer Pflicht nachkommen, die keinen Aufschub duldete. Der Tempel der Stadt benötigte einen neuen Vorsteher und unter der beschaulichen Anzahl von potentiellen Kandidaten hatte sich die oberste Feuermagierin nun endlichen einen herausgesucht. Natürlich hätte die Möglichkeit bestanden, einen Magier vom Festland zu bestimmen. Nach reiflicher Überlegung entschied sich die Priesterin dagegen. Als sie Lopadas zum Tempelvorsteher ernannt hatte, gab es keine andere Wahl. Der vorherige Prior, Varald, hatte den Orden hintergangen und das Vertrauen der Bevölkerung aufs Übelste missbraucht. Um das zu korrigieren hatte es jemanden bedurft, der frei von Verdacht war. Deshalb hatte seinerzeit keiner der Feuermagier aus der Stadt zum Tempelvorsteher ernannt werden können. Inzwischen sah die Lage anders aus.
Die Feuermagier aus Thorniara hatten ihre Vergangenheit mit Varald hinter sich gelassen und bewiesen, einzig auf der Seite Innos' und des Ordens zu stehen. Obendrein bestand nun aber vor allem der Bedarf nach jemandem, der die Situation der Insel kannte, der das Leid und die Entbehrungen miterlebt hatte. Ein Magier vom Festland besaß diese Erfahrung nicht und wäre der Bevölkerung gegenüber zu distanziert. Ein einheimischer Magier hingegen brachte Vertrautheit und stellte, so hoffte Françoise, einen Ankerpunkt für die Bürger dar.
Es klopfte an der Tür zum Arbeitszimmer. Die Priesterin bat herein und neben Jeffrey trat Icarion herein.
»Innos zum Gruß, Meisterin!«
»Magie zu Ehren. Es freut mich, dass ihr so pünklich gekommen seid.«
»Jeffrey sagte mir, es wäre wichtig, also kam ich so bald ich konnte. Allerdings verriet er kein Wort über den Sinn und Zweck.«
Der bleiche Feuermagier lächelte Icarion an und trat dann an die Seite der Priesterin.
»So war es mir aufgetragen worden, Bruder.«
»Nun bin ich hier. Darf ich das Geheimnis jetzt erfahren?«
»Selbstverständlich, Icarion. Der Grund, weshalb ich dich herzitierte, ist, dass ich einen neuen Tempelvorsteher benennen möchte.«
Die Überraschung stand dem Feuermagier ins Gesicht geschrieben. Icarion hatte den Ruf, arrogant und distanziert zu wirken. Diese Nachricht schien ihn aus der Reserve zu locken.
»Ein neuer Tempelvorsteher?«, wiederholte Icarion und sprach bedacht langsamer. »Und an wen hattest du gedacht?«
Was in seinem Kopf vorging lag auf der Hand. Wie hätte es auch anders sein können. Doch wollte sich der Feuermagier nicht mit einer voreiligen Vermutung vor der Priesterin lächerlich machen. Er mochte arrogant sein, dumm war er aber auf keinen Fall.
»Ich wägte lange ab und entschied mich letztlich dafür, dass du das Amt bekleiden sollst. Du besitzt Führungserfahrung und kennst die Stadt und ihre Bewohner. Ich bin der Meinung, dass du den Menschen hier einen Licht im Dunkel sein kannst.«
Icarion verbeugte sich tief vor der obersten Feuermagierin, eine Geste, die Françoise nicht von ihm erwartet hatte.
»Ich danke dir für dieses Vertrauen! Ich gelobe vor Innos meiner neuen Rolle gerecht zu werden!«
»Dessen bin ich mir sicher. Dann ist es beschloßen. Jeffrey wird dir für den Anfang helfen, wenn du Fragen hast. Du wirst sie brauchen, denn in Thorniara gibt es genug zu tun.«
»Zweifellos. Eine Frage hätte ich noch.«
»Ja?«
»Was wurde aus Lopadas? Ich hatte ihn schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen. Hast du ihn zum Festland zurückbeordert?«
»Das ist nicht dein Belang. Kümmere dich bitte um den Tempel.«
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Tempelviertel - Unsanfte Landung
Die Ankunft in der Stadt der Feuermagier hatte er sich etwas komfortabler vorgestellt.
Mit einem Knall erschien der Löwenkrieger aus dem Äther und klatschte mit einem gequälten Aufschrei unbeholfen zu Boden, als sein lädierter Fuß unter der Last des plötzlich nur allzu präsenten Bodens in spontanem Streik nachgab. Die Spielzeuge der Kinder landeten auf dem nassen Pflaster des Platzes vor dem Tempel der Feuermagier, und ein leise vor sich hin fluchender, in schmutzigen Lumpen gekleideter Abenteurer wälzte sich zwischen ihnen eine Runde auf dem harten Stein umher.
"Verdammter Dreck... jetzt ist er wohl ganz durch", knurrte der Nomade zwischen den vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen hervor.
"Was ist das eigentlich für ein Dreckswetter hier? Ich dachte, wir haben Frühling!"
Er war kein sonderlich großer Liebhaber dieser Ortschaft, doch Maris war aus mehreren Gründen froh, den Teleport hierher geschafft zu haben:
1. Er war noch in einem Stück.
2. Die größte Bedrohung hier waren stinkende Hafenratten und fanatische Magier.
3. Er hatte den Ort der Zusammenkunft der Magier bereits erreicht und würde in den nächsten Tagen nicht mehr reisen müssen, was sich angesichts des Wartungszustandes seines Fußes wohl auch eher als schwierig herausgestellt hätte.
Als vierter und nicht zu unterschätzender Punkt war angesichts des letzten Aspektes wohl auch die Tatsache zu nennen, dass es hier seines Wissens nach eine ganz passable Heilkammer gab - die würde Maris nun wohl doch einmal in Anspruch nehmen müssen, wenn ihm der nutzlose Klumpen am Ende seines rechten Beins nicht abfaulen sollte.
"Könnte mir eventuell ein mitfühlender Bürger helfen?", rief er unter gequältem Lachen in die Dunkelheit hinein. Er stand dem Drachen ohne jeden Schutz gegenüber und wälzte sich nun im Dreck, weil er zu blöd war, einen Sturz vernünftig abzufangen - da half nur noch Galgenhumor. Wenn Lobedan das gehört hätte... er hätte ihm die Lektionen der Körperbeherrschung sicher mit Vergnügen wieder eingebläut.
"Also falls irgendjemand Zeit hätte: ich könnte wohl einen Heiler gebrauchen!"
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Das Händler- und Handwerkerviertel, Anwesen der Händlergilde
Die Worte des alten Mannes aus dem Reichenviertel gingen Maximuss noch immer durch den Kopf. Hinzu kam das weniger befriedigende Gespräch mit dem Gildenmeister und seine völlig inakzeptable Position in der Gesellschaft von Thorniara. Genervt und gereizt lief der Graf zusammen mit seinem Leibwächter durch das Händler- und Handwerkerviertel. Sein Ziel war das weniger prunkvolle Anwesen der Händlergilde, in dem er erneut mit Gildenmeister Trevorius sprechen wollte.
Es war nicht zuletzt die Auflage der Händlergilde gewesen, die Maximuss in die eher einfachen Verhältnisse trieb. Natürlich genoss er weiterhin erlesene Speisen und kaufte sich das eine oder andere hochwertige Tuch. Doch vor Allem das Haus im Händler- und Handwerkerviertel und die eher einfachen Waren, mit denen er handeln sollte, waren für den Grafen mittlerweile nicht mehr zu ertragen. Der Gildenmeister wusste um die Position des Großhändlers und so glaubte Maximuss, dass er den Druck nur erhöhen musste, um die gewünschte Position in Thorniara einnehmen zu können und nicht mehr den genügsamen Großhändler spielen zu müssen.
Kurz nachdem Maximuss das Anwesen der Händlergilde betrat, klopfte er an die Tür des Sekretärs, der auch augenblicklich antwortete: "Ja, bitte?" ertönte es aus dem Inneren des Raumes. Der Großhändler öffnete die Tür, begrüßte Markom und seufzte: "Was sind das für Zustände? Warum leistet sich der Gildenmeister kein Personal, der die Türen öffnet?" Markom nickte verständnisvoll und erwiderte: "Glaubt mir, der Gildenmeister ist selbst nicht zufrieden. Doch er wollte seinen Einfluss nicht offen zur Schau stellen. Nicht, bevor unsere Position auf Argaan nicht gefestigt ist."
"Die Position auf Argaan ist bereits gefestigt." antwortete Maximuss. "Wo wir bereits beim Grund meines Besuches sind. Ich möchte mit Trevor sprechen."
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