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Lehrling
Die drei Paktierer mit ihrer Geisel wurden schon längst am Tor zur Festung erwartet.
Niemand anders als Istvan stand neben den Wachen, die den Eingang zur eigentlichen Festung Shen’Deah, der Halle des Bundes, wie sie auch hieß, die am Ende der langen, schmalen und irgendwie durch ihre filigranes Äußeres bizzar wirkenden Brücke begann.
„Da seid ihr ja endlich“, war alles, was der halbtote Magier ihnen entgegenschleuderte.
„Und wo ist Cadyra? Hat es sie endlich erwischt, dieses unnütze Weibsstück? Es war ein Fehler von Fyera, sie zu schicken.“ Istvans Augen funkelten böse, während sich seine Lippen – eingetrocknet auf der linken Seite durch den Tribut an den Tod – zu einem widerlichen Lächeln verzogen.
„Und wo warst du? Beinahe hätten sie uns gehabt, mehr mit Glück als Verstand sind wir ihnen anfangs entwischt“, erwiderte Dardathír verärgert.
„Ich? Wo ich war fragst du, du Jammerlappen? Ohne mich wärt ihr gar nicht in der Lage gewesen, sich ihr zu bemächtigen.“ Er zeigte auf das Fass, das Watzlav immernoch auf der Schulter trug.
„Ach, lass doch, ich war froh, daß wir den nicht die ganze Zeit ertragen mußten“, sabberte dieser und setzte unsanft seine Last ab.
Istvan überhörte es geflissentlich. Stattdessen bellte er Watzlav an: „Willst du sie hier etwa rauslassen? Das kommt nicht in Frage. Erst muß sie in die Zuflucht gebracht werden.“
Hinter ihm kam jetzt sein Sohn, Imre, zum Vorschein. Mit seinen ernsten, viel zu alten Augen sah er die drei Paktierer an. Istvan fasste ihn an der Schulter und schob ihn zu sich heran.
„Also, was könnt ihr berichten? Ich habe nur ein abgefackeltes Haus und einige leicht lädierte Menschen gesehen. Warum habt ihr sie nicht getötet? Ich hätte hingegen fast eine der ihren, wohl ein kleines dummes Magierpüppchen, erledigt. Leider ließen diese Dummköpfe es nicht zu, daß ich ihr mehr von meinem ‚Heilmittel’ einflößte. Dreckbande.“
„Pah, fast... ja, fast haben wir sie auch erledigt, so gut wie du waren wir also schon lange.“
Gestroi war wütend geworden im Laufe des Gesprächs. Dieser Istvan mit seiner abfälligen Art allem und jedem gegenüber. Nur weil sein Pakt nicht so geklappt hatte, wie er es geplant hatte. Munkelte man jedenfalls. Niemand würde sich dazu herablassen, Istvan danach zu fragen. Und Istvan würde sich wohl niemals dazu herablassen, es jemandem zu erzählen. Und damit war man quitt. Nach allem, was man hörte, wollte er den Dämonen, den er zum Pakt auserkoren hatte, betrügen und bot ihm nicht einen Teil von sich selbst, sondern seine Frau an. War die Ehe nicht heilig und die Frau ebenso ein Teil davon, wie der Mann? Dachte wohl, er könnte mit Spitzfindigkeiten Dämonen betrügen. Was für eine lächerliche Hybris. Jedenfalls war seine Frau seitdem verschwunden, wie die wenigen berichteten, die ihn schon vor dem Pakt kannten. Und sein nie älter werdender Junge begleitete ihn ständig.
„Nutzloses Gekeife. Das führt zu nichts“, bestimmte Dardathír schlußendlich und ließ Watzlav das Fass wieder aufnehmen.
„Gehen wir.“
Die Gruppe durchschritt das Tor, das aus dicken, eisernen Flügeln bestand, die mit zwei mächtigen Querbalken von innen verriegelt werden konnten. Ein Gang schloß sich an, seine Wände bestanden teilweise aus seltsam lebendig ausschauendem Material, in anderen Teilen jedoch wiederum aus behauenen Steinen. Es war, als sei alles miteinander verwoben, Stein in Fleisch gebaut und Fleisch um Stein herum gewachsen. Pulsierende Stränge verbanden die unterschiedlichen Materialien. Der Gang wand sich in immer wieder neuen Kurven und Biegungen, hin und wieder zweigte ein weiterer Gang ab, manchmal eine Höhle oder dann wieder, in den gebauten Partien eine Zimmertür oder doppelflüglige Türen in größere Säle. Niemand, der die Feste nicht kannte, würde sich in diesem Chaos, dem Ganggewirr, den verschachtelt angeordenten räumen zurecht finden. Doch damit nicht genug. Hin und wieder endete der Gang an einer Wand, so daß man, um weiter vorwärts zu kommen, woanders eine Abzweiogung, die auch klein und unbedeutend aussehen konnte, nehmen mußte. Und dann diese Verwerfungen: Gänge führten halb in Felsen, schmale Durchlässe bildeten den Anfang des weiteren Ganges, Stufen, wo keine benötigt wurden, irgendwann entstanden wie durch die Verwerfungsspalten eines Erdbebens machten den Weg für Wagen unpassierbar.
„Wir haben der Gezeichneten und ihren Begleitern in einem Einsamen Gutshaus aufgelagert. Die Brücke hatten wir ja zerstört, wie du dich sicher trotz deines zur Hälfte toten Hirns noch erinnern kannst, so daß sie den Weg durch den Sumpf und dann hinüber zur Klamm nehmen mußten.“
„Ich habe drei von ihnen weggelockt“, berichtete Imre emotionslos.
Istvan strich ihm sanft über den Kopf.
„Ich habe ihre Magierin ein wenig vergiftet“, sagte er dann geistesabesend. Imre war das Einzige, wofür er wirklich Interesse hatte, was ihm wirklich an seinem dämonischen Herzen lag, in dieser einen Sache manifestierte sich der Rest von Menschlichkeit, den ihm sein Wirt gelassen hatte. Und gleichzeitig weidete dieser sich an der tiefen nie endenden Verzweiflung, die Istvan seit dem Pakt befallen hatte. War doch Imre zum Tode verurteilt, denn wenn Istvans Pakt erlöschen würde, würde sein Leben enden. Niemals würde er die Möglichkeit erhalten, älter zu werden, ein eigenes Leben zu führen, eigene Entscheidungen zu treffen.
Gestroi fuhr fort in seinem Bericht.
„Wir sind durch die Klamm entkommen. Spinnenbein hat eine Lawine ausgelöst, durch die wir unsere Verfolger abschütteln konnten. Aber sie werden uns weiterhin folgen.“
„Und wenn schon“, meinte Istvan abfällig. „Die Zuflucht werden sie nie entdecken, zu dumm sind sie dafür. Wie alle.“
Normale Menschen hielt er grundsätzlich für dumm, womöglich haßte er sie, da sie das haben konnten, was ihm genommen war: Familie, Kinder, die aufwuchsen und älter wurden. Paktierer haßte er ebenfalls. Er hielt die meisten seiner nicht ebenbürtig.
Die Gruppe näherte sich dem Zentrum Shen’Deahs, wo sie von Fyera Calandiere sicher erwartet wurden. Nein, eigentlich wurde nur die Gezeichnete erwartet. Sie alle waren nur Werkzeuge, gestand sich Istvan resigniert ein.
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„Für diesen Frevel werdet ihr auf alle Ewigkeit ziellos durch die schwarzen Nebel von Beliars Reich irren“, predigte der Priester.
„Dies ist nicht nur Grabschändung, das ist Blasphemie! Durch Eure Taten entweiht Ihr nicht nur den heiligen Boden meiner Kirche, Ihr uriniert vor die Füße unseres Herrn Innos! Nicht einmal sein heiliges Feuer wird Euch von dieser Sünde reinwaschen können. Ihr habt Euch selbst in die tiefsten Abgründe verdammt und ich kann guten Gewissens sagen, dass Innos Wille geschehen ist, wenn Euch die Garde allesamt zum Strick führt!“
„Vater Cadenus?“, kam auf einmal eine zaghafte Frage vom Eingang der Katakomben.
Der Kopf des Innospriesters ruckte herum. Wer auch immer dort gerufen hatte, er hatte es nicht gewagt, seinen schmutzigen Fuß in die geweihten Katakomben zu setzen und konnte somit kein Sündiger sein. Und es war Cadenus' Pflicht, sich um die Belange seiner Gemeinde zu kümmern, selbst, wenn eine Bande Unheiliger die Krypta zu entweihen drohte.
„Ich werde nun die Stadtgarde holen“, drohte der Priester und in seinen Augen loderte die Heiligkeit seines Glaubens. „Es sollen nicht meine Hände sein, die sich mit dem Blut von Euch Ungläubigen besudeln. Doch seid Euch gewiss, dass Ihr für diesen Frevel bitterst bezahlen werdet.“
Damit wandte er sich ab um seine Drohung in die Tat umzusetzen. Als er die staubigen Stufen hinaufschnaufte, sah er in der Nähe des Altars einen Mann stehen. Bei Innos, der war noch schlimmer verdreckt als dieses Pack von Grabräubern! Was war das nur für ein Tag, an dem selbst die niedersten Bettler und Lumpensammler einen angemesseneren Kleidungsstile an den Tag legten als diejenigen, die in Demut ihr Haupt vor dem höchsten aller Götter verneigten? Dieser Mann sah aus, als hätte er im Staub der Gezeiten gebadet: Kleidung und Mantel waren grau von Staub und Schmutz, die Ränder des Mantels sogar schwarz angesengt. Bei den Stiefeln wandte Cadenus lieber gleich den Blick ab – wie sollte er seine Kirche nur jemals wieder von all dem Schmutz befreien?
Doch siehe da! Der Mann hatte die Hände wie zum Gebet gefaltet und obwohl sein Bart an den Kinnrändern in wilden Stoppeln wucherte, war der Kopf voller Reue gesenkt. Diese Geste treuen Glaubens ließ einen Teil des Ärgers in Cadenus verrauchen und er bemühte sich, einmal tief durchzuatmen, um dann ruhig wie die Wasser in Adanos Reich auf den Mann zuzugehen.
„Wart Ihr es, der nach mir gerufen hat?“, fragte er mit all der väterlichen Güte, die seine Gemeinde in all den vergangenen Jahren zu schätzen und lieben gelernt hatte.
Die dunkelblauen Augen des Mannes blickten scheu zu ihm auf, wichen ihm jedoch gleich wieder aus.
„Ja, das war ich“, antwortete der Mann mit ehrfürchtig gesenkter Stimme. „Seid Ihr Vater Cadenus?“
„Ja, mein Sohn“, sagte Cadenus und legte dem Mann seine ruhespendende Hand auf die Schulter. „Welche Hilfe ersucht Ihr von diesem bescheidenen Diener unseres Herrn?“
„Galrand Cadenus?“, fragte der Mann noch einmal, den Blick noch immer gesenkt.
„Ja, der bin ich“, bestätigte Cadenus noch einmal und gestattete sich innerlich einen Seufzer.
„Innos sei Dank“, murmelte der Mann und fiel auf die Knie, wobei er den Ring an Cadenus rechter Hand küsste. „Ich bin weit gereist, Vater, in Länder, fernab von hier, weit hinter den Bergen, jenseits des Meeres aus Staub und Sand. Ich war auf der Jagd, nach Geister, Dämonen und über allen diesen Perversionen Innosens Schöpfung, diese gottverdammten Paktierer. Und ich habe unzählige von ihnen erschlagen, hier, mit diesen von Sonne und der harten Arbeit rauhen Händen, denselben, mit denen ich nun Eure Güte spendende Hand umfasse. Ich habe es im Glauben an unseren Herrn getan, im Glauben an Innos, dem Schöpfer, der uns mit seinem Licht den Weg aus der Verdammnis zu weisen versucht.“
„Das habt Ihr gut getan“, sagte Cadenus. „Denn wer im Namen unseres Herrn reist, wandert auf dem Pfad des Lichts und somit dem richtigen Weg.“
„Aye“, sagte der Mann, „Doch fürchte ich, dass ich zu weit gegangen bin.“
„Was... meint Ihr damit?“, fragte Cadenus vorsichtig.
„Ich habe zuviel gesehen“, antwortete der Mann. „Ich habe zuviel Blut vergossen. Ich zweifle daran, dass Innos Güte jemals das Blut von meinen Händen waschen kann. Ich habe so viele getötet, dass die Zahlen zu groß werden, als dass mein Geist sie noch erfassen könnte. Ich tat es im Dienste Innos, um ihre Seelen zu retten, doch nun gerade ich ins Zweifeln, ob ich noch gerettet werden kann, ob sich Innos meiner Seele annehmen wird, jenem geschundenen Geist, der in seinem Namen so viele erschlug.“
„Innos nimmt sich all derer an, die sich seiner würdig erweisen“, wich Cadenus auf einen allgemeineren Pfad aus. „Und sofern Ihr recht gehandelt habt, wird er auch Euch von der irdischen Qual erlösen, wenn es an der Zeit ist. Hebt Euren Blick, mein Sohn, denn in Eurem Handeln lag kein Fehler.“
„Ich danke Euch für Eure gütigen Worte, Vater.“
Der Mann griff nach seinem Rucksack. Dort, durch die Schlafrolle gesteckt, waren die durch ein dunkles Tuch verhüllten Umrisse zweier Schwerter zu erkennen. Eines davon zog der Mann nun heraus und hielt es dem Priester mit dem Griff voraus hin.
„Es ist Jahre her, dass ich diese Klinge zuletzt segnen ließ“, erklärte der Mann. „Bitte Vater, segnet dieses Schwert im Namen unseres Herrn, auf dass sie mir den Weg durch die Finsternis erhellen kann.“
Cadenus Zähne knirschten leicht, doch er griff dennoch mit spitzen Fingern nach dem ihm dargebotenen Schwert. Kaum hatten seine Fingerspitzen jedoch das Metall berührt, da fuhr es ihm siedendheiß durch den Arm und mit einem Schrei ließ er die Klinge fallen. Der Schmerz ließ dunklen Nebel vor seinen Augen aufsteigen und er stieß im Taumeln gegen den Altar. Durch den Schleier konnte er sehen, wie sich der Mann langsam aufrichtete. In seiner Hand blitzte es silbern.
„Diese Klinge gehört einen Mann, dessen Hass auf die Dämonen und Paktierer fast ebenso groß ist wie sein Zorn gegen den Mann, der ihm das Zeichen der Jäger aufgezwungen hat. Scheinbar ist doch etwas an den Geschichten dran.“
Er war die Stufen zum Altar hochgestiegen und sah nun mit einer Mischung aus Verachtung und Mitleid auf Cadenus herab.
„Zudem“, meinte er, als er den Priester an der Schulter packte und vom Boden hochzog, „hat der echte Galrand Cadenus seinen Ring links getragen.“
Damit zog er den Dolch durch die Kehle des vermeintlichen Priesters. Dessen Gestalt begann zu verschwimmen, als er röchelnd auf den Stufen des Altars zusammenbrach. Hager wurde sie und zugleich identitätsloser. Das Gesicht wirkte wie eine mehlige Fläche ohne feste Form, in der die Züge eines menschlichen Antlitzes nur angedeutet waren.
Win'Dar wischte seinen Dolch an der Robe sorgfältig sauber, bevor er den Eisbrecher einsammelte. Dann betrat er die Katakomben und ließ den Gestaltwandler hinter sich zurück.
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Sheyra erwachte genau in dem Moment aus ihrer tranceartigen Starre, als sie unter den Armen gepackt und in die Höhe gezogen wurde. Zuerst hatten ihre Augen Probleme, sich an die veränderten Lichtverhältnisse zu gewöhnen und sie wäre gestürzt, wenn sie nicht festgehalten worden wäre. Jemand machte sich an ihren Fußfesseln zu schaffen, dann bekam sie einen Stoß in den Rücken und taumelte in eine zylinderförmige Halle.
Das Erste was sie sah, waren die gut zwei Dutzend Paktierer, die sich in einem weiten Kreis um sie versammelt hatten. Manchen, wie dem Buckligen mit den Spinnenbeinen, sah man sofort an, dass sie mit Dämonen im Bunde waren. Andere wirkten wie ganz gewöhnliche Menschen. Zumindest auf den ersten Blick. Sie erkannte sogar den Jungen wieder, der einen Teil von ihrer Gruppe fortgelockt hatte. Also war selbst dies eine Falle gewesen...
Die Halle selbst war kreisrund und führte schornsteinartig mehrere Dutzend Schritt in die Höhe. In diesem Schornstein waren die Wände von einem Geflecht rötlicher Adern durchzogen, die sanft zu pulsieren schienen. In unregelmäßigen Abständen wuchsen balkenartige Stränge aus den Wänden und spannten sich wie Brücken auf die andere Seite. Das Ganze wirkte auf eine unheimliche Weise geradezu lebendig. Noch etwas viel Sheyra auf: Der Boden der Halle wurde von fünf dunklen Rillen durchzogen, die sich gegenseitig schnitten. Doch er war nicht statisch. In ungleichen Abständen rückten die einzelnen Stücke mal näher zusammen, dann wieder weiter auseinander. Die gesamte Festung schien im Takt eines verborgenen Rhythmus zu pulsieren.
„Macht sie los.“
Eine Frau war nach vorn getreten und kam mit seltsam hoppelnden Gang auf Sheyra zu. Sie hinkt nicht, dachte sich Sheyra, sie macht kleine Sätze. Und bewegt dazu stets beide Beine gleichzeitig. Wie ein Vogel.
So skurril ihr „Gang“ auch wirkte – Sheyra war nicht zum Lachen zumute. Während jemand Sheyras Fesseln vollständig löste und den Knebel lockerte, war die Frau bis auf einen knappen Schritt herangetreten. Sie war groß, sicher fast einen guten Kopf größer als Taeris, wobei dieser Eindruck noch von ihrer kerzengeraden Haltung verstärkt wurde. Schwarze Augen mit einem Blick, der wohl selbst Rüstungen durchschlagen konnte, saßen unter schmalen, strengen Augenbrauen. Das Alter ließ sich schwer schätzen – zwar waren ihre Züge durch wenige, aber dafür tiefe Falten überzeichnet, doch das lange Haar war von einem Schwarz, wie es sonst höchstens bei Raben in ihren besten Jahren zu finden ist.
„Dies ist also die Gezeichnete“, stellte die Paktiererin abschätzend fest. „Ihr bringt sie reichlich spät.“
Der Bucklige senkte den Kopf.
„Es gab Schwierigkeiten. Ihre Gefährten erwiesen sich als hartnäckiger als erwartet.“
„Habt ihr sie getötet?“
Nicht die Spur einer Emotion. Sheyra erschauderte.
„Nein, Herrin.“ Der Bucklige schüttelte schwach den Kopf. „Es war schwierig genug, die Gezeichnete überhaupt bis Shen'Deah zu bringen, bevor der Jäger sie einholt.“
„Es ist noch nicht zu spät“, sprach die Paktiererin. „Doch wir müssen uns beeilen. Dardathir! Bring die Gezeichnete in den Kerker. Istvan, du wirst bei den Vorbereitungen für das Ritual helfen. Wenn der Jäger hier eintrifft bevor der Schutzzauber bereit ist, sind wir alle tot. Garthal, ich will, dass du diese Gefährten aufspürst und sie ein für allemal erledigst. Wir können uns keine Störungen erlauben.“
Der Bucklige nickte und zog sich zurück. Sheyra beobachtete, wie die Paktiererin angestrengt die Augen zusammenkniff. Etwas bewegte sich in ihren Haaren. Ein schwarzes Ding bewegte sich zwischen den Strähnen in Richtung ihrer Schultern. Ein... Dorn? Nein – ein Schnabel! Es war der Schnabel einer Krähe, der sich dort zwischen den Haaren hervorschob. Und nicht nur der Schnabel: Kurz darauf kam der Kopf zum Vorschein. Zentimeter für Zentimeter schlüpfte vor Sheyras Augen ein ausgewachsener Vogel aus den Haaren der Paktiererin. Jetzt erkannte sie auch, dass es sich dabei um gar keine Menschenhaare handelte. Es war das Gefieder von Krähen, nur in der Form menschlicher Haare.
Die Krähe saß für einen Moment auf der Schulter und neigte den Kopf, um Sheyra zu begutachten, dann stieß sie ein heiseres Krächzen aus und folgte dem Buckligen in die Dunkelheit.
Die Paktiererin wandte sich ab, als Dardathir hinter Sheyra trat und sie grob an der Schulter packte.
„Fyera“, sagte Sheyra auf einmal. Die Paktiererin blieb stehen. „Fyera Calandiere. Das ist doch Euer Name.“
Die Angesprochene drehte sich herum.
„Ich wüsste nicht, dass wir uns vorgestellt hätten.“
Ein dünnes Lächeln erschien auf Sheyras Zügen.
„Weil Ihr denkt, es sei nicht nötig. Weil ich ohnehin sterben werde.“
Fyera kam näher und blickte auf Sheyra herab.
„Liest du meine Gedanken?“, fragte sie lauernd.
„Nein“, lachte Sheyra. „Ich nicht.“
„Bringt sie fort von hier!“, befahl sie Dardathir streng. „Und gebt gut auf sie Acht. Ich will nicht, dass so kurz vor unserem Ziel noch etwas Unvorhergesehenes passiert.“
„Oh“, sagte Sheyra, „Das werdet Ihr aber nicht verhindern können.“
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Es dauerte nicht lange, da hatte Win’Dar die Gruppe eingeholt. Er schnaufte leicht, als er sie erreichte.
„Wir sind hier richtig“, meinte er nur kurz angebunden.
„Woher weist du das“, wollte Sentinel wissen.
„Der Priester, er war kein Priester“ war die Antwort. Keiner fragte nach, was er denn sonst gewesen ist. Es war ihnen offenbar genug zu wissen, das er tot und kein Mensch war.
Je tiefer sie in die Katakomben unter der Kirche vorstießen, desto mehr veränderten sich die Wände, des schmalen Ganges. Wo anfangs noch schön gehauene Steine und Säulen die Seiten zierten waren jetzt grob gehauene Steinbrocken. Außerdem waren hier keine Särge mehr die Taeris hätte aufbrechen können. Warum, konnten alle nach ein paar weiteren Minuten feststellen.
Knochen. Überall Knochen, nur ab und zu sah man einen Stein zwischen den Gebeinen durchschimmern. So tief unter der Erde hatte man sich nicht mehr die Mühe gemacht die Toten in Särgen unterzubringen. Stattdessen wurden sie einfach aufeinander gestapelt. Wenn die Gruppe es nicht besser wüsste, hätte man annehmen können die Knochenstapel hier wären das Fundament des strahlenden Gotteshauses.
Und es war kühl hier unten, die Gebeine und die Steine waren eine perfekte Isolation um die Kälte beizubehalten und nicht heraus zu lassen. Ein weiteres Übel war die Luft hier unten. Nicht nur das man fast doppelt so viele Atemzüge brauchte als an der frischen Luft um nicht umzukippen, nein auch der Gestank von Moder und Verfall machten die Marsch nicht gerade angenehm.
Die Gefährten wussten nicht wie lange sie dort unten hinter Linas Lichtkugel herliefen, sie mussten schon einen oder zwei Kilometer unter der Stadt sein, da geschah etwas Seltsames. Es war ein leises Rascheln, welches von Sekunde zu Sekunde zunahm. Dann sahen sie es: Irgendetwas flog über ihren Köpfen hinweg und war genauso schnell verschwunden, wie es gekommen war. Es war wie ein Pfeil mit schwarzem Gefieder der an ihnen vorbei schnellte.
„Was bei den Göttern war das denn?“
„Keine Ahnung, nur ein Vogel.“
„Nur ein Vogel. Weißt du wo wir hier sind? Meilenweit unter der Stadt – hier gibt’s keine Vögel!“
„Hier muss es irgendwo eine Öffnung oder einen geheimen Gang geben, der uns weiter führt. Also los weiter!“
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Lehrling
Seine anfängliche Euphorie ob ihrer Ankunft in der trauten Zuflucht war geschwunden. Zum einen war da die Wut, aufgestaut durch diesen Istvan - blind, tobend. Auch wenn Dardathír nicht genau wusste, ob dieser Zorn oder lediglich das Bedürfnis, innerlich den Kopf über den überheblichen, halbtoten Istvan mit seiner verqueren Einstellung und den schwachsinnigen Äußerungen zu schütteln, überwog – sobald diese Sache erst einmal überstanden war, würde er sich den Jungen Istvans zur Seite nehmen. Mal sehen, wie flink der Alte noch mit der Zunge war, wenn sein Sohn nicht mehr ganz so frisch wirkte, wie er das gerne haben wollte.
Ein weiterer Punkt war, dass man überall in der Festung spürte, dass sich etwas Wichtiges anbahnte. Anspannung sprach aus den Mienen der Paktierer die sie passierten, sogar der Hohepriesterin selbst hatte man eine gewisse Unausgeglichenheit anmerken können. Eine, die ganz und gar nicht dazu angetan war, Dardathír zu beruhigen. Es kam ihm sogar so vor, als ob das Herz Shen’Deahs, ohne dass die Zuflucht im wahrsten Sinne in der Zeit eines Herzschlages verloren sein würde, schneller schlug. Ob sein Besitzer, in dessen Leib sie alle sich befanden, wohl um die Bedeutung des sich in naher Zukunft ereignenden, geplanten Geschehnisses wusste?
Das Fortbestehen oder der Untergang der letzten Bastion der Paktierer, welche an anderer Stelle, nur einige hundert Meter entfernt als Geächtete verfolgt und umgebracht wurden. Theoretisch jedenfalls.
All dies hing von einer einzigen Frau ab, die nun direkt neben ihm, Dardathír, schritt, und das auch nur, da sie zufällig mit dem Gezeichneten verwand und es somit auch auf sich übernommen hatte, die Jäger anzuziehen.
„Was versprecht Ihr euch eigentlich hier von? Noch ist es nicht zu spät, Ihr könnte es noch schaffen das Weite zu suchen“, gab Sheyra in diesem Moment von sich, als ob sie gewusst hätte, dass die Gedanken des Paktierers sich mit ihr beschäftigten. Nun, zugegeben war dies allerdings auch nicht all zu schwer zu erraten gewesen. Doch woher kam plötzlich die Selbstsicherheit in der der Stimme der Gefangenen, die vor kurzem noch eine jämmerlich winselnde Gestalt in Fesseln gewesen war?
„Ich bin nicht derjenige, dem hier Gefahr droht“, entgegnete der Magier wider seine eigenen Befürchtungen und machte eine vage Geste in die Richtung, aus der der Jäger früher oder später erscheinen musste. „Wegen Euch wird er hier erscheinen - was für uns ebenso fatal wäre, wenn er uns nicht in die Falle gehen würde. Aber das wird er.“
„So“, stellte Sheyra nur mit einem versonnenen Lächeln fest und beließ es dabei, den Paktierer im Unklaren darüber lassend, was sie genau meinte. In tiefes Schweigen gehüllt legten sie so den weiteren Weg in Richtung des Kerkers zurück, wo sie schlussendlich nach etlichen Korridoren mit teils weggebrochener Wand, durch die man die große Höhle sehen konnte und noch zahlreicheren, scheinbar völlig ‚verwachsenen’ Gängen auch anlangten.
Barsch wies Dardandthìr die Gezeichnete kurzerhand in die erste Zelle ein, eine Wache war nicht nötig. Shen’Deah war durchaus in der Lage, die Zellen selbst zu sichern. Blieb nun nur noch, die letzten Vorbereitungen für das Ritual zu treffen, dass die Macht des Jäger in ihre Hände bringen sollte.
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Der Paktierer zerrte Sheyra zur der Zellentür gegenüberliegenden Wand. Dort hingen einige eiserne Schellen an Ketten von der Decke. Rasselnd ließ er sie ein Stück weit herunter, um sie um Sheyras Handgelenke zu schließen.
„Dir wird das Lachen noch vergehen“, drohte er murmelnd, bevor er die Zellentür verriegelte und davonstapfte.
Doch Sheyras Lächeln blieb. Mehr noch: Sie lachte sogar und die Ketten, an denen sie hing, kicherten leise mit. Denn scheinbar hatte der Alte die andere Frau nicht gesehen, die im Schatten der Zellentür saß.
„Du bist also auch hier“, stellte Sheyra lachend fest.
Von der Frau waren nur die Augen zu sehen, die im Schatten schwach glänzten.
„Ich sagte doch, dass ich auf dich warten werde.“
Sheyra kicherte leise.
„Warum hat dich niemand bemerkt?“
Der Schatten in der Ecke zuckte die Schultern.
„Vielleicht wollen sie mich nicht sehen? Wer weiß das schon...“
Sie glaubte ein belustigtes Funkeln in den Augen zu erkennen.
„Bis vor kurzem wolltest ja nicht einmal du mich sehen.“
„Ich kannte dich ja auch noch gar nicht“, sagte Sheyra.
„Ja, das ist schade“, meinte die andere. „Dabei kenne ich dich doch schon so lang.“
„Warum hast du dich dann nicht früher gezeigt?“, wollte Sheyra wissen.
Wieder das Schulterzucken.
„'s war nicht die rechte Zeit. Wer weiß - vielleicht hättest du mich sonst ignoriert?“
„Warum hätte ich das tun sollen?“
„Ich hatte Angst, du könntest mir nicht vertrauen.“
Sie hob den Kopf, schien ein wenig mehr ins Licht zu rücken. Dennoch hielten die Schatten ihr Gesicht gefangen.
„Sag mir Sheyra: Vertraust du mir jetzt? Wir sind doch Freundinnen. Oder habe ich mein Versprechen nicht gehalten?“
Sheyra musste erneut kichern.
„Doch, das hast du.“
Scheinbar befriedigt lehnte sich die andere wieder zurück.
„Diese Paktierer werden ihr blaues Wunder erleben“, hörte Sheyra sie sagen. „Du wirst mir doch helfen, nicht wahr?“
Sheyra nickte eifrig.
„Natürlich werde ich das.“ In ihre Stimme mischte sich ein sehnsüchtiger Unterton. „Kannst du mich noch einmal dorthin bringen?“
„Aber natürlich kann ich das“, lachte die andere.
„Ich hatte gehofft, dass du das fragen würdest.“
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Jeder Schritt gab ein leises Knirschen von sich, dass Troan die Nackenhaare aufsteigen liess. Natürlich war es nur Staub und Erde die unter seinen Stiefeln zerbröselte, doch nach den vielen Knochen die er hier unten gesehen hatte, glaubte er dauernd auf einen Schädel, einen Armknochen oder Ähnliches zu treten. Schreckliches Gefühl.
„Ein Brunnen?“, vernahm Troan Taeris’ verwunderte Stimme. Schliesslich rückten die anderen nach und sahen ebenfalls den Grund der Verwunderung: Es war tatsächlich ein Brunnenschacht, wenn er auch nie Wasser führen würde oder es je getan hätte.
„Pesttote werden in solchen Schächten herabgelassen, wenn es zu viele werden um allen ein Grab zu schaufeln…“, flüsterte Win’Dar.
„Der Weg geht nicht mehr weiter. Es scheint ne Sackgasse zu sein…“
„Da sind Treppenstufen, eingelassen an der einen Seite des Brunnens. Schmal aber klar ersichtlich. Anscheinend haben die Paktierer den Brunnen zu ihrem Eingang gewählt. Sie scheinen eine Schwäche für solch makabere Durchgänge zu haben“, meinte Troan und spähte den Schacht hinunter. Allzu tief war er nicht, ausser die Menge der Knochen hatten den Grund bereits so stark aufgefüllt. Ein schrecklicher Geruch schlug dem Lee entgegen. Verwesung und noch etwas, das er jedoch nicht identifizieren konnte, da er lieber vorher die Luft anhielt und zurück trat. Er hustete um den Geschmack des Todes aus dem Körper zu bekommen. Dafür schluckte er nun einiges an trockener, mit Staub geschwängerter Luft.
„Na dann…“, murmelte Taeris und begann über den Schacht die Stufen hinab zu steigen. Sly folgte ihm. Schliesslich nahm Troan als nächster den Abstieg in Angriff. Die Treppen waren schmal und man musste höllisch aufpassen, dass man nicht viel. Der Lee war nicht sehr erpicht darauf, die Knochen am Ende des Schachtes näher zu betrachten. Vermutlich würde er bei seinem Pech auf einen spitzen Knochen fallen, der ihm den Rücken durchbohrte.
Ein Raunen ging von Taeris aus und hallte an den engen Mauern des Schachtes wieder. Er schien etwas gefunden zu haben. Schliesslich kam auch Troan zum Ende des Abstieges. Ein Tunnel eröffnete sich vor ihnen, der rasch an Breite und Höhe gewann. Win’Dar, der nach Troan hinab geklettert war, kam ebenfalls wohlbehalten unten an. Danach folgten Lina, redsonja und Sentinel.
„Wir scheinen richtig zu sein“, murmelte Troan und meinte die Reliefe an den Wänden des Ganges. Sie waren alt und dadurch verblichen. Ausserdem reichte das Licht der Fackeln nicht um den ganzen Gang auszuleuchten. Doch das was man von den Zeichnungen erkennen konnte, liess grausiges ahnen: Der Tod in allen Formen und Farben. Dämonen, Rituale, Zombies…all die Dinge, die man mit „Paktierer“ assoziierte.
„Weiter.“
Taeris ging an der spitze der schweigenden Gruppe. Im Gänsemarsch kamen sie voran. Möglichst wenig Blicke zur Seite und nur auf den Boden starren…
Unterdessen hatte Troan den Geruch erkannt. Es roch nach Schwefel, wenn auch nur leicht. Die warme Luft trug ihn mit sich. Verdammt sie liefen geradezu in Beliars Reich hinein.
Schliesslich hielt Taeris an und die nachfolgenden krachten beinahe in ihn hinein. Vor ihnen bot sich ein schauriges Bild: Ein steinerner Torbogen füllte den Gang aus. In dem dunklen, vulkanartigen Gestein waren dämonische Fratzen eingelassen. Sie alle starrten die Besucher mit ihren Augen an. Einige lachten höhnisch, andere schienen ihnen zu drohen. Ganz oben, auf dem Schlüsselstein des Bogens waren einige verwitterte Buchstaben zu erkennen.
Shen'Deah - Sorei dimarna
“Shen'Deah - Halle des Bundes“, murmelte Win’Dar hinter Troan.
„Du kannst das lesen?“, fragte der Lee verwundert und Misstrauen war aus der Stimme herauszuhören.
„Es ist Sha'garn. Die Sprache der Paktierer“, entgegnete er. Troan erwiderte nichts sondern blickte zurück auf den Torbogen. Halle des Bundes…nun hatten sie also gefunden, nachdem sie tagelang gesucht hatten. Doch irgendwie erfüllte das Troan nicht mit einem Freudengefühl.
Wie viele Menschen konnten die Sprache der Paktierer? Einen Moment lag die Vermutung nahe, dass er mit den Verrückten im Bunde stand. Doch verwarf Troan den Gedanken wieder. Es war keine Zeit um irgendwelchen Verschwörungstheorien nach zu gehen.
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Die Gruppe durchschritt langsam den Torbogen und fand sich in einem weiteren Tunnel wieder, falls man überhaupt davon sprechen konnte. Im Gegensatz zu dem vorher sehr engen Durchgang war , konnten selbst hier die Fackeln nicht die Decke erleuchten. Auch das Ende des Tunnels war nicht zu entdecken. Die Gruppe hätte in diesem Gang gut nebeneinander laufen können und hätte dabei immernoch genug platz gehabt, aber dennoch entschieden sie sich dazu, dass Taeris weiter vorlief und die anderen ihm folgten.
Der Tunnel war ebenfalls nicht einfach nur schnurgerade, er machte öfters Biegungen und schien auch manchmal leicht anzusteigen und auch gelegentlich tiefer in die Erde zu führen. Ebenfalls war er gelegentlich von einigen Nischen durchbrochen, deren Ende nicht zu sehen war, verdammt. VIelleicht hätten sie schon irgendwo abbiegen sollen und sie würden jetzt in einer Sackgasse landen.
Während die Gruppe weiter dem schier endlosen Gang folgte, fingen sie an ein krachzeln zu hören. Das Echo des Tunnels machte es ihnen fast unmöglich zu bestimmen woher die Geräusche kamen. Aber es war allen klar, dass sie nur näherkommen konnten. Man konnte bereits das typische scharren hören, wenn Schwerter aus Scheiden gezogen werden, als sich die Truppe bewaffnete. Der Gildenlose hielt seinen Speer bereit um jederzeit seinen Gegner abstechen zu können, egal woher er kam. Das Scharren, dass sich wie viele kleine Beine anhörte, die über den Boden zu kratzen schienen wurde immer lauter, doch mit einem mal war es verschwunden.
Die Gruppe wartete noch eine Weile, aber das Scharren ertönte nicht wieder. Schulterzuckend machte Taeris sich wieder auf den Weg. Die Gruppe ging eine kleine Strecke weiter, als Taeris mit einem mal vor ihnen Strauchelte und auf den Boden fiel. Der Gildenlose merkte ebenfalls, dass etwas sein Bein festhielt und nur seine akrobatischen Fähigkeiten bewahrten ihn davor direkt auf Taeris zu stürzen. Irgendwo im Gang war ein Lachen zu vernehmen, dann erneut das Scharren von Beinen, das aber bald wieder verschwand.
"Was zum Teufel war das?" meinte Sly und betrachtete die Stelle an der er gestolpert war. Im schwachen Fackelschein konnte er einen dicken Faden von einer Seite zur anderen gespannt sehen, der in diesem Licht etwas schimmerte. Sly berühte ihn und blieb mit der Hand daran hängen, nur ein kräftiger Ruck konnte sie wieder befreien. "Das ist ein Spinnenseil." meinte er zu den andren und erinnerte sich mit Schrecken an das Biest, dem Frost über die Dächer gefolgt ist. Vermutlich hatte er es mit diesem hier zu tun. "Denkt ihr wie ich an den Spinnenmann aus Gorthar? Das heißt wir sind hier ziemlich am Arsch, wenn der genausogut klettern kann, wie damals. Wieso hatte Frost den Mistkerl nicht einfach umgebracht? " sprach Sly während er sich wieder erhob. "Los wir müssen weiter. Vielleicht ist es noch nicht zu spät für Sheyra. " rief Win'Dar dazwischen und die Gruppe eilte weiter.
Jetzt liefen sie den Tunnel weiter entlang, seltsame Säulen und eingebaute Nischen flogen geradezu an ihnen vorbei. Wie lange waren sie schon unterwegs? In dieser Dunkelheit verlor man jegliches Zeitgefühl. Inzwischen mussten sie ein gutes stück gelaufen sein, als Sonja plötzlich rief "Wo ist Sentinel? Er war geradeeben noch hinter mir!". Die Gruppe hielt an und er war tatsächlich verschwunden. "Verdammt. Er war der letzte gewesen oder? " meinte Taeris. "Verdammt vermutlich hat diese spinne ihn sich geschnappt. Wo sollen wir suchen?"
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“Das ist nicht gut…“
murmelte Taeris mehr zu sich selbst und versuchte etwas in der Dunkelheit über ihnen zu erkennen, während er aus den Augenwinkeln heraus auf plötzlich auftauchende Fäden achtete. Mit der Fackel in seiner Linken ein wenig nach vorn leuchtend kehrte Taeris den Anderen den Rücken zu.
“Wir sollten dicht zusammen bleiben und uns langsam hier raus bewegen…“
sprach Taeris leise. Wer oder was auch immer da auf sie lauerte…es hatte beinahe alle Vorteile auf seiner Seite. Und es spielte mit ihnen. Reflexartig duckte der Veteran sich plötzlich. Ein seidener, fast durchsichtiger Faden von der Dicke eines relativ starken Nähgarns schoss förmlich an ihm vorbei und blieb auf Höhe seiner Schulter gespannt in der Luft hängen. Mit angewidertem Blick berührte er es mit der Spitze seines Schwertes und wand es so herum, dass sich die Spinnenseide einige Male darum wickelte. Ruckartig zog er die elastisch nachgebende Masse nach hinten. Doch die Seide riss nicht. Sie gab immer weiter nach.
Genervt hielt Taeris die Fackel neben die Klinge und setzte den Faden in Brand. Flammen züngelten auf, schlangen sich um die Spitze der Klinge, ehe sie erloschen und die schwarzen Überreste der Seide zu Boden fielen.
“Großartig… jemand ´ne Idee?“
Taeris dachte an seine Feuerpfeile. Aber die Gefahr war zu groß, dass Sentinel irgendwo an der Decke hing und getroffen wurde. Eigentlich war es natürlich sehr unwarscheinlich. Aber bei Taeris´ Glück, würde der erste Pfeil einen Kokon an der Decke treffen, der daraufhin in Flammen aufging und Sentinel flambieren… Bei dem Gedanken an das Wesen, welches es vollbracht haben musste, einen ganzen Menschen derart schnell fort zu schaffen, ließ den Veteranen schaudern. Spinnen waren ihm unangenehm. Und das galt schon für die, welche die Größe von Handflächen hatten. Dunkelheit umgab sie…und eine Spinne die womöglich größer war als ein ausgewachsener Mann, saß in irgendeiner Ecke und wartete darauf, dass ihre Opfer ins Netz gingen…
“Feuer ist aber schon mal ´n Anfang…“
meinte Sly knapp und stieß den Veteranen an, um auf den quer durch den „Raum“ gespannten Faden zu deuten, der nun in Flammen stand. Eilig rasten sie auf der schmalen Linie entlang, die sich langsam in der Dunkelheit verlor und durch das Kappen wie von Geisterhand langsam zu Boden sank. Eine kurze leuchtende Linie zog sich von ihnen ausgehend durch die Dunkelheit und erlosch nur wenige Meter von ihnen.
Plötzlich zog Troan Sly unsanft zur Seite, als aus dem Nichts ein weiterer seidener Faden an ihm vorbei schoss und auf dem Boden auftraf. Immer mehr Fäden tauchten plötzlich aus der Dunkelheit auf, fielen langsam wie Taue herab, oder schossen quer durch die Luft. Einem weiteren Faden ausweichend setzte Taeris noch eine mit seiner Fackel in Brand. Wieder züngelten die Flammen an ihr entlang, hinterließen zu Boden sinkende Asche und leuchteten ein wenig den Raum aus. Zumindest konnte man erkennen, wo die Wände waren und wo er aufhörte. Auch die Anderen begannen nun mehr und mehr Fäden an zu zünden, schon bald konnte man sich ungefähr denken, wie das Gewölbe überhaupt dimensioniert war. Eine diagonal gespannte Spinnwebe entzündete sich. Ein Schatten schien sich in der Ecke über ihnen zu regen, als die Flamme rasch dorthin wanderte und wieder erlosch.
Ein Ausgang würde sich auf diese Art der Spinnwebbekämpfung wohl auf kurz oder lang relativ leicht finden… aber wo war Sentinel?
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Also Lina war das Ambiente dieses Ortes ganz und gar nicht zu wieder. Es machte beinahe den Eindruck, als wäre sie daheim in den vielen dunklen Gängen des Kastells, während sie sich selbst vormachte, sich ganz sicher nicht verlaufen zu haben. Das einzig Verschiedene in dieser Höhle, oder was auch immer das grob Gemäuer darstellen sollte, stellte die Abwesenheit der Dämonen dar. Und natürlich die Spinnenweben, die sich zwischen den Gefährten wieder und wieder hindurch schlängelten und den Eindruck machten, jemanden ergreifen zu wollen. Irgendwie gefiel auch Lina das nicht, was sie dazu verleitete, in ihrem Runensack zu wühlen und einen ganz bestimmten Runenstein aus diesem heraus in ihre Hand zu verlagern. Was Taeris mit Feuer machte, konnte nicht grundsätzlich falsch sein, also entschied sich die Priesterin dazu, ihm und den Übrigen behilflich zu sein. Schließlich musste Sentinel gefunden werden, der, aus einem ihr unerfindlichen Grund, nicht mehr hinter ihr ging, um sie zu beschützen. Bestimmt hatte dieses Spinnending ihn gefangen und er hing jetzt irgendwo leblos an der Decke herum. War aber auch nicht so wichtig.
Als sie die Augen schloss, um ihrem Zauber Magie zu verleihen, flackerte ihre grün schimmernde Lichtkugel schwächelnd auf, als ob ihr für einen Moment die Energie entzogen wurde. Währenddessen sammelte Lina ihre Kraft im linken Arm. - Warum sie die Rune in der linken Hand hielt, konnte sich die Magierin nicht beantworten. Magische Gegenstände gingen wohl auch ihren eigenen Weg. „Achtung.“, sprach sie, gleichwohl von einer gewissen Apathie befangen und absolut gleichgültig, konzentriert und gebot den vor ihr schreitenden und zündelnden Gefährten, anzuhalten. Ob sie dies getan hatten, oder nicht: Einige Schritte vor Taeris wurde die Luft wärmer, schien geradezu sengend heiß zu werden. Niemand sollte sich nun noch dort in der Nähe aufhalten. Flammen tauchten auf und schienen die groben Konturen eines großen, unförmigen Menschen zu bilden, bevor ein Schwall brennenden Gesteins sich in den Rahmen ergoss und einen Feuergolem erschuf. Manch einer mochte diese Gebilde auch »Lavagolem« nennen, doch Lina war dieser Ausdruck zuwider, selbst wenn dies eher der Wirklichkeit entsprach. Aber immerhin brannte die Höllenkreatur und verbrannte viele der Fäden.
Lina unterbrach ihre Konzentration und ließ den Golem einfach so vor sich hin brennen und die Gegen erhellen. Auch ihre Lichtkugel gewann wieder an Kraft. Im selben Augenblick, da der Mund der Magierin sich öffnete, um etwas Spracheähnliches aus sich herauszulassen, ergriff den Arm der Priesterin, der, gerade entspannt, die Rune in den Beutel zurückführte, ein Faden. Hals und Rücken wurden ebenfalls umwickelt, so wie die übrigen Extremitäten. Ein Schrei brach ab, denn verklebte ein Faden ihren Mund, um sie der Sprache zu berauben. Verdammt, verfluchte sie innerlich dieses Spinnengedingse auf Beliar persönlich und begann sich zappelnd zu winden, als sie langsam nach oben gezogen wurde.
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Lehrling
Während Gestroi zusammen mit den anderen Paktierern das Ritual vorbereitete, war Watzlav in den Kerker verschwunden, um Sheyra zu holen. Die anderen hatten ihn bei ihren Vorbereitungen nicht gebraucht und ihm nun diese Aufgabe gegeben damit er den Raum verließ und nicht stören konnte.
Er wusste, dass im Grunde noch mehr als genug Zeit dafür war Sheyra zu holen und so beschloss er, noch ehe er unten angekommen war, einen kleinen Ausflug in ihre Gedankenwelt zu unternehmen. Er wollte unbedingt herausfinden, was seinen Blick beim letzten Mal verschleiert hatte.
Wenig später betrat der Irre die Zelle der Gezeichneten. Spielten ihm seine Sinne einen Trick oder hatte sie nun das letzte Bisschen Verstand verloren? Er spürte weder Angst, noch Wut in der Frau – im Gegenteil – es lag eine Art Aura der Harmonie um den angeketteten Leib. Nur mit Mühe unterdrückte Watzlav den Drang zum entrüstetem Aufschrei. Damit hatte er nicht gerechnet.
Er trat näher an die Frau heran, aber er spürte keine Veränderung in ihren Gedanken. Es war, als hätte ihr Geist den Raum verlassen und nur eine leere Hülle zurückgelassen, die nun keinerlei Emotionen mehr besaß. Sie hatte den Mann noch nicht einmal bemerkt, obwohl sein Gestank an Intensivität ständig zunahm.
„Was ist mit dir?“ Eine sanfte Ohrfeige sollte sie wecken, aber es passierte nichts. Die Frau hing schlaff in ihren Ketten. Verwirrt sah sich Watzlav um und hoffte irgendetwas zu entdecken, was die Frau so verhext haben konnte, doch es gab nichts zu entdecken.
Plötzlich verspürte er den Drang Sheyra noch einmal zu berühren. Es war als würden seine Hände sich gegen seinen Willen an ihre Schläfen setzen, um eine Verbindung zu der Seele der Gefangenen herzustellen. Dann spielte alle Sinne des Paktierers verrückt und die Welt um ihn herum verschwand.
Er fand sich in einer fremden Gegend wieder, die selbst ein totes Herz zum Schlagen bringen konnte. Von riesigen Bäumen umringt, stand er auf einer Lichtung, anbei ein Wasserfall, der merkwürdig ruhig in einen See stürzte.
Da sah er Sheyra und ehe er etwas sagen konnte, wandte sie sich zu ihm und lächelte. „Wo bin ich hier?“, fragte er verstört und bemerkte, dass jene Frau, die er angesprochen hatte, ein wenig anders aussah, als die Frau, welche in Shen’Deahs Kerker hing und als er noch eine zweite Sheyra erblickte schrie er auf. „Was soll das?“
Ein dünnes Lächeln erschien auf den Zügen der Unbekannten. „Ah, Watzlav. Warum so überrascht?“ Sie lies die Hand weit kreisen, um die gesamte Umgebung einzuschließen. „Gefällt es dir hier nicht?“
Watzlav verstand nicht ganz wie er so tief in diese Welt eingedrungen war und wieso er kaum in seinen Körper zurückzukehren vermochte. Die Antwort auf seine Frage half ihm nun kein Stück weiter. „Die unberührte Natur ist kein Ort für einen Paktierer.“, gab er harsch zurück und griff zu seinem Kinn, um den Speichel zu beseitigen. Die Hand fand jedoch nichts, was er wegwischen musste.
Die Frau lachte leise. Es war ein warmes Lachen, wie das einer Mutter, deren Kind gerade einer jener Fragen gestellt hatte, die nur Kinder stellen konnten. „Wenn es hier keinen Platz für dich gäbe, hättest du nicht hierher gefunden.“
Es kam ihm vor wie Spott und Hohn, was die Frau von sich gab. War es die Gewohnheit, die ihn so denken ließ oder machte sie sich wirklich über ihn lustig? Watzlav vermochte es nicht zu sagen. „Was für einen Platz soll ich in der Traumwelt eines fremden Geistes finden?“
Da durchzuckte ein schreckliches Bild seine Gedanken. Er hatte einen Dämon gesehen, der sich in seinen Mund stürzte. Die Vision war wie real und die Unfähigkeit sich zu bewegen hatte in diesem kurzem Augenblick eine schreckliche Panik in sein sonst so ruhiges Gemüt gebracht.
Die fremde Frau war währenddessen näher gekommen. „Du bist verwirrt und orientierungslos.“ Sie war nun nahe genug, dass Watzlav die hellen Ringe erkennen konnte, in deren Mitte die Pupillen wie schwarze Perlen lagen. Grau waren sie, von der Farbe des Winterpelzes eines Schneewolfs, und mit winzigen Sprenkeln durchsetzt, die wie Funken schwach rötlich glommen.
„Aye, du bist verwirrt und das ist verständlich. Zu lange war dein Geist mit dem des Dämons verschmolzen. Zu lange hat Gestroi deinen Geist in Ketten gehalten.“ Sie streckte die Hand aus und berührte Watzlav sacht an der Wange. „Hier brauchst du keine Angst zu haben. Gestroi kann dich hier nicht finden, ebenso wie er Sheyra hier nicht finden kann. Wenn ich es nicht will, findet niemand diese Zuflucht.“
Die Worte hallten in seinem Kopf nach und wie Meißel fraßen sie sich durch seinen Geist, um Mauern einzureißen, die viel zu lange schon undurchdringlich gewesen waren. Einen Lidschlag nach ihrer Berührung war die Vision vom Dämon zurückgekehrt, diesmal brach sie nicht gleich wieder ab.
Winzig und hässlich – so und nicht anders würde er das beschreiben, was sich in seinen Mund drängte. Er hatte keine Macht sich zu bewegen, wollte schreien, aber nichts geschah.
Dann hörte er das Lachen, ein schreckliches brutales Lachen voller Unmenschlichkeit und Wahnsinn. Watzlav kannte die Stimme.
Mit einem Mal sah er klarer als je zuvor. „Angst... ja, ich habe Angst.“, murmelte er und eine unbeschreibliche Last fiel von seinem Körper ab. Er fühlte sich leicht und frei, fast als könnte er fliegen. Fliegen wie einst auf den großen Bühnen des Landes., erinnerte er sich an alte Tage. „Sag mir wer du bist und warum du mir hilfst mich zu erinnern? Sag es, warum du mir all das Leid vor Augen führst, das ich erleben musste?“
Wieder erschien dieses warme, mütterliche Lächeln auf den Zügen der Unbekannten. „Ich habe dir nur das gezeigt, was du sehen wolltest. Nicht mehr.“ Ihre Fingerspitzen lösten sich von seiner Wange, als sie sich umdrehte und mit schwebenden Schritten zu der noch immer mit dem Wasser des Teichs spielenden Sheyra zurückkehrte. „Aber auch nicht weniger“, sagte sie dann. Sie blieb neben Sheyra stehen und strich ihr durchs Haar wie bei einem kleinen Kind.
„Was mich anbelangt...“, sie drehte den Kopf und ihre Augen funkelten wie kleine Sterne, „Nenn mich Elindra.“ Wasser plätscherte leise zwischen Sheyras Fingern und Elindras Lächeln gewann etwas an Breite. „Elindra Vashire.“
Watzlav Bunin fand sich im Kerker wieder und noch immer lag seine Hand auf den Schläfen Sheyras. Wer war Elindra? Er wusste es nicht, aber etwas an ihrem Namen kam ihm bekannt vor.
Ich muss sie nun hochbringen, damit das Ritual beginnen kann., dachte er und der Gedanke kam ihm vor, als würde er sich selbst betrügen. Doch hatte er eine Wahl? Würde er sie nicht hochbringen, so würde man ihn früher oder später des Verrats bezichtigen, jagen und töten. Wenn er die Frau hochbrachte, so bestand wenigstens die Chance zu überleben und seinen Körper von dem grausigen Fluch zu befreien, den Gestroi einst über ihn gelegt hatte.
Ja, es war seine einzige Möglichkeit und er musste sie nutzen, aber niemand würde von ihm verlangen können, dass er länger als nötig den Narren auf der gewaltigsten aller Bühnen – dem Leben - spielen würde. Nein, er war zu Größerem berufen und er würde das Ende dieses Dramas selbst verfassen.
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Bevor einer der Gefährten reagieren konnte, war Lina ebenfalls in der Dunkelheit verschwunden. Aber ihr Golem verbrannte weiterhin die fast unsichtbaren Spinnenfäden – also war sie noch am Leben.
Win'Dar fluchte leise. Bereits die zweite, die diesem Bastard zum Opfer gefallen war. Der Paktierer war hier unten im Vorteil und er spielte ihn gnadenlos aus. Win'Dar konnte es nicht leiden, wenn seine Gegner ihre Trümpfe auszuspielen wussten. Aber gut, wenn er unbedingt spielen wollte...
Seine Hände lagen in den Tiefen seines Mantels verborgen, als er sich in die Nähe des Golems zurückfallen ließ. Aus dem Augenwinkel sah er, dass seine Gefährten es ihm gleichtaten. Die Flammen des Golems versprachen zumindest ein gewisses Maß an Sicherheit. Die von Lina beschworene magische Lichtkugel schwirrte derweil orientierungslos im Kreis. Vermutlich erging es ihr selbst nicht besser. Win'Dar konnte nur hoffen, dass sie sich am Riemen riss und das Licht in die richtige Richtung lenken konnte, um den feigen Angreifer zu entlarven.
„Garthal!“, rief Win'Dar in die Dunkelheit, „Traust du dich nicht, offen zu kämpfen? Das war doch dein Name, oder etwa nicht? Garthal Holwart, einst Offizier in der Garde Arjaks von Rynthal.“
Ein leises Kratzen in der Dunkelheit. Krallen, die in schneller Folge über den Fels schabten. Win'Dars Arme spannten sich. Neben ihm legte Taeris einen mit einem Öltuch umwickelten Pfeil auf die Sehne.
„Ich habe gehört, dass du einst ein hervorragender Schwertkämpfer gewesen sein sollst. Unbezwungen, möchte man sagen.“
Wieder das Kratzen. Diesmal von links. Keine Spur von Lina.
„Traurig, was aus dir geworden ist. Ein Monstrum, verdammt dazu, im Schatten herumzukriechen und aus dem Hinterhalt anzugreifen. Was ist aus dem einst so stolzen Krieger geworden, der einst auf jeden spuckte, der zu einem Bogen oder gar einer Armbrust griff?“
Er glaubte eine Bewegung rechts an der Höhlenwand bemerkt zu haben. Nur für den Bruchteil einer Sekunde.
„Ja, ich weiß – du hast Arjak nie den Tod deiner Schwester verziehen. Wer hätte auch ahnen können, dass dieses junge, unschuldige Ding heimlich die Schriften von Paktierern hortet?“
„Schweig!“, zischte es auf einmal aus den Schatten.
Ein schillernder Faden sprang nach Win'Dars Gesicht, doch er hatte den Angriff vorhergesehen und duckte sich. Der Faden fand stattdessen das Feuer des Golems, loderte kurz auf und riss ab.
„Du musst dieser Wanderer sein, von dem Fyera berichtet hat“, hallte erneut die Stimme durch den Tunnel. „Ja, ich erkenne dich wieder. Du warst in Rynthal, als ich gegen den Evarim gekämpft habe.“
„Vielleicht war ich das, vielleicht auch nicht“, antwortete Win'Dar. Seine Fingerspitzen streichelten die Klingen seiner Dolche.
„Wer bist du, dass du all diese Dinge weißt?“
Der Stimme ließ sich nur schwer eine Richtung zuordnen. Im einem Moment erscholl sie von rechts, dann auf einmal von oben, kurz darauf in seinem Rücken. Verdammt, konnte sich diese Magierin nicht zusammenreißen?
„Bist du einer von uns? Einer der Verbannten?“
Das Ding in den Schatten wechselte weiter fliegend seine Position.
„Oder einer der Hunde Innos? Sprich, damit ich weiß, ob ich dich langsam oder auf der Stelle töten soll.“
„Ich bin hier um eine Freundin zu befreien. Reicht das nicht?“
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Die Stimmen schallten undeutlich durch den Raum, verhallten und kehrten wieder. Und erneut sprachen die Spinne und der Wanderer. Irgendwie waren Beide suspekte Persönlichkeiten, aber von Win’Dar glaube Lina immerhin zu wissen, dass er auf ihrer Seite kämpfte. Wenigstens wollte auch er den Spinnenmenschen entlarven. Kurz konnte die Magierin ihm in die Augen schauen, als er sie hinauf bugsierte. Aber es dauerte nicht lange, da hatten sich die Augen wieder in die Dunkelheit verkrochen. Das Gefühl, frei in der Luft zu schweben, nicht sprechen zu können und bloß das Gebaumel des eigenen Körper zu spüren, war sehr seltsam.
Unter sich sah Lina ihre Lichtkugel umherzucken, als wäre ihre Herrin irgendwie außer Sinnen. Eigentlich durfte so etwas gar nicht passieren. Jedenfalls hatte in keinem Lehrbuch Derartiges gestanden. Aber womöglich waren einfach zu wenige von der Schwarzmagierin studiert worden. Genau das, was ihre Lehrmeister immerzu gesagt hatten. Aber diese blöde Lernerei war nichts für Lina. Das war sie schon nicht, als sie noch zur Schule ging. Praktiken waren es, die sie lernen wollte. Nicht irgendwelche Lehrsprüche in irgendwelchen Lehrbüchern. Sie konnte wahrscheinlich selbst schon besser Zaubern, als die meisten Schreiber dieser Aufzeichnungen in der Bibliothek.
Konzentriert versuche sie, die Macht über die Lichtkugel zurückzuerlangen. Und in dem Augenblick, da sie glaubte, ihr wäre dies gelungen, erlosch das Licht. Na toll, dachte sie und der Gedanke an einen gewissen Murphy, der über Gesetzgebung geschrieben hatte, durchdrang ihren Kopf. Es war lange her, da sie dieses Buch in den Händen gehalten hatte, aber eigentlich war es weitaus weniger uninteressant gewesen, als manch anderes. In dem Buch stand bestimmt auch drin, wie man die Gesetze brach, was ihr in diesem Moment jedoch auch nicht sonderlich weiterhelfen konnte.
Da kam ihr eine Idee: All ihre Meister hatten davon gesprochen, dass magische Wesen anders sahen, als irdische Kreaturen. Namentlich durch Magie. Das heißt, der Golem musste auch in diesen Hallen sehen können, oder wenigstens etwas in der Art.
Sie sah sie züngelnden Flammen am Boden und in ihrer Nähe den Anschein der Schatten ihrer Begleiter. Und als ob der Golem ihre Gedanken gelesen hatte, wies sein linker Arm in eine Richtung, die dem Blickfeld der Priesterin versperrt war. Aber viel wichtiger war: Der Arm bewegte sich und Lina war sich sicher, dass er den Bewegungen der Spinne folgte.
Jetzt könnt ihr!
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Lehrling
„So, das wäre erledigt“, richtete Gestroi an die Hohepriesterin, nachdem er Watzlav in Richtung der Kerker losgeschickt hatte um die Gezeichnete zu holen.
„Nun müssen wir uns beeilen. Istvan, Gellan, Gestroi, Rothak, ihr bleibt hier bei mir um das Bannungsritual vorzubereiten. Der Rest kümmert sich um den Schutzzauber, ihr wisst was zu tun ist. Wenn ihr versagt, ist Shen’Deah dem Untergang geweiht.“
Bar jeder Emotion war diese Feststellung Fyeras, die im schlimmsten und gleichzeitig einzig alternativen Fall zum Erfolg der Falle gleichbedeutend mit ihrer aller Tod war. Auch wenn das bei den meisten anderen Paktierern kaum mehr einen Unterschied machte, wie Dardathír innerlich feixend feststellte. Nur wenige hatten noch Ideologien vor Augen, wie er selbst, der seinen Pakt im Wesentlichen nur geschlossen hatte, um Innos mit noch größerer Macht dienen und im selben Zuge den lächerlichen Kreis seiner scheinheiligen Anhänger in den Klostern und Kirchen zu bekämpfen, der sich mehr auf Spenden denn auf die Ausrottung der Diener anderer Götter konzentrierte, ja diese sogar untersagte, da es der Meinung dieser Verblendeten nach das gute Recht eines jeden Menschen war, sich zu entscheiden, nach wem er sein Leben richtete. Zumindest waren diese oder ähnliche Worte es gewesen, mit welchen man Dardathír aus seinem Kloster verbannt hatte, nachdem er begonnen hatte, das einzig richtige in die Tat umzusetzen. Amoralisch, dem Lichtgott unwürdig hatten sie es genannt. Narren.
So verachtenswert sie teilweise auch sein mochten – die Paktierer in dieser Zuflucht waren die einzigen Lebewesen, an denen der Magier keine Rache oder Selbstjustiz aufgrund ihrer Konfession verübte oder dieses vorhatte, sah man von Sonderfällen wie Istvan ab. Schließlich hatten sie ihm geholfen besagte Macht überhaupt zu erlangen, und wie der mit ihm paktierende Dämon bekräftigt hatte, konnte jemand, der Innos’ einzig würdigem Vertreter auf Erden half ja nicht schlecht sein.
Mit Gewalt zwang er seine Gedanken wieder in das Hier und Jetzt zurück. Während des Schutzzaubers musste er in der Lage sein, seine volle Konzentration auf die Magie gegen den Wächter zu verwenden. Von jedem der 16 Paktierer, die soeben die Halle der Hohepriesterin verlassen hatten wurde dies verlangt - zu hoch war der Preis als dass sie wegen Unaufmerksamkeiten scheiterten.
Es währte nicht lange bis die eilig voranschreitenden Anhänger des Bundes den Kreisgang erreichten, einen langen Korridor der sich um ganz Shen’Deah wand. In regelmäßigen Abständen waren Türen in der Wand eingelassen, jede einem dunklen Schlund gleich, der den Paktierer der in ihm verschwand zu schlucken schien. 16 dieser Öffnungen waren in dem Kreisgang zu finden, jeder der Paktierer kannte seinen Platz. Kurz bevor der sich rasch reduzierende Haufen der Gefolgsleute der schwarzen Rose die Hälfte des Kreisganges erreicht hatte, nahm auch Dardathír die ihm bestimmte Türe und verschwand im Dunkel der Öffnung. Ein kurzes Stück durch einen scheinbar unnatürlich lichtleeren Raum folgte, ehe der Magier sich nach einer Biegung des Weges auf einem schmalen Steg wieder fand, der aus der Festung hinaus führte. Ohne zu zögern schritt der physische Greis den schmalen Grat entlang, in Richtung der nur quadratmetergroßen Plattform an seinem Ende, welche mitten in der riesigen Höhle schwebte, tief unter sich den Lavasee. Wie unschwer zu erraten war, befand sich hinter jeder der 16 Türen des Kreisganges eine solche Plattform, die ringförmig um die letzte Zuflucht des Bundes angeordnet waren, einzig zum Zwecke des Schutzzaubers erdacht.
Nur wenige Augenblicke nachdem Dardathír sich auf seiner Plattform positioniert hatte war es dann so weit, wie er anhand eines leichten Vibrierens derselben zur Kenntnis nahm – es mussten alle ihren Platz eingenommen haben. Die Arme zu beiden Seiten ausstreckend ließ der Paktierer sich auf den Knien auf der Plattform nieder und begann sich auf den Schutzzauber zu konzentrieren, der in Komplexität und Macht nicht mit gewöhnlicher Runenmagie verglichen werden konnte. Still in sich gekehrt verschloss Dardathír die Außenwelt vor sich. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Wie die Plattformen langsam begannen sich in Bewegung zu setzen, die fünf Stränge an welchen die Festung an der Höhlendecke befestigt war sich strafften und einzelne Teile Shen’Deahs sich verformten, ausdehnten oder im unteren Bereich gar abbröckelten und in die Tiefe der Lava stürzten realisierte er nicht mehr. Die Kraft, die nötig war, die Macht des Jägers zu bannen und sich nun hier manifestierte war nahezu unvorstellbar.
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Lehrling
Mit gesenktem Haupt betrat Watzlav die Herzhalle Shen’Deahs, Sheyra halb abstützend, halb tragend. Sie war noch immer in ihrem tranceartigen Zustand und bewegte sich nur langsam mit kraftlosen Schritten.
„Was ist mit ihr?“. Gestrois Stimme war hart und voller Vorwurf. Scheinbar hatte er sich nur zu Watzlav gewandt, um seinen persönlichen Frust abzubauen. Ob er eine Antwort wollte? Dem Irren schien es nicht so, denn sein Gefährte hatte sich schnell wieder von ihm abgewendet. Nun zog er mit einem silbern glitzernden Pulver lange Bahnen um ein drehbares Eisengestänge an dem Sheyra angebracht werden sollte.
Plötzlich spürte Watzlav Bunin einen stechenden Schmerz in seinem Kopf. „Was ist los mit ihr? Ich habe dich etwas gefragt!“ Der Drang seines Körpers auf die frage zu Antworten, war unbeschreiblich, aber sein Geist wollte nicht. Er wollte die Konfrontation mit den Mächten Gestrois.
„Sie fühlt sich nicht gut. Sie spürt das Nahen des Jägerdämons.“, log der Irre schließlich. Vielleicht gab es im Moment wichtigeres als den Streit mit seinem Erzfeind. Die Rache für den Fluch des Paktes, den er Gestroi zu verdanken hatte, musste später erfolgen.
Gestroi schüttelte den Kopf und wieder keimten die Sorgen auf, die er sich machte, seit er die Kontrolle über den Irren verloren hatte. Andererseits konnte sein Gefährte den Pakt nun nicht mehr rückgängig machen. Gestroi hatte sein Ziel schon vor Jahren erreicht und sich nie darum geschert was als nächsten kommen sollte.
Nie zuvor war dem Paktierer so bewusst gewesen wie unerfüllt und sinnlos sein Leben in den letzten Jahren gewesen war. Warum half er hier bei einem Ritual, das letztendlich nichts an seinem Leben zu ändern vermochte, was ihm wichtig war? Gestroi konnte dies nicht beantworten – er tat die Dinge, weil er sie nun mal tun sollte. Im Grunde bestand kaum ein Unterschied zwischen den Menschen, die er wie Marionetten zu steuern vermochte und ihm selbst.
Doch eines nagte wirklich an seinem Seelenfrieden. Er hatte sein Spielzeug, seine liebste Marionette verloren und irgendetwas verhinderte, dass er sie zurückbekam. Er fühlte sich einfach nicht mehr wohl, seine Eingeweide arbeiteten langsamer und das Herz schlug so schwach wie noch nie zuvor in seinem Leben. „Ich brauche die Macht über ihn!“, murmelte Gestroi.
Das linke Auge des Irren zuckte zusammen, als dieser vernahm, was Gestroi soeben gedacht hatte. Früher hatte er nie etwas wahrgenommen, das an den guten Absichten seines Gefährten zweifeln ließ, aber die Ablehnung und der Hass den er nun spürte, waren gewaltig.
Noch kümmerte er sich darum die Rüstung Sheyras abzulegen. Das Metall würde unter Umständen negative Auswirkungen auf das Bannritual haben und musste entfernt werden – wie jede unsichere Komponente in dem meisterhaften Paktiererritual, das hier geschaffen wurde.
Lass mich dir Macht schenken. Eine Stimme war durch seinen Kopf gehuscht. Die macht der Rache an Gestroi. Watzlav Bunin war interessiert, denn sein tiefstes Inneres wusste wer da mit ihm sprach. Endlich hatte sich jener Dämon offen zu Wort gemeldet, der von Gestroi dazu gebracht worden war den Pakt mit ihm zu schließen. Er war es gewesen, der seinen Geist korrumpiert hatte und ihm die Macht Gedanken lesen zu können schenkte.
Wie willst du mir noch mehr Macht geben, Dämon?, fragte Watzlav und hoffte auf eine Antwort. Insgeheim fürchtete er, dass es nur der Wahn war, der ihm Dinge einflüsterte. Wer Gedanken zu lesen vermag, der vermag sie mit etwas Hilfe auch zu formen. Lass es mich dir zeigen. Im Grunde wusste der Irre, dass der Dämon nun die Kontrolle über seinen Körper übernehmen wollte, aber der Durst nach Rache war stärke als der Wille nach dem eigenen Leben. Das war ihm in diesem Moment erst bewusst geworden, als sein Parasit zu sprechen begonnen hatte. Er willigte ein.
Das Septagram war fast fertig, als Gestroi plötzlich schwarz vor Augen wurde und er auf die Knie zusammensackte. Es dauerte eine Weile bis er wieder zu sich kam und einen grinsenden Watzlav vor sich sah. Er verstand die gute Laune seines Freundes nicht, aber auch er fühlte sich plötzlich besser.
„Nun beeil dich damit wir mit den Vorbereitungen fertig sind, wenn der Jägerdämon kommt.“ Gestroi nickte und beschleunigte den Schritt. Hatte er noch vor wenigen Minuten seinen einzigen Antrieb darin gesehen Watzlav weiter leiden zu sehen, so wollte er ihn nun zufrieden stellen. Es war sein einziges und innigstes Bedürfnis.
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Immer wieder drehte sich Troan um die eigene Achse. Im einen Moment vermutete er das Spinnenwesen in der einen Richtung und im nächsten Moment hörte er ein verräterisches Rascheln auf der anderen Seite. Schweiss rann Troan von der Stirn hinab…vermutlich nicht nur durch die Hitze des Feuergolems. Das schwache Glimmen des Golems konnte in keiner Weise die Dunkelheit aus der Höhle vertreiben und so war es unmöglich den Gegner zu sehen. Man konnte ihn höchstens erahnen. Einzig der brennende Arm des Golems war eine Hilfe. Lina schien das ganz gut hinzubekommen.
„Wenn Taeris ihn mit einem Feuerpfeil trifft, so ist seine Deckung dahin“, schlug Troan vor.
„In der Finsternis hast du keine Chance irgendwas zu treffen“, murrte Taeris, legte aber trotzdem einen Pfeil auf die Sehne. Der Feuergolem zeigte weiter mit ausgestrecktem Arm die Richtung an. Dieses Vieh musste sich verdammt schnell in dem Raum bewegen, denn der Golem rotierte beinahe nur.
Taeris’ Sehne surrte und der Feuerpfeil durchbohrte die trockene Luft. Dabei blieb es jedoch auch. Klappernd schlug das Geschoss gegen die Wand. Ein Fluch entwich in die staubige Luft. Doch ganz so gross schien der Pfeil das Ziel nicht. Denn Troan glaubte einen zischenden Schatten in dem Licht des Pfeils erkannt zu haben. Doch der skurrile Anblick verschwand sofort wieder.
Der Veteran versuchte es ein zweites Mal. Dabei stand er ziemlich nahe an dem Golem, was ihm auch ziemlich zu setzte. Wieder sang die Sehne ihr trauriges Lied und alles blickte gebannt dem brennenden Holzstück nach. Diesmal war es ein lautes Zischen, man konnte es auch als Schmerzschrei deuten. Troan hob verwundern die Augenbrauen, als hätte er es gar nicht geglaubt. Der Pfeil steckte in dem Spinnenvieh!
Sofort fand sein eigener Bogen den Weg in seine Hände. Ein Schwert schien da nicht allzu viel zu helfen. Nun, als der brennende Pfeil das Ziel erkennbar machte, konnte man ihn mit Pfeilen spicken. Der Vorteil hatte die Seiten gewechselt.
Schon bahnte sich Troans Pfeil seinen Weg zu Garthal hin. Dieser stiess sich jedoch rechtzeitig von der Wand ab und segelte durch die Luft. Troans Pfeil zerbrach wirkungslos. Der Paktierer war unweit von der Gruppe gelandet. In seiner linken Schulter ragte der brennende Pfeilschaft Taeris’ heraus. Doch dafür hatte niemand ein Auge. Eher starrten alle auf den immensen Buckel des Paktierers und dessen, was daraus herausragte. Sieben spinnenartige Beine oder Klauen. Sie schienen nur so auf eine Bekanntschaft mit den Klingen der Normalsterblichen zu brennen. Vorbei war es mit dem Vorteil. Troans Bogen fiel lautlos zu Boden und der Lee griff nach seinem Speer. Immer kamen ihm dabei all die Ratschläge Slys in den Sinn. Viele wusste er noch, doch genauso viele glaubte er vergessen zu haben. Am Ende lief alles auf selbe hinaus: Andere töten und selbst überleben.
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Wie üblich ließ Win'Dar den anderen den Vortritt. Diesmal war es Troan, der sich dem Paktierer als Erster entgegenstellte. Mithilfe seines Speers versuchte er Garthal auf Distanz zu halten. Garthal ließ sich davon wenig beeindrucken – seine Spinnenbeine schlugen den Speer wieder und wieder beiseite. Unaufhaltsam preschte er weiter auf die Gruppe zu. Taeris versenkte einen weiteren Pfeil in der Brust des Buckligen und ließ ihn taumeln. Doch es reichte nicht um ihn zu stoppen; eine seiner Klauen brach den Pfeil ab und fegte in derselben Bewegung Troan beiseite.
Während Taeris seinen Zweihänder aus seiner Halterung befreite, ließ sich Win'Dar ein Stück zurückfallen. Einer der Dolche huschte in einem silbernen Blitz unter seinem Mantel hervor, wurde allerdings von einer der Klauen aus der Luft geschlagen und prallte klirrend irgendwo auf die Felsen.
Dann war Garthal auch schon heran und fuhr wie ein Wirbelwind unter die Gruppe. Klingen blitzten im Fackellicht und Krallen schrammten über Rüstungen. Blut spritzte über die Felsen, Schreie hallten in dem Tunnel wider – doch es waren neun Arme gegen acht und sieben von Garthals waren mit dämonischen Klauen besetzt, während die Gefährten auf ihre herkömmlichen Waffen zurückgreifen mussten.
Was Win'Dar jedoch am meisten beunruhigte, war die Erkenntnis, dass sich Garthal systematisch auf ihn zuarbeitete. Vielleicht hätte er doch lieber die Klappe halten sollen...
Redsonja fügte Garthal einen heftig blutenden Schnitt am Oberschenkel zu, bevor er mit ihr den Tunnelboden wischte. Er knickte ein, nutzte jedoch sofort eines seiner zusätzlichen Beine, um sein verletztes Bein zu ersetzen. Mit einem gewaltigen Rundumschlag brachte er fast alle Umstehenden zu Fall, duckte sich und schoss in einem kraftvollen Satz auf Win'Dar zu. Er hatte es allein seiner Reaktion zu verdanken, dass ihm die zuschnappenden Klauen nicht die Rübe abhackten. Dennoch traf ihn eine der Klauen an der Brust und schmetterte ihn gegen die Tunnelwand.
Immer auf die Lunge, dachte er sich, als er keuchend nach Atem rang und die leicht schräge Tunnelwand herunterrutschte. Garthal stoppte ihn uncharmant, indem er ihn an der Schulter packte und kurzerhand vom Boden hochriss.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet“, zischte Garthal zwischen den Zähnen hindurch.
Sein Gesicht war nur wenige handbreit von Win'Dars entfernt. Die scherenartigen Kieferklauen hatten sich aus dem Mund hervorgeschoben. Ein farbloses Sekret, bei dem es sich nur um Gift handeln konnte, tropfte von den gezackten Enden der Extremitäten. Götter, dachte sich Win'Dar, wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich behaupten, dies wär ein Albtraum. So beschissen seine Lage auch sein mochte – er war dennoch froh, nicht in Linas oder Sentinels Haut zu stecken. Die bloße Vorstellung, von dieser Monstrosität zu einem Kokon verpackt zu werden, ließ ihn fast Würgen.
„Ich bin der Barde, der in der nächsten Taverne von deinem Tod singen wird“, knurrte Win'Dar.
Der Stahl seines Schwertes blitzte dicht vor Garthals Brust. Doch bevor er zustoßen konnte, hatte Garthal seine Hand gepackt.
„Götter!“, stieß dieser hervor, als sein Blick auf die Schwertklinge fiel. „Du bist vom -“
Der Satz ging im Knacken seines splitternden Schlüsselbeins unter. Taeris' Zweihandschwert grub sich tief in die Schulter des Paktierers und riss eine klaffende Wunde, bis es von den Auswüchsen der Spinnenbeine gestoppt wurde. Garthal brach zusammen und ließ Win'Dar los. Ein Gefälle aus dunklem Blut plätscherte auf den Tunnelboden, als Taeris sein Schwert mit einem Ruck befreite. Der Hieb hatte eine blutige Kluft in Garthals Schulter hinterlassen. Der rechte Arm hing reglos herab.
Es war wie zuvor im Wald, als der Tote auf einmal wieder zu „leben“ begonnen hatte. Win'Dars Reaktion kam schnell, emotionslos und ohne sein Zutun. Die Klinge des Schwertes berührte sacht den Hals des Paktierers, seine Hände hatten sich gemeinsam um den Griff geschlossen und seine linke Schulter schmiegte sich dicht an die ungeschliffene Seite der Klinge. Dann drehte er sich mit einem brutalen Ruck um, wobei er die Kraft seiner Schulter nutzte, um die Hebelwirkung zu verstärken. Noch bevor Garthal tot auf dem Boden aufschlug, war die Klinge blankgeputzt und unter dem Tuch verborgen.
Schaudernd blickte er auf die sich schnell weitende Blutlache. Schande, dachte er sich, ich beginne mich selbst zu verlieren. Irgendwann bekomme ich es gar nicht mehr mit. Früher wär mir das nicht passiert...
„Danke“, bedankte er sich auf seiner Flucht vor sich selbst bei Taeris.
Bloß nicht nachdenken, lenk dich ab, find etwas, womit du dich ablenken kannst!
„Erm“, sagte Win'Dar, „Hat jemand eine Ahnung, wie wir Lina wieder runterkriegen?“
Er wies in Richtung Decke, wo ein kleines, eingesponnenes Ding vor sich hinzappelte.
-
Lehrling
„Nun müssen wir uns beeilen. Istvan, Gellan, Gestroi, Rothak, ihr bleibt hier bei mir um das Bannungsritual vorzubereiten“, äffte Istvan Fyeras Worte leise nach. Der Anfang eines Selbstgesprächs.
„Wer hat sich wohl um die magische Konsistenz des Rituals gekümmert? Du sicher nicht, du dumme Pute. Wer hat nach jahrelangem Studium herausgefunden, wie die Daktylen zu positionieren sind... damit sie im ausgewogenen Verhältnis zu den Tarracinen befinden? Welche Vakinen metamorphal zu stimulieren sind... Und wer hat die Worte entschlüsselt, die nur dunkel vom Werden des Seienden unkten, ohne das Seien des Gewordenen auch nur zu erwähnen. Alles dumme Verse von Möchtegernmagiern, die besser Barden geworden wären – um dann an ihrer eigenen Talentlosigkeit zu verrecken. Wichtige Informationen verstaubten in abgelegenen Bibliotheken... wurden für wirre Ergüsse umnachteter alter Männer gehalten... nur aus Nachlässigkeit nicht vernichtet... Jäger, Paktierer... Ammenmärchen für Dumme. Ha! Von wegen.“
Istvan war solcherart für Uneingeweihte wirr klingende Satzfetzen murmelnd durch den Saal gelaufen, um sich der Ausführung des Rituals zu widmen. Er kannte das Ritual. Er hatte es perfektioniert. Er hatte die Japisdurchgänge berechnet. In dreifacher Ebene. Um jede Eventualität auszuschließen.
„Und jetzt wird sie gleich die weiteren Vorbereitungen in meine Hände legen. Und so tun, als hätte sie hier alles erfunden. Pah! Komm, mein Junge, du kannst mir helfen“, rief er dann seinen Sohn.
„Trage dieses Gefäß, es ist ein Dychotomion, auf den Sockel, der dort links steht. Wenn ich dir ein Zeichen gebe, läßt du es auf die Markierung des Sockels gleiten. Dann warte kurz und ich werde dir ein zweites Zeichen geben. Dann öffnest du die Spange, die den Deckel hält.“
„Ja, Vater.“ Imre nahm ehrfürchtig das magische Gefäß in seine Kinderhände und lief zu dem bezeichneten Sockel. Zweimal sieben standen in der Halle im Zentrum Shen’Deahs. Auf den Boden waren sieben konzentrische Ringe graviert. Fyera hatte dies schon vor Wochen veranlaßt, als sich die Zeichen zu mehren begannen, daß die Erfüllung der Prohezeiung in greifbare Nähe rücken könnte. Die Ringe waren in der Art in den Boden gemeißelt und mit reinem Silber ausgegossen worden, daß jeder von ihnen fünf andere berührte, jedoch nicht den jeweils rückwärts gezählt fünften und dritten, drei Ringe wurden jeweils geschnitten, einer stand im Zentrum.
Istvan nickte seinem Sohn zu, der am Sockel stand. Er ließ das Gefäß auf den mit kabbalistischen Runen und komplizierten Endlosmustern, die die Unendlichkeit der Seele symbolisierten, bedeckten Sockelstein gleiten und gleichzeitig wurden von anderen Helfern andere Gefäße auf die sechs anderen Sockel gestellt.
An der Decke des Raumes waren sieben gekrümmte Linien einlassen, an ihren vierzehn Enden hingen Ketten mit sieben Gliedern aus reinem Silber herab. Das letzte Kettenglied jedoch bestand jeweils aus Stahl und hielt magische Apparaturen, die ein Eigenleben zu führen schienen. Jede von ihnen besaß bewegliche Arme, die sich unablässig um die Apparate drehten, wie bei einem Aufziehspielzeug, nur hatte diese Apparate niemand aufgeladen, die Magie des beginnenden Rituals trieb sie an.
Auf ein zweites Zeichen hin öffnete Istvan und mit ihm alle anderen, die an ihren Sockeln stehen geblieben waren, die Verschlüsse ihrer Gefäße. Istvan murmelte unverständliche Worte. Nicht die, die er sonst immer murmelte, wenn er alle anderen außer seinen Sohn verfluchte – diesmal waren es die Worte zur Erweckung des Shangri-la der Paktierer.
Zwei mal sieben Sockel und zweimal sieben Ketten an sieben Streben und sieben Ringe mit fünf mal sieben Berührungen und sieben mal drei Schnitten, die Zahl des Jägers.
Licht drang aus den geöffneten Gefäßen, beherrscht nicht von seinem unweigerlichen Verlangen, alles zu erhellen, sondern untertan den Worten seines Meistes. Besonderes Licht. Jahrhundertelang in der Feste des Bundes gehortet und aufbewahrt für den Tag, an dem sich die Voraussage erfüllte. Schwebend inmitten des Saals, gehorchend nur den magischen Worten und einstudierten Gesten Istvans, der es zu leuchtenden Vorhängen dirigierte, Torusförmig zwischen Decke und Boden, mit Kreuzungspunkt in der absoluten Mitte des Saales. Kol’Sheraz hatte ihn entstehen lassen, denn schon der Erste wußte um die Bedrohung, durch die das Ende kommen konnte.
Dort, wo sich das Licht kreuzte, wo es verharrte in einer Unnatürlichkeit, die so widersinnig war, daß es schon wieder als normal hingenommen wurde, dort befand sich der Thron Fyera Calandieres. Hier sollte der Gezeichneten die Krone aufgesetzt werden, um den Jäger in sie zu bannen. Wenn die Schutzzauber nicht versagten.
Ganz schmierig war die Luft vor Magie, metallisch schmeckte der Speichel auf den Zungen der Anwesenden, während das magische Licht in komplizierten Wendungen Schlingen und Knoten beschrieb, ohne dabei Boden oder Decke zu berühren. Mit seltsam anmutenden Armbewegungen dirgierte Istvan die umherschweifenden Lichtfäden, ließ nach und nach die nötigen Symbole in Sha’garn’san entstehen. Konnten Sha’garn nur wenige Eingeweihte sprechen, so mußte Sha’garn’san, die dazugehörige Schrift erst recht nur ganz wenigen Vorbehalten bleiben, denn sie kam ohne Absetzen der Feder aus. Silben, Anweisungen, Gedanken, Worte, Gefühle wurden nur durch eine schier unendliche Anzahl an ineinander verflochtenen endlosen Fäden dargestellt. Fyera wob die Schutzzauber, Istvan wob die Bannzauber. Das Ritual näherte sich langsam seiner Offenbarung. Der Jäger war nahe und Triumph und Scheitern waren auf einer Nadelspitze, auf der nur einer von beiden Platz fand, vereint.
Die Luft war zum Zerreißen gespannt.
-
Nickend wandte Taeris sich von Win’Dar ab. Und winkte Sly zu sich.
“Sentinel müsste hier auch noch irgendwo rum liegen, kümmert euch um ihn. Sly und ich erledigen unser Schwarzmagierinnenproblem. Sly?“
Auffordernd nickte Taeris Sly zu, während er die beiden schlichten Broschen seines Umhangs öffnete und ihm in die Hände drückte.
“Ich schieß sie runter, dann halten wir meinen Umhang auf und fangen sie auf… bei der Höhe sollte das hoffentlich klappen.“
Abschätzend blickten die beiden Krieger nach oben, wo Lina in ungefähr drei Metern Höhe in einen halben Spinnenseidenkokon eingehüllt an der Decke hing. Nur ein einzelner dicker Seidenfaden hielt sie dort fest.
Eilig holte Taeris seinen letzten brandpfeil hervor und entzündete ihn.
“Willst du sie anzünden?!“
fragte Sly und musterte skeptisch den seidenen Kokon an der Decke.
“Nein, der Sturz und der Umhang in den wir sie sofort einwickeln, sollte die Flammen ersticken bevor ihr etwas zustößt. Aber anders kriegen wir das Scheißzeug nicht durchtrennt… oder hast du ´ne bessre Idee?“
Doch Sly zuckte nur mit den Schultern und spannte Taeris´ Umhang so auf, dass dieser nach dem Feuern das andere Ende greifen konnte. Vergewissernd nickte Taeris ihm zu und spannte den Pfeil auf die Sehne des Bogens. Ruhig legte er den Bogen an, versuchte möglichst genau zu zielen. Pfeifend sauste das Geschoss in die Dunkelheit. Flammen loderten hoch über ihnen auf. Ein gedämpfter, fast stummer Schrei war zu hören und mit einem kurzen Ziepen riss schließlich de tragende Spinnenseide. Es dauerte nicht lange, bis die Flammen auf den seidenen Kokon übergriffen. Doch in diesem Augenblick befand sich die Magierin schon in freiem Fall. Sofort ließ Taeris den Bogen fallen und ergriff den Umhang und spannte ihn mit Slys Hilfe auf. Das beinahe komplett in Flammen stehende Bündel landete im Umhang. Ächzend gaben die beiden Männer von der Wucht des Aufpralls nach. Der Stoff des Umhangs knackte ein wenig, ehe sie nachgaben und die zierliche Gestalt in den Umhang einhüllten und auf den Boden sinken ließen. Die Flammen waren rasch erstickt und Lina augenscheinlich unversehrt. Nur einige rußige Spinnwebreste klebten noch an ihr. Ihr Blick wirkte trotzdem alles andere als zufrieden.
“Tut mir leid, das war alles Slys Idee. Ich wollte das Risiko eigentlich nicht eingehen, dass wir dich flambieren…“
sprach Taeris und wandte sich mit einem an Sly adressierten grinsen von ihr ab.
-
Zwei Paktierer geleiteten Sheyra in die Mitte der Halle. Dort befand sich ein Gestänge aus silbernen Metallstreben, dessen äußere Form ebenfalls durch ein Heptagramm gegeben wurde. Die Spitzen des siebenzackigen Sterns wurden von Kristallen gebildet, deren Oberfläche zwar durchsichtig schien, aber schwarz und matt war wie Obsidian. Drei lange, zerbrechlich anmutende Ketten hielten die Konstruktion in einem empfindlichen Schwebezustand.
Die Paktierer bedeuteten Sheyra, sich in die Mitte des Gestänges zu legen. Dann fixierten sie ihre Hände und Füße mit breiten Bändern aus einem lederartigen Material, in die Reliefs aus feinen Runen gebrannt worden waren. Bannzeichen, das wusste Sheyra, wenn auch nicht wirklich, woher. Als die Paktierer fertig waren und zurücktraten, konnte sich Sheyra kaum noch rühren – sie hing fest an der seltsamen Konstruktion, die nun leicht zu pendeln begann.
„Elindra?“, fragte Sheyra leise.
Statt einer Antwort begann das Ritual. Ein Ruck ging durch die Konstruktion, dann begann sie sich langsam zu heben. Das Gemurmel des Alten und der gleichermaßen melodiöse, wie auch dissonante Singsang der Hohepriesterin erfüllte die Halle. Während Sheyra in die Höhe gezogen wurde, glitten seltsame Lichtbahnen durch die Halle. Gefangen durch uralte Zauber zogen sie ihre Bahnen wie dünne Seidenvorhänge und formten dabei komplizierte Muster, deren Bedeutung Sheyra nur erahnen konnte.
Ein Knacken war zu hören, wie von Gelenken, die zum ersten Mal seit langer Zeit wieder bewegt wurden. Sheyra konnte die gesamte Festung erzittern spüren, denn durch die gespannten Ketten wurde jede noch so kleine Bewegung übertragen. Das Knacken setzte sich fort, wurde lauter, durchdringender, kam näher. Dann klaffte die Hallendecke auf, als sich die ganze Halle auszudehnen begann. Zwischen dem schwarzen Basaltgestein wurde muskelartiges Gewebe erkennbar, ein Knirschen und Knacken erfüllte Sheyras Ohren, als ob sich hinter den Mauern tausende großer Knorpel bewegen würden. Schmatzend glitt die Decke weiter auseinander, offenbarte den Blick auf etwas, das tatsächlich wie Knochen aussah. Götter, dachte Sheyra, das sind Knochen. Was sich über ihr öffnete, war nichts anderes als ein gewaltiger Brustkorb. Und er öffnete sich widerwillig – als ob jemand zwischen die Rippen gegriffen hätte und versuchen würde, mit gewaltiger Kraft den Rippenkäfig aufzubrechen. Zudem klang es genauso. Hinter der durch die Rippenenden gezackten Kluft lag etwas großes, dunkles verborgen. Etwas, das sich in einem heftigen, kraftvollen Rhythmus bewegte.
Es war das Herz von Shen'Deah. Das wirkliche Herz. Fünf riesige Adern hielten das Herz an seinem Platz – dieselben Adern, die die gesamte, verdammte Festung an der Höhlendecke hielten. Sheyra spürte den wummernden Herzschlag in ihrem gesamten Körper nachhallen. Bei jedem Schlag klirrten die Ketten der Halterung leise.
„Elindra?“, fragte Sheyra noch einmal, diesmal unsicherer.
Ein Stück über ihr, direkt unter dem klaffenden Schlund des aufgebrochenen Brustkorbs, sah Sheyra die Hohepriesterin vor ihrem Thron knien. In ihren Händen hielt sie die Krone. Ein schmales, unscheinbares Schmuckstück, eher ein Reif, als eine Krone. In ihrer Mitte war ein knapp münzgroßer, spitz zulaufender Kristall angebracht. Das Auge, dachte sich Sheyra mit einem Schaudern. In dieses unauffällige Ding sollte eines der mächtigsten und tödlichsten Wesen aller Sphären bannen lassen? Kaum zu glauben. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass die Angst an ihren Nerven zu nagen begann.
„Warum antwortest du nicht mehr?“, flüsterte Sheyra, während sie sich unaufhaltsam auf ein bitteres Ende zubewegte.
Geändert von Sheyra (20.08.2006 um 14:30 Uhr)
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