Hallo Liebe Dragon Age Gemeinde
Ich habe hier eine Geschichte Angefertigt, die etwas ...anders ist, aber zum eigentlichen wieder zurück führt. Ich hoffe euch gefällt diese Idee und auch diese Story. Überzeugt euch selbst.
Durch die Tiefen des Dunklen Waldes bei Nacht, machte er sich umher, den er befand sich auf der Flucht. Auf der Flucht, vor seiner Vergangenheit. Doch vor allem, vor sich selbst. Er Lief immer weiter und trotz seiner schweren Plattenrüstung auf dem Rücken, wie seine beiden Schwerter, schien es als würde er immer schneller werden. In naher ferne sah er wie es immer heller wurde. „Welch Wahnsinniger würde in diesem Wald bei Nacht übernachten und auch noch so offensichtlich?“ sprach er leise mit sich selbst. Eine Angewohnheit die er schon lange hatte. Wenn niemand in der nähe war, redete er mit sich selbst. Dies gab dem Braunhaarigen eine Art Gefühl, seine Gedanken die er unbedingt mal sagen wollte freien lauf lassen zu können.
Langsam näherte er sich dem Gebiet was das Feuer erhellte als er aufhörte zu rennen. Er konnte Zelte erkennen, ebenso wie einige Felsen und Hügel. Auch einen Wagen voller Waren konnte er ausmachen, an dessen hinterem ende zwei Zwerge zu schlafen schienen. Er schaute auf den Boden. Vielleicht wurden nicht solch offensichtliche Fallen ausgelegt und er wollte ungern diese betätigen so das er schmerzen bekam. Und er hatte richtig vermutet. Es handelte sich um versteckte Fallen, die er alle mit seinem Geschickten Augen überlisten konnte. An einen Felsen lehnend blickte er sich um.
Anscheinend handelte es sich um eine größere Gruppe von Personen die hier lagerten und er hatte nicht wirklich Lust, diese zu wecken. Nicht das er unbegabt im Kampf wäre, sondern nur das er nicht gegen eine übermacht siegen würde wenn sie auch fähige Krieger sein sollten. Auch könnte unter ihnen sich der ein oder andere Abtrünnige befinden und gegen die würde er nicht überstehen, wenn ihn zwei Leute aufhalten würden so das er nicht auf diese los kann. Doch etwas irritierte ihn an diesem Lager. Es gab zwei Feuerstellen. Eine an einer Flachen Wiese vor der sich mehrere Zelte befanden und eine an einem kleineren Berg, wo sich ein vereinzeltes Zelt befand. Ziemlich merkwürdig fand er. Doch er hatte keine weitere Zeit darüber nachzudenken, den nur wenige Sekunden später wurde er von etwas hartem am Hals gepackt. Nichts Metallisches. Es war...Stein?
„Ich hab hier etwas. Es hat sich an mich Gelehnt, ist aber keine Taube. Es ...ist ein Mensch.“ eine Ziemlich seltsame Stimme erklang und er hörte auch mehrere Schritte die auf ihn zukamen. <Ich stecke ziemlich tief in der scheiße..> dachte er sich nur, ehe er ein „Ist schon gut Shale, stell ihn ab.“ vernahm. Shale? Was war dies für ein Name? Er wurde abgesetzt und schaute genau das an, was ihn so lange fest im Griff hatte. „Ein Golem!“ sprach er seine Gedanken laut aus. „Es scheint ein ziemlicher Blitzmerker zu sein. Hat es den mich für etwas anderes Gehalten? Einen Elfen? Hat es den nicht meine Spitzen Ohren entdeckt?“ gab der Golem der auf den Namen Shale reagierte von sich. Kein wunder das es sich Steinig anfühlte und die Stimme so komisch klang. Ein wahrer Golem stand vor ihm. Ein Koloss aus Stein, so hieß es. Doch dieser Golem war nicht das was er sich unter diesem Wort vorstellte. Es war als wäre er....eingegangen. „Ich korrigiere, ein lustiger Golem.“ kam es ohne eine Miene zu verziehen und er blickte in das, was er für die Augen bei diesem Golem hielt.
„Darf ich es zerquetschen? Bitte!“ warf der Golem noch einmal in den Raum, als der Braunhaarige eine Stimme ein „Nein Shale, lass ihn doch erst einmal erklären was er hier will.“ sagen hörte. Der Junge Krieger drehte sich um mit dem Wissen, das er von der Steinigen Gefahr hinter sich nichts mehr zu befürchten habe. Und dort sah er sie. Die kleine Gruppe dieses Lagers. „Hallo Fremder. Mein Name ist Alistair und wie ist euer Name?“ gespannt schaute der Mann mit dem Namen Alistair auf seinen neuen Gast, der Grinste. „Mein Name ist Rene, erfreut eure Bekanntschaft zu machen.“ er täuschte eine leichte Verbeugung an, ehe er wieder gerade stand und zu erzählen begann. „Ich bin auf der Flucht. Nicht vor dem Gesetz, oh Erbauer bewahre. Ich meinte eher auf der Flucht vor meiner Vergangenheit. Vor mir. Doch bitte zwingt mich nicht euch die Geschichte zu erzählen. Da ich kein Zuhause mehr besitze, wandere ich schon seit längerer Zeit durch die Ländereien und meist wenn es Abends ist, gibt es mir einen...Rausch, wenn ich durch die Wälder renne, in denen es sich nur vor Kampfes lustigen Tieren befindet. Und gerade jetzt wo auch noch Dunkel Brut dabei ist... was gibt es für einen Krieger den mehr an Adrenalin?“ ein Grinsen setzte sich erneut auf das Gesicht von Rene und er war gespannt, was dieser Alistar von sich gab.
„Wie seit ihr im Kampf?“ - „Weiter wie so mancher Erwachsener der doppelt so alt ist wie ich mein Herr.“ er war nun noch mehr gespannt was dieser Mann nun sagen würde. Den niemand sprach jemanden nur aus reiner Neugierde an, wie gut er im Kampf sei. Da steckte mehr dahinter. So mal er selbst von ihm etwas Fühlte. Er spürte den Krieger in ihm. „Nun gut, dann könnt ihr euch sicherlich beweisen, oder?“ - „Eine Kraftprobe?“ ein Nicken genügte ihm zur Antwort. Er lief etwas Abseits der Zelte, wo genug Platz für ein kleines Training sein würde und nahm seine beiden Schwerter aus der Scheide. Die Neugierigen Blicke der Gruppe lag auf seinem Rücken. Auch Alistair stellte sich gegenüber von ihm auf. Er hatte ein Schwert in der einen, und ein Schild in der anderen Hand. „Ihr bevorzugt die Waffen, hab ich recht.“ - „Genau so ist es, Messer.“ sie blickten sich beide Tief in die Augen. Beide hatten den Kampfgeist des anderen Geweckt. Sie beide waren Tapfere Krieger, die ihre Kräfte messen wollten. Und nun, war es so weit. Wie würde sich Rene machen? Und was versprach sich Alistair davon diesen Jungen zu testen?
Die beiden Rasten auf sich zu und gaben von vorneherein alles. Sie schenkten sich nichts. Ein zwei Klingen angriff begann Rene zu Starten, doch Alistair wehrte diesen mit viel mühe ab und startete mit einem Schildhieb, gefolgt von einem Schwertstich den Konter, den dieses mal Rene erfolgreich abwehrte. Erschöpft sprangen beide auseinander um etwas zu verschnaufen. Sie schauten sich erneut in die Augen und beide begannen zu Grinsen. Und wie auf Kommando steckten beide Gleichzeitig ihre Schwerter zurück in ihre Scheiden und Alistair sein Schild zurück auf seinen Rücken. Sie liefen zueinander und reichten sich die Hand. „Willkommen in unserer kleinen Gruppe die den Erzdämon und die Verderbnis vernichten sollen.“ - „Wenn es weiter nichts ist, bin ich doch gerne dabei.“ beide fingen an zu lachen.
„Alistair scheint einen Freund gefunden zu haben.“ die Rothaarige Bardin blickte zu Morrigan, die nur zu den beiden schaute. „Er wird jedenfalls nicht nutzlos sein.“ gab diese nur von sich. „Dieser Neuling scheint ein guter Krieger zu sein. Eine Verstärkung ist er sicherlich.“ gab auch der Qunari seinen Senf von sich und blieb ebenfalls stehen als die Beiden auf die kleinere Gruppe zulief.
„Rene, darf ich dir den Rest unserer Gruppe vorstellen? Dies hier ist wie du sicherlich mitbekommen hast Shale. Unser Rammbock für alle fälle.“ - „Ich hatte ja bereits die Ehre.“ ein Grinsen kam vom Neuling, das direkt zu Shale führte. Mit einem Murren ging dieser an seinen üblichen Ort. „Ich hab den Eindruck, er mag mich nicht.“ - „Nein, so ist er....sie....was auch immer zu jedem.“ mit einem Nicken nahm er diese Aussage mal einfach so hin.
„Dies ist Leliana, unsere Bardin.“ - „Erfreut dich kennen zu lernen.“ sie ging einen Schritt auf den Braunhaarigen zu und Lächelte ihn an, während sie ihm die Hand reichte, was er ihr gleicht tat.
„Dies ist...“ - „Alistair lass das. Ich kann mich selbst vorstellen. Mein Name ist Morrigan und ich bin eine Magierin.“ gerade wollte Rene den Mund aufmachen, da viel ihm schon wieder die Schwarzhaarige Hexe mit einem „Ja, eine Abtrünnige!“ ins Wort. „Es freut mich trotzdem, deine Bekanntschaft zu machen.“ als er ihr gerade die Hand reichen wollte, ging auch sie mit einem Augenrollen zu ihrem üblichen Platz. Der Krieger konnte nicht anders als ihr verwundert hinterher zu schauen. „Mach dir nichts draus, auch sie ist immer so.“ lächelte Alistair verlegen was Rene wieder mit einem Nicken Akzeptierte. „Und dies ist unser Qunari Sten.“ nun war es Rene der sich dem Qunari näherte. Solch ein Volk war ihm bis jetzt noch nie über den Weg gelaufen. Ein Geschöpf das mit Hörnern auf dem Kopf bestückt und auch auf seinem ganzen Körper mit rot weiser Farbe bemalt war. Ob dies seine Natürliche Haut war oder ob dies nur aufgemalt wurde, konnte er nicht genau sagen. Doch man konnte diesem Geschöpf schon aus den Augen lesen, das er ein wahrer Krieger durch und durch war. „Es ist mir eine Ehre, eure Bekanntschaft zu machen Qunari.“ er gab eine leichte Verbeugung von sich, die Sten ihm gleich tat. „Gleichfalls, Mensch.“ hörte er die Stimme von ihm, die voller Stolz war. Es schien alles zu stimmen was er über dieses Volk hörte und Gelesen hatte.
„Und wie zu Anfang erwähnt, ich bin Alistair von den Grauen Wächtern.“ - „Ein Grauer Wächter also. Ich hatte mich schon gewundert das ihr gegen die Verderbnis kämpfen und diese auch Auslöschen wollt. Doch hieß es nicht, sie seien alle bei der Schlacht in Ostagar gefallen?“ Alistairs Gesicht veränderte sich. Sein Lächeln verschwand von der einen in die andere Sekunde und in seinen Augen sah man die Trauer. Es musste wahrlich Schreckliches passiert sein. „Können wir das vielleicht morgen besprechen? Ich bin schon müde und...“ - „Macht euch nichts draus. Legt euch hin und vielleicht könnt ihr es mir morgen sagen. Es Drängelt nicht. Ich wünsche eine angenehme Nacht.“ leicht besorgt blickte der Neueste der Gruppe ihm hinterher. „Und wo schlafe ich heute Nacht?“ - „Also bei mir im Zelt ist noch genügend Platz. In der nächsten Stadt sollten wir aber auch für euch ein neues kaufen.“ erst jetzt bemerkte er das Leliana noch die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte. „Wie..“ gerade als er etwas Antworten wollte, realisierte er ihren Satz richtig und blickte sie nur verwirrt an. „N-nicht das was ihr jetzt denkt. Ich meinte nur, die anderen befinden sich alle gerade schon in ihren Zelten oder besitzen nicht mehr viel Platz. Und da ihr keines besitzt und sich noch etwas Platz in meinem befindet, könntet ihr euch in meinem Schlafen legen. Natürlich nur wenn ihr wollt.“ - „Das ist zu gütig von euch. Ich nehme dieses Angebot dankend an.“ er lächelte sie Freundlich an und auch sie tat dies bei ihm. Mit einem Nicken gab sie ihm zu verstehen, das er ihr folgen solle und er tat dies auch.
Bei ihrem Zelt angekommen schaute er hinein. Es befand sich wirklich noch jede menge Platz in ihrem Zelt. „Da dies euer Zelt ist, dürft ihr auch entscheiden wo ich liegen soll. Auf der linken, oder auf der rechten Seite.“ stellte er die Frage, als sie durch ein hinlegen von Leliana auf die Linke seite schnell beantwortet wurde. „Ich verstehe.“ gab er leicht lachend von sich und zog seine Rüstung aus und legte sie samt seiner Schwerter direkt neben sich. Er hatte Glück das Leliana eigentlich so gut wie alles mehrmals besaß. Egal ob Kopfkissen oder Bettdecke, sie hatte dies in mehrfacher Ausführung. „Vielen Dank noch einmal, Leliana. Gute Nacht.“ gab er von sich als er alles hatte, doch sie Grinste nur schief und gab ein „Kein Problem, ich helfe gerne.“ von sich. Und somit schliefen sie beide schnell ein.
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Hoffe doch das es euch gefallen hat
Mit Freundlichen Grüßen,
euer Rene
Shi’nayne fluchte. Nichts lief so, wie es sollte und sie gab ganz alleine diesem verdammten Shemlen, der ihr mitsamt dem ständig besoffenen Zwerg zur Seite stand, die Schuld. Er hatte diesen angeblichen Informant angeschleppt, doch bisher hatte sich nichts bewahrheitet, was dieser ihr mitgeteilt hatte. Aber auf die verfluchten Shemlen sollte man sich nicht verlassen, das brachte nie Gutes mit sich. Verächtlich blickte sie von ihrem Baum, auf dem sie auf der Lauer lag, auf den dicken Zwerg hinab. Dieser war zu schwerfällig, um sich auf einem Baum zu verstecken und so hatte sie beschlossen, ihn unten zu lassen als Lockvogel. Dann schaute sie sich nach dem Shemlen um, doch sie sah ihn nicht und das bereitete ihr einiges an Bauchschmerzen. Dies sollte eigentlich ihre Abschlussprüfung werden, erst dann würde sie ein vollwertiges Mitglied werden. Auf einen adligen warteten sie und das nun seit Stunden. Wie viele genau, vermochte sie nicht mehr zu sagen. Wenn es nach ihr ginge, wäre sie lieber alleine geblieben. Aber nein, sie mußte sie ja mitnehmen, da die Beiden sie beobachten sollten. Schauen, damit sie den Auftrag ja nicht versaute. Als hätte sie dies vorgehabt. Wobei sie eher der Meinung war, ihr Ziehvater hatte sie mitgeschickt, damit ihr nichts geschähe. Als wäre sie immer noch ein kleines Kind wie vor sechs Winter, dabei war sie im vergangenen Winter achtzehn geworden. Volljährig war sie nun. Wenn sie noch in Denerim leben würde, würde Shianni nun einen Ehemann für sie suchen. Doch Shianni war nicht mehr… Es war eine schicksalhafte Zeit gewesen. Eine Zeit, die ihr gesamtes Leben auf den Kopf stellen sollte. Ihre Gedanken schweiften ab.
Begonnen hatte es mit dem Tag, an dem Kallian und Soris verheiratet werden sollten. Natürlich nicht miteinander. Dies hätte Hahren Valendrian nicht zugelassen, wobei die beiden ein gutes Paar abgegeben hätten und so eng war die Verwandtschaft nun auch wieder nicht gewesen. Aber nein, Onkel Cyrion hatte für Kallian einen Elfen aus einem anderen Elfenviertel ausgewählt. Nelaros war sein Name. Seine Cousine Valora sollte die Zukünftige von Soris werden. Shi’nayne stand gemeinsam mit Shianni neben ihrem Onkel Cyrion auf der Empore, da sie keine Eltern mehr hatten. Ihre Mutter, Irenie, starb bei Shi’naynes Geburt, ihr Vater schon lange davor. Er war Hafenarbeiter gewesen, unten an den Docks und an einem sehr stürmischen Tag hatte es ihn von dem Steg ins Wasser geweht. Jede Hilfe kam zu spät und seitdem hatten Onkel Cyrion und Shianni sich um sie gekümmert. Zuerst hatten sie noch bei ihm im Hause gemeinsam mit Adaia und Kallian gelebt. Inzwischen war Adaia verstorben, getötet von Shemlen. Die genauen Umstände wusste Shi’nayne nicht, da sie damals zu jung dafür war.
Die Brautpaare standen im Vordergrund. Hahren Valendrian hielt seine Ansprache, dann trat eine Priesterin der Kirche hervor und begann die Zeremonie, als sie von Shemlens unterbrochen wurden. Es war Lord Vaughan, der Sohn des Arls von Denerim und seine Kumpanen. Sie störten die Hochzeit und nahmen Valora, Kallian und Shianni mit sich. Shi’nayne schrie auf und wollte hinterher, doch Cyrion hielt sie zurück. „Nein, Kind! Dies lasse ich nicht zu! Du bist noch zu jung um etwas zu tun!“ „Aber sie haben Shianni mitgenommen! Und Kallian! Sie ist deine Tochter!“ schrie Shi’nayne ihn an. „Und was können wir tun? Es sind unsere Herren“, antwortete Cyrion. „Und da dürfen sie mit uns tun, was sie wollen?“ Verächtlich blickte Shi’nayne zu Cyrion auf. Dieser zuckte unter ihrem Blick zusammen. Dann lief sie zu Soris und Nelaros und flehte: „Bitte! Tut doch irgendetwas! Holt sie zurück!“ Soris blickte zu Shi’nayne und sprach stammelnd: „Was… Shianni… hat vorhin schon Lord Vaughan angegriffen, da kann sie froh sein, wenn sie sie nicht töten! Wie stellst du dir das außerdem vor? Wir haben nicht einmal Waffen!“ Da trat ein weiterer Shemlen, groß und bärtig, mit langen, schwarzen Haaren und voll gerüstet auf sie zu. „Dies können wir ändern. Hier habt ihr Waffen und nun geht und holt die Frauen zurück.“ Er reichte Soris und Nelaros die Waffen. Soris blickte erschrocken auf die Waffe, doch dann steckte er sie ein. Nelaros nickte dem Shemlen zu, dann wandten sich Beide ab und gingen.
Nun konnte Shi’nayne nur noch warten. Die Stunden vergingen, doch dann kehrten endlich Shianni und Valora zurück, gefolgt von Soris und Kallian. Von Nola und Nelaros fehlte jede Spur. Ob sie noch nach kamen? Shi’nayne eilte Shianni hinterher und so bekam sie nicht mehr mit, wie Kallian erzählte, was geschehen war und von dem Shemlen als Grauer Wächter rekrutiert wurde, da sie sonst von den Wachen getötet worden wäre – wenigstens hatte sie Soris nicht verraten. Shianni weigerte sich mit Shi’nayne über das Geschehen zu sprechen, selbst als Kallian schon längst weg war, verlor sie kein Wort darüber, was geschehen war. Doch in ihren Augen konnte Shi’nayne den Zorn und den Hass auf die Shemlen erkennen. Außerdem noch etwas, das sie nicht bestimmen konnte, doch es machte ihr Angst. Am nächsten Tage brachte die Stadtwache, die Leichen von Nola und Nelaros, damit sie ordentlich bestattet werden konnten und anschließend ging das Leben weiter. Der Vorfall wurde von vielen verschwiegen, nur wenige trauten sich, laut darüber zu reden, doch in Shi’nayne wuchs der Hass auf die Shemlen. Sie schwor, Rache an ihnen zu nehmen. Hin und wieder erzählte Onkel Cyrion Neuigkeiten von Kallian, die inzwischen ein vollwertiges Mitglied war und in Ostagar gekämpft hatte, wo König Cailan gefallen war. Man erzählte sich, dass er von seinem eigenen Schwiegervater, Loghain Mac Tir, verraten wurde, der einfach seine Leute aus dem Kampfgeschehen zurückzog.
Inzwischen waren mehrere Monate verstrichen. Die Gerüchte über eine bevorstehende Verderbnis nahmen immer mehr zu, auch wenn Shi’nayne nicht begriff, was dies bedeuten sollte. Loghain Mac Tir hatte die Herrschaft übernommen. Das Leben für die Stadtelfen wurde immer schlimmer. Da auch aus den umliegenden Dörfern und jene, die weit im Südwesten lagen, immer mehr Flüchtlinge nach Denerim kamen, wurde es im Gesindeviertel immer enger. Wenn Shianni nicht gerade bei Alathin im Laden bediente, half sie Hahren Valendrian, wo sie nur konnte, um einigermaßen die Ordnung zu wahren. Die Elfenflüchtlinge wurden den hiesigen Familien zugeordnet, die noch Platz hatten, welche aufzunehmen, doch viele der Flüchtlinge waren krank und so mussten sie in einem Lager ein Hospiz errichten. Viele halfen beim Pflegen der Erkrankten und viele von den Einheimischen erkrankten ebenfalls.
Eines Tages kamen zwei Heiler namens Veras und Sortin aus Tevinter, die von mehreren Wachen begleitet wurden. Sie erklärten, dass die Pest hier wütete und nur sie könnten die Elfen heilen. Mit Freuden wurden die beiden Heiler begrüßt. Shi’nayne beobachtete dies alles, während sie mit den anderen Kindern umhertobte und spielte. Doch nach etwa einer Woche, seit dem Eintreffen Heiler und Wachen, wurden die Elfen unruhig. Es wurden Forderungen laut, dass man sie in das Hospiz hinein ließe, wo ihre Familienangehörige waren, doch die Heiler und Wachen verhinderten das Eintreten. Shianni, schon immer ein wenig hitzköpfig, stachelte die Elfen immer mehr auf.
An diesem Tage kehrte Kallian zurück ins Gesindeviertel. In ihrer Gesellschaft befand sich noch ein weiterer Grauer Wächter mit Namen Alistair, eine Magierin aus dem Zirkel, die sie mit Wynne vorstellte und ein Elf namens Zevran. Shi’nayne konnte die Blicke sehen, die Zevran und Kallian austauschten. Was war zwischen den Beiden? Shianni bat Kallian, sie möge um der alten Zeiten willen, bei der Aufklärung helfen. Als Kallian dem zustimmte, hoffte Shi’nayne, sie könne helfen, doch wieder einmal bekam sie zu hören, sie wäre zu jung dafür. Wie sehr hasste sie es in dem Moment, noch kein vollwertiges Mitglied zu sein. Solange man nicht verheiratet war, zählte man als Kind. Doch selbst zum Heiraten war sie zu jung. Dabei war sie doch schon zwölf Winter alt!
Doch so leicht ließ sie sich nicht abwimmeln und so folgte sie heimlich ihrer Cousine und sah mit an, wie Kallian und ihre Begleiter um das Hospiz herumgingen und eine Wache, die dort gelangweilt stand, ansprach und bestach, damit er ihr den Schlüssel gab. Gemeinsam betraten die Gefährten das Gebäude. Shi’nayne versteckte sich unter einem Bretterverschlag und wartete darauf, dass sie wieder heraus kamen. Kampfeslärm war von drinnen zu hören, dann öffnete sich die Tür und einige Elfen verließen das Gebäude. Kurz danach kamen Kallian und ihre Gefährten ebenfalls heraus. Als sie die Gasse wieder nach vorne gingen, hörte Shi’nayne ein wütendes Gespräch und kurz darauf erneut Kampfeslärm. Die Elfen auf dem Platz vor dem Hospiz, nahe beim Vhenadahl, dem alten Baum des Volkes, stoben schreiend auseinander und rannten in ihre Häuser. Nachdem sich alles wieder beruhigt hatte, dauerte es noch eine Weile, bis Kallian zurück in die Gasse kamen. Sie gingen am anderen Ende in ein Haus, das eigentlich unbewohnt war.
Shi’nayne folgte ihnen leise. Kallian sprach mit einem Elfen, doch was es war, konnte sie nicht hören. Sie liefen weiter, außer dem Elfen befanden sich noch einige Wachen im Gebäude, die jedoch schnell von Kallian und ihren Gefährten ausgeschalten wurden. Sie verließen das Haus durch eine weitere Tür, wo sie erneut auf Wachen aus Tevinter trafen. Ein Wortwechsel folgte und erneut kam es zum Kampf. Nachdem der Elf in Kallians Begleitung die Wachen durchsucht hatte, folgte er den Anderen nach und gemeinsam betraten sie ein ungenutztes Lagerhaus. Zumindest dachte Shi’nayne, dass es ungenutzt sei.
Dort stießen sie auf eine Elfe, Devera hieß sie, die in Begleitung einiger zwielichtigen Gesellen war. Schon oft hatte Shi’nayne sie gesehen, doch Onkel Cyrion und Shianni hatten sie immer wieder vor ihr gewarnt. Kallian stellte sie zur Rede und bot ihr an, aufzugeben und zu gehen, doch Devera lachte sie nur aus. Ihren gutbezahlten Job als Sklavenhändlerin solle sie aufgeben? Und es wäre ihr egal, dass es ihre Brüder und Schwestern seien, solange nur die Bezahlung stimmte. Kallian wurde wütend und zog ihre Schwerter. Es kam zu einem kurzen Kampf und weitere Leichen säumten Kallians Weg. Hatte sich Shi’nayne bei der ersten Leiche noch übergeben, so fühlte sie sich nun innerlich wie erstarrt, agierte nur noch automatisch, der Überlebensdrang groß. Sie dachte, wenn sie in der Nähe von Kallian bliebe, würde ihr nichts geschehen. So gingen sie von Raum zu Raum, unterbrochen von Kämpfen, bis sie einen großen Raum erreichten.
Shi’nayne versteckte sich hinter der Tür und belauschte alles. Ein Sklavenhändler, der sich als Caladrius vorstellte, bot Kallian an, mit ihr gemeinsame Sache zu machen, doch diese lehnte ab. Shi’nayne wurde von Stolz erfüllt, als sie dies hörte. Erneut war Kampfeslärm zu hören, der länger dauerte als die vorherigen. Wie lange sie nun schon in ihrem Versteck ausharrte, konnte Shi’nayne nicht sagen, doch ihre Beine schmerzten in dieser ungewohnten Haltung. Der Sklavenhändler flehte um Gnade, sein Leben. Er bot Kallian erneut sehr viel Geld an, doch das beeindruckte sie nicht. Dann warf er ihr an den Kopf, dass kein geringerer als der Vater der Königin, Loghain Mac Tir hinter alledem steckte und die Sklaven an ihn verkauft hätte. Er befand, dass es inzwischen zu viele Elfen seien und sie doch wieder als Sklaven gehalten werden müssten. Sie hätten nicht das Recht, frei zu sein und er hätte die Beweise. Für sein Leben würde er sie geben. Doch Kallian zeigte keine Gnade, sprang wütend auf den Sklavenhändler zu und gab ihm den Rest. Shi‘nayne mußte auf ihre Hand beißen, um einen Schrei zu unterdrücken. Kallian drehte sich um und blickte genau in die Richtung, in der Shi’nayne sich befand. Es schien, als könne Kallian sie in dem Schatten sehen. Doch dies war nicht möglich, oder doch? Es schien, als würde die Zeit still stehen, Shi’naynes Herz schlug wie verrückt, sie hatte Angst, dass Geräusch würde sie verraten. Dann wandte sich Kallian ab, wies ihre Gefährten an, die Leichen zu durchsuchen und alles einzustecken, doch ein paar wenige Waffen ließ sie übrig. Shi’nayne wartete noch einen Moment, dann schlich sie heraus, klaubte die restlichen Waffen zusammen, ebenfalls ein paar Juwelen, die sie in den Truhen an der Wand fand und schlug alles in ein Tuch ein. Das Bündel war schwer, doch sie verzog keine Miene, als sie es sich über die Schulter warf und vorsichtig das Lager verließ und zur Hütte ging, wo sie das Bündel unter einer losen Diele unter ihrem Bett versteckte. Anschließend begab sie sich wieder zum Hospiz an Shiannis Seite.
Kallian und ihre Gefährten sprachen mit Hahren Valendrian, nahmen widerstrebend eine Belohnung an, dann wandte sich Kallian zu Shi’nayne und bat darum, mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Sie erbleichte noch mehr und angstvoll folgte sie Kallian. Würde sie nun eine Rüge dafür erhalten, dass sie sie verfolgt hatte? Nachdem sie abseits von den Anderen waren, nahm Kallian sie wortlos in die Arme und streichelte ihren Rücken. Shi’nayne begann zu Weinen, der Schock über das Gesehene stellte sich nun ein wenig verspätet ein. Kallian sprach nun beruhigend in elfischer Sprache auf Shi’nayne ein, bis sie sich endlich wieder beruhigte. Doch die folgende Worte erstaunten Shi’nayne, hatte sie doch mit einem Tadel gerechnet: „Lerne, unsichtbar zu sein. Bewege dich lautlos. Und wenn dir ein Gespräch zu Ohren kommt, höre zu und merke es dir. Auch wenn es dir noch so unwichtig erscheinen mag, man weiß nie, ob man es nicht in der Zukunft verwenden kann.“ Shi’nayne nickte und Kallian küsste sie auf die Stirn, dann wandte sie sich ab, ging zurück zu ihren Gefährten und nach einem kurzen Wortwechsel mit Shianni verließen sie das Gesindeviertel.
Die Tage vergingen im Gesindeviertel ohne weitere größere Geschehnisse. Shi’nayne hatte sich allerdings Kallians Rat zu Herzen genommen und trieb sich nun mehr auf dem Marktplatz herum. Dort konnte sie sehr viele Gerüchte über die nahende Verderbnis aufschnappen, hin und wieder hörte sie auch Gerüchte über Kallian und das, was sie tat. Verbündete für den Kampf gegen die Verderbnis hatte sie organisiert. Die Zwerge aus Orzammar, die Magier des Zirkels sowie die Dalish Elfen.
Bei ihren Ausflügen auf den Marktplatz sah Shi’nayne oft, wie die anderen Elfenkinder die Shemlen bestahlen, was meist gut ging, doch gelegentlich wurden sie gefasst. Dann gab es richtigen Ärger. Aber oft gelang den Elfenkindern auch die Flucht und in dem Getümmel war es sehr schwer, sie wieder zu finden. Die Wachen kamen zwar auch oft ins Elfenviertel, doch war es schwer, dort das richtige Kind zu finden, denn zu viele Kinder befanden sich dort, viele verwahrlost und ohne Familie. Shi’nayne grübelte darüber, wie sie dies alles effektiver nutzen konnten. Große Gedanken für ein Kind, doch davon hatte sie sich noch nie abhalten lassen. Schon immer hatte sie einen messerscharfen Verstand. Zuerst übte sie sich auch im Stehlen und bald schon hatte sie eine gute Fingerfertigkeit entwickelt. Zwischen den ganzen Händlern, Adligen, Bediensteten und Wachen entlang zu streifen, half ihr auch dabei, fast unsichtbar umher zu streifen. Man beachtete sie kaum. Das Training der Wachen beobachtete sie oft, bald fanden sich weitere Elfenkinder ein, die zusahen und kurz darauf begannen sie selber mit Holzschwertern zu üben. Es dauerte nicht lange und Shi’nayne besiegte alle Kinder, sie begriff sehr schnell und setzte oft fiese Tricks ein.
Eines Tages, die anderen Kinder waren wütend auf sie, wurde sie von dem Anführer der Kinderbande aufgehalten: „Verschwinde aus unserem Revier! Lange genug haben wir dich hier geduldet, doch nun ist es Zeit, abzuhauen, wenn dir dein Leben lieb ist.“ Shi’nayne, die kleiner und jünger war, blickte zu ihm auf, ein freches Lachen im Gesicht. „Und was, wenn ich es nicht will? Wer gibt dir das Recht, zu behaupten, dies wäre dein Revier?“ „Ich sage das! Als Ältester habe ich das Sagen hier.“ Shi’nayne lachte nun richtig laut und als sie sich wieder beruhigt hatte, sprach sie: „Gut, dann fordere ich dich hiermit heraus! Der Sieger wird in Zukunft die Gruppe führen und bestimmen, was gemacht wird.“ Nun war es an dem Anführer zu lachen, er nahm die Herausforderung an, doch bald schon verging ihm das Lachen. Flink wie ein Wiesel rannte Shi’nayne um ihn herum, immer wieder holte sie zum Schlag aus, er selber traf nur sehr selten. Bald schon lag der Junge auf dem Boden, Shi’nayne saß auf ihm drauf und schlug mit ihren Fäusten immer wieder auf ihn ein. Der ganze Zorn stieg in ihr auf, die Wut auf ihre Schwester, die sich kaum noch um sie kümmerte und sich so zurückgezogen hatte, Kallian, die nicht mehr da war, Soris, der inzwischen von Valora in Beschlag genommen worden war, obwohl sie immer noch nicht verheiratet waren. Die anderen Kinder schrien auf sie ein, doch sie nahm sie kaum wahr.
Plötzlich wurde sie von hinten von starken Armen umfasst und von dem armen Jungen weggezogen. Sein Gesicht war zugeschwollen, er blutete aus der Nase und dem Mund, die Augen konnte er kaum noch öffnen. Erst langsam wurde Shi’nayne bewusst, was sie getan hatte. Sie hätte das Kind fast zu Tode geprügelt. Ein Elfenkind! Kein verdammter Shemlen! Tränen wollten ihr in die Augen treten, doch gewaltsam hielt sie sie zurück. Nein, sie würde sich keine Blöße zeigen. Sie blickte auf und sah vor sich einen wütenden Elfen. Onkel Cyrion. „Was ist denn in dich gefahren, Kind? Was sollte das Ganze? Wolltest du ihn umbringen?“ Shi’nayne schwieg, schüttelte nur verneinend den Kopf. „Was soll nur aus dir werden? Deine Mutter würde sich im Grabe umdrehen, könnte sie dich nun so sehen!“ Shi’nayne zuckte schuldbewusst zusammen, doch dann richtete sie sich kerzengerade auf und sprach: „Wen interessiert es denn schon, was mit mir geschieht? Shianni ist nur noch mit Hahren Valendrian beschäftigt und wenn sie denkt, es sieht keiner, greift sie zur Flasche! Und du? Bist auch nur noch mit der Trauer um Kallian beschäftigt, dabei ist sie ja nicht mal tot!“ Für diese Worte bekam sie eine Ohrfeige, ihr Kopf flog herum, Blut floss aus der aufgeplatzten Lippe heraus. Selbst jetzt begann Shi’nayne nicht zu weinen. Sie schwor sich, dies nie wieder zu tun. Hasserfüllt blickte sie zu ihrem Onkel, dann wandte sie sich ab und verließ das Gesindeviertel. Sie wollte jetzt einfach nur alleine sein. Doch schon bald bemerkte sie, dass die anderen Kinder ihr folgten. Sie blieb stehen und fragte wütend: „Was wollt ihr? Wieso lauft ihr mir hinterher wie Hunde?“ Die Kinder blieben erschrocken stehen, doch eines fasste seinen ganzen Mut zusammen und sagte schüchtern und leise: „Du bist doch nun unsere Anführerin. Du musst für uns sorgen.“ Shi’nayne erstarrte. Das hatte sie ja ganz vergessen. Nun gut, dann mußte sie wohl nun ihre Aufgaben übernehmen. Sie wies die Kinder an, nur noch die Shemlen zu bestehlen, einige andere teilte sie zum Betteln an, vor allem die Kleinsten eigneten sich dafür wunderbar. Nach kurzer Zeit hatten sie schon sehr viel Souvereigns zusammen, sogar ein paar Silber- und Goldmünzen. Außerdem viele Juwelen und Sonstiges.
Bald wurde ein Shemlen auf sie aufmerksam und nahm Kontakt auf. Er stellte sich als Slim Couldry vor. Er bot ihnen an, dass sie für ihn arbeiten sollten, doch Shi’nayne lehnte dies ab. Sie wollte nicht für einen Shemlen arbeiten. Jedoch wurde sie von den anderen Kindern überstimmt und so sah sie sich gezwungen, für ihn zu arbeiten. Eine Zeit lang ging es gut, bis sie in das Haus eines Adligen einsteigen sollten, um ein paar Dokumente zu holen, die wohl wichtig waren. Ihr Einsteigen war nicht unbemerkt geblieben und so mussten sie fliehen. Caedwen wurde geschnappt, doch Shi’nayne und den Anderen gelang nur sehr knapp die Flucht. Als sie zurück ins Elfenviertel gelangten, zeterte und tobte Shi’nayne. „Von einem verdammten Shemlen verraten! Das Haus sollte leer sein! Keiner sollte da sein! Doch dies war nicht der Fall! Nie wieder werden wir einem Shemlen vertrauen! Die sind doch alle gleich!“ Untätig mussten sie mitansehen, wie Caedwen am nächsten Tag vor aller Augen an den Pranger gekettet wurde und zwanzig Hiebe mit der Peitsche über sich ergehen lassen mußte. Anschließend wurde ihm die rechte Hand abgehackt. Eine Heilerin kümmerte sich anschließend um die Wunden, damit er nicht verblutete.
Die Verderbnis rückte unweigerlich näher, doch immer noch gelang es Loghain Mac Tir nicht, die Arls zu vereinen und gemeinsam in die Schlacht zu ziehen. Viele glaubten ihm nicht, was er sagte. Die Gerüchte um seine Taten verhärteten sich, doch keiner hatte Beweise. Eines Tages kam Shi’nayne und den anderen Elfen zu Ohren, dass Kallian gemeinsam mit ihren Gefährten und Arl Eamon zurück nach Denerim gekehrt waren. Es wurde ein Landthing einberufen. Gemeinsam mit Onkel Cyrion konnte Shi’nayne daran als Zuschauer teilnehmen und währenddessen wurde sie Zeuge, wie Kallian den anwesenden Arls die Beweise über Loghains Machenschaften vorlegte. Außerdem überraschte sie alle, indem sie den Grauen Wächter Alistair als den Bruder des verstorbenen und allseits geliebten König Cailans vorstellte und dass dieser nun über Ferelden herrschen sollte. Dies überraschte sogar Alistair selber, doch Kallian ignorierte seinen Widerspruch und so gab er klein bei. Als schlussendlich Königin Anora all dies bestätigte, stimmte die Mehrheit der Arls für Alistair, Kallian und Arl Eamon und Loghain Mac Tir, der seine Schande nicht annehmen konnte, forderte Kallian zu einem Duell, welchem er unterlag. Ein weiterer Grauer Wächter tauchte plötzlich auf und schlug vor, Loghain Mac Tir nun zu rekrutieren, doch dies lehnte Kallian ab. Sie forderte die Todesstrafe für den Verräter und letztendlich akzeptierte Loghain Mac Tir das Urteil und starb durch Kallians Hand.
Es vergingen noch einige Tagen, indem nun alle dafür sorgten, in Sicherheit zu gelangen. Shianni hatte nun endgültig die Zügeln übernommen und wies die Alten, Kranken und Kinder, darunter Shi’nayne an, in der Kanalisation Schutz zu suchen. Sie selber wollte gemeinsam mit den jungen, kräftigen Elfen im Viertel bleiben und verteidigen. Shi’nayne weigerte sich, wollte sie doch ebenfalls bleiben und helfen, doch Shianni wollte nichts davon hören und so wurde sie von den Anderen gegen ihren Willen davon gebracht. Erst nach dem Kampf sollten sie zurück an die Oberfläche kehren. Denerim war zerstört und Kallian starb in dem Moment, als sie dem Erzdämon das Schwert in dessen Bauch rammte. Diese Nachricht traf Onkel Cyrion schwer. Doch am Schlimmsten traf es Shianni. Sie hatte Kallian angebetet, sie war ihr Vorbild, ihr Halt. Stets hatte sie von Kallian gesprochen, wie sie sie beneidete um alles, was sie tat und dass sie alles tun wollte, um eine gute Nachfolgerin Valendrians zu werden. Doch dies änderte sich mit dem Tode Kallians. Shianni zog sich total zurück, sprach kaum noch mit Jemandem und begann zu trinken. Verzweifelt mußte Shi’nayne dies alles mit ansehen. Shianni war doch ihre Familie! Sie wurde wütend und schrie Shianni an: „Du bist jeden Tag betrunken! Gehst nicht mehr arbeiten, Hahren Valendrian hast du ebenfalls im Stich gelassen! Wir haben nichts mehr zu essen, unser Heim ist zerstört und was machst du?“ Shianni schaute sie aus leeren Augen an, doch es wirkte so, als würde sie sie gar nicht wahrnehmen. Shi’nayne nahm, das Geschirr in die Hand und begann es gegen die Wand zu werfen. Als auch der letzte Teller in Scherben zerbrochen lag, brach Shi’nayne weinend zusammen. Selbst jetzt saß Shianni nur reglos da. Irgendwann schlief Shi’nayne vor Erschöpfung durch den Wutausbruch und dem vielen Weinen ein.
Hallo,
ich sag euch nun schon einmal, ich habe mich großteils wegen dem Fereldische Bote angemeldet. Der andere Teil war wegen der Taverne usw xDD
Aber nun zur Geschichte.
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Viele Geschichten wurden bereits in ganz Thedas über den Helden von Ferelden erzählt, doch nicht jeder, kennt die ganze Geschichte. Die meisten Geschichten sind am Anfang oft die Gleichen, und auch das Ende ist immer identisch, doch was in der Mitte unserer Abenteuer passierte, bleibt oft verborgen. Den ich bin, der Wächter. Mein Name lautet Theron Mahariel und die meisten meinen, ich sei Verschwunden, doch dem ist nicht so. Ich werde euch nun, die Wahre Geschichte erzählen.
Mein Volk sind die Dalish Elfen, die sich von den Menschen versteckt halten, da diese die unseren zu früheren Zeiten versklavt hatten und dies heute auch so ist. Doch heute, im verborgenen.
In eng verbundenen Clans ziehen die Dalish durch das Land, kämpfen, von den den Menschen gefürchtet und verachtet, um den Erhalt ihres fast vergessenen Erbes. Und genau aus solch einen Clan, stamme ich. Doch dies, würde nicht mehr lange so sein.
„Ich bin froh das du Aufgetaucht bist Lethallian. Ich habe gerade eben diese Shemlen gefunden, wie sie durch den Wald liefen.“ Tamlen sah mich freundlich an, während er seinen Bogen bereits gespannt auf die drei Shems zielte. Ich tat es ihm gleich und ließ sie nicht aus den Augen. Shemlen konnte man einfach nicht trauen. „W- wir wussten nicht das dies euer Wald ist.“ - „Dies ist nicht unser Wald! Wir leben nur hier, gemeinsam mit den Tieren.“ fuhr Tamlen diesem Shem ins Wort. Sie zitterten am ganzen Körper. Man konnte förmlich die Todesangst in ihnen Spüren. „W-wir haben nur in einer Höhle im Westen des Waldes nach Schätzen gesucht.“ versicherte einer von ihnen, wodurch ich spöttisch auf ihn Blickte. „Wenn das wahr ist, müsstet ihr ja Schätze bei euch haben. Und ich habe auch noch nie eine Höhle im Westen dieses Waldes gesehen.“ nun war ich gespannt, ob dieser Mann es wirklich nur als Ausrede gesagt hatte, oder ob er wirklich etwas bei sich hatte.
„Ich kann es beweisen! Hier.“ der anscheinende Anführer der drei übergab etwas Tamlen, der Faszinierend darauf blickte. „Dies ist Elfisch!“ bestätigte er die Aussage des Mannes. „Weshalb bist du dir so sicher das es Elfisch ist?“ - „Ich habe mal etwas ähnliches auf einer der Schriftrollen der Hüterin gesehen...“ er überreichte es mir, so das ich es auch mal genauer anblicken konnte. Es war wundervoll. Noch nie zuvor hatte ich ein Artefakt in den Händen gehalten, das so alt zu sein schien. Zu der Zeit in der alle Elfen noch unsterblich schienen. Doch dies ist schon Jahrhunderte her. „Mehr habt ihr nicht gefunden? Warum seit ihr nicht weiter ins innere gegangen?“ Tamlen blickte sie durchdringend an und auch ich fühlte, wie die Wut in mir aufkam. Die Wut, das gerade Shemlen so etwas fanden. Eine Gesamte Höhle in der sich Wahrscheinlich Artefakte unserer Glanzzeit befanden. „Da war ein Dämon, riesig, mit schwarzen Augen! Wir konnten davonlaufen, dem Erbauer sei Dank!“ nun fingen sie auch wieder mit ihrem angeblichen Gott an. Dabei gab es nur unsere, die Wahren Götter. „Was meinst du Theron? Sollen wir sie laufen lassen?“ gespannt blickte er mir in die Augen, als ich noch einmal in die Augen der Shemlen schaute. Die Angst machte sich breit da sie wussten, das nun die Stunde der Wahrheit gekommen war. Ich konnte zwischen ihrem tot, oder ihrem Leben entscheiden. Dies war ein ergreifendes Gefühl. „Willst du das sie wieder mit ihren Freunden auftauchen und uns verjagen? Das müssen wir verhindern!“ - „Ja du hast recht. Das würde zu diesen Shems passen. Es wird nicht lange dauern...“ mit einem Grinsen blickten wir zu den Menschen wie sie in ihrer Sprache genannt wurden und schossen mit unseren Bögen auf sie. Die Pfeile waren direkt in ihrem Herzen gelandet. Der letzte der drei wollte davonlaufen, doch Tamlen schoss noch einmal auf ihn direkt ins Kreuz und auch er, lag tot auf dem Boden und war am verbluten.
„Und wieder eine Gute Tat erfüllt.“ lachte ich nur, während mich Tamlen schockiert anschaute. „Wir haben gelernt uns zu verteidigen, doch über Tote sollte man sich nie lustig machen.“ ermahnte er mich, wodurch ich verstummte. Er hatte ja recht, doch irgendwie...genoss ich es. Die Leute die für den Fall unseres Volkes verantwortlich waren. Dafür das wir so wenig noch von unserer eigenen Kultur besaßen, zu töten. Das war herrlich. „Und was meinst du? Sollten wir in diese Höhle gehen?“ ich nickte nur und wir machten uns auf den Weg.
Auf dem Weg zu besagter Höhle begegneten wir einigen Wölfen, die für uns keine Bedrohung darstellten, doch der Weg dorthin dauerte einige Minuten und als wir da waren, waren wir erstaunt.
„Ich kann mich nicht erinnern diese Höhle hier einmal gesehen zu haben. Du?“ mit diesen Worten richtete sich Tamlen zu mir. „Nein. Komm, sehen wir uns das näher an.“ mit diesen Worten lief ich sofort in die Höhle, Tamlen folgte mir natürlich schnell.
„Wow.“ sprachen wir beide wie aus einem Mund, als wir uns im inneren der Höhle befanden.
Man konnte sofort die Bauweise der Elfen erkennen, aber irgendwie....schien es auch so als sei Shemlen Kunst dabei. Das konnte doch nicht sein. Nicht an einem Ort, der von Elfen erbaut wurde.
„Dieser Ort scheint Elfisch zu sein, doch mehr nach der Bauweise der Shemlen. Wundert dich das nicht.“ - „Natürlich wundert mich das.“ gab ich ihm sofort zu verstehen und wir liefen die Treppen hinunter. Doch es dauerte nicht lange, da waren schon drei Riesenspinnen von den Decken gesprungen, die uns gerne zum Frühstück verspeisen wollten. Mit großem Ekel schlugen wir auf diese Kreaturen ein. Es dauerte nicht lange, da waren auch diese Viecher erledigt und bereiteten uns keine Probleme mehr. „Es gibt keine Tiere die ich noch mehr hasse, als Spinnen. Und vor allem wenn sie so...Riesig sind.“ sprach ich aus und es schauderte mir am ganzen Körper.
„Lass uns weiter gehen.“ hörte ich Tamlen sagen und ich lief ihm hinterher. Wir beobachteten alles ganz genau. Die Wände schienen auch schon seit Jahrhunderten zu stehen. So dreckig und verschmiert sie schon waren. Überall war schon der Staub zu erkennen. „Wie alt meinst du ist diese Höhle?“ mein Blick richtete sich fragend an Tamlen, der sich zu mir Umdrehte. „Sicherlich schon zu der Zeit von ...“ wollte er gerade weiter sprechen als ich ein „Achtung!“ von mir gab und meine Dolche auf die Riesenspinne schlug, die gerade Tamlen verspeisen wollte. „Danke, Theron.“ war das Einzige was mein Freund noch sagen konnte, als ich ihn Grinsend anschaute. „Sagen wir, wir sind Quitt. Du hast mich bei der Hüterin nicht verraten und ich habe dir das Leben gerettet.“ Pfeifend ging ich weiter, ohne auf seine Antwort zu warten. „Warte Lethallian! Weißt du was das hier ist?“ ich drehte mich zu meinem Kameraden um, der neben einer Statue stehen blieb. „Sie ist etwas...heruntergekommen. Doch sie kommt mir irgendwie bekannt vor.“ - „Als unser Volk noch in Arlathan lebte, haben sie mit Statuen wie diesen die Schöpfer geehrt. Als die Shems uns versklavten, ging diese Tradition leider verloren. Das sieht nach menschlicher Bauweise aus....aber es ist eindeutig eine Statue unseres Volkes. Vielleicht stammen diese Ruinen noch aus der Zeit von Arlathan.“ erklärte er mir unseren Fund. „Das ist Interessant. So viel aus unserer Vergangenheit ist verloren gegangen.“ gab ich nur dazu und lief wieder den Gang weiter entlang. Dicht gefolgt von Tamlen.
„Dieser Ort macht mich nervös.“ hörte ich ihn sagen, kurz bevor wir vor der Wahrscheinlich letzten Tür standen und ich mich Augen rollend zu ihm umdrehte. „Dann erzähl mir was, wenn dich das beruhigt.“ freundlich wie immer, versuchte ich ihm seine Angst zu nehmen. Immerhin brauchte ich meinen Freund Angriffs bereit für alles, was sich hinter dieser Tür befinden könnte. „Ich denke schon... sag mal, hättest du heute nicht eigentlich Meister Varathorn helfen sollen? Wieso bist du jetzt doch mit mir unterwegs?“ sein Kopf schaute erwartungsvoll zu mir. Ich merkte schon wie er gespannt auf eine Antwort war. „Du weißt doch, wie ich bin. Ich versuche, so oft wie möglich aus dem Lager raus zukommen.“ ein Charmantes Lächeln wie eh und je bekräftigte meine Aussage. „Ich kenne niemanden der so gerne durch die Gegend streift wie du. Ich wette, du endest irgendwann als Flachohr und lebst wie ein Shem in der Stadt. Lass uns einfach raus finden, was es hier gibt, und dann verschwinden. Wir können uns später unterhalten.“ ich war kurz davor ihm wegen der Sarkastischen Bemerkung mich mit einem Shem zu vergleichen, eine herein zu hauen. Wie sehr ich es doch hasste wenn man mich mit einem dieser Flachohren verglich. Ich war kurz davor, da meine Fäuste schon zitterten, was nie ein gutes Zeichen war. Jedenfalls für die Anderen. Doch genau in der Sekunde kam aus den Wänden ein komisches Grünes Gas und ein paar Leichen erhoben sich. LEICHEN ERHOBEN SICH? Ja ihr habt richtig gehört.
Sie liefen langsam auf uns zu. „Wandelnde Leichen?“ kam es leicht Ängstlich von meinem Freund, während ich lachend ein „Besser als jede Horrorgeschichte.“ von mir gab. Ich zog meine beiden Dolche und rannte auf eine Leiche zu, doch ich konnte mich gerade noch rechtzeitig zurück drücken, so das mich die Klaue dieses Leblosen Müllsacks nicht erwischte. „Du liebst es also mit deinen Klauen zu spielen, ja?“ ein Sadistisches Lächeln trat auf meine Lippen. Ohne zu zögern schnitt ich ihm erst den einen und dann den anderen Arm ab. „Jetzt bin ich gespannt was du tun wirst.“ zufrieden verschränkte ich die Arme, doch dieser Hochmut hätte beinahe mein Leben gekostet. Den nicht nur Arme können tödlich sein, sondern auch Zähne. Und mit diesen schnappte dieser halb verwesenden Bastard nach mir. „Okay, merk dir Theron, niemals untote unterschätzen, es könnte dein letztes mal sein.“ sprach ich mit mir selbst, als ich mit einer sehr schnellen 360° Drehung dessen Kopf abschlug und er leblos umfiel. „Geht doch.“ zufrieden betrachtete ich mein Werk, wurde aber schnell aus meiner Faszination herausgeworfen, da Tamlen heftige Probleme zu haben schien, da dieser es mit zwei untoten zu tun hatte. Und da diese mich nicht zu beobachten schienen, hatte ich die Überraschung zu meinem Vorteil. Von hinten schlich ich mich an eine der Leichen an und trat diesem die Beine weg, so das dieser sofort auf den Boden fiel und schlug mit meinem Dolch dieser sofort in den Kopf. So das die Leiche endlich wieder Leblos war. „Tote sollten tot bleiben ist meine Meinung.“ leise Seufzend blickte ich zu Tamlen der nun auch seinen ersten Untoten erledigt hatte.
„Wo kamen diese lebendigen Leichen her?“ sofort richtete ich meinen Blick auf ihn. „Ich habe mir sagen lassen, das viele Geister versuchen aus dem Jenseits zu fliehen, da sie uns, die Lebenden beneiden würden. Nur an Orten wo der Schleier sehr dünn ist, können sie heraus und nehmen von dem erstbesten Besitz. Manchmal, obwohl eine Seele noch drin ist und versuchen diese zu verdrängen. Andere, nehmen eben schon tote und dies führt sie dann in den Wahnsinn. Aber lass uns lieber weiter gehen.“ so langsam ging das Gas in unseren Körper, weshalb wir dringend aus diesem Raum mussten und dadurch direkt in den neuen Raum gingen. Doch anstelle das es besser wurde, wurde es noch Schlimmer. Vor uns stand ein Riesiger Bär, der irgendwie...verändert schien. Mit einer seiner Bärentatzen schlug er sofort Tamlen zu Boden und er richtete sich mir entgegen.
„Feiner Bär, sei ein lieber Bär. Wir sind alle Freunde.“ gerade als er sich auf mich stürzen wollte und er sich auf seine beiden Hinterbeine Stellte, nahm ich meinen Mut zusammen und steckte meine beiden Dolche in dessen Bauch und zog diese nach unten. Das Schmerzhafte Brüllen dieses Bären lies mich etwas zusammenzucken und er schlug mich ebenfalls gegen die Wand. Doch zu meinem Glück hatte ich ihn schon an den richtigen Stellen getroffen, so das der Schlag gegen mich, wahrlich sein Letzter war. Ich zog meine Waffen aus dessen Bauch und lief zu Tamlen der noch immer am Boden lag. „Geht es dir gut?“ besorgt beugte ich mich über ihn, als er die Augen aufmachte. „Bin ich...tot?“ - „Nein du Idiot. Ich hab grade deine Sitzpolsterung gerettet.“ wir Grinsten uns an, als ich ihn wieder auf die Beine zog und wir uns umsahen. „Schau, ein Spiegel.“ wir gingen näher an diesen heran und schauten uns diesen genauer an. Er war verziert an den Rändern mit Schriftzeichen, die anscheinend auf Elfisch geschrieben wurden. „Was steht da wohl an den Rändern.“ - „Nicht anfassen.“ kam es Sarkastisch von mir. „Natürlich. Wir wollen ja keine Flecken verursachen.“ ein kleines Lachen kam von Tamlen, ehe er hysterisch ein „Siehst du das?“ von sich gab. „Was?“ ich schaute genauer in den Spiegel, doch ich konnte nichts erkennen. „Schau doch mal genauer hin.“ er ging näher an ihn heran.
Nun konnte ich auch etwas erkennen. Doch Tamlen tat den Fehler, und fasste an den Spiegel, während ich mich neben ihn stellte als wir die Treppen hochgestiegen waren. „Ich sehe....eine Stadt.....unter der Erde. Irgendetwas sieht mich. Es....hält mich fest. HILFT MIR.“ mehr konnte ich nicht mehr wahrnehmen, da ich schon nach hinten geschleudert wurde durch eine Explosion und Ohnmächtig wurde.
„Hörst du mich? Es...tut mir Leid.“ ein Unbekanntes Gesicht konnte ich als letztes Wahrnehmen, doch dann...vernahm ich nichts mehr.
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Ich habe mir mühe gegeben und seit nicht all zu Brutal zu mir xDD Ich weiß meine Probleme sind die Grammatik deshalb hoffe ich trotzdem das es euch gefällt P.s. ich habs mir vorher 3-4 mal durchgelesen aber ich finde nie wirklich alle Fehler
gruß,
Perry Cox
Nach einer Nacht mit wenig Schlaf und voller Albträume war Vin am nächsten Morgen nicht nach Gesellschaft zumute. Er raunzte seinem Begleiter missmutig ein „Guten Morgen“ entgegen, was dieser nur mit einem knappen Nicken bedachte, ansonsten aber vollkommen überging. Das Frühstück nahm er gedankenverloren, abseits des neu entfachten Feuers, ein.
Albträume hatte er bereits seit seiner Kindheit, ziemlich genau seit seiner Flucht aus Highever. Er hatte sie auf die schrecklichen Ereignisse jener Nacht geschoben und damals gedacht, dass die Träume mit der Zeit nachlassen würden. Allerdings war dem nicht so. Jede Nacht wurde er von ihnen geplagt und seit einigen Wochen wurden sie immer schlimmer. Er konnte keinen Sinn in Ihnen erkennen und meistens konnte er sich morgens nicht mehr an den Inhalt der Träume erinnern. Vielleicht sollte er sich einmal der Hilfe der Magier bedienen. Diese kannten sich schließlich im Nichts, dem Ort der Träume, bestens aus und konnten ihm vielleicht sagen, woher diese Träume rührten und was er dagegen unternehmen konnte.
Da sein Gefährte inzwischen beinahe fertig war, sein Hab und Gut einzupacken und wieder auf Reisen zu gehen, machte auch er sich, weiter in Gedanken versunken, dran seine Sachen einzupacken.
Nur wenige Tage nach dem Treffen mit Slim, hatte Vin die nötigen Vorbereitungen für sein Unternehmen getroffen. Ob er an den Erbauer glaube, hatte Slim ihn gefragt. Er hatte diese Frage mit einer Gegenfrage beantwortet: Warum? Die Antwort war ebenso einleuchtend wie schockierend gewesen: Sein Ziel war die Kirche Denerims. Um genau zu sein, dass Kuratorium der Kirche. Seit vor gut einem Jahrzehnt die Asche der heiligen Andraste entdeckt worden war, lagerten dort zig Schriften, Schätze und einzigartige Gegenstände von unschätzbarem Wert, die in den Gewölben des Tempels im Frostgipfelgebirge gefunden worden waren. Die hiesige Kuratorin Justine untersuchte sie seit jener Zeit eingehend, da die Menge an Fundstücken aber so riesig war, war seither nur ein Bruchteil übersetzt, identifiziert und klassifiziert worden. Slim war der Meinung, dass so ziemlich jeder Gegenstand dieses Fundes ein kleines Vermögen wert sein sollte. Er wollte sogar, ausnahmsweise, kein Geld für diese Information, sondern bot sich in diesem Falle als Hehler an, da die Ware für einen Mann wie Vin, der keinerlei Kontakte in Denerim hatte, schwierig zu verkaufen seien dürfte. Nun war der Deal also Folgender: Vin würde die Ware „besorgen“ und diese an Slim zu einem noch auszumachenden Preis verkaufen. Da der Wert der Beute im Voraus nicht auszumachen war, würden beide nach Vins Raubzug ein Inventar der erbeuteten Gegenstände erstellen. Mit diesem würde Slim dann, mit Hilfe seiner unzähligen Kontakte zur Unterwelt, Preise für die einzelnen Beutestücke ermitteln und diese dann an Vin, abzüglich einer Provision für sich, ausbezahlen.
Sein Ziel hatte Vin ziemlich schnell ausgekundschaftet. Da die Kirche ein öffentliches Gebäude war, welches zu keiner Tages- oder Nachtzeit unzugänglich war, hatte er viele Möglichkeiten gehabt, sich dort genau umzuschauen und sogar die Bewachung des Kuratoriums auszumachen. Die Kirche war ein äußerst beeindruckendes Gebäude, mit einem Turm, der gute 30 Meter in den Himmel ragte und den Eindruck erweckte man könne an seiner Spitze dem Erbauer die Hand reichen, einer weitläufigen Garten- und Parkanlage auf der Rückseite, die zum Einen Rückzugsmöglichkeit für die Brüder und Schwestern der Kirche und zum Anderen Lieferant für eine Vielzahl unterschiedlicher Gemüse- und Obstsorten war, von denen sich der Orden ernährte und alles was übrig war auf Denerims Markt verkauft, und einem nicht minder beeindruckenden Gebäudekomplex. Dieser bestand aus einer riesigen Halle, in denen der Gesang ununterbrochen vorgetragen wurde, Tag und Nacht, jeden Tag im Jahr. Im Eingangsbereich, links und rechts der gewaltigen, hölzernen und mit Eisen beschlagenen Tore, waren an den Wänden einige Nischen eingelassen, in denen sich kleine Altare befinden. An diesen konnten die Gläubigen ungestört ihre Bitten an den Erbauer richten und im Stillen ihre Gebete gen Himmel senden. Die Mitte der Halle war gesäumt von mächtigen Steinsäulen, auf denen Ornamente mit verschiedenen kirchlicher Symbole zu sehen waren. Sie waren in einer Doppelreihe aufgestellt, zwischen ihnen gut drei Meter Platz, um das Durchgehen größere Gruppen in den vorderen Bereich der Kirche zu ermöglichen, und jeweils fünf in einer Reihe mit einem Durchmesser von je eineinhalb Metern. Sie stützen die hoch liegende Decke dieses heiligen Ortes. Der vordere Bereich wurde geprägt von einem mächtigen Steinaltar, auf dem eine Flamme hell loderte. Diese ewige Flamme brannte nun schon seit dem Tage an dem diese Kirche erbaut worden war und es wurde dafür Sorge getragen, dass sie niemals ausging. Links und rechts des Altars standen jeweils eine Zweiergruppe Priester und Schwestern und trugen, immer abwechselnd und in einer Art Trance versunken, die einzelnen Strophen des Gesanges vor. Sie hielten dabei eine Tonlage, die die gesamte Kirche mit einem eintönigen, aber angenehm beruhigenden Summen erfüllte. Hinter dem Altar war eine riesige Statue der heiligen Andraste aus Stein gemeißelt worden. Sie erhob sich majestätisch in die Höhe und maß beinahe zehn Meter. Ihr Antlitz wurde mit Hilfe der Magier Fereldens erschaffen und so wies der Stein eine unnatürliche Glätte auf und strahlte in einem kräftigen Weiß eine Aura der Erhabenheit und Güte aus Der Kopf der Statue, war nach unten geneigt, was symbolisierte, dass Andraste von der Seite des Erbauers auf die Gläubigen hinab schaut. Die rechte Hand hatte sie ihren Jüngern entgegengestreckt, die Handfläche geöffnet, als wolle sie jedem die Hand reichen. In der Linken jedoch trug sie ein Schwert. Und auch diese war nach unten gerichtet und sollte demonstrieren, dass die Ungläubigen fallen würden durch die Macht des Erbauers. Über dem Kopf dieser beeindruckenden Staue erhob sich der Turm der Kirche. Gestützt von vielen hölzernen Querverbindungen, erhob er sich in den Himmel und ließ dabei den Blick frei bis hinauf zur riesigen Glocke. Dieses Konstrukt war vor etlichen Jahrzehnten von zwergischen Architekten entworfen worden. Denn obwohl die Zwerge an den Stein und nicht an den Erbauer glaubten, waren sie nun einmal die begnadetsten Architekten in Thedas. Und um die Pracht des Erbauers darzustellen, griff die Kirche auch auf die Hilfe Nichtgläubiger zurück. Als Vin einige Tage nach dem Treffen mit Slim die Kirche betreten hatte, war er so beeindruckt von den Ausmaßen und der Pracht des Gebäudes gewesen, dass er unfähig war, sich auf weitere Details zu konzentrieren, die ihm bei seinem Vorhaben nützlich gewesen wären. Denn obwohl er in keinster Weise gläubig war, interessierte er sich dennoch für die Kultur und Architektur seines Landes. So brachte er den ganzen Tag damit zu, sich jedes einzelne Monument der Herrlichkeit des Erbauers in der Kirche anzuschauen und zu bewundern. Besonders beeindruckt hatten ihn dabei die Machart und die Feinheiten der Ornamente auf den Säulen.
Am nächsten Tag war er gemeinsam mit Thia, die er seit ihrem Kennenlernen jeden Tag getroffen hatte, in die Kirche zurück gekehrt. Vorbereitet, auf das was ihn dort erwartete, konnte er sich nun vollkommen auf seine Umgebung konzentrieren. Auf Höhe des ersten Säulenpaares, waren in den Wänden auf jeder Seite Türen eingelassen. Die Rechte war verschlossen, denn sie führte zu den Gemächern und Waschräumen der Kirchenmitglieder. Ein Schild, angebracht rechts oberhalb der Tür wies darauf hin. Die Türe auf der Linken jedoch stand offen. Ein weiteres Schild wies darauf hin, wohin sie führte: zum Büro der ehrwürdigen Mutter (1. Tür links), zur Bibliothek (2. Tür links), Zum Kuratorium (am Ende des Ganges rechts), stand untereinander auf der kleinen Tafel. Thia erklärte ihm, dass die Bibliothek als Ort des Wissens der Öffentlichkeit jederzeit zugänglich war, und somit war die erste Hürde auf dem Weg zum Kuratorium bereits genommen. Sie gingen durch die Tür und kamen in einen kleinen, schmalen Gang, der so gar nicht zur Pracht und Größe der großen Halle passen wollte. Er wurde schwach erleuchtet von spärlich an den Wänden angebrachten Lämpchen und wirkte nahezu erdrückend. Die Beiden wandten sich nach rechts und nach wenigen Schritten kamen sie an die erste Tür. Sie stand offen und sie konnten an einem massiven Schreibtisch eine ältere Frau sitzen sehen. Ihr graues Haar war streng nach hinten gekämmt und zu einem Dutt verknotet worden und unterstrich die harten Gesichtszüge der ehrwürdigen Mutter diese Kirche. Sie hatten die beiden bemerkt, hob kurz den Blick von den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch und bedachte die beiden mit einem unerwartet warmen Lächeln. Thia und Vin erwiderten das Lächeln und machten sich auf den Weg, weiter den katakombenähnlichen Gang entlang, um nicht in ein Gespräch mit der Mutter verwickelt zu werden. Wie auf der Tafel beschrieben, kam als nächstes die Tür zu der Bibliothek. Auch sie stand offen und im Vorbeigehen konnte Vin einen Blick auf einige Gelehrte werfen, die schweigend an einem Tisch saßen und in Büchern lasen. Da ihn nur das Kuratorium interessierte, ging er mit Thia zügig weiter. Auf dem Weg den Gang entlang fielen ihm noch drei weitere Türen auf. Diese waren nicht beschriftet und verschlossen. Er nahm sich vor in Erfahrung zu bringen, wohin die Türen führten, marschierte aber weiter zum Ende des Ganges. Zu seiner Rechten fand er den Eingang ins Kuratorium. Gerade als er nach der Klinke greifen wollte, wurde diese von Innen betätigt. Mit einem schwachen Knarren der metallischen Scharniere wurde die Tür nach außen hin geöffnet und Vin musste einen Schritt zurück treten, um nicht die Tür zu blockieren. Heraus trat eine nicht mehr ganz junge, aber attraktive Frau. Wie es so Vins Art war, taxierte er seine Gegenüber von oben bis unten. Sie hatte hellbraunes, zu einer kunstvollen Frisur verarbeitetes Haar, grüne Augen, die vor Freundlichkeit und Willenskraft strahlen und ein markantes, aber trotzdem hübsches Gesicht. Mit seinem charmantesten Lächeln auf den Lippen begann Vin zu reden: „Verehrte Schwester, wir sind auf der Suche nach dem Kuratorium. Man sagte uns, dort befänden sich einige äußerst heilige Gegenstände, die der heiligen Andraste gehörten. Wir würde diese gerne sehen und hoffen dadurch unserer geliebten Andraste näher sein zu können.“. Ein Lächeln umspielte die Lippen der Schwester: „Nun, dann seid ihr bei mir genau an der richtigen Adresse. Mein Name ist Justine und ich bin die Kuratorin dieser Kirche. Ich überprüfe all die Gegenstände, die im Tempel der Asche der Andraste gefunden wurden, auf ihre Echtheit. Ich könnte euch stundenlang davon erzählen, aber in das Kuratorium kann ich euch leider nicht hineinlassen. Die Gegenstände sind noch nicht fertig identifiziert und klassifiziert und ich befürchte ihr können mein System durcheinander bringen.“. Mit diesem Satz zog sie die Tür hinter sich zu und verschloss sie mit einem Schlüssel, den sie aus dem Ärmel ihrer Kirchenrobe hervorgezaubert hatte. Vin hatte damit gerechnet, nicht so einfach Einlass in das Kuratorium zu erhalten und fuhr mit gespielter Enttäuschung fort: „Aber Schwester, ich meine, verehrte Kuratorin, Sie können doch nicht einem so treuen Anhänger der geheiligten, barmherzigen Andraste den Zutritt zu solch inspirierenden Gegenständen verwehren. Vielleicht könntet ihr mir eine kleine, private, Führung gewähren. Nur wir zwei.“. Vin zwinkerte der Schwester zu und Thia schüttelte kaum merklich den Kopf. Unverbesserlich, dieser kleine Schwerenöter, dachte sie bei sich. Sie bedachte Vin mit einem strafenden Blick von der Seite, der dies jedoch nicht zur Kenntnis nahm, sonder sich vollkommen auf Justine konzentrierte. Diese schien völlig unbeeindruckt von Vins Angebot und lehnt eine Führung durch das Kuratorium ab. Nun legte Vin noch eins drauf und begann mit verzweifelter Stimme auf Justine einzureden, ob sie sich denn wenigstens mit ihm treffen würde und ihm berichten könnte, was alles gefunden wurde und was sie bisher hatte herausfinden können. „Es tut mir leid, aber ich bin zu beschäftigt, um mich mit Euch zu treffen. Ich bin von Sonnenaufgang bis spät in die Nacht, meist bis ein oder zwei Uhr, im Kuratorium und arbeite. Das ist nötig, da nur ich mich mit diesen Gegenständen beschäftige und keine weitere Hilfe von der ehrwürdigen Mutter erhalte.“. In ihrem letzten Satz lag eine Spur Bitterkeit, aber in Vin hielt ein Gefühl des Triumphes Einzug. Soeben hatte er die wichtige Information erhalten, dass er nach zwei Uhr in der Nacht in das Kuratorium einsteigen musste. Die Feststellung, dass sie mit ihrer Arbeit alleine dar stand, schien Justine dermaßen verärgert zu haben, dass ihr Blick sich verfinsterte und sie ohne Umschweife das Gespräch beenden und sich wieder ihrem Geschäft zuwenden wollte. Sie holte ihren Schlüssel wieder hervor und währen sie die Tür wieder aufschloss, warf Vin einen Blick auf das Schloss. Es schien kein besonderes Schloss zu sein, sondern eines, das man an nahezu jeder Haustür in Ferelden finden konnte. Zudem war es bereits stark oxidiert und an manchen Stellen bereits korrodiert. Etwas verwirrt ob dieser nachlässigen Sicherheitsvorkehrungen, wandte sich Vin ein letztes Mal an die nun mürrisch drein blickende Kuratorin: „ Sagt, ist das Kuratorium denn nicht gesichert, abgesehen von dieser Tür? Die Schätze, die hinter der Tür warten, locken doch sicherlich einige finstere Gestalten an.“. Unverständnis trat in das Gesicht von Justine. „Sicherheitsvorkehrungen? Werter Herr, dies ist eine Kirche, ein Ort der Glaubens, der Gnade und der Erleuchtung. Warum sollte jemand es wagen, das Erbe Andrastes zu entweihen, indem er in die Kirche einbricht? Das ist doch geradezu lächerlich!“. Kopfschüttelnd verabschiedete sich Justine von den beiden Besuchern und schloss die Türe hinter sich.
Kaum war die Kuratorin hinter der Tür verschwunden, boxte Thia Vin, mit einem gespielten Anflug von Eifersucht, in die Magengegend. „Wie kannst du es wagen diese Frau so unverhohlen lüstern anzustarren.“. Vin konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen und antwortete, „Verehrte Thia, ich…“. „Und hör auf so geschwollen daher zu quatschen!“, unterbrach sie ihn mit ruppigen Tonfall. Vin mochte Thias offene Art, das war schon von Anfang an so gewesen. Und für ihn war es offensichtlich, dass sie ein gewisses Interesse an ihm hegte, auch wenn sie das niemals zugeben würde. Und bisher war sie auch auf keinen seiner Annäherungsversuche eingegangen. Das schätzte er sehr an ihr. Sie war kein leichtes Mädchen. Er legte ihr den Arm um die Schulter und drückte sie etwas an sich. „Komm, lass uns gehen. Ich glaube ich habe alles was ich brauche.“. Mit leichtem Widerstand und immer noch vor sich hin schimpfend ließ Thia die Umarmung zu und so begaben sich die beiden zurück in Vins Zimmer in der Taverne „Zum müden Adeligen“.
Zwei Tage und ein paar Stunden später stand Vin nun vor dem Eingang zur Kirche. Er überprüfte nochmals seine Ausrüstung: Er hatte diverse Dietriche, ein Fläschchen Öl, seine zwei Dolche sowie ein Seil und sein Schwert an seinem Gürtel befestigt. Auf dem Rücken trug er einen großen Rucksack, der dieselbe Farbe hatte, wie seine gesamte Kleidung: Schwarz. Sein hellbraunes Haar hatte er mit einer schwarzen Wollmütze bedeckt und so war er im Dunkel der Nacht nicht mehr als ein Schatten. Der Marktplatz und die umliegenden Straßen lagen menschenleer in seinem Rücken.
Er hatte von seinem Zimmer im zweiten Stock der Taverne einen guten Ausblick über den Marktplatz und die Umgebung. Er hatte dort ausgeharrt, bis die Nachtpatrouille der Stadtwache ihren Rundgang im Marktviertel beendet hatte und sich zur Pause in eben die Taverne zurück gezogen hatte, in der er hauste. Zuvor hatte er es so eingerichtet, dass der Wirt und die Kellnerinnen des Müden Adeligen es mitbekommen hatten, dass er sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte, indem er den Betrunkenen gemimt hatte und brüllend und lallend durch die Taverne zur Treppe zu seinem Zimmer gestolpert war. Als es schließlich soweit war, war er aus dem Fenster seines Zimmers geklettert und auf das Dach des benachbarten Gebäudes gesprungen, von dort aus auf die gegenüber liegende Seite geklettert und zu Boden gesprungen. Im Schatten verborgen, hatte er sich kurz vergewissert, dass ihn niemand sah und war dann schnurstracks zur Kirche gegangen.
Nun stand er also vor seinem Ziel und ließ seinen Blick erneut über den Marktplatz schweifen, um sich zu vergewissern, dass niemand sah, wie er die Kirche betrat. Keine Menschenseele war zu sehen. Als nächstes erklomm er ein paar Kisten, die neben dem Tor der Kirche standen und lugte durch ein Fenster, welches gut zweieinhalb Meter über dem Boden in die Wand eingelassen war, in die Kirche. Sie war weniger erleuchtet als tagsüber, aber dennoch konnte er die Zweiergruppe neben dem Altar stehen sehen, die den Gesang vortrugen. Abgesehen davon marschierten zwei Templer gerade den Mittelgang in Richtung Ausgang entlang, bogen aber auf Höhe der letzten Säule nach links ab und hielten direkt auf die Tür zu den Unterkünften zu. Vin sah seine Zeit gekommen. Behände sprang er von den Kisten hinab und landete sanft, wie auf Katzenpfoten, auf dem Boden. Sein Körper war durchtrainiert und darauf geschult, sich leise und ohne Aufmerksamkeit zur erregen fortzubewegen. Er öffnete vorsichtig das Tor zu Kirche und unter leisem Quietschen und Knarren ergoss sich ein immer größer werdender Lichtkegel vor ihm. Er schlüpfte durch den Spalt und schloss die Tür leise hinter sich. Er war zwar überzeugt, dass die Vortragende Schwestern und Priester ihn nicht bemerken würden, aber Vorsicht war oberstes Gebot bei Unternehmungen wie diesem. Schnell begab er sich leisen Schrittes zu den Altären links von ihm und versteckte sich in einer der abgetrennten Nischen. Als er sich überzeugt hatte, dass die Luft rein war, ging er in Richtung des Tür, die in den schmalen Gang führte, immer darauf bedacht in den schattigen Flächen des Raumes zu bleiben. Vorsichtig betrat er den Korridor und stockte. Aus dem Arbeitszimmer der ehrwürdigen Mutter ergoss sich ein Schwall Licht und erhellte den ansonsten spärlich beleuchteten Gang. „…ist viel zu wichtig, um diese Gelegenheit einfach an uns vorbeigehen zu lassen.“. Er erkannte an der Stimme, dass die Kuratorin Justine sich im Zimmer befand. Eine strenge Stimme antwortete ihr: „Es ist einfach zu gefährlich. Ich werde zuerst mit dem Kommandanten der Templer und mit dem Ersten Verzauberer Irving über diese Sache reden.“. „Aber…“. Justine schien etwas einwenden zu wollen, wurde jedoch jäh von der anderen Stimme unterbrochen. „Bedenkt mit wem ihr hier sprecht Justine. Ich bin die ehrwürdige Mutter und ich treffe die Entscheidungen.“. Die Bestimmtheit in der Stimme der ehrwürdigen Mutter machte deutlich, dass Sie keinerlei Widerspruch dulden würde.
Vin zog sich etwas zurück in den Hauptraum der Kirche, lugte aber weiter durch die Tür, um sehen zu können wenn Justine das Zimmer der Mutter verlassen würde. Was nun, fragte er sich. Sollte er das Risiko eingehen und versuchen unbemerkt am Arbeitszimmer vorbei zu schleichen? Unklug! Was wenn Justine nach dem Gespräch zurück ins Kuratorium gehen würde? Dann säße er unweigerlich in der Falle. Aber Rückzug kam eigentlich auch nicht in Frage. Seine Geldvorräte neigten sich langsam dem Ende zu und er würde ungern wieder im Freien schlafen, nachdem er sich jetzt an den Komfort eines Daches über dem Kopf gewöhnt hatte.
Die lauter werdende Stimme der ehrwürdigen Mutter ließ ihn aufhorchen. „Jetzt beruhigt euch Schwester Justine und setzt euch endlich wieder hin. Aber vorher schließt die Türe. Wir wollen doch niemanden durch unsere Streitereien aufwecken. Und dann berichtet mir, was ihr über die Artefakte…“. Den Rest verstand Vin nicht mehr, da die Tür mit einem leisen Klicken ins Schloss gefallen war.
Glück gehabt, dachte Vin. Die Tatsache, dass Justine der ehrwürdigem Mutter über die Resultate ihrer Arbeit Bericht erstatten sollte, sollte ihm genügend Zeit verschaffen, dass Kuratorium um einige Gegenstände zu erleichtern. Ohne Zögern betrat er den Gang und folgte ihm schnellen Schrittes bis zur Tür des Kuratoriums. Wie er erwartet hatte, war die Tür verschlossen. Er nahm das Fläschchen Öl von seinem Gürtel und tauchte einen der Dietrich hinein. Behutsam träufelte er das Öl in die Schlitze der rostigen Scharniere, um zu verhindern, dass diese beim Öffnen Geräusche von sich gaben. Danach tunkte er den Dietrich erneut in das Fläschchen und machte sich dran, dass Schloss zu öffnen. Mit geübten Handgriffen führte er zuerst den Spanner ein, um den Kern des Schlosszylinders auf Spannung zu halten. Danach führte er seinen Haken ein und versuchte gefühlvoll die Stifte des Schlosses einzeln zu setzen und so das Öffnen des Schlosses zu ermöglichen. Da er durchaus geübt war, gelang ihm das auch innerhalb kürzester Zeit und ohne eine Geräusch von sich zu geben ließ sich die Tür zum Kuratorium öffnen. Die Helligkeit des Raumes vor ihm ließ ihn kurzfristig erblinden, denn in dem Korridor war es relativ dunkel gewesen, aber nach einigen Augenblicken hatten sich seine Augen schon an das Licht gewöhnt. Er trat über die Schwelle und ein kurzes Schaudern lief ihm über den Rücken. Er drehte sich um, um zu schauen, ob jemand hinter ihm war, nahm aber nur ein kurzes Flackern der Luft wahr, welches er auf die neuen Lichtverhältnisse schob. Da niemand hinter ihm war, wandte er sich wieder dem Kuratorium zu. Der Raum, der sich vor ihm erstreckte war riesig. Er erstreckte sich über die ganze Breite des Gebäudes und auf der gegenüberliegenden Seite konnte er eine weitere Tür ausmachen, die vermutlich zu den dahinterliegenden Aufenthalts- und Gemeinschaftsräumen führte. Auf halben Weg dorthin stand ein großer Tisch. Auf diesem lagen etliche Schriftrollen, Artefakte und Instrumente, deren Verwendungszweck Vin nicht kannte, verstreut. Daneben stand ein weiterer, wesentlich kleinerer Tisch, der vermutlich als Schreib- und Arbeitstisch diente. Auf diesem konnte Vin unter anderem ein dickes, offenbar schweres Buch, eine Lupe und ein Tintenfass samt Federkiel ausmachen. An diesem Tisch beschäftige sich Justine offensichtlich genauer mit den Objekten, machte sich Notizen und schrieb nieder, was sie herausfand. Vin schaute nach links und wurde beinahe von dem Anblick, der sich ihm bot, erschlagen. In acht Reihen standen Regale, mit Schriftrollen, Bücher, Statuen und allem nur erdenklichen Firlefanz gefüllt, die alle auf die ein oder andere Weise auf den Erbauer, Andraste oder sonstige kirchliche Interessen hinwiesen. Unter jedem Gegenstand war ein Etikett mit einer Nummer drauf am Regal angebracht. Das sollte helfen die Ordnung im Kuratorium zu wahren und die Suche nach bestimmten Gegenständen zu erleichtern. Die Regale erstreckten sich alle über mehr als fünfzehn Meter und füllten somit den größten Teil des Raumes aus.
Vin schritt schnurstracks auf den größeren der beiden Tische zu und begann wertvoll aussehende Gegenstände in seinen Rucksack zu befördern. Er bevorzugte dabei Gegenstände, die möglichst klein und von wertvollem Material, wie Gold oder Silber, waren. Nachdem er den Rucksack prall gefüllt hatte, wandte er sich dem kleineren Schreibtisch zu. Er vermutete, dass es sich bei dem dicken Buch um eine Art Stichwortverzeichniss handelte, das auswies, welcher Gegenstand an welchem Platz im Regal stand. Er wurde nicht enttäuscht und blätterte ein wenig darin herum. Eventuell ließ sich hier ein Hinweis auf einen besonders wertvollen Gegenstand finden.
Aufkommender Lärm ließ ihn auffahren. Er blickte zur Tür, durch die er den Raum betreten hatte und nahm dabei erneut das Flackern in der Luft war. Plötzlich fielen ihm zwei leicht rötlich schimmernde Steine auf, die auf jeder Seite der Tür am Boden lagen und kontinuierlich Wellen aussanden, die man nur bei genauem hinschauen erkennen konnte. Es handelte sich hierbei um magische Steine, die eine Barriere errichteten und ein Gegenstück in einem anderen Raum aufleuchten ließen, sobald jemand durch diese Barriere trat. Vin hatte von dieser Art Schutz bereits gehört, aber nicht damit gerechnet, dass gerade die Kirche sich auf magische Schutzmechanismen einließ.
In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und zwei Templer betraten den Raum, gefolgt von Justine. Vin reagierte instinktiv und wandte sich der Tür auf der anderen Seite des Raumes zu. Sie führte zwar zu den Schlafsälen, aber eine andere Fluchtmöglichkeit gab es nicht für ihn. Er stürzte auf die Tür zu, innerlich flehend, dass sie nicht abgeschlossen war. Sie war tatsächlich offen und so lief er in den dahinterliegenden Gang, der dem auf der anderen Seite glich. Er rannte an einer offenen Tür vorbei, die zu einem Gemeinschaftsraum führten, in dem einige Templer saßen, die ihre nächtliche Patrouille beendet und sich dort für ein verspätetes Abendessen gesammelt hatten. Verdutzt blickten Sie dem Rennenden hinterher und als sie ihre beiden Kollegen hinter hasten sahen, unterbrachen sie kurzerhand ihr Mahl, um ihnen bei der Hetzjagd zur Seite zu stehen.
Vin fegte den Gang entlang und hatte beinahe die Tür erreicht, die ihn zurück in die Haupthalle führen würde. Von dort aus, so war sein Plan, würde er die Kirche verlassen und über den Markt in Richtung Gesindeviertel fliehen. Er hoffte dort auf weniger Wachen der Stadtwache zu treffen, als in anderen Teilen Denerims. Als er gerade in die Haupthalle kam, sah er auf der anderen Seite drei Templer, die offensichtlich durch den anderen Gang gerannt waren, um ihm den Weg abzuschneiden. Sein Vorteil lag darin, dass er leicht gekleidet war, die Templer hingegen ihre schweren Rüstungen trugen und so in ihrer Bewegungsfreiheit und –Geschwindigkeit eingeschränkt waren. Er sprintete auf das Tor zu und hatte es erreicht, als die Templer gerade einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten. Mit aller Kraft drückte er gegen das massive Holztor, welches nur unwillentlich nachgab und sich scheinbar wie in Zeitlupe öffnete. Vin blickte sich um und sah die Templer immer näher kommen, als das Tor schließlich soweit geöffnet war, dass er hindurch schlüpfen konnte. Ohne weiteres Zögern peste er los, auf den Markt zu, um von dort aus zum Eingang des Gesindeviertels zu erreichen. Seine Waden fingen ob der Anstrengung an zu zwicken, aber er riss sich zusammen. Sie durften ihn nicht erwischen. Er hatte die Kirchen bestohlen und die Strafe dafür würde sicherlich hart sein.
Er erreicht den Marktplatz. Dort sah er, dass die Nachtpatrouille ihre Pause beendet hatte und gerade die Schwelle des Müden Adeligen verließ, um sich wieder auf ihren Rundgang zu machen. Als sie den fliehenden Vin und seine Verfolger sahen, zückten Sie ihre Schwerter und begannen ebenfalls zu rennen. Vin schätzte die Entfernung zwischen ihnen ab und kam zu dem Schluss, dass sich ihre Wege kreuzen würden, bevor er das Gesindeviertel erreicht hatte. So war er gezwungen einen Haken zu schlagen und die Richtung zu ändern. Er sprang zwischen zwei Marktständen hindurch, um diese nicht umlaufen zu müssen und hielt auf die nächste Seitengasse zu. Mit einem Mal vernahm er ein Zischen und spürte den Luftzug eines an seinem Kopf vorbei fliegenden Pfeiles an seinem rechten Ohr. Nur um Zentimeter hatte dieser ihn verfehlt und vor Überraschung kam Vin ins straucheln. Er fing sich gerade noch, bevor er hinfiel, hatte allerdings einiges an Tempo eingebüßt und so hatte seine Verfolger Boden auf ihn gut machen können. Mit dem Wissen, dass er so gut wie gefangen war, mobilisierte er seine Kraftreserven und hastete weiter. Nur noch wenige Meter waren es zur Gasse, als auf einmal ein stechender Schmerz sein rechtes Bein durchzuckte, es beim nächsten Auftreten nachgab und er nach vorne mit dem Gesicht in das Dreckwasser einer Pfütze viel. Instinktiv drehte er sich auf die Seite, um wieder atmen zu können und blickte an sich herunter. In seiner Wade steckte ein Pfeil. Stöhnend vor Schmerz, aber auch vor Resignation, ließ er seinen Kopf sinken und lag schließlich flach auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt. Mit dem Wissen, dass eine Flucht mit einer solchen Wunde sinnlos war, ergab er sich seinem Schicksal. Als die Templer ihn erreicht hatten, spottet sie triumphierend über ihn, hievten in zu zweit auf die Beine und führten ihn, gestützt auf ihre Schultern, zurück in Richtung Kirche. Da er ein Verbrechen an der Kirche begangen hatte, oblag die Rechtsprechung eben dieser. Und die Kirche war nicht gerade für ihre Gnade gegenüber Verbrechern bekannt. Bar jeder Hoffnung ließ Vin den Hohn und den Spott seiner Verfolger über sich ergehen. So humpelte er mit ihnen zurück zur Kirche und ließ sich dort ohne weiteren Widerstand in einen Raum, der anscheinend sonst als Besenkammer benutzt wurde, einsperren. Am morgigen Tag würde er der ehrwürdigen Mutter vorgeführt werden, die in einem ordentlichen Verfahren über ihn richten würde. Müde und von Schmerzen geplagt ließ sich Vin auf den Boden nieder. Man hatte ihm eine kratzende Leinendecke gebracht. Mit dieser legte er sich hin und schloss die Augen. Mit einem Mal war er müde, sehr müde und glitt er in den Schlaf. Und diese Nacht träumte er schlimmer denn je.
Vin stand am Rand einer steil abfallenden Klippe. Vor ihm erstreckte sich ein Meer bis zum Horizont, in goldenes Licht getaucht von der untergehenden Sonne. Unter ihm prallten die Wellen gegen die schroffen, zerklüfteten Felsen und wurden ein ums andere Mal gezwungen sich ins Meer zurück zu ziehen. “Da bist du ja, Süßer“, ertönte eine wohlbekannte Stimme hinter ihm. „Ich habe dich schon gesucht.“. Wie aus dem Nichts war Thia neben ihm aufgetaucht. Sie war vollständig nackt und bildete mit ihrer Schönheit einen starken Kontrast zur tristen Umgebung. Es waren weit und breit nur nackte Felsen zu sehen. Einzig auf dem Fleck auf dem Vin stand wuchs ein wenig Gras und umspielte seine Füße. Vin betrachtet Thias vollkommenen Körper und eine Welle der Erregung erfasste ihn. „Warum bist du nackt?“, fragte er sie. Thia stand nun neben ihm und legte ihre Hand auf seinen Arm, als sie antwortete: „Weil ich weiß was du begehrst und ich möchte, dass du bekommst, was du willst.“ Ihre Hand wanderte an seine Brust und glitt langsam an ihr herunter. Er spürte ihre zarten Finger auf seiner Haut und stellte fest, dass auch er nackt war. Bedächtig drehte er sich zu ihr um und blickte ihr in die tiefblauen Augen. Sie trat noch näher an ihn heran, zog ihn zu sich runter und küsste ihn. Vin erwiderte den leidenschaftlichen Kuss. Er konnte ihre Brüste spüren, die sich an ihn schmiegten und genoss die weiche, warme Haut, die die seine berührte. Ein Gefühl des Wohlbefindens und der Zuneigung breitete sich in seinem Körper aus. Er spürte wie seine Füße nass wurden. Eine weitere Welle war an der Klippe zerschollen, wenige Zentimeter unter ihrem Rand und einige Tropfen Wasser waren auf ihn gespritzt. Langsam löste er sich aus der innigen Umarmung, hielt Thia aber weiterhin an den Schultern fest. Irgendetwas stimmte nicht. In das Gefühl der Zuneigung mischten sich Zweifel. Warum gab sich Thia ihm auf einmal hin? „Komm, Liebster, wir wollen uns zurück ziehen.“. Eine weitere Welle prallte an die Klippe und diesmal schaffte sie es sich über ihren Rand zu rollen. Vins Füße standen nun ein wenig unter Wasser. Er trat einen Schritt zurück, konnte aber nicht weiter zurückweichen ohne in den Abgrund des Riffs zu stürzen. „Was ist los, Liebster? Willst du denn nicht mit mir kommen? Ich hätte dir so viel zu geben!“. Vin war verwirrt. Weiteres Wasser überschwemmte seine Füße und stetig wurde es mehr. Er blickte an den Felsen herunter und bemerkte, dass das Wasser deutlich angestiegen war. Was war hier nur los? Er war sich schon länger sicher, dass Thia Interesse an ihm hatte, jedoch hatte sie bisher jeden seiner Annäherungsversuche jäh abgewiesen. Und wieso nannte sie ihn „Liebster“? Das Wasser unter ihm wurde zunehmend wilder, aufgepeitscht von einer vom Meer aufkommenden, steifen Brise. Thia war wieder einen Schritt auf ihn zugegangen, aber ihr Blick hatte sich verändert. Sie schien ungeduldig und erzürnt zu sein. „Nun komm schon mit mir du Narr. Willst du wirklich ablehnen, was ich dir alles geben kann?“. Ihre Stimme war verzerrt von Wut. Vin spürte etwas an seinem Bein, aber es war kein Wasser, das dort an ihm hochkroch. Als er an sich runter sah, sah er statt Wasser Arme. Arme die sich nach ihm reckten und begannen mit ihren Händen seine Knöchel und Waden zu umschließen. Mit einem Satz nach vorne rettete er sich vor den klauenbewehrten Händen und rammte dabei Thia. Die wankte kurz, fiel aber trotz der geballten Kraft, die Vin in diesen Sprung gelegt hatte, nicht hin. Vin war ohne Zögern losgerannt und hatte bereits einige Meter zwischen sich und dem Wesen, dass Thia zu sein vorgab, gebracht. Er war über den felsigen Boden gelaufen und seine Füße schmerzten bereits jetzt vor Steinchen, die sich in seine Sohlen gebohrt hatten. „Du gehörst mir!“, hörte er plötzlich von überall die verzerrte Stimme Thias kreischen. Vor Schreck erstarrt schaute er sich um, doch er konnte nicht erkennen, von wo die Stimme kam. Am Himmel brauten sich dicke, dunkle Wolken zusammen und bildeten abnorme Formen. Nichts schimmerte mehr im goldenen Licht der untergehen Sonne, alles war in ein flackerndes Rot getaucht und dort wo vorher das Meer gewesen war, loderte ein gigantisches Feuer. Und die Feuerwand rollte auf ihn zu, an seiner Front das Gesicht eines Dämons, dass ihn, höhnisch lachend, aus den feurigen Augen anstarrte.“Zu spät, du kannst mir nicht entkommen!“, brüllte die Fratze ihm entgegen. Vin, der die Flammen zuerst wie gelähmt angestarrt hatte, besann sich aufs Fliehen, als er die Hitze auf seiner Haut spüren konnte. Er wirbelte herum und rannte los. Doch wohin sollte er fliehen? Dies war das Reich des Dämons und vor ihm lag nichts, außer der schier unendlichen Weite der Felslandschaft. Die Luft vor ihm waberte vor Hitze und aus den Kratern, die das felsige Bild hier und da zerrissen, schnellte immer wieder grauenhaft geformte, mit Klauen und Stacheln versehen, Arme hervor, die versuchten ihn zu greifen. Seine Fußsohlen glühten, denn der Fels, auf dem er lief, zu glühen begonnen. Er fiel. Schmerzen verzehrten ihn. Er rollte sich auf den Rücken und betrachtete seine Hände, von denen verbrannte Hautfetzen hingen und die an einigen Stellen Blasen warfen. Im nächsten Moment schien die Zeit still zu stehen. Er schloss die Augen. Er wollte nicht sterben. Er wollte sich nicht diesem Dämon hingeben. Er sammelte seine letzten Kraftreserven. Er spürte Energie durch seine Körperbahnen schnellen, spürte wie das Leben in seine Arme und Beine zurückkehrten. Er stand auf, die Augen noch immer geschlossen. Seine Gedanken waren klar. Dieser Dämon würde ihn verzehren, aber das würde er nicht zulassen. Bilder schossen ihm durch den Kopf. Bilder des brennenden Highever, seiner Mutter, wie sie mit leerem Blick vor ihm in einer Blutlache lag, Arl Howes Grinsen, als er mit Teyrn Cousland durch die Gassen von Highever ging. Tomas, wie er auf der Mauer über ihn stand, nachdem er ihm das Leben gerettet hatte und Duncans warmes Lächeln, als er ihn durch den Geheimgang in Schloss Cousland in die Freiheit schob. Er schöpfte Kraft aus diesen Bildern des Leids und der Hoffnung. Er riss die Augen auf. Eine Aura der Macht umgab ihn, bläulich schimmernd und die Wand aus Feuer stoppte, kurz bevor sie ihn erreicht. Das bereits verzerrte Gesicht des Dämons verwandelte sich in eine mit Schrecken gefüllte Fratze. Die Feuerwand wich zurück und der Dämon spuckte ihm Feuer und Lava entgegen, doch es prallte an seiner Aura ab und verpuffte zu Asche. Vin richtete sich zu seiner voll Größe auf und schrie dem Dämon entgegen: „Verreck du elendiger Abschaum!“. Mit diesen Worten ließ er die gesammelt Kraft aus seinem Körper entweichen und die bläuliche Aura wuchs zu einem gigantischen Ball aus magischer Energie heran. Mit seinem Willen schleuderte er die Kugel auf den Dämon, der unter Brüllen von der Kugel verschlungen wurde. Und mit einem Mal war es still. Das Tosen der Flammen war verstummt. Der Fels unter seinen Füßen schwand und wich einem strahlenden Weiß. Auch die feuerrote Wolkendecke über ihm brach auf und wurde von gleißendem, weißem Licht verschlungen. Nach und nach verschwand die Welt um ihn herum, aufgefressen von dem Licht. Nur Vin wurde nicht verschlungen. Er fühlte sich schwach. Er sah nichts mehr außer einer Wand aus purem Weiß vor sich. Die Zeit ging ihm verloren und er wusste nicht wie lange er in dieses weiße Nichts gestarrte hatte, als ihn seine Kraft verließ und er auf die Knie sank. Seine Lider waren schwer wie Blei. Und dann brach er endgültig zusammen.
Vin erwachte mit dröhnenden Kopfschmerzen. Der unebene Steinboden der Besenkammer hatte seinen Rücken die ganze Nach malträtiert und so tat ihm alles weh, als er sich langsam aufrichtete. Der Schmerz pochte in seinem Kopf und seine Hände und Füße brannten wie Feuer. Er hatte Durst und griff nach dem Krug mit Wasser, den die Wachen ihm gestern Nacht in seine kleine Zelle gestellt hatten. Gierig nahm er einige Schluck und das kühle Wasser verschaffte seiner kratzenden Lunge Linderung. Er fühlte sich ausgelaugt, als wäre sämtliche Energie aus ihm gewichen. Er wusste er hatte letzte Nacht mal wieder schlecht geträumt. Er konnte sich aber auch – mal wieder – nicht daran erinnern, was er geträumt hatte.
Ein Schatten der Mattheit lag auf seinen Gedanken und nur langsam wurde ihm bewusst, wo er sich befand und was letzte Nacht geschehen war. Seine Lage war alles andere als rosig. Vermutlich würde er die nächsten Jahre in Fort Drakon verbringen, jenem berüchtigten Gefängnis, auf dessen Dach vor zehn Jahren die Verderbnis endete. Damit konnte er sämtliche Träume ein Grauer Wächter zu werden begraben. Und das war noch der beste Fall. Aber an eine schlimmere Strafe wollte er noch nicht denken. Es erschien ihm unsinnig Gedanken an eine unbestimmte Zukunft zu verschwenden. Stattdessen trank er noch ein wenig Wasser und legte sich wieder auf den Steinboden. Er vermochte nicht zu sagen, wie lange er bereits geschlafen hatte und welche Tageszeit nun war. Aber da er sich unendlich müde fühlte, konnte er vielleicht noch etwas schlafen, bevor er zur Anhörung abgeholt wurde. So döste er vor sich hin und immer wieder erschienen Bilder der gestrigen Hetzjagd vor seinem geistigen Auge, gemischt mit Bilder einer brennenden Landschaft, die er nicht zuordnen konnte, ihn aber frösteln lies.
Er wusste nicht, wie lange er so dagelegen war, aber irgendwann gab er es auf zu versuchen einzuschlafen. Er richtete sich gerade wieder auf, als das Klicken des Türschlosses ihm verriet, dass sich jemand anschickte seine provisorische Zelle zu betreten. Er versuchte seinen Kopf klar zu bekommen, indem er sich einmal kräftig schüttelte. Dann setzte er sich aufrecht im Schneidersitz an die Wand. Er traute seinen Beinen noch nicht zu ihn zu tragen, einmal wegen der Verletzung an seiner Wade und einmal, weil er sich noch immer unglaublich schwach fühlte.
Die Tür öffnete sich und das von einem Helm verborgenen Gesicht eines Templers zeigte sich. „Besuch für dich“, ertönte es seltsam metallisch unter dem Helm hervor. Der Templer zog seinen Kopf aus dem Spalt in der Tür zurück und öffnete sie ganz. Er trat zur Seite und der Blick auf eine schuldbewusste dreinblickende Thia wurde frei. Sie bedankte sich bei Vins Wächter mit einem Nicken und trat in die Besenkammer. „Was machst du denn hier?“, fragte Vin überrascht. Thia antwortete mit unsicherer Stimme: „Ich… du…Das hier ist alles meine Schuld. Wieso habe ich dich mit Slim bekannt gemacht? Ich wusste doch, dass es gefährlich ist. Es tut mir schrecklich leid.“. Trauer und Schuldgefühle schwangen in ihrer Stimme mit. „Natürlich ist es deine Schuld. Wieso hast du mir nicht gesagt, dass das Kuratorium magisch gesichert ist. Du bist schließlich Hellseherin.“. Wut und Verzweiflung zogen durch Thias Gesicht. „Wie kannst du nur in so einer Situation noch immer so dumme Witze reißen? Du wirst ewig eingesperrt werden, bestenfalls. Schlimmstenfalls werden sie ein Exempel an dir statuieren und dich…“. Sie wagte es nicht diese Worte auszusprechen, als würde sie sie damit wahr werden lassen. Ein mitleidiges Lächeln legte sich auf Vins Gesicht und er war dankbar eine solche Freundin zu haben. Er war so lange auf sich allein gestellt gewesen, dass ihm ein solches Gefühl der Freundschaft und Verbundenheit gänzlich unbekannt waren. Er bedeutete Thia sich neben ihm zu setzen und mit einem tiefen Seufzer nahm sie auf dem kalten Steinboden Platz.
Mit gesenktem Blick begann er zu sprechen. „Hör zu Thia, ich habe schon vor langer Zeit gelernt, das Schicksal zu akzeptieren, das einem zu Teil wird. Es war eine harte Lektion, aber ich habe sie mir gemerkt. Und ich werde sie niemals vergessen. Ich will, dass du mich verstehst, deswegen werde ich dir jetzt etwas über mich erzählen. Ich habe noch nie mit jemanden darüber gesprochen. Aber ich hatte auch noch nie so etwas wie einen Freund, dem ich so etwas hätte erzählen können. Ich hoffe, dass macht dir deutlich, wie wichtig du mir bist.“. Thia konnte ein Lächeln nicht unterdrücken, schwieg aber und nickte Vin zu, um ihm zu bedeuten, dass sie verstanden hatte. „Ich habe dir mal erzählt, dass mich nichts mehr in meinem Dorf gehalten hat und ich deswegen von dort fort ging. Nun ja, das Dorf ist Highever. Dorf trifft es da wohl nicht ganz. Jedenfalls war ich gerade ein Junge von zehn Jahren, als Rendon Howe, kurz vor der Verderbnis, Highever überfiel. Die Geschichten dürftest du sicher gehört haben. Die Grausamkeiten, die er dort beging. Die Gräueltaten, die er gegenüber braven Bürgern, wie meinen Eltern, verübte. Jede Beschreibung in den Geschichtsbüchern beschreibt nicht annähernd, wie dieser Überfall in den Augen eines zehnjährigen Jungen aussah, der in dieser Nacht seine Eltern, seine Heimat und seine Kindheit verlor.“. Vin schluckte schwer. Es war für ihn schmerzhaft über die Ereignisse von damals zu reden und Thia merkte das. Eine Welle Mitgefühl durchzog sie und sie legte ihre Hand in die von Vin. Sie blickten sich kurz in die Augen, dann senkte Vin seinen Blick wieder und starrte den Boden unter seinen Füßen an. „Ich wurde damals von einem Grauen Wächter namens Duncan und dem zweiten Sohn des Teyrn gerettet. Duncan schickte mich fort. Er warnte mich vor der Verderbnis und trug mir auf in die Freien Marschen zu fliehen. Und das tat ich auch. Ich, ein Kind, zog alleine durch Ferelden, von Highever bis nach Amaranthine und von dort aus mit dem Schiff nach Ostwick. Es war hart, aber ich kam klar. Ich arbeitete oder stahl, um an Essen und Geld zu kommen und um mir die Überfahrt leisten zu können. Und genauso kämpfte ich mich in den Freien Marschen durch. Mir war es zuwider ein Bettelerleben zu führen, wie es die meisten Flüchtlinge taten.“. Vin unterbrach sich, denn sein Hals begann wieder zu kratzen. Er nahm den Krug Wasser und leerte ihn. Thia hatte ihm die ganze Zeit schweigend zugehört, aber nun drängte eine Frage aus ihr raus. „Wie schafft es ein Kind so lange alleine in der Wildnis zu überleben?“. „Nun ja“, antwortete Vin mit einem Anflug Stolz in der Stimme, „mein Vater war Jäger am Hofstaat des Teyrn. Schon seit ich ganz klein war, bin ich bei jeder Gelegenheit mit ihm ausgezogen und manchmal mehrere Tage durch die umliegenden Wälder und Steppen gewandert. Er brachte mir bei mit Pfeil und Bogen umzugehen, Tiere auszuweiden und zum Verzehr vorzubereiten und giftige Pflanzen von essbaren zu unterscheiden. Ich wusste beileibe nicht alles, aber es reichte doch, um zu überleben. Und Motivation.“. Vins Blick trübte sich, als er sich an Duncans Worte erinnerte. „ „In dir steckt das Herz eines Grauen Wächters“ hatte Duncan zu mir gesagt. Ich hatte schon viel von den Legenden der Wächter gehört, von ihren Greifen und den ehrenvollen Schlachten, die sie geschlagen hatten. Ein Kind lässt sich natürlich von sowas beeindrucken.“. Er lächelte Thia nun an. „Und ehrlich gesagt beeindruckt mich das noch immer. Ich kam nach Ferelden zurück, um ein Grauer Wächter zu werden. Es geht mir dabei weniger um den Ruhm. Es ist eine Aufgabe für mich. Ich besitze fast nichts, schon gar keine Freunde. Und einen Ort, an den ich zurückkehren kann gibt es auch nicht. Nur das Ziel ein Grauer Wächter zu werden trieb mich über die Jahre an. Ich trainierte hart. Und ich denke, ich bin wirklich gut geworden. Also kehrte ich zurück nach Ferelden, um mich an die Wächter zu wenden. Speziell an einen Wächter, dessen Namen Duncan mir nannte: Alistair.“. „König Alistair?“, fragte Thia verdutzt. „Genau der. Leider ist es nicht gerade einfach, eine Audienz bei einem König zu bekommen. Vor allem nicht, wenn er gar nicht im Land ist. Und so kam ich in den „Müden Adeligen“ und traf dort ein vorlautes Mädchen, das mich in meine jetzige, missliche Lage gebracht hat.“. Den letzten Satz sagte er mit einem breiten Grinsen. Thias Trauer schien verflogen und sie grinste schelmisch zurück. „So ein Miststück. Warte wenn ich die in die Finger kriege.“. Wieder einmal boxte sie ihn zwischen die Rippen und Vin musste Lachen. Es ging ihm inzwischen wesentlich besser. Es hatte ihm gut getan, jemand seine Geschichte zu erzählen. Ihm war bewusst geworden, welch wichtigen Platz Thia in seinem Leben eingenommen hatte. Sie war eine wahre Freundin für ihn. Er genoss ihre Nähe in der beengenden Zelle und lachte aus vollen Herzen, während sie sich weiter gegenseitig neckten.
Schlagartig wurde Thia wieder ernst. „Sie werden dich bald holen kommen. Als ich in die Kirche kam, bereiteten sich die Templer bereits darauf vor, dich zur ehrwürdigen Mutter zu führen. Sie wird sich die Geschichte von den Templern und von der Kuratorin erzählen lassen. Der Hauptmann der Stadtwache wird ebenfalls zugegen sein und berichten, was auf dem dem Marktplatz passiert ist. Danach wird man dich anhören und dann ein Urteil fällen.“. Vin schnürte es den Hals zu. Er hatte zwar gesagt, dass er gelernt hatte sein Schicksal zu akzeptieren, trotzdem wurde ihm bei dem Gedanken an seine ungewisse Zukunft unwohl. Thia schien seine Gedanken zu lesen und die Zweifel, die in seine Augen getreten waren, zu erkennen. Aufmunternd lächelte sie ihn an und sagt: „Es wird schon alles gut werden. Wir sind in der Kirche, hier sollte doch Gnade großgeschrieben werden.“. Sie glaubte ihre Worte selber nicht und merkte wie kläglich sie für Vin klingen mussten. Der jedoch war dankbar, dass sie versuchte ihn aufzumuntern. „Du hast Recht. Bis jetzt bin ich im Leben immer klar gekommen, und das wird sich jetzt nicht ändern. Allerdings habe ich einen Bärenhunger. Es wäre wirklich gut, vor der Verhandlung noch was in den Magen zu bekommen.“. Thia war beeindruckt von der Fassung, mit der Vin sein Schicksal trug und sagte, dass sie sich drum kümmern würde, dass er noch etwas zu Essen bekam. Als sie an der Tür stand und gerade dem Wächter das Zeichen geben wollte, dass sie bereit zum Gehen war, hielt sie kurz inne. Sie drehte sich zu Vin um, der noch immer auf dem Boden saß und lächelte ihn nochmal an. Vin lächelte zurück und dann klopfte sie an die Tür und der Templer ließ sie heraus. Vin schaute noch eine Weile auf die geschlossene Tür, als könne er Thias Weg durch sie hindurch folgen. Ja, er war wirklich froh sie kennengelernt zu haben, auch wenn ihn dieses Treffen, in eine ziemlich üble Situation gebracht hatte.
Thia kehrte nach einiger Zeit mit einer Schüssel Obst, etwas Brot und einem frischen Krug Wasser wieder. Und während sie gemeinsam darauf warteten, dass Vin seinem Richter vorgeführt werden würde, verzehrten sie gemeinsam das Essen. Um die Zeit totzuschlagen und Vin abzulenken, erzählte Thia Geschichten, die sie in Denerim erlebt hatte. Trotz, dass sie selber erst seit etwas mehr als zwei Jahren in Denerim lebte, hatte sie hier schon allerhand Merkwürdiges erlebt. So hatte Slim zum Beispiel einmal eine Information verkauft, die besagte, dass es bei einem reichen Adeligen der Stadt eine wertvolle, goldene Krone zu holen gab. Ein bekannter Dieb hatte diese Information gekauft und war schon am nächsten Tag dort eingebrochen. Während des Bruchs stellte sich dann heraus, dass es sich bei der Krone um eine Zahnkrone handelte, eine neue Erfindung, die sehr in Mode unter den Adeligen war. Der Dieb war natürlich alles andere als erfreut gewesen, aber Slim hatte überzeugend darlegen können, dass er ihn ja nicht reingelegt hatte, weil der Dieb schließlich die goldene Krone bekommen hatte.
Die Zeit verging wie im Flug und irgendwann war es soweit. Die Tür wurde geöffnet und die Kuratorin Justine trat ein, flankiert von zwei Templern in voller Montur. „Die ehrwürdige Mutter wartet auf euch. Steht auf und folgt mir.“, sagte Justin mit unterkühlter Stimme. Vin tat wie ihm geheißen, das Essen und die Unterhaltung mit Thia hatten ihm genug Kraft gegeben, wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Seine verletzte Wade zwickte, als er sich in Bewegung setzte und Justine folgte, auf dem Weg in sein ungewisses Schicksal.
Vin wurde direkt zum Büro der ehrwürdigen Mutter geführt. Auf dem Weg durch die Kapelle musste er so manch missbilligenden Blick ertragen und auch einige wüste Beschimpfungen wurden ihm entgegen geschleudert. Seine Tat hatte sich bereits in Denerim herumgesprochen und einige erboste Gläubige waren gekommen, um den Missetäter zu sehen und ihre Wut kundzutun. Ein besonders wütender Mann versuchte gar ihn zu attackieren, aber er wurde von den beiden Templern, die Vin begleiteten zurückgehalten.
Als sie das Büro der ehrwürdigen Mutter erreichten, musste sich Thia von Vin verabschieden. Die Verhandlung würde unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten werden. Sie wünschte ihm viel Glück und hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Wange, der Vin erröten lies. Dann verließ sie die Kirche, um im Vorhof auf das Urteil zu warten. Ihr war ihre Nervosität anzumerken, mehr noch als Vin. Sie ging vor dem Tor auf und ab und begann bereits nach kurzer Zeit zu überlegen, wie lange die Verhandlung wohl dauern würde.
Vin war inzwischen im Büro der ehrwürdigen Mutter angekommen. Der Raum war sehr geräumig und geschmackvoll eingerichtet. An den Wänden, gegenüber dem Eingang, standen mehrere Regale, gefüllt mit Unmengen an Büchern. An der Wand links war ein kleiner Altar aufgebaut, direkt darüber an der Wand hing ein prächtiges Gemälde, welches die goldene Stadt darstellte. In den Ecken links und rechts vom Altar war jeweils eine Statue von Andraste aufgestellt – Miniaturausgaben der großen Statue in der Kapelle –, die ihren Blick in Richtung des Sekretärs gerichtet hatten, der ihnen gegenüber stand. An diesem stand ein Stuhl mit hoher Lehne und roten Polstern, das Holz war überzogen mit einer feinen Goldlackierung und die Armlehnen waren mit außergewöhnlich feinen Schnitzarbeiten versehen. Auf dem Boden lagen zwei Läufer, die so angeordnet waren, dass sie sich in der Mitte des Raumes kreuzten. Sie waren in demselben Rot gehalten wie das Polster des Stuhls und an den Rändern waren Blumen gestickt in Weiß, Gold und Schwarz.
In dem Raum warteten, wie Thia es gesagt hatte, der Hauptmann der Templer – er erkannte ihn, weil es jener Templer gewesen war, der ihm letzte Nacht erklärt hatte, was nun mit ihm geschehen würde – sowie der Hauptmann der Stadtwache, der die Nachtpatrouille angeführt hatte. Die Kuratorin Justine, gekleidet in eine prächtige Robe von verschiedenen Orange- und Terrafarben, die an den Säumen und am Kragen mit goldenen Ornamenten versehen war, hatte ihn bereits von seiner Zelle aus bis hierher begleitet. Vins Eindruck bei ihrer ersten Begegnung hatte ihn nicht getäuscht, sie war tatsächlich eine schöne Frau. Nun spiegelten sich aber Abscheu und Wut in ihrem Blick wieder. Von ihr konnte sich Vin sicherlich keine mildernde Aussage erhoffen und so mied er ihren Blick, der sich wie Feuer in seinen Kopf brennen wollte.
Als Vin und seine beiden Wachen sich in der Mitte des Raumes positioniert hatten, betrat die ehrwürdige Mutter ihn, gefolgt von einem beeindruckend großen Mann mit grimmigem Blick, der verstärkt wurde durch eine große Narbe auf seiner rechten Gesichtshälfte. Die ehrwürdige Mutter trug ihr graues Haar zu einem strengen Zopf gebunden und ihre steinerne Miene verriet keinerlei Emotionen. Auch sie trug eine prächtige Robe, die allerdings nicht so farbenfroh war, wie die von Justine. Sie war in dunklem Blau und Schwarz gehalten und hatte ebenfalls einige Stickerei aus dünnen roten Fäden an Säumen und Kragen und unterstrich ihr erhabenes Auftreten. Das Symbol des Erbauers prangte an einer goldenen Kette um ihren Hals. Nachdem sich alle auf ihre Plätze begeben hatten, Vin und seine Begleiter direkt vor ihren Tisch, die beiden Hauptmänner und Justine links von ihnen, begab sich die Mutter an ihren Tisch und nahm Platz. Ihr Begleiter stellte sich in die Ecke links hinter ihr und verschwand beinahe im Schatten, der dorthin fiel.
„Dies ist eine äußerst unschöne Angelegenheit und ich wünsche sie möglichst schnell zu beenden.“, begann die ehrwürdige Mutter. Sie richtete ihr Wort an den Hauptmann der Templer. „Hauptmann Samuel, bitte tretet vor und berichtet, was gestern Nacht vorgefallen ist.“. Der Hauptmann tat, mit einer leichten Verbeugung, wie ihm geheißen und erzählte in allen Einzelheiten den Hergang der Verfolgungsjagd und wie die Templer auf Vin aufmerksam geworden waren. Er beendete seine Ausführungen nach einigen Minuten und antwortete die Frage, ob Vin sich seiner Festnahme widersetzt hätte, dass diese, bis auf die Hetzjagd ohne jeglichen Widerstand des Angeklagten von statten gegangen war.
Als nächstes wurde der Hauptmann der Stadtwache befragt, aber er hatte dem Bericht des Templers nicht mehr viel hinzuzufügen.
Nun wurde noch Justine gebeten zu berichten was sich zugetragen hatte. Sie schien innerlich vor Wut und Entrüstung zu schäumen, ließ sich aber nichts anmerken. „Dieser…Knilch hat einige Tage vor seinem Einbruch versucht Zugang zum Kuratorium zu erlangen. Er kam mir sofort suspekt vor. Erzählte was von, er sei ein glühender Anhänger unserer heiligen Andraste und wolle sich von den Artefakten, die wir im Tempel ihrer Asche fanden, inspirieren lassen. Ich habe ihn natürlich sofort abgewimmelt. Aber er hat nicht locker gelassen, hat weiter auf mich eingeredet und dann hat er auch noch versucht mich zu verführen. Dieser Scheißkerl!“. Justine hatte sich mit jedem Wort mehr in Rage geredet und ihre Stimme klang schrill und hysterisch, als die letzten Worte ihre Lippen verließen. Betretenes Schweigen war die Folge ihrer Worte. Vin konnte sich ein Lachen gerade noch verkneifen und Justines Wangen waren feuerrot geworden. „Ihr vergesst euch, werte Justine.“, sagte die ehrwürdige Mutter mit tadelndem Tonfall und schüttelte den Kopf. Justines Blick senkte sich auf den Boden und voller Scham antwortete sie: „ Es tut mir leid ehrwürdige Mutter, aber…“. Weiter kam sie nicht. „Bringt euch nicht noch mehr in Verlegenheit. Ich denke wir haben nun genug gehört. Nun wollen wir die Version des Angeklagten hören. “ sagte die Mutter und wandte sich an Vin.
Vin und Thia hatte lange über eine mögliche Verteidigungsstrategie nachgedacht und waren dabei zu dem Schluss gekommen, dass Leugnen zwecklos sei. Die Beweise waren zu eindeutig. Stattdessen hofften sie darauf, der Mutter weißmachen zu können, dass der Diebstahl aus der Not heraus geboren wurde.
„Verehrte Mutter, ihr kennt die Verhältnisse in Ferelden. Ich floh während der Verderbnis aus Ferelden und als ich schließlich zurück kam, war ich nicht mehr als ein Bettler. Ich bekomme keine Arbeit und wenn doch, dann nur unter unmenschlichen Bedingungen. Ich erhoffte mir durch die Artefakte meiner geliebten Andraste näher zu sein und Inspiration und Kraft aus ihnen zu gewinnen, um diese schlimmen Zeiten zu überstehen. Und natürlich brauche auch ich Geld um zu überleben. Ich dachte mir, ich könnte diese Gegenstände an andere Gläubige verkaufen. So hätte ich ein gutes Werk getan, weil ich denjenigen etwas gegeben hätte, dass sie an Andraste erinnert und hätte selber auch etwas davon gehabt, um zu überleben. Ihr seht, dies geschah nicht aus Böswilligkeit oder Habgier.“. Die Mutter blickte nachdenklich drein. Vin hatte flehentlich geredet, aber trotzdem selbstbewusst, um zu zeigen, dass er sich zwar seines Fehlers bewusst war, jedoch wirklich keine Missetat darin sah.
Nach einigen Momenten des Schweigens erhob die Mutter wieder ihre Stimme. „Nun, Angeklagter, ich verstehe eure Situation durchaus. Ich kenne die schwierigen Verhältnisse, die zurzeit vorherrschen. Vor allem hier in Denerim ist die Situation für die Flüchtlinge mehr als bedenklich. Aber trotzdem kann ich es euch nicht nachsehen, dass ihr versucht habt die Kirche zu berauben. Eure Not rechtfertigt nicht den Bruch von Gesetzen. Euren Trost könnt ihr auch hier in der Kirche erhalten.“. Sie legte eine kurze Pause ein und wog ihre nächsten Worte sorgsam ab. Schließlich fuhr sie fort: „Ihr glaubt also an den Erbauer, sagt ihr?“. Vin bejahte diese Frage. „Dann habe ich bereits über eure Strafe entschieden. Ihr werdet der Kirche einen kleinen Gefallen erweisen. Ich werde euch die Details heute Abend mitteilen. Vorher habe ich noch einige Dinge mit der Kuratorin zu besprechen. Ich werde euch holen lassen, sobald wir die nötigen Vorbereitungen getroffen haben.“ Mit diesen Worten beendete die ehrwürdige Mutter die Verhandlung und entließ die beiden Hauptmänner und Vin und seine Wachen. Lediglich die Kuratorin und der seltsame Hüne blieben in ihrem Büro zurück.
Da umfangreiche Änderungen an den Charakteren und dadurch an der Geschichte an sich nötig wurden, geht es an dieser Stelle erstmal nicht weiter. Einige der Kapitel, die ihr bereits gelesen habt, finden in der überarbeiteten Version sicher auch ihren Platz, egal ob nun ganz oder nur teilweise. Deshalb íst jede Feedback weiterhin gerne gesehen
Titel: Broken Genre: OneShot/Drama Kategorie: Dragen Age 2 Fanfiction Alterseinstufung: P12 Hauptcharaktere: Lorana Hawke, Anders Inhalt: Wie oft kann Liebe verzeihen, bis sie abstirbt und vergeht? Lorana Hawke hat häufig und erbittert um ihren Geliebten Anders gekämpft, doch kann sie gewinnen, wenn ihr Gegner "Gerechtigkeit" heißt? - Diesem One Shot liegt die Rivalry-Romanze zugrunde. Die Handlung des One-Shots spielt nach der Quest "Justice"/"Gerechtigkeit" in Akt III.
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Disclaimer:
Dieser One Shot stellt eine Fanfiction dar, die Charaktere mit Ausnahme meiner Interpretation von Hawke und ihres Vornamens sowie alle weiteren bekannten Orte und Namen gehören nicht mir, sondern BioWare. Diese Fanfiction dient ausschließlich nicht kommerziellen Zwecken und ich verdiene kein Geld damit.
Broken
Über die Jahre habe ich mit angesehen, wie alles, was ihn ausmachte, zerfiel. Der Gang nach Hause fällt mir schwer. Jeder Schritt eine Qual, eine Mühsal, ich will rennen, doch ich gehe ganz langsam, so, als ob meine Füße mit Steinen beschwert sind. Ich will nicht zurück, mich nicht der Leere stellen, die mich erwartet, dort, wo einst Hingabe und Liebe waren.
Wie oft habe ich ihn angeschrien, ihm gesagt, er soll aufwachen? Wie oft habe ich ihm den Spiegel vorgehalten um zu beobachten, wie er ihn zertrümmert? Ich kämpfe seinen Kampf, den er verloren hat, für ihn. Etwas in mir zerbricht. Ich kann es fühlen.
Ich sehe die Haustür, doch ich gehe an ihr vorbei. Ich kann nicht dorthin. Ich kann noch immer die Manifeste sehen, die im Kamin verbrennen, auf dem Schreibtisch liegen. Über die Jahre sind sie immer wilder geworden, Hetzschriften, Hassreden. Der Gedanke macht mir Angst.
Ich bleibe stehen, drehe mich um. Nein, wegrennen kann ich nicht. Ich habe es so gewollt. Ich habe ihn gewollt. Ich habe gewusst, was passieren würde, nun, zumindest habe ich es geahnt. Ich habe die Warnungen meiner Freunde in den Wind geschlagen…
„Du hältst es für eine dumme Idee.“ Meine Stimme klingt kühl, was sie selten tut, vor allem nicht, wenn ich mit Fenris spreche. Ich kann es ihm ansehen – das leichte Stirnrunzeln, der missfällige Zug um den Mund.
„Er ist mehr Dämon als Mann.“
„Ich weiß!“ Ich klinge noch immer kühl. Er hat Recht. Trotzdem, etwas an Anders fesselt mich. Es ist eine Faszination, die ich nicht will, weil ich den Dämon hasse, den er beherbergt. Ich will diese Gefühle nicht, aber sie sind einfach da. Wie ein Geschwür erscheinen sie mir, ich habe so oft versucht, sie herauszureißen, und bin genauso oft daran gescheitert.
„Es ist deine Entscheidung, Hawke.“ Er klingt noch immer missfällig. Er versteht es nicht, und ich auch nicht. Aber Gefühle sind niemals rational.
„Ich kann dagegen nichts tun. Ich will Anders genauso oft schlagen, wie ich ihn küssen will.“
Fenris schweigt. Ich beiße die Zähne zusammen. Wir starren uns an.
„Wenn er dir das Herz bricht, töte ich ihn“, sagt er schließlich. In seiner Stimme ist tödlicher Ernst.
Ich nicke entschieden. Wenn der Kampf um Anders aussichtslos wird, dann ist der Tod ein gnädiges Urteil. So soll es sein.
„Und er wird dir das Herz brechen.“
Ich würde dem gerne wiedersprechen, doch ich kann es nicht.
Ich will Anders für seine Dummheit, seine Ignoranz hassen, aber ich habe es nie geschafft, es zu tun. Also wird Fenris ihn für mich hassen und hoffentlich das tun, was ich nicht tun kann.
Ich muss bitter lachen, als ich daran zurück denke. Mittlerweile scheint es so, als würde er sein Versprechen bald einlösen müssen. Meine Tage mit Anders sind ein stetiger Kampf. Wir streiten. Wir kämpfen. Wir projizieren unsere Wut auf den anderen, und wenn es uns fast zerreißt, verwandeln wir es in Leidenschaft und lieben uns… bis wir uns wieder streiten.
Ich straffe die Schultern und betrete mein Anwesen.
Ich sehe ihn sofort, der schwarze Umhang, federgeschmückt, um seine Schultern. Ich hasse das Ding. Seinen alten Umhang hätte ich fast im Kamin verbrannt.
Ich hasse auch, wie verändert er wirkt. Er wirkt blass und in seinen Augen sehe ich nur noch wenig der alten Leidenschaft, die uns einst verband. Wie kann es richtig sein, dass unsere Wut aufeinander das einzige ist, was sie noch schüren kann?
„Anders.“ Meine Stimme klingt kühl, aber bestimmt. Ich will nicht darüber sprechen, aber ich muss. Ich habe immer getan, was getan werden musste, egal, was es kostet. Das hat er nie verstanden…
„Ich weiß nicht, ob ich dich küssen oder töten soll!“ Seine Stimme klingt nahezu verzweifelt. „Du verkörperst alles, was ich hasse! Eine Magierin, die die Templer unterstützt! Und doch suchst du mich in meinem Träumen heim.“
Ich nehme ihm das Manifest aus der Hand und zerreiße es. Er hat versucht, mich damit zu überzeugen, aber das wird ihm nie gelingen.
„Die Magie ist ein Fluch.“ Mehr sage ich nicht. „Ich habe nicht darum gebeten. Warum muss ich Mitleid mit anderen Magiern haben, selbst dann, wenn sie ihre Macht nur missbrauchen? Blutmagie, Dämonenpakte… Diese Narren haben keine Gnade verdient.“
„Aber es ist die Kirche, und die Templer, die sie dazu zwingen. Ein Tier, das in die Ecke gedrängt wird, beißt irgendwann zu.“
„Und du glaubst, du änderst etwas in dem du deine Zettel vollschmierst?“ Meine Stimme klingt scharf und schneidend.
„Wenn ich dich überzeugen kann, dann vielleicht auch alle anderen.“
„Das, Anders, wird niemals geschehen“, entgegnete ich bestimmt.
Zur Antwort küsst er mich. Seine Lippen sind warm und weich, und sein Dreitagebart sticht mir in die Wange. Ich will ihn wegstoßen, doch stattdessen ziehe ich ihn näher zu mir, halte mich an ihm fest und beiße ihm wütend in die Unterlippe. Die Hitze meines Zorns auf ihn verschlingt mich fast. Wie kann ich ihn wollen, wenn wir so verschieden sind? Ich lecke das Blut von seiner Lippe. Seine Zunge, weich und herbsüß an meiner, macht mich noch wütender. Auf ihn. Auf mich.
Ich will ihn wegstoßen, doch ich kann es einfach nicht.
Weil ich ihn will.
Er tritt von mir zurück.
„Das wird kein gutes Ende nehmen, Lorana. Aber wenn du mich trotzdem willst, dann werde ich heute Abend in deinem Anwesen auf dich warten.“
„Wenn es schlecht endet, Anders, liegt das an Justice und nicht an mir.“
„Sweetheart.“ Der Kosename klingt beinahe wie Hohn. „Du bist schon zurück?“
„Du hast mich angelogen.“ Meine Stimme gefriert bei diesen Worten zu Eis.
„Ich weiß.“ Anders weicht meinem Blick nicht aus, sondern begegnet ihm kühn. „Aber du hättest mir sonst nie geholfen. Du hast oft genug klar gemacht, auf wessen Seite zu stehst.“
„Ich bin deine Partnerin, Anders. Wenn du mir nicht vertrauen kannst, wem dann? Justice?“
„Justice unterstützt wenigstens meine Ziele! Wozu brauche ich eine Partnerin, wenn sie nicht hinter mir steht?“
„Ich stehe hinter dir! Aber deswegen muss ich deine Methoden nicht gutheißen.“
„Du hast mir nie gezeigt, dass du hinter mir stehst. Du klüngelst lieber mit Meredith, statt für deinesgleichen zu kämpfen. Wie kannst du das tun? Willst du in den Zirkel? Du weißt nicht, wie es dort ist, sonst würdest du nicht so denken!“
„Manchmal denke ich, der Zirkel wäre besser gewesen.“
„Du hast wirklich keine Ahnung.“
Ich hasse es, wenn er versucht, mich zu belehren, mich davon zu überzeugen, dass er Recht hat. Er muss wissen, dass ich niemals seiner Meinung sein werde. Warum hat er es noch immer nicht gelernt?
„Was hast du getan? Was hast du mir verschwiegen, Anders?“
„Es wird vielen Magiern helfen. Mehr musst du nicht wissen, Lorana.“
„Was hast du vor?“ Ich kenne ihn. Sein Gesicht, wenn er aufgewühlt ist. Die Unruhe in seinem Blick. Verzogene Mundwinkel. „Anders! Wenn du mich jemals geliebt hast, dann sagst du es mir – jetzt.“
„Ich kann es dir nicht sagen. Lorana…“ Er fährt sich mit den Fingern durch sein Haar. „Andraste!“
Aus irgendeinem Grund wird mir schlecht. Nein! Ich ahne es. Der Dämon.
„Du kannst es noch aufhalten, Anders.“
„Nein… dafür ist es zu spät. Es ist zu wichtig.“
„Wichtig genug, um den Preis wert zu sein?“
Er weicht meinem Blick aus.
„Sieh mich an!“, befehle ich ihm.
Er sieht mich an. „Ich kann es nicht mehr stoppen…“
„Doch! Willst du zulassen, dass der beschissene Dämon dich noch weiter auffrisst? Du bist stärker als er, das hast du jedenfalls immer behauptet. Beweise es mir!“ Ich fordere ihn heraus. Ich provoziere ihn, weil ich ihn anders schon lange nicht mehr erreiche.
„Vielleicht hast du Recht…“ Er begegnet meinem Blick. Ich kann ihn daran sehen, entschlossen, kämpferisch, meinen Anders, nicht diesen jämmerlichen Schatten, den Justice aus ihm gemacht hat. „Zeit… vielleicht habe ich noch Zeit… Ich muss es aufhalten… bevor es zu spät ist!“
Er wendet sich ab und geht. Zur Tür.
Ich atme auf. Endlich habe ich ihn erreicht. Zum ersten Mal wage ich wieder, zu hoffen.
„Verschwinde!“, höre ich seine Stimme sagen. Donnernd und laut. Voll kalter, unmenschlicher Wut. Anders‘ Augen sind nicht länger braun, sondern leuchten azurfarben. „Du wirst uns nicht aufhalten, Weib!“
„Hallo Justice.“ Meine Stimme klingt eiskalt und dunkel vor Hass. Dieser, mir so verhasste, Dämon hat mir meinen Partner Stück für Stück weiter entrissen, ihm die Seele entzogen, ihn zerstört und vernichtet und zu Grunde gerichtet. Ich hasse ihn dafür und ich hasse ihn für sein erbärmliches Schwarz-Weiß-Denken, dass in dieser Welt keinen Platz hat noch jemals haben wird. Ich hasse ihn dafür, dass er ein Dämon ist.
„Verschwinde!“, wiederholt der Dämon und wagt es dabei, Anders‘ Mund dafür zu missbrauchen, diese Worte zu formen. „Anders braucht dich nicht!“
„Ich denke, das ist immer noch Anders‘ Entscheidung und nicht deine, Justice.“
„Ich bin Anders!“
Zur Antwort lache ich ihm ins Gesicht. „Ich schwöre dir, Justice, ich werde einen Weg finden dich aus ihm heraus zu holen und dann werde ich dich im Nichts in so kleine Fetzen reißen, dass nicht einmal der Erbauer selbst dich wieder zusammensetzen kann!“
„Du kannst es nicht aufhalten, Weib! Niemand wird uns je wieder trennen!“
„Ich bin nicht Niemand. Ich bin die Frau, die ihn liebt, und als diese sage ich dir: Verzieh dich und lass ihn Ruhe!“
Anders schwankt. Der unmenschliche Hass und das Leuchten verschwinden und ich sehe wieder in die Augen des Mannes, den ich liebe, obwohl ich so oft versucht habe, dieses Gefühl in mir zu töten. Ich greife nach seinem Arm und halte ihn.
„S-sweetheart…“ Er sieht mich an, verwirrt, desorientiert… „Was ist passiert? Worüber haben wir gesprochen?“
„Du erinnerst dich nicht?“
„Wir haben gestritten…“ Er seufzt. „Ich wollte etwas tun… Was wollte ich tun?“
„Das war Justice. Er löscht deine Erinnerungen.“
„Ich weiß… Sweetheart, ich glaube, du hast Recht. Ich verliere mich.“ Er wirkt gebrochen, zerstört. Ich erkenne, was geschehen ist, und es tötet mich. Ganz langsam, stückchenweise, reißt es mein Herz in Fetzen, das ich für hart und unerschütterlich hielt. „Ich dachte, dich zu kennen… zu lieben… würde etwas ändern. Aber das hat es nicht. Justice… er ist einfach zu stark.“ Anders‘ sieht mich um Verzeihung heischend an. „Bitte, hass mich nicht für mein Versagen.“
Ich erwidere nichts. Ich sehe ihn einfach nur an. Ich suche in seinen Augen nach dem Mann, den ich einst liebte, obwohl ich es niemals wollte, den Mann voller Hingabe und Liebe…
Er umfasst meine Schultern und küsst meinen Hinterkopf. Ich lehne mich an ihn und fühle mich leicht und frei. Wir sind uns selten einig. Doch diese Nacht, in dieser Nacht, waren wir eins. Ich greife nach hinten und streiche mit der Hand über seine Wange. Sein Dreitagebart kratzt über meine Haut.
„Ich liebe dich!“ Er sagt es voller Überzeugung, als sei er sich niemals sicherer gewesen.
„Ich liebe dich, Anders.“ Ich weiß, dass es stimmt, in dem Augenblick, als ich es ausgesprochen höre. „Zieh bei mir ein. Ich will dich bei mir haben, wenn ich aufwache und einschlafe. Immer.“
Er dreht mich langsam zu sich um und lächelt. Hingebungsvoll und freudig. Unverfälscht. „Du bist also bereit? Du bist bereit, Meredith und der ganzen Welt zu zeigen, dass du einen Abtrünnigen liebst und mit ihm zusammen sein willst?“
„Ich würde es sogar der Göttlichen selbst sagen.“
Seine Hand berührt meine Wange und ich schmiege mich dagegen. Es fühlt sich gut an, wenn er mich berührt. Hingebungsvoll. Echt.
„Drei Jahre lang habe ich nachts wachgelegen und mich nach dir gesehnt“, murmelt er, während sich seine Lippen den meinen nähern. „Ich habe immer noch Angst aufzuwachen.“
„Das musst du nicht…“, murmele ich und verschließe seine Lippen mit den meinen…
Vor mir steht nicht länger dieser Mann.
Der Anders von damals ist lange fort, ein gebrochener Schatten.
Justice hat ihn zerstört.
Ich will ihm gerne sagen, dass ich ihn für sein Versagen nicht hassen werde, aber ich kann es nicht sagen ohne mich selbst zu belügen. Und vor mir selbst habe ich immer nur ehrlich sein können.
Für sein Versagen hasse ich ihn. Für seine Schwäche. Für seine Ohnmacht dem Dämon gegenüber, der ihn zerstört. Ich hasse ihn für all das mit einer Gewalt, die mich erschüttert.
Und trotzdem… obgleich es dumm ist, und mich zerstört, mir das Herz herausreißt und zerfetzt… kann ich nicht aufhören, ihn zu lieben.
Mal wieder ein neuer Beitrag von mir. Diesmal allerdings eine Kurzgeschichte, die nichts mit der Geschichte um Vin zu tun hat.
Es geht um Leliana. Die Geschichte spielt, bevor sie Marjolane kennenlernt. Ich habe sie mal auf ca. 15 Jahre geschätzt. Sie lebt in Val Royeaux und lernt das Handwerk eines Barden.
Lelianas erstes Lied
Tosender Applaus riss Leliana aus ihren Gedanken. Auf der Bühne verbeugte sich der Barde. Seine Lippen formten Dankesworte, aber der Lärm übertönte diese.
„Ein wahrer Meister seines Fachs. Er weiß wie er die Menschen verzaubern und in seine Welt entführen kann. Eine entscheidende Fähigkeit für einen Barden.“ Ihr Lehrer nippte an seinem Glas Rotwein und blickte Leliana in die Augen. Sie setzte eine fröhliche Miene auf, die ihre Gefühlslage überspielen sollte. Der nächste Barde betrat die Bühne und stimmte ein melancholisches Lied über eine verzweifelte Liebe an.
Leliana bearbeitete weiter die Brosche, die sie seit ihrer Ankunft in dem Theatercafé in ihren Händen hielt. „Du kannst das. Du bist schon viele Male auf der Bühne gestanden. Der einzige Unterschied ist, dass du dieses Mal dein eigenes Werk vorträgst. Es wird den Menschen gefallen. Du musst daran glauben.“. Die aufmunternden Worte ihres Meisters schafften es nicht ihre Zweifel zu beseitigen. In weniger als zwei Stunde würde sie dort oben auf der Bühne stehen und ihr Lied vortragen. Sie legte die Brosche beiseite. War ihre Geschichte gut genug? Zog sie ihre Zuhörer in den Bann, wie es die Erzählungen ihres Meisters mit Perfektion vermochten? Sie glaubte es nicht. Aber sie musste es trotzdem tun, andernfalls wären die letzten fünf Jahre der Ausbildung umsonst gewesen. Alles wäre umsonst gewesen. Sie bemerkte, wie ihre Finger eine Strähne ihres roten Haares umspielten. Hastig legte sie sie hinters Ohr und griff wieder nach der Brosche.
Sie hatte sich entschieden eine Bardin zu werden. Sie wollte die Menschen mit ihren Geschichten aus dem Alltag entführen und sie ihre Sorgen vergessen lassen. Sollte sie nun scheitern, würde sie als Dienstmagd im Haus eines reichen Kaufmanns oder als Bedienung in einem der vielen Theatercafés der Stadt enden. Kein Leben, das man sich wünschte.
Sie musste den Kopf frei kriegen. Sie erhob sich vom Tisch und blickte ihrem Lehrer direkt in die Augen.
„Ich werde Euch nicht enttäuschen!“
„Du sollst nicht daran denken, was ich denken werde. In erster Linie zählt, dass du zufrieden bist. Alles andere liegt nicht in deiner Hand. Führ dir das immer vor Augen.“
„Das werde ich.“
Mit diesen Worten verbeugte sie sich knapp und ließ ihren Lehrer alleine am Tisch zurück. Sie hatte noch etwas Zeit, bevor sie die Bühne betreten sollte. So verließ sie das Café, um ihre Nervosität abzustreifen und sich auf ihren Auftritt einzustimmen.
Nach der rauchverhangenen Luft des Theatercafés war die kühle Nachtluft dieses Frühlingsabends eine Wohltat für sie. Nun, da sie mit ihren Gedanken alleine war, kehrte ihre Skepsis zurück. Sie hatte sich Wochen auf diesen Auftritt vorbereitet, hatte stundenlang jede einzelne Textpassage ihres Liedes geprobt. Mehr als einmal hatte sie es umgeschrieben. Doch jedes Mal, wenn sie dachte, die Fassung sei nun perfekt, fielen ihr neue Dinge auf, die sie verbessern konnte. Selbst heute Mittag, wenige Stunden vor ihrer Premiere, hatte sie noch Stellen gestrichen und durch neue ersetzt. Doch noch immer erschien ihr Werk banal und unzulänglich im Vergleich zu denen der großen Barden Orlais‘.
Sie wanderte ziellos durch die Straßen Val Royeauxs. Kunstvolle Gebäude ragten neben ihr auf, doch sie schenkte ihnen keinerlei Beachtung. Bald kam sie zu ihrem Lieblingspark. Ihr Unterbewusstsein musste sie hierher geführt haben. Die Parkanlage war sehr weitläufig, die Wege gesäumt mit Bäumen und in der Mitte lag ein Springbrunnen. Der Platz, den sie am liebsten mochte, war ein abgelegenes Beet am Rand der Anlage. Dort wuchs ausschließlich Andrastes Segen, ihre Lieblingsblume. Ihr Duft erinnerte sie immer an ihre Mutter und spendete ihr Trost in schweren Zeiten.
Als sie dort ankam, bemerkte sie eine Gestalt auf einer der Bänke. In ihren Händen hielt sie eine einzelne Rose und ihr Blick schien auf ihr zu haften. Sie erkannte ihre Freundin Corinne und setzte sich neben sie.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“
Die junge Frau ließ ihren Blick weiter auf der Rose ruhen.
„Es ist wegen Sebastian.“
„Habt ihr Probleme?“
„Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht.“
„Das ist ja eine wunderbare Nachricht. Wann soll die Hochzeit stattfinden?“ Lelianas Freude war ehrlich. Sie kannte das Paar bereits seit einiger Zeit und beide waren gute Freunde für sie.
„Ich habe abgelehnt.“
„Du hast was getan? Aber wieso denn? Erst vor einigen Tagen hast du mir erzählt, wie glücklich du mit ihm bist, wie du dir die Zukunft mit ihm vorstellst. Er ist der Mann deiner Träume. Das waren deine Worte.“
„Ich weiß, aber …“ Corinne hielt inne und focht offensichtlich einen inneren Kampf aus. Sie brach in Tränen aus. „Wie kann ich mir sicher sein? Woher weiß ich, dass es funktionieren wird?“ presste sie hervor. Leliana legt sanft ihren Arm um ihre Freundin und zog sie zu sich hin. Corinne legte ihren Kopf an ihre Schulter und schmiegte sich an sie, während Leliana ihr durchs Haar streichelte.
Ich kann ihre Zweifel nur zu gut nachvollziehen. Mir geht es genauso mit meinen Liedern.
„Warum zweifelst du? Wie kommst du darauf, dass es nicht funktionieren wird? Ihr seid nun schon so lange zusammen. Es müssen doch inzwischen über drei Jahre sein.“
„Zwei Jahre, sieben Monate und 18 Tage.“
„Und in all dieser Zeit warst du glücklich. Du hast nicht einen Gedanken daran verschwendet, dass es nicht klappen könnte.“
Leliana spürte wie Corinne den Kopf schüttelte.
So war es anfangs bei mir und meinem Lied. Die Euphorie beim Schreiben ließ mich nie daran zweifeln, dass es gut wird.
„Ihr wart euch sicher mehr als einmal uneins, habt euch auch mehr als einmal gestritten. Aber ihr habt immer eine Lösung gefunden. Weil ihr euch liebt.“
Wie meine Charaktere und ich. Es gab Situationen, in denen sie nicht das taten, was sie sollten. Sie wehrten sich gegen das was ich schrieb. Aber am Ende fanden wir doch immer einen Kompromiss.
„Ja.“, schluchzte Corinne. Langsam hörte sie auf zu weinen. „Aber das heißt doch nichts. Vielleicht kommt irgendwann ein anderes Mädchen oder…“
„Corinne, du weißt dass er dich liebt. Liebst du ihn?“
„Ja, aber…“
„Kein aber. Ihr liebt euch. Das ist es worauf es ankommt. Liebe kann jedes Hindernis überwinden.“
Genau wie beim Schreiben. Mit Hingabe und Leidenschaft lassen sich Blockaden umgehen. Und mit harter Arbeit.
Corinne löste sich aus Lelianas Umarmung und setzte sich auf. Ihr Blick verfinsterte sich.
„Du hast leicht reden. Du steckst ja nicht in meiner Situation.“
Mit so einem Vorwurf hatte Leliana nicht gerechnet. Sie versteifte sich für einen Moment und wandte den Blick von Corinne ab.
Wie unrecht sie doch hat. Ich stecke in demselben Dilemma wie sie. Es musste doch eine Antwort geben. Etwas, dass die Zweifel beiseite wischt.
„Die Liebe ist wie eine Geschichte. Du kannst immer etwas verbessern. Du wirst immer einen Fehler oder eine Ungereimtheit, einen kleinen Makel oder einen Grund zum Zweifeln finden, solange du danach suchst. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem du darauf vertrauen musst, dass sie gut ist wie sie ist. Sonst wirst du sie irgendwann verwerfen und sie so für immer verlieren.“
Ja, das war es. Die Lösung für ihr Problem. Sie vertraute ihrem eigenen Lied nicht. Das Lied, in dem ihr Herzblut steckte, das sie über Wochen gepflegt hatte, wie den Spross einer Pflanze. Sie hatte ihn gegossen, damit es wachsen konnte, hatte vertrocknete Blätter entfernt, damit neue sprießen konnten und hatte ihn jeden Tag ein wenig wachsen sehen. Und als er ausgewachsen, fertig, war, hatte sie zu Zweifeln begonnen. Hatte sie alles richtig gemacht, die richtigen Blätter entfernt? Hatte sie ihn überwässert? Diese Zweifel waren unbegründet. Sie konnte sehen, dass ihr Spross gesund war, dass sie ihn so gut gepflegt hatte, wie sie es nur vermochte. Und nun war es an der Zeit ihn aus ihrer Obhut zu entlassen und ihn in ein Beet einzupflanzen, damit er neue Wurzeln schlagen und neue Sprösslinge hervorbringen kann.
Äste und Sträucher schlugen auf sie ein. Ihr Körper übersät von Schnittwunden und Blutergüssen.Ihre Füße bewegten sich auf dem steinernen Boden so leicht, als würde sie auf Schaffell laufen. Doch die Realität sah anders aus. Sie wusste, dass ein falscher Schritt sie das Leben kosten würde. Die Steine und Wurzeln auf dem Waldbodens würden sich in Sekundenschnelle durch ihre Haut, direkt in ihr Fleisch bohren. Sie hielt für einen Moment inne - eine kurze Verschnaufpause, nur eine kurze Pause - ein Pfeil schoss an ihr vorbei und blieb in einer dicken Eiche, direkt neben Ihr stecken, um sie daran zu erinnern, dass ihr im Moment keine Pause vergönnt war. Ein Blick nach hinten verriet ihr, dass ihr ihre Verfolger bereits gefährlich nah gekommen waren. Kein Wunder, waren es doch ausgebildete Jäger. Sie holte einmal tief Luft und rannte los. Vor ihr lagen die Tiefen des Brecilian Waldes, hinter ihr lag ihr Tod. Sie hatte keine Wahl bei der Sache, der einzige Ausweg war nach vorne. Ganz sicher würde sie heute nicht sterben.
Nach einigen Minuten ununterbrochenen Rennens, sah sie ein grelles Licht vor sich. Nach einigen Metern kam sie auf eine Lichtung. Inmitten dieser Lichtung, lag ein kleiner Ententeich. Wie von Zauberhand geführt, näherte sie sich dem Teich, langsam und behutsam. Sie schien ihre Verfolger vollkommen vergessen zu haben. Sie stand am Teich und blickte in ihn hinein. Sie konnte ihr Spiegelbild sehen. Ihr langes gewelltes brünettes Haar reichte über ihr Schlüsselbein bis hin zu ihrer Brust. Eine Blume war ihn ihren Haaren eingeflochten und ihre langen spitzen Ohren ragten aus diesem braunem Gold hervor. Ihr Gesicht war lediglich mit einigen kleinen Schnitten gespickt. Ihr Blick fiel auf ihre Lederrüstung, die es weit schlimmer getroffen hatte. Ein Riss zog sich, unterhalb ihrer Brust, einmal um die ganze Rüstung herum und wurde nur noch durch kleine Faserreste gehalten.Mit einem kräftigem Ruck riss sie die untere Seite ihrer Rüstung ab und enthüllte damit ihre Narbe, die sich über ihren Bauchnabel zog. Sie glitt mit ihren Fingern über sie, es schmerzte nicht. Wieso auch, immerhin war diese Narbe bereits zwölf Jahre alt. Doch der Schmerz an die Erinnerungen ihrer Entstehung saß noch immer tief. Wie versteinert blickte sie in den See, in ihre eigenen strahlend blauen Augen. Ihre Umgebung vollkommen ignorierend.
Ihre Hand ragte an die Wasseroberfläche, das Spiegelbild zu berühren. Mit einem mal verspürte sie einen stechenden Schmerz in der linken Schulter und kurz darauf einen ebenso qualvollen Schmerz in ihrem rechten Arm. Just in diesem Moment löste sie sich aus ihrer abwesenden Verfassung. Sie schrie laut auf: „AHHHHHH!“ Blut tropfte in den Teich und schlug kleine Wellen. Sieh sah zu ihrer Rechten und erkannte nur sehr verschwommen einen Pfeil, der sich durch ihre Schulter gebohrt hatte. Sie merkte wie ihre Augen nachließen, ihr fiel das Atmen von Sekunde zu Sekunde zunehmen schwerer. Ihr Herz raste, pochte. Es fühlte sich an als würde es jeden Moment durch ihren Brustkorb nach außen dringen. Sie war schwach, so schwach hatte sie sich vorher noch nie gefühlt. Ihr ran nur noch ein Gedanke durch den Kopf: ~Verdammt! Das war es dann wohl.~ Dann fiel sie kopfüber in den Teich. Das Wasser färbte sich Blutrot. Stille. Dunkelheit. Ihre Verfolger hatten gewonnen.
Ein Mann betrat die Lichtung, unmittelbar nachdem Ihre Verfolger wieder im Wald verschwunden waren. Sie versicherten sich nicht einmal ob ihr Ziel auch wirklich tot war. Der Mann, nobel gekleidet, mit langen schwarzen Haaren und einem sehr gepflegten Vollbart, begab sich zum Teich. Er kniete sich nieder und lies seine Hand in das rot gefärbte Wasser gleiten. Mit zwei Fingern tastete er den Hals der Elfe ab um zu prüfen, ob sie noch lebe. Es war genau wie er vermutete, sie hatte noch einen Puls. Er war schwach, aber das war alles was der schwarzhaarige Mann brauchte. Er lächelte und behutsam griff er der Elfe unter die Arme, um sie ebenso behutsam aus dem Teich zu heben. Vorsichtig legte er auf den moosigen Waldboden. Anschließend kramte er in seinem Gepäck nach einer Leinendecke und breitete diese auf den Boden neben ihr aus. Er hob die Elfe erneut hoch, um sie auf die Decke zu legen und anschließend diese um die Elfe zu wickeln. Mehr konnte er im Moment nicht an erster Hilfe leisten, aber immerhin konnte er sie mit der Decke vor einer Unterkühlung schützen. Er nahm die Elfe auf den Arm und trug sie, den Weg den er gekommen war, von der Lichtung weg.
Nach einer guten halben Stunde kam er an einem kleinen bewachten Lager an. Als er sich diesem näherte wurde er von der Wache aufgehalten: „HALT!“ rief die diese ihm entgegen und hielt ein Speer direkt vor ihn. Der schwarzhaarige sprach: „Warum hältst du mich auf, Pranke? Was soll dieser Blödsinn?“ seine Stimme war tief und hörte sich rau und knurrend an, beinahe wie die eines Tieres, das gerade sprechen lernte. Die Wache, mit Namen Pranke, lockerte ihre Haltung und ließ den Speer in seine ursprüngliche Situation zurück gleiten, bevor sie sprach: „Du Kennst die Regeln!“ der Ton war ernst und bestimmt „Keine Fremden! Du gefährdest unser aller Sicherheit!“. Der Schwarzhaarige verzog sein Gesicht und sein vorher so freundlicher Blick wechselte zu einem, der einen knurrenden Wolf ähnelte, bereit jeden Moment zuzubeißen. Pranke war sichtlich eingeschüchtert von diesem Blick und trat ehrfürchtig zur Seite, um den schwarzhaarigen passieren zu lassen. Dieser ging schnurstracks in die Richtung eines Zeltes, des Lagers, welches ziemlich zentral lag. Die Blicke der anderen anziehend betrat er das Zelt und legte die Elfe auf eine Holzpritsche. Ihr Puls war noch immer schwach. Ganz anders ihre Körpertemperatur, die nun gefährlich hoch gestiegen war. Ihre sonst sonnen-gebräunte Haut war nun durch den immensen Blutverlust kreidebleich. Dem Schwarzhaarigem war klar, er musste handeln. Jetzt!
Die Dunkelheit verschwand als sie langsam ihre Augen öffnete. Leicht verschwommen war das Erste, was sie erkannte, die Decke des Zeltes. Sie drehte den Kopf zu ihrer Rechten und erblickte auf einem kleinem Tisch einige medizinische Instrumente. Sie waren übersät von Blut, als ob sie gerade eben noch benutzt wurden. Vorsichtig setzte sie sich auf und lies ihre Beine von der Pritsche baumeln. Erst jetzt schnellte ihr rechter Arm blitzschnell zu ihrer Schulter, doch sie verspürte keinerlei Schmerz, auch nicht an ihrem rechten Arm durch dem vor kurzem noch ein Pfeil ragte. Beide Wunden waren gerade frisch bandagiert. Umso beunruhigender war die Tatsache, dass sie den Arm so schnell wieder so gut bewegen konnte. Sie schaute umher und musterte ihre Umgebung. Weit weg von der Pritsche, auf der linken Zeltseite, lag eine blutverschmierte Leinendecke und diverse blutige Bandagen. Auf der anderen Seite des Zeltes lag ihr Köcher und ihr Bogen. Mehr konnte sie nicht erkennen, mit Ausnahme eines kleinen Feuers auf dem ein Topf mit heißem Wasser kochte. Erst jetzt kam ihr der Gedanke in den Kopf, der jedem anderen sofort gekommen wäre: ~Wo bei allen Göttern bin ich hier?~ Soviel war klar, sie befand sich nicht in einem Aravel, also wurde sie nicht von ihren Verfolgern gefangen genommen. Sie befürchtete das Schlimmste.
Ihre schlimmste Vermutung wurde wahr, als der Schwarzhaarige das Zelt betrat. Panisch vor Angst griff sie nach dem Messer auf dem Instrumententisch, wich auf der Pritsche zurück und hielt das Messer, mit der Spitze auf den Menschen zeigen, schützend vor ihren Körper. Sie brüllte den Menschen an und versuchte dabei so einschüchternd wie möglich zu wirken: „Zurück Shemlen! Komm nur einen Schritt näher und ich schneide dir die Kehle durch“ Sie zitterte, konnte das Messer kaum noch richtig halten. Der Schwarzhaarige, der langsam auf sie zugekommen war, erreichte nun die Pritsche. Der Gesichtsausdruck der Elfe war mehr als überrascht, als er sich über sie beugte und seine Hand nur auf ihre Stirn legte. Anschließend drehte er ihr den Rücken zu und sprach: „Das Fieber ist noch nicht abgeklungen, jede Anstrengung ist höchst gefährlich“. Die Elfe war mehr als verwirrt. Als er sich zu ihr umdrehte, hielt er ein, vor heißem Wasser nur so triefendes, Leinentuch in der Hand. Langsam ging er, mit einem Lächeln auf den Lippen, erneut auf sie zu. Vorsichtig drückte er sie auf die Pritsche, dass sie sich nun wieder in einer liegenden Position wiederfand. Anschließend legte er ihr mit der linken Hand das Tuch auf die Stirn und mit der anderen Hand nahm er ihr mit Leichtigkeit, das Messer aus der Hand. Ihre Augen trafen sich und für einen Moment verlor sie sich in seinen Augen. Sie waren farblos. Obwohl der Mann lächelte, seine Augen hatten keinerlei Ausdruck. „Legt euch noch einmal schlafen. Ihr seid noch nicht bei voller Gesundheit“ sprach er mit seiner rauhen, tiefen aber gelassenen Stimme, während er das Zelt verließ. Die Elfe schloss ihre Augen, in der Hoffnung, bei ihrem nächsten Erwachen in besserer Verfassung zu sein. Der Mann hatte das Zelt noch nicht verlassen, also sprach sie: „Caladwen. Mein Name ist Caladwen“. Der Mann blieb am Eingang des Zeltes stehen und entgegnete ihr: „Schön euch kennenzulernen. Caladwen“. Dann verließ er das Zelt.
Nach dem Kampf schwankten Isilde und Tobias führt sie zu einem flachen Stein. Seinen Mabari hingegen schickte er anschließend auf die Suche. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #20 • Atemholen
»Geht es Euch besser?« fragte Tobias die Frau, nach dem er den Wasserschlauch zurück erhalten hatte und versuchte sie dabei aufmunternd anzulächeln. Sie schaute ihn bei seiner Frage an. Ihr Blick folgte dem klaffenden Schlitz im Bauernmantel, den das Schwert des letzten Angreifers geschnitten hatte. Etwas goldrötlich schimmerte das Kettenhemd aus der großen Lücke im Kleidungsstück. Doch weil es zu dem über und über mit Blut bespritzt war, fragte sie ihrerseits, anstatt zu antworten: »Und Ihr Tobias? Ihr seid unverletzt?«
Der Mann legte das erbeutete Schwert ins Gras, schaute zum Mabari, der immer größere Kreise zog und antwortete: »Ja, ich bin unverletzt! Einige blaue Flecken wird es schon geben. Doch ich bin austrainiert und konnte gut ausweichen.« »Warum sieht dann der Bauernmantel so aus?« hakte Isilde nach. Tobias schaute noch einmal zu Klecks und setzte sich dann anschließend zu Isilde und begann seine Sicht zu erzählen: »Der Steinwurf hat alles geändert. Ich war ja nur mit einem dicken Haselnussstab und dem Stilett bewaffnet.« »Oh! Das tut mir leid,« unterbrach die Frau den Bericht. »Ich habe nur Euren Schild gesehen, so wie damals, als Ihr ihn nebst Wappen auf der Tafel aufgemalt hattet,« fügte sie etwas verlegen an. Tobias wartete eine Weile, ob Isilde noch etwas sagen würde. Doch als nichts weiter geschah und auch von Klecks keine Warnlaute kamen, setzte er seine Erklärung fort: »Ihr braucht Euch nicht zu rechtfertigen. Denn wenn wir erst beraten hätten, was zu tun sei, würden wir jetzt nicht zu unversehrt auf einem Stein sitzen. Doch zurück zu dem Bauernmantel. Es war am Ende ja eine Situation eins gegen eins. Ich wollte sein Leben schonen, ihn zur Aufgabe bewegen. Doch der Räuber hat sich absolut überschätzt. Das hätte er spätestens wissen müssen, als ich ihm den Schild nach einer Ausweichbewegung vom linken Arm geschlagen hatte. Die Wucht des Hiebes hatten die Bandriemen zerrissen.« »Stimmt,« lächelte die Frau Tobias zu, »der Schlag hätte auch seinen Kopf treffen können.« »Das wollte ich nicht,« fügte Tobias an. »Aber er war so verbohrt und siegessicher, dass er nicht zuhören wollte. Und dann ist mir die Finte mit dem Kettenhemd eingefallen. Deshalb ist jetzt der Kittel hinüber, leider. Er hat sich gut getragen.« »Ach, es ist nicht so schlimm,« antwortete Isilde. »Ich glaube Mutter hat noch einen oder zwei im Lagerschuppen in einer Truhe. Nur gut, dass Ihr die Robe nicht anhattet.« »Das stimmt auch wieder,« nickte der Mann zu Isilde und hob das Schwert im Aufstehen mit auf. »Könnt Ihr jetzt wieder gehen?«, fragte er und reichte ihr seine linke Hand entgegen. Die ergriff sie auch. Er packte zu und zog sie nach oben. Und wie sie so vor ihm stand und beiden sich noch an der Hand hielten, ging sie einen kleinen Schritt auf ihn zu und küsste ihn auf die linke Wange und sagte: »Danke!«
Tobias wurde etwas verlegen, blinzelte etwas verschmitzt mit den Augen und sagte: »Doch nicht für das Hochziehen?« »Nein, Nein!« antwortete Isilde bestimmt. »Mir war bei der Schilderung bewusst geworden, wie Nahe ich am Tode war und dafür den Dank.« Ein knackendes, brechendes Geräusch lies die beiden umdrehen. Der Mabari hatte gerade in einen der Banditen seine Fangzähne geschlagen. Vermutlich hatten die beiden das Zerbrechen der Beinknochen gehört. »Schnell,« wies Tobias an, »schnell, lasst uns nachsehen!« Beide rannten zu der Stelle, wo Klecks immer noch an dem Mann zerrte. »Aus!« »Klecks! Aus« rief Tobias im lauten Ton. Der Mabari-Kriegshund gehorchte. Tobias sah dem Tier an, dass es diesen Ausbruch nach dem Stillhalten bei Isilde bedurft hatte. Deshalb gab er dem Hund einen Klaps an die Seite und sagte: »Gut gemacht!« Worauf sich Klecks mehrfach um seine eigene Achse dreht und vergnügt winselte. Isilde war schon dabei die Stirn zur runzeln. Doch bevor sie etwas sagen konnte, sprach Tobias: »Er ist ein Kriegshund, trainiert auf schnellen Angriff, bereit seinen Meister zu verteidigen. Vermutlich haben bei dem Bogenschützen die Nerven gezuckt und dieses Wackeln im Bein hat Klecks nach der ganzen Situation als Bedrohung angesehen. Seid nicht zu hart mit ihm.«
Isilde überwand ihren Schreck und beugte sich etwas zu dem Hund herunter, klopfte ihm auf den Rücken und sagte: »Danke, denn Du hast mich erst gut beschützt!« Der Mabari schlug dabei einen Ton an, der den beiden durch Herz und Nieren ging, so voller Mitgefühl war der Ton. Tobias nickte Isilde zu und sagte: »Wir sollten jetzt zwei Dinge tun. Zum einen die Toten vom Weg holen und möglichst bestatten und dann über den weiteren Fortgang sprechen.« »Können wir nicht sofort reden?« wollte die Frau wissen. »Können wir,« antwortete Tobias und fragte sie: »Wollen wir anschließend zurückgehen?« »Ihr wollt umkehren, wo wir noch nicht bei den Klippen waren?« fragte mit Erstaunen die Frau. »Ja, möchte ich,« lautete knapp die Antwort. »Und warum sollen wir mit leeren Händen heimkommen?« kam als Nächstes. »Weil in unseren Händen noch unser Leben ist. Wir längst an den Klippen sein müssten, aber nicht wissen, ob noch mehr Banditen dort sind. Zudem bin ich für weitere Kämpfe nicht richtig vorbereitet. Und was wird Eure Mutter denken, wenn wir dort übernachten müssen und erst am nächsten Tage zurück kommen?« »Oh, Mutter!« unterbracht Isilde den Wortschwall. »Stimmt, Mutter wird sich große Sorgen machen, da habt Ihr recht.« »Dann machen wird es so. Wir tragen die drei auf eine Stelle, eine Senke möglichst, und decken sie mit Steinen ab. Brauchbares werden sie nicht groß dabei haben auf einem Beutezug, aber schaut Euch um.« Dann fasste Tobias den toten Bogenschützen am Kragen und zog ihn ein Stück in Richtung des zweiten Kampfes. Dort glaubte er eine Senke gesehen zu haben.
Die schwarzhaarige Frau lag auf einer Bahre. Rings in einem Kreis um sie herum waren Kerzen entzündet worden. Jaina stand mit den Waffen auf dem Rücken an der Seitenwand des Raumes, neben ihr Leliana und Alistair, beide mit ernsten Mienen. Die Hexe der Wildnis auf der Liege bewegte sich nicht, sie hatte die Augen geschlossen. Einer der Magier, der um sie herumstand, machte eine langsame Handbewegung und die anderen fielen nacheinander ein.
Wynne, die unter den Magiern war, hatte je eine Hand auf Morrigans Bauch und Stirn platziert.
Sie schien sich zu konzentrieren, ihre Augen waren geschlossen, die Züge entspannt und dennoch saß sie steif vor der Bahre.
Jaina schluckte. Sie hatte fast die ganze letzte Nacht mit Morrigan gesprochen. Die Hexe schien selbst einen Weg zu suchen, das Kind ohne Verluste loszuwerden. Sie hatte Jaina erklärt, dass sie eine erzwungene Geburt wahrscheinlich nicht einmal überstehen würde. In jedem Fall war ihr der Exorzismus, den Alistair mit dem Ersten Zauberer Irving abgestimmt hatte, lieber. Nicht nur, dass Jainas Überlebenschancen ansteigen, auch Morrigan sah mehr Möglichkeit wieder lebend aus dieser Lage heraus zu kommen.
Alistair hatte sie gehört und warf ihr einen Blick zu. Er brauchte sie nicht zu berühren. Er musste nichts sagen. Seine Augen glommen vor Wärme, diese Wärme, die Jaina nur von ihm kannte. Es gab ihr Hoffnung.
So wie er ihr am heute Morgen Hoffnung gegeben hatte, als sie vollkommen ausgelaugt und erschöpft auf ihr Lager gefallen war nach dem stundenlangen Gespräch mit Morrigan, und ihm gestand, wie sehr sie sich vor einem verderbten Kind fürchtete. Das Kind von Morrigan, die damit ihr beider Leben gerettet hatte, schien wie ein Fluch über ihnen zu hängen und ihr weiteres Leben zu überschatten. Lange hatten sie darüber diskutiert, über Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten, über Heilung oder Optionen, Kompromisse und Gleichgültigkeit.
Jaina war kaum zu beruhigen gewesen. Diese Sache wühlte sie unglaublich auf, die Tatsache, dass ein von Alistair gezeugtes Kind nun einem solchen Schicksal gegenüberstand, belastete sie unglaublich. Sie hatte sich Alistair anvertraut und er hatte ihr geholfen. Nicht nur, dass er sie in den Schlaf hineingetröstet hatte, er hatte mit dem Ersten Verzauberer gesprochen und soweit sie wusste noch mit vielen anderen Magiern. Er hatte den Exorzismus für Morrigan organisiert und dafür gesorgt, dass diese zur rechten Zeit im Turm war. Er schien sich sogar irgendwie mit Irving darauf geeinigt zu haben, Morrigan trotz ihrer Abtrünnigkeit exorzieren zu lassen. Jaina wusste nicht, wie er das geschafft hatte, sie war einfach nur froh, dass sie es nicht hatte machen müssen.
Und nun standen sie, spät abends, in einer riesigen Halle, in der Mitte die aufgebahrte und scheinbar schlafende Morrigan, um sie herum gestikulierende Magier und brennende Kerzen – und bisher war nichts geschehen.
Jaina hatte sich sagen lassen, dass manche Exorzismen völlig ungestört und friedlich verliefen. Andere jedoch wurden zu wahren Kampfplätzen für die Dämonen, die den empfindlichen Schleier durchbrechen konnten. Natürlich kam es auch auf die Art des Exorzismus an – einen halben Erzdämonen zu exorzieren steigerte die Wahrscheinlichkeit, dass einige Dämonen den Schleier zerreißen könnten.
Die junge Cousland hoffte das Beste. Sie war angehalten worden, nur dann anzugreifen, wenn tatsächlich materialisierte Dämonen auftauchten.
Die Dunkelheit in der großen Halle war wie ein riesiger, schwarzer Vorhang, der sich über alles legte. Die Kerzen, die im Kreis um die Magier und Morrigan aufgestellt worden waren, vermochten es nicht, die Dunkelheit völlig zu erhellen - sie wirkten vielmehr wie kleine verlorene Flämmchen, die gegen die schwere Schwärze ankämpften. Sie leuchteten stumpf vor sich hin, langsam herniederbrennend.
Die Stille erdrückte Jaina fast. Sie wartete darauf, dass etwas geschah, aber nichts, rein gar nichts geschah. Der Lyriumspiegel in der bereitgestellten Schüseel schien sich nicht zu verändern und doch war Jaina sich sicher, dass der Exorzismus bereits begonnen hatte.
Sie war fast versucht sich zu bewegen, wie ein kleines Kind herumzuzappeln, irgendetwas zu tun. Die Halle kam ihr fast vor, wie ein statisches Kunstwerk mit düsterer Stimmung. Das einzige was sich bewegte, waren die Magier, die stumm Gesten vollführten, und die kleinen Flammen.
Jaina begann, die Kerzen zu zählen. Sie war bei dreizehn angelangt, als ein Windstoß durch die Halle fuhr. Die Kerzen flammten auf, die brennenden Spitzen züngelten anscheinend ungeduldig. Jaina hatte diese Art von Stoß schon einmal verspürt – bei der Befreiung des Sohnes von Arl Eamon, Connor. Instinktiv spannte sie Arme und Beine an, bereit wie ein Raubtier zum Sprung. Neben ihr hatte Alistair die Hand auf den Knauf seines Schwertes gelegt und das Schild fester umklammert. Auf ihrer anderen Seite war Lelianas Hand zum Köcher geschossen und verweilte dort.
Jaina starrte auf die Szenerie, Morrigan hatte begonnen, sich in Zuckungen zu winden und hin und her zu werfen. Unartikulierte, gemurmelte Laute verließen ihre Lippen – konnte sie da Schaum am Mund der Hexe entdecken? Ein Fauchen entwich Morrigans Mund, und es klang alles andere als menschlich. Es klang nach überaus wütenden ... Kreatur.
Im nächsten Moment brach ein blutroter Schatten aus Morrigans Bauch hervor, die sich wild hin und herwarf und nur durch Zufall auf der breiten Liege blieb. Der Schatten war immens, er leuchtete in dem widerlichsten Rot, strahlte bis in die finsterste Ecke und schien sich zu materialisieren.
Er nahm vage die Gestalt eines Menschen an, jedoch über drei Schritt hoch, fast bis zur Decke der Halle reichend, dazu dünn und mit scheinbar fragilen Gliedmaßen, er schwebte in der Luft und auf einmal stieß die Kreatur ein gewaltiges Brüllen aus, ein erneuter, diesmal ungleich stärkerer Windstoß, eine Böe geradezu, fegte durch die Halle. Darauf hatte Jaina nur gewartet. Wie ein lauerndes Löwenrudel sprangen Jaina, Alistair und Leliana vor, die Waffen gezogen und griffen den roten Schemen an, dessen Augen zwei schwarze Ovale formten, die tiefer und dunkler waren als jede Nacht. Von der anderen Seite des Raumes sprang eine flinke Gestalt in die Mitte, zwei fahl glänzende Klingen in den Händen, und stürzte sich auf das rote Etwas.
Doch dessen Augen richteten sich auf Jaina, die sich auf einmal von Dunkler Brut umgeben fühlte. Ein Ächzen neben ihr zeigte ihr, dass es Alistair genauso ging. Sie spürte ihr Blut durch die Venen und Adern schießen, viel deutlicher als beim Kampf gegen den Erzdämon, als sie dem Wesen den ersten Hieb versetzte.
Als Antwort brüllte der rote, furchterregende Schatten laut auf – wieder fühlte Jaina sich, als stünde sie direkt vor dem Erzdämonen. Ein wabernde rote Klaue, man konnte es keine Hand nennen, fuhr heran, auf Jaina zu.
Jaina hob ihr Schwert in einer gewöhnlichen Parade, doch die Klaue ließ sich dadurch kaum aufhalten. Nur durch einen großen Satz konnte Jaina den spitzen Krallen entkommen. Da war Alistair auch schon zur Stelle und im Begriff, die Klaue abzutrennen. Das erhobene Schwert schoss schwungvoll auf den Arm der Kreatur zu – und traf mit einem lautstarken Klingen darauf, als schlüge es auf eine andere Klinge.
Entsetzt sprang Alistair zurück, als er begriff, dass das Wesen anscheinend gepanzert war.
Eine Serie von Schlägen mussten die Kämpfer parieren, wuchtige Schläge, die einen durchaus eine Gliedmaße kosten konnten. Immer noch erschrocken ob der Mächtigkeit des Dämons hatte Jaina keine Idee, wie sie das gut geschützte Biest erledigen sollten.
Sie suchte mit den Augen nach einer Möglichkeit – ihr Blick streifte Morrigan, die noch immer am ganzen Leib zuckte, die Augen verdreht, sodass das Weiße sichtbar war. Als nächstes blieb ihr Blick an Wynne hängen, deren verschwitztes Gesicht in dem blutroten Licht glänzte, sie saß immer noch steif da, aber murmelte unablässig vor sich hin.
Und mit einem weiteren Blick fing sie die ganzen anderen Magier ein, die magische Geschosse auf den Dämon abfeuerten und mit großen Armbewegungen magische Wesen beschworen, doch nichts schien gegen diesen Dämon zu helfen.
Jaina entdeckte den flinken Kämpfer, Zevran, der alle Mühe hatte, den Ausfall des Dämons zu parieren und sprang nach vorne, den Dolch auf Höhe der Kniekehle in den roten Schatten stoßend.
Wie sie erwartet hatte, stach sie gegen etwas Hartes, Metallisches und diesmal konnte sie abschätzen, ob die schützende Haut direkt an der Oberfläche oder darunter lag. In der Dunkelheit, die nur von den Kerzen und dem roten Schatten erhellt wurde, erkannte sie erst jetzt die dunkelgraue Schicht, die sich unter der blutroten, wabernden und anscheinend immer pulsierenden Haut abzeichnete. Aber wo war er nicht gerüstet? Mit wieselndem Blick musterte sie den roten Dämonen, aber soweit sie sehen konnte, war er in die gräuliche Schutzschicht unter seiner roten Haut gehüllt.
„Jaina!“ ein Brüllen neben ihr ließ sie aufhorchen und ihren Blick zurück zu den Armen und Beinen des gefestigten Schattens zurückkehren, kaum hatte sie den einen Arm erfasst, wurde sie gewahr, dass ebenjener Arm sie in weniger als einem Augenblick treffen würde. Bevor ihr dieser Gedanke kam, fühlte sie einen kurzen Schmerz in beiden Waden und sich fallen. Noch bevor sie am Boden aufkam, hörte sie ein metallisches Knirschen und Zevrans aufgebrachtes Knurren.
Ohne weiter nachzudenken, rollte sie sich vom Boden ab und spürte diesmal einen festen Griff um ihren Arm, der sie in eine Richtung riss. Sie gab der Bewegung nach und wurde auf die Füße gezogen. „Pass doch auf! Das war sehr knapp!“ Lelianas Stimme war schrill, aber seltsam kontrolliert. Jaina behielt den Dämon im Blick, den Alistair gemeinsam mit Zevran in Schach hielt und holte tief Luft.
„Gib mir Deckung. Ich kletter hoch“, sagte sie kurz angebunden, während sie ihren Dolch in die Scheide auf ihrem Rücken steckte. Sie bemerkte Lelianas entgeisterten Blick und fügte hinzu: „Das Ding ist gepanzert. Ziel auf die Augen. Das Gesicht. Ich suche nen Schwachpunkt.“
„Bist du verrückt? Das kannst ...“ „Deck mich einfach, ja?!“ Sie warf der aufgebrachten Bardin einen kurzen Blick zu und stürmte dann mit dem Schwert in der Hand an ihr vorbei, die Einwände gar nicht weiter beachtend.
Nach wenigen Schritten war sie auf Höhe mit Alistair und Zevran, die sich damit abwechselten, den Schatten, der sich nun zusätzlich gegen Geister wehren musste, zu beschäftigen.
„Aaah, Jaina, schön dass du auch mal vorbeischaust!“ Fröhlich parierte Zevran einen wuchtigen Schlag als wäre es ein leichter Windhauch und grinste in Richtung Jaina.
Die ging nicht darauf an. „Bindet ihn. Versucht ihn an Ort und Stelle zu halten. Ich suche nach Schwachstellen der Rüstung.“ „Ach, wenns weiter nichts ist!“, lachte Zevran, während er einer klauenbesetzten Pranke des Wesens auswich. Jaina sah die zweite Pranke auf Zevran herabsausen und brachte ihr Schwert zwischen den Elfen und die Pranke, welche mit solcher Wucht gegen die Klinge rammte, dass Jaina ihre Waffe losließ und diese klirrend zu Boden fiel.
Doch die junge Frau, die jetzt beide Hände freihatte, warf sich auf den Arm des Wesens und klammerte sich daran fest, darauf achtend, dass sie den Klauen an den Fingern nicht zu nahe kam. Der Dämon reagierte so, wie sie es sich gewünscht hatte.
Durch das zusätzliche Gewicht an seinem Arm aufmerksam geworden, wandte er sich vollkommen diesem neuen Ereignis zu und ließ seinen zweiten Arm auf Jaina hinabsausen, die den Arm weiter hinaufgeklettert war und sich nun gerade mal auf Höhe des Ellbogens festhielt.
Mit einem gut abgepassten Sprung wich sie dem ankommenden Hieb nach oben aus und fiel – auf den Arm, der sie gerade fast zu Brei geschlagen hätte.
Das metallische Klirren klang noch immer in ihren Ohren, als sie sich Stück für Stück nach oben arbeitete, sie hörte jetzt verstärktes Schlagen von weiter unten. Alistair und Zevran schienen nun gleichzeitig zu versuchen, die Aufmerksamkeit der Kreatur auf sich zu lenken.
Jaina konzentrierte sich, wich den groben Hieben der Kreatur immer nur knapp aus und arbeitete sich durch Sprünge und Griffe immer weiter nach oben. Sie hing gerade an der Schulter in fast drei Schritt Höhe, als ein Schrei sie warnte. Mit vollem Risiko ließ sie mit der linken Hand die Schulter des Dämons los und baumelte gefährlich an nur einem Arm hängend – dort wo gerade ihr zweiter Arm gewesen war schlug eine Klaue auf die Rüstung. „Leliana!“ brüllte Jaina mit aller Kraft ihrer Lungen und betete zum Erbauer, dass die Bardin wüsste, was zu tun sei. Sie selbst konnte sich nicht umdrehen und nachsehen. Sie musste sich vollkommen darauf konzentrieren, mit den Füßen die immer wieder herannahenden Pranken wegzutreten, ihre Hände waren schweißnass, ihre rechte Hand drohte von der seltsamen, irgendwie rauen aber doch glatten Oberfläche abzurutschen. Ihre Fingernägel krallten sich unter die raue Schicht, in dem Versuch, die metallene Schutzschicht zu greifen zu bekommen. Ihre Fingernägel brachen – sie fühlte sich abrutschen.
Mit einem Knurren warf sie ihren linken Arm wieder auf die Schulter der Dämons und versuchte einen Klimmzug, der ihr nur halb gelang. „Jaina!“ hörte sie ein Kreischen von weit unter sich und klammerte sich verzweifelt fest. Plötzlich spürte sie unter ihrem Fuß etwas – zeitgleich fauchte der Dämon und machte eine unkontrollierte Bewegung. Doch die Königin nutzte die Gunst der Stunde und stemmte sich von dem Ding unter ihrem Fuß ab und zog sich mit neuem Schwung nach oben. Keine Sekunde zu früh, sie hörte ein Knacken und spürte den Widerstand unter ihrem Fuß nicht länger.
Doch es langte, dann klammerte sie sich auf allen Vieren an die Schulter des Dämons, der den Kopf gedreht hatte und sie mit schwarzen Löchern als Augen ansah. Keuchend riss sie ihren Dolch vom Rücken, diese tunnelartigen Löcher drohten sie zu verschlucken.
Instinktiv trieb sie den Dolch in das linke Auge des Dämons – es fühlte sich an, als schnitte sie durch Luft. Es war keine Reaktion erkennbar. Panisch riss Jaina den Dolch an der Stelle heraus, an der bei einem Menschen die Nase gewesen wäre – die Reaktion darauf war entsetzlich: Das Wesen brüllte auf wie eine Horde Löwen. Jaina sah die Pranke heranfahren, sie sah rote Schatten aus dem eben gerissenen Loch fliegen, als kämen weitere kleine Schatten aus dem Inneren des Großen.
Da hatte die Pranke sie auch schon gepackt und als nächste spürte sie sich fliegen – in aberwitziger Geschwindigkeit sah sie eine Wand auf sich zukommen, sie hatte keine Zeit die Arme zu heben, sie konnte nicht ausweichen, im nächsten Moment würde sie an dieser Mauer zerschellen, wenn nichts geschah!
Doch es geschah etwas: Ein Luftstrom, ein gleichmäßiger Wind von großer Stärke, wehte ihr entgegen, wehte ihr die Haare aus dem Gesicht und bremste die Wucht, mit der sie durch den Raum geschleudert worden war. Mit verminderter Geschwindigkeit, aber nichtsdestotrotz immer noch ordentlicher Wucht krachte Jaina frontal gegen die hohe Zirkelwand.
Und dann gingen bei ihr alle Lichter aus.
Sie spürte eine Hand auf ihrer Stirn. Eine warme Hand. Es fühlte sich schön an. Sie lag unter einer Decke, der weiche Leinenstoff schmiegte sich an ihre nackte Haut. Instinktiv rollte sie sich zusammen, wie eine kleine Katze, und kuschelte sich in die Decke. Die Hand von ihrer Stirn verschwand, stattdessen spürte sie, wie ein paar Finger über ihre Wange strichen.
Hmmm. Toll. Jainas Mund verzog sich zu einem glücklichen Lächeln. Doch das erlosch schlagartig, als ihre Gehirnwindungen wieder klar sortiert waren und sie sich erinnerte, wo sie war. Ruckartig fuhr sie auf, mit weit geöffneten Augen, bereit von der Pritsche aufzuspringen und strampelte die Decke von sich. Sie bemerkte gar nicht, dass sie keine Kleidung anhatte.
Neben ihr auf der Pritsche saß Leliana, die ihre Hand packte und sie in die Rückenlage zurückdrückte.
„Ganz ruhig. Alles ist in Ordnung.“ Jaina stemmte sich trotz dieser Worte mit aller Macht keuchend gegen die Bardin.
„Was ist los? Wo ist Morrigan? Wo bin ich?“
„Jetzt beruhige dich erst mal, sonst wirst du wieder eingeschläfert – und das gibt dann wieder eine Standpauke von Alistair, die armen Magier wusste gar nicht mehr, wie...“
„Alistair? Wo ist er? Warum eingeschläfert?“ Hektisch griff Jaina nach den Armen der Rothaarigen, die seufzte. „Beruhige dich!“ Die stahlblauen Augen fixierte Jainas smaragdfarbene in einem strengen Blick.
Die Kämpferin holte tief Luft und versuchte, alles loszulassen. Langsam ließ sie sich zurücksinken, beschwor sich selbst, alles ruhig anzugehen und der Reihe nach zu fragen. Sie schloss sogar kurz die Augen und ließ die angehaltene Luft durch die Nasenflügel entweichen.
„Gut so,“ lächelte die Bardin sie freundlich an, als sie die Augen wieder öffnete.
„Also? Wo ist Alistair?“ Ruhig stützte sich Jaina wieder auf die Ellenbogen, ohne den Blick von ihrer Freundin zu wenden, die sich erhoben hatte und ihr ein liebevolles Lächeln zuwarf. „Ich hole ihn.“ Damit entfernte sie sich von der Pritsche, die, wie Jaina jetzt erst feststellte, inmitten eines großen Raumes stand, der fast völlig leer war. Ein ausgeräumtes Regal stand an der Stirnseite neben der Tür, die hinter Leliana zuschlug und über eine kleine, eisenbeschlagene Truhe waren ihre Sachen gelegt worden. Sie erkannte ihre Rüstung, ihre Waffen. Der Raum war hell erleuchtet, durch ein hohes Fenster hinter ihr fiel warmes Sonnenlicht. Sie erhob sich, eilte zu der Truhe und suchte ihre Unterwäsche hervor, zog sie eilig an und setzte sich, die Decke über die Knie gebreitet, auf die Pritsche und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
Das warme Licht half ihr, ihre Gedanken weiter zu sortieren.
Sie erinnerte sich an den Kampf gegen den Dämon. Den roten Schatten. Sie hatte die empfindliche Stelle im Gesicht des Wesens gefunden – und es hatte sie umgehend dafür bestraft. Schmerzvoll verzog sie das Gesicht, als sie sich an den Aufprall an der Wand erinnerte und fuhr sich über ihren Körper. Einige Narben verzierten diesen – Zeugnisse von fast zwei Jahren erbitterten Kämpfens gegen die Verderbnis. Gegen menschliche und andere Verfehlungen. An der Außenseite ihres rechten Arms schlang sich eine rostfarbene Linie, die aussah wie eine kleine Flamme. Das Brandmal des Dämons der Wollust. Nachdenklich fuhr sie mit dem Finger über das verbrannte Gewebe, es fühlte sich rauer an als der Rest ihrer Haut. Aber sie hatte keinerlei Schmerzen, weder von den Narben, noch von dem Aufprall, der, wie ihr einfiel, ja noch gedämpft worden war.
Sie erinnerte sich genau an den Luftstrom – denselben hatte sie schon einmal erlebt, damals, als sie gegen den Dämon im Nichts kämpfte. Wynne hatte gesagt, es sei ein Geist gewesen. Konnte derselbe Geist sie noch einmal gerettet haben? Jaina wusste es nicht. Sie wollte schon wieder ungeduldig aufspringen und direkt zu Wynne laufen, aber sie lachte innerlich über den Impuls. Sie war für gewöhnlich geduldig – aber die letzten zwei Jahre hatte sie das sicherlich niemandem weismachen können.
Hinter sich hörte sie die schwere Tür über den Boden schaben, und wie zur Bestätigung ihrer Gedanken fuhr sie ruckartig auf der Pritsche herum. Sie sah ihren Verlobten, den König von Ferelden, auf sich zulaufen, der in riesigen Schritten den Raum durchquerte. Er trug eine leichte Rüstung, die großteils aus Leder bestand, mehr konnte Jaina nicht erkennen, dann war Alistair bei ihr und hatte sie in seine Arme geschlossen. „Es geht dir gut ...“, murmelte er in ihr Haar während sie sich an ihn schmiegte. Nach wenigen Augenblicken rückte er von ihr ab und sah sie prüfend an. „Wie fühlst du dich?“
Jaina lächelte leicht. „Mir fehlt nichts.“ Alistair erwiderte das Lächeln und Jaina erkannte, wie ungemein erleichtert er war. „Was ist denn geschehen? Was ist mit dem Schatten?“
Alistair setzte sich neben sie auf die Pritsche und rieb sich die Schläfe. „Der wurde vernichtet. Der Exorzismus ist gelungen.“ Er schwieg einen Augenblick und senkte den Blick. „Der Erzdämon ist vernichtet. Ich habe es gespürt.“
„Was ist mit Morrigan? Und Wynne? Geht es allen gut?“ drängte Jaina wissbegierig.
„Ja, alles bestens. Bis auf die Lyriumvorräte. Ich habe Irving mit Greagor, dem Kommandanten, diskutieren hören. Der war vollkommen entnervt ob der vielen notwendigen Gelegenheiten, Lyrium zu verschwenden. Und die Gunst der Stunde wurde leider nicht genutzt – Morrigan lebt noch“, schloss er grinsend. Auf Jainas fragenden Blick hin fuhr er fort: „Wir sind noch im Zirkel. Du solltest dich vollständig erholen, da wir nicht genau wussten, ob noch mehr hinter deiner ... hm, Krankheit steckt.“ Er sah ihr in die grünen Augen und konnte darin keine Sorge erkennen, doch er hörte ein leichtes Zittern in Jainas Stimme, als sie nachhakte. „Krankheit? Wie lange war ich bewusstlos?“
„Zwei Tage. Das war nicht das Schlimme. Du bist immer wieder aufgewacht und warst hysterisch. Du hast geschrieben und gebrüllt, manchmal auch geweint, bist völlig ausgerastet. Einmal davon war, als Irving und Greagor neben deinem Bett standen. Du hast sie fast angegriffen. Immer vom Erzdämon gestottert und von Morrigan. Und auch von ... Theano.“ Alistairs Miene wandelte sich in einen ärgerlichen Ausdruck. „Greagor wollte dich direkt wieder ins Reich der Träume schicken, aber Irving kam ihm zuvor und hat dich irgendwie magisch eingeschläfert“, knirschte er.
Jaina erinnerte sich an Lelianas Andeutung und lehnte ihren Kopf an Alistairs Schulter. „Ich kann mich daran nicht erinnern. An keinen Traum. An irgendein Aufwachen. Gar nichts. Ich nehme an, das ist das beste Zeichen, das ich kriegen kann.“ Auf ihr Gesicht stahl sich ein Grinsen.
„Und was hast du mit Greagor gemacht? Leliana hat es leider nicht erzählt ...“
„Ihm, ähm, eindrücklich klar gemacht, dass er die Königin von Ferelden niemals mit Gewalt einschläfern sollte, wenn er sich nicht danach mit mir anlegen will."
"Kannst du es ihm verübeln? Nach allem, was hier im Zirkel geschehen ist? Vor anderthalb Jahren haben wir hier Abscheulichkeiten getötet ... sowas hinterlässt sicherlich Spuren", murmelte Jaina.
"Die letzte Abscheulichkeit haben wir aber nun endlich hinter uns gelassen. Endlich!"
Erleichtert zog nun Jaina Alistair in eine Umarmung, glücklich lächelnd.
Sie hatten es überstanden. Der Erzdämon war endlich und endgültig tot und vernichtet. Ihr war, als fiele ihr ein ganzer Steinbruch vom Herzen. Sie schmiegte sich eng an Alistair, begann seinen freiliegenden Hals mit Küssen zu bedecken, doch er schob sie ein Stück von sich mit einem schalkhaften Grinsen im Gesicht. „Damit kommen jetzt die unangenehmen Aufgaben auf uns zu. Freust du dich schon?“
„Ach ja, Heirat, Feiern, sich betrinken, Torten essen, sich beglückwünschen lassen... wir sollten uns wirklich lieber in den Tiefen Wegen verstecken“, lachte Jaina und erhob sich von der Pritsche. Munter ging sie zu ihrer Rüstung und legte sie zügig an, während Alistair sie etwas ernster betrachtete.
„Besser nicht. Obwohl mir das vielleicht lieber sein sollte als das Regieren. Aber dort hättest du wieder die Möglichkeit, irgendwelche verrückten Strategien auszuprobieren, um deine Gegner zu bezwingen – Methoden, die dich um ein Haar auch umbringen!“ Jaina hatte gerade ihre festen Stiefeln angelegt und die Schnallen geschlossen und sah nun auf, Alistair stand ein paar Schritt vor ihr und hatte den Hände in die Hüften gestützt.
Er wirkte nicht bedrohlich, aber sie merkte sofort, dass es ihm ernst war. Sie schloss die letzte Schnalle und richtete sich auf, um ihm in die Augen zu sehen. „Ich hatte keine andere Möglichkeit. Das Wesen war gepanzert. Du hast es doch gemerkt.“
Alistair verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, aber ich habe auch gesehen, dass die Magier Geister und sowas beschwören. Die haben den Schatten letztendlich vernichtet. Nachdem du ihn geschwächt hattest“, gab er widerwillig zu.
Jaina musste trotz ihrer aufrechten Haltung den Kopf heben, um Alistair ansehen zu können – er war einige Zentimeter größer als sie. „Seit wann verlässt sich ein ehemaliger Templer auf Magier?“ fragte sie leicht spöttisch.
„Darum geht es doch gar nicht!“ antwortete er ungehalten. „Es geht darum, dass du dich wieder in eine Situation gebracht hast, die dein Tod gewesen wäre! Warum tust du das? Warum hast du nicht abgewartet?“ Mit einem verletzten Ausdruck in den Augen sah er sie an.
„Weil, .. weil...“ stotterte sie, als ihr klar wurde, dass sie keine Antwort darauf hatte. „Ich wusste nicht, dass die beschworenen Sachen uns so aktiv helfen würden. Bisher habe ich sowas nie erlebt. Ich dachte viel eher ... ich dachte, dass wenn ich nichts tue, wir alle durch den Erzdämon sterben. Ich hatte nie vor, mich selbst zu opfern! Warum sollte ich?“ fügte sie leise hinzu.
Alistair hob sarkastisch eine Augenbraue. „Weil du deine Gegner anscheinend sehr gerne als Klettergerüst missbrauchst. Erst der Oger, jetzt der Schatten... Ich frage mich, wo du diesen Drang auslebst, wenn wir mal ein ruhiges, langweiliges Leben im Palast führen. An Eamon?“
Der Gedanke brachte Jaina zum Lachen. Sie konnte gar nicht mehr aufhören, es war, als ob ein Knoten geplatzt wäre. Alistair grinste erst nur, dann stimmte auch er ein.
Hand in Hand verließen die beiden den Raum. Alistair führte seine Verlobte zu ihren Gefährten, die an einer großen Tafel versammelt saßen und speisten. Alle waren dort, Wynne, Leliana, Zevran und Morrigan, die noch ein wenig blass aussah, aber schon wieder bissige Kommentare in Richtung Zevran warf. Kaum dass Jaina und Alistair sich dem Tisch näherten, verstummten die Gespräche und alle blickten die junge Cousland aus großen Augen an. Die setzte sich ein einen der beiden freien Stühle und grinste. „Nur keine Umstände meinetwegen. Ich höre, wir haben etwas zu feiern.“ Sie griff nach dem Kelch, der neben ihrem noch leeren Teller stand und füllte sich aus einem Krug Wein ein, dann hob die den Kelch und nickte Morrigan zu.
„Auf ein Leben.“ Alle griffen zu ihren Kelchen und prosteten sich zu, während Morrigans bleiche Haut sich zunehmend rot färbte. Alistair und Zevran durchbrachen zeitgleich das unangenehme Schweigen, das sich über den Tisch gelegt hatte, als sie laut losprusteten und selbst Wynne sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, da Morrigan in bester Alistair-Manier die Farbe einer Tomate angenommen hatte und diesem und dem Elfen überaus giftige Blicke zuwarf, was Leliana als
Anlass nahm, Morrigan zu beschwichtigen und ihr von geschminkten Damen und Orlais erzählte, die sich Tag für Tag so rot anmalten. So verbrachte Jaina den Abend in der Runde ihrer Freunde, seit langem wieder entspannt und wirklich glücklich.
Der Wein kreiste stetig um den Tisch, Wynne hatte tatsächlich begonnen, mit Leliana über die unterschiedlichsten Stoffe aus Orlais zu fachsimpeln, während Zevran angeschwipst über die roten Nasen der Frauen kicherte. Alistair saß glückselig lächelnd in seinem Stuhl und bemerkte wahrscheinlich gar nicht, dass er seit mindestens einer Stunde seine Verlobte anstarrte. Diese wiederum war in ein ernstes Gespräch mit Morrigan vertieft, die sich lange gemüht hatte die richtigen Worte für ihren Dank zu finden. Jetzt sah sie unwillig in Richtung Alistair und verzog die Lippen zu einem höhnischen Grinsen. Jaina folgte ihrem Blick und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Auch sie hatte dem Wein etwas nachgegeben.
"Dieses dämliche Grinsen ist fast noch schlimmer als seine Schüchternheit. Ich frage mich wirklich, wie ihr das mit ihm aushaltet", quittierte Morrigan spöttisch, aber nicht unhöflich.
"Man gewöhnt sich an alles", hickste Jaina, die ihren Weinkelch in einem Zug leerte. "Aber Morrigan, nun lenkt nicht ab. Was habt Ihr denn nun vor? Ich hoffe doch, ihr probiert keine waghalsigen Rituale mehr aus."
"Dazu fehlen mir die Versuchskaninchen", lächelte Morrigan kühl. "Ich werde in Richtung Amaranthine ziehen. Man hört viel aus dieser Richtung. Ich habe meine Freiheit immer genossen und denke nicht daran, sie jetzt aufzugeben."
"Und wer versorgt mich dann mit Tinkturen, wenn ich eine Treppe herunterfalle und mir alle Knochen breche?" entgegnete Jaina grinsend.
Die Hexe der Wildnis lachte kurz auf. "Ihr könnt ja den Meuchelmörder fragen. Mir scheint, er wird in der Nähe der Bardin bleiben. Also müsst Ihr nur sie überzeugen, bei Euch zu bleiben. Sollte Euch nicht allzu schwer fallen", bemerkte Morrigan gleichgültig.
Jaina sah sie fragend an. "Wieso? Wenn sie gehen will, dann wird sie gehen. Daran kann ich sie nicht hindern so gern ich das täte."
Morrigan schüttelte den Kopf, sodass sich einige schwarze Strähnen aus ihrem Knoten lösten und um ihre Ohren wehten. "Doch, das könnt Ihr. Ihr konntet den Dämlack davon überzeugen, mit mir das Lager zu teilen. Kein anderer hätte das geschafft. Ihr habt einen, wie soll ich sagen, sonderbaren Umgang mit Menschen." Sie schwieg für einen Moment, doch als die Kämpferin sie mit hochgezogenen Brauen und leicht glasigen Augen ansah, fuhr sie fort: "Ihr vermittelt ein Gefühl von Offenheit. Ihr nehmt Leute ernst und hört Ihnen zu. Ihr wisst, wie Ihr nachfragen könnt, wenn ihr Antworten erhalten wollt und die Leute dennoch nicht vor den Kopf stoßen möchtet. Ihr ...", sie zögerte. "Ihr habt mir gezeigt, was Freundschaft ist. Ihr habt zu mir gehalten, als alle anderen mich töten wollten. Wenn man dem Trottel glauben schenken darf, dann war das die letzten zwei Jahre fast immer der Fall. Und selbst wenn nicht – Ihr habt Euch um mich gesorgt, Ihr habt mich mitgenommen. Ich bin fest davon ausgegangen, dass ich spätestens, nachdem ihr aus der Wildnis gekommen seid, zurückgeschickt werden würde. Am wenigsten hätte ich erwartet, dass ich auf dieser Reise in Euch tatsächlich eine Freundin finden würde. Ihr könnt Euch denken, dass ich so etwas noch nie hatte."
"Habt ihr das gehört?!" gröhlte Zevran plötzlich laut auf und schlug seinen Kelch auf den Tisch, dass der Wein nur so spritzte. "Morrigan ist noch Jungfrau! Hihihihi! Die böse Hexe der Wildnis hatte noch keinen Mann, der sie mal ..." Auf einmal schrie Zevran gepeinigt auf.
Morrigan hatte eine Handbewegung gemacht, daraufhin hatte sich Zevrans Weinkelch in die Lüfter erhoben und den restlichen Inhalt über Zevrans Kopf gegossen, der nun schimpfend und fluchend versuchte, sein weißes Hemd von den roten Flecken zu befreien, was ihm selbstverständlich nicht gelang.
Seelenruhig wandte sich Morrigan wieder Jaina zu. „So ein alberner Haufen. Wenn es Euch nichts ausmacht werde ich mich nun zurückziehen.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stieß Morrigan den Stuhl nach hinten und erhob sich, doch Jaina griff nach ihrer Hand. „Werdet Ihr uns nach Denerim begleiten und der Hochzeit beiwohnen?“ Bittend sah sie die Hexe an.
„Ich hatte gehofft, dass Ihr das nicht fragen würdet“, seufzte die Hexe. „Ich begleite Euch nach Denerim. Aber dann werden sich unsere Wege trennen. Nehmt es mir nicht übel, aber auf einer Hochzeit bin ich noch viel mehr fehl am Platz als hier – auch wenn das schwer vorstellbar ist“, sagte Morrigan mit einem etwas entschuldigenden Tonfall.
Jaina nickte und wusste, dass sie schon mehr mit diesem Kompromiss erreicht hatte als irgendjemand anders. Sie ließ die Hand der Hexe los und brachte ein beschwipstes Lächeln zustande. „Gute Nacht!“
Noch bevor die gelbäugige Frau aus der Tür verschwunden war, hatte Jaina sich ihrem Verlobten zugewandt, der immer noch dümlich grinsend dasaß und anscheinend völlig weggetreten war. „Komm schon, gehen wir schlafen“, Jaina knuffte ihn in die Schulter. Seine Reaktion darauf war ein Gähnen als wollte er sich den Kiefer ausrenken und alkoholischer Atem schlug Jaina ins Gesicht. Da der König aber keine Anstalten machte sich zu erheben, griff sich Jaina einen seiner Arme, bugsierte ihn über ihre Schulte und zog ihn in den Stand. Das schien dem jungen König gut zu gefallen, prompt ließ er sein Gewicht auf Jaina sacken, die alle Mühe hatte, ihn halb über ihrer Schulter mit sich zu schleifen.
Sie warf noch einen letzten Blick zurück, wo Leliana an dem immer noch – oder schon wieder? - motzenden Zevran vorführte, welche Frisuren ihre ehemalige Herrin Lady Cecilie getragen hatte, und Wynne half ihr dabei, rosa Zöpfchen in Zevrans Haar zu färben.
Jaina lächelte glücklich und schliff ihren Verlobten in ihr Zimmer, auf ihre Pritsche, wo sie an ihn gekuschelt fast sofort einschlief.
Am nächsten Morgen erwachte Jaina langsam, die Sonne schien durch das hohe Fenster in den geräumigen Saal. Sie lag unter der weichen Decke, dicht an Alistair gekuschelt, der noch vor sich hin schnarchte.
Sie lächelte und bemühte sich, möglichst wenig Lärm oder Bewegungen zu machen, als sie sich erhob. Ihre Sorge war unbegründet – kaum, dass sie sich aus Alistairs Umarmung befreit und von der Pritsche erhoben hatte, drehte sich der König von Ferelden gemütlich auf die andere Seite und ließ ein zufriedenes Grunzen hören. Jaina konnte sich ein Kichern nicht verkneifen, bei dem Gedanken, dass seine Majestät gerade seinen Rausch ausschlief. Rasch kleidete sie sich in ihre gewaschene Rüstung und befestigte nach alter Gewohnheit die Waffen auf dem Rücken, obwohl sie annahm, dass dazu keinerlei Notwendigkeit bestand. Leise huschte sie aus dem Raum und begab sich schnell in Richtung des Speisezimmers. Tatsächlich frühstückten dort Wynne und Leliana, von Zevran und Morrigan war nichts zu sehen. Die beiden Frauen lächelten sie warm an, als sie sich zu ihnen setzte.
„Guten Morgen! Gut geschlafen?“, fragte die Bardin munter. Sie sah erfrischt aus, obwohl sich weder ihre Kleidung noch sonst etwas an ihrem Äußeren geändert hatte.
„Ja, wirklich gut. Der König ist noch Bäume sägen“, lachte Jaina. „Aber ich glaube, wir sollten bald aufbrechen. Wir haben Denerim viel zu lange den Rücken gekehrt. Das sehe ich ja ein.“ Wynne nickte ihr freundlich zu. „So ist es, Majestät. Aber Ihr seid Eurer Pflicht nachgekommen. Die Verderbnis ist besiegt. Und Ihr seid am Leben, ebenso wie der König.“
„Wynne, während des Kampfes, da war wieder so ein Luftstrom. Als ich auf die Wand zuflog, bremste er mich. Genau wie damals, als ich gegen Theanos Dämon kämpfte. Wisst Ihr, ob es damit noch etwas auf sich hat? Oder greifen Geister sozusagen spontan in das Geschehen ein?“
Die alte Maga hob die Brauen. „Hm, das könnte wirklich etwas bedeuten. Nach dem Frühstück werde ich Euch nochmals untersuchen, wenn Ihr gestattet. Dann werden wir sehen, ob meine Vermutung sich bestätigt. Keine Angst,“ lächelte sie Jaina an, „es ist nichts Schlimmes. Die Geister des Nichts sind von unterschiedlicher Natur, ebenso wie die Dämonen. Sie vertreten unterschiedlich Werte, könnte man sagen. Wenn Ihr das Aufsehen von einem Geist erregt habt durch Eure Taten, dann kann es durchaus sein, dass er Euch helfend beisteht. Doch das ist nicht der Normalfall. Selbst unter Magiern geschieht das nicht so oft. Aber dass nicht-magische Personen auserwählt werden, kommt noch seltener vor, doch man weiß von einigen Fällen.“
Während Wynnes Erklärung hatten sich die Frauen das Frühstück schmecken lassen, das zwar einfach, aber schmackhaft war. Es gab etwas Brot mit Käse und einigen Äpfeln, dazu heißen Kräutertee. Jaina griff sich nach beendetem Mahl den Käse und schnitt ein großes Stück davon ab.
Fragend sahen die beiden Frauen sie an, als sie das Stück in ihren Gürtel steckte. „Notproviant, meine Liebe? Du bist die Königin, man wird dich nicht verhungern lassen!“ Gut gelaunt machte sich Leliana über ihren Tee her.
Die junge Kämpferin lachte leise und verneinte mit einem Kopfschütteln. „Nein, das ist für unseren König. Sonst bekommen wir den nie wach.“
„Ich bin sicher, Ihr könntet da durchaus andere Sachen an ihm ausprobieren, die ihn wecken würden. Davon hätte er auch mehr als von so einem Stück Käse. Und wir auch, wenn wir zugucken!“ Jaina hatte Zevrans Stimme sofort erkannt, und knuffte ihn, als er an ihr vorbeiging.
„Ihr solltet nicht immer von Euch auf andere schließen!“ entgegnete sie grinsend, während sie sich erhob. Wynne folgte ihrem Beispiel. „Dann würde ich vorschlagen, Euch vorher zu untersuchen, Majestät, es wird nicht lange dauern.“ Jaina sah Wynne bittend an. „Nennt mich bitte nicht Majestät. Ich verdanke Euch mein Leben, euch allen. Und diese Förmlichkeit passt einfach nicht dazu.“ Wynne lächelte bitter. „Aber so gehört es sich nun einmal, Mylady.“
Jaina stöhnte gespielt verzweifelt – und so sehr gespielt war es gar nicht. Diese dämlichen Förmlichkeiten! Nicht einmal ein Erzdämon ließ einen darüber hinwegsehen. Und jetzt war der auch noch tot. Wynne berührte Jaina sanft an der Schulter. „Hier entlang, Myl ... Jaina“, schloss sie zwinkernd.
Die Kämpferin lächelte erleichtert und folgte Wynne durch die ihr vage bekannten Gänge des Turmes. Nach nicht mal einer Minute kamen sie bei einem kleinen Raum an, in den sie eintraten. Er war spärlich, aber gemütlich eingerichtet. Ein Bett, ein Schrank und ein Nachtisch waren im rechten Winkel an eine Wandecke stellt. Ein Schreibpult stand gegenüber der Tür an der Wand, an der freien Seite der Wand teilten sich eine Truhe und ein mit Büchern vollgestopftes Regal den Platz.
Wynne bedeutete Jaina sich auf dem Bett niederzulassen. Die Kämpferin tat, wie ihr geheißen und entspannte sich in der liegenden Position. Wynne setzte sich zu ihr und legte vorsichtig aber bestimmt beide Hände auf Jainas Brustkorb, der sich gleichmäßig hob und senkte. Die Maga schloss die Augen und Jaina spürte eine ansteigende Wärme auf ihrer Brust, doch kein Schmerz durchfuhr sie, nichts Unangenehmes geschah.
„Bleibt ruhig liegen und entspannt Euch“, murmelte Wynne fast wie in Trance. Ihre Hände glitten an Jainas Hals und verweilten dort kurz, dann fuhr sie mit beiden Händen die Seiten der Jüngeren ab, langsam und ohne Druck auszuüben. Die Wärme wanderte stetig nach unten, über Jainas Taille, ihren Bauch, ihre Hüften, zur Seite ihrer Oberschenkel.
Was macht sie da nur? Fragte sie sich in Gedanken, doch sie hatte keine Angst. Die Wärme stieg zu einer Hitze an und Wynnes Hände bewegten sich von der Hüfte aus auf Jainas Bauch zu, verweilten auf dem Bereich direkt über dem Hüftgurt. Ein sengender Schmerz durchzuckte Jainas Bauch und sie wand sich unter der Hand, die diese Hitze abstrahlte. Wynne hob sofort ihre Hände und Jaina öffnete die Augen, nur um Wynnes entsetztes Gesicht über sich zu sehen.
„Oh Jaina! Das ist ja ... wie ist das möglich?!“ hauchte die Maga. Jaina hatte nur eine Erklärung für die Reaktion der Maga. „Ihr habt die Verderbnis in meinem Körper gesehen, oder? Das Schicksal eines Grauen Wächters“ erklärte sie leise.
Die Maga schüttelte den Kopf: „Nein. Das war es nicht.“ Gebannt beugte sie sich zu Jaina herunter und begann ihre Erklärung.
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„Fergus!“ Kaum, dass Jaina das Arbeitszimmer von Eamon betreten hatte und ihren Bruder sah, warf sie sich in seine Arme, alle Formalitäten waren vergessen, als sie sich glücklich an ihn schmiegte. „Jaina, eine so temperamentvolle Königin hatte Ferelden schon lange nicht mehr, glaube ich“, lachte der Ältere und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
Damit löste er sich von Jaina und verbeugte sich tief, als Alistair den Raum betrat. „Majestät. Es tut gut Euch zu sehen“, begrüßte er den König. Alistair deutete seinerseits eine Verbeugung an, und Fergus richtete sich wieder auf. Hinter Alistair sammelten sich Wynne, Leliana und Zevran. Auch der Arl kam zur Türe herein, mit einem kleinen Lächeln um die Lippen als er Fergus und Jaina sah.
Fergus blickte sich im Raum um und wandte sich an Jaina: „Wo hast du Jag gelassen?“ Fragend drehte er sich zu Eamon. „Oder hat der Racker wieder Chaos veranstaltet?“ Eamon selbst war anzusehen, dass er keine Ahnung hatte, doch Jainas Blick hatte sich etwas getrübt.
„Nein. Er ist tot.“ Sie senkte den Blick nur kurz und begann auf ihrer Unterlippe herum zu nagen. „Morrigan hat ihn getötet, aber es war ein Versehen.“ Sie spürte Fergus' starken Arm um ihre Schultern und wurde gegen seine Brust gepresst. „Irgendwann musste auch seine Zeit kommen. Ehre ihn in deinen Erinnerungen.“ Er lächelte seine kleine Schwester liebevoll an. „Du hast so viel geleistet und das mit so wenigen Verlusten. Ich bin sehr stolz auf dich.“
Jaina war leicht errötet und schielte zu Alistair, der sie ebenfalls breit anlächelte.
„Ja gut, nun übertreibt es mal nicht“, murmelte sie verlegen.
Eamon meldete sich zu Wort. „Verzeiht, wenn ich unterbreche, Majestäten, aber ich wollte Euch wissen lassen, dass anlässlich der Hochzeit der beste Schneider Denerims hierher gebeten wurde – er ist nun da. Die Gäste sind bereits für übermorgen geladen. Es wird ein wundervolles Fest“, lächelte der Arl freundlich. Jaina erkannte in diesem Lächeln eine Entspanntheit, eine Gelassenheit, die der Arl, seit sie ihn kannte, hatte vermissen lassen. Es wunderte sie nicht, er war todkrank gewesen, sein Dorf war überfallen worden, Loghain hatte versucht ihn auszustechen und letztlich hatte die Verderbnis ihm auch genügend Schaden zugefügt. Sie spürte Freude in sich aufsteigen, als ihr klar wurde, dass sie Alistairs Ziehvater durch ihre Taten zu einer größeren Gelassenheit verholfen hatte.
Da spürte sie eine Hand an ihrer ziehen. „Ein Schneider? Ohhh, komm schon, ich weiß schon ganz genau, was er dir machen soll. Das wird wunderbar!“ quietschte die Bardin neben ihr.
Jaina verkniff sich ein Augenrollen – sie hatte sich nie so viel aus Kleidern gemacht wie ihre rothaarige Freundin. Nach einem artigen Nicken in Richtung Eamon grinste sie ihren Kameraden und ihrem Bruder zu und ließ sich von Leliana aus dem Raum ziehen, die unentwegt von Farbe, Stoff und Ausschnitttiefe plapperte. Letzteres ließ Jaina aufhorchen.
„Moment, was meinst du?“, hakte sie nach. Der Rotschopf neben ihr lachte auf. „Ich sagte, dass du mit deiner athletischen Figur einen sehr tiefen Ausschnitt tragen kannst. Du hast nichts zu verstecken und alles zu zeigen. Aber das sagen wir dann dem Schneider, ich bin sicher, der kennt sich in seinem Metier gut aus.“ „Halt mal, langsam... Ich will nicht Gefahr laufen, dass man mehr sieht als ... als … man sehen muss!“ schloss sie mit zweifelndem Blick, was Leliana nur mit einem weiteren Lachen quittierte.
„Nun stell dich nicht so an. Sei froh, dass du nicht in Orlais bist! Denn dort reicht der Ausschnitt für gewöhnlich bis zum Bauchnabel und die Seitenstränge des Kleides sind nur lose über den Rücken verbunden ...“ „Aber da verliert man doch das Kleid!“ fiel Jaina empört ein. „Die Blöße geb ich mir sicherlich nicht!“
Leliana zog Jaina kichernd in die Vorhalle. „Das wäre wundervoll, wirklich Jaina, du wärst die schönste Königin die Ferelden je gesehen hat!“ Jaina fiel kein Gegenargument mehr ein, und sie wollte nicht den Eindruck eines trotzigen Kindes erwecken. Doch ihr wurde schnell klar, dass sie sich besser selbst ein Kleid überlegte, mit dem sie zufrieden war, wenn sie nicht von Leliana mit orlaisianischen Stoffen eingehüllt und seltsamen Accessoires geschmückt werden wollte. Beim Erbauer, ich hätte mehr Zeit mit Mutter vor meinem Kleiderschrank verbringen sollen! Schalt sie sich selbst im Stillen.
Mittlerweile hatte Leliana sie losgelassen und sie standen in der Mitte der Halle, an der rechten Seite öffnete sich eine Tür und herein wuselte ein kleiner, untersetzter Mann mit einer Halbglatze aber einem prachtvollen hellbraunen Bart, der seine Backen, seinen Mund und sein Kinn schmückte und sich in penibel frisierten Strähnen auf der Brust ausbreitete. Jaina benötigte nur einen Blick, um zu sehen, dass der Mann kostbares Leder trug und ein gefärbtes Leinenhemd, das kräftig und dennoch elegant wirkte.
„Majestät! Lasst mich Euch sagen, wie entzückt ich bin, derjenige sein zu dürfen, der die königlichen Hochzeitsgewänder anfertigt. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was für eine Ehre dies für einen einfachen Schneider wie mich ist!“ Gekonnt verneigte er sich und Jaina musste sich ein Grinsen verkneifen, als sie sah, dass der frisierte Bart keine zwei Handbreit über dem Boden schwebte. Dass der Schneider mit dem Hof vertraut war, war offensichtlich.
Sie knickste ihrerseits und sah den Schneider freundlich an. „Seid mir willkommen. Ich bin sicher, dass wir gemeinsam das optimale Kleid erarbeiten können, das sowohl von Eurem Können wie auch von meiner Position zeugt.“ Andraste, das klingt ja furchtbar! Schoss es ihr durch den Kopf, aber der Schneider schien genau auf diese Art von Antwort gewartet zu haben.
„Entzückend! Mein Name ist Gorm. Zu Euren Diensten.“
Jaina stellte mit wenigen Worten Leliana vor und machte deutlich, dass diese von Kleidung viel verstand. Sie bat Gorm auf ihr Zimmer und nach einigen Stunden hatten sie in unzähligen Versuchen, möglichst viele von Lelianas Tipps und Gorms enorm weitsichtigen Ratschlägen („Eine Frau muss entzückend sein!“) in ein Kleid nach Jainas Vorstellungen einzubringen, endlich einen Entwurf auf Papier.
Leliana begleitete den Schneider nach draußen, während einige Diener das Papierchaos beseitigten und der Königin eine Mahlzeit servierten. Jaina dankte ihnen und goss sich etwas Wasser in einen Holzbecher. Diesen langsam zwischen den Fingern drehend machte sie ein paar Schritte auf das Feuer zu und horchte in dem nun menschenleeren Raum auf das Knacken der Holzscheite, das Knistern der Flammen und dem feinen Rieseln von Asche.
Sie hätte nicht gedacht, dass ein Kleid so viele Umstände machen würde – oder in seiner Beschaffung so anstrengend sein könnte. Sie nippte an ihrem Becher und spürte wie ihre Zerschlagenheit nachließ. Sie hoffte, dass diese Art von Betätigungen nicht die einer Königin sein würden, aber das konnte sie sich nicht vorstellen.
Es klopfte an ihrer Tür, ohne sich umzudrehen rief sie „Herein!“ Die Tür öffnete sich und wurde leise geschlossen. Sie erkannte sie Schritte ihres Bruders und drehte den Kopf. Tatsächlich kam Fergus auf sie zu und musterte sie. „Und? Habt ihr etwas aussuchen können?“ fragte er mit einem schelmischen Ausdruck.
„Mhm“, nickte Jaina. „So ein Zeitaufwand für ein einziges Kleid. Ihr Männer habt es besser. Ihr zieht einfach eine Rüstung an, lasst sie golden bemalen und fertig. Das will ich auch.“
Der Teyrn von Highever lachte amüsiert auf. „Schwesterchen, jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen.“ Für einen Moment sahen die Geschwister in den Augen des jeweils anderen die Ernsthaftigkeit ihres Vaters, der diesen Satz sehr oft verwendet hatte. Doch das jugendliche Lächeln kehrte in Fergus Blick zurück, als er anfügte: „Und bei dir ist das nun, ein Kleid zu erschaffen und zu tragen. Eine Königin zu sein. Wahrhaft große Aufgaben, nicht wahr? Mutter hat dich nicht gut genug darauf vorbereitet, scheint mir ...“
Jaina versetzte ihrem Bruder einen Knuff in die Rippen. „Doch, sie hat mich jeden zweiten Tag damit überschüttet. Und immer dann, wenn sie mich mit Roland Schwertkampf hat üben sehen“, setzte sie lächelnd hinzu.
„Mutter konnte ja nicht ahnen, dass du Königin werden würdest.“ „Konnte es nicht ahnen? Sie wäre ohnmächtig zu Boden gesunken, wenn sie gewusst hätte, dass eine schwertschwingende, vorlaute und ähm … impulsive Frau auf den Thron kommen soll!“ rief Jaina lachend dazwischen.
Ihr großer Bruder griff nach den zusammengebundenen Haaren seiner Schwester, derer sie sich immer gerne entledigt um freie Sicht zu haben. „Mutter wusste aber auch, dass zum König sein mehr nötig ist, als gut auszusehen und den Männern ein Schauspiel zu liefern.“ Mit dieser Bemerkung löste er den Knoten und strich Jaina liebevoll über das nun offene Haar.
„Und diese Bedingungen erfüllst du auf jeden Fall bis zur Perfektion!“ provozierte er sie.
Bevor sie ihm noch einen Hieb versetzen konnte, hatte er sich in seine starken Arme geschlossen und drückte sie an sich. Jaina genoss den Augenblick der Nähe zu ihrem Bruder, sie waren so lange voneinander getrennt gewesen und das höfische Leben würde solcherlei Auftritte in der Öffentlichkeit verbieten. Fergus schien ihre Gedanken zu erraten.
„Kleines, mach einen Schritt nach dem anderen.“ Er hob seinen Kopf von ihrem und sah ihr in die grünen Augen. „Deine Ehe wird nicht wie die von Cailan und Anora sein. Das war nicht mehr als eine Zweckheirat. Alistair liebt dich. Warum genau bist du noch so gespannt vor der Hochzeit? Doch nicht wegen des Kleides?!“ Liebevoll lächelnd strich er ihr die widerspenstigen Ponysträhnen aus dem Haar, die mittlerweile fast bis an die Nasenspitze reichten und ihre Augen verdeckten.
Er erntete einen tiefgründigen Blick aus ihren ozeanfarbenen Augen. „Nein, Bruder. Mittlerweile fürchte ich mich nicht mehr. Und das hat einen Grund.“ Ihr Gesicht überzog ein seliges Lächeln.
Tobias hatte Isilde vorgeschlagen nicht zu den Klippen zu gehen. Er wollte zuerst die Spuren des Kampfes, so weit möglich, beseitigen. Große Beute erwartete er bei den Wegelagerern nicht. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #21 • Aufräumen
Tobias zog den toten Bogenschützen ein Stück, bis er zu der kleinen Senke kam. An einer Seite hatten Wasser, Frost und Wind einen Überhang in die Böschung gegraben. Mächtige Bäume hielten mit ihren Wurzeln einen Teil des Waldbodens fest. Doch darunter hatte sich im Laufe der Monate und Jahre, dem Auf und Ab der Kräfte der Natur ein Raum gebildet, der sich schon anbot, die Wegelagerer ohne großen Aufwand angemessen zu bestatten. Tobias hatte den Bogenschützen und den Zweiten bereits in die Kuhle unterhalb der Wurzeln gelegt. »Sie haben wirklich nicht viel dabei!« schimpfte Isilde. Sie hatte doch die Taschen auf eine Beute durchsucht. Aber es fand sich kein Sovereign, nur ein paar kupferne Münzen. Auch die Ausrüstung war eher schäbig und zu dem schlecht gepflegt. Wie so die Frau wetterte, ging Tobias zu ihr und sagte: »Wir sollten froh sein, dass wir heil aus dem Scharmützel gekommen sind.« Sie nickte und antwortete Tobias: »Woher wusstet Du, dass es keine große Beute geben wird?« »Das ist eigentlich einfach,« entgegnete er. »Sie waren aus meiner Sicht am Anfang eines Streifzuges. Da nimmt man nichts mit, was man wieder zurückschleppen muss. Und bis auf den Anführer haben sie eine lausige Ausrüstung.« »Wer war denn der Anführer?« wollte die Frau wissen. »Der, der mich zum Schluss angegriffen hat. Dieser trug zumindest einen Schild, hatte ein Schutz für den Kopf und einen Lederwams.« Tobias hielt inne, dachte einen Moment nach und erklärte dann: »Wir sollten den Dritten holen, der noch auf dem Weg liegt.« »Ja, ich komme mit«, erklärte Isilde. Denn ihr war es doch etwas unheimlich bei den beiden toten Banditen allein zu bleiben. So riefen sie noch den Mabari, der im Wald wachsam seine Kreise zog, und begaben sich an den Weg.
Die Entfernung war nicht groß und bald hatten sie den Waldweg erreicht, der von den Rädern der gelegentlich vorbeikommenden Fuhrwerke und vom Wasser ausgeformt worden war. Der Mann lag so wie sie ihn verlassen hatten, als Tobias nach dem Kampf seinen Schild holte, mit dem Kopf nach oben nahe dem Wasser des Rinnsals. Das Blut, welches auch auf dem Weg seine Bahnen gesucht hatte, war bereits schwarz und geronnen. Der Mann hatte unterwegs einen Tannenzweig mit dem Stilett abgeschnitten. Mit diesem Astwerk verwischte er die Blutspuren auf dem Weg so gut es ging. Die Haube, die das Wurfgeschoss aus Isildes Hand von Kopf gerissen hatte, lag auf dem Waldweg. Tobias bückte sich, hob die Kappe auf und reichte diese der Frau: »Nehmt sie, ich trage ihn zu den anderen.« Sie nickte ohne Worte und erinnerte sich wieder an den frühen Morgennebel, ihre Frage an Tobias: »Kennst Du den Mann?«, seine Antwort: »Nein! Nein Isilde, ich kenne die Person nicht!« und ihrem Griff nach der Lederschleuder und den zielsicheren Wurf. Aber auch die Bilder, wie es dem Mann, denn jetzt Tobias trug, die Haube vom Kopf geschleudert und die Hände über den Kopf geflogen waren, tanzten vor ihren Augen. Auch wie er anschließend in die Knie sackte und mit einem mit einem »Aaah!« kopfüber in den Bach gefallen war, sah sie.
»Stoßt Euch nicht!« hörte sie den Mann neben sich rufen und zog instinktiv den Kopf ein. Das war auch richtig so, denn sie war neben dem Mabari und Tobias gegangen und fast hätte sie sich an einem tief hängenden Ast der Kopf gestoßen. »Danke!« sagte sie zu Tobias und beschloss etwas mehr auf den Weg zu achten. Und weil sie die Gedanken aus ihrem Kopf vertreiben wollte, rief sie zu dem Kampfhund: »Komm Klecks. Wer ist zuerst bei den Banditen?« Tobias musste lachen, als er die beiden losrennen sah. Er legte sich den Mann auf seiner Schulter zurecht. Nicht nur dass er die beginnende Verwesung des Toten um sich spürte, er wurde langsam schwer. »Vielleicht hätte ich den Schild liegen lassen sollen«, grübelte er in sich hinein. Doch dann brachten ihn die Ereignisse des kurzen Wettkampfes zwischen Isilde und Klecks aus dem aufkommenden Widerwillen. Der Ehrlichkeit halber musste man noch sagen, dass es ein ungleicher Wettlauf war. Der Mabari hatte seine Freude und umrundete mehrfach die Frau. Diese musste schauen, dass sie nicht an einer Wurzel hängen blieb oder auf einem losen Stein ausrutschte. Etwas nach dem Atem suchend kam sie an der Senke an und erklärte Klecks zum Sieger. Der Klaps an seine Seite führte zu einem seiner bekannten Rollen mit einem kräftigen Jaulen. Isilde wusste was kommen würde, doch auch diesmal überraschte sie die Kraft und die Spontanität des Tieres, das eine richtige Freude an dem Herumtoben empfand.
Dann war Tobias bei den beiden und legte den Toten zu den anderen beiden und überlegte. »Was grübelst Du?« wollte Isilde wissen. »Nun, sie sind jetzt nicht mehr für jedermann sichtbar, so liegen lassen sollten wir sie auch nicht«, erklärte er. »Wie meinst Du das?« fragte die Frau. »Es sind zwar Wegelagerer, Mörder vielleicht, doch wenn wir sie jetzt so liegen lassen, dann fressen hier bald Tiere und holen das Aas.« »Ach so meinst Du das«, sagte Isilde und fügte an, »vielleicht finden wir ein paar Steine und Reisig könnten wir auch über die Kerle legen.« »Das ist ein guter Vorschlag«, antwortete Tobias. »Die Zweige sind schnell geholt, doch bei den Steinen wird es dauern und wir brauchen schon einige.« »Wir könnten den zerschnittenen Bauernmantel nehmen und diese hineinlegen. Es gibt schon welche an dem Bachlauf, aber auch hier in der Nähe sind einige zu finden, die wir nehmen könnten,« schlug die Frau vor. »Ihr habt wirklich gute Augen,« nickt Tobias Isilde zu. »So sollten wir es anfangen, doch wir bleiben zur Sicherheit zusammen«, anerkannte Tobias die Idee. Angestachelt durch das Lob sagte Isilde: »Vielleicht gehen wir noch ein Stück in die Richtung, aus der der Bogenschütze gekommen war. Vielleicht haben sie dort ihr Lager gehabt.« »Isilde, ich staune«, sagte Tobias und wollte wissen: »Wie kommst Du jetzt auf diese Idee?«
Die Frau setzte doch der direkten Ansprache wegen etwas verunsichert ihren linken vor den rechten Fuß, holte tief Luft, stemmte die Arme leicht in die Hüften, um dann anschließend diese Geste schnell zurückzunehmen und bemerkte: »Eigentlich liegt das auf der Hand.« »Auf der Hand?« unterbrach er sie. »Ja, auf der Hand!« antwortete Isilde schon mit deutlich festerer Stimme. Und nach einem erneuten Luftholen rückte sie mit ihrer Vermutung heraus: »Sie waren auch sehr früh auf den Beinen. Wenn sie nicht die ganze Nacht marschiert sind, was ich nicht glaube, dann müssen sie hier irgendwo geschlafen haben. Nicht Großes, aber ein Zelt könnte ja schon reichen.« Wie sie das gesagt hatte, staunte sie selbst über ihre Idee, die sich so den Weg gebahnt hatte. Als sie noch sah, dass Tobias anerkennend nickte, wuchs ihr Stolz über die Eingebung. »Das ist ein großartiger Einfall und klug kombiniert«, lobte Tobias den Vorschlag. »Komm Klecks, es gibt ein Lager zu finden! Hier machen wir später weiter«, sagte er und die drei begaben sich in die vorgeschlagene Richtung.
Jaina entfuhr ein Mittelding zwischen Keuchen und Wimmern, als Leliana ihr ein letztes Mal die Haare bürstete. Sie konnte kleine Schweißperlen auf ihrer Stirn fühlen. Hastig tupfte Jaina sie mit einem Tüchlein weg. Sie war so nervös wie noch nie zuvor. Ihre Hände zitterten bei den fahrigen Bewegungen, und sie war heilfroh, dass sie sich am Arm ihres Bruder festhalten konnte, der sie zum Altar geleiten würde. Gleich war es soweit.
Tief atmete sie ein und aus. Die Bardin hinter ihr küsste sie liebevoll auf die Wange. „Beruhige dich. Es wird alles gut gehen. Vertrau mir!“ Aufmunternd lächelte der Rotschopf die Königin an.
„Eben Jaina, du kennst deinen Verlobten doch schon. In Antiva heiratet man oftmals Leute, die man gar nicht kennt! Also mach dir keine Sorgen!“ warf Zevran ein – anscheinend in gutgemeinter Art und Weise. „Mhm“, machte Jaina, mehr brachte sie nicht über die Lippen. Ihr fiel überhaupt nichts ein was sie sagen könnte – musste sie überhaupt etwas sagen? Sie versuchte hektisch ihre Gedanken zu sortieren, doch der blonde Elf grinste lüstern. „Und in Antiva würdest du eine geschnürte Korsage tragen. Aber als Fachkundiger kann ich dir bestätigen, das Kleid steht dir auch fabelhaft.“ Lässig lehnte er sich vor und warf vollkommen ungeniert einen Blick in Jainas Ausschnitt, der nach einem Kompromiss mit Leliana und Gorm nun doch bis zum Brustansatz ging. Das Kleid bestand aus einem smaragdfarbenem Stoff mit breiten weißen Streifen, die sich quer über das Kleid zogen. Die Ränder an Ärmeln, Ausschnitt und Borte waren mit silbernen Stickereien verziert. Der grüne Stoff passte wunderbar zu Jainas ozeangrünen Augen, die braunen Haare waren geschnitten worden und fielen weich auf ihre Schultern, der Pony schwebte knapp über den Augen.
„Zevran!“ stöhnte Jaina entnervt. „Siehst du nicht, dass ich vor Aufregung Blut und Wasser schwitze. Bitte, halt den Mund!“
Der blonde Elf grinste nur und tätschelte Jaina die Schulter. „Das wird schon.“ Dann nahm er Leliana an der Hand, die sich bei Jaina einhakte und mit ihr zur Tür ging. Dort angekommen marschierte Zevran hinaus und direkt in Richtung des Podiums der Landthingkammer. Leliana verharrte einen Augenblick neben Jaina und lächelte ihr aufmunternd zu. „Die siehst wundervoll aus. Gleich ist es soweit.“ Die stahlblauen Augen der Bardin fanden Jainas Blick, der aufgeregt hin- und her wanderte und schenkten ihr ein festes Lächeln. „Ich freue mich so für dich!“ Dann drehte auch sie sich um und verschwand durch die Tür.
Jaina holte tief Luft, sie musste nun hier warten, bis ihr Bruder sie an der Tür abholte. Sie konzentrierte sich auf ihre Atmung und versuchte sich zu beruhigen. Warum bin ich nur so nervös? Ich liebe den Mann den ich heirate – oder anders herum. Eine Hochzeit kann doch nicht so schwer sein – aber war ja klar, dass ich die negativen Seiten alle selbst erkunden muss. Und dann auch noch … „Jaina?“ unterbrach eine vertraute Stimme ihre Gedanken. Jainas Kopf fuhr auf und sie entdeckte ihren Bruder in einer wundervollen mittelschweren Rüstung, die große Verzierungen an den Schultern trug. Er stand im Türrahmen und das graue, polierte Eisen sah aus, als hätte man eine blaue Schicht darin eingefasst. Der Teyrn streckte eine Hand nach ihr aus und sie ging darauf zu und packte sie wie eine Ertrinkende. Fest sah ihr Bruder sie an, während er ihre schweißnasse Hand auf seinen Arm platzierte. „Hab keine Angst. Ich bin bei dir, bis du bei Alistair bist.“
Sein Blick berührte etwas in Jaina, die schluckte und feststellte, dass sie wieder leichter atmen konnte. „Also gut“, krächzte sie und räusperte sich schnell. „Gehen wir!“
So trat Jaina an der Seite ihres Bruders in den Korridor, der etwas im Dunkel lag. Doch schon in geringer Entfernung konnte sie das durch die Fenster hereinfallende Sonnenlicht sehen, dass die Menschenmassen beleuchtete, die zu beiden Seiten der Empore standen, einen breiten Gang bildend, und ihr entgegen sahen.
Auf einmal schlug Jainas Herz wieder bis zum Hals und entschlossen, nicht zu stolpern setzte sie einen Fuß vor den anderen. Sie bemerkte wie ihr Bruder den Kopf wandte und einigen Adligen freundlich zunickte, ihr selbst gelang es unter Mühe, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu setzen, als sie die ersten Menschen passierte. Auch sie drehte leicht den Kopf und nickte einigen wahllos zu, obwohl sie spürte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach. Sie spürte eine Hand auf ihrer und sah zu Fergus hoch, der seine linke auf ihre Hand gelegt hatte und ihr beruhigend zulächelte. Diesmal ehrlich und ohne Mühen erwiderte sie das offene Lächeln ihres Bruders, und als sie den Blick wieder abwandte, stetig weiter nach vorne schreitend, entdeckte sie viele bekannte Gesichter, die innerhalb der Versammelten standen: Neben Arl Eamon und seinem Bruder Teagan waren auch Bann Alfstanna, Bann Sighhard und dessen Sohn, Arl Wulff und der erste Verzauberer Irving anwesend, sie entdeckte Roland Gilmore neben Wynne, Leliana und Zevran lächelten ihr freundlich zu und daneben standen einige Schwestern der Kirche, die sie vom Sehen her kannte.
Endlich wandte sie den Blick von den Menschen ab und richtete ihn nach vorne. Dort stand er, ihr baldiger Ehemann, der König von Ferelden. In eine prunkvolle, silberbeschlagene Rüstung gehüllt, die Haare ordentlich frisiert, natürlich mit den abstehenden Strähnen am Stirnansatz stand Alistair Theirin auf dem kleinen Podest und sah ihr entgegen. Bei seinem Blick drohte ihr das Herz vor Glück überzulaufen, alle Nervosität war vergessen und wie an Fäden gezogen schritt sie anmutig an Fergus Seite auf die Treppenstufen zu, Fergus ließ ihre Hand los und deutete eine Verbeugung vor Alistair an, während sie elegant die Stufen erklomm, zwei an der Zahl, die sie näher an ihren Geliebten brachten. Sie stellte sich ihm gegenüber und ohne dass sie es merkte schenkte sie ihm ein wunderschönes Lächeln. Als er ihre Hand nahm und sich mit ihr zum Altar drehte, wo die Ehrwürde Mutter geduldig und nachsichtig lächelnd stand, spürte Jaina ihr Herz gegen die Rippen hämmern, als wäre es in einem Käfig gefangen, aus dem es kein Entkommen gäbe. Der kalte Schweiß, den sie vorhin verspürt hatte, rann zwischen ihren Schulterblättern herab und hinterließ eine Gänsehaut, die sich über ihren ganzen Körper ausbreitete. Ihre warme Hand lag auf Alistairs kühlem, silbernem Handschuh und wie in Trance erlebte sie das Gebet der Ehrwürdigen Mutter, die Belehrungen über die Ehe.
Die Frage, die Alistair gestellt wurde: „Wollt Ihr, Alistair Theirin, Jaina Cousland zu Eurer Gemahlin und Königin nehmen?“, sein überzeugtes „Ja“ ließ ihr Schauer über die Arme laufen, die Ehrwürdige Mutter wandte sich nun ihr zu. „Wollt Ihr, Jaina Cousland, Alistair Therin zu Eurem Gemahl und König nehmen?“
Die Schauer auf ihrer Haut schienen sich zu verstärken, als sie ein festes „Ja“ von sich gab, sie sah die Ehrwürdige Mutter ein Segenszeichen in die Luft malen und ernsthaft nicken.
Langsam drehte sich Jaina zu Alistair und all ihre gebannten Gefühle explodierten in ihr, als er sie in den Arm nahm und seine Lippen auf ihre drückte, sie spürte die Leidenschaft des Kusses und die Hitze des Moments schoss ihr ins Gesicht, als sie ihre Arme um den König schlang und seinen Kuss hingebungsvoll erwiderte. Angesichts des Königspaares explodierte der Saal in tosendem Applaus.
König Alistair veranlasste am nächsten Tag eine prunkvolle Trauerfeier, zu der alle kamen. Shi’nayne konnte auch Zevran und Wynne ausmachen, so wie einige andere, die sie nicht kannte. Der König trat hervor und begann mit seiner Rede:
„Meine Freunde, wir haben uns hier versammelt, um unseren Respekt dem Grauen Wächter zu zollen, der uns alle gerettet hat. Kallian gab ihr Leben, um die Verderbnis zu beenden, ein Opfer das wir niemals vergessen dürfen. Es war kein Zufall, der sie hierher führte. Sie war etwas Besonderes und hat unser aller Leben irgendwie beeinflusst. Sie hat mich sogar auf den Thron gesetzt, entgegen meiner Proteste. Aber sie hat einfach kein Nein Akzeptiert. Die Grauen Wächter hätten sich keinen besseren wünschen können. Wie kann man so Jemanden richtig ehren? Die Grauen Wächter werden in Weißhaupt ein überwältigendes Grabmal errichten, direkt neben dem von Garahel, aber ich möchte auch etwas tun. Cyrion, bitte tretet vor. Ihr seid der Vater des Grauen Wächters, nicht wahr? Wir hatten Schwierigkeiten euch zu finden.“
„Die Dinge im Gesindeviertel sind Chaotisch. Hilfe erreicht uns nur... langsam“, antwortete Cyrion mit zittriger Stimme.
„Ich würde das gerne ändern. Das Gesindeviertel soll sein eigenes Oberhaupt haben, das im Landthing als gleichberechtigter spricht. Ich wünsche, dass Ihr dieses Amt übernehmt, als erster Bann des Gesindeviertels, wenn Ihr wollt.“ Alistairs Bitte erstaunte die Anwesenden.
„Mein Herr! Ich... ich weiß nicht was ich sagen soll.“ Cyrion war sichtlich verlegen. Nie hatte er von so etwas zu träumen gewagt. Nicht einmal nach der Rolle des Hahren hatte er verlangt. Dies war immer Shiannis Ziel gewesen. Eigentlich sollte auch sie dies übernehmen und nicht er. Shi’nayne wollte dies am Liebsten hinausschreien, doch sie war wie erstarrt. Und so fuhr Alistair fort:
„Ich wünschte, Eure Tochter wäre noch hier, um diese Rolle selbst zu übernehmen. Aber es ist ein Anfang. Das verspreche ich Euch. Lasst alle Wissen, dass das Arling von Amaranthine, einst das Land von Arl Howe, nun den Grauen Wächtern gehört. Dort können sie sich wieder aufbauen und hoffentlich an dieses Beispiel heran kommen. Freunde, lasst uns hoffen dass Kallian in eine bessere Welt gegangen ist und dass sie weiß, wie dankbar wir ihr, für das, was sie getan hat, sind. Wir werden dich vermissen meine Liebe. Lebe wohl.“
Nach Isildes Vorschlag doch nach einem Lager der Wegelagerer zu suchen, hatten sich die Drei in die vorgeschlagene Richtung begeben. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #22 • Banditenlager
Die beiden ließen dem Mabari die Führung und hielten sich immer in einem gewissen Abstand. So konnten sie auch etwas nach Dingen schauen, die man auf einem Schleichpfad durch die gebotene Konzentration kaum sehen würde. So erkannte Isilde an einer etwas hügeligen Stelle mehrere Robinien und zeigte diese Tobias. »Hier wächst Nachschub für den Bogenbau«, erklärte die Frau. Tobias nickte, lief noch einige Schritte und blieb beim Antworten stehen: »Etwas habe ich heute dafür bekommen. Diese Pfeile nämlich«, dabei hob er einen Köcher aus gegerbtem Leder mit etwa einem Dutzend Pfeilen in die Höhe. »Es sind zwar nicht die besten von der Qualität her, aber zum Einschießen meines Kompositbogens reichen sie allemal.« »Wird es noch lange dauern, bis Du fertig bist?« wollte Isilde wissen, die auch stehen geblieben war. »Nun, das verleimte Holz muss noch gespannt werden, jeden Tag, Stück für Stück und eine Bogensehne ist auch noch zu erstellen«, sagte er. »Könnte man nicht die Sehne von dem Bogen nehmen, den Du jetzt trägst?« wollte die Frau wissen. »Von diesem?« antwortete Tobias und hielt den Bogen, den er dem Wegelagerer abgenommen hatte, in die Höhe. »Nein! Es geht nicht. Einfache Arbeit, schlecht gepflegt, nicht zu gebrauchen,« sagte er mit einem bitteren, fast verächtlichen Ton. »Warum schleppst Du dann den Bogen mit?« fragte Isilde spontan, um sich anschließend etwas über ihre Neugierde zu ärgern. Doch Tobias beeindruckte die Frage nicht. Weil er aber nicht unhöflich sein wollte und es auch keine Belehrung werden sollte, schwieg er eine Weile. Dann, als Isilde schon die Anzeichen einer Entschuldigung in Körperhaltung und Gesicht zeigte, fasste er ihr an die linke Schulter und versuchte es so einfach wie möglich auszusprechen. Dabei sprach er bewusst von sich und nicht davon, wie man es im Allgemeinen machen würde: »Isilde, ich kann keine Waffe liegen lassen, sei diese auch noch so schlecht. Meine Erfahrung sagt mir, was ich wegtrage, kann nicht gegen mich eingesetzt werden.« »Ja, das ist richtig. Das habe ich so überhaupt nicht gesehen, aber ich werde es mir merken. Das ist ein guter Ratschlag,« anerkannte Isilde. Und weil sie es ehrlich meinte, lächelte sie dazu. Tobias, froh, dass er Isilde nicht gekränkt hatte mit seinem Kriegerwissen, schlug vor wieder dem Mabari zu folgen, damit der Abstand nicht zu groß würde.
Das folgende Wegstück bereitete keine Überraschungen. Der Sonnenstand zeigte den beiden, dass es bereits gegen Mittag sein musste. Dann erreichte Klecks eine Stelle, wo ein junger Wald wuchs. Holzfäller hatten vor einigen Jahren alte Bäume geschlagen und Licht für den im Boden vorhandenen Samen geschaffen. Neben Birken, Kiefern zeigten sich auch junge Eichen. Aber auch Büsche aus Haselnuss und anderes Unterholz zeichneten vielfältige Färbungen des Grüns. Der Kriegshund schlug laut an. Die beiden wussten, er hatte etwas gefunden. Aber eine Gefahr bestand nicht, sonst wäre er still zurückgekommen. So rannten Isilde und Tobias zu dem Hund und erkannten einen Wildwechsel, der in den Jungwald führte. »Fein Klecks!« lobte Tobias den Mabari. »Dann mal hinein und das Lager gefunden«, sagte er noch. Tatsächlich, nur wenige Meter in dem aufstrebenden Grün stand eine einfache, alte Hütte. Diese hatte den Holzfällern vermutlich als Unterkunft gedient. Das ein oder andere Holzstück, bis zur Hackklotzgröße, lag noch herum. Die Bretter der Hüttenwände waren bereits grau vom Wetter. Frost und Sonne hatten das ein oder andere Astloch aus dem Holz befreit. Aber ein Weg zur Tür zeigte, dieser Behelfsbau war in letzter Zeit genutzt worden. Wie Tobias die Tür untersuchen wollte, sagte Isilde: »Schau, hier hat vor wenigen Stunden noch ein Feuer gebrannt.« Tobias drehte sich um und blickte in Richtung der Feuerstelle. Und er musste lachen. Das verstand Isilde in dem Moment nicht. »Was gibt es denn da zu lachen?« wollte sie wissen. »Dreh Dich um, dann weiß Du es«, sagte er und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Sie tat wie heißen und staunte. »Deshalb haben sie uns gesehen, es war kein Zufall …« Weiter kam sie nicht. Doch der Mann war schnell genug, um Isilde im Fallen aufzufangen. Kräftig griff er in den Stoff ihrer Jacke und hob die Frau an. Doch weil der Kopf nach hinten zu kippen drohte, hob er den Ellenbogen in die Höhe. Gleichzeitig griff er um ihre Knie und hob die Frau so mit beiden Armen hoch. »So schwer ist sie ja nicht«, dachte er sich. Dann schaute er in ihr Gesicht, welches von einer weißen Blässe gekennzeichnet war. Er beugte seinen Kopf so gut es ging zu ihrem Gesicht und suchte einen Luftzug zu erhaschen. »Ja«, sagte er zu sich, »sie atmet noch. Hat der Blick auf den Weg, sie ohnmächtig werden lassen?« fragte er sich. »Aber wie weiter?« Zum Ablegen von Isilde bot sich nichts an. Jedenfalls keine Bank oder ein Tisch, wo er die Frau in die Waagerechte bringen konnte. In seinem nachdenken, was jetzt als Nächstes getan werden könnte, viel ihm das Wort »Wasser« ein. »Klecks! Such Wasser!« »Wuff!« schlug der Mabari an, doch er kam zu Tobias. Der Mann mit dem rosenblonden Haar verstand in diesem Moment seinen Hund nicht. Denn er hielt Isilde vor sich in seinen Armen. Dann schnappte Klecks nach dem zerfetzten Bauernkittel und zog. So ließ er sich ziehen, bis beide hinter der einfachen Hütte an einer Holztonne standen. Von dem Dach war genug Wasser in das Fass gelaufen. Den Geruch von frischem Wasser hatte der Kriegshund schon vor dem Kommando in der Nase gehabt. Tobias lobte Klecks, schob mit dem Fuß einen Holzkloben näher an das Fass. Es brauchte etwas, denn er wollte die Frau dabei nicht abgelegen und so schimpfte er etwas über den sperrigen Klotz, der nicht so wollte. Dann schließlich passte es. So stellte der Mann ein Bein auf die hölzerne Erhöhung und legte die Beine von Isilde darüber. So hatte er eine Hand frei. Dann holte er aus seinem Kittel ein Tuch hervor, befeuchtete es und legte es ihr auf die Stirn.
»Haaaah!« Holte sie tief Luft und sie erwachte so, als wenn sie lange geschlafen hätte. Weil sie sich ihrer Lage nicht bewusst war, fiel der linke Arm nach unter. »Klatsch!« Wasser spritze auf, als die Hand in die gefüllte Tonne fiel. Diese Nässe an der Hand, aber auch die Kühle des Wassers brachten Isilde wieder vollends zu sich. »Wo bin …«, wollte sie sagen, dann erkannte sie ihre Lage und sah Tobias sie anlächeln. Er wischte ihr mit seiner Hand ein paar von den Wassertropfen aus dem Gesicht. Das schien ihr nicht zu passen oder es war zu überraschend. Aber so richtig wehren konnte sie sich nicht. Denn der Mann hatte einen guten Griff und auf der anderen Seite war das Fass voller Wasser. »Könnte ich runter?« bat sie ihn. »Aber gern«, sagte er und fasst sie an der Hüfte und hob sie mit einem kleinen Schwung so in die Höhe, dass sie am Ende auf ihren Füßen stand. »Was hat Euch so erschreckt?« fragte er nach, auch in der Absicht, sie abzulenken. Isilde hatte keine Zeit für diese Frage. Ihre Bekleidung war am linken Arm nass, sie musste sich erst orientieren und ihre Kleider in Ordnung bringen. Tobias wartet geduldig, bis die Frau ihren Rock glatt gestrichen hatte und die Haare wieder zu einem Knoten gebunden waren. Er deutete es als eine gewohnte Handlung bei ihr, die sie immer dann ausübte, wenn sie in Verlegenheit geraten war.
»Ja, was hat mich erschreckt?« fragte sie sich nach einer Weile selbst. »Tobias, die Aussicht! Die Aussicht hat mich erschreckt.« Die beiden hatten bei der Suche nach dem Lager und ihrem Gerede dabei nicht gemerkt, dass es leicht, aber stetig bergauf gegangen war. Es waren nicht viele Meter an Höhenunterschied. Doch sie reichten völlig aus, um den Weg, den sie gekommen waren, einzusehen. »Als ich den Weg erkannte, hatte ich an unser Aussehen gedacht«, versuchte Tobias sein Lachen zu erklären. »Unserer Aussehen?« Isilde verstand den Mann nicht. »Nun, wir müssen von der Entfernung her, auch wegen meinem Kittel, wie ein Bauernpaar ausgesehen haben. Deshalb hat der Anführer so überrascht die Augen aufgerissen, als sein Schwertstreich ein Kettenhemd offenbarte,« erklärte er. »Nun«, antwortet Isilde und suchte dabei die Hand von Tobias. Denn es saß ihr immer noch der Schrecken in den Knochen. »Nun, ich habe mir überlegt, was mit mir und Mutter geschehen wäre, wenn wir allein zu den Klippen gegangen wären. Deshalb hat es mir die Beine weggezogen.«
Tobias brauchte eine Weile, bis er seinen Übermut und ihre Bedenken verglichen hatte. Dabei schüttelte er den Kopf, führte die Frau an der Hand zur Feuerstelle, stelle ein Baumstück von der Größe eines Hackklotzes auf, legte seinen Kittel darüber und bot Isilde diesen Platz an. »Verzeiht!« sagte er. »Daran habe ich nicht gedacht. Die Vorstellung ist schlimm, doch zum Glück nicht eingetroffen. Ich würde schnell Klecks etwas zum Trinken geben, komme dann zurück,« fügte er noch an. Isilde setzte sich, nickte wortlos. Tobias öffnete die Unterkunft, suchte ein wenig und kam mit einer zerbeulten Blechschüssel wieder heraus. Nach dem er diese mit Gras und anschließend mit Wasser gereinigt hatte, stellte er sie gefüllt mit Wasser vor seinen Hund. »Trink Dich satt!« sagte er und ging zu Isilde zurück. Sie saß noch so, wie er sie verlassen hatte. Um sie nicht zu erschrecken, sprach er sie an: »Isilde, alles in Ordnung?« Die Frau schaute ihn an und sagte: »Ja, es wird schon.« »Wollen wir uns mal die Hütte ansehen?« fragte er. Sie nickte, erhob sich und nahm dabei seine gereichte Hand zur Hilfe. Dann begaben sich die beiden zu der ehemaligen Unterkunft der Holzfäller.
Es war Nacht in Highever. Der Himmel wurde von Feuern hell erleuchtet. Schwerter klirrten, Soldaten brüllten Befehle und das Bellen der Kriegshunde schallten durch die Luft.
Vin kauerte in einer Gasse. Die Beine angezogen und die Arme um sie geschlungen, versteckte er sich hinter einigen Fässern. Tränen standen in seinen Augen. Er versuchte ein Wimmern zu unterdrücken, doch es gelang ihm nicht.
Sein Vater war in sein Zimmer gestürmt, als er bereits geschlafen hatte. Er hatte ihn aus dem Bett gerissen und durch ein Fenster in die Gasse hinter ihrem Haus befördert. „Wir werden angegriffen. Flieh, mein Sohn.“ hatte er gesagt und war dann wieder im Haus verschwunden.
Ein dicker Kloß saß in seinem Hals. Er hockte auf der Straße und wusste nicht was er tun sollte. Sein Vater hatte ihn allein gelassen. Eine Ewigkeit schien inzwischen vergangen zu sein und noch immer hatte er sich nicht vom Fleck gerührt. Er hatte gehofft, sein Vater würde zurückkommen. Ein kühler Windhauch ließ ihn frösteln.
Plötzlich hörte er Schritte näher kommen. Er lugte zwischen den Fässern hervor und konnte sehen, wie sich zwei Soldaten auf ihn zu bewegten. Panik erfasste ihn. Er saß in der Falle.
„Hier waren wir noch nicht“, sagte der eine.
„Mal sehen, ob sich hier noch einer der Bastarde versteckt.“ Ärger schwang in der Antwort des anderen mit: „Warum müssen ausgerechnet wir nach diesen erbärmlichen Feiglingen suchen?“
Ein Knurren ließ die Beiden innehalten.
„Hast du das gehört?“
Ihr Blick richtete sich auf die Fässer, hinter denen Vin sich versteckt hielt. Dem Jungen schlug das Herz bis zum Hals, als die Soldaten sich langsam auf sein Versteck zu bewegten. Plötzlich huschte ein Schatten über ihn hinweg. Ein mächtiger Mabari landete in der Gasse und rannte auf die beiden Soldaten zu. Bevor diese reagieren konnten, hatte er den ersten umgeworfen und sich in seiner Kehle verbissen. Vin konnte den Schrecken auf dem Gesicht des Zweiten sehen. Der Mann wollte gerade mit seinem Schwert nach dem Hund schlagen, als ein kurzes Aufblitzen im Mondlicht zu sehen war. Ein Schmerzensschrei zeriss die Luft. Das Schwert des Soldaten fiel zu Boden und aus seinem Hals ragte der Schaft eines Dolches. Gurgelnd brach er zusammen. Vor Schreck hatte Vin die Luft angehalten.
„Vin!“ ertönte eine Stimme über ihm. „Was in aller Welt machst du hier draußen?“.
Er erkannte die Stimme, doch noch immer lähmte die Angst ihn. Langsam richtete er seinen Blick nach oben und sah das grimmige Gesicht von Tomas, dem jüngeren Sohn der Couslands. Dieser sprang von der Mauer hinunter und hielt ihm Hilfe bietend die Hand hin. Dankbar griff er nach ihr und mit einem Ruck zog wurde er auf die Beine gezogen. Vin taumelte etwas und musste sich an Tomas festhalten, um nicht wieder hinzufallen. Hechelnd kam der Kriegshund die Gasse hinuntergelaufen und setzte sich neben seinen Herrn. Das Blut des toten Soldaten tropfte ihm noch von seinem Maul herunter.
Tomas schaute Vin eindringlich in die Augen:
„Wie kommt es, dass du alleine hier draußen bist? Wo ist dein Vater?“
Der Gedanke an seinen Vater schnürte Vins Hals zu und wieder stieg ihm das Wasser in die Augen. Noch immer hielt er sich an der Hand seines Retters fest. Seine Lippen zitterten, als er versuchte zu sprechen.
„Vater … er half mir aus dem … Diese Soldaten sagten, niemand in diesem Viertel sei mehr übrig.“
Dicke Tränen rannen nun an seinen Wangen herunter und mit den letzten Worten brach seine Stimme. Er wollte zu seinen Eltern. Seine Beine gaben nach und nur Tomas Arm verhinderte, dass er zu Boden sackte. Tomas packte ihn unter den Achseln und nahm ihn auf den Arm. Tröstend streichelte er Vins Hinterkopf.
„Alles wird gut. Wir finden deine Eltern. Nicht alle sind ums Leben gekommen. Und nun solltest auch du schauen, dass du von hier weg kommst.“
Diese Worte weckten leise Hoffnung in Vin. Es war möglich, dass seine Eltern hatten fliehen können. Vielleicht konnte er sie wiedersehen. Als Tomas ihn auf dem Boden abgesetzt hatte, wischte er sich die Tränen aus den Augen. Der Sohn des Teyrn kniete sich vor ihn hin. Seine Augen strahlten Kampfgeist und Zuversicht aus, von denen Vin sich anstecken ließ.
„Geh zur Küche. Dort wo die Ratten waren. Geh außen herum. Die Angriffe konzentrieren sich auf den Großen Saal. Mein Vater und seine Männer halten ihn schon seit einiger Zeit. Der Weg sollte sicher sein, aber sei trotzdem vorsichtig. Halte dich möglichst immer im Schatten. Wenn du dort ankommst, versteck dich. Ich komme dich bald holen.“
Wieder spürte Vin Panik in sich aufsteigen, doch diesmal unterdrückte er sie. Mit entschlossener Miene nickte er Tomas zu. Dieser hob ihn erneut hoch und hievte in Richtung Mauersims. Vin tastete mit den Händen nach der Kante. Als er sie gefunden hatte, zog er sich hoch, während Tomas ihn von unten schob. Von oben blickte er noch einmal in die Gasse hinunter. „Danke, Tomas“ Der Kämpfer lächelte ihn kurz an, und wandte sich dann dem Gassenausgang zu. Vin schaute ihm noch nach, doch bereits nach einigen Sekunden war er auf der Straße verschwunden.
Auf sich allein gestellt, wandte er sich dem zu, was vor ihm lag. Er befand sich auf einer Terrasse oberhalb seines Elternhauses. In dem Garten, der hier angelegt war, spielte er für gewöhnlich mit seinen Freunden. Eine weitläufige Rasenfläche, auf der vereinzelt Bäume standen, lag vor ihm. Sie wurde von einem schmalen Weg aus weißem Kiesel umrundet und eine mannshohe Hecke wuchs um ihn herum. Doch der Anblick, der sich ihm nun bot, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Drei verstümmelte Leichen lagen nur wenige Schritte von ihm entfernt. Der einen fehlte das halbe Gesicht. Die Bissspuren eines Mabari waren deutlich zu sehen und an den herabhängenden Hautfetzen tropfte das Blut auf den Boden. Der zweiten war die Kehle aufgeschlitzt worden. Sie lag in einer Lache ihres eigenen Blutes, den rechten Arm in merkwürdigem Winkel verbogen. Am übelsten zugerichtet war der dritte Leichnam. Ein Bein wurde nur noch von einem kümmerlichen Rest Sehnen und Muskeln am Oberschenkel gehalten. Der Brustkorb wies einen langen, diagonalen Schnitt auf. Blut und Eingeweide quollen auf ihm hervor und verteilten sich auf dem Grün.
Übelkeit stieg in Vin auf und er riss seinen Blick von dem grausigen Bild. Offenbar hatte Tomas ihm bereits zwei Mal das Leben gerettet. Denn hätte dieser kleine Trupp in die Gasse hinunter geschaut … Darüber wollte er lieber nicht nachdenken, er durfte darüber jetzt nicht nachdenken. Mit geschlossenen Augen, atmete er tief durch und schluckte die Galle hinunter, die in ihm hochgestiegen war. Er musste sich beeilen. In einem weiten Bogen lief er an den drei Toten vorbei. Seinen Blick hielt er dabei stur geradeaus, um nicht noch einmal diesen Anblick ertragen zu müssen. Er hielt auf eine Lücke in der Hecke zu, die einen Ausgang zur nächsten Straße bildete. Wachsam huschte er die Straße entlang, suchte Schutz hinter Kisten und Säcken und versucht möglichst wenig Geräusche zu verursachen. Auf diese Weise näherte er sich seinem Ziel.
Kurze Zeit später, erreichte er eine kleine Kreuzung. Es führte je ein Weg nach links und einer nach rechts, vor ihm erhob sich eine Wand, die zur inneren Stadtmauer gehörte. Die verwitterten Steine zeugten vom Alter Highevers. Plötzlich hörte er schlurfende, sich langsam nähernde Schritte. Mit hämmernden Herzen suchte er Schutz hinter einem hoch gewachsenen Strauch. Ein Stöhnen drang in sein Ohr und ließ ihn schaudern. Aus seinem Versteck hatte er einen guten Überblick über die Kreuzung. Die Geräusche schienen von rechts gekommen zu sein. Auf dem Boden kauernd, warf er einen Blick, zwischen den Ästchen hindurch, die Straße hinunter. Er konnte zwei Gestalten ausmachen, die im flackernden Licht der Feuer den Weg entlang kamen. Eine der beiden schien verletzt, denn sie wurde von der anderen gestützt. Sollten sie ihn entdecken, hatte er vielleicht eine Chance zu entkommen, wenn der Eine seinen Verletzten Kamerad nicht einfach zurück ließ. Kurz überlegte Vin, ob er fliehen und einfach die Straße in Richtung Küche weiterlaufen sollte, doch er konnte sich nicht dazu überwinden.
Es schien ewig zu dauern, bis die beiden die Kreuzung erreichten, doch als sie schließlich nahe genug waren, hielt Vin unwillkürlich den Atem an. Er kannte die Beiden. Es waren Bryce Cousland, Teyrn von Highever und Duncan. Der Graue Wächter, war vor einigen Tagen nach Highever gekommen, um sich nach möglichen Rekruten umzuschauen. Erregung durchfuhr ihn und er wollte gerade aus seinem Versteck hervorkommen, als die Beiden abrupt stehen blieben. Etwas schien Duncans Aufmerksamkeit erregt zu haben, denn er starrte mit angestrengtem Blick die Straße hinunter. Er sagte etwas zum Herrscher Highevers, das diesem scheinbar gar nicht gefiel. Sein schmerzverzerrtes Gesicht, nahm für einen flüchtigen Augenblick einen grimmigen Ausdruck an. Der Graue Wächter blickte sich nun suchend um. Vielleicht suchte er nach einem Versteck? Vin war sich nicht sicher, doch dies war seine Chance, nicht mehr allein sein zu müssen. Er rappelte sich auf und schob ein paar Zweige aus seinem Sichtfeld. Dann schob er den Kopf hervor und rief leise: „Hallo!“ Duncans Blick richtete sich unvermittelt auf ihn und für einen Moment glaubte er, Duncan würde ihn gleich angreifen. Erschrocken wich Vin zurück in hinter den Strauch. Warum bin ich so ängstlich? Der Graue Wächter tut mir sicher nichts. Er ist einer von den Guten. Er schaute wieder zu den Beiden rüber und merkte, dass Duncans Gesicht merklich entspannter aussah. Als er wieder aus seinem Versteck trat, blickte ihn auch der Teyrn an und ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Du bist doch der Sohn von Ronald. Geht es dir gut? Wo ist dein Vater?“ Bryce Cousland schien sich wirklich zu freuen, Vin zu sehen und Vin wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Duncan sagte: „Ich unterbreche euer Wiedersehen ja nur ungern, Majestät, aber wir sollten schleunigst in Deckung gehen. Da kommt jemand. Ich kann sie hören.“ Mit diesen Worten hievte er den Teyrn hoch und schleppte ihn in Richtung Vin, der sich inzwischen in sein Versteck zurück zog. Es war still geworden. Nur vereinzelt waren Schreie zu hören, die Kampfgeräusche waren verstummt. Vin erinnerte sich an die Legenden über die Grauen Wächter. Durch ein Ritual wurden sie stärker als normale Krieger und ihre Sinne wurden schärfer. Sie konnten sogar die Dunkle Brut - grausige Monster, die von weit unter der Erde kamen - spüren, wenn sie in der Nähe war.
Duncan hatte den Teyrn inzwischen in das Versteck gebracht und ihn von seiner Schulter gleiten lassen. Nun lehnte der Verletzte an der Mauer. Seine linke Hand lag auf seinem Bauch und zwischen den Fingern konnte Vin dunkelrote Flecken auf dem Gewand sehen. Duncan kniete sich neben Vin und schaute durch das Geäst auf die Straße. Von hier aus hatten sie einen guten Blick in beide Richtungen und als Duncan Vin bedeutete nach links zu schauen, konnte er dort einen Trupp Soldaten ausmachen. Er war sich sicher, dass es sich um feindliche Soldaten handelte, denn die einzigen überlebenden Kämpfer Highevers waren mit dem Teyrn im Großen Saal gewesen. Duncan bedeutete ihm still zu sein, indem er seinen Zeigefinger an die Lippen legte. Nun konnte auch Vin das rhythmische Stampfen der Soldaten hören. Er blickte erneut die Straße entlang und stellt mit Schrecken fest, wie nah der Trupp bereits gekommen war. Er konnte nun erkennen, dass es sich um acht Personen handelte. Sechs davon waren feindliche Soldaten, die anderen beiden schienen Gefangene zu sein Die Feinde hatten zwei Dreierreihen gebildet, die beiden anderen gingen zwischen ihnen. Der Vordere war der Vater seines Freundes Tom. Der Zweite hatte einen aufrechten, stolzen Gang, den er sofort erkannte. Vin blieb beinahe das Herz stehen. Keuchend sackte der auf den Boden und ein Lächeln erschien auf seinen Lippen. „Vater!“, entfuhr es ihm kaum hörbar.
Er hatte überlebt. Freude stieg in ihm auf und sein Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen. Natürlich hat er überlebt. Er ist schließlich der beste Waldläufer in Highever. Vins Vater war für sein Können im Nahkampf und seine Schnelligkeit im ganzen Teyrnair bekannt.
Vin begann unruhig zu werden und wechselte immer wieder seine Sitzposition. Er musste seinen Vater befreien. Hoffnungsvoll schaute er Duncan an. Er kann Vater helfen. Die Grauen Wächter sind Helden. Jedes Kind kannte die Legenden über ihre glorreichen Schlachten. Duncan beobachtete die Szene mit wachsamen Augen. Er überlegt sich sicher gerade, wie er Vater helfen kann.
Das Rasseln von Ketten und ein dumpfer Schlag rissen ihn aus seinen Gedanken. Er konnte gerade noch sehen, wie einer der Soldaten rückwärts taumelte und sein Gesicht in den Händen vergrub. Vins Vater hatte den Soldaten, der ihm am nächsten Stand angegriffen und ließ nun seine gefesselten Fäuste seitlich auf das Gesicht der Wache krachen. Im selben Moment griff auch Toms Vater an. Er wandte sich nach links und rammte dem überraschten Soldaten sein Knie in den Bauch. Nach Luft japsend krümmte er sich nach vorn und musste dann einen wuchtigen Schlag in den Nacken einstecken. Wie ein nasser Sack fiel er zu Boden.
Vins Herz machte einen Satz. Wenn Duncan jetzt noch eingreift, haben die Feinde keine Chance. Doch dieser saß noch immer reglos neben ihm. Warum unternimmt er nichts? Er muss ihnen doch helfen.
Die vier verbliebenen Soldaten hatten sich inzwischen von dem Überraschungsangriff erholt. Mit gezogenen Schwertern drängten sie jeweils zu zweit auf die Gefangen, doch die beiden Väter wichen ihren wütenden Angriff aus. Vins Vater wehrte mit seiner Fessel einen Schwerthieb ab. Er tauchte unter den Armen des Angreifers hindurch und rammte seinen Ellenbogen in seinen Rücken. Der Soldat fiel vornüber und ließ dabei sein Schwert fallen. Mit einem Satz gelangte Vins Vater an die Stelle und nahm das Schwert in beide Hände.
Vins Zuversicht nahm weiter zu. Sie werden es schaffen. Wenn doch nur der Wächter endlich eingreifen würde. Erwartungsvoll blickte er wieder zu Duncan. Wut keimte in Vin auf. Sind die Wächter etwa Feiglinge? Er blickte hilfesuchend hinter sich, doch der Teyrn schien das Bewusstsein verloren zu haben.
Ein Schrei lenkte seine Aufmerksamkeit zurück auf den Kampf. Toms Vater war auf die Knie gesunken. Einer der Soldaten zog mit einem Ruck sein Schwert aus der Brust des Gefangen, der daraufhin leblos umfiel.
Schockiert starrte Vin den Leichnam an. Sein Vater würde der Nächste sein. Er griff nach Duncans Arm und bracht flüsternd hervor:
„Helft ihm doch. Bitte!“
Tränen liefen an seinen Wangen hinunter. Endlich reagiert der Graue Wächter. Doch statt nach seinen Waffen zu greifen, packte er Vins Arm und zog ihn zu sich hin. Vor Überraschung hätte Vin beinahe aufgeschrien, doch der Graue Wächter hatte ihm schon eine Hand über den Mund gelegt. Vin spürte Duncans Bart an seinem Ohr, als dieser ihm zuflüsterte: „Es tut mir Leid, Vin.“ Als ihm die Bedeutung dieser Worte bewusst wurden, versteifte sein sich sein ganzer Körper. Er wird ihn sterben lassen. Das kann er nicht tun. Er wollte sich wehren, doch alle Kraft schien aus ihm gewichen. Wie in Trance beobachtete er den Kampf seines Vaters.
Die Soldaten hatten Roland inzwischen umzingelt. „Ergib dich und du kommst vielleicht mit deinem Leben davon.“, sagte einer zu ihm. Vin konnte sehen, wie sich Resignation auf dem Gesicht seines Vaters breit machte, als er seine Waffe sinken ließ. Vater! Nein! Er durfte nicht aufgeben, schoss es Vin durch den Kopf. Er versuchte sich aus Duncans Griff herauszuwinden, aber er hatte keine Chance.
Der Knauf eines Schwertes landete im Nacken von Vins Vater und ließ ihn zusammenbrechen. Die Soldaten begannen über zu spotten und schlugen und spuckten ihm ins Gesicht, bis einer die Hand hob. Er baute sich vor ihm auf und zog einen Dolch aus seinem Gürtel. Mit argwöhnischen Augen betrachtete er ihn, als sei er unsicher, was er mit ihm tun sollte. Plötzlich verzerrte ein abscheuliches Grinsen sein Gesicht und mit einer ruckartigen Handbewegung rammte er Vins Vater den Dolch in die Brust.
Vin spürte einen stechenden Schmerz in der Brust. Fassungslos sah er mit an, wie der Körper seines Vaters zu Boden fiel. Dann brachen alle Dämme. Tränen schossen ihm in die Augen und er begann wild um sich zu schlagen, um irgendwie dem eisernen Griff des Grauen Wächters zu entkommen. Er schrie, doch Duncans Hand umschloss weiter seinen Mund, sodass der Schrei stumm blieb. Er spürte wie eine Ohnmacht Besitz von ihm ergriff und versuchte dagegen anzukämpfen. Durch seine Tränen sah er alles wie durch einen dicken Nebelschleier.
Mit einem Mal ließ Duncan ihn los und Vin stürzte blindlings aus dem Versteck. Die Soldaten waren inzwischen verschwunden und hatten den leblosen Körper seines Vaters liegen lassen. Als Vin bei ihm ankam, fiel er auf die Knie. Er griff nach der Hand des Toten, die sich so warm wie eh und je für ihn anfühlte. Heftiges Schluchzen ließ seinen Körper immer wieder erbeben. Er schmiegte sich an den Oberkörper seines Vaters. Dies musste ein Albtraum sein. Sein Vater konnte nicht tot sein, er durfte es nicht sein.
Als seine Tränen langsam zu versiegen begannen, zog er verbittert den Dolch aus der Brust. Es war der Dolch seines Vaters. Der Soldat musste ihm ihn abgenommen haben. Er hielt den Dolch so fest in seiner Hand, dass sie zu zittern begann und die Trauer wich Wut. Duncan, dieser Feigling hätte ihn retten könne. Er würde dafür bezahlen. Er wandte sich um und war überrascht, den Grauen Wächter direkt vor sich zu haben. In seiner Wut schrie er ihn an: „Das ist alles Eure Schuld. Ihr hättet das verhindern können!“ Er sprang auf, packte den Dolch mit beiden Händen und versuchte Duncan mit ihm zu erwischen. Doch Duncan machte einen Schritt zur Seite und ließ seine Attacke ins Leere gehen.
„Ich hätte nichts ausrichten können. Sie waren zu sechst.“, sagte er mit bedauerlicher Stimme. Doch das war Vin egal. Für ihn hatte er Schuld am Tod seines Vaters. Und er wollte sich rächen. Wieder versuchte er Duncan anzugreifen, doch erneut wich dieser ihm aus.
„Wir müssen von hier weg, Vin. Es tut mir leid, was mit deinem Vater geschehen ist.“ Die tiefe Stimme des Wächters hatte einen warmen Klang, doch Vin war in seiner Wut unempfänglich dafür. Als er diesmal mit dem Dolch ausholte, packte Duncan sein Handgelenk und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Schmerz durchfuhr seinen Arm und er ließ den Dolch fallen. Er schrie auf, mehr vor Wut denn vor Schmerz und wieder spürte er Duncans warmen Atem an seinem Ohr, als dieser flüsterte: „Es tut mir leid, Vin.“ Ein greller Blitz zuckte vor seinen Augen, als er Duncans Schlag in den Nacken spürte. Dann überrollte ihn eine schwarze Wand und Vin sackte ohnmächtig zusammen.
Alte Version
Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
Geburt
Es war Nacht in Highever, aber dies war keine Nacht wie jede andere. Der Himmel wurde hell erleuchtet von den Feuern die da schwelten und die Stille wurde durchbrochen von Schreien. Schreien der Qual, Schreien von sterbenden Menschen. Unter diese Geräuschkulisse mischten sich auch Kampfgeräusche, das Klirren von Schwertern, das Bellen und Jaulen von Mabari und die Befehle der Hauptmänner durchschnitten die kühle Nachtluft.
Ein kleiner Junge saß in einer Gasse. Hinter Fässer versteckt versuchte er der Welle der Gewalt zu entgehen. Immer wieder sah er Männer vorbei laufen, teilweise mit dem Wappen des Hauses Cousland bestickt, die anderen mit dem Wappen des Hauses Howe. Und es waren die Schreie der Männer, die tapfer versuchten Highever, ihr geliebtes Teyrnair, zu verteidigen, die durch die Nacht schallten. Denn die Truppen von Teryn Rendon Howe waren zahlenmäßig deutlich überlegen. Der Großteil der cousländischen Streitmacht war am Abend zuvor, unter Führung von Fergus Cousland, dem ersten Sohn des Teryn Bryce Cousland, gen Ostagar gezogen, um König Cailans Armeen im Kampf gegen die Dunkle Brut und die drohende Verderbnis zu unterstützen. Und offensichtlich wurde dieser Umstand von Rendon Howe gnadenlos ausgenutzt, um sich das Teyrnair Highever unter den Nagel zu reißen.
Der Junge, völlig in Gedanken versunken, schrak auf. Da war etwas. Er lugte zwischen den Fässern hindurch und konnte sehen, wie zwei Soldaten vor der Gasse stehen geblieben waren. Sie schienen durch irgendetwas auf die Gasse aufmerksam geworden zu sein. Hatte er sich etwa selber verraten? War er so in Gedanken vertieft gewesen, dass er gar nicht gemerkt hatte, dass er sich selbst in Gefahr gebracht hatte? Plötzlich bemerkte er, was die Aufmerksamkeit der Soldaten erregt hatte. Auf der Mauer, die etwa zwei Meter über ihm aufragte, war etwas. Er konnte hektisches Atmen hören. Gerade als die Männer entdeckten, was sie hatte aufhorchen lassen, huschte ein Schatten über den Jungen hinweg und ein riesiger Mabari flog auf die Männer zu, riss den ersten von den Beinen und hatte ihm die Kehle durchgebissen, bevor der Zweite überhaupt reagieren konnte. Dieser wollte sich gerade dem Mabari zuwenden, als er mitten in seiner Bewegung erstarrte. Im Schein der Feuer und des Mondes konnte der Junge ein kurzes Blitzen ausmachen und bei Näherem Hinsehen bemerkte er den Dolch, der präzise die Halsschlagader des nun gurgelnden Mannes getroffen hatte. Dieser starrte die Mauer hinauf und versuchte noch etwas zu sagen, als er tot zusammen brach.
Der Junge bemerkte nun, dass er die Luft angehalten hatte und atmete erleichter aus. „Bring dich in Sicherheit kleiner Mann“, hörte er eine ihm bekannte Stimme sagen. Und obwohl ihm die Stimme bekannt war, erschrak er so sehr, dass er stolperte und in die Fässer flog, welche daraufhin polternd umfielen und nun die Gasse entlang rollten. Der Junge kam taumelnd wieder auf die Füße. Über ihm auf der Mauer stand der zweite Sohn des Teryn, Tomas Cousland. Der Schreck saß ihm noch tief in den Knochen, als Tomas die Mauer hinabsprang und leise, wie auf Katzenpfoten, neben ihm landete. Der Mabari war inzwischen die Gasse hinuntergekommen und setzte sich neben Tomas. Dieser streichelte ihm über den Kopf. Das Blut des toten Mannes tropfte ihm noch am Kinn herunter.
Nun schaute er den Jungen mit ruhigen Augen an und griff ihn mit seinen starken Händen an der Schulter: „Geh zur Küche. Dort wo die Ratten waren.“. Der Junge wusste er sofort, wo der junge Cousland meinte. Nan, die Köchin und ehemaliges Kindermädchen der Couslands, hatte sich am Vortag dermaßen aufgeregt, dass das ganze Schloss von dem Rattenbefall Wind bekommen hatte. „Ich helfe dir die Mauer hinauf. Geh außen herum. Die Angriffe konzentrieren sich auf den Großen Saal, den mein Vater und seine Männer verteidigen. Der Weg sollte sicher sein. Versteck dich dort, ich komme dich schnellstens holen.“ Ohne große Mühe packte er den Jungen unter den Achseln und hievte ihn in Richtung Mauersims hinauf. Der Junge griff instinktiv nach der Kante und mit ein bisschen Hilfe von Tomas war er rasch auf die Mauer geklettert. Er blickte hinunter und wollte sich bedanken, aber sein Retter hatte sich bereits in Richtung Gassenausgang gewandt und verschwand binnen Sekunden in Richtung Großer Saal.
Auf sich allein gestellt, wandte er sich nun dem zu, was vor ihm lag. Das sich ihm bietende Bild war grausig. Die Idylle des kleinen Gartens, in dem er sich nun befand, wurde gestört von drei verstümmelten Leichen. Dem ersten fehlte das halbe Gesicht. Die Bissspuren des Mabari waren deutlich zu sehen und an den herabhängende Hautfetzen tropfte das Blut auf den Boden. Dem zweiten war die Kehle aufgeschlitzt worden. Er lag in einer Lache seines eigenen Blutes, den rechten Arm in merkwürdigem Winkel nach oben gebogen. Am übelsten zugerichtet aber war die dritte Wache Howes. Ein Bein war ihm beinahe ganz abgebissen worden und nur ein kümmerlicher Rest Sehnen und Muskeln hielt es an seinem Oberschenkel. Der Brustkorb wies einen langen, diagonalen Schnitt auf, der an der an der rechten Schulter begann und am Hüftknochen der linken Seite endete. Dort quollen Blut und Eingeweide heraus und beschmutzten den Boden des einst so schönen Gartens. Dem Jungen wurde klar, dass Tomas ihm bereits zwei Mal das Leben gerettet hatte, denn hätten diese drei Wachen einen Blick in die unter dem Garten liegende Gasse geworfen, hätten Sie ihn zweifelsohne entdeckt.
Nun war aber nicht die Zeit darüber nachzudenken. Er musste auf schnellstem Wege in die Vorratskammer gelangen. Zunächst brauchte er aber eine Waffe, um sich gegen eventuelle Angreifer verteidigen zu können, wobei seine stärkste Waffe sein sollte, gar nicht erst entdeckt zu werden. Er ging zu den drei Leichen hinüber und inspizierte das reichhaltige Arsenal an Waffen. Er hob probehalber ein Schwert auf, musste aber feststellen, dass er es nicht würde führen können. Dies war die Klinge eines ausgewachsenen Mannes, er aber war ein Junge von gerade einmal zehn Jahren. Auch Pfeil und Bogen ließ er links liegen, da ihn diese nur bei der Flucht behindern würden. Er wandte sich den zwei Dolchen zu, die im Gürtel einer der drei Wachen steckten. Er nahm sie an sich und verstaute sie an seinem eigenen Gürtel. Er hatte zwar keinerlei Kampferfahrung, aber er wusste mit einem Dolch umzugehen, hatte der doch die Wachen beim Training beobachtet und so manches Stück Holz mit dem Dolch seines Vaters bearbeitet.
So ausgerüstet machte er sich auf den Weg gen Küche und rettender Vorratskammer. Wachsamen Auges schlich er durch die Nacht, lauschte den leiser werdenden Kampfgeräuschen und nahm jedes Detail seiner Umgebung in höchstem Maße war. Das Adrenalin in seinem Körper ließ ihn aufmerksam sein. Er huschte von Schatten zu Schatten, suchte Deckung wann immer es möglich war und verharrten an solchen Oasen der Sicherheit kurze Momente, um die Umgebung nach nahenden Gefahren zu überprüfen. Aber es war ruhig geworden um ihn herum. Der Kampf war fast vorbei und der größte Teil der Truppen des Hauses Cousland war besiegt. Plötzlich ließ ihn ein Stöhnen aufhorchen. Er suchte schnellstens Deckung hinter einem groß gewachsenen Strauch und richtete seinen Blick suchend auf den Weg, der vor ihm lag. Er war nicht mehr weit von der Küche entfernt. Noch eine Biegung und er hatte es geschafft. Wieder ein Stöhnen. Und nun nahm er sich langsam näherende Schritte war. Aber die Schritte glichen viel mehr einem Schlurfen denn einem Gehen. Er blickte nach rechts und sah zwei Gestalten im flackernden Schein der Feuer. Die eine Person stützte die andere und hatte merklich Mühe mit seinem Ballast voran zu kommen. Die andere Person schien verletzt. Einen Arm hatte sie über die Schulter des anderen geschlungen, mit dem anderen hielt sie sich den Bauch. Vermutlich eine Verletzung.
Die beiden Gestalten näherten sich langsam seinem Versteck und der Junge nahm einen der Dolche in die Hand, machte sich aber gleichzeitig bereit zu fliehen. Einen Kampf mit einem ausgewachsenen Mann konnte er auf keinen Fall gewinnen, das war ihm klar. Nun, da die Beiden fast an seinem Versteck angekommen war, erkannte er ihre Gesichter. Es waren Bryce Cousland und der Graue Wächter, der vor einigen Tagen angekommen war, um Rekruten für die Grauen Wächter anzuwerben. Und es war der Teryn, der verletzt war. Sein Gesicht war schmerzverzerrt und zwischen seinen Fingern sickerte Blut hindurch. Er hinterließ eine deutlich sichtbare Spur auf dem Boden. Plötzlich richtete der Graue Wächter seinen Blick auf den Strauch, in dem der Junge saß. Er kniff die Augen zusammen, als versuche er in dem Dunkel etwas zu erkennen. Dann entspannten sich seine Gesichtszüge sichtlich und er sagt: „Komm heraus Junge, dir droht keine Gefahr.“. Der Junge, erschrocken, weil der Wächter ihn in seinem Versteck hatte ausmachen können, tat wie ihm geheißen und trat auf den Weg hinaus. „Hilf mir den Teryn in die Vorratskammer zu bringen. Dort gibt es einen geheimen Gang, der uns aus dem Schloss hinausführen und retten wird.“ Der Junge eilte, ohne nachzufragen, zu den Beiden und stützte Bryce Cousland auf seiner Linken. Bei der Berührung zuckte der Teryn zusammen und stöhnte, blickte jedoch dankbar zu dem Jungen hinunter und lächelte ihn kurz an, bevor der Schmerz sein Gesicht wieder verzerrte.
„Wir müssen uns beeilen. Bis zur Vorratskammer sind es nur noch wenige Schritte.“, sagte Duncan. Der Junge konnte sich wieder an den Namen des Grauen Wächters erinnern. So gingen die Drei den Weg weiter und bogen um die letzte Ecke. Dort erstarrten sie. Drei Wachen der Angreifer standen plötzlich vor ihnen, einige Meter von der geöffneten Tür zur Küche entfernt. Und sie waren mindestens genauso überrascht wie sie selber. Sie hatten gerade offensichtlich die Küche nach Flüchtlingen durchsucht. „Kümmere dich um den Teryn, ich kümmere mich um die da.“, sagte der Wächter, ließ den Teryn vorsichtig von seiner Schulter gleiten und zog seine Waffen. Auf seinem Rücken hatte er ein Schwert sowie einen Dolch in Scheiden stecken gehabt und hielt diese nun in den Händen. Die Bewegungen, die er nun ausführte, ließen vermuten, dass er sehr geübt mit diesen Waffen war. Sie waren wie Verlängerungen seiner Arme für ihn. Er stürmte auf die Wachen zu, die ob der neuen Gegner begannen sich zu regen und ihrerseits ihre Waffen zogen. Mit flüssigen Schwüngen hieb Duncan auf seine Gegner ein. Mit dem ersten Streich seines Schwertes durchtrennte er den Arm der ersten Wache und stach ihm im nächsten Moment den Dolch in die Rippen. Geschmeidig wie eine Katze drehte er sich einmal um die eigene Achse und zog mit dieser Bewegung gleichzeitig den Dolch aus den Rippen des toten Soldaten und stieß ihn mit dem Ellenbogen seines rechten Arms von sich. Der zweite Gegner hatte in der Zwischenzeit sein Schwert zu einem Angriff gehoben, dieser verpuffte jedoch an Duncans Schwert, als dieser es zwischen sich und seinen Gegner brachte. Durch eine geschickte Drehung seines Handgelenkes brachte er die Hand seines Gegners in Reichweite seines Dolches und durchstieß mit diesem die Hand. Das Schwert fiel scheppern zu Boden und der Soldat schrie vor Schmerz auf, sank vor Schock auf die Knie und im nächsten Moment rollte sein Kopf neben seinem leblosen Körper entlang. Duncans Schwert hatte ihn mit einem Streich abgetrennt. Der Dritte Wachmann war wie erstarrt. Er blickte mit angsterfüllten Augen auf Duncan und fleht: „Bitte, Herr. Wir führen doch lediglich Befehle aus. Lasst mich gehen und ich werde für das was ich getan habe sühnen.“ Duncan ließ seine Waffen sinken und bedeutete dem geschlagenen Mann zu verschwinden. Der Junge hatte den Kampf, der nur Sekunden gedauert hatte aufmerksam verfolgt, als ihn nun eine Bewegung in seinen Augenwinkeln aufmerken ließ. Aus der Tür zur Küche trat ein weiterer Soldat, bewaffnet mit einer riesigen Axt. Leisen Schrittes versuchte er sich in Reichweite Duncans zu begeben, dessen Augen noch auf dem fliehenden Soldaten verweilten. Der Junge reagierte instinktiv, nahm einen der Dolche aus seinem Gürtel und schnellte vor. Er war nur wenige Schritte von seinem Gegner entfernt und hatte die Entfernung in Sekundbruchteilen hinter sich gebracht. Als der Riese ihn bemerkte war es schon fast zu spät. Der Junge, der ihm gerade bis zum Bauch reichte, ließ sich auf die Knie fallen und schlitze ihm mit dem Dolch die Kniekehle auf. Der Mann, seines Gleichgewichtes beraubt, schrie auf vor Schmerz und knickte auf dem rechten Bein ein. Er begrub dabei den Jungen unter sich, der kaum noch Luft bekam unter der Last des Riesen. Duncan reagierte blitzschnell, drehte sich um und war in wenigen Augenblicken über dem Mann und stach ihm mit seinem gebogenen Dolch in die Brust. Der letzte Gegner verlor alle Spannung aus seinem Körper, er war tot.
Duncan wälzte den Toten zur Seite, um den Jungen von der Last zu befreien. „Du hast mir das Leben gerettet. Dafür danke ich dir. Du hast hervorragend reagier.“. Der Junge, noch im Rausch des Kampfes gefangen, nahm diese Worte kaum zur Kenntnis. Die beiden begaben sich wieder zu dem Verletzten, hoben ihn auf und brachten die letzten Meter bis zur rettenden Vorratskammer hinter sich.
Als sie die Kammer erreicht und den Teryn vorsichtig abgesetzt hatten, ergriff diese das erste Mal das Wort. „Dort hinter den Regalen befindet sich der Ausgang.“, sagte er mit schwacher Stimme. Das Sprechen fiel ihm, ob seiner Verletzung, sichtlich schwer. Duncan erhob sich, um das Regal bei Seite zu schieben. „Junge“, richtete der Teryn das Wort an den Kleinen, „für mich ist es zu spät. Flieh von hier. Der Gang bringt dich sicher aus dem Schloss. Begib dich nach Amaranthine. Da Howe sich mit seinen Wachen hier aufhält, solltest du unbehelligt dort hingelangen sollen. Nimm den Beutel mit Geld und mach etwas aus deinem Leben.“ Der Junge nahm den Beutel wortlos entgegen. Er sollte nach Amaranthine? Alleine? Was sollte aus seiner Familie werden. Zum ersten Mal seit Beginn des Angriffs wurde ihm bewusst, dass sein Vater und seine Mutter vermutlich tot waren. Und dieser Gedanke lähmte ihn. Tränen stiegen ihm in die Augen und er begann bitterlich zu weinen. Da legte ihm Duncan die Hand auf die Schulter. „In Amaranthines Kirche solltest du Schutz bei der ehrwürdigen Mutter finden. Sie ist ein guter Mensch und wird sich um dich kümmern. Fliehe von dort aus möglichst aus Ferelden, denn die Verderbnis naht. Begib dich in die Freien Marschen, dort sollte es sicher sein.“ Der Junge schaute Duncan mit wässrigen Augen an. „Hör zu mein Junge. In dir steckt das Herz eines Grauen Wächters. Aber du bist zu Jung. Tu was ich dir gesagt habe. Und wenn du ein Mann bist kehre zurück und melde dich bei den Grauen Wächter. Sie werden erkennen was in dir steckt. Ich werde dann vermutlich nicht mehr Leben. Mich plagen heuer schon Träume von den Tiefen Wegen. Aber wenn du zurück kehrst, suche nach Alistair. Er ist ein guter Mann. Und er wird dich aufnehmen.“ Mit diesen Worten schob er den Jungen sanft in Richtung Ausgang. Dieser blickte noch einmal zurück auf den Teryn, der ihm aufmunternd zunickte. Er, ein Grauer Wächter? Er war mit diesem Gedanken und dem Geschehen einfach überfordert und ließ sich von Duncan weiter Richtung Freiheit schieben. „Lauf!“, sagte dieser zu ihm und ohne sich noch einmal umzudrehen fing er an zu laufen. Er lief einige Minuten durch einen stickigen, dunklen Gang, spürte die Spinnenweben, die sich in seinem Gesicht verfingen und auch als er an die frische Luft trat, lief er noch immer weiter. Erst als ihm die Puste ausging und ihm seine Lunge zu schmerzen begann, verlangsamte er seinen Schritt. Auf einer Anhöhe, die geschützt war durch einige Bäume, mit Ästen, die wie die Arme eines riesigen Monster durch die Luft schwangen, blieb er stehen und blickte zurück. In einiger Entfernung sah er das Schloss Highever. Der Tag begann bereits zu dämmern und so konnte er die Feuer schon nicht mehr erkennen. Dafür ließen aufsteigende Rauchschwaden das Ausmaß der Zerstörung erkennen. Und so blickte er auf seine Heimat zurück, den Ort, an dem seine Eltern gestorben waren und seine Kindheit endete. Er war nun auf sich alleine gestellt, ein Knabe von gerade einmal zehn Jahren, in einem Land, dem ein Bürgerkrieg und eine Verderbnis drohten. Ereignisse, von denen der Junge noch nichts wissen konnte und die er wahrscheinlich noch gar nicht verstanden hätte. Auch von den Ereignissen, die sich direkt nach seiner Flucht abspielten, wusste er nichts. Von der Geburt eines neuen Grauen Wächters, dem Helden von Ferelden, Tomas Cousland. Aber nicht nur ein Grauer Wächter ward geboren. Auch er würde ein Wächter sein. Er hatte Verstanden. Er musste jetzt ein Mann sein. Und er hatte das Zeug zum Grauen Wächter. Er würde in seine Heimat zurück kehren, als starker Krieger und würde sich den Wächtern anschließen. Alistair, diesen Namen würde er sich merken. So machte er sich auf den Weg nach Amaranthine und von dort aus weiter in die Freien Marschen, um zu lernen und stark zu werden.
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