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Gedichtsanalysen

  1. #1 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Mithras
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    Einen schönen Abend wünsche ich euch,

    ich wollte fragen, ob jemand von euch gute Tips für eine Gedichtsanalyse hat und mir sagen könnte wie man so was angeht?
    Das Oberthema ist hermetische Lyrik, z.B. Ingeborg Bachmann oder Gottfried Benn.
    Bisher dachte ich immer, dass man sich eine Detungshypothese zurechtlegt und dann darauf die Analyse aufbaut, aber das klappt hierbei vorne und hinten nicht, da sich das bei hermetischer Lyrik nicht so ohne Weiteres erschließt.

    Wäre für jeden Link oder Ratschlag sehr dankbar.
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  2. #2 Zitieren
    Waldläufer Avatar von Oree
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    Gerade bei hermetischer Lyrik musst Du so vorgehen, wie Du es beschrieben hast. Eine Deutungshypothese finden und sowohl inhaltliche als auch stilistische Argumente dafür auffahren.

    Ganz wichtig ist bei dieser Gattung der Kontext der Entstehung. Zum Beispiel wurde ja die hermetische Lyrik stark von den Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg beeinflusst, nach dem man in Künstlerkreisen die alte Schönwetterlyrik als deplaziert empfand. (Sicherlich hat man Dir schon das Zitat von Herrn Adorno vorgebetet: "Nach Ausschwitz noch Gedichte zu schreiben, ist barbarisch").

    Such also am besten Informationen über den Autor. Was ist über seine Weltanschauung und seine Geschichte bekannt? Saß er womöglich in einem Konzentrationslager ein oder litt er anderweitig unter dem Naziregime? Solche Dinge können wertvolle Hinweise auf die Botschaft des Gedichts liefern.

    Verkrampf Dich dann aber auch nicht darauf, diese auf Teufel komm raus "dechiffrieren" zu wollen. Was verlangt wird, ist eine plausible Interpretation. Was die Autoren mit ihren Werken konkret sagen wollen, wissen sowieso nur sie selber - und meistens sind sie inzwischen tot, also who cares?

    Essenziell ist auch die genaue Analyse des verwendeten Metrums (wie unterstreicht der Leserhythmus z.B. die Szenerie, die beschrieben wird?) und der Stilmittel (hermetische Lyrik ist meines Wissens voll davon).
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  3. #3 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Mithras
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    Bei dem Gedicht, das ich gerade gemacht habe, hat das ganz wunderbar so funktioniert wie du gesagt hast.
    Das liegt aber daran, dass ich direkt eine Idee im Kopf hatte auf die sich auch alles gut übertragen ließ.

    Nur was sollte man machen, wenn einem nichts einfällt?
    Man kann schlecht eine Idee nehmen, hinter der man nicht voll steht und diese dann noch inhaltlich und formal begründen.
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  4. #4 Zitieren
    Waldläufer Avatar von Oree
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    Voll dahinter stehen musst Du nicht. Die Interpretation muss nur schlüssig sein.

    Um welches Gedicht geht es denn?
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  5. #5 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Mithras
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    Es geht um "Gewitter der Rosen" von Ingeborg Bachmann.

    Gewitter der Rosen

    Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen,
    ist die Nacht von Dornen erhellt, und der Donner
    des Laubs, das so leise war in den Büschen,
    folgt uns jetzt auf dem Fuß.


    Ich habe das Gedicht auf das Leben bezogen gedeutet.
    Alles hat zwei Seiten, sowohl eine gute als auch eine schlechte.
    Verdeutlicht wird das Ganze nochmal durch die Symbolik der Rose.
    Schönheit und Dornen.

    Das ist die Kurzform meiner Deutung.
    Ich habe das natürlich noch weiter ausformuliert.
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  6. #6 Zitieren
    Waldläufer Avatar von Oree
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    Ich würde echt mal die Biographie der Autorin zu Rate ziehen und recherchieren, was in ihrem Leben zum Zeitpunkt der Entstehung des Gedichts abgelaufen ist. Vielleicht findet sich kein konkreter Hinweis, sicher aber etwas Inspiration.

    Das Gedicht ganz allgemein auf das Leben zu beziehen erscheint mir jetzt ehrlich gesagt etwas arg pauschal. Die Rose ist ein klassisches lyrisches Symbol und steht für die Liebe. Das muss nun noch lange nicht heißen, dass das hier auch der Fall ist, bietet aber schon mal eine solide Grundlage für eine Interpretation.

    Im letzten Vers ist zu lesen "...folgt uns jetzt auf dem Fuß". Das lässt meines Erachtens darauf schließen, dass das zuvor beschriebene Szenario die Folge einer Veränderung ist. Somit scheidet das Leben ganz allgemein aus, denn die Wechselwirkung aus Gutem und Schlechtem, die Du beschreibst, ist ein konstantes Stadium.

    Die zwei Seiten der Dinge, die Du heraus gelesen hat, sind sicherlich zutreffend. Nur nicht auf das Leben ganz allgemein, denke ich.
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  7. #7 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Mithras
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    Sie kann aber auch eine Situation beschreiben, in der gerade etwas Schlechtes passiert ist, daher habe ich das auf das Leben allgemein bezogen.

    Du meinst also das Gedicht ist mehr auf die Liebe bezogen?
    Den Gedanken hatte ich auch, mir erschien aber dann genau das zu abwegig und zu pauschal.
    Bei dir war es genau anders.
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  8. #8 Zitieren
    Waldläufer Avatar von Oree
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    Naja, solange Deine Argumentation keine wichtigen Elemente übergeht und plausibel ist, wird's schon schief gehen.

    Wie gesagt -> Autorenbiographie.
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  9. #9 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Mithras
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    So, heute hatten wir die letzte Stunde vor der Arbeit.

    Unserer Lehrerin hat uns nahe gelegt, dass man seine Analyse bei hermetischer Lyrik auf keinen Fall auf eine Deutungshypothese einschränken solle.

    Im Gegenteil: Es sei wichtig, dass man zunächst das Formale und Inhaltliche auf seine Wirkung und die Eindrücke überprüfen solle.
    Diese Wirkung sein dann mit der Deutung zu verbinden, die uns am Plausibelsten erscheine.
    Erst dann sollten wir begründen und mit den formalen und inhaltliche Aspekten argumentieren.

    Im Prinzip also doch das, was du gesagt hast.
    Nicht zu genau werden und immer etwas allgemeiner formulieren.

    Hast du noch irgendwelche Ratschläge, die ich beherzigen sollte?
    Wenn wir in der Arbeit keine Biographie kriegen, dann kann ich schlecht ins Internet gehen und nachschlagen.

    Das war es erstmal von mir.
    Wäre super, wenn du noch antworten würdest.
    Mithras ist offline

  10. #10 Zitieren
    Waldläufer Avatar von Oree
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    Idealerweise hat man sich mit den Biographien der Dichter im Unterricht beschäftigt, so dass man das entsprechende Hintergrundwissen in der Prüfung aus dem Gedächtnis abrufen kann.

    Andererseits reden wir hier über Deutschlehrer.

    Man soll sich also nicht auf eine Deutungshypothese festlegen, sondern zuerst die stilistische Analyse vornehmen und sich dann auf eine Deutungshypothese festlegen?

    Wie dem auch sei: Achte darauf, dass das Allgemeine nicht zum Oberflächlichen wird. Fallen Dir mehrere mögliche Auslegungen ein, solltest Du die plausibelste ganz ausarbeiten und die übrigen in den prägnantesten Punkten anreißen. Zeiteinteilung ist wichtig.

    Und generell: Deutsch ist nicht Mathematik. Eine schlüssige Argumentation, die von den festgelegten strukturellen Regeln abweicht ist immer besser als eine schlechte, die sich an die Regeln hält.
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  11. #11 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Mithras
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    Gut, ich werde das Kind schon schaukeln.

    Danke für die Hilfe. Eine gute Nacht wünsche ich.
    Mithras ist offline

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