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23.05.2011 16:59
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K1 #29 • Wache für einen Freund
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Vorherige K1 #28 • Behandlung
Nach dem Magaritt dem Mabari-Kriegshund aus dem oberen Kiefer einen Holzsplitter entfernt und Isilde nochmals den Rücken von Tobias behandelt hatte, hielt der Mann Wache bei dem schlafenden Hund. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K1 #29 • Wache für einen Freund
Die beiden Frauen waren in das Haus zurückgegangen. Tobias war mit Klecks allein. Der Hund hatte scheinbar den Eingriff gut überstanden. Zumindest wirkte der Trank aus der Alraunenwurz und das Tier schlief. Magaritt hatte die Zeit des Aufwachens auf den späten Nachmittag geschätzt und den Mann mit dem rosenblonden Haar beauftragt bei dem Hund zu bleiben. Tobias hatte sich eingerichtet. Aus ein paar Holzstangen, die er in Sternform aufgestellt und mit einem Lederriemen verbunden hatte, baute er eine Zeltkonstruktion um den Mabari. Über die Stangen legte er eine Plane, die er aus dem Anbau entnahm. »Schlaf gut alter Freund,« sagte er zu ihm und schaute selbst, ob er alles in seiner Nähe war, falls der Mabari aufwachen sollte.
»Ein Trinkteller, Wasser in einem Krug sowie mehrere Leinentücher,« zählte er für sich auf. »Wenn er so im Schatten liegt, müsste es ihm eigentlich behagen,« sagte Tobias mehr zu sich und schaute noch einmal nach der Schwellung am Kopf. Er hatte unter das halb offene Maul des Tieres ein Leinentuch gelegt und dieses vorher mehrfach gefaltet. So konnten mögliche Sekrete aus dem Rachen abfließen. Irgendwie meinte Tobias, dass man das Auge schon wieder erkennen konnte. Doch das war eher eine von den Feststellungen, die man tätigt, um sich selbst zu beruhigen. Der Mann hatte zwar sein Buch mit dabei, doch zum Lesen kam er nicht. Das lag nicht daran, dass Bruder Genitivi seine Reisen nicht packend geschrieben hatte. Auch die wenigen noch entzifferbaren Illustrationen verfügten auf Tobias nicht den Reiz, um zu dem Buch zu greifen. Es war so eine jener Nachmittagsstunden in der man vielleicht auch durch die Sonne beginnt über Vergangenes nachzudenken.
So stelle sich Tobias in Anbetracht seines schlafenden Hundes die Frage, wie es dann angefangen hatte mit dem Mabari-Kriegshund und ihm. Dabei kamen ihm die Ereignisse von vor fünf Jahren in den Sinn. Seine Gruppe war unterwegs zu einem kleinen Dorf zwischen Churneau und Ghislain. Nach dem die Reiter von Val Royeaux kommend die Stadt Ghislain in nordwestlicher Richtung passiert hatten, machte ihn einer seiner Gefährten auf Rauch aufmerksam. Jeder von ihnen ahnte, was das bedeuten konnte. Sie ritten, was die Pferde hergaben. Doch aber auch nur so schnell, dass sie noch mit den Tieren kämpfen konnten. Es war ein quälender Ritt. Immer die graue, dunkle Front des Rauchs vor sich mit der bohrenden Frage: »Werden wir es schaffen?«
Und als die Rotte der Reiter dann endlich in dem Dorf eintraf, dass einen Hilferuf wegen Banditen an die Chevalier, einem bekannten Ritterorden aus Orlais, gesendet hatte, hatten sie die Antwort vor den Augen. Sie lautete hart: »Nein!«
Bereits die ersten Häuser am Rande des Dorfes zeigten Spuren des Vandalismus. Noch konnte man von den eingeschlagenen tönernen Töpfen, die sonst auf die Zaunlatten gehängt wurden, den herausgerissenen Fensterläden der ersten Häuser nicht auf das Gesamte schließen. Stumm ritten die 12 Männer kampfbereit in die Ortschaft und sahen die Fratze grausamster Gewalt. Die erfahrenen Krieger kamen an rauchenden Trümmern vorbei. Wie Zeigefinger ragten die verrußten Schornsteine stumm in den Himmel. Hier und da grenzten noch einzelne Dachbalken, schwarz und verkohlt an die Schornsteine. Auch wenige Mauern standen noch Stein auf Stein. Glassplitter zeugten davon, dass hier keines der Fenster heil geblieben waren. Als sie weiterritten, wurde den Reitenden klar, dass das Dorf dem Erdboden gleichgemacht worden war. Je weiter die Männer zum Dorfinneren vordrangen, umso mehr erschlagene Bewohner sahen sie. Auf den Straßen und Wegen lagen verstümmelte Leichen. Gleich ob Frau, Kind, Greis oder Mann, sie waren in Stücke zerhackt, geschändet, auf widerlichste Weise zur Schau gestellt. Dazwischen tote und lebende Haustiere. Aus manchen Leichen ragten Speere, Pfeile, selbst große Äxte hatte man stecken lassen. Bei manchen der Toten hatte die Verwesung bereits begonnen. So sahen sie auch bereits einzelne aufgedunsene, bläulich verfärbte Körper, über denen sich die ersten Fliegen brummend sammelten.
Es bereitet den Männern, die viele Schlachten geschlagen hatten und die das eine oder andere Mal selbst den Tod vor Augen hatten oder einen Kameraden auf dem Felde dem Erbauer übergeben mussten, die wussten, wie jemand stirbt, dem eine Hellebarde durch den Leib gefahren war, sichtliches Unbehagen und Übelkeit beim Vordringen. Es lohnte sich auch nicht mehr, den Lachen voll mit Blut auszuweichen. Es war ein schreckliches und kaum in Worte zu fassendes Grauen, in welches die Männer ritten. Und als sie meinten, das Dorf ist verlassen, begannen die Männer, nach dem die Pferde an einen ruhigeren Ort gebracht und einige der Krieger an den Dorfeingängen zur Wache eingeteilt waren, die Toten auf einem großen Haufen aufzuschichten, um sie anschließend zu verbrennen. Dabei mussten sie auch kleinere Hunde oder Schweine von den Toten vertreiben.
An einer Stelle in der Nähe des Marktplatzes, zumindest konnte man aus den Überresten der noch qualmenden Stände und Verkaufstische darauf schließen, an einem einst schönen Haus, gab es eine Überraschung für die Männer. Tobias wurde als Rottenführer gerufen, weil seine Gefährten beim Bergen der Leichen attackiert wurden. Und als er dort ankam, sah er einen jungen, kräftigen Mabari. Dieser verteidigte einen toten Mann an den Stufen des zerstörten Gebäudes, dessen bessere Kleidung ihn möglicherweise als Dorfvorsteher kennzeichnen konnte. Seine Männer hatten nach all dem Tod, der in den Gassen und Straßen des Dorfes umherging, keine Nerven und wollten mit dem Kampfhund kurzen Prozess machen. Einer hatte schon einen Bolzen in die Armbrust eingelegt und zielte auf das Tier. »Halt! Schieße nicht! Ich will nach dem Hunde sehen,« hörte sich Tobias sagen und legte seine bewehrte Hand auf die Armbrust und drückte diese nach unten. »Gut wie Ihr sagt! Doch bei dem geringsten Zweifel werde ich schießen. Schon um Euch willen, Kommandant!« lautete die Antwort des Schützen.
Noch heute war Tobias ergriffen von der damaligen Situation. Mit welchem Bekennermut der Hund seinen jetzt toten Herrn an den Stufen des Hauses verteidigte, berührte ihn. Er, der seit Jahren Heimatlose, fühlt mit dem Tier. Denn das hatte auch seine Heimat verloren, als der Ort gebrandschatzt und sein Herr in den Tod geschickt wurde. So steckte er seine Waffe weg, legte den Schild auf den Rücken, gab Anweisungen und schritt langsam vorwärts. Tobias hielt in der Hand einen ledernen Beutel mit Wasser weit von sich. Er kam zu dem Hund, der sich ihm gegenüber noch zurückhaltend verhielt, knurrte, aber auch die Zähne fletschte und all seine Kraft zum Sprunge in seine Hinterläufe gelegt hatte. Das konnte Tobias an den angespannten Muskeln des Tieres erkennen.
Auf dem Wege zu dem Tier erinnerte er sich an die Hunde seines Vaters, wie er mit diesen als Kind gespielt hatte, ohne Scheu und ohne Angst. »Ein Mabari sucht sich seinen Meister selbst aus,« hatte sein Vater zu ihm gesagt und über seine Ungeduld gelacht, als er, Tobias, wissen wollte, man er ein Meister sein würde. Diese Erinnerung an zu Hause zerstreuten die letzten Zweifel an seinem Vorhaben. So kam er schließlich vor dem Hund zum Stehen. Noch hatte er kein Wort zu diesem gesagt. Er beugte leicht nach vorn, ging anschließend in die Hocke und vernahm das Geraune seiner Waffengefährten. Tobias wusste, dass er in dieser Haltung völlig die Schussbahn für die bereitgehaltene Armbrust verdeckte.
Als er später danach gefragt wurde, ob dieses seine Absicht gewesen sei, konnte er diese Frage nicht beantworten. Er hatte instinktiv, so wie in den Kindertagen auf der Burg am Südhang gehandelt. Er zog seine Armschiene behutsam aus, strecke überlegt seine ungeschützte Hand aus, presste die Finger zusammen, wölbte die Hand und goss schließlich etwas Wasser in diese und sprach: »Du bist ein stolzes Tier. Doch jetzt lass ab und trink. Du kannst für Deinen Meister nichts mehr ausrichten.« Dann verharrte Tobias in dieser Stellung. Es geschah eine Weile nichts. Doch der Hund hatte Witterung aufgenommen. Er roch das frische Wasser. Und so kam es, dass sich langsam, sehr langsam dessen Nase in Richtung der nassen Hand vorschob. Als das Wasser fast durch die Finger geronnen war, schleckte eine rosafarbene Zunge diese letzten Tropfen von der Hand. Tobias sichtlich überrascht von der Schnelligkeit des Hundes, erschrak, kam davon etwas ins Wanken, fiel aber nicht. So wiederholte er die Gabe mit dem Wasser und diesmal war der Hund sofort da. Anschließend lies Tobias das Wasser vorsichtig aus dem Lederschlauch auf seine hohle Hand laufen und der Hund schleckte sie stetig leer. Für Tobias war es ein eigenartiges Gefühl, als er die Zunge des Tieres so auf seiner Hand spürte. Seine Waffengefährten bejubelten die Handlungen mit solchen Kommentaren, wie »Hehe!«, »Brav gemacht!« oder »Dem Erbauer sei Dank!« Als das Wasser zur Neige ging, sagte Tobias zu dem Mabari: »Ich stehe jetzt auf! Wenn Du mitkommen willst, dann komm.«
Tobias erhob sich langsam und sah zu dem Mabari. »Wuff, Wuff!« war sein Bellen gewesen und es war eine junge, doch tiefe Stimme, die er da hörte. Aber es lang ein Ton der Ruhe, des Ausgleichs darin. Sicher hatte das Wasser dem Tier geholfen. Und wie Tobias in voller Größe vor dem Hund stand, beugte er sich nach unten und klappste, so wie er es als Kind gern getan hatte, dem Tier an die Seite. Der Mabari lies diese Geste zu. Darauf hin rief Tobias den Hund, wie er früher seinen Lieblingshund auf der Burg des Vaters gelockt hatte: »Komm Klecks! Komm wir gehen. Hier ist nichts mehr zu tun.« Und tatsächlich folgte der Kriegshund Tobias. Erst zögerlich, zu seinem alten, aber jetzt toten Meister schauend, doch dann stetig. Und als sie beide dann zu seinen Kameraden kamen, duckte Hund sich etwas schutzsuchend hinter Tobias ab und schmiegte sich an sein Bein, winselte zu ihm, denn die Gefährten von Tobias waren recht laute Zeitgenossen.
»Hehe!« hörte Tobias und zuckte zusammen. Vor ihm stand Isilde mit einem Glas Milch in der Hand und einem Stück von dem Gugelhupf, den er so gerne aß. »Na, seid Ihr eingeschlafen oder döst Ihr nur in der Sonne?«, fragte sie ihn verschmitzt. »Nein, nein,« stotterte Tobias etwas verlegen. »Ich habe nur über meinen Klecks nachgedacht,« fügte er noch an, bückte sich nach unten und schaute auf das Tier, welches in dem Schatten des kleinen Zeltes schlief. »Seht,« sagte er noch, zeigte auf das Auge des Tieres und drehte sich anschließend zu Isilde um, doch sie war schon auf dem Rückweg zum Haus. Und so sagte er mehr zu sich: »Die Schwellung beginnt zu weichen.« Dann griff er zu dem Glas Milch, trank einen Schluck und ließ sich den Kuchen munden.
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23.05.2011 23:53
#102
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36) Der große Moment
Der König winkte verhalten den Jubelnden zu und setzte zum Sprechen an.
„Meine Freunde, wir sind heute hier zusammengekommen um jene zu feiern, denen wir den Sieg verdanken. Von allen Kriegern, die sich der Dunklen Brut in Denerim entgegenstellten verdient eine Heldin besondere Anerkennung. Jene Streiterin, die den Angriff gegen den Erzdämon ausführte, weilt immer noch, gleich einem leuchtenden Vorbild, unter uns.“ Er streckte eine Hand nach Jaina aus, die der Geste folgte und nach vorne, auf das Podest, trat und Alistair gegenüber stand.
„Bürger und Bürgerinnen, ich möchte Euch hiermit meine Braut, Eure zukünftige Königin vorstellen. Jaina Cousland.“ Während dieses Satzes hatte Alistair sich nicht zu der versammelten Menge gedreht, sondern seinen Blick auf Jaina liegen gelassen und sein Tonfall verriet seine Freude.
Die Adeligen jubelten dem Königspaar zu, einige Hüte flogen durch die Luft und es herrschte Feierstimmung.
„Es ist schwer vorstellbar, wie du Ferelden noch mehr hättest dienen können. Ich denke, dafür bin ich dir etwas schuldig. Als Lohn und auch als Verlobungsgeschenk gewähre ich dir hiermit einen Wunsch.“
Jaina zögerte nicht. „Die Opfer der Wächter dürfen nicht vergessen werden.“
„Ein sehr guter Punkt.“ Alistair wandte sich an das Landthing. „Wir können mit einem Mahnmal hier in Denerim beginnen, zu Ehren aller Grauen Wächter, die ihr Leben ließen. Riordan, Duncan – sie alle. Zudem wird es Zeit, dass unsere Scholaren mehr über die Dunkle Brut in Erfahrung bringen – schließlich bekämpfen wir sie bei den Zwergen immer noch. Lasst alle wissen, dass das Arltum Amaranthine, das einst Arl Howe sein Eigen nannte, den Wächtern zugesprochen wird. Dort können sie sich sammeln und dem Beispiel all jeder folgen, die ihnen vorausgingen.“
Die Adeligen jubelten und zerstreuten sich mehr und mehr, lautes Gelächter und fröhliches Reden drang an Jainas Ohren.
Alistair drehte sich zu ihr. „Was hast du nun vor? Du bleibst doch hier, oder?“ Jaina lachte leise. „Du wirst meine Hilfe benötigen, oh großer König.“ „Hm, so wollte ich das nicht sagen, aber ich bin froh, dass du in meiner Nähe bleibst. Und ich darf die Frau heiraten die ich liebe.“ Treuherzig sah er Jaina an. „Ich glaube es gibt nichts Schöneres.“ Jaina lächelte gelöst und berührte Alistair goldbeschlagene Rüstung.
„Nun habe ich dich wiedergefunden, aber weißt du wo mein Hund abgeblieben ist?“
Alistairs Grinsen war so breit wie selten zuvor. „Ruf ihn doch.“
Jaina konnte sich keinen Reim darauf machen, aber gehorchte. Sie wandte sich in Richtung der Adeligen und spähte nach ihrem Hund. Sie konnte ihn nirgends entdecken. „Jag! Komm her!“ rief sie hörbar durch den ganzen Saal und alle Anwesenden wandten sich ihr zu. Eamon und Teagan standen nahe am Podest und auch sie grinsten so sehr, wie Jaina es noch nie an ihnen gesehen hatte.
Von einem der hinteren Seitengänge drang ein lautes Bellen, dann schoss ein Mabari zwischen den Beinen adeliger Männer wie Frauen hindurch hin zum Podest, wo er seine Herrin ansprang und den halben Weg zurücklief.
Nun teilte sich die Menge und schuf somit einen Durchgang, an dessen Ende eine Person auf das Podest zuging, die Jaina kannte. Sie konnte nicht glauben, was sie da sah und mit einem Satz sprang sie vom Podest und rannte auf ihren Bruder zu, der nun auch auf sie zulief – im nächsten Moment fielen sich Bruder und Schwester in die Arme, um sie herum sprang ein bellender Mabari, der seiner Freude Ausdruck verlieh.
Die Adeligen begannen zu applaudieren und zu johlen, Fergus war um einiges bekannter als Jaina, da er der Erbe der Teyrnairs von Highever war. Jaina ließ Fergus nicht los, sie drückte ihr Gesicht an seine kühle Lederrüstung, die an der Schulter mit Metall beschlagen war.
„Fergus, ich bin so glücklich dich zu sehen. Ich habe dich gesucht – ich habe deine Schildbespannung gefunden, aber ich wusste nicht – und das war bei Ostagar, aber wir waren ja wo ganz anders als wir...“ Fergus lachte schallend und drückte seine kleine Schwester an sich. „Kleines, immer mit der Ruhe. Es geht mir gut.“ Er packte sie an der Taille und wirbelte sie durch die Luft – wie er es zu besonderen Anlässen in ihrer Kindheit und Jugend immer getan hatte.
Der Fahrtwind wehte ihr durchs Haar und für einen Moment war sie nur die Schwester dieses wundervollen, jungen Mannes. Die beiden lachten und die Versammelten schmunzelten und wandten sich wieder ihren Gesprächen zu.
Fergus setzte Jaina ab und streichelte Jag, der immer noch bellend um sie herumsprang.
Jaina packe Fergus Hand und zog ihn zum steinernen Podest, wo Alistair in seiner königlichen Rüstung stand und glücklich lächelte.
„Bruder, das ist Alistair, den ich als Grauer Wächter kennen lernte, der mit mir alles durchgestanden hat und der jetzt König von Ferelden ist. Und das, Alistair, ist Fergus, mein Bruder, den ich überall gesucht habe und der tatsächlich überlebt hat – wie ich es gesagt hatte!“
Fergus machte Anstalten sich vor Alistair zu verbeugen, aber der hielt ihn mit einer Handbewegung auf, zog ihn auf das Podest, sodass sie beide ebenbürtig gegenüberstanden und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Fergus, ich habe mich schon gefragt, wie Ihr sein müsst, um so hoch in Jainas Ansehen zu stehen. Aber das sollte ich nicht ausführen, sonst werde ich es bald bereuen.“ Er zwinkerte Jaina schelmisch zu und lud Fergus ein, mit zum Anwesen des Arls zu kommen, während der Palast für sie vorbereitet werden würde. Jaina übermittelte die Einladung an Zevran und Leliana, die versprachen, nachzukommen.
Einige Wachen begleiteten den jetzigen König zum Anwesen des Arls, wo sich die drei in den Speisesaal begaben und um eine Mahlzeit baten.
Während des Essen zubereitet wurde, ließ Alistair die wiedervereinten Geschwister allein um sich umzukleiden.
Fergus löcherte Jaina mit Fragen, die sie ihm alle nacheinander beantwortete. Sie erzählte von ihren Abenteuern – von Ostagar, vom Turm von Ishal, der Wildnis, von Redcliffe und Haven und dem Tempel der Asche, von den Elfen und Zwergen und vom Landthing. Sie erläuterte auch ihre Suche nach ihm und wie sie Zevran getroffen hatte – Fergus schwankte zwischen Lachen und Entsetzen.
„Kleines, du hättest dich damit in ernsthafte Schwierigkeiten bringen können. Ich weiß es ja zu schätzen, dass du so intensiv nach mir gesucht hast, aber diesen Zevran hätte ich getötet.“
„Schlimmer konnte es doch kaum noch kommen.“ Jaina legte ihrem Bruder eine Hand auf den Arm. „Du warst weg, die Wächter hatten mich rekrutiert und ich hatte keinen blassen Schimmer wie ich das alles angehen sollte, ein Meuchelmörder will mich tot sehen und schließlich muss ich auch noch in der Politik mitmischen“, zählte sie auf.
„Mir scheint, als hättest du dir das mit der Politik selbst ausgesucht...“, grinste Fergus. Jaina lächelte schwach. „Nun erzähl schon, wie ist es dir ergangen?“
Fergus lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und streckte die Beine aus. „Wir sind nie in Ostagar angekommen. Wir wurden von einer Schar Dunkler Brut angegriffen, als wir in der Wildnis ankamen und sie erkundeten. Die meisten meiner Männer wurden getötet und ich wachte zwei Wochen später in einer Chasind-Hütte mit hohem Fieber auf. Als ich wieder stehen konnte, hattest du deine Armeen schon versammelt und warst kurz davor nach Denerim zu marschieren. Ich habe versucht Nachricht nach Highever zu schicken...“. Fergus braune Augen verdunkelten sich vor Schmerz und Trauer.
Jaina erhob sich und stellte sich hinter ihren Bruder um ihm die Hände auf die Schulter zu legen. „Es tut mir so Leid. Aber Howe hat für alles bezahlt. Ich habe ihn getötet.“
Fergus nickte. „Howe war ein gieriger Verräter. Zu gerne wäre ich dabei gewesen, als du ihm das Leben ausgehaucht hast. Wenigstens gehört Amaranthine den Grauen Wächtern. Ausgleichende Gerechtigkeit, hm?“
Jaina erriet die Gedanken des älteren Bruders. „Du willst zurück nach Highever. Aber erhole dich hier wenigstens noch ein, zwei Tage.“
Fergus nickte nochmals. „Ich muss das Chaos dort beseitigen. Das wird dauern. Aber ich nehme an, dass wir danach genügend Zeit miteinander haben.“
Jaina und ihr Bruder unterhielten sich weiter, als die Küchentür aufschlug und einige Diener das Essen servierten. Kurz darauf kam auch Alistair in einer Lederhose und einem weiten Hemd zurück und die drei ließen es sich schmecken. Jaina war erfreut darüber, dass Fergus und Alistair sich gegenseitig mit Fragen löcherten, obwohl Jaina sich denken konnte, dass ihr Bruder seinem künftigen Schwager auf den Zahn fühlte. Alistair ließ seinen zuweilen seltsamen Humor nicht außen vor – hätte er wahrscheinlich auch gar nicht gekonnt – aber er wirkte selbstbewusster als die ganze Zeit zuvor.
Irgendwann spazierten Leliana und Zevran herein und bedienten sich ebenfalls am Menü. Und tatsächlich feierten Jaina und ihre Freunde den Sieg über die Verderbnis und die Herrschaft des neuen Königspaars.
Es wurde Wein ausgeschenkt, Eamon hatte sich zu ihnen gesellt während Teagan schon nach Redcliffe abgereist war, und lauschte gespannt den Geschichten Lelianas, die alle in ihren Bann zog. Vor allem Zevran hing fast wie verzückt an ihren Lippen als sie von den Streichen an Adeligen erzählte, immer darauf bedacht, sich diplomatisch und humorvoll auszudrücken.
Als sich der Abend dem Ende zuneigte nahm Leliana Jaina beiseite und zog sie in einen Nebenraum. Die junge Bardin glühte vor Freude und wahrscheinlich auch ob des Alkohols. „Jaina, ich habe eine Neuigkeit. Ich werde dich für einige Zeit verlassen müssen – aber danach komme ich wieder!“ Jaina hob fragend die Brauen. „Du bist nicht an mich gebunden, und ich weiß, dass ich in letzter Zeit mit meinen Gedanken eher woanders war. Ich hoffe, es ist nicht deswegen...“
„Nun, nein. Es ist wegen Zevran. Er hat sich freudig bereiterklärt, mit mir meine ehemalige Auftraggeberin zu suchen. Ihr Name ist Marjolaine. Sie stammt aus Orlais. Ich habe eine Ahnung wo wir sie finden können, denn mit ihr habe ich noch eine Rechnung offen – das hat Zevran mir klar gemacht.“
Jaina kratzte sich an der Stirn. „Du willst sagen, unser Meuchelmörder legt neuerdings Wert darauf, mit der Vergangenheit abzuschließen? Der sollte mir nicht zu nahe kommen.“ knurrte Jaina halb ernst, halb im Spaß.
Leliana lachte laut auf und kriegte sich fast gar nicht mehr ein. „Nein, nein, es ist nur weil diese Vergangenheit – ich habe sie begraben, aber mehr aus Zwang. Ich erzählte ja, dass ich aus Orlais geflüchtet bin. Jedenfalls will ich sicherstellen, dass Marjolaine mir nicht noch einmal im Leben gerumpfuscht. Zevran will mir helfen – wahrscheinlich nicht zuletzt, weil sich die Krähen ein Beispiel an der Intrigenwelt in Orlais nehmen können“, kicherte die Bardin.
„Dann wünsche ich dir dabei viel Erfolg. Ich habe auch noch eine Reise mit Alistair vor. Jetzt wo das noch geht – und es wird jetzt schon ein Theater. Man kann den König ja nicht fünf Minuten aus den Augen lassen. Ich gedenke zu meiner Hochzeit wieder hier zu sein – du auch?“
Leliana hatte sich beruhigt und freudig rief sie: „Aber natürlich! Wir werden auch Zevran wundervoll einkleiden. Erzählte ich schon, dass in Orlais viele Damen – und manche Männer – lebende Hüte tragen? Das wäre doch etwas für Zevran. Und dazu ein Paar Schuhe, am besten aus...“ Jaina geleitete die Bardin zurück in den Speisesaal, in der Hoffnung dort dem Schuh-Gerede ausweichen zu können. Tatsächlich entdeckte sie Zevran, der dabei war, Alistair zu weiteren Weinkelchen zu überreden – mit Erfolg.
Jaina erinnerte sich an die Geschichte der feiernden Templer und ein Grinsen zuckte über ihr Gesicht, als sie mit Leliana auf ihren Verlobten und den Elfen zuging, der sie breit angrinste.
„Jaina, du wirst es nicht fassen, er redet fast verständlicher als sonst! Was so ein bisschen Wein ausmachen kann… sollte man nicht glauben. Allerdings dürfte seine körperliche… Leistungsfähigkeit gerade etwas eingeschränkt sein.“ Anzüglich grinsend musterte Jaina den Elfen und dann Alistair, der tatsächlich an einer Weinflasche nuckelte als wäre warme Milch darin.
„Nun, ein bisschen Wein wird ihm nichts machen – nicht bei meinen Reizen.“
„Die sind ja auch nicht zu übertreffen. Die Oberste Klerikerin wäre stolss auf mich.“ nuschelte Alistair vor sich hin. „Ich frage mich ja, mit welchem Templer die was am Laufen hatte… wahrscheinlich mit nem Magier, sie stand so sehr auf das Außergewöhnliche…“ Zevran bog sich vor Lachen während Jaina sich zu Alistair beugte.
„Hey, mein majestätischer Säufer, vielleicht sollten wir uns in Richtung Bett begeben?“ „Neee, isses so schön…“ Alistair sah sie aus leicht glasigen Augen an – und hinter den glasigen Augen erkannte Jaina einen klareren Blick als sie gedacht hätte. Mann, die Templer halten wirklich einiges an Alkohol aus, überlegte sich Jaina. Aber gut, soll mir Recht sein.
Grinsend setzte sie sich auf Alistairs Schoß, genau berechnend wo welche ihrer Körperpartien die seinen berühren würde und trällerte: „Aber mein Gemahl, der Wein tut dir nicht gut. Zudem hat dieser spitzohrige Halunke deine … Leistungen angezweifelt. Das kannst du doch nicht auf dir sitzen lassen!“ Mit Betonung auf „sitzen“ bewegte sich Jaina ganz leicht – scheinbar ohne Erfolg.
Leliana wie auch Zevran hatten ihre Bewegung gesehen und sahen sie ungläubig an, unentschlossen sie lachen oder laufen sollten. Jaina amüsierte sich köstlich über die Mienen ihrer Freunde.
„Das soller mal anzweifeln. Dem wird ichs zeigen. Ich bin munter wie ein Fisch im Wasser – im Alkohol – wo auch immer. Wo ist der Wein?“ lallte Alistair und Jaina nahm ihm die leere Flasche ab. „Komm mit, der ist oben.“ Sie zwinkerte Leliana und Zevran zu, die grinsend nickten und hauchte ihnen ein „Schlaft schön!“ zu.
Der Arl war schon längst in sein Gemach verschwunden als Alistair und Jaina die Treppe hinaufwankten – wobei eher Alistair wankte und Jaina ihn stützte.
„Dass du es auch immer gleich übertreiben musst…“ mahnte Jaina. „Aber es war so lustig.“ brummte Alistair schuldbewusst. „Leliana meinte, wenn ich zehn – zwölf – also… äh, viele Flaschen Wein trinke, dann zeigt sie mir ein Geheimnis unter ihrem Gewand.“ Alistair nickte zustimmend wie ein kleiner Scholaren-Lehrling. „Sie meinte, dir würde das gefallen.“
„Soso. Meinte sie das.“ Jaina schüttelte den Kopf – ein trickreiches Mädchen. Ob sie nun den Dolch gemeint hatte, oder etwas anderes wollte sich Jaina gar nicht überlegen.
Sie führte Alistair in ihr Zimmer und bugsierte ihn auf ihr Bett, wo er glücklich hineinfiel. Unterdessen hatte Jaina den Krug vom Tisch genommen, den Lappen ausgedrückt und näherte sich Alistair, der gar nicht reagieren konnte, als sie ihm den Wasserkrug über dem Kopf ausleerte. Sie stellte den leeren Krug neben dem Bett ab und lachte den patschnassen und prustenden Alistair an, der anscheinend auf einmal sehr viel klarer sah. „Du kleines…!“ Er packte sie halb aufgerichtet an beiden Arm und warf sie neben sich auf das Bett wo er versuchte, sie so zu fixieren, dass sie sich nicht rühren konnte, doch Jaina lachte nur und dachte nicht mal daran sich zu wehren.
Den Lappen noch in der Hand begann sie, damit Alistairs Gesicht abzutupfen. „Alistair… ich möchte Fergus nach Highever begleiten. Und dir meine… Heimat zeigen. Wirst du mitkommen?“
Alistair ließ sich zur Seite fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
„Wenn es da Wein gibt.“
Jaina stützte sich auf einen Ellenbogen und fuhr mit dem feuchten Tuch am Hals des Mannes entlang. „Da gibt es noch viel mehr, vor allem hübsche Frauen die den Wein dort servieren. Was glaubst du wohl, weshalb ich so aussehe? Die schönsten Frauen kommen aus Highever.“ Damit beugte sie sich vollends über Alistair und gab ihm einen Kuss.
Danach erhob sie sich, entkleidete sich bis auf ein dünnes Hemd und ihre Leinenhose und löschte das sanfte Kerzenlicht, das vorher wohl eine Dienerin entzündet hatte.
Sie kroch zurück in das warme Bett und fand direkt neben ihrer Bettseite einen warmen, muskulösen Körper vor, die sehnigen Arme umfingen sie und entspannt und gelöst schliefen die beiden Grauen Wächter ein – überzeugt ihre Arbeit getan zu haben.
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27.05.2011 10:09
#103
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37) Vision oder Illusion?
Eine steinerne Brücke zieht sich über einen gefrorenen Fluss. Die Kälte ist förmlich sichtbar, obwohl kein Schnee liegt, ist Raureif auf den Gräsern neben der steinernen Brücke erkennbar, die wie grob zusammengesetzt scheinbar mitten im Nirgendwo steht. Ein leichter Windstoß bringt träge, gefrorene Äste ganz langsam zum Schwingen, es knirscht und knackt, ein beständiges Rauschen ist zu hören. Diese friedliche aber kalte Stille wird abrupt unterbrochen als ein ohrenbetäubendes Brüllen zu vernehmen ist und der Fluss, die Bäume und die Gräser wird im Zeitraffer auftauen. Eine gewaltige Erschütterung bringt die gerade noch so ruhige Landschaft zum Erbeben, der Raureif tropft flüssig von Halmen und Blättern, der Fluss scheint langsam aufzutauen. Vier gewaltige, krallenbewehrte Klauenfüße ragen wie dünne Säulen in die Luft, die schwarze, eisern wirkende Haut verhüllt nicht die Hitze, die das Wesen ausstrahlt. Ein gleißender Feuerstrahl erhellt Wiese, Bäume, Brücke und Fluss, in dem das Wasser nun zu fließen beginnt – doch augenblicklich ins Stocken gerät.
Unter Kreischen und Brüllen des Wesens wandelt sich das Wasser von flüssigem klaren Blau in klumpiges, zähes, gallertartiges Schwarz, das nicht mehr fließt, sondern unregelmäßig schleichend vor sich hinschwappt. Die Bäume sind in derselben Zeit so gut wie eingegangen, die Blätter hängen verfault an den Ästen, jeglicher Grashalm lässt den Kopf hängen.
Einzig die Steinbrücke scheint standhalten zu können, als das Wesen sich wieder erhebt und dem Blick entschwindet.
Keuchend fuhr Jaina auf. Durch das Fenster schien ein winziger Sonnenstrahl – Jaina sprang aus dem Bett und rannte zum Fenster. Tatsächlich, draußen war die Sonne noch nicht ganz aufgegangen. Sie holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Schweiß stand ihr auf der Stirn, lief an ihrem hübschen Gesicht herunter.
„Jaina… komm her…“ kam es vom Bett aus schlaftrunken. Mit immer noch rasendem Puls näherte sich Jaina wieder dem Bett ohne ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu haben. Sie sank wie erschlagen auf ihre Bettseite, es störte sie nicht im Geringsten, dass sie Alistair halb unter sich begrub. „Komm her, du Schmusekatze, du musst dich nicht auf mir … Was hast du denn?“ Alistair hatte sich unter ihr hervor gekämpft und wollte sie in den Arm nehmen, dabei sah er ihren Gesichtsausdruck. Die Augen weit aufgerissen und vollkommen blass im Gesicht, lagen die Lippen blutleer darin und die Pupillen waren glasig.
„Hast du auch zuviel getrunken?“ Gutmütig wollte Alistair ihr über die Wange streichen, doch Jaina rührte sich nicht. Wie paralysiert lag sie da. „Alistair… es… ich…“ sie brachte kaum einen Ton, geschweige denn einen zusammenhängenden Satz hervor.
„Nur keine Sorge, der Kater geht weg, es ist noch früh. Ein bisschen Schlaf, dann fühlst du dich besser.“ Jaina schaffte es den Kopf zu schütteln.
„Was ist nur mit dir los? Ich dachte, ich hätte gestern ordentlich getrunken – hat Zevran dich vergiftet?“ Plötzlich alarmiert sah Alistair Jaina an, der wie aus dem Nichts Tränen über das Gesicht liefen. „Es war umsonst!“ flüsterte sie, die Augen weit aufgerissen und an die Decke starrend.
„Umsonst heißt nur, dass du kein Geld dafür bezahlen musst, ideal dir etwas hineinzumischen, verflixt, ich werde diesen Elfen ein für alle Mal…“
Alistair hatte sich aufgerappelt und wollte aus dem Bett steigen, doch Jaina bekam seine warme, trockene Hand zu fassen und hielt sie mit ihren kalten, schweißfeuchten Fingern fest.
„Liebster… nein. Es… der Dämon.“
Alistair sah sie misstrauisch an. „Jaina, den haben wir erst besiegt. So schnell wird da keiner wiederkommen. Du hast nur zu viel getrunken.“
„NEIN!“ fuhr Jaina auf, plötzlich ihre Starre abwerfend und funkelte ihn an. „Hör mir doch einfach zu!“ Einigermaßen erschrocken nahm Alistair neben ihr Platz und befühlte kritischen Blicks ihre Stirn, was sie zuließ. Schweißnass und gleichzeitig eiskalt wie ihre Hand fühlte sie sich an.
„Ich hatte eine Vision. Eine Winterlandschaft, ganz ruhig. Auf einmal war der Dämon da und zerstörte alles. Nicht mit seinem Feuer, sondern mit der Verderbtheit. Wiese und Bäume gingen ein – selbst das Wasser verfaulte. Alistair, was geschieht hier?“
„Ich dachte, wir hätten erst mal genug Verderben verhindert. Da kann einer wohl nicht genug kriegen. Der ist wie du.“
„Das ist nicht komisch! Ich habe keine Ahnung was hier passiert und du machst dumme Witze!“ fauchte Jaina.
Mit funkelnden Augen drückte Alistair Jaina einhändig wieder in die Waagerechte und legte sich neben sie, die Decke sorgsam um sie beiden legend. „Jetzt beruhige dich. Die Sonne ist kaum aufgegangen. Erzähl mir in aller Ruhe was passiert ist. Vielleicht entdecken wir ja etwas was uns weiterhilft.“
Alistair bettete Jainas Kopf auf seine Brust und wärmte die eiskalte und zitternde junge Frau, die erst stockend, dann flüssiger beschrieb, was sie gesehen hatte. Allmählich beruhigte sie sich und wärmte sich an ihrem Verlobten.
„Was kann das nur bedeuten? Es war kein gewöhnlicher Traum!“
Alistair dachte stirnrunzelnd nach. „Von so etwas direkt nach einer Verderbnis habe ich noch nie gehört. Vielleicht das Abschiedsgeschenk des Dämons an den Drachentöter?“
Jaina musste nicht mal den Kopf schütteln. „Wenn das real ist, was ich sah, dann bedroht es Ferelden schon wieder. Wir müssen herausfinden, womit wir es zu tun haben. Und ich glaube, ich weiß auch wo wir anfangen.“
Alistair nickte zustimmend. „Ostagar. Ich kann nicht sagen, dass ich mich freue. Ich hatte mich gerade daran gewöhnt wieder in einem Bett zu schlafen.“
Jaina erwiderte in kühlem Tonfall: „Wenigstens kannst du schlafen. Oder du warst zu betrunken um deinen Traum wahrzunehmen.“ Sie stand auf und begann sich anzukleiden. „Wann sollen wir aufbrechen? Und vor allem – werden wir das können? Vergiss nicht, wir sind das Königspaar.“
Alistair hatte es ihr nachgetan und war dabei, seinen Ausrüstungsgurt umzulegen.
„Wir werden gehen. Wir sind die einzigen Grauen Wächter hier – und selbst wenn wir geeignete Kandidaten wüssten können wir nicht warten, bis sie den Beitritt hinter sich gebracht haben – denn die Suche nach Blut könnte etwas dauern. Anders gesagt gibt es gar keine andere Möglichkeit. Ich werde mit Arl Eamon sprechen. Und...“
Er drehte sich zu Jaina um, da er schon im Türrahmen stand, die ihn unterbrach. „Wir sollten sobald wie möglich aufbrechen. Eine Vision kalkuliert Reisezeit nicht ein.“ Widerstrebend sah sie zu Boden. „Ich werde mich von Fergus verabschieden. Leliana und Zevran werden nicht mitkommen, das erzähle ich dir später.“
Sie galoppierten auf zwei großen Pferden durch die Steppe. Ihre Sohlen streiften hohes Gras, das sich im leichten Wind wiegte. Alles wirkte friedlich und still, die Sonne stand schon tief am Himmel.
Sie waren den ganzen Tag geritten und hatte Denerim weit hinter sich gelassen. Eamon hatte Alistair nicht gehen lassen wollen, aber letztlich eingesehen, dass die beiden zu zweit bessere Chancen hatten, zumal keiner wusste, was in Ostagar geschehen war seit dem Sieg über den Erzdämonen. Ein kleiner Bach kam in Sicht und Jaina steuerte ihr Pferd darauf zu, und hielt Ausschau nach ihrem Hund, der zwar mithalten konnte, aber fast am Ende seiner Kräfte war – ebenso wie die Pferde.
Jaina sprengte durch das klare Wasser und ließ ihr Pferd auslaufen während sie absprang und sich direkt an den Bach kniete und ihr Gesicht wusch.
Neben sich hörte sie ein Schlappen und als sie den Kopf drehte sah sie Jags rosafarbene Zunge wieder und wieder durch das Wasser fahren. Auf ihrer anderen Seite tränkte Alistair die beiden Pferde, bis er sich danach selbst abkühlte.
Jaina spritzte sich Wasser auf Haare und Rüstung, wandte sich dann um und begann ein Zelt aufzubauen, das von besserer Qualität war als die vorherigen, in dieses passten auch gut zwei Personen, selbst Jag würde bequem zusätzlich darin Platz finden.
Alistair ging ihr zur Hand und erst als das Zelt aufgebaut war, machten sie sich daran, ein Feuer zu entfachen und packten ihr Proviant aus. Die Sonne war längst untergegangen, die Pferde grasten friedlich in der fruchtbaren Steppe. In die Stille hinein fragte Alistair:
„Wann wird Fergus nach Highever zurückkehren?“ Jaina biss auf einer Möhre herum. „Morgen. Er wird viel zu tun haben. Highever war seither ohne Regent. Du glaubst ja wohl nicht, dass Howe sich darum gekümmert hätte, was aus den Menschen in seinem eroberten Reich wurde.“ Bei der Erwähnung des Namens blitzen Jainas Augen auf – aber in ihnen lag nicht länger dieser unbändige Hass, den sie verströmt hatte, als sie Howe im letzten Kampf gegenüberstand.
Jag setzte sich neben seine Herrin und sah sie fast so treuherzig an, wie zuweilen Alistair es tat und Jaina konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. „Alistair, du hast das doch sicher von meinem Hund, dass du so gucken kannst“, sagte sie während sie ein Stück Fleisch für Jag auspackte und ihn damit fütterte. Entrüstet sah Alistair sie an. „Nein, den konnte ich wahrscheinlich seit meiner Geburt. Seit alle Entscheidungen ohne mich getroffen wurden und ich mit diesem Blick nur das Schlimmste zum Zweitschlimmsten abwehren konnte.“
„Jetzt übertreibst du. Andere Waisen wachsen auf der Straße auf und erhalten keine Templerausbildung. Und du hast mir erzählt, dass dir das Training Spaß gemacht hat.“
„Ja. Ich sage ja nicht, dass ich kein Glück gehabt hätte.“ Mit einem warmen Blick fuhr er ihr leicht über die Wange. „Aber sieh dir doch allein die Umstände an, unter denen wir uns kennengelernt haben. Sieh dir die Umstände an, unter denen wir alleine zusammen sein können, ohne von einem Hofstaat umgeben zu sein.“
„Dann hoffen wir, dass dieser Ausflug nicht so unangenehm wird, wie ich es vermute. Ich habe da ein ganz mieses Gefühl.“
„Ich auch. Und das liegt nicht daran, dass ich jetzt König bin. Was ist nun eigentlich mit Leliana?“ Alistair rückte dichter an Jaina heran, die Jag fertig gefüttert hatte und den am Boden liegenden Mabari streichelte.
„Achso, ja. Leliana will ihre Auftraggeberin finden und mit ihr abrechnen. Zevran hat sie darauf gebracht. Sie meint, sie muss mit ihrer Vergangenheit abschließen. Sie hat Recht“, fügte Jaina bitter hinzu. „Jeder sollte das, der es kann. Bei dir ist es Ostagar. Bei mir wird es vielleicht Ostagar und Highever sein.“
„Was hat Zevran damit zu tun? Mir soll es Recht sein, dass er sich nicht an uns gehängt hat, aber dieser Kerl macht doch nichts als Schwierigkeiten. Wir können nur hoffen, dass Leliana nicht auch auf der Abschussliste der Krähen steht.“
Jaina sah ihn mahnend an. „Er hat dir das Leben gerettet. Obwohl er es nicht hätte tun müssen. Er hätte uns alle wegsterben lassen können. Ich vertraue ihm.“ sagte sie in strengem Tonfall.
„Das heißt noch lange nicht, dass ich ihn sympathisch finden muss!“ knurrte Alistair ungehalten.
Jaina hob das Kinn ihren Verlobtes und sah ihm in die braunen Augen. „Nein, das heißt es nicht. Aber als König musst du vielleicht vielen vertrauen, denen du sonst nicht einmal eine Mistgabel ans Herz legen würdest.“ Alistairs Mundwinkel zuckten.
„Du hast ja Recht. Entschuldige. Ich fürchte mich einfach vor dem, was uns in Ostagar erwartet.“
Jaina nickte. „Nicht nur du.“
Kurze Zeit später beschlossen die beiden, schlafen zu gehen und begaben sich ins Zelt während Jag davor schlummerte. Die Sterne standen stumm am Himmel, sie schienen nicht einmal zu funkeln, sondern wirkten wie matte Stecknadeln, die teilnahmlos das Geschehen auf der Erde verfolgten.
Nach scheinbar unendlich langer Zeit verblassten die Himmelsgestirne und der Morgen dämmerte.
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27.05.2011 16:07
#104
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38) Unglaubliches Leid...
Alistair hob seine linke Hand und Jaina hielt ihr Pferd an. Sie befanden sich nun in Ostagar. Früh morgens waren sie weitergeritten, hatten nicht viel geredet sondern sich nur darauf konzentriert, möglichst schnell hierher zu kommen. Es war kühl. Obwohl Ostagar ganz im Süden lag, war der Herbst- und Wintereinbruch hier immer als erstes zu spüren. Die warmen Sommernächte waren längst vorbei, stattdessen war der Herbst hereingebrochen.
Der erdige Boden war hart und unnachgiebig, kalte, steife Windstöße trugen die letzten Blätter von den Bäumen. Die Sonne stand zwar am Himmel, warf aber nur ein kaltes Licht auf das Gebiet vor ihnen.
Alle drei fingen die Stimmung auf die hier herrschte – alle wussten was hier geschehen war. Alistair stieg gekonnt vom Pferd und nahm es am Zügel. Jaina tat es ihm gleich und nebeneinander, Jag zwischen sich, gingen sie auf den Eingang des Lagers zu – derselbe Eingang, den sie verwendet hatten um in die Wildnis zu gehen und wieder zum Lager zurückzukehren.
Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Die Holzpalisaden standen noch, die die Abgrenzung zum Mabari-Zwinger gewesen waren, ebenso waren noch zerrissene Zeltteile und Gestelle zu sehen, die das gegenüberliegende Magierlager gewesen waren. Auf der rechten Seite waren zwei ausgetretene Stellen, vom Umfang her zwei große Zelte.
„Hier“, murmelte Alistair leise, „stand Loghains Zelt. Und hier Cailans.“ Sie untersuchten Cailans Lagerstätte und tatsächlich entdeckten sie eine fest verschlossene Truhe, die sehr mitgenommen aussah. Jaina übergab Alistair die Zügel ihres Pferdes und kniete sich nieder um die Truhe zu untersuchen. „Hm. Da hat jemand versucht, sie mit Gewalt zu öffnen. Das hat aber nur bewirkt, dass man es noch weniger schafft. Das Schloss ist völlig verbogen. Mit genügend Zeit kriege ich es aber auf.“ Fragend sah sie zu Alistair, der nickte.
„Wir sollten nachsehen was darin ist. Kann ich dir helfen?“
„Ja. Halt das Schloss in diesem Winkel.“ Jaina erklärte es ihm und zog ihren Dolch. „Ich brauche eine dünne Kette. Haben wir...“, sie unterbrach sich und legte den Dolch neben sich, löste dann mit bitterer Miene das silberne Kettchen um ihren Halt, an dem das Amulett hing, das ihr Vater ihr gegeben hatte. Sie betrachtete es kurz, zog es von der silbern glänzenden eisernen Schnur herunter und verstaute es in ihrem Gürtel.
Mit dem Dolch schob sie Stück um Stück die kleine Kette durch das Vorhängeschloss, die zuerst nicht hindurchpassen wollte, aber durch einige gezielte Stiche gelang es Jaina, die Kette hindurch zu pressen.
Nach einigen nicht weiter erfolgreichen Versuchen, das Schloss mithilfe der Kette zu öffnen, änderte sich noch ein paar mal den Winkel des Schlosses und nach einer gefühlten Ewigkeit hörte man ein Klicken und das Schloss sprang auf.
Neugierig öffneten die beiden Wächter die Truhe und fanden darin einige Gewänder aus feinstem Stoff, einige Ringe und auf dem Grund der Truhe neben einem wunderschönen, edlen Dolch, der genauso gefertigt war wie Cailans Schwert es gewesen war, ein Blatt Pergament, dessen Siegel aufgebrochen waren. Es waren keine Fereldischen Sigel. Alistair und Jaina sahen sich an und rollten das Blatt auf. Sie lasen den Text und ihr Erstaunen stieg stetig.
Darin stand, dass orlaisianische Truppen zur Verfügung stünden und man nur eine Nachricht schicken müsste, sollten sie benötigt werden. Das Ganze war höflich und freundlich formuliert – und nicht so, wie man es von zwei verfeindeten Ländern vermutet hätte.
„Cailan hat tatsächlich Frieden mit Orlais geschlossen. Nur hat es ihm keiner geglaubt. Und die Truppen – sie wären innerhalb von ein paar Tagen hier gewesen. Alles wäre ganz anders gekommen...! Hat Loghain davon gewusst?“ Alistair sah den Brief fassungslos noch an.
„Möglich wäre es. Aber ich glaube es nicht. Cailan war nicht vollkommen idiotisch. Abgesehen von seiner Einstellung zu Schlachten. Wir müssen das unbedingt Eamon zeigen. Aber zuerst mal durchsuchen wir hier alles. Dort vorne war der Quartiermeister. Vielleicht finden wir dort noch etwas.“
So durchsuchten sie Stück für Stück das Lager, das Lazarett, den Bereich der Templer und der Magier. Sie fanden nichts nennenswertes. Die Dunkle Brut schien entweder alles selbst mitgenommen oder vernichtet zu haben.
Sie schlossen ihre Suche ab, und Jaina band die Pferde an einer ehemaligen Zeltstange fest.
„Komm mit.“ Ohne auf seine Antwort zu warten, nahm sie ihn an der Hand, die sich leicht feucht anfühlte. „Jag, du auch.“ Gehorsam schloss der Mabari zu ihr auf, ebenso wie die beiden Menschen hatte er sich äußerst ruhig verhalten. Dies war kein guter Ort, das war für jeden spürbar.
Jaina führte die beiden zu einer Art riesigem Holzhaufen, den sie schon erkannt hatte. Doch es war kein Haufen, es war nur eine Stelle umrandet und abgeschottet worden, als ob man versucht habe, etwas zu verdecken und die Gefahr zu bannen.
Jaina traf mit einem gezielten Tritt eine Holzplanke, die sich verschob und dadurch Blick freigab, auf was da verdeckt wurde. Sie entfernte noch einige weitere Platten, dann schob sie Alistair vor das freigelegte Loch und wies ihn an, hindurch zu kriechen, Jag folgte hintendran und sie bildete den Abschluss.
Eine Präsenz lag in der Luft. Eine Präsenz die sie alle kannten, und die Jaina sofort hatte zuordnen können. Alistair hatte endlich erkannt wo er sich befand und er war kreidebleich. Im inneren die provisorischen Holzzeltes befand sich ein abgebrannter Holzhaufen – es war das Feuer, an dem sie mit Duncan und den Rekruten gestanden hatten.
Hier schien die Kälte nicht so stark zu sein und Jaina fühlte, wie ihr Geist von etwas berührt wurde – es fühlte sich nicht schlecht an. Sie hatte so etwas noch nie erlebt.
Alistair hatte sich zu dem einstigen Feuer gebeugte und fuhr über die kalten, schwarzen Scheite.
Jaina wartete geduldig während sie versuchte, die Präsenz in ihrem Geist zu untersuchen, einzufangen, doch es funktionierte nicht. Endlich erhob sich Alistair und drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war weiß wie Schnee und seine Lippen zusammengepresst. Seine Lidränder waren rot angelaufen, aber keine Spur von Tränen war auf seinem Gesicht zu sehen.
„Wir müssen ihn finden. Und Cailan. Wir können sie nicht einfach so hierlassen.“ Entschlossen sprach er zu Jaina und Jag. „Spürst du es auch?“ Er legte die Hand an seine Schläfe. Jaina nickte wortlos.
Nacheinander krochen sie wieder aus dem Holzverdeck heraus und wandten sich in Richtung der Brücke, die schon in Sichtweite war.
Zu dritt hetzten sie über die Brücke, wichen Pfeilen aus und spürten den Teil der Brücke erbeben, den sie hinter sich gelassen hatte. Offensichtlich war er von einem Felsen getroffen worden. Sie konnte das Schlachtgebrüll direkt unter sich hören. Es blitzte und donnerte und die gesammelten Geräusche ließen Jainas Nackenhaare aufstehen. Sie wusste den Weg zum Turm noch, hier war sie mit Duncan entlanggelaufen. Jag hielt mit ihr mit und Alistair war direkt hinter ihr.
Die Erinnerung war da, sie konnten sich beide an jedes Detail erinnern. Ein felsengroßer Teil der Brücke fehlte, dort hatten anscheinend ein riesiger Stein eingeschlagen. Schroff fielen die Kanten ab, unter ihnen nichts als Tiefe und weit, weit unten der Waldboden.
Kleine Steinplättchen bröckelten ab, als Jaina vorsichtig daran vorbeiging und auf dem erhaltenen Teil der Brücke in Richtung deren Mitte ging. Dort, mit Blick zum Schlachtfeld hin, das viele Meter tiefer lag, stand ein übergroßes Holzkreuz.
Jaina schnürte es den Hals zu und sie hörte Alistair aufkeuchen, eine Hand griff nach ihrer. Fest drückte sie zu und gemeinsam gingen sie auf das Holzkreuz zu und blieben davor stehen.
Es war an den Mauern der Brücke durch Steine gestützt, befestigt und ragte hoch über die Brücke – von dort oben konnten man das ganze Schlachtfeld überblicken.
Und an diesem Kreuz hing, mit getrocknetem Blut verschmiert, der einstige König, Alistairs Halbbruder Cailan. Mit nichts als einem dreckigem Leinen um die Leibesmitte war er grob an das Kreuz gebunden und geschlagen worden, aus seinem Knöchel ragte noch ein dünner Eisenstift.
Cailans Kopf hing auf seine Schulter herab, die leblosen Züge schon weißgrau gefärbt, und überall war getrocknetes Blut.
Jaina zog Alistair weg von der gekreuzigten Leiche des Königs. „Wir müssen Duncan finden. Unten auf dem Schlachtfeld“, flüsterte sie heiser. Sie konnte den Anblick Cailans nicht länger ertragen. Sie hatte ihn nur kurz gekannt, aber eine derartige Grausamkeit wünschte sie keinem Menschen. Alistair nickte stumm und gemeinsam überquerten sie den Rest der Brücke und bahnten sich einen Weg auf das Schlachtfeld, nach unten.
Leichen lagen dort herum, kalte Leiber, teilweise noch mit Waffen im Körper, sowohl menschliche als auch Dunkle Brut. Der angrenzende Wald wirkte so bedrohlich wie nie zuvor. „Finde Duncan.“ Jaina strich ihrem Mabari über den Kopf und rieb seine Ohren, der sich aufmachte und mit der Nase am Boden einige Leichen absuchte. Jaina und Alistair liefen in eine andere Richtung und hielten Ausschau nach ihrem Wächter-Kameraden.
Sie konnten nichts finden.
Auf einmal hörten sie ein Bellen und sahen Jag eine Spur aufnehmen.
Schnell trabten die Wächter hinter dem Mabari her, der sie quer über das Schlachtfeld, bis fast vor die Brücke, führte, wo ein ganzer Haufen unidentifizierbarer Körper lag. Jag hielt davor an und umrundete den Haufen, sie hörten eine Schaben und Jag tauchte auf der anderen Seite auf, im Maul einen Griff, dessen Scheide auf dem Boden entlang gezogen wurde.
Alistair musste sich nicht bücken, um das Schwert zu untersuchen. „Das ist Duncans Schwert.“ Jag ließ es zu Alistairs Füßen fallen und beschnupperte winselnd den widerwärtig stinkenden Haufen. Jaina war nahe herangegangen und hielt die Luft an, um nicht den Gestank riechen zu müssen. Aufmerksam sah sie sich jedes Körperteil an das sie erkennen konnte, und tatsächlich, dort ragte ein Kopf aus dem ganzen Gewirr von toten Leibern. Es war schwer ihn auszumachen, da er über und über blutverschmiert war, aber Jaina konnte den Bart erkennen, der sich um den Mund formte, normalerweise schwarz, jetzt aber fast vollkommen dunkelrot gefärbt.
„Alistair.“ Sie deutete auf den Kopf und ihr Verlobter zögerte nicht. Er näherte sich dem Haufen und legte vorsichtig Duncans Körper frei. Jaina ging ihm zur Hand, und wundersamerweise stellte sich heraus, dass Duncans Körper, so makaber es schien, an einem Stück war, was nur bei wenigen Leichen der Fall war.
Jaina nahm das Schwert Duncans an sich und warf sich Duncans Beine über die Schulter, Alistair trug den Oberkörper des Mannes, der ihm so viel bedeutet hatte.
Sie schafften ihn und Cailan nacheinander zu dem Feuer, das eine so gewaltige Ausstrahlung hatte, die die Dunkle Brut nicht hatte unterbinden können.
Mithilfe der Pferde lösten sie weitere Planken und trugen eine Seitenwand fast vollständig ab, auf die Planken legten sie die Körper von Duncan und Cailan.
Jaina hatte einige Leinen aus dem Rucksack genommen und mit etwas Wasser angefeuchtet und säuberte das blutverschmierte Gesicht Cailans, das dem Alistairs so ähnlich sah, wie sie nun feststellte.
Alistair tat dasselbe schweigend bei Duncan.
Das Feuer hatten sie entzündet, doch selbst der Flammen vermochten nicht die eisige Kälte, die sich um die Herzen der beiden Wächter gelegt hatte, zu vertreiben.
Es war spät geworden. Das fahle Licht, das die Sonne hergab wurde noch kälter und rötlicher Schein tauchte das verlassene Lager in einen unheimlichen Schimmer.
Die beiden Grauen Wächter trugen die provisorischen Bahren direkt neben das Feuer, dessen Flammen nach dem zusätzlichen Holz leckten, steckten je einen Holzstab in Brand und platzierten ihn über den Köpfen der toten Männer.
Sie verließen das eigenartige Holzgefängnis und sahen von außen zu, wie die heiße Glut sich ausbreitete und die Leiber der Kämpfer umschloss und langsam verzehrte. Hoch stieb das Feuer auf und brannte lichterloh, Ruß wehte den Wächtern ins Gesicht, aber sie beachteten es nicht. Die Präsenz war wieder da und schien ihren Geist sanft zu berühren, als ob sie gestreichelt würden. Jaina sah eine Träne Alistairs Wange hinunterlaufen, sein Gesicht war wieder aschfahl und er rang um seine Selbstbeherrschung. Jaina fühlte sich kein Stück besser als ihr Freund aussah und nahm in einfach in den Arm. Eng umschlungen standen sie vor dem Feuer, Alistair blickte über Jainas Schulter hinweg zu dem langsam niederbrennenden orange-roten Schein. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und presste sie fest an sich, sie war sein einziger Halt in diesem unglaublich leidvollen Moment. Es hatte alles aufgehört, noch ehe es begonnen hatte. Ein Schuldgefühl machte sich in Alistair breit, von dem er wusste, dass es nicht stimmte. Doch was half ihm das?
Beinahe anklagend sah er zu dem glühenden Holzhaufen.
Alles rings umher war und blieb stumm. In Alistairs Kopf hämmerte nur eine Frage. „Warum?“ krächzte er fast unhörbar. Er spürte wie sich Jainas Griff um ihn verstärkte.
Er fühlte eine kalte Leere in sich, fast so, wie Ostagar wirkte. Mit einem letzten Blick in die vergehenden Funken erinnerte sich Alistair, an all die Wärme, die er von Duncan erfahren hatte. Die geistige Präsenz schien ihn zu umschließen und zu erfüllen. Er fühlte sich besser, die Leere schien langsam gefüllt zu werden.
Und dann war die Präsenz verschwunden. Und in sich fand Alistair wieder diese Leere, doch diesmal spürte er, dass sie keineswegs leer war. In ihm pulsierte eine starke Liebe. Die dunkle Phase würde ihn jetzt erfüllen, aber nun wusste er, was er zu tun hatte.
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27.05.2011 22:08
#105
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[Bild: little_light_of_love_by_smailika07-d310ii7.jpg]
Bild zu "Unglaubliches Leid..."
Jaina und Alistair in inniger Umarmung, trauernd um Cailan und Duncan; sich gegenseitig tröstend.
(Leider ist die weibliche Figur auf diesem Bild eine Elfin und kein adeliger Mensch)
Aber ich fand es so schön passend zu deiner Geschichte, Fawks. Weiter so!!
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28.05.2011 18:10
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K1 #30 • Diverses
#106
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Vorherige -> K1 #29 • Wache für einen Freund
Tobias hatte sich erinnert, wo und wie er den Mabari-Kriegshund gefunden hatte. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K1 #30 • Diverses
Das Nachdenken über Klecks und die kurzen Gespräche am Nachmittag hatten Tobias an seine Pflichten erinnert. Zu sehr hatte er sich seinen Gedanken, seinem Ziel »Wieder auf die Beine zu kommen« ohne richtige Inhalte verschrieben. Dabei hatte er sich mehr zu getraut, wie man es von einem Mann seines Alters erwarten konnte. Am späten Nachmittag, wo die Sonne den Waldrand am Horizont berührte und in ein eigenartiges blasses Rot tauchte, da erwachte der Mabari. Dem Hund ging es nach dem Eingriff schon besser, stellte Magaritt fest. Aber so wie Tobias würde der Kriegshund noch einige Tage brauchen. Diese Tage des Gesunden wollte der Mann mit dem rosenblonden Haar zielstrebiger, aber zugleich vernünftiger nutzen. Deshalb hatte er sich von Magaritt die zu schleifenden Messer geben lassen.
So saß er am nächsten Tag vor dem Haus an dem Tisch mit den dicken Holzdielen. Darauf lag ein beachtlicher Haufen an diversen Messern unterschiedlicher Längen und Nutzungszwecken. Eins war für alle gleich, es galt diesen eine neue Schärfe beizubringen. Der Mann hatte sich es eingerichtet. Den roten Sandstein hatte er befeuchtet und ein kleiner Krug mit Wasser war zur Hand. Auch das alte Leder zum Nachglätten lag bereit. So schliff er gründlich ein Messer nach dem anderen, achtete auf einen guten Schliffwinkel. Klecks lag zu seinen Füßen und schlummerte ein wenig. Der Hund wollte nach dem Eingriff nicht von seiner Seite weichen und Tobias war in seinem Innersten auch zufrieden, dass der Mabari ein Einsehen mit seinem Zustand hatte. Doch scheinbar wollte der Berg aus den ungeschliffenen Messern nicht abnehmen und der mit den wieder geschärften nicht wachsen. In dieser Tätigkeit erinnerte er sich, wie er Magaritt nach den Messern gefragt hatte. Dabei huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Denn auf seine Frage, wo den Messer zu finden seien, hatte die ältere Frau geantwortet: »Vor Euch!« Doch Tobias hatte außer dem Küchentisch nichts gesehen und geantwortet: »Magaritt, auf dem Tisch sind keine Messer. Die Tischplatte ist leer, nur Euer Tischtuch liegt darauf.« Daraufhin hatte Magaritt zuerst nichts gesagt. Sie war auf den Tisch zugegangen, hatte das Tischtuch hochgeschlagen und aus dem Tisch eine Schublade herausgezogen. Es schepperte ein bisschen, als die Lade zum Stehen kam und das Besteck an die vordere Verkleidung rutschte. Dabei sagte die Frau mit einem lustigen Ton: »Ihr wart wirklich nie in einer Küche.« Tobias hatte erstaunt reagiert und lachend geantwortet: »Stimmt!«
Bei seinem Schleifarbeiten gesellte sich Isilde zu ihm und lobte, als sie ein Messer mit dem Daumennagel prüfte: »Hui, das ist ja scharf.« Dann fügt sie mit einem Lachen hinzu: »Hoffentlich haben mir genug an Verbandsmaterial im Haus.« Daraufhin entgegnete Tobias mehr im Scherz: »Nun, bei einem kleinen Pikser, kann man auch mal mit dem Mund die Stelle abdecken.« Sie sagte zuerst nichts dazu, schüttelte ein wenig den Kopf und erkundigte sich anschließend nach dem Hund. »Klecks geht es gut. Er hat gerade etwas Wasser bekommen und döst jetzt herum. Ist schon selten, ihn mal so ruhig zu erleben,« erklärte Tobias. »Ja, das stimmt,« sagte Isilde. »Er ist schon recht wild, weiß sich aber auch zu benehmen. Scheint er von Euch zu haben.« Tobias schwieg ein wenig und fragte dann mit einem Augenblinzeln: »Das Wilde oder das Benehmen?« Die junge Frau lachte und antwortete dabei: »Oh, Euer Humor kommt zurück, dann scheint es Euch ja wieder besser zu gehen.« »Ja, das stimmt,« sagte Tobias.
»Ich soll Euch von Mutter fragen, ob Ihr, wenn wieder gesund, auch mitkommen wollt, wenn wir zur ‘Verlassenen Bucht’ gehen sollten? Ihr müsst nicht sofort antworten,« fügte Isilde noch hinzu. »Ich werde darüber nachdenken,« antwortete Tobias und fragte nach: »Gibt es einen Grund für die Frage?« »Nun,« antwortete die junge Frau, »wenn Ihr länger hier bleibt, müssen wir uns auch so einrichten, dass im Winter für drei das Essen da ist. Und bald werden die ersten Stürme aufziehen und dann sollte alles besprochen sein.« »Reicht, wenn ich es in den nächsten Tagen mitteile, ob ich über den Winter bleiben will?« wollte Tobias wissen. »So war es eigentlich nicht gemeint,« entgegnete Isilde, »aber denkt in Ruhe nach und dann reden wir darüber.« Dabei beugte sie sich nach vorn und flüsterte Tobias noch ins Ohr: »Ihr könnt hier so lange bleiben, wie Ihr wollt und ich würde mich sehr freuen.«
Nächste -> K2 #1 • Abwägen
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30.05.2011 13:14
#107
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39) Möglichkeit der Unmöglichkeit
Sie hatte die Präsenz erneut gespürt, wie sie anschwoll und Zuversicht verströmte – und plötzlich war sie erloschen. Sie suchte nicht danach, Duncans Leib war dem Feuer übergeben worden, sein Geist konnte nun frei sein und war nicht länger an diesen Ort gebunden.
Sie hatte warme Rinnsale an ihrem Hals gespürt und die Arme umso fester um Alistair geschlossen. Sie wusste, er hatte Abschied genommen, und alles Leid war ihm nochmals vor Augen geführt worden.
Lange nachdem das Feuer erloschen war standen sie noch so da, bis Alistair sich irgendwann von ihr löste, und zu den unruhig werdenden Pferden ging. Diese scharrten mit den Hufen und schnaubten leise. Auch Jag hatte die Ohren angelegt und knurrte.
„Was ist los Jag? Los, zeig es uns!“ Jaina klammerte sich am Sattelknauf fest und zog sich hinauf, Alistair hatte sich auch auf seinen Schimmel geschwungen und die beiden folgten Jag, der in Richtung der Wildnis davon stürmte, aus dem Lager heraus, an sumpfartigen Seen vorbei in Richtung des alten Wächterturms, den sie ganz zu Anfang nach den Verträgen abgesucht hatten.
Der Wind peitschte ihnen ins Gesicht, sie ritten im scharfen Galopp auf den noch nicht in Sichtweite befindlichen Turm, als Jaina der Atem stockte. Sie roch etwas. Es stank fürchterlich. „Jaina, da!“ Alistair deutete nach vorne – und in der Ferne erkannte sie eine Rauchsäule gewaltigen Ausmaßes. „Der Turm! Er muss in Flammen stehen! Was ist da los?“
Statt einer Antwort preschte Alistair noch weiter vorwärts und ritt direkt auf die Rauchsäule zu, querfeldein und durch matschige Sümpfe. Jaina folgte direkt hintenan während ihr Hund noch immer voraus sprang. Der Turm geriet immer mehr in Sichtweite, er stand lichterloh in Flammen, zumindest alles um ihn herum brannte. Das Schmatzen der Pferdehufe auf dem moorigen Erdboden war nicht zu hören, es wurde übertönt vom rauschenden Wind, der die Flammen immer mehr anheizte. Das Geprassel des Feuers war fast ohrenbetäubend.
Auf einmal stoppte Alistair sein Pferd mitten im Lauf, sodass Jaina ihm ausweichen musste und ihr Pferd schnaubend zum Stehen brachte. „Was?!“ schrie sie drängend, das Tosen des Windes übertönend. Alistair hob die Hand und deutete nach vorn.
Jaina begriff zuerst nicht – und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Jag, Zurück! Komm sofort her!“ sie konnte ihren Hund nicht sehen, aber er musste sie gehört haben. Er musste einfach!
„JAG!“
Und dann sah sie sie. Dutzende, hunderte, unglaublich viele. Dunkle Brut, überall um den Turm herum. Sie konnte nicht erkennen, was sie da taten. Sie riss die Augen auf und glaubte, ihnen nicht zu trauen. Sie hob den Blick, die konnte keinen Drachen, keinen Oger oder etwas ähnlich großes erkennen. Aber sie sah dass es ruhiger wurde dort unten... und dann sah sie, wie die Horde sich in Bewegung setzte. „JAG!“ brüllte sie gegen den Wind an, Alistair hatte ihre Zügel gepackt, „Los, mach schon!“, riss ihr Pferd herum und ritt so schnell er konnte in die entgegengesetzte Richtung davon. Jaina bekam ihre Zügel wieder zu fassen und folgte Alistair, warf aber immer wieder einen Blick über die Schulter – ihr Hund war irgendwo dort hinten – sicher war er klug, aber was tat er da? „Reite endlich! Er wird schon nachkommen!“ schrie Alistair von vorne. „Wir müssen hier weg! Los, in den Wald!“
Jaina konnte keinen klaren Gedanken fassen, sie wusste überhaupt nicht mehr was vor sich ging. Sie überließ Alistair die Führung und sich selbst ihren Reflexen. An den Wald hatte sie gar nicht gedacht – erst jetzt fiel ihr auf, dass die Dunkle Brut es schwer dabei haben würde, schnell durch die Bäume zu kommen, da sie so viele waren.
Sie flohen, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen, der Wind peitschte immer noch um sie herum während im letzten Licht der Sonne wieder die Ebene vor ihnen auftauchte.
Hinter ihnen hörten sie ein Bellen, nun da das Rauschen des Windes nicht mehr so stark war, konnte man es auch deutlich vernehmen. Jaina blickte sich um und brachte ihr Pferd zum Stehen, da sprang Jag mit einem gewaltigen Satz hinter ihr auf das Pferd auf, das erschreckt wieherte und beinahe durchgegangen wäre. Jaina ließ es voran traben und drehte sich zu ihrem Hund um, der sich hechelnd und schwer atmend hingesetzt hatte – augenscheinlich hatte er keine Verletzung davon getragen.
Jaina sparte sich jeglichen Kommentar, bugsierte ihren Hund unter Mühen auf ihren Schoß und ließ das Pferd schneller laufen. Auch Alistair hatte das Tempo etwas verlangsamt und drehte sich nach ihr um.
„Wir müssen verschwinden. Das sind zu viele für uns!“ Jaina nickte während sie schnell nachdachte. Und dann kam ihr ein Gedanke. Sie orientierte sich kurz, wo war der Fluss? Ihr Blick raste über die ebene Fläche, durch die sie gerannt war, vor scheinbar so langer Zeit. „Dort hin“, Jaina wies auf ein geringfügiges Glitzern am Horizont im Westen. „Durch das Wasser können sie uns nicht folgen oder unsere Spur aufnehmen. Und wir sind auf Pferden schneller als sie.“
Ohne eine weitere Bemerkung ließ Jaina ihren Schimmel loslaufen, im schnellen Trab, fast schon Galopp, sie hatte alle Hände voll damit zu tun, ihren Mabari auf ihrem Schoß zu halten und gleichzeitig das Pferd zu lenken.
Endlich kamen sie am Fluss an, Jaina kannte diese Stelle nicht, sie war sehr viel weiter östlich an diesen Fluss gestoßen. Sie lenkte ihr Pferd in das kalte Nass, wissend, dass sie das dem Tier nicht zu lange antun durfte. Sie ließ die Zügel locker, damit sich das Pferd sein eigenes, sicheres Tempo im rutschigen Untergrund suchen konnte. Alistair war direkt neben ihr und fuhr sich über das rußgeschwärzte, verschwitze Gesicht. „Wo reiten wir eigentlich hin? Wir müssen so schnell wie möglich Eamon verständigen. Also nach Denerim?“
Jaina schüttelte den Kopf. „Nach Highever. Fergus wird bald dort sein, morgen oder in zwei Tagen. Außerdem kenne ich meine Heimat. Wir haben dort schnelle Boten und können Nachricht zu Eamon schicken.“ Ihre Mundwinkel zuckten. „Ich wollte dir ohnehin meine Heimat zeigen. Ich frage mich, wie es dort jetzt wohl aussieht,“ fügte sie mehr zu sich selbst hinzu.
Es war mittlerweile stockdunkel, man konnte kaum noch die Hand vor Augen erkennen. Die Pferde wurden merklich langsamer – verständlich nach all den Strapazen, die sie hinter sich hatten. Jaina wäre fast im Sitzen auf ihrem Pferd eingeschlafen. Alistair lenkte sein Pferd aus dem Fluss zu einer Baumgruppe. In deren Schutz mühte er sich damit ab, das Zelt aufzubauen während Jaina einen Stock enttzündete und ihren Hund untersuchte. Tatsächlich war er vollkommen unverletzt. Die Pferde hatte sie vorsichtshalber an einen Baum gebunden, doch die lagen schon erschöpft auf dem Boden und schliefen.
Jaina ging Alistair zur Hand und nach kurzer Zeit stand das Zelt, zwar mehr schlecht als recht, aber es langte. Jag trottete hinein und rollte sich auf einer Decke zusammen. Jaina fuhr ihm liebevoll durch das Fell und drückte ihm einen Kuss auf seinen Kopf. Sie war erleichtert, dass ihm nichts passiert war. Alistair hatte den Zelteingang verschlossen und die Waffen direkt daneben deponiert, für denn Notfall. Er tastete sich im Dunkeln zu Jaina, die sich bis auf ihre Shorts entkleidet hatte. Er spürte ihre warme Haut und wie sie nach seiner Brust tastete und versuchte die Rüstung abzustreifen. Er streifte sie ab und drückte seine Verlobte an seinen warmen Oberkörper.
Sie wickelten sich in eine Decke, im Dunkel konnte Jaina Alistairs Augen erkennen, die wieder von Wärme erfüllt waren.
„Fühlst du dich besser?“ „Erstaunlicherweise ja. Diese Präsenz... das Feuer... hm...“ Jaina drückte ihre Lippen auf seine Wange und spürte Bartstoppeln. „Erzähl schon... ich habe Duncans... Geist auch gespürt. Es war irgendwie tröstlich. Ich kann mir vorstellen, wie du dich gefühlt hast.“
Jaina spürte wie Alistair sie etwas fester an sich drückte und spürte seine Nase an ihrer Schläfe.
„Ich hab alles noch einmal durchlebt. Wir damals am Feuer, kurz vor der Schlacht. Wie Duncan mich rekrutierte. Wie er uns unsere Aufgaben erteilte. Was er sagte, als du den Beitritt gerade überlebt hattest. Und dann... seine Leiche. Die Erkenntnis, dass alle tot waren. Ich habe mich schuldig gefühlt. Und mich gefragt, warum es alles so gekommen ist.“
„Das darfst du dich nicht fragen. So ging es mir auch. Die ganze Zeit während ich erstmals in Ostagar war. Ich fühlte mich derart ungerecht behandelt... alles schien sich gegen mich verschworen zu haben. Versuche...“, sie zögerte. Sollte sie ihm das so sagen? „Versuche deinen Gefühlen zu vertrauen. Das hat mir bei Howe und bei Loghain das Leben gerettet. Und auch bei Zevran. Auf deine Gefühle kannnst du dich in den allermeisten Fällen verlassen. Weißt du noch, als du mich gefragt hast, wie ich zu Zevran stehe?“ „Nur zu gut. War nicht sehr angenehm, dich das zu fragen.“
„Aber ich habe gemerkt, dass du dir deiner Gefühle sicher warst als du sie ausgesprochen hast.“
Jaina wusste nicht, ob das Alistair helfen würde. Er erwiderte nichts darauf und sie wusste auch nicht was sie jetzt noch sagen sollte.Bis auf eines...
„Was beim Erbauer war das vorhin? Dunkle Brut? Habe ich das richtig gesehen?“
„Ja, hast du. Ich habe sie auch gesehen. Ich habe keine Ahnung wie das sein kann. Der Erzdämon ist vernichtet. Die Dunkle Brut kommt normalerweise nur unter Führung eines Dämonen an der Oberfläche“, brummte Alistair.
„Dann gäbe es die Möglichkeit, dass unter dem Wächterturm ein Gang aus den Tiefen Wegen endet? Und sie haben aus Wut über den Tod des Dämons das alte Besitztum der Wächter zerstört?“
„Das kann ich nicht glauben. Die Dunkle Brut vernichtet alles, nicht nur Graue Wächter. Sie sind dumme und mordende Kreaturen. Was du dir überlegst kann nur stimmen, wenn sie gezielt zuschlagen und ihren Hass ganz auf uns richten. Ich weiß wirklich nicht, was hier vorgeht. Wir müssen in jedem Fall Eamon verständigen. Und Nachricht nach Orlais schicken. Wir brauchen erfahrenere Graue Wächter. Sie sollen sich in Vigils Wacht versammeln.“
„Ob Morrigan irgendetwas damit zu tun haben kann? Aber das... Ritual ist doch gerade mal eine oder zwei Wochen her. Das passt alles nicht zusammen.“
Sie befreite sich aus Alistairs Armen und drehte sich auf die andere Seite. „Schlafen wir besser. Und hoffentlich bleiben uns Träume erspart.“
Ein Winseln ertönte direkt neben Jainas Ohr. Ihre Wimpern flatterten als sie erwachte. Jag fiepte noch einmal in das Ohr seiner Herrin und kletterte über sie hinweg um zu Alistairs Ohr zu gelangen, in das er ebenfalls hineinwinselte. Während Jaina sich verschlafen aufsetzte, quittierte Alistair das Geräusch an seinem Ohr mit einer abwehrenden Geste, mit der er Jag an der Schnauze traf. Dieser ließ sich nicht abschütteln und senkte den Kopf zu Alistairs Ohr und knurrte bedrohlich.
Alistair schreckte auf und rutschte von dem gefährlich klingenden Geräusch weg. Jag setzte sich gemütlich auf seine Hinterläufe und schien Alistair durch seine Augen hindurch auszulachen, dieser strampelte die Decke von sich und wandte sich an Jaina, die vor sich hinkicherte. „Du willst also, dass dein Hund mich verspeist, ja? Ich hätte mehr von dir erwartet.“
„Jag isst kein Menschenfleisch. Und du bist selbst schuld wenn du ihm einen Nasenstümper gibst.“
Alistair sah zu Jag und streckte ihm eine Hand entgegen. „Du knurrst mich nicht mehr an und ich hau dir nicht auf die Nase. In Ordnung?“ Jag zog die Lefzen nach oben und ließ die Zunge aus dem Maul baumeln. Alistair seufzte, die Hand immer noch ausgestreckt. „Und du kriegst einen schönen Braten.“
Jag bellte auf und legte seine Pfote in Alistairs ausgestreckte Hand.
Jaina lachte vor sich hin. „Jag musste früh lernen zu verhandeln, unsere Küchenfrau hat Hunde nie sehr gemocht. Letztlich hat er es aber immer geschafft ihr etwas abzuschwatzen.“
Alistair hatte seine Rüstung angelegt und die Decken zusammengerollt und im Rucksack verstaut, während Jaina noch mit ihrer Rüstung zugange war.
„Kluger Hund. So klug waren sie Hunde, die mich aufgezogen haben, nicht.“ Jaina sah ihn mit gehobenen Brauen an. „Ahja.“ „Und sie konnten fliegen.“
„Das erklärt einiges“, grinste Jaina.
So bauten sie das Zelt ab und verstauten ihr Gepäck auf den Pferden, die sie anschließend am Fluß tränkten.
Die Sonne ging gerade auf und wieder wirkte ihr rötliches Licht weniger beruhigend als bedrohlich. Jaina wusste nicht wieso, aber sie fühlte sich an den Morgen auf Fort Drakon erinnert, als der Erzdämon tot da lag. Sie saßen auf und ritten in Richtung Highever, nicht ohne sich vorher genauestens nach Spuren der Dunklen Brut umzusehen.
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31.05.2011 22:49
#108
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40) Rückkehr nach Highever
Die Sonne ging über Highever auf. Roland Gilmore stand auf dem Turm neben dem Haupttor und überblickte das zurückeroberte Gebiet. Der Teyrn war auf dem Weg hierher und seine kleine Schwester, die Graue Wächterin, die aus dem Schloss entkommen konnte, hatte Howe getötet. Zudem würde sie nun Königin von Ferelden werden! Er war sehr überrascht gewesen, als er diese Kunde gehört hatte, überrascht, aber auch etwas traurig. Trauriger als er sich selbst, geschweige denn irgendeinem anderen eingestehen würde.
Der Wiederaufbau vom teilweise zerstörten Schloss schritt gut voran, der Teyrn würde zufrieden sein.
Es herrschte reges Treiben auf den Straßen von Highever. Am Markt wurden Sachen feilgeboten, das Geschrei der Händler drang fetzenweise bis zum Turm.
Ser Gilmore gestattete sich ein Lächeln. Das Land war sicher, die Herrschaft gesichert und der Teyrn fähig sein Land zu regieren. Dazu hatten einige Soldaten den Verrat Howes überlebt und Ser Gilmore war äußerst froh darum, sich selbst auch dazuzählen zu können. Natürlich wäre er auch für seinen Teyrn gestorben, aber es tat ihm sicherlich nicht Leid, am Leben geblieben zu sein.
In der Ferne entdeckte er eine Bewegung, an der sein Blick hängen blieb. Von hier oben sah es so aus, als bewege sich etwas langsam aber stetig näher kommend direkt auf das Schloss zu. Mit seinem scharfen Blick erkannte er zwei Schimmel, aber er konnte nicht ausmachen, wer da heranritt, und diejenigen schienen in schnellem Tempo zu reiten.
Er ließ den Blick über Highever schweifen, das Gebiet, das so umstritten gewesen war. Keiner hatte sich Howe unterworfen, viele waren deshalb unter Folter gestorben. Doch nun war Highever samt seiner Bewohner befreit und die Wiesen und Apfelbäume schienen trotz des hereinbrechenden Herbstes noch immer in voller Blüter zu stehen – oder es kam den Verklärten nur so vor.
Gilmore schmunzelte bei dem Gedanken an Nan, die mit ihrem Gezeter Howes Männer fast in den Wahnssinn getrieben hatte, weil sie ihnen Mahlzeiten zubereiten sollte. Nach einer äußerst gut gewürzten Suppe war Nan in den Kerker geworfen worden, während die hungrigen Soldaten ihre brennenden Kehlen stundenlang mit Wein aus dem Cousland'schen Keller betäubten.
Sein Schmunzeln erstarrte und seine Miene wurde steinern, als er wieder die Reiter fixierte und diesmal erkannte er einen davon. Es war die Schwester des Teyrns! Es war Jaina Cousland! Er war sich vollkommen sicher, kurz fragte er sich, wie es kam, dass sie unangekündigt hierher eilte, aber seine Freude überwog und er rannte die Treppen hinab in den Vorhof des Schlosses. „Wachen! Die Schwester des Teyrns ist zurück! Versammelt alle im Vorhof!“
Er selbst ging in Richtung der Gemächer der Teyrn-Familie und instruierte eine Zofe alles für die Rückkehr der Tochter Bryce Couslands zu arrangieren und auch für ihren Begleiter.
Eilig kehrte er zum Haupttor zurück, wo sich die Soldaten versammelten und in Reih und Glied dastanden, einen breiten Gang in der Mitten lassend. Er entdeckte auch die Maga, die vom Zirkel gekommen war weil sie einige Bücher als Studienobjekte aus der umfassenden Geschichte Highevers benötigte. Gilmore behandelte sie mit Respekt, hatte aber von den Zwischenfällen im Zirkel gehört, an deren Auflösung auch sein vormaliger Kämpferschützling beteiligt gewesen war. Gedankenverloren schüttelte er de Kopf. Jaina geriet oft unbeabsichtigt in den mittelpunkt des Geschehens. Im Lauf der Jahre hatte sie es aber geschafft, immer besser Lösungen durchzusetzen und war mehr und mehr als Kämpferin geachtet worden, mehr als sie ohnehin schon als Tochter des Teyrns geachtet wurde.
Das Haupttor stand weit offen und Gilmore nahm Haltung an, in freudiger Erwartung Jaina wiederzusehen.
Jaina hatte das Land ihre Familie betreten, sie war wieder daheim, in Highever. Eilig galoppierte sie voran auf dem kürzesten Weg zu Schloss Cousland. Alistair sah sich um, hier sah es völlig anders aus als in Recliffe oder Denerim. Wiesen zogen sich durch die Landschaft, überall waren Häusergrüppchen verteilt, man merkte genau, dass ein Teil von Highevers Reichtum durch Landwirtschaft gewonnen wurde. Zudem war Highever bekannt für seinen Wein, dementsprechend viele grüne Weinanbaugebiete zogen sich über die leichten Hügel Highevers.
Der Weg aus feinem Sand und kleinen Steinchen zog sich wie ein heller Wurm durch die grünen Flächen und goldenen Getreidefelder. Von der Verderbnis war auf den ersten Blick nichts zu entdecken, keine Spuren von Leichen oder verderbten Menschen.
Viele der Menschen, an denen sie vorbeiritten, erkannten Jaina und verneigten sich vor ihr. Einige brachten Alistair auch mit dem neuen König in Verbindung und verneigten sich ebenfalls vor ihm.
So ritt Jaina auf die riesigen steinernen Mauern zu, die ihre Heimat gewesen waren, in denen sie sich auskannte wie sonst nirgends, und die in Howes Hände gerissen worden waren. Von außen waren kaum Kampfesspuren zu erkennen, das Haupttor war komplett ersetzt worden und sah dem alten ähnlich. Neben Alistair ritt Jaina durch das Haupttor in den Vorhof und erblickte die versammelten Soldaten, sie kannte ein paar von ihnen. Hinter den Soldaten entdeckte sie Nan und einige Elfen, die ihr unterstellt waren, und schließlich sah sie auch ihren guten Freund, Roland Gilmore, derjenige der eigentlich als Grauer Wächter rekrutiert hätte werden sollen. Sie hoffte, er nahm es ihr nicht übel, aber sie konnte sich nicht vorstellen weshalb. Zumal er nichts von den Nachteilen des Wächterdaseins wusste.
Er trug eine graue Rüstung mit dunkelroter Schulterpartie, an den Rändern waren kleine verschnörkelte Linien zur Zierde aufgemalt worden. Sie konnten die hellen Ledergriff seines Schwertes auf seinem Rücken erkennen, sie hellroten Haare hatten fast dieselbe Farbe. Die ebenmäßigen Züge waren ernst, aber von kleinen Lachfalten durchsetzt, wie immer war er glatt rasiert und stand aufrecht da. Er war einige Jahre älter als sie und hatte sich seit ihrer Jugend um ihre Kämpferausbildung gekümmert.
Jaina brachte ihren Schimmel zum stehen, wartete bis Alistair neben sie geritten war und blickte in die Runde der Versammelten. Alle waren verstummt und sahen sie ehrfürchtig an.
„Bürger von Highever! Ich danke Euch für diesen Empfang und ich freue mich wirklich wieder hier zu sein!“ rief sie. Darauf schienen alle nur gewartet zu haben, Jubel brandete auf und die Soldaten stießen ihre Schwerter in die Luft.
„Lasst mich Euch meinen Verlobten vorstellen, Grauer Wächter und König von Ferelden: Alistair Theirin!“
Der Jubel nahm zu und einige Diener eilten herbei um ihr und Alistair aus dem Sattel zu helfen. Die Pferde wurden in Richtung der Ställe geführt und die beiden Wächter wurden vor Ser Gilmore geführt, der Jaina freundlich anlächelte. In seinen Augen vermeinte sie jedoch mehr als nur das freundlich-höfliche Lächeln zu sehen.
Er kreuzte die Arme vor der Brust und verneigte sich erst vor Alistair, dann vor Jaina, die ebenfalls eine höfische Verbeugung andeutete.
„Ser Gilmore, ich freue mich zu sehen, dass Ihr alles unbeschadet überstanden habt. Wie steht es um Schloss Cousland? Die Truppen sehen einigermaßen dezimiert aus, aber ich hätte wesentlich weniger erwartet.“
Gilmore gestikulierte in Richtung der Empfangshalle, Alistair bot Jaina seinen Arm und gemeinsam gingen sie darauf zu und traten ein. Unterdessen klärte Gilmore Jaina über die Fortschritte des Wiederaufbaus auf.
In der Empfangshalle angekommen, entschuldigte sich Ser Gilmore für einen Augenblick und Jaina sah sich um. An den Wänden hingen Gemälde und Teppiche, sie kannte sie schon seit ihrer Kindheit. Der Kamin war entzündet und der Steinboden sauber. Jaina kniete an einer Stelle nieder und fuhr über die Maßerung des Steines. Hier hatte Arl Rendon Howe gestanden, als sie das letzte Mal in die Halle getreten war, um mit ihrem Vater zu sprechen. Sie hatte Howe noch nie gemocht. Sie erhob sich, bemüht sich nicht von ihren Gefühlen davontragen zu lassen. Sie hatte Howe getötet und damit soviel gerächt, wie ihr möglich war.
Alistair war unbemerkt hinter sie getreten und sah sie forschend an, sagte aber nichts. Sie mühte sich ein krampfhaftes Lächeln ab, als sie ihn bemerkte.
„Warten wir auf Ser Gilmore und sagen ihm alles, dann gehen wir in meine Gemächer. Ich will nichts mehr als erst mal alleine sein. Hierher zurück zu kommen fühlt sich so seltsam an...“
„Verzeiht, Mylord, Mylady!“ Eine angenehme, wenngleich arrogant anmutenden Stimme ertönte hinter Jaina und Alistair. Die beiden drehten sich um und vor ihnen stand eine hochgewachsene Frau, schlank gebaut, mit feuerroten Haaren, roter als die von Leliana, sofern das möglich war, in einer wunderschönen, rot-golden schimmernden Seidenrobe. Das Gesicht war alles in allem nicht unhübsch, wenngleich eher Durchschnitt, aber durch gekonntes Schminken war es der Maga gelungen, durchaus gut auszusehen – und das war ihr offensichtlich bewusst.
Sie dachte nicht einmal daran sich vor Alistair und Jaina zu verbeugen, sie nickte bloß mit dem Kopf, sodass ein paar rote Strähnen ihr in die Augen fielen. Mit einer anmutigen, katzenhaften Bewegung strich sie die Haare zurück. „Gestattet mir, mich vorzustellen. Theano, Maga des Zirkels. Ich bin hier, um meine Forschung über die Matrizen der Manaernergie in Bezug auf Adelsfamilien festzustellen, und bereise nach und nach alle Bannorns um Verbindungen herzustellen.“ Sie lächelte geheimnisvoll. „Die Adeligen und die Magie sind das bisher größte Mysterium, das ich erkunden und bewältigen werde.“
„Ein durchaus faszinierendes Thema, ehrenwerte Theano. Doch kennt Ihr Euch auch mit der Magie der Dunklen Brut aus?“ fragte Jaina höflich.
Diese machte eine elegante Handbewegung. „Es gibt keine Magie mit der ich mich nicht auskenne. Doch was fragt Ihr danach, seid Ihr denn nicht diejenige, die dem Anführer der Horde, namentlich dem Erzdämon, selbst den tödlichen Streich versetzt hat? Oder gedenkt Ihr, Forschungen über die Dunkle Brut selbst anzustellen?“
„Nicht direkt. Ich glaube, mir kommen noch genug andere Aufgaben zu. Die Frage stellte sich mir eher, weil ich überlege, ob Dunkle Brut auch ohne den Erzdämon existieren kann.“
Die dunkelgrünen Augen der Maga verfinsterten sich geringfügig.
„So. Und aus welchem Grund wollt Ihr das wissen? Ihr seid bereits Heldin in Ferelden. Wollt Ihr noch mehr Ruhm? Sogar Königin seid Ihr schon. Meinen Glückwunsch zu dieser überaus.... ehrgeizigen Frau“, lächelte Theano hochmütig Alistair an. „Ihr müsst wissen, davon gibt es nicht mehr allzu viele, wie ich selbst feststellen musste. Ihr habt einen wahren Glücksgriff getan. Dennoch gebührt es sich für einen König, dass er seine Wahl nach einigem Sinnieren und guten Kriterien wählt. Heldentum sollte nicht immer entscheidend sein, man muss auch den aufgehenden Sternen eine Chance einräumen, meint Ihr nicht?“
Fast unmerklich hatte Theano sich anmutig zu Alistair gedreht und war näher getreten, hauchte ihm die Worte auf fast verführerische Art und Weise zu. Jaina bemerkte, dass die Maga sich gewählt ausdrückte und anscheinend leise Kritik übte, aber sie war viel zu sehr mit ihren eigenen Gefühlen beschäftigt um darauf einzugehen.
Im nächsten Moment war die Maga auch schon zurückgetreten und verabschiedete sich förmlich vom Königspaar, merkte auch an, dass sie noch einige Tage auf Schloss Cousland verweilen würde.
Im nächsten Augenblick kehrte auch schon Ser Gilmore zurück.
„Ich sehe, Ihr habt Theano kennengelernt. Ich kann Magier generell nicht gut einschätzen, aber diese Dame gibt mir Rätsel auf. Was wollte sie von Euch?“
„Sie hat sich lediglich vorgestellt und den Zweck ihrer Anwesenheit erläutert. Glaube ich. Ich bin etwas erschöpft. Bitte, Ser Gilmore, begleitet uns zu meinem Gemach, wir haben wichtige Neuigkeiten.“
So gingen die drei zum Gemach der Cousland-Familie und Alistair und Jaina setzen Gilmore über alles in Kenntnis, der versprach, die Wachen zu verdoppeln und Spähtrupps auszusenden. Er würde sich sofort an den schnellsten Boten wenden, der zugegen war. Er merkte zudem an, dass der Teyrn am morgigen Tage eintreffen wollte.
Vor den Räumen der Couslands blieb Gilmore stehen und beugte den Kopf. „Wenn Ihr es wünscht werde ich Euch Speisen bringen lassen.“ Jaina nickte erfreut. „Danke Euch vielmals.“
Langsam öffnete Jaina die Tür zu den Gemächern und stand in der Vorhalle. Rechts von ihr befand sich ihr Zimmer, links das ihres Bruders. Auch hier waren alle Blutspuren beseitigt worden. Vorsichtig drückte Jaina die Klinke zu ihrem Zimmer herab, sie hätte nicht sagen können, was sie darin erwartete. Sonnenlicht fiel durch die kleinen Fenster. Ihr Bett stand unberührt in der rechten Zimmerecke, auf der linken Seite das Bücherregal, der Schrank und ein Sekretär. Jaina legte ihre Waffen ab und verstaute sie in einer Truhe, sie legte auch Alistairs Schild und Schwert dazu.
Sie fühlte sich eigenartig. Bedrückt und dennoch befreit. Sie konnte es nicht beschreiben. Sie setzte sich auf die Bettkante und sah Alistair ausdruckslos an, der sie kritisch fixierte.
„Du fühlst dich nicht wohl, ich merke das. Was wirst du tun?“
„Mir die Räume ansehen.“ Sie deutete auf ihre verschlossene Zimmertür. „Gegenüber ist Fergus' Zimmer. Und das seiner... Frau. Und seines Sohnes. Weiter hinten im Gang ist das Gemach meiner Eltern und frei verfügbare Räume.“ Dennoch rührte sie sich nicht, und Alistair hob überrascht die Brauen. „Dein Bruder ist verheiratet und hat einen Sohn? Das wusste ich nicht, er wirkt tatsächlich wie...“
„Nicht mehr.“ unterbrach Jaina ihn traurig. Alistair begriff und kniete sich vor sie, nahm ihre Hände in seine. „Und du hast es entdeckt, nicht wahr? Er weiß es doch?“
Jaina nickte mit einem Kloß im Hals. „Meine Mutter konnte sich zu mir zurückkämpfen und wir wussten nicht, wo mein Vater abgeblieben war. Wir wollten nach Oriana und Oren sehen, und... sie lagen da. Einfach abgestochen.“ Nun erhob sich Jaina und zog Alistair durch die Tür zu Fergus' Raum.
„Da.“ Anklagend deutete sie auf die Stelle, wo die Leichen gelegen hatten. Auch hier erkannte man keine Spur mehr davon.
Sie lief in den Raum ihrer Eltern und untersuchte den, fand jedoch nichts. Bekümmert kehrte Jaina mit Alistair in ihr Gemach zurück, in das Speisen geliefert worden waren.
Alistair machte sich darüber her, doch Jaina saß mit hängendem Kopf auf der Bettkante.
„Du solltest was essen, dann geht es dir besser.“ Mit diesen Worten nahm Alistair einige Möhren und ein Stück noch warmes Brot und drückte es ihr in die Hand. Widerwillig biss sie vom Brot ab, aber kaute lustlos darauf herum.
Alistair aß sein Essen fertig während seine Königin fast stoisch auf dem Bett saß und sich kaum rührte. Schließlich setzte er sich neben sie und betrachtete sie ohne sie zu berühren. „Vielleicht solltest du mit Ser Gilmore reden. Er hat das alles hier durchlebt. Er wird wissen wie du dich fühlst. Ich kann dich verstehen...,“ er legte seine warme Hand auf ihren Hals, „aber ich war nie in einer ähnlichen Situation. Selbst das mit Duncan war anders.“
Seine Berührung schien etwas in ihr zu lösen. Sie griff nach Alistairs Hand und schmiegte ihre Backe daran – wie eine kleine Katze. „Was sollen wir nur tun?“
Alistair legte seinen zweiten Arm um Jainas Taille und zog sie auf seinen Schoß. „Zuerst mal redest du mit dem Ser. Du kennst ihn schon länger. Er wird dir helfen können. Unterdessen werde ich diese Maga mal über die Dunkle Brut befragen. Vielleicht findet man etwas in eurer Bibliothek.“
„Sofern Howe die Bücher heil gelassen hat, ja. Ich weiß, dass er den Bibliothekar hat töten lassen. Jeder auf Schloss Cousland sollte getötet werden. Man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Ob Howe oder Dunkle Brut...“ Jainas Tonfall war immer verbitterter geworden. „Die können mir alle gleichermaßen den Buckel runterrutschen.“
„Sag so etwas nicht. Wir sind beide Graue Wächter. Wir haben die Pflicht, jegliche Verderbnisse zurückzuschlagen und...“
„Ach was, echt? Haben wir das nicht gerade?“ Ärgerlich funkelte Jaina Alistair an. „Ich habe es langsam satt, dass jeder mich tot sehen will. Und wenn man mich mal nicht tot sehen will, werde ich an meine PFLICHT erinnert!“
„Das kommt dir nur so vor. Nicht jeder will dich tot sehen. Außer Zevran. Und der Dunklen Brut. Und manchmal vielleicht Morrigan. Aber ansonsten...“ Alistair versuchte ein Lächeln, was kläglich scheiterte als er Jainas lodernden Blick sah.
„Was willst du mir jetzt mitteilen, großer, pflichtbewusster König? Dass ich mein Leben wegwerfen soll und mich der Pflicht verschreiben muss, weil ich Königin bin? Dir ist schon klar, dass ich weit mehr bin als Königin?!“
„Du hast vorgeschlagen Königin zu werden! Nicht, dass ich mich nicht darüber gefreut hätte... aber es war deine Sache, ich hätte das nicht vorgeschl...“
„GANZ GENAU! Das hättest du nicht! Du hättest dich deiner hochgelobten Pflicht verschrieben. Und mich dabei auf der Strecke gelassen! Und jetzt erwartest du, dass ich genauso kaltherzig handle wie du? Vergiss es!“
Jaina war in der Hitze des Wortgefechts aufgesprungen und schrie Alistair zornig an.
„Ich und kaltherzig? Ich hätte dich nicht auf der Strecke gelassen!“ fuhr Alistair, mittlerweile ebenfalls vom Bett aufgesprungen, Jaina an, die ihn abwartend anblitzte. „Ich hätte das nur nicht so direkt vor dem Landthing – ich meine, es... das war...“
„Ja... sprich dich aus....“ zischte Jaina lauernd. Stockend versuchte Alistair die richtigen Worte zu finden. „Ich kam gar nicht auf die Idee, dass ich dich heiraten könnte. Ich hatte ja noch nicht mal vollkommen realisiert, dass ich König war. Aber... du weißt doch, wie wichtig du mir bist...“ Sein Blick wurde weich und nahm schon den treuherzigen Ausdruck an, doch Jaina blieb standhaft.
„Fraglich, ob du dann nur dein Leben wegwerfen willst, oder meines gleich mit. Lern endlich, dich selbst zu schätzen. So wie andere es tun. Das kann doch nicht so schwer sein...“ Entnervt und immer noch ärgerlich rollte sie mit den Augen, was Alistair ungemein reizte.
„Kann es nicht? Red doch nicht so altklug daher! Du kennst meine Geschichte. Glaubst du ich habe es mir ausgesucht?“
„Nein, aber du hast dich nie richtig dagegen gewehrt!“ stieß Jaina hervor. „Du verstehst gar nichts. Dir ist nicht einmal klar, wem du wichtig bist und wem nicht.“ Zornbebend riss sie die Zimmertür auf und schlug sie hinter sich zu.
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03.06.2011 12:17
#109
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41) Konkurrenz
Mit den Zähnen knirschend lief Jaina aus den Gemächern der Adelsfamilie und machte sich auf die Suche nach Ser Gilmore. Sie fand ihn auch in der Vorhalle, eilig lief sie auf ihn zu, er hatte sie gesehen und unterbrach sein Gespräch mit einem Soldaten, als er Jainas Gesichtsausdruck sah.
„Wir reden später. Wegtreten.“ Gehorsam nickte der Soldat und entfernte sich.
Da war Jaina auch schon heran, die dunklen Haare waren wild durcheinander gewuschelt, ihre Wangen gerötet und in ihren smaragdgrünen Augen blitzte Zorn. „Ser Gilmore, würdet Ihr mich begleiten? Ich möchte mit Euch sprechen.“
Der junge Hauptmann nickte zustimmend und gemeinsam begaben sich die beiden aus dem Schloss auf eine nahe gelegene Wiese, auf der Jaina, Fergus und Roland so manche Nacht Zelte aufgeschlagen hatten.
Gilmore fragte nicht nach, bis sie an der Wiese angekommen waren, Jaina brütete still vor sich hin.
„Was ist mit Euch, Herrin?“
„Ich bin nicht Eure Herrin. Ihr habt Schloss Cousland zusammengehalten während ich floh. Nennt mich einfach Jaina.“
Unbehaglich nickte Gilmore. Die Tochter Bryce Couslands sah ihn forschen und eindringlich an.
„Was ist hier geschehen? Ich muss es wissen. Wer hat Fergus Bescheid gesagt wegen seiner Familie?“ „Mylad...äh, Jaina, ich glaube nicht, dass Ihr Euch damit belasten solltet. Diese Angelegenheiten sind geregelt und Vergangenheit. Ihr habt jetzt eine ganz andere Pflicht zu erfüllen als Königin von Ferel...“
„Jetzt fangt Ihr auch noch damit an! Ihr seid genauso pflichtvernarrt wie dieser Esel in meinem Gemächern...“ Jaina stöhnte gequält auf. „Kapiert ihr denn alle nicht, dass es mehr gibt als nur eine Pflicht die man im Leben zu erfüllen hat? Natürlich werde ich sie erfüllen, aber ich will dabei auch ich selbst bleiben können!“ Ärgerlich trat sie in die Wiese und ein Grasbrocken flog in hohem Bogen davon.
„Wie belieben...?“
„Sagt mir einfach was hier vorging. Was weiß mein Bruder?“ Jainas Blick duldete keine Widerrede.
Gilmore seufzte und sagte ihr was sie wissen wollte – was in der Zeit nach Howes Verrat geschehen war, dass Fergus eine Nachricht gesandt hatte und ihm einer der Soldaten ebenfalls eine Nachricht zurückgeschickt hatte, in der das wichtigste stand.
Einige Stunden sprach Jaina mit Gilmore über Howe und seinen Verrat an der Familie und langsam fühlte sie sich besser. Hier gab es noch ein Opfer, das so empfand wie sie. Sie war nicht die einzige Überlebende, nicht einmal die einzige, die sich so seltsam fühlte angesichts ihrer Heimat, die ihr kurzzeitig entrissen worden war.
„Danke, Roland. Ich fühle mich wirklich besser.“ Mittlerweile saßen Gilmore und Jaina auf der Wiese, doch wenn Gilmore gestanden hätte, hätte er sicherlich salutiert.
„Immer zu Diensten, Mylady... Jaina.“ „Ihr werdet es nie lernen, oder? Wie oft hat mein Bruder euch bereits das Du angeboten?“
„Das geziemt sich nicht. Eure Majestät ist nun von noch höherem Stand als vorher und das gilt es mit Fisimatenten zu zeigen.“
Jaina seufzte. „Ich weiß, was meine Pflicht als Königin sein wird, aber das heißt doch nicht, dass mich das immer umgeben muss. Ich dachte, wir kennen uns lang genug.“
Gilmore betrachtete Jaina von oben bis unten. „Hat seine Majestät Euren Zorn geweckt? Kann ich Euch irgendwie helfen?“ Traurig schüttelte Jaina den Kopf.
„Nein, es sei denn Ihr könnt die Vergangenheit ändern. Und was Alistair angeht – das muss er mit sich selbst ausmachen. Ich habe ihm bereits alles gesagt.“ Jaina legte sich auf den Rücken in das saftige Gras. „Wisst Ihr noch, in jeder Nacht, als wir Euch nach meinem Vater fragten? Wir haben ihn gefunden. Beim Fluchtweg. Er war schwer verwundet und konnte nicht aufstehen. Erst wollte er, dass Mutter und ich mit Duncan fliehen, aber Mutter hatte sich in den Kopf gesetzt bei ihm zu bleiben. Ich konnte sie nicht umstimmen... Habt Ihr sie noch ein mal... ich meine...“
„Ja, habe ich,“ Gilmore saß neben ihr und spielte mit einem Grashalm. „Eure Mutter schoss jeden nieder der durch die Tür kam. Sie hat mindestens fünf Männer aufgehalten. Aber dann waren es zu viele. Es war... es ging schnell. Für beide.“
Jaina nickte kaum merklich, aber ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht.
Sie sah in den wolkenlosen, blauen Himmel hinauf und bemerkte nicht einmal, dass Alistair auf seinem Pferd mit einer Begleiterin in die Richtung ritt, aus der sie gekommen waren.
Hinter Jaina fiel die Tür krachend ins Schloss, zeitgleich mit einem herzhaften Fluchen Alistairs. Er trat wütend gegen die Truhe. Als ob er nicht wüsste, was er selbst wert war. Im Vergleich zu seiner Pflicht erschien ihm das nicht so wichtig. Er war jetzt König und für einen König stand das Volk und das Land an erster Stelle – nicht der König selbst. Glaubte er zumindest.
Immer noch ärgerlich entschloss er, in die Bibliothek zu gehen und dort einige Nachforschungen über die Dunkle Brut anzustellen. Er ließ sich von einem Diener nach unten bringen und die Bibliothek zeigen. Alleine durchstreifte er die vielen Regale und fand einige Bücher über die Dunkle Brut. Er sortierte sie aus und schmökerte in einigen von ihnen für eine ganze Weile, als ein Geräusch ihn auffahren ließ. Schritte auf dem Steinboden hallten von den Wänden wider, überaus weibliche Schritte, das konnte er zuordnen. Noch bevor die Besucherin in Sicht kam wehte eine Duftwolke ihm entgegen, sehr angenehm, nicht zu aufdringlich und dennoch verführerisch süß.
Ihre Heimat bringt sie wohl auf neue Gedanken, dachte Alistair bei sich, und war erstaunt, als die Maga um die Ecke trat. Sie hatte sie umgekleidet, trug jetzt eine rote Seidentunika mit einem breiten goldgefärbten Ledergürtel um die Taille. Der Ausschnitt war mehr als nur tief, Alistair konnte aus mehreren Schritt Entfernung den Ansatz ihrer Brüste sehen. Er versuchte nicht daran zu denken, und vor allem woanders hinzusehen, aber er spürte schon, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. Schnell hob er das Buch, das vor ihm lag, vor sein Gesicht, während die Schritte näher kamen.
„Vielleicht hilft es Euch, wenn Ihr das Buch richtig herum haltet,“ klang Theanos Stimme honigsüß. Erschrocken betrachtete Alistair das Buch vor sich – er hielt es richtig herum. Verwirrt und entrüstet wollte er den Mund öffnen, um Theano darauf hinzuweisen, doch diese lachte glockenhell.
„Eure Majestät, warum so hektisch und nervös? Doch nicht wegen der Lektüre?“ Sie warf einen Blick auf die Buchtitel. „Wobei ich zugeben muss, dass das Thema alles andere als beruhigend ist.“
Alistair legte das Buch, das er in der Hand gehalten hatte, beiseite. „Ich dachte, es wäre meine Verlobte,“ erwiderte er missmutig.
„Deute ich diese Gereiztheit in Eurer Stimme richtig? Und schulde ich sie dem Umstand, dass Eure Verlobte Euch verärgert hat – oder dass Ihr mich mit ihr verwechselt habt? Wobei ich stark annehme, dass ich mit ihren Fähigkeiten durchaus mithalten kann.“ Mit diesen Worten setzte sie sich auf einen Stuhl gegenüber von Alistair, in einer fließenden Bewegung und sah den König aus ihren mandelförmigen, dunkelgrünen Augen aufmerksam an.
„Dass ich ihr im Wissen voraus bin ist ja ohnehin offensichtlich.“
Alistair wusste nicht was er darauf sagen sollte. Er hatte keine Ahnung was diese Frau wollte, und im Moment war noch wütend genug über Jaina, als dass er sie jetzt sofort verteidigt hätte.
„Wenn Ihr das seid, dann verratet mir eines: Wie kann es funktionieren, dass Dunkle Brut ohne die Führung eines Erzdämonen an die Oberfläche kommt?“ Alistair machte eine Geste hin zu den Büchern. „Die Wälzer gehen immer nur vom Normalfall aus. Aber hier ist ja gar nichts mehr normal, am wenigsten, dass ich jetzt König bin.“
„Stimmt, einen so attraktiven König hatte Ferelden schon lange nicht mehr,“ mit strahlend weißen Zähnen lächelte Theano Alistair an. „Und selbst Ihr seid nicht so unbedacht wie Euer Bruder...“ fügte sie kalt hinzu. Bevor Alistair etwas sagen konnte, hatte Theano zwei der Bücher zu sich gezogen und studierte das Inhaltsverzeichnis. „Was Eure Frage angeht, ich glaube keines der Bücher hier kann darüber Aufschluss geben. Meines Wissens“, sie blätterte ein Buch nach dem anderen durch, „ist so etwas noch nie vorgekommen. Wieso sollte das nun der Fall sein?“
„Fragt doch die Dunkle Brut selbst“, knurrte Alistair. „Ich habe keine Ahnung was die hier noch wollen. Außer uns alle zu töten. Und die Grauen Wächter bloßzustellen, und...und...und...“
Klatschend schlug Theano das Buch zu, so ruckartig, dass Alistair zusammenfuhr, und fixierte ihn mit einem überaus strengen Blick. „Eure Majestät“, begann sie sehr förmlich, „Ich MUSS Euch nicht helfen, ich habe durchaus Besseres zu tun. Also hört auf, Euch wie ein Kind zu verhalten und gebt mir vernünftige Antworten. Wo habt Ihr sie gesehen? Habt Ihr sie überhaupt gesehen? Gibt es Zeugen? Und vor allem – war es wirklich Dunkle Brut?“
Früher hätte Alistair den Kopf eingezogen, wenn er so geschulmeistert worden wäre – jetzt war er etwas peinlich berührt, aber gleichzeitig verärgert. Diese Magier waren einfach zu arrogant.
„Ich – also, das war kurz vor Ostagar, in Richtung Highever. Ich habe sie gesehen, und mit mir Jaina, ich meine, die Schwester des Teyrns. Und wir sind beide Graue Wächter, das heißt, ja es war eindeutig Dunkle Brut. Die können wir überall wiedererkennen. Aber es war kein Erzdämon oder etwas anderes dabei, das sie angeführt hätte. Es war einfach eine Rotte, die den alten Wächterturm niedergebrannt hat. Und sie verfolgten uns ein Stück. Ich nehme aber an, dass sie bald umgekehrt sind. Es waren zwar viele, aber auf wenig Raum. Das ist untypisch.“
Theano nickte. „Ihr könnt Dunkle Brut wahrnehmen“, das war keine Frage sondern viel mehr eine Feststellung. „Es wäre vernünftig, an die Grenzen Highevers zu reiten und dort nach Spuren der Brut Aussschau zu halten. Und damit meine ich nicht, dass die Soldaten das machen sollen, sondern ein Grauer Wächter. Sofern man dort etwas findet, könnte ich es untersuchen, möglicherweise bringt das neue Erkenntnisse.“
Alistair, der von den vielen Büchern ohnehin genug hatte, nickte. „Mein Pferd ist in den Stallungen. Ich kenne den Weg, den wir gekommen sind.“
„Hervorragend. Dann werde ich Euch begleiten, Eure Majestät. Und auf dem Ritt habe ich noch ein paar Fragen an Euch, ich habe mich ja eingehend mit Grauen Wächtern beschäftigt. Oder mit Rekruten der Grauen Wächter, damals.“ Alistair wollte schon nachfragen, überlegte es sich aber anders. Das hatte nichts mit seiner jetzigen Aufgabe zu tun.
Gemeinsam gingen der Wächter und die Maga zu den Stallungen, Theano führte einen Fuchs aus der Box und schwang sich auf den Pferderücken, ohne das Tier mit einem Sattel zu belasten, lediglich Zaumzeug hatte sie ihm angelegt.
Alistair sattelte seinen Schimmel und kletterte hinauf. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Theanos Blick über seinen Körper glitt, als er angestrengt versuchte, auf den Pferderücken zu gelangen und auffällig lange an seiner Hinterseite hängen blieb. Doch endlich hatte er es geschafft und lenkte sein Pferd aus den Stallungen.
Theano ritt grazil an seiner Seite, sie trohnte wie eine Königin auf ihrem Pferd, dessen Fellfarbe ihre Haarfarbe perfekt ergänzte. Die Seidentunika war an der Seite den Oberschenkels aufgeschnitten, sodass Alistair ihr nacktes Bein sehen konnte, das sich an den Pferdebauch schmiegte.
Schnell sah er weg, er wusste nicht, warum er diese Frau ansah, aber ihm war klar, dass sie etwas ungemein anziehendes an sich hatte.
„Ist das Euer Pferd?“ fragte er, um auf andere Gedanken zu kommen.
Theano warf ihm einen verführerischen Blick zu. „Nein, aber ich habe mir eine Ausbildung im Reiten gegönnt. Meiner Meinung nach sollte eine Frau das können. Keine Frau will immer abhängig vom Können eines Mannes sein.“
Diese einfachen Worte trafen Alistair wie ein Schwert, er errötete innerhalb von Sekundenschnelle.
„Ich sehe, Eure Fantasie hat unter dem Königsdasein nicht gelitten. Anscheinend aber der ganze Rest. Sagt mir eines: Wie gedenkt Ihr, einen Erben zu zeugen?“
Direkt und ohne Umschweife fragte sie ihn mit einem spöttischen Ausdruck in den Augen.
Alistair war erstaunt. „Nun, was glaubt Ihr denn? So wie... die Menschheit das nun einmal macht.“ Auf der Wiese, die sie nun überquerten, sah er in einiger Entfernung Jaina sitzen, in ein Gespräch mit Gilmore vertieft.
Theano schüttelte ihre langen Haare zurück und sah ihn herablassend an. „Das dachte ich mir. Ich meinte viel eher angesichts des Umstandes, dass sowohl Ihr als auch Eure Verlobte Graue Wächter seid, dementsprechend die Verderbtheit Eure Fruchtbarkeit und vor allem die Eurer künftigen Frau erheblich einschränkt.“ Sie sagte das als wäre es in jedem Buch nachzulesen, Alistair starrte sie fassungslos an. „Woher wisst Ihr das?“
Wieder hatte die Maga das geheimnisvolle Lächeln auf den vollen Lippen. „Ich sagte doch, ich habe mich … eingehend mit Wächtern beschäftigt. Also, beantwortet meine Frage, bitte.“
„Hört mal, Verehrteste, das ist kein Wissen, das man einfach so in der Weltgeschichte herumposaunt. Außerdem wüsste ich nicht, was Euch das angeht. Lasst das meine Sorge sein.“
Theano lachte laut auf. „Getroffene Hunde bellen, mein König. Und es geht mich sehr wohl etwas an, da ich dem Land diene, das ihr regiert. Es ist im Interesse des Volkes, dass die Thronfolge langfristig geklärt ist, denn andernfalls hat das Volk unter Putschen und Staatsstreichen wie auch Bürgerkriegen zu leiden. Das solltet Ihr aber wissen.“
„Das ist wahr. Das möchte ich Ferelden auch nicht zumuten. Aber was den Erben angeht wird man warten müssen, was die Zeit bringt.“
„Euch ist aber bewusst, dass Ihr mehr machen müsst, als einfach nur abwarten – sofern Ihr wollt, dass es auch EUER Erbe ist?“ Gelassen spielte Theano in der Mähne ihres Fuchses während Alistair sie gereizt ansah.
„Ja, danke, das ist mir bewusst. Und Jaina würde das niemals tun. Das solltet Ihr in Zukunft berücksichtigen. Ich weiß nicht, was Ihr Euch von diesen Lästereien versprecht, aber das war schon im Kloster so und ich bin auch damals nicht davon begeistert gewesen.“
„Natürlich, Euer Majestät. Ich wollte Euch nicht beleidigen. Auch Eure Künftige nicht. Abgesehen davon, dass sie wohl unter der eingebüßten Fruchtbarkeit wesentlich mehr zu leiden hat als Ihr.“
„Was meint Ihr damit?“ Fragend sah Alistair zur Maga.
„Ohje, das Kloster hat ganze Arbeit geleistet, hm? Eine Wächterin wird wahrscheinlich niemals in Kind gebären können. Rein von der Häufigkeit der fruchtbaren Phasen her. Ein männlicher Wächter jedoch muss es mit einer unverderbten Frau lediglich oft genug probieren, die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Kind zeugen kann ist weitaus größer. Es käme lediglich auf die Diskretion der betroffenen Frau an.“
Kalt sah Alistair sie an. „Ich verstehe.“ Ohne ein weiteres Wort ritt er einen Schritt schneller, mittlerweile waren sie schon in den hügeligen Feldern Highevers angekommen. Hinter sich hörte er noch ein leises Lachen, doch er ignorierte es. Endlich kamen sie an der Grenze Highevers an und begannen ihre Suche nach Spuren der Dunklen Brut.
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04.06.2011 23:52
#110
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42) Überraschung
Gilmore deutete auf die beiden Pferde. „Seht mal, da ist der König.“ Jaina hob den Kopf aus dem Gras und entdeckte die beiden Reiter, die in die Richtung ritten, aus der sie heute morgen gekommen waren. „Was machen sie nur?“
Gilmore legte eine Handkante auf die Stirn um sich nicht von der Sonne blenden zu lassen und blickte dem König hinterher. „Die Maga weiß viel. Über Dunkle Brut, und wohl noch mehr über Wächter.“
„Woher hat sie so viel Wissen über Wächter? Das kann man doch nicht haben, wenn man nicht selbst einer ist. Es wird ein riesiges Geheimnis daraus gemacht.“
Gilmore schüttelte abwertend den Kopf. „So wie ich das einschätze sind das großteils... praktische Erfahrungen. Wenn ich ihre Andeutungen richtig interpretiere. Sie ist wohl viel rumgekommen und hat so manchen Wächter kennengelernt. Natürlich gibt es auch mehr als genügend Legenden über die Grauen Wächter.“
„Bei Alistair wird ihr das alles nichts nützen.“
„Nichts anderes habe ich von unserem König erwartet. Oder von Eurem künftigen Gemahl.“
„Es wird allmählich dämmerig. Lasst uns hinein gehen und etwas essen. Ich werde mich wohl bald hinlegen.“ Bevor Jaina sich aufrappeln konnte, war Gilmore auf den Beinen und reichte ihr die Hand. „Ich freue mich darauf Fergus wiederzusehen.“
„Ich hätte Euch eine Nachricht geschickt, als ich wusste, dass er lebt, aber ich wusste nicht wohin und außerdem wurdet Ihr gesucht. Ich hatte allerdings keinerlei Zweifel daran, dass Ihr lebt.“
„So?“ Neugierig blickte Jaina ihn an. „Warum nicht? Ich bin ebenso sterblich wie jeder andere.“
„Nun, dazu kenne ich Euch und Euer Geschick zu gut. Oder wie Euer Bruder sagen würde: Unkraut vergeht nicht.“
Jaina lachte auf und ging mit Gilmore zurück ins Schloss.
Es war dunkel geworden. Jaina lief vor einem großen Fenster auf und ab, behielt den Vorhof immer im Blick. Alistair war noch nicht zurückgekehrt, auch von Theano fehlte jede Spur. Rastlos ging sie umher, Gilmore stand bei ihr und hatte anfangs versucht sie zu beruhigen, sah aber bald ein, dass es nichts nützte.
„Roland, ich kann nicht mehr warten. Ich reite hinterher.“ sagte Jaina plötzlich und ging ohne auf eine Antwort zu warten auf die Tür zu.
„Mylady, Ihr seid die künftige Königin, Ihr könnt nicht einfach so in eine Horde Dunkle Brut reiten!“ rief Gilmore ihr hinterher, bestürzt.
Jaina hielt an der Tür inne und drehte den Kopf etwas. „Dann kommt doch mit,“ meinte sie stur und rannte in Richtung Stallungen. Sie sattelte in Windeseile ihr Pferd, während Gilmore auf das nächstbeste sprang, dann ritt sie auf den Hof und rief nach ihrem Hund, der wenige Augenblicke später vor ihr stand, aus Richtung der Küche kommend.
Das Tor war noch geöffnet, aber gut bewacht, und Jaina ließ ihrem Schimmel hinausgallopieren, sie mühte sich nicht mit den schönen, sandigen Wegen ab, sondern ritt quer über die Wiesen und Felder, an ihrer Seite galoppierte Gilmore, immer in Richtung der Grenze, zu der sie aufgebrochen waren. Sie ritten in schnellem Tempo, ein Auge auf den Weg gerichtet, aber es kam ihnen niemand entgegen.
An der Grenze angekommen befahl Jaina Jag, Alistair zu suchen, der Mabari machte sich sogleich hechelnd daran, Alistairs Spur aufzunehmen und nach nicht mal einer Minute suchen hatte er die Spur gefunden und rannte voraus. Die Fläche ließ sich gut überblicken, lediglich weit hinten am Horizont stand eine kleine Baumgruppe, ansonsten war alles voll von dunklen Wiesen, die nur vom Mond erhellt wurden, der zur Hälfte gefüllt am Himmel stand.
Jag hielt genau auf die Baumgruppe zu und Gilmore rief verhalten zu Jaina: „Seht mal – dort vorne!“ Jaina blickte in die gewiesene Richtung und erkannte ein schwaches Flackern, wie von einem Feuer. „Was beim Erbauer macht der da? Er... sie... Jag!“ Ihr Mabari hörte den wütenden Tonfall und blieb augenblicklich stehen, Jaina wandte sich an ihre Begleiter: „Keinen Mucks. Ich will wissen was da los ist.“
Ohne auf Antworten zu warten ritt Jaina behutsam weiter, sich stetig dem Flackern nähernd, das langsam Gestalt annahm. Es war ein Feuer unter freiem Himmel. In der Nachtschwärze konnte Jaina kaum etwas erkennen, an Fackeln hatte sie nicht gedacht – aber entdeckt werden wollte sie auch nicht.
Sie stieg vorsichtig von ihrem Pferd, warf ihre Zügel Roland in die Hand und nahm ihren Mabari am Nackenfell. „Schön leise, mein Kleiner.“ Zu Gilmore sagte sie: „Bittet reitet nur langsam näher, sobald ich mich aus dem Gras erhebe, kommt dorthin.“
Damit lief sie geduckt und fast lautlos in Richtung des Feuerscheins, und als sie mehr als nur Schemen erkennen konnte ließ sie sich ins weiche, trockene Gras fallen und wartete kurz. Ihr Hund schlich, an den Boden gepresst, vorwärts, sie folgte ihm kriechend.
Und schließlich erkannte sie die Szene, die sich da am Feuer abspielte. Sie zischte Jag durch die Zähne zu, der innehielt, und fixierte die Stelle am Feuer. Es war noch gut 30 Schritt entfernt, aber sie erkannte Alistair dasitzen, über eine Gestalt gebeugt, offensichtlich mit nacktem Oberkörper, denn die Rüstung reflektierte wesentlich mehr Feuerschein. Ihr stockte der Atem. Das konnte nicht sein! Sie kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder – und sah immer noch diesselbe Szenerie vor sich. Ihr Verlobter saß neben dem Feuer, vor ihm eine Gestalt auf den Boden gelegt, er hatte die Hände irgendwo auf ihrem Oberkörper platziert, soweit die junge Wächterin das erkennen konnte. Schmerz wallte in ihr hoch, wie eine sengende Stichflamme verbrannte sie Muskeln und Adern. Für einen Moment bekam sie keine Luft, dann nahm sie sich zusammen und kroch weiter. Warum hätte sie nicht sagen können.
Noch 25 Schritt, noch 20, noch 15... Jetzt sah sie deutlich, dass Alistair kein Oberteil mehr trug. Tatsächlich keine Rüstung mehr trug. Er saß in seinen kurzen Hosen direkt vor dem Feuer und streichelte die Gestalt neben ihm – Jaina erkannte jetzt zweifelsfrei eine Frau, sie wusste, dass Alistair mit Theano davongeritten war.
Jag spürte den Schmerz und Ärger seiner Herrin und knurrte drohend in Richtung des Feuers, wofür er einen leisen Klaps bekam – aber das Knurren hatte gelangt. Alistair sah auf, während die Gestalt am Boden sich nicht regte. Der König suchte mit seinen Augen die Fläche ab, aber es schien als wäre der Schein des Feuers diesmal sein Nachteil. Dennoch, er erhob sich auf seine Beine, bückte sich und nahm die Frau, die dort lag, auf seine Arme und ging mit ihr auf einen großen Schatten zu, der abseits stand.
Jaina hatte genug gesehen. Sie sprang auf die Beine, ihren Mabari neben sich wissend, und rannte auf Alistair zu, der ihr den Rücken zukehrte.
Wut und Schmerz überschlugen sich in Jaina, sie setzte einen Fuß vor den anderen, und Alistair drehte sich um, er hatte das Rennen und vor allem das Hufgetrappel von Gilmores Pferd gehört, er hatte schon den Mund geöffnet um etwas zu sagen, als er Jaina direkt vor sich sah, die ihn so wütend anfunkelte, dass jegliches Feuer überflüssig gewesen wäre.
Denn Jaina erkannte die halbnackte Gestalt Theanos in den Armen Alistairs, der auf sein Pferd zugegangen war, es schimmerte weiß im Dunkeln.
„Was bei allen verdammten Dämonen, GLAUBST DU, DASS DU DA MACHST???!!!!“ schrie sie ihn wütend an. An ihrer Seite knurrte Jag vernehmlich.
Alistair sah sie verwirrt an. „Was soll ich schon machen? Ich lege Theano auf mein Pferd. Was machst du hier?“
„Damit hast du wohl nicht gerechnet! Wie kannst du mir das antun! Bist du etwa zu dem Schluss gekommen, dass du mir so wenig wert bist?!“ Außer sich zog Jaina ihren Dolch und ging wutschäumend auf Alistair zu, der immer noch die Maga auf dem Arm hielt.
„Jaina, du... warte! Ich mache nichts mit ihr! Du liegst falsch!“ Plötzlich hatte er begriffen, was Jaina ihm vorwarf und er wurde blass wie einen Leinentuch. Gilmore sprang neben ihm vom Pferd und erfasste die Situation mit einem Blick.
Jaina hatte sich von Alistair nicht abhalten lassen und stürzte sich auf ihn – das heißt, sie wollte sich auf ihn stürzen, sie hatte nicht mit Gilmore gerechnet, der mit einem gezielten Schlag aufs Handgelenk dafür sorgte, dass der Dolch in die Dunkelheit flog, während Jaina schmerzgeplagt zischte und sich wütend zu Gilmore drehte. Jag dagegen war an Alistair herangetreten und schleckte dessen Wade ab.
„Was soll das? Habt Ihr sie nicht mehr alle? Er hat mich betrogen!“ brüllte Jaina Gilmore rasend an.
Der schüttelte den Kopf, nahm Theano aus Alistairs Armen, die, wie Jaina erst jetzt merkte, keinen Mucks sagte und sich auch nicht bewegte.
Er trug sie zum Feuer und Jaina erhaschte einen Blick auf einige Bandagen an den Rippen der Maga, die augenscheinlich bewusstlos war. „Nein, er hat sie verbunden.“
Sie warf einen Blick zu Jag, der irgendetwas an Alistairs Bein machte und entdeckte beim schärferen hinsehen Blut. Und zwar eine ganze Menge.
Dort wo Theano seinen Körper verdeckt hatte, zog sich eine geschlitzte Wunde quer über seine Rippen und seinen Bauch.
„Was....?“ keuchte Jaina entsetzt auf, allen Ärger vergessend und auf Alistair zutaumelnd, der sie kritisch ansah.
„Dunkle Brut. An die zehn Stück. Etwas weniger,“ sagte er barsch und führte seinen Schimmel neben das Feuer, wo er Gilmore half, die Maga hinaufzuhieven.
Erst jetzt bemerkte Jaina, dass das zweite Pferd fehlte. Theanos Fuchs war verschwunden.
So wie vorher Wut in ihr gebrannt hatte, fühlte sie jetzt Schuld in sich aufsteigen.
„Alistair, es tut mir Leid, ich konnte doch nicht wissen... Ich meine, ihr seid nicht heimgekommen und ich habe das Feuer gesehen, und da hast du dich über sie gebeugt und...“ Ihre Stimme versagte und sie sah Alistair bittend an. Sie beugte sich zu seiner Wade, die Jag sauber geschleckt hatte, und untersuchte die Verletzung, es war ein Wunder dass er überhaupt laufen konnte, man hätte es schon fast ein Loch nennen können, das sich in der Wade befand.
Sie erhob sich aus der Hocke und legte eine Hand auf Alistairs Arm, wurde aber von Gilmore unterbrochen, der das Feuer austrat. „Wir sollten hier weg. Sofort. Wenn der König angegriffen wurde und bis jetzt Zeit hatte – wir sind nur zu dritt, wir müssen zurück. Sofort!“ In scharfem Tonfall wandte er sich an Jaina, die kurz zögerte, aber dann auf ihren Schimmel sprang. Alistair hatte etwas mehr Mühe da Theano noch auf seinem Pferd lag, aber auch er kämpfte sich nach oben und zu dritt sprengten sie auf ihren Pferden, der Mabari voran, über die Wiesen auf dem schnellsten Weg nach Schloss Cousland.
Erschöpft ließ sich Jaina auf ihr weiches Bett fallen. An der Wand, unterhalb des kleinen Fensters, stand Alistair und schien nachzudenken.
„Alistair?“ Auf ihren Ruf reagierte er nicht, also schlüpfte Jaina aus dem Bett und lief, nur mit einem langen Leinenhemd bekleidet, auf ihren Verlobten zu, der im fahlen Mondlichst besonders muskulös aussah – doch auch die Wunden waren überaus deutlich. Die Wade war verbunden worden und der Schnitt auf der Brust mit wohltuenden Ölen eingepinselt worden.
Jaina legte ihm vorsichtig eine Hand auf die Schulter. „Ist alles in Ordnun? Es tut mir Leid, dass ich vorhin so war...aber es sah einfach so – eindeutig aus.“
Alistair stieß einen Seufzer aus. „Schon in Ordnung.“ Seine Verlobte nahm ihn an der Hand und zog ihn Richtung Bett. Kaum dass sie sich an ihn gekuschelt hatte, ergriff er das Wort. „Ich glaube ich war auch deshalb so betroffen, weil sie genau das versucht hat.“
„Bitte?“ Ungläubig sah Jaina auf.
Der König verschränkte die Arme hinter dem Kopf und stimmte zu: „Ja. Nicht direkt. Aber... wie sag ich das nur... Also, wir haben uns über die Dunkle Brut unterhalten. Und als wir zur Grenze ritten, kam sie auf die Wächter zu sprechen. Sie sagte, es sei meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es einen Erben gibt, andernfalls ergeht es dem Volk nicht anders als unter Loghain. Sie hat sich dafür... sagen wir, angeboten.“
„Weshalb? Und... was hast du gesagt? Du hast doch nicht...?!“
„Jaina!" Aufgebracht sah er sie an ob dieser Unterstellung."Du weißt, dass wir es beide mit der Verderbnis nicht leicht haben, Kinder zu zeugen. Das habe ich dir erzählt. In Wahrheit – wenn Theano Recht hat, ist es noch schlimmer.“
Jaina rollte sich Schutz suchend zusammen. „Was soll das heißen? Gar keine Kinder?“
Alistair legte einen Arm um die leicht zitternden Schultern seiner Verlobten. „Doch, es kann funktionieren. Männer haben es leichter als Frauen. Denn ihr habt nur bestimmte Fruchtbarkeitsphasen. Diese zu finden und dann in einem unverderbten Zustand scheint weitaus schwerer zu sein als ich dachte.“
Jainas Reaktion war fast gelassen. „Das habe ich mir aber schon fast gedacht. Wie sonst sollte sich die Verderbtheit auswirken... Wir dürfen einfach nicht aus der Übung kommen...“
„Jaina... alle erwarten einen Erben. Wir können vielleicht niemals einen haben. Können wir das einfach so verantworten? Das Land wieder dem Bürgerkrieg übergeben, weil... weil das nicht klappt?“
„Was willst du denn alternativ machen? Etwa Theanos Angebot annehmen?“ Empört sah sie zu ihm auf, der beruhigend den Kopf schüttelte.
„Nicht wenn es auch anders geht. Ich will keine andere Frau als dich. Wirklich. Aber einen Erben sollten wir dennoch haben...“
„Alistair, König sein ist keine Strafe! Keiner kann dich zu etwas zwingen was du nicht willst.“
„Meinst du? Vielleicht habe ich das zu eng gesehen...“
„Denk einfach darüber nach...“ Jaina reckte sich zu seinem Gesicht und wollte ihn auf die Wange küssen, als er seinen Kopf drehte und ihre Lippen die seinen trafen.
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05.06.2011 13:52
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K2 #1 • Abwägen
#111
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Vorherige -> K1 #30 • Diverses
Tobias hatte Messer geschliffen. Dabei war er von Isilde mit der Frage überrascht worden, ob er denn über den Winter bleiben wolle. Er hatte sich für die Antwort Bedenkzeit ausgebeten. Sie hatte ihm mit einem Flüstern ins Ohr ihre Erwartung schon mitgeteilt. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #1 • Abwägen
Seit der Frage von Isilde zum Verbleib über den Winter und der Bitte von Tobias um Bedenkzeit war ein Tag vergangen. Um Tobias und seinem Mabari stand es besser. So hatten sich die beiden auf einen Spaziergang in den Wald begeben. Tobias, weil er nachdenken und Klecks, weil er seit dem Eingriff nicht von der Seite seines Meisters weichen wollte. Während der Mabari bereits erste Anzeichen seines alten Instinktes zeigte und durch den Wald stromerte, erging es Tobias anderes. Er nahm seine Umwelt nicht richtig war. Er sah zwar Wege, Wurzeln, Steine, doch wie mit einem zweiten Blick. Als er dann über eine Wurzel stolperte sagte er zu Klecks: »Komm, komm, wir sollten uns hier einen Platz suchen. Sonst kommen wir mit mehr Blessuren zurück, als wir vor dem Spaziergang hatten.« So gesagt, so getan. Der Mann mit dem rosenblonden Haar suchte sich einen Stein auf einer Anhöhe und setzte sich darauf. Der Kriegshund verstand diese eigenartige Wendung nicht. »Wuff! Wuff!« versuchte er zu protestieren. Zum einen war der Hund sich seiner Sache nach dem Behandlung nicht sicher. Er wollte auch bei seinem Meister bleiben, aber auf der Stelle hocken wollte er auch nicht. Dafür war der Wald viel zu interessant.
»Still, jetzt!« sagte Tobias und klappste Klecks noch an die Seite. »Schau Dich um, aber bleib in der Nähe,« hörte der Mabari noch. Er konnte mit dieser Ansage nichts Richtiges anfangen und so lief er zwar um Tobias, doch so richtig war es nichts, was den Hund ausgefüllt hätte. Als nicht mal sein sonst treffsicheres Winseln einen Erfolg brachte, trottete der Hund zu dem in der Nähe, am Fuße der Anhöhe entlang fließenden Wasser, um seinen Durst zu stillen.
Tobias war schon in Gedanken. Obwohl er, um sich abzulenken, schnitzte. Er hatte, so wie oft, einen längeren Stecken beim Eintritt in den Wald geschnitten. Um dem Nachdenken zum Bleiben oder Gehen zu entweichen, hatte er begonnen die Rinde an einigen Stellen von dem Stecken zu schälen. Dazu umkreiste er mit dem Stilett gekonnt den Stab in mehreren Abständen. Das Stück dazwischen lies sich gut mit dem scharfen Messer anheben und lösen. Auch ein Entfernen von kleineren Rindenstücken in einem Karomuster konnten die Gedanken nicht verdrängen. Und so arbeitete der Mann mechanisch an dem Stab, war aber längst in den Dingen seines Kopfes entschwunden. So bekam er auch nicht mit, wie Klecks, der vom Wasser saufen zurück war, erfreut über das Spiel, nach den Rindenstücken schnappte. Tobias sah auch nicht das magisch hereinbrechende hellgelbe Sonnenlicht, welches durch die hohen, alten Tannen hinter der Anhöhe den Wasserlauf traf und sich dort in abertausende Lichtfäden spiegelte. Auch die darin tanzenden Schmetterlinge, die das Sonnenlicht reflektieren Wassertröpfchen an den Spinnweben, das verschiedenartige Moos oder die ein oder andere Waldbeere, die keck aus dem Unterholz in Richtung Lichtquelle wuchsen, nahm er nicht wahr.
»Was soll ich tun?« Diese Frage bohrte in seinem Kopf. »Gehen oder bleiben?« Der Mann, der so viele Kämpfe bestanden, der der Gefangenschaft mit Charakter getrotzt und manches in seinem Leben gelernt hatte, er wusste es nicht. So stark war sein Bestreben all die Jahre, all die Zeit gewesen, seinen Vater in die Arme zu nehmen. Endlich nach Hause, das war sein Ziel, sein Handlungsantrieb, die Quelle schier unendlicher Kraft gewesen. Jetzt zu sagen, ich bleibe über den Winter? Tobias schüttelte mit dem Kopf und begann all die Dinge aufzuzählen, warum man nicht bleiben konnte. Die Dingen waren mehr, als nur die zehn Finger an seiner Hand. Denn bei jedem Grund zog er einen der Finger zum Handballen. Als er zwei Fäuste hatte und den rechten Zeigefinger wieder anhob, sagte er zu sich: »Nicht zur Last fallen,« hatte ich schon mal. Er scheute sich die Gründe für ein Bleiben aufzuzählen. Denn ganz in seinem Innersten wusste er, dass diese stärker waren. Aber sein Lebensziel war weg. Einfach weg mit der Frage, ob er nicht über den Winter bleiben wolle. Schon als Isilde ihn ins Ohr geflüstert hatte, er könne so lange bleiben wie er wollte, da wäre er am liebsten hoch gesprungen und hätte spontan »ja« gesagt und ihr vermutlich … Doch Tobias wehrte sich gegen diese Richtung seines Handelns. Deshalb war er auch nicht aufgesprungen und hatte seinen Gefühlen für die Frau seinen Lauf gelassen.
»Nein!« und abermals »Nein!« sagte er sich. Als Klecks ihn dann wegen langer Weile mit der Schnauze in den Rücken stupste, war er wieder bei sich. »Ach, Klecks,« sagte er, »Hunde haben es so viel einfacher.« Dabei klopfte er dem Mabari mehrfach an die Seite. »Wollen wir bleiben? Oder gehen wir?« fragte er den Hund. Doch der tat keine Anstalten ihm zu helfen und rannte zum Wasser in der Annahme Tobias wollte mitkommen. Das tat der Mann schließlich auch. Er stand auf, klopfte die Rindenstücke von seinen Sachen, betrachtete den Stecken in seiner Linken, schmunzelte über die Muster und sagte so in den Wald: »Bist ganz schön durch den Wind Alter!« Am Bach angekommen mit einem Blick zurück auf den Stein, erkannte Tobias die Gnade der Natur, die diese Stelle berührt hatte. »Wunderschön,« seufzte er leise, »wunderschön,« wiederholte er seine Eindrücke.
Mitten in dem Grübeln fasste er seinen Entschluss. Spontan, so wie er es meist nach solchen geistigen Bedrückungen tat. Er wusste, er würde es jetzt vertreten, gegen über jedermann und gegen über sich selbst. Er stand zu seinen Entscheidungen. Immer hatte er es so getan, auch wenn manche sich als falsch erwiesen hatten. Doch er war ein Mann, der sich um seine Zukunft ausgiebig Gedanken machte. Die Dinge, die bereits zu seiner Lebensgeschichte gehörten, waren nicht mehr zu ändern. Ob er manche Sache bei seinem heutigen Wissen noch einmal so angehen würde, wusste er nicht. Darüber sann er auch nicht nach. Tobias traf seine Wahl mit dem ihm vorliegenden Fakten. Wenn die sich später als unwahr herausstellen, konnte er es nicht ändern. Zudem er vom Schlachtfeld gewohnt war, sich blitzschnell zu orientieren, den Gegner zu taxieren, eine Strategie zu gewichten und dann in Sekundenbruchteilen umzusetzen. Oft war der Erfolg auf seiner Seite. Aber es hatte auch Angreifer gegeben, die dachten so wie er oder waren die Idee voraus. Aus diesen Dingen hatte er gelernt. Doch den eigenen Angriff in Nachhinein viele Male nachgrübeln, nein, das machte er nicht.
Und mit einem hoch kommenden Gefühl der Freiheit, einer aufsteigenden inneren Erlösung rief er seinen Hund und begab sich auf den Rückweg. »Komm, Klecks! Wir gehen zurück!« sagte er und machte sich keine Gedanken, wann und wie er den Frauen seinen Entschluss mitteilen würde. Nur mit dem Stecken schlug er kühn Parierschläge in die Luft. Tobias hatte seine Wahl getroffen.
Nächste -> K2 #2 • Ein Gespräch
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05.06.2011 20:04
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K2 #2 • Ein Gespräch
#112
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Vorherige -> K2 #1 • Abwägen
Tobias hatte seine Entscheidung getroffen, ob er denn über den Winter bleiben wollte. Er war auf dem Rückweg. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #2 • Ein Gespräch
Klecks kam nicht sofort nach, als Tobias sich entschloss, den Wald zu verlassen. Doch wenn sein Meister rief, dann folgte er sofort ohne Wenn und Aber. Als sie dann in das Freie traten, sahen die beiden, wie die Frauen gerade die Wäsche von den Leinen holten. Isilde trug einen großen geflochtenen Korb vor sich in das Anwesen. Tobias konnte sich gut vorstellen, wie frisch die Bettwäsche am Abend nach Wiese und Sonne duften würde, wenn er die Decke ganz fest an sein Gesicht ziehen würde.
Als er auf Magaritt zu schritt, wurde ihm schon ein wenig mulmig. »Hatte Isilde im Auftrag der Mutter oder aus Eigennutz gehandelt?« schoss es durch seinen Kopf. Er hielt kurz inne und prüfte. Gut Isilde ist wissbegierig, fragt oft, kann zuhören, aber die Mutter austricksen für ihren Vorteil, fragte er sich. »Nein!« war seine Antwort. Sie ist viel zu gradlinig, um so etwas zu tun. Sie würde eher zurückstecken, als die Mutter zu hinter gehen. Trotzdem wäre es gut zu wissen, wie Magaritt darüber denkt, sagte sich der rosenblonde Mann. Und mit diesem Gedanken schritt er auf die Mutter zu. Er wollte erst keine Strategie mit »kann ich helfen« versuchen. Das hatte bei der älteren Frau keinen Sinn. Sie war viel zu erfahren, um nicht zu erkennen, dass noch etwas folgen würde. Und dieses würde sie misstrauisch machen, mutmaßte Tobias. Deshalb beschloss er sie direkt zu fragen und auch die Antwort zu akzeptieren. Doch er kam nicht zum Fragen. Die grauhaarige Frau hatte sein Kommen längst bemerkt und sprach ihn als erste an.
»Na, wieder zurück vom Schmetterlinge zählen?« fragte sie trocken. »Schmetterlinge?« antwortete verdutzt Tobias. »Ihr wollt mir doch nicht erzählen, Ihr geht in den Wald, um ein Stöckchen zu schnitzen,« fuhr Magaritt in ihrem ihr eigenem Stil der Unterhaltung fort und zeigte auf den Stab, den der Mann immer noch in der Linken hielt. Der würde erst blass und dann bekam er eine Gesichtsfarbe, die gut zu seinem Haar passte. Aber er fing sich. »Habe damit gefochten,« sagte er mit einem Schmunzeln. »So etwa,« dabei zeigte er einige Parierstöße und der Mabari, überrascht von dem Gefuchtel schlug an. Magaritt lachte schallend und schlug sich dabei mit beiden Händen auf ihre Knie. »Ach Tobias,« sagte sie, »zumindest habt Ihr Humor und versucht lustig zu sein, auch wenn man Euch ertappt.« »Ertappt bei was?« jetzt spielte Tobias den Ball zurück und stemmte noch die Hände in die Seiten, um den Unschuldigen zu spielen. »Nun fragt schon, was Ihr Euch den ganzen Weg überlegt hat,« sagte Magaritt. Dabei sprach sie ihn in einer höflichen Weise an. Gerade dieser Tonwechsel überraschte Tobias. Ihm wurde klar, dass die Frauen gesprochen haben mussten. Und er wollte jetzt auch nicht den Bogen überspannen und sich mit einer belanglosen Sache aus dem Gespräch ziehen. So fragte er die Frau: »Sagt, Magaritt. Könnte ich länger bleiben?« »Was meint Ihr mit länger?« fragte sie zurück. »Unter länger verstehe ich, bis ich bereit bin von hier wegzugehen.« »Was soll das denn heißen? Ihr könnt laufen, also was hält Euch, nicht sofort zu gehen?« bohrte sie nach. »Bevor ich es erkläre, möchte ich von Euch wissen, dürfte ich länger bleiben?« wiederholte Tobias seine Frage.
»Ja, könnt Ihr,« lautete kurz die Antwort von Magaritt. Tobias wartete eine Weile, aber die ältere Frau fügte nichts mehr an. So entschloss er sich ihr einiges zu sagen. »Dann danke ich für das Vertrauen und die Möglichkeit. Ich habe im Wald lange überlegt, was ich tun soll. Gehen oder bleiben? Ich würde gern meinen Vater wiedersehen. Es war all die Jahre mein Ziel, mein Quell der Kraft,« sagte er und stockte in seinem Vortrag. »Was hindert es Euch, es zu tun?« da war sie wieder die kurze trockene Art der älteren Frau. Doch der Mann war wie in einer anderen Situation, so wie im Wald. Er hörte zwar die Worte, doch sie erreichten ihn nicht. So wie ihn die wunderschöne Laune der Natur an dem Hügel nicht erreichen konnte. Und wie aus den Gedanken heraus sagte er: »Ich! Ich behindere mich!« »Das ist jetzt nicht Euer Ernst,« hakte Magaritt nach. »Doch ist es,« antwortete Tobias. »Letztlich sollte ich meine Geschichte annehmen. Ich kann jetzt nicht zurück. Was will ich machen, wenn ich den Vater in den Armen gehalten habe? Ich bin so kurz vor meinem Ziel. All die Jahre habe ich darauf gehofft, gewartet, gelitten dafür. Doch was ich danach machen will oder was man von mir erwartet,« Tobias hielt inne, griff dankbar mit einem Nicken zu dem Glas Wasser, welches ihm Isilde reichte, die mittlerweile dazugekommen war. »Ich weiß es nicht. Doch es wird sich finden. Und ich fühle mich hier zu hause, bin willkommen. Das ist ein sehr schönes Gefühl nach den langen Jahren in der Fremde, in Orlais.«
Tobias holte tief Luft und sagte zu den Frauen: »Wenn ich bleiben kann, würde ich es gern. Aber nur, wenn ich mit zu packen kann, so wie es sich gehört.«
Dann war einen Weile es still am Wäscheplatz. Nur der Wind zupfte etwas an den noch abzunehmenden Tüchern. Isilde konnte ihre Freude kaum verbergen, getraute sich aber nichts zu sagen und schaute auf die Mutter. Diese sagte: »So sei es! Dann könnt Ihr ja die restliche Wäsche abnehmen und kommt dann, es ist Mittagszeit.« Im Gehen drehte sich Magaritt noch um und sagte zu Tobias: »Ich weiß immer noch nicht wie viele Schmetterlinge es sind?« und ging ins Haus.
»Schmetterlinge?« Isilde schaute Tobias fragend an. Doch der antwortete nicht, sondern begann das erste Tuch von der Leine zu nehmen. Tobias und Isilde taten wie geheißen, nahmen die Wäsche ab und gingen in das Haus. Doch keiner sprach ein Wort. Zu gewichtig war die Entscheidung für alle auf dem Waldbauernhof. Und in Isilde bohrte die Frage: »Warum hatte Mutter nach Schmetterlingen gefragt?«
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07.06.2011 17:41
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K2 #3 • Schmetterlinge
#113
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Vorherige-> K2 #2 • Ein Gespräch
Tobias hatte Magaritt gefragt, ob er den bleiben könne und die ältere Frau hatte ja gesagt. Doch die Frage, warum sie von ihm etwas über Schmetterlinge wissen wollte, beschäftigte Isilde. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #3 • Schmetterlinge
Die drei saßen in der Küche und nahmen ihr Mittag ein. Es gab »Weißsaures« mit Kartoffeln und grünen Bohnen. Magaritt hat vor einigen Tagen einen Hasen geschlachtet und in saure Sahne sowie Wurzelwerk in einem Tonbehältnis eingelegt. Den Braten hatte sie geschmort und das Gemüse durch ein Sieb gedrückt. Der Gemüsebrei wurde in Teilen unter die Soße mit etwas Butter gezogen. Es war Isildes Lieblingsgericht. So wusste die jüngere Frau auch nicht, was sie zu erst tun sollte: Essen oder die bohrende Frage »Warum hatte Mutter Tobias nach Schmetterlingen gefragt?« loswerden.
Tobias sah beim Essen Isilde diesen Konflikt an. Er beobachtete wie sie versuchte sich zu beherrschen, betont danach fragte, ob noch jemand Soße, Kartoffeln, etwas zu trinken oder von dem Fleisch haben wolle. Als sie dann noch den kleinen Beiteller für die Knochen des Hasen demonstrativ vor das Haus schaffen wollte, handelte Tobias. Er war sich seines Tun bewusst und machte es so, wie er es unter seinen Kameraden gehalten hatte. Wenn man etwas wissen wollte, musste man einen anderen auf die Schippe nehmen. Und so fragte er im vollen Ernst, als Isilde gerade die Tür nach draußen mit dem Teller voll Knochen öffnen wollte: »Sagt, Magaritt, hattet Ihr erst Angst um mich und den Mabari?« »Tobias, wo sollte ich Angst haben?«, entgegnete sie, ohne den Kniff zu bemerken. »Na ja, Ihr habt so bewusst nach Schmetter« … Tobias lies eine Pause und sagte dann weiter »lingen« gefragt, als Klecks und ich aus dem Wald kamen.
Magaritt lachte herzhaft auf. So hatte Tobias sie noch nie lachen hören. Aber gleichzeitig schlug etwas auf den Boden. Denn auch Isilde musste lachen, hatte aber nicht auf den Beiteller geachtet, der bei dem Wort »Schmetter« … »lingen« zu Boden gefallen war und machte sich daran die Knochen aufzuheben. »Tobias, Tobias,« lachte die grauhaarige Frau immer noch und schüttelte ihren Kopf dabei. »Ihr seid ein Schelm und ein guter dazu,« sagte sie noch, nach Luft ringend. Und Isilde kam mit den Kochen und den Tellerresten nach oben und fragte jetzt, was sie schon die ganze Zeit wissen wollte: »Und was ist nun mit den Schmetter« … auch sie hielt inne … »lingen?« Und wenn man einmal lacht, kommt es bei der nächsten Sache von selbst. Also lachten die drei erneut, bis Tobias sagte: »Ach es war nicht so schlimm, ich weiß mich schon zu verteidigen.« »Ach, mit dem Stecken, den Ihr dabei hattet,« gab nun ihrerseits Magaritt Tobias einen zurück. Der blieb nichts schuldig und sagte: »Na, wie haltet es ihr denn mit den Schmetter« … wieder folgte eine Pause … »lingen?« »Nun, ich weiß mich schon zu verteidigen,« reagierte Magaritt etwas borstig.
Tobias war bei dem Ton klar, dass ab jetzt in dem Gespräch alles auf einem schmalen Grat verlaufen würde. Doch Isilde sprang unerwartet ein, gab dem Gespräch eine Wendung in dem sie sagte: »Mutter, kann sehr geschickt mit einer Schleuder umgehen und da trifft Sie nicht nur manches Tier, sondern auch Eure Schmetter … linge. Zeigt ihm doch mal die Schleuder,« fügte die Tochter an. Tatsächlich, Magaritt holte mit etwas Gemurmel ein gutes Lederband mit geflochtenen Enden und zeigte es Tobias. Dieser sagte, um das Gespräch nicht auszuweiten, sondern um abzulenken: »So eine Waffe kenne ich nicht. Wenn ich einen Bogen hätte, könnte man ja einen Wettstreit machen.« »Ihr würdet verlieren. Ich kenne niemanden, der treffsicherer wie Mutter ist,« ereiferte sich die Tochter. »Nun, da wir keinen Bogen haben, können wir es nicht ausprobieren und Tobias ist mit Glück davon gekommen,« nun gab Magaritt in diesen Auf und Ab der Worte einen Hieb an den, der das Ganze angefangen hatte.
Doch anstatt Ruhe zu geben, was die Frauen erwartet hatten, sagte der Mann: »Nun, ich könnte einen Bogen bauen.« »Ihr könnt einen Bogen bauen?« platzte Isilde in seine Rede. »Ja, ich kann es. Habe es von einem Elfen gelernt, der zu meiner Rotte in Orlais gehörte,« erklärte Tobias und freute sich, dass er aus der Nummer mit den Schmetterlingen heraus gekommen war. »Ihr habt eine Rotte geführt?« bohrte Isilde. »Kind, eine Rotte ist eine Schar von Kämpfern, meist so acht bis zwölf Mann. Und Rotten bilden ein Fähnlein bei den Chevalier.« Und wie sie das sagte, war Magaritt bewusst, dass sie ein Wissen preisgegeben hatte, bei dem man fragen konnte, wo her sie es habe. Deshalb kniff sie die Lippen zusammen, aber die Worte waren nicht mehr zurückzuholen. »Ja, ich habe eine Gruppe von Männern geführt,« sagte Tobias und gleichzeitig schaute er zu Magaritt. Deren kurz voll aufgerissene Augen mit einem knappen anschließenden Wimpernschlag zeigten ihm, dass die ältere Frau ihm dankbar war, dass er die im Raum schwebende Bestätigung: »Oh, Ihr kennt Euch ja gut aus!« nicht gesagt hatte. Sondern er erklärte, als wenn es nicht weiter zu sagen gäbe: »Wenn ich mich hier mal umsehen und die Materialien zusammenbekomme, könnte ich zumindest einen Kompositbogen herstellen.« Und bevor Isilde noch etwas sagen oder fragen konnte fügte er an: »Einen Bogen, bei dem zum Beispiel mehrere Hölzer, wie Robinie und Eibe, verleimt und der dann mit einer Sehne gespannt wird.«
»Wenn Ihr das umsetzten könnt, wäre es wunderbar,« so begann Magaritt das Gespräch ihrerseits zu führen: »Gute Bögen, so wie Ihr es beschreibt und es scheint wohl überlegt, kann man zu einem ordentlichen Preis auf dem Markt verkaufen. Tobias, also Ihr schaut Euch um, vielleicht kann man das eine oder andere auch dazu kaufen und stellt einige Bögen her. Die verkaufen wir auf dem Markt und dann ist unser Auskommen hier gesichert.« Tobias, hoch erfreut über diese Gesprächswendung antwortete: »Ja, Ihr habt recht. Das werde ich machen. Ich schaue mich um, vielleicht geht mir Isilde beim Zusammenstellen der Utensilien zu Hand und ich fertige mal ein Probestück.«
»Und dann kommt es zum Wettschießen?!« erklärte Isilde. Darauf hin mussten alle drei erneut lachen und Magaritt sagte: »Erst der Bogen!« Tobias nickte nur und lächelte in sich hinein. Denn er hatte jetzt eine richtig sinnvolle Aufgabe und weil er nicht wusste, ob Isilde die Frage nach den Schmetterlingen noch einmal stellen würde. Als er so überlegte, ob ja oder nein, kam er für sich zu einem ja. Und deshalb schmunzelte er immer noch, als er nach dem Mittag in den Lagerbereich des Hauses ging.
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11.06.2011 10:35
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K2 #4 • Träumereien
#114
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Tobias hatte aus einer Wortspielerei eine Aufgabe gefunden. Er wollte einen Bogen bauen. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #4 • Träumereien
Während Tobias wieder seine Übungen am Stangenparkour aufgenommen hatte und der Mabari gleiches tat, Magaritt im Haus beschäftigt war, war Isilde dabei Wäsche zum Trocknen auf die Leine zu hängen. Die Sonne stand gut am Nachmittagshimmel. Zugleich trieb der Wind ein leichtes Lüftchen durch die Bäume des nahen Waldes. Die Frau wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis sie die Tücher, Hemden und das andere Weißzeug frisch duftend abnehmen konnte. Beim Anstecken eines Unterkleides sah sie einen etwa 30 Zentimeter großen Vogel einschweben, der etwas in seinen Füßen hielt. Auch der Mabari hatte das trotz seines Herumtollens erspäht und sprang in großen Sätzen an diese Stelle. Doch eher er zuschnappen konnte, hörte die Frau ein lautes, raues Rätschen und sah noch einige Federn aufstieben und dann flog der Vogel weg. Sie erkannte beim Aufsteigen noch einen großen weißen Fleck an dem Bereich, wo der Rücken des Vogels in den Schwanz überging. Dann war sie dort und auch Tobias kam. »Das ging aber schnell,« sagte Tobias und meinte, denn kleinen Singvogel, den jetzt der Mabari fraß und den der andere in seinen Fängen gehalten hatte. Isilde bückte sich und hob eine von den Federn auf. Sie hatten eine blau-schwarz gebänderte Außenfahne. »Ein Eichelhäher,« sagte sie mehr sich. Tobias nickte und sagte: »Sie holen sich auch kleine Nager. Habt Ihr Euch erschrocken?« »Nein,« antwortete Isilde. »Ich muss zu meiner Wäsche,« sagte sie noch und nahm die Feder mit, als sie wieder zurück zum Trockenplatz ging. Nach dem sie sich die Hände gewaschen hatte und weitere Kleidungsstücke auf die Leine hing, musste sie wieder an das Gesehene denken. Doch ihre Gedanken waren nur kurze Zeit bei den beiden Vögeln und dem Zugriff des Kriegshundes. Sie stand und hielt beim Stecken einer Wäscheklammer inne. Einem Beobachter der Szene hätte auch denken können, sie sei eingeschlafen. Isilde war hellwach, aber ihre Gedanken waren weit weg von dem derzeitigen Geschehen.
Bilder zogen an ihr vorbei. Wie sie auf dem Hang der Passstraße nach Amaranthine gewartet hatten, das Schlagen mit dem Haselnussstab gegen einen leblosen Körper voller Grimm, als die Truhen der Karawane bis auf wenige Zinnteller leer vorgefunden wurden, das Stöhnen des Verletzten, der jetzt Tobias hieß und mit dem Mabari durch einen Stangenparkour rannte, das Drücken des Kettenhemdes, als sie den schweren, groß gewachsenen Mann auf ihren Schultern den Hang hoch getragen hatte, aber auch andere Dinge kamen ihr in den Sinn. Wie sie ihn gewaschen hatte, sein kräftiger Oberkörper, die schlimme Wunde an seinem Kopf, die Büschel von dem rosenblonden Haar, die Mutter wegrasiert hatte und von denen sie eins in ihrem Brustbeutel bei sich trug. Bei diesem Gedanken huschte ein weicher Zug durch das Angesicht der Frau. Sie seufzte und anstatt die nächste Klammer zu stecken, fiel Ihr die Suche nach dem Buch für Tobias ein. »Orlais!« Da war es wieder das Wort. Hatte Mutter nicht erst auch wieder etwas zu Orlais gesagt. Ihr kam dabei in den Sinn, wie diese das Stilett in dem Lagerraum aus dem Tisch gezogen hatte. Der Streit, ob man dem Unbekannten ein Messer geben konnte, kam ihr heute sehr komisch vor. »Ob er von ihren Gedanken wusste?« fragte sie sich. Aber Orlais brachte sie auch auf die Spaziergänge zum Weiher, zu den Karauschen, der er so vortrefflich beschreiben wusste. »Ja, er ist sehr gebildet und hat scheinbar für alles eine Erklärung,« sagte sie bei den Gedanken zu sich. Auch die gerade durchgesprochene und für sie unendliche Liste an Dingen für den Bau des Bogen schwirrte noch durch ihren Kopf. Leim wollte er haben. Aber es war nicht der richtige Klebstoff, den sie hatten. Dann wollte er wissen, wo alte Birken sind. Er wolle aus der Rinde Birkenteer herstellen. Sei ein wirklich guter Klebstoff, hatte er ihr erklärt. Alles schien er für etwas gebrauchen zu können. Die Sehen, die sie hatten, das war für sie noch verständlich. Aber dass man aus dem alten gebrochenen Sägeblatt Pfeilspitzen herstellen könne, war ein sinnvoller aber zugleich überraschender Vorschlag gewesen. Auch die Kiste eines Schiffszimmermannes, die sie vor Jahren von den Klippen in die Scheune geschleppt hatten, die hinter dicken Spinnweben in einer Ecke stand, hatte er inspiziert und viele nützliche Werkzeuge gefunden. Doch am meisten hatte er sie fast wie in einem Verhör befragt, wo es sumpfige Stellen gibt, wo keine Hasen und Rehe hinkommen, da wo man mehrjährige, aber noch junge Eiben finden könne. Sie wusste so eine Stelle. Diese war vom Anwesen nicht weit entfernt und Tobias war zufrieden mit ihren Antworten. Aber er hatte keine Ruhe danach gegeben. Wollte noch wissen, wo es Robinien gäbe. Denn sie sei ebenso wie die Eibe widerstandsfähiger und dauerhafter als Eichenholz, aber zugleich biegsam und fest und gegen Holzfäule unempfindlich, hatte er ihr erklärt. Doch sie wusste es nicht so wie bei den Eiben. Jedenfalls schwirrten ihr jetzt viele Gedanken durch den Kopf.
Noch immer stand sie an dem Wäscheplatz und schaute den Bildern hinterher. Ebenso beschäftigte sie die Frage: »Ob er etwas für mich empfindet?« Dabei dachte sie an die Einsamkeit hier im Wald, die wenigen Kontakte zu anderen Menschen und an die kurzen Gespräche mit ihrer Mutter, die ihr immer noch nichts zu Orlais erklärt oder nur einige Bruchstücke ihres Wissen dazu erzählt hatte. Isilde fand Tobias sympathisch. Doch an ein mehr wollte sie nicht denken. Freuen würde sie sich schon, doch er ein feiner Herr, vom Adel und sie eine einfache Frau aus dem Walde. »Schlag es dir aus dem Kopf, schaue Dich an mit deinen mehr als dreißig Jahren,« versuchte sie sich ihre Gedanken aus dem Kopf zu reden. Aber gleichzeitig kamen ihr auch die Dinge in den Sinn, wie sich die Männer umdrehten, wenn sie über den Markt ging. Das schmeichelte ihr und auch Tobias Blicke schienen sie zu suchen. So seufzte sie und beim Schließen ihrer Augen erschrak sie zugleich.
»Träumst hier in den Tag!« sagte sie zu sich und eilte beim Aufhängen der restlichen Wäschestücke. Denn sie wusste nicht, wie lange sie so in Gedanken gestanden hatte. Jedenfalls freute sie sich auf den Bogenbau, denn Tobias war sehr aufmerksam und erklärte ihr die vielen Fragen, die sie hatte. Bei Mutter wurde sie immer knapp und oft mit einem »Papperlapapp!« abgespeist oder zurückgewiesen. Mit diesen Gedanken und der Feder des Eichelhähers schritt sie mit dem leeren Wäschekorb ins Haus.
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12.06.2011 08:14
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K2 #5 • Nachdenken
#115
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Isilde hatte auch bedingt durch die schier unendliche Materialliste zum Bogenbau aber auch wegen eines Vorfalles mit einem Eichelhäher in den Tag geträumt. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #5 • Nachdenken
Als Isilde ins Haus ging, schaute ihr Tobias nach und machte sich so seine Gedanken um die letzten Erlebnisse. Nicht, dass er unzufrieden war mit den Informationen zu den Utensilien zum Bogenbau. Nein, das war es nicht, worüber er nachdachte. Obwohl er sie mit seinem Wissen fast zugeschüttet hatte. Doch sie war aufmerksam, hatte zugehört. Die eine oder andere Position konnte er auf seiner Liste im Kopf streichen. Viele Dinge waren wie die Sehnen oder die zahlreichen Werkzeuge von Sägen über Keile bis zu Raspeln einfach da. Unglaublich fand er, was die beiden Frauen so alles auf dem Anwesen hatten. Doch der Leim, den sie hatten, war aus Tierknochen, vornehmlich von Hasen und Fellen zubereitet. Er wusste, es war ein guter Leim, doch für einen Kompositbogen nicht zäh genug. Das hatte ihm damals sein Waffengefährte erklärt. Also würde er Birkenteer herstellen. Etwas aufwendig in der Herstellung, doch ein guter Kleber. Das wusste er. Denn etwas Besseres um Federn an Pfeile zu heften gab es nicht, sagte er zu sich. Bei dem Gedanken an die Federn schlug er sich mit der flachen Hand an den Kopf. Der Eichelhäher, der seinen Fang zurechtlegen wollte, war ja vom Mabari aufgescheucht worden. Also lief Tobias noch einmal zu der Stelle. Doch die Federn, die dort noch lagen waren zu klein. Weil ihm die blau-schwarze Querbänderung gefiel, steckte er sich eine von den Federn ein und machte sich auf den Rückweg.
Dabei dachte er zurück, wie er Isilde so stehend beim Wäscheaufhängen gesehen hatte. Gleich, als wenn sie eingeschlafen wäre, stand sie mit den Händen an der Leine da. »Was mag sie nur nachgedacht haben?« fragte er sich. Irgendwie hatte er ein merkwürdiges Gefühl. »Ob sie etwas beschäftigt?« bohrte er weiter in seinem Kopf. In diesem Zusammenhang begann er zu überlegen, ob er ihr morgen wirklich die Geschichte erzählen sollte. Denn am nächsten Tag wollte er sein Kettenhemd wieder anziehen. Die Schultern fühlten sich gut an und er war um einiges klüger, als beim letzten Mal. »Du hast es ihr versprochen,« sagte er zu sich.
»Aber es ist wieder eine Männergeschichte, mit Waffen, Kampf und all den Dingen. Muss eine Frau so etwas wissen? Oder reicht es nicht wenige Sätze zu sagen, was es war?« Bei diesem Gedanken blieb er stehen und fuhr sich mit der Rechten mehrfach durch sein rosenblondes Haar. »Sie wird enttäuscht sein, wenn ich es nicht so wie immer mache. Vielleicht rede ich auch zu viel,« sagte er zu sich und beschloss Magaritt zu fragen. Diese Idee erfreute ihn, sodass er für einen kurzen Moment seine Schritte beschleunigte und nach Klecks pfiff. Doch nach wenigen Metern blieb er erneut stehen und sprach zu sich: »Ich sollte eh mehr mit Magaritt sprechen! Immer wenn ich etwas wissen möchte, habe ich Isilde gefragt. Doch was weiß ich von der Hausherrin?«
Bei diesen Worten huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Tobias wusste, Magaritt war knorrig wie ein alter Baum und kurz angebunden. Sie handelte wie ein Herr. Kurze knappe Anweisungen und wenig an Diskussion. »Komm jetzt!«, »Unsinn!«, »Mach das!« oder »Papperlapapp!« waren ihre am häufigsten gebrauchten Wörter. Deshalb war er ja zu ihrer Tochter ausgewichen. Doch eine der letzten Antworten Magaritts zu der Bedeutung einer Rotte hatten ihm gezeigt, sie wusste viel mehr, als sie zugeben wollte. Aber, wenn er die ältere Frau etwas gefragt oder um was gebeten hatte, war er auch zum Zuge gekommen.
Und weil Isilde keine Standorte von Robinien kannte, hätte er sowieso mit Magaritt sprechen müssen. »So habe ich einen guten Anlass und frage mal danach, ob ich Isilde solche Dinge, wie es zu der Narbe kam, erzählen soll.« Mit diesen Vorhaben betrat Tobias das Haus. In wenigen Minuten würden sie sich draußen an den Tisch setzten, ein Glas Milch trinken und von dem wunderbaren Gugelhupf ein Stück verzehren. Deshalb ging er in seine Kammer um sich ein frisches Hemd zu holen und ein Handtuch. Denn waschen wollte er sich noch. Denn nach der Rennerei durch die Stangen war es auch nötig, meinte er.
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12.06.2011 20:21
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K2 #6 • Der schwierigere Weg?
#116
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Vorherige -> K2 #5 • Nachdenken
Tobias hatte sich bereit erklärt Bogen zu bauen, um das Auskommen zu sichern. Deshalb wollte er auch mit Magaritt sprechen, denn Isilde hatte einige Dinge zur Materialliste zum Bogenbau nicht beantworten können. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #6 • Der schwierigere Weg?
Die Vesper war zu Ende. Das Stück Gugelhupf hatte Tobias wie immer gemundet und er hatte das den Frauen auch lobend mitgeteilt. Wie sich die Magaritt vom Tisch vor dem Haus erheben wollte, fragte der Mann: »Könnten wir noch, wenn es passt, zum Bogenbau reden?« »Warum sollte es nicht passen!« antwortete die grauhaarige Frau und stand trotzdem auf, blieb aber am Tisch. Isilde sagte, weil sie ahnte, was kommen würde: »Ich räume mal schon ab!« Sie nahm die Teller zusammen, legte die Gläser darauf und ging, nachdem ihre Mutter ihr kurz zugenickt hatte. »Wisst Ihr, wo Robinien wachsen?« fragte Tobias die ältere Frau. »Hm, lasst mich überlegen,« sagte sie. Sie dachte eine Weile nach. Dabei setzte sie sich hin und erklärte dann: »Nun, ich glaube, am Pfad, der vom Weiher abgeht, müssten so nach einer Stunde Weg einige stehen. Da war mal ein Gehöft und diese Bäume wachsen gern auf Schutt. Doch warum wollt ihr Robinien für den Bogen nehmen?« »Isilde hat mir bereits erklärt, wo Eiben stehen. Die Robinie brauche ich, weil ich die Hölzer kombinieren möchte. Es soll ein Kompositbogen werden mit einer Robinienlage in der Mitte zwischen zwei Eibenplatten. Und die Robinie ist eben widerstandsfähiger und dauerhafter als das Holz der Eiche. Die aus Robinie erstellten Materialien sind ohne zusätzliche Behandlung im Freien nutzbar. Feuchtigkeit kann dem Holz nicht viel anhaben und es ist hart, aber auch sehr biegsam,« erklärte Tobias. »Und warum nicht die Esche? Junge Bäume stehen nur wenige Minuten hinter dem Haus,« wollte Magaritt wissen. »Ihr kennt Euch gut aus,« lobte Tobias. »Doch die Hölzer der Esche kann man nicht auf die Erde stellen, die Fäulnis steigt schnell auf. Das zumindest hat mir das mein elfischer Waffengefährte auf eine ähnliche Frage erklärt.« Magaritt nickte nur und fragte dann: »Sonst ist alles zusammen?« »Ich denke schon,« antwortete der Mann. »Morgen will ich hinter den Weiher gehen, zum Windbruch und von den älteren Birken Rinde holen.« »Reicht denn der Leim nicht, denn wir aus den Hasenknochen und den Fellresten erstellen?« fragte Magaritt nach. »Im Grunde nicht,« antwortete Tobias. Im Innersten staunte er erneut über das Wissen der alten Frau, die genau zu wissen schien, dass er Birkenteer herstellen wollte. Doch das konnte auch Isilde berichtet haben. Deshalb sagte er noch: »Es muss ein starker Kleber, wie Birkenteer sein, damit die Hölzer auch verbunden werden.« »Sonst ist aber alles geklärt?« fragte Magaritt nach und wollte sich erneut vom Tisch weg begeben.
In diesem Moment fasste Tobias seinen Mut zusammen und sagte: »Nun eine Sache gibt es da, aber die hat mit dem Bogenbau nichts zu tun.« »Kommt, heraus damit!« kam es trocken von Magaritt und sie fügte noch an: »In gewisserweise gleicht ihr Isilde, es dauert, bis Ihr zum Punkt kommt.« Tobias schluckte vernehmbar. Aber er lies nicht locker: »Nun ich möchte morgen mein Kettenhemd wieder anziehen,« danach stockte er, weil ihm der passende Übergang nicht einfallen wollte. »Eure Schultern sind ja wieder in Ordnung. Also wo ist jetzt das Problem,« kam von der Frau. »Es geht nicht um das Kettenhemd, sondern um ein Versprechen an Isilde,« verdeutlichte Tobias. »Ach,« unterbrach die ältere Frau den Mann. »Was hat Isilde mit dem Kettenhemd zu tun?« »Nun, als sie mir den Rücken versorgte, war ihr die Narbe an meinem linken Arm aufgefallen und sie wollte mehr dazu wissen. Da habe ich gesagt, weil ich Zeit gewinnen wollte, wenn ich das Kettenhemd trage, dann würde ich es ihr erzählen,« bemerkte Tobias. »Da tatet Ihr gut daran, Ihr nicht den Kopf mit diesen gewaltsamen Dingen durcheinanderzubringen,« hörte Tobias. Es wurde für ihn mehr und mehr schwerer dieser sehr umständlichen Diskussion einen Sinn abzugewinnen. Aber er wollte so schnell nicht aufgeben. »Doch was soll ich nun machen?« fragte er. »Ich habe es ja versprochen und möchte auch nicht unehrenhaft handeln.«
»Sagt,« fragte jetzt Magaritt mit einem ziemlich harschen Ton, »wie steht Ihr zu Isilde? Was wollt Ihr?« Tobias überrumpelt von der Art der Fragestellung wurde rot im Gesicht und kam ins Stottern. »Ich, ich, weiß nicht, wie Ihr jetzt die Frage meint.« »Nun, dann werde ich Euch erklären, wie ich es sehe,« begann die ältere Frau. Tobias schaute hoch und erkannte ein Blitzen in ihren Augen und die schon harten Gesichtszüge waren noch eine Spur ernster geworden. Auch die eine Strähne ihres Haares die in das Gesicht hing lockerte den Eindruck nicht auf. Und so hörte er weiter: »Tobias, ist seid ein guter Kerl. Doch über kurz oder lang werdet Ihr gehen. Und was bleibt mir. Eine Tochter, die weder aus noch ein weiß. Ihr setzt ihr Flausen in den Kopf. Hier im Wald lebt sie zwar allein, aber sie ist in Sicherheit. Werdet Ihr sie mitnehmen? Ich glaube nein. Also wird sie nicht nur nach Orlais fragen und von schönen Stoffen träumen, sondern Ihr werdet immer noch bei ihr sein. Das wird ihr Herz schwer machen. Habt Ihr das bei Eurem Handeln bedacht?«
Doch Tobias war auf eine derartige Wendung nicht vorbereitet, aber auch kein Bursche von knapp 20 Jahren, den solch eine Rede in Bedrängnis bringen würde. Und so sagte er nach einem Schweigen bewusst und selbstsicher: »Magaritt, ich bin zu Euch mit einer ehrlichen Frage gekommen. Vielleicht war es der falsche Zeitpunkt Euch, um einen Rat zu fragen. Aber ich hätte diesen gern angenommen. Doch jetzt muss ich mich fragen, ob meine Entscheidung hier zu bleiben nur zu Verwirrung, Zweifel und Ungunst umschlägt. Denn ich sitze ehrlichen Herzen vor Euch, ohne Argwohn, Gedanken auf geraubtes Glück oder anderen zweifelhaften Dingen.« Er holte ein Stück Luft, machte sich frei von all den in der Luft schwebenden Verdächtigungen und entgegnete weiter mit klarer Stimme: »Denkt doch mal darüber nach, wenn ich mit Isilde ein falsches Spiel treiben würde, würde ich dann ihre Mutter um Rat fragen? Wenn das so wäre, welch eine Torheit.« Und der Mann, der fast 40 Sonne gesehen hatte, war dabei sich zu erheben und fügte zum Schluss mit etwas Bitterkeit in der Stimme noch an: »Ich bin Euch sehr dankbar für die Rettung meines Lebens, für das was Ihr für mich getan habt, für die Unterkunft. Habt Dank Magaritt.« Dann erhob er sich wartete jedoch, ob es noch etwas zu sagen sei.
Die grauhaarige Frau schaute erschrocken, denn zu sehr hatten sie die klar gesprochenen Worte getroffen. Sie wollte den Mann nicht verletzten und nun war er imstande und verließ den Wald. So antwortete sie mit einem ungewohnten Zittern in der Stimme: »Verzeiht, ich habe immer mein Kind beschützt all die Jahre und all die Zeit. Ich war immer für sie da. Nichts sollte ihr geschehen. Und nun fragt Ihr um Rat. Ich habe es gut gemeint. Glaubt mir. Deshalb meine Bitte, den aufhalten kann ich Euch nicht und Isilde wegen zum Gehen nicht auffordern. Habt acht, im Umgang mit meiner Tochter. Sie kennt die Welt nicht und vertraut sehr schnell. Bitte nutzt es nicht aus. Das sage ich Euch als eine Mutter, die allein die Bürde trägt.«
Tobias hatte verstanden. Er verneigte sich vor der älteren Frau und sagte: »Dann wollen wir es so halten im Interesse von Isilde. Ich werde bleiben. Denn ich brauche noch etwas an Zeit, bis ich vor die meinen treten kann. Und zu Isilde noch ein Wort, ich mag sie schon in ihrer wissbegierigen, aufgeschlossenen Art. Aber es ist nichts zwischen uns beiden. Und wenn es so wäre, würde ich auch zu ihr stehen und Euch beide mitnehmen, wenn Ihr es möchtet.« Er hielt kurz inne und ergänzte noch: »Ich werde jetzt alle Vorbereitungen für den morgigen Tag treffen, denn ich möchte von der Birkenrinde holen.« Magaritt saß immer noch am Tisch, nickt und bemerkte nur knapp: »So sei es!« Dann drehte sich Tobias um und ging mit einem leicht gesenkten Haupt zum Lagerbereich des Anwesens. Die grauhaarige Frau saß noch eine Weile am Tisch und stützte dabei ihren Kopf. Als Isilde nach draußen kam, weil sie meinte, laute Worte gehört zu haben und fragte: »Ist was?« schüttelte Magaritt nur den Kopf und sagte: »Nichts ist! Lasse uns die Wäsche sortieren,« und ging ins Haus.
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13.06.2011 13:01
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K2 #7 • Eine Vollmondnacht
#117
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Vorherige -> K2 #6 • Der schwierigere Weg?
Es hatte die erste Auseinandersetzung gegeben. Tobias hatte von Magaritt einen Rat erbeten, war jedoch falsch verstanden worden. Doch er hatte seine Position verteidigt. Am Ende waren beide sich einig, dass Isilde einen besonderen Schutz und Rücksichtnahme bedurfte. So entwickelte sich die Geschichte weiter:
K2 #7 • Eine Vollmondnacht
Es war eine helle Nacht. Wie man die Vorhänge an den Fenstern auch rücken konnte, der Mond leuchtete in voller Kraft. Es war der letzte Vollmond vor dem Erntemond und der Sommer regierte in voller Pracht. Die Sonne hatte mit ihrer Kraft und Wärme die Pflanzen wachsen lassen. Die Tage waren warm. Doch auch die Nächte brachten keine richtige Abkühlung mehr. Deshalb standen die Fenster in dem Haus im Wald auch in der Nacht offen und keine Holzläden wurden vorgeschlagen, um etwas von der Frische der Nachtstunden in die erwärmten Räume zu lassen. Deshalb lugte das Mondlicht durch alle Spalten und Ritzen und erhellte die Kammern, wo Isilde, Magaritt und Tobias sich zur Ruhe begeben hatten. Eigentlich waren die Tage angefüllt von harter Arbeit. Da bedurfte es keiner großen oder besonders weichen Schlafstatt, um ruhig und tief zu schlafen. Aber in dieser Nacht war alles anders. Denn es hatte zum einen die doch für Tobias heftige Reaktion von Magaritt auf seine Frage »Wie und was er Isilde erzählen solle?« gegeben. Aber er hatte zum anderen auch sehr direkt geantwortet auf die Sorgen von Magaritt. Nur Isilde hatte von den Dingen nichts mitbekommen. Aber auch ihr schwirrte letztlich immer noch der Kopf von all den Dingen, die Tobias ihr vom Bogenbau erzählt hatte. Und so kam es, dass durch die Laute eines Marders, der mit seinen Krallen auf den Holzschindeln des Daches Kratzgeräusche verursachte, als er mit einer Drossel im Maul seine Behausung im Dach aufsuchte, all drei munter wurden. Das helle Licht drang durch die geschlossenen Augenlider und lies keinen mehr schnell nach dem Schnarren auf dem Dach zu einem tiefen Schlaf kommen. So begannen die Gedanken der drei beim Versuch doch endlich in die Traumwelt reisen zu können, ihre eigenen Wege zu gehen.
Das Zimmer der älteren Frau war seit Jahren nicht mehr geändert worden. Sie mochte eine schlichte Ausstattung. Ein Hocker, auf der sorgfältig die Wäsche für den nächsten Tag bereitlag, ein bemalter Bauernschrank, ein Krug mit Wasser und ein Glas für den Durst in der Nacht waren die wenigen Gegenstände neben dem Bett in dem Raum. Das Mondlicht berührte eine kleine Holzschnitzerei an der Wand mit seinem Schimmer. In einem Glasröhrchen steckten längst verwelkte, trockene Feldblumen, die zu dem von der Staubschicht her zu schließen, lange schon so in dem Reagenzglas stehen mussten. Vielleicht war es auch eine Erinnerung, die gleich einer Ikone an der Wand angebracht worden war. Magaritt lag rücklings in ihrem Bett und konnte nach den Geräuschen des Marders nicht sofort einschlafen. Das Gespräch mit Tobias zog wieder und wieder an ihren Augen vorbei. Sie ärgerte sich, dass sie so abweisend gewesen war. Doch konnte sie anders sein? Früher vielleicht, als sie selbst noch ein junges Mädchen war. Ja, da war sie anderes gewesen. Frech, spontan und im Widerspruch, mit allem und jedem. Aber besonders zu ihren Eltern, die damals noch in diesem Hause einen guten Bauernhof betrieben, war sie abweisend und besserwisserisch. Damals gab es auch noch mehrere Nachbarn. Sie hatte eine Bauernwirtschaft mit ihren 17 Jahren als langweilig empfunden. Amaranthine, ja, das war eine Stadt. Voller Menschen, die vielen Waren, die im Hafen umgeschlagen wurden, die Gerüche der Gewürze, die unterschiedlichen Sprachen, die durch die Straßen schwirrten. Doch ihre nicht mehr jungen Eltern sprachen von Verantwortung für den Hof, von der Vorsicht vor den Besatzern aus Orlais. Nichts war dabei was ein junges Mädchen interessierte, so Magaritts Ansichten damals. Und nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater, der sie nicht zum Markttag mitnehmen wollte, sie im Hause einschloss, war sie ausgebüxt. Eigentlich wollte sie die Eltern nur erschrecken und ihnen zeigen, dass man sie nicht so einschließen könne. Aber es kam anders als gedacht. Sie geriet in die Hände einer Streife von Söldnern. Die brachten sie zu einem Fähnlein der Chevalier. Weil sie ihr zu dem die Augen verbunden hatten, wusste sie am Anfang nicht, wo sie hingekommen war. Nun die Soldaten kamen ihr nicht zu nahe. Das lag aber vermutlich daran, weil einer der Offiziere bereits seinen Anspruch angemeldet hatte. Aber das wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Ihr gefiel das freie Leben bei den Männern. Sie kam auch mit deren groben, oft zweideutigen Sprüchen gut zurecht. Denn mancher brachte ihr von Streifzügen ein schönes Kleid, Schuhe, eine Kette oder andere begehrenswerte Sachen mit. Und sie sah sich noch manchmal in einem der schönen Kleider so vor den Soldaten tanzen. Als das Fähnlein verlegt wurde, ging sie mit, vergessen waren die Eltern und ihre Sorgen. Sie verdingte sich zum Spaß als Marketenderin und versorgte das Fähnlein mit Speis und Trank. Das ging so einige Zeit, bis sie von dem Offizier schwanger wurde. In dem Bewusstsein um das ungeborene Kind, die Frage, was wird aus mir und dem werdenden Kinde, erkannte sie ihr falsches Tun. Sie nutze eine Ausfahrt nach Amaranthine und kam vom Beschaffen der Lebensmittel zu dem Fähnlein der Chevalier nicht mehr zurück. Nein, sie ging den Weg zu ihrem Elternhaus. Doch der Weg dahin war für sie ein schwerer gewesen. Nicht nur, dass einige Nachbarn ihre Höfe aufgegeben hatten oder durch die Besatzung vertrieben wurden, als sie den Pfad zum Weiher entlang schritt. Es war auch die Last der freizügigen Jahre, die sie jetzt drückten. Denn immerhin war sie mehr als sieben Jahre von den Eltern weg gewesen. All ihr Jammern und Reuen half nicht, den selbst die Steine des Weges piksten in die Fußsohlen und machten ihr den Gang nicht leichter. Als sie dann vor dem Hause stand und das Licht im Erdgeschoss sah, freute sie sich. Endlich daheim dachte sie sich. Jedoch der Schritt ins Haus sollte ihr Leben radikal verändern. Sie sah ihre Mutter, gram, gebeugt, von dem Wissen das einzige Kind nie mehr zu sehen. Das weiße Haar, die leeren Augen, ihre faltigen Hände erschütterten die noch junge Frau und wischten all die Freiheit, die Freude an dem ungebundenen Sein, den Wirrgeist in ihrem Kopf mit einem Strich hinweg.
Magaritt bekam bei ihrem rastlosen Liegen feuchte Augen. Denn sie hörte immer noch den Ruf ihrer Mutter: »Kind! Wo beim Erbauer kommst Du denn her!« Es blieb ihr wenig an Zeit ihrer Mutter die Dinge zu erklären oder den Schaden wieder gut zu machen. Falls so etwas überhaupt gehen sollte. Denn der Vater war nach einer langen Suche nach der Tochter vor Kummer bereits zu den Toten gegangen. Und auch für ihre Mutter war es zu viel gewesen nach all den Jahren ihr Kind, zu dem in anderen Umständen, wieder zu sehen. Und so musste Magaritt nur wenige Wochen nach der Rückkehr die Mutter zu Grabe tragen. Dann war sie allein auf dem Hof und beschloss sich um ihr Kind zu kümmern, es zu umsorgen und es zu behüten. Damit ihm nicht solch ein Ungemach geschehe wie ihr. Das war jetzt fast 35 Jahre her. Das Mondlicht vernahm einen großen Seufzer der grauhaarigen Frau. Sie wusste um ihre Bürde und Schuld. Deshalb ärgerte sie sich über ihr Gespräch mit Tobias. Eigentlich war er ein guter Mann, das sagte ihr Herz. Sie wusste auch, dass sie Isilde nicht zeitlebens hier wegschließen konnte, wenn es nicht schon zu spät war. So beschloss Magaritt im Angesicht des Mondes noch einmal mit Tobias zu reden, damit er einige Dinge Isilde beibrachte. Denn er hatte die Welt gesehen. Bei diesem Gedanken huschte ein Lächeln über die harten, tiefen Züge der Frau und dann schlief sie ein.
Als Isilde von den Geräuschen des Marders wach wurde, sah sie ihr Zimmer in der Anmut des Mondlichtes. Die Frau mochte dieses Licht und fühlte sich auch deshalb nicht gestört in ihrem Schlaf. Sie stellte sich vor, wie sie ihr schönstes Kleid trug. Wenn sie sich darin drehte, schwangen die Plisseefalten des langen dunkelblauen Kleides so wunderschön. Die Schulterpartie mündete in einer rotfarbenen Brosche, die sie vor einigen Jahren am Markt zum Unwillen ihrer Mutter eingetauscht hatte. Eigentlich sollte sie Mehl und andere Dinge mitbringen. Doch die Brosche hatte einen rosafarbenen facettierten Stein. Dieser hatte ihr so gefallen, dass sie all die anderen Dinge vernachlässigte. So sah sie sich in dem Kleid. Aber sie wusste, dass es hier im Wald leider keine Gelegenheit gab, es zu tragen. Ein Gedanke huschte durch ihren Kopf. Ob sie ihr Lieblingskleid einmal Tobias zeigen sollte? Und ob sie ihn fragen könne, wie sie darin aussehe? Bei diesem Gedanken drehte sich Isilde auf die Seite und erwog sogar einen Tanz mit ihm und schlief darüber ein.
Tobias erkannte beim Aufwachen das Geräusch sofort, welches das Kratzen auf den Dachschindeln hinterließ. »Ein Marder vielleicht,« prüfte er sein Gehör. Er wusste, dass Wiesel auf den Zehen gehen. Aber auch Marder können statt auf den Sohlen, die Zehen nutzen. Auch bot die Dachdeckung wenig Halt. Auch er konnte nicht sofort in den Schlaf zurück. So begann der Mann zu grübeln, was er am Morgen tun oder lassen sollte. Das Kettenhemd nicht anziehen wäre eine Alternative. Dann würde sich das Gespräch verschieben. Denn nur Magaritt wusste von seinem Ansinnen es wieder anzuziehen. Isilde nur einige, wenige Dinge zu erzählen, das wollte er eigentlich auch nicht. Denn das Ereignis, welches zu der Narbe am linken Arm führte, hatte sein Leben in Orlais entscheidend verändert. Doch muss man es in allen Details, so wie man es am Biertisch in einer guten Taverne unter Männern machen würde, einer Frau erzählen? Eben das wusste er nicht. Doch das Leben ist oft ungerecht zu einem, schwer in den Entscheidungen, aber auch mit glücklichen Momenten, dachte er sich. Warum sollte man also etwas von den damaligen Ereignissen weglassen? Nur weil Isilde eine Frau war?
Bei dieser Frage schaute er sich in seiner Kammer um. In dem Mondlicht sah der Raum auch nicht größer aus. Er hatte oft in solchen Stuben genächtigt. Sein eigenes Zimmer auf der väterlichen Burg konnte er dagegen in den Erinnerungen nur noch schemenhaft erkennen. Sein Bett in der Ecke des Zimmers, einen Läufer davor und einige Bilder mit Jagdszenen, das war alles, an was er sich noch erinnern konnte. Bei dieser Suche nach den Bildern der Kindheit sah er auch seinen Vater. Er stellte sich die Frage, wie er wohl diesem erklären würde, wie er zu der Narbe gekommen war.
Bei diesem Gedanken hatte er seine Lösung gefunden. Er streckte sich im Bett, legte die Hände hinter den Kopf und sah in das Mondlicht. Er wusste jetzt, wie er es angehen würde. Seinem Vater hätte er das Wichtige gesagt. Und dieser hätte in seiner Art die Sache schon ergründet. Nun waren Unterhaltungen mit Isilde nicht mit den Unterredungen seines Vaters gleichzusetzen. Doch wenn ich ihr es vorher erkläre, wird sie nachfragen, was sie interessiert. Diese Idee gefiel Tobias. Doch gleichzeitig kamen mit der Freude über die Lösung die Schatten des nachmittäglichen Disputs mit Magaritt zurück. Er verstand die Mutter, die Sorge um die Tochter. Er wusste einfach zu wenig, um jetzt urteilen zu können. Auch hatte er bisher nur sein Heimkommen im Sinn gehabt und nicht an die Frauen gedacht. So nahm er sich vor, mit Magaritt in versöhnlicher Weise zu reden. Überhaupt mehr mit ihr zu reden. Bei der Suche nach geeigneten Themen für ein Gespräch mit Magaritt schlossen sich die Augen des Mannes, das Mondlicht umschmeichelte sein rosenblondes Haar und er schlief langsam ein.
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13.06.2011 14:45
#118
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43) Streit unter Frauen
„Das ist absolut unmöglich. Majestät, Ihr habt einfach den Überblick verloren. Das kann ja mal passieren. Auch wenn es einem König nicht passieren sollte. Oder wollt Ihr so enden wie Euer Bruder?“
„Hütet Eure Zunge! Ihr habt uns beide in Gefahr gebracht, als Ihr so auf die Brut zugerannt seid. Ihr hattet keine Chance! Was habt Ihr Euch dabei gedacht?“
„Ich hatte alles unter Kontrolle.“
„Natürlich, deshalb habt Ihr Euch auch bewusstlos schlagen lassen...“ Schnaubend schüttelte Alistair den Kopf.
„Gewisse Zauber fordern mehr mentale Kraft als andere. Das kann schon mal passieren. Ich hatte alles im Griff.“ Elegant wie eh und je fuhr sie Theano durch die roten Haare.
„Wohl kaum. Ich habe Euch vor den Biestern gerettet. Und mir dabei selbst einiges eingefangen. Haltet Euch in Zukunft von Kampfhandlungen fern!“
„Ihr habt unbedacht gehandelt, als Ihr die Situation so gesehen habt. Ich weiß mir immer zu helfen – und anderen auch.“ Thenao machte eine Geste und Alistair spürte ein ruckartiges Ziehen in seiner Wade – es hielt etwa eine Minute an, dann fühlte sich alles wieder ganz normal an.
„Was...?“ Erstaunt bückte sich Alistair und löste den Verband um seine Wade – darunter war alles verheilt und nachgewachsen. Bewundernd und fassungslos gleichzeitig sah er zu Theano.
„Gern geschehen“ zirpte sie honigsüß, wandte ihm den Rücken zu und ging in Richtung ihres Gemaches.
Jaina erhob sich vom Tisch, die hatte diese Streiterei fast nicht mehr ausgehalten. „Unglaublich, diese Frau. Das Wort Fehler kennt sie nur im Bezug auf andere. Was ist mit deinem Bein?“
Alistair legte den Verband zusammen. „Alles verheilt. Sieh nur. Magie hat ihre Vorteile...“ gab er widerstrebend zu. Sorgsam fuhr Jaina über die verheilte Wunde. „Ja, allerdings.“ Sie erhob sich und drehte sich zu Gilmore, der an der Tür stand.
„Gebt mir Bescheid sobald mein Bruder da ist, bitte. Ich werde mit Theano reden. Wir brauchen alle Informationen über diese selbstständige Dunkle Brut, die wir kriegen können. Alistair, Roland – bitte organisiert einen Boten, der zum Zirkel reitet. Ich möchte mit Wynne sprechen. Sie hat uns damals so sehr geholfen und sie ist erfahren, sie war in Ostagar dabei. Bringt sie hierher. Wenn es sein muss auf Befehl des Königs.“
„Ohje, wenn sie erfährt, dass ich der König bin wird sie das nicht beeindrucken“, lachte Alistair.
„Doch, ich glaube dass genau das sie beeindrucken wird“, konterte Jaina und winkte den beiden Männern noch einmal zu bevor sie sich zu Theanos Gemach aufmachte.
Sie wusste nicht, was genau sie dieser Frau sagen sollte, sie wusste nur, dass sie alle Hilfe benötigten, um die Dunkle Brut zurückzuschlagen und herauszufinden, was sie dazu gebracht hatte, alleine an die Oberfläche zu kommen. In ihrem Hinterkopf schwirrte Ärger auf die Maga, die versucht hatte, Jainas Verlobten zu verführen – wobei sie es nicht direkt versucht hatte, sie hatte es ihm angeboten. Jaina wollte gar nicht wissen, wie es aussehen würde, wenn Theano Alistair tatsächlich verführen würde.
Wenn der Maga wirklich so viel an Ferelden lag wie sie Alistair gegenüber behauptet hatte, dann würde sie Jaina helfen. Entschlossen öffnete sie die Tür zu Theanos Vorraum, wo eine Dienerin Leinen zusammenlegte, jedoch beim Anblick von Jaina diese fallen ließ, auf die künftige Königin zueile, sich vor ihr verbeugte und fragte, was sie für sie tun könne.
„Ruft Theano. Sagt ihr, die Wächterin will mit ihr sprechen.“ „Natürlich, Mylady.“
Die Dienerin eilte in das Gemach und kam wenige Sekunden später zurück.
„Die ehrenwerte Maga nimmt gerade ein Bad und ist daher unabkömmlich.“
Jaina bewegte sich keinen Zentimeter von der Stelle. „Sofort!“ sagte sie fest.
Die Dienerin verschwand wieder im Zimmer und diesmal dauerte es etwas länger, dann kam eine tropfnasse Theano in einen seidenen Umhang gehüllt heraus, die roten Haare kunstvoll in ein weißes Handtuch geschlungen.
„Was gibt es so Wichtiges, Mylady? Ich hoffe wir können uns ans Feuer setzen, ich möchte mich nicht unterkühlen.“
„Selbstverständlich“, antwortete Jaina mit einem kühlen Unterton und ging neben Theano in das ihr vertraute Gemach und lehnte sich neben dem Kamin an die Wand, während Theano sich grazil auf einen gepolsterten Stuhl setzte und mit einem Zipfel des Handtuchs ihren Hals abtupfte, an dem kleine Wassertropfen herunterperlten. „Also, was wünscht Ihr?“
„Informationen. Ich muss alles über diese neue Dunkle Brut erfahren. Was das Äußere angeht kann ich den König fragen, auch das Kampfverhalten. Von Euch brauche ich Studien, Annahmen vielleicht Bücherauszüge, in denen dieses Thema behandelt wird. Ihr seid sehr gebildet und kennt Euch mit Büchern über die Dunkle Brut aus. Ich erbitte Eure Hilfe. Wir dürfen keine weitere Verderbnis zulassen. Im Gegenzug werde ich persönlich dafür Sorge tragen, dass Ihr alle für Eure Studien relevanten Bücher erhaltet.“
„Die habe ich schon längst“, lächelte Theano freudlos.
„Schön. Dann helft mir um Fereldens Willen. Euch scheint ja einiges an unserem Land zu liegen. Wollt Ihr es noch einmal im Kampf gegen die Verderbnis sehen?“
Theano beugte sich vor und fixierte Jaina. „Das tue ich bereits. Mir scheint, Ihr versteht das nicht. Doch diesmal ist die Verderbnis nicht die Dunkle Brut.“
Jaina schüttelte den Kopf. „Wovon redet Ihr da?“
Theano lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Ihr seid so naiv wie Ihr jung seid. Lasst mich Euch einige Sachen unmissverständlich klar machen: Ihr werdet bald Königin sein. Ferelden braucht einen Erben. Ihr seid nicht fähig einen zu zeugen. Punkt. DAS ist die Verderbnis. Ihr verurteilt gerade mein Land zum nächsten Bürgerkrieg. Ihr erlebt ihn wahrscheinlich nicht einmal mehr. Und das macht Euch rücksichtslos und egoistisch. Habt Ihr je daran gedacht, dass andere nach Euch leben werden, die wieder den Streit der Thronfolge austragen müssen?“
Jaina hatte fassungslos zugehört und ihr Kiefer war förmlich nach unten gefallen. „B-b-bitte … WAS?“ stotterte sie vollkommen durcheinander. „Ihr unterstellt mir Rücksichtslosigkeit und Egoismus? Ihr habt keine Ahnung! Ich habe dafür Sorge getragen, dass der Erzdämon vernichtet werden kann. Dass zwei Graue Wächter gegen ihn antreten können. Gegenüber dem König und mir selbst habe ich einige Opfer gebracht.“
„Ts. Ihr seid wirklich naiv. Wollt Ihr Euch den Rest Eures Lebens auf Euren Lorbeeren ausruhen?“
„Nein, genau deshalb versuche ich, mehr über die drohende Gefahr hrauszubekommen. Von Euch!“ knurrte Jaina ungehalten.
„Ach ja. Die Dunkle Brut. Hmmm... wie wäre es, wenn wir einander helfen? Mir liegt daran, die Thronfolge zu klären. Im Gegenzug helfe ich Euch mit der Dunklen Brut. Ich sage Euch alles was ich weiß und wie es dazu kommen kann, dass sie ohne Führer an der Oberfläche sind.“
Lauernd schritt Jaina vor dem Kamin auf und ab. „Die Thronfolge liegt bei mir und meinem Mann.“
„Nicht mehr, Verehrteste. Ihr seid so gut wie unfruchtbar. Jemand anders muss das Kind austragen.“
„Nur über meine Leiche!“ fuhr Jaina Theano wütend an, die sie höhnisch anlächelte. „Ich sagte doch, egoistisch.“ Nun erhob sich die Maga, löste das Handtuch um ihren Kopf, vollführte eine komplizierte Bewegung und ein heißer Luftstrom fuhr durch den Raum und trocknete ihre Haare in Windeseile. Sorgfältig platzierte sie jede Strähne am richtigen Ort. „Hier mein Vorschlag. Ich gebe Euch alles Wissen um die Dunkle Brut. Und glaubt mir, ich weiß die Lösung“, begann sie hochmütig. „Im Gegenzug wird der König mich schwängern und ich den Thronfolger gebären. Und es wird bekannt werden. Danach ziehe ich mich zurück, ziehe das Kind auf, wie es sich gehört. Ihr könnt es gerne sehen. Ihr bleibt Königin und alle sind glücklich.“
„Wie kommt Ihr auf die Idee, dass gerade Ihr den Thronfolger gebären dürft?“
Theano lachte glockenhell auf, als ob das die dümmste Frage wäre, die sie je gehört hatte. „Weil ich es kann. Weil ich es wert bin. Weil der König mich attraktiv findet.“
„Theano, Ihr geht zu weit. Dieser Handel kommt nicht zustande!“ Zornig blitzte Jaina die Maga an.
„Ihr seid eine Heuchlerin, Mylady. Was Ihr einmal konntet, könnt Ihr auch ein zweites Mal.“ Theanos Blick traf Jaina wie ein gleißender Blitz, brannte sich in ihre Augen und vor ihrem inneren Auge sah sie Morrigan, Alistair, wie sie mit beiden geredet hatte, wie sie sich gefühlt hatte.
Eine Welle der Wut überflutete ihre Gedanken.
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13.06.2011 18:55
#119
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44) Rachsucht
Alistair hörte eine Holztür zuschlagen, mit einem wahren Donnern. Fragend blickte er Fergus an, der nachmittags eingetroffen war, glücklich und gesund, wenn auch betroffen ob der Nachrichten die Alistair ihm vermittelt hatte.
„Das war die Tür zu unseren Gemächern...“ brummte er. „Ich kenne nur eine, die so eine Wucht da hinein legen kann.“
„Ich hoffe, Theano gibt Preis was sie weiß. Sie ist unheimlich stolz.“ Fergus nickte, Alistair hatte ihm die Geschichte mit Theano erzählt.
Roland Gilmore mischte sich ein. „Selbst wenn sie es nicht tut, sie hat nichts gegen uns. Warum auch, Schloss Cousland hilft ihr weiter. Wenn sie so vernünftig ist, wie man es von Magiern sagt, dann wird sie das erkennen und uns helfen.“
Die Tür schlug auf und eine zornbebende Jaina stürmte herein, registrierte Fergus und warf sich ihm in die Arme. Fergus wechselte einen überraschten Blick mit den beiden Männern und strich seiner kleinen Schwester über den Haarschopf. „Was ist denn, Kleines? Ich freue mich auch dich zu sehen.“
„Die Maga,“ das letzte Wort wurde förmlich ausgespuckt, während sich die künftige Königin an ihren Bruder drückte.
Alarmiert sah Alistair Fergus an. „Was ist mit ihr, Jaina? Hat sie etwas gesagt?“
„Kann man wohl so sagen,“ kam es knirschend von Fergus Schulter her. Der Teyrn schob seine Schwester von sich, der Schweiß auf der Stirn stand und die immer noch bebte. „Jetzt mal langsam. Was ist hier los?“ Er geleitete Jaina zu einem Stuhl und trat vor sie, Alistair hatte sich neben sie gekniet und nahm ihre Hand.
„Ich habe... etwas Blödes getan,“ begann Jaina stockend. Fergus stöhnte auf, und Gilmore lachte auf, zeitgleich. Alistair sah die beiden mahnend an, während Fergus Gilmore ärgerlich ansah.
Jaina sprach weiter: „Theano wollte einen Handel eingehen. Informationen gegen... eine Schwangerschaft von dir.“ Sie sah Alistair furchtvoll an. Er konnte die Angst in ihren Augen lesen, er konnte den Schmerz darin sehen und er verstand sie.
„Oh, großartig. Seh ich aus wie ein potentieller Kinderspender? Ich bin nicht mein Vater. Was wollen die nur alle von mir....“
Fergus hatte die Brauen zusammengeschoben. „Ich kenne sie noch nicht und sie ist mir jetzt schon unsympathisch. Warum will sie ein Kind von Alistair? Weil er König ist?“
Jaina nickte. „Das auch. Sie sagt, die wahre Bedrohung sei ich. Also das Königspaar. Weil wir als Wächter... nur selten Nachkommen zeugen können. Sie meint, wir würden uns nicht um Ferelden scheren, wenn wir die Nachfolge offenließen. Und damit den nächsten Bürgerkrieg schon festgesetzt haben.“
Fergus verschränkte die Arme vor der Brust. „Ihr seid noch nicht einmal verheiratet. Aber ich verstehe, dass sie diese Frage stellen kann.“
Wütend sah Jaina ihren Bruder an. „Und du würdest mir auch raten, Alistair einfach mal eine Nacht mit einer anderen Frau verbringen zu lassen?!“
Fergus fuhr ihr besänftigend über die Backe. „Kleines. Keiner hier will dir was Böses. Noch muss man diese Entscheidung nicht fällen. Aber unter Umständen... kann das passieren. Aber das soll es nicht. Nie.“
Gilmore trat einen Schritt vor. „Ich verstehe vollkommen, dass Mylady davon nicht begeistert war. Aber das scheint mir kein Weltuntergang zu sein. Der Teyrn sollte nochmals mit der Maga sprechen. Oder Mylady versucht es noch einmal...“
„Unwahrscheinlich.“ Jaina ließ den Kopf hängen. Alistair ahnte, dass nichts Gutes kommen würde und Fergus kannte seine Schwester bestens.
„Jaina...? Spuck es aus!“
Selbstbewusst hob Jaina den Kopf und sah die Männer nacheinander an. „Ich hab ihr eine verpasst, die sich gewaschen hat. Sie war sehr überrascht. Ich.. ähm... glaube nicht, dass sie... Wert darauf legt, mit einem von uns zu... hm..also.. zu verhandeln...“ Sie geriet mehr und mehr ins Stocken und Fergus schmetterte seine Faust auf den Tisch. „Was hast du getan? Bist du vollkommen verrückt?!“ brüllte er. Gebannt sahen alles im Raum auf ihn, er strahlte unglaublich viel Selbstbewusstsein aus. Jeder konnte sehen: Hier stand der Teyrn, ein überaus wütender Teyrn. Seine Wut schien ihn zu umgeben wie ein Funkenschwarm in der Luft.
Jaina hatte sich ebenfalls erhoben. „Ich muss mir von dieser Schlampe nicht alles bieten lassen! Du hast keine Ahnung was es heißt, wenn man...“
„So, weiß ich das nicht?! Ich habe gerade meine Familie verloren!“ Aufgebracht schritt Fergus auf seine Schwester zu, die ihm ebenso stur in die Augen sah. „Das ist etwas anderes. Du hast nie...“
„Hör auf damit!“ brüllte der Teyrn ihr ins Gesicht. „Du bist bald Königin! Hast du JEMALS eine solche Königin erlebt?! Hast du vor, alle politischen Angelegenheiten so zu regeln? Denkst du eigentlich jemals nach?!“
Jaina war erstarrt, alle Wut schien aus ihr herausgesprüht zu sein und mit einem Mal schien sie völlig fertig. Fergus schien es nicht zu bemerken. „Du weißt, was du zu tun hast! Ich weiß nicht, wie wichtig ihre Hinweise sind. Ihr seid hier die Wächter. Du hast dir gerade deinen eigenen Weg verbaut. Du musst noch viel lernen.“ Streng sah er seine Schwester an, winkte einer Wache und ging mit ihr hinaus, ohne sich noch einmal umzudrehend.
Alistair stand ruhig neben Jaina, die ihn fast flehentlich ansah. „Du hast mir gesagt, ich solle mich besinnen, als es um Loghain ging. Glaubst du nicht, dass du das auch solltest?“ Er sah sie gemessen an. „Ich verstehe, warum du das getan hast, und verabscheue die Pflicht so sehr du willst, aber das darfst du nicht tun. Ich will das auch nicht. Nicht noch einmal.“ flüsterte er ihr zu. „Wir brauchen Wynne. Und ich werde Nachricht nach Orlais schicken.“ Damit ließ es sie stehen und wandte sich zur Tür und verschwand.
Jaina ließ sich erschöpft auf den Stuhl fallen. Gilmore war ein Einziger noch im Raum und näherte sich ihr. „Und, wollt Ihr mir auch noch eine Standpauke halten? Ich weiß, dass es falsch war.“
Roland nickte. „Das weiß ich. Jaina, Ihr bringt Euch zuweilen in unvorteilhafte Situationen. Die Maga wird mit Euch nicht mehr darüber sprechen, es sei denn Ihr gebt ihr was sie will. Seid vorsichtig. Ich kann sie nicht einschätzen.“
Jaina winkte ab. „Mein Bruder hat Recht. Alistair auch. Ich sage allen, wie sie sich zu verhalten haben, und ich selbst... Ich weiß nicht einmal, wie ich Königin sein kann.“ Ärgerlich trat sie gegen den Tisch, doch Roland setzte sich zu ihr.
„Sagt so etwas nicht. Ihr könnt das. Ihr müsst es nur wollen. Wisst Ihr nicht mehr, damals als Ihr Dairren sehr diplomatisch mitgeteilt habt, dass Ihr kein Interesse an ihm habt? Diplomatie kann man üben. Und auch seine Gefühle im Zaum zu halten. Seht mich an. Jahrelange Übung. Obwohl ich Euch durchaus verstehen kann.“
Jaina sah in Rolands Augen wieder etwas, eine Regung, die sie schon bei ihrer Ankunft gesehen hatte.
„Was haltet Ihr zurück, Roland? Ich spüre es, da ist etwas. Verleugnet es nicht. Wie sind quasi zusammen aufgewachsen... oder soll ich es nicht wissen?“ Prüfend sah sie ihn an.
Das erste mal zeigte Gilmore Anzeichen von Schwäche, als er leicht seufzte. „Ich will nicht, dass Ihr das wisst, Mylady. Ihr habt viel zu viel um die Ohren. Da will ich mich nicht auch noch aufbürden.“
„Nun sagt es schon. Ich kann Euch vielleicht helfen.“
Entschieden schüttelte der Ser den Kopf. „Nein, könnt Ihr nicht. Niemand kann das.“ Tief sah er ihr in die smaragdenen Augen.
Von der nahegelegenen Wand drang ein Geräusch, wie ein Kratzen, doch danach war alles wieder still. Jaina sah von der Wand zu Roland, und sie erkannte, was er da andeutete.
„Warum habt Ihr mir das nie gesagt? Damals, als wir noch in der Ausbildung waren?“
Gilmore lächelte versonnen. „Ihr wart die Tochter des Teyrns. Ich wäre nicht besser als Theano.“
„Ihr wart immer mein bester Freund – bis ich fliehen musste. Es tut mir Leid, ich wusste das nicht.“ „Das solltet Ihr auch nicht. Ich komme gut klar. Wirklich.“ Er sah sie ernst an, und sie wollte schon erwidern dass das jeder sagen könne, aber er schüttelte warnend den Kopf.
„Ihr seid glücklich. Ihr seid Königin. Ich habe meinen Platz hier gefunden. Der Erbauer hat Euch Euren gewiesen. Seid nicht unvernünftig. Aber seid versichert: Ich werde Euch immer helfen.“ Ernst sah er sie an, erhob sich und verabschiedete sich von ihr.
Erschöpft trat Jaina durch das Haupttor. Sie war den Rest des Tages beim Übungsplatz gewesen und hatte sich verausgabt. Sie ließ sich ein Bad machen und entspannte sich im heißen Wasser, das nach würzigen Kräutern duftete. Sie hüllte sich in den Schaum, wie sie es als kleines Kind getan hatte und überlegte hin und her, wie sie ihr Problem lösen könnte.
Sie bemerkte Alistair nicht, der im Türrahmen stand und lächelte, in eine silberglänzende prunkvolle Rüstung gehüllt.
„Wie fühlst du dich, meine Königin?“ Jaina sah auf und blickte bewundernd auf die Rüstung. „Gut. In Ordnung. Das mit Theano geht mir im Kopf um. Wir brauchen diese Hinweise...“
„Ich war bei ihr. Nein, keine Sorge, wir haben nur geredet. Sie hat sich sehr über die ausgelassen. Weibergeschwätz.“ Er machte eine wegwerfende Bewegung. „In jedem Fall sagte sie mir zumindest, wo wir ansetzen können. Wir müssen Morrigan finden.“
„Darauf bin ich auch schon gekommen. Unter anderem.“ Jaina formte einen kleinen Ball aus Schaum. Alistair trat zu ihr an den großen Waschzuber und fuhr mit den silberbeschlagenen Metallhandschuhen über die schaumigen Blasen. „Sie sagte, Morrigan hat damit mehr als nur etwas zu tun. Alles, sozusagen.“
Jaina griff nach einem dicken Leinentuch und hüllte sich darin ein, kaum dass sie sich aus dem Schaum erhoben hatte.
„Wir sollten es Fergus mitteilen. Lässt du nach ihm rufen? Ich kleide mich derweil an.“ Alistair nickte und Jaina kleidete sich in ein Kleid, das hatte sie schon sehr lange nicht mehr getragen, sie erinnerte sich daran, dass sie Kleider auch nicht so gerne getragen hatte. Immerhin war sie eine Kämpferin. Aber jetzt würde sie bald eine Monarchin sein und ihr war klar, dass deren Alltag nicht aus Kämpfen bestand. Sie legte das samtene Gewand an, es war von dunkelroter Farbem an den Borden mit goldenen Stickereien verziert. Um die Taille herum waren Ornamente in ebenfalls goldener Farbe gestickt, die Ärmel weiteten sich nach unten hin zu weiten Flügeln, der Ausschnitt war nicht tief, sondern elegant und angedeutet. Sie kämmte ihre schwarzen Haare mit einem Holzkamm und frisierte sich, wie ihre Mutter es ihr beigebracht hatte. Wehmütig sah sie den Kamm an, es war ein Geschenk ihrer Großmutter gewesen, auf der flachen Seite waren kleine perlmuttfarbene Perlen in das Holz eingelassen, er lag gut und gewichtig in ihrer Hand und das lackierte Holz fühlte sich weich an. Sie legte ihn zurück in den Schrank und begab sich in Richtung ihres Gemaches, wo Alistair und Fergus über etwas gebeugt standen, das neben ihrem Bett lag.
Jaina trat ein und legte ihre Rüstung auf einen Ständer neben ihrem Schrank, während Fergus sich langsam auf das Bett sinken ließ und sie aufmerksam ansah. Alistair hingegen ging eilig auf sie zu und packte sie am Arm. „Sag mal, was soll das eigentlich werden? Auf welcher Seite stehst du eigentlich?“ Ehrlich verwirrt sah Jaina ihm in die braunen Augen, wo Gereiztheit langsam zu Wut wurde. „Auf deiner Seite stehe ich. Wo sonst? Was ist denn los?“
Fragen blickte sie zu ihrem Bruder, der sie grimmig, aber ruhig ansah. Mit einer Handbewegung wies er neben Jainas Bett, die sich näherte und auf dem Boden neben ihrem Bett ein paar Rüstungsteile erkannte.
Verwirrte kniete sie sich hin und untersuchte sie, sie hatte kaum die Beinschiene in die Hand genommen, da stockte ihr der Atem. Diese Schienen kannte sie. Sie gehörten Roland Gilmore, erkennbar an den dunkelroten Streifen, die sich über die dunkle Rüstung zogen. Dabei lag noch eine Armschiene und ein Amulett von goldener Farbe. „Das sind Rolands Sachen!“
„Was du nicht sagst...“ erwiderte Fergus sachlich.
„Sehr schön, dass du das zugibst. Und jetzt sag mir, was das soll. Ist das schon mal die Rache dafür, dass ich Theano schwängere? Und wenn ich das gar nicht mache? Oder hast du dir das mit der Hochzeit anders überlegt?“ wütete Alistair.
„Da ist überhaupt nichts! Du kannst ihn ja fragen!“ verteidigte sich Jaina. „Wir saßen noch zusammen in der großen Halle und dann bin ich zum Übungsplatz! Außerdem würde Roland nie...“ Erschrocken hielt sie inne, auf einmal bedenkend, was sie heute erfahren hatte.
Ihr Kampfgefährte war in sie verliebt gewesen, war es anscheinend immer noch. Aber heute hatten sie erst darüber gesprochen... Jaina zermarterte sich das Hirn nach der Lösung dieses Rätsels, während Alistair seinem Zorn freien Lauf ließ.
Fergus saß da und blickte von einem zum anderen, nach einer Weile, nach er Alistair am Arm. „Majestät – Alistair. Hört auf damit. Wir wissen alle wonach es aussieht. Aber ich kenne Roland. Und vor allem kenne ich meine Schwester. Hier stimmt etwas nicht.“
„Wie erklärt Ihr Euch dann, dass Theano hiervon wusste, wenn es nicht sein kann?“ Alistair war stehen geblieben und fixierte Fergus und Jaina abwechselnd.
Jaina sah auf. „Theano wusste... wovon?“ „Davon, dass ihr beide Euch heute Nachmittag... hier getroffen habt. Sie sagte das allerdings eher so, dass wenn du mich betrügst, ich das wohl auch mit dir machen kann. Ich habe dich verteidigt, weil ich dir vertraue. Aber das hier sieht anders aus. Weißt du“, er ließ sie gar nicht zu Wort kommen. „Selbst wenn du mich betrügst, rechtfertigt das nicht, dass ich das auch mit dir mache. Aber mir kommen im Moment sehr viele Zweifel. Ich verstehe das alles nicht.“ Frustriert setzte er sich neben Fergus. „Ich will das nicht glauben.“
Jaina erhob sich und stellte sich vor ihre besten Freunde. „Ich war das auch nicht. Aber ich habe eine Idee wer es sein könnte. Ich werde es herausfinden. Und keine Dummheiten machen. Bitte, vertraut mir. Lasst mich versuchen, das auf meine Weise zu erklären.“ Bittend sah sie von Alistair zu ihrem Bruder.
Alistair nickte widerstrebend, Fergus sah sie nachdenklich an. „Wenn du es wieder verbockst, bleibt es an mir hängen.“ Doch dann nickte er. „Also, was wolltet Ihr mir eigentlich sagen?“
Alistair fasste kurz zusammen, was er von Theano erfahren hatte, der Teyrn nahm das zur Kenntnis und empfahl dem Paar, sich zu Bett zu begeben, bevor noch weitere Unglücke passierten. Damit ließ er die beiden alleine.
Nebeneinander lagen sie im Bett, ihre Körper berührten sich nicht, und beide lagen wach. „Alistair... Gilmore deutete heute an, dass er in mich verliebt war“, sagte Jaina leise.
„Ich weiß. Aber ich hätte nicht gedacht, dass du es mir sagst.“ „Woher willst du das wissen? Er hat es mir vorhin erst gesagt.“ „Rate mal...“
Jaina richtete sich auf und stützte sich auf einen Arm.
„Ist dir eigentlich klar, dass zu einer Beziehung zwei gehören? Gilmore war immer ein Freund, aber kein Partner.“ Vorsichtig legte sie eine Hand auf Alistairs Arm, der sie gewähren ließ.
„Ja, weiß ich. Pass auf, ich komme selbst noch nicht so sehr damit klar. Theano bringt hier alles durcheinander. Normalerweise sollte ein Paar keine solchen Angriffsflächen haben. Und irgendwie ist das alles komisch. Lass uns erst mal darüber schlafen.“ Er machte Anstalten sich auf die andere Seite zu drehen.
Jaina nahm die Hand von seinem Arm und war versucht, noch etwas zu sagen, ließ es aber bleiben und drehte sich auf die andere Seite. So lag sie da und konnte nicht einschlafen. Sie wälzte sich hin und her, doch es half nichts. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und erhob sich aus dem Bett und schlich zur Tür hinaus. Sie ging in Richtung des Gemaches von Gilmore, sie wusste wo das war und klopfte leise an. Sie hörte ein Stöhnen von drinnen, ein Schaben und dann öffnete sich die Tür und vor ihr stand Gilmore, zerzaust und verstrubbelt. „Mylady, was ist los?“ Erstaunt sah er sie an, lauschte in den Gang, ob Kampfesgeschrei zu hören war.
„Darf ich eintreten? Bitte, ich muss Euch etwas sagen.“
Verwirrt trat Roland zur Seite und ließ Jaina ein. Mit einem letzten Blick in den Gang schloss er die Tür hinter sich. Aus dem Schatten des gegenüberliegenden Einganges löste sich eine schlanke Gestalt, die auf die Wand zuschlich, hinter der Gilmores Gemach lag.
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14.06.2011 10:20
#120
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45) Ersehnte Hinweise
Am nächsten Morgen war Jaina gerade im Speisesaal dabei zu frühstücken, sie saß dort mit ihrem Bruder, unterhielt sich über mögliche Vorgehensweisen. Alistair und Gilmore waren nirgends zu sehen, doch auf einmal öffnete sich die Tür.
Herein kam Theano, setzte sich zu Jaina und Fergus und breitete eine Karte vor ihnen aus. „Mylady, ich habe nachgedacht und mir ist klar geworden, dass ich Euch helfen muss. Es dient zum Wohle Fereldens. Und die Zeit drängt. Die Lösung liegt hier.“ Sie deutete auf die Karte. Jaina, die noch etwas verwirrt war, fing sich und sah sie die gewiesene Stelle an.
„Das ist eine Höhle, ganz in der Nähe.“
„Richtig. Ich vermute, dass darunter ein alter Zugang zu den Tiefen Wegen liegt. Oder etwas derartiges. Neben den Zwergen lebt ja auch die Dunkle Brut unter der Erde. Zumal waren Euer Gemahl und ich dort in der Nähe und ich nahm Magie wahr. Und es war keine menschliche, glaubt mir.“
Jaina sah zu Fergus. „Ich muss dem nachgehen.“ Ihr Bruder nickte. „Wir müssen die Bedrohung ernst nehmen.“ Er winkte eine Wache. „Sucht den König und bringt ihn hierher.“ Die Wache neigte den Kopf und eilte davon.
Währenddessen erklärte Theano, was sie dort unten erwarten konnte und Jaina musste dem zustimmen. Es war wahrscheinlich, dass dort unten einiges an Dunkler Brut wartete, möglicherweise vielleicht auch noch irgendeine Art Anführer. Es ging vor allem darum zu beobachten, ob sie das Verhalten der Kreaturen verändert hatte.
Führerlos wie sie waren, dezimiert wie sie waren, konnten sich vernünftige Wesen nicht auf blindes Morden verlassen.
„Fergus“, wandte Jaina sich an ihren Bruder. „Ich gehe mit Alistair und Roland dort hin. Möchtest du mitkommen? Wir können keine ganze Armee mitnehmen, wenn wir etwas herausfinden wollen.“
Fergus zwinkerte ihr zu. „Es ist schon lange her, dass ich meine Schwester im Kampf erleben konnte. Ich begleite euch.“ Er wandte sich an Theano. „Ich nehme stark an, dass Ihr auch mitwollt. Meinetwegen könnt Ihr das, haltet Euch im Gefecht aber zurück. Wir wollen kein Unglück.“
„Sire, ich kann gut auf mich selbst aufpassen, obwohl ich Eure Fürsorge zu schätzen weiß...“ begann Theano selbstgefällig, der Teyrn aber unterbrach sie: „So gut wie beim letzten Mal. Haltet Euch im Hintergrund.“ Ohne auf ihren Einwand zu warten drehte er sich zu Jaina und gab ihr Anweisungen.
Endlich schien das wahre Problem angegangen zu werden. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
Sie standen von einem kleinen Erdlocheingang.
„Hinter dem Eingang ist ein großer Vorraum. Danach geht es einen Tunnel entlang, der sich unterwegs teilt, in zwei Teile. Vor den Tunneln selbst ist eine riesige Höhle, dort kann sich auch allerlei herumtreiben. Die beiden Tunnel kenne ich nicht. Alles weitere sehen wir vor Ort. Bedenkt, dass die Höhlen einsturzgefährdet sind. Also keine Steine an die Decke oder Wand schleudern, am besten auch nicht euch selbst oder einen Gegner. Wobei die Höhlen schon seit ich ein Kind war als einsturzgefährdet gelten... Bisher ist nie etwas geschehen. Also, los!“ schloss Jaina, faltete die Karte zusammen und gab sie Theano, dann ging sie voran.
Die erdigen und dunklen Tunnel waren ihr vertraut, sie hatte oft heimlich hier mit ihrem Bruder gespielt. Dass sie aber in die Tiefen Wege führen sollten, konnte sie kaum glauben, obwohl es steil bergab ging. Sie würde es bald wissen. Es roch modrig hier unten, sie hielt ihre Fackel über sich, dass der Schein möglichst weit reichte. Im Tunnel konnte man aufrecht gehen, sie ging eiligen Schritte voran und nach ungefähr einer halben Stunde standen sie in der gewaltigen Höhle.
Kaum traten sie aus dem Eingangtunnel wurden sie überwältigt von der hohen Decke, von der man gar nicht glauben wollte, dass sie unterirdisch lag. Sie konnten in beide Richtungen der Höhle blicken, Wände waren an den Enden nicht zu sehen.
Die Höhle war wie ein überdimensionaler Tunnel in beide Richtungen, nach rechts und nach links, mindestens einhundert Schritt breit, überall waren kleine Felsformationen, riesige und unförmige Steinquader, Löcher im Boden – es gab praktisch genügend Deckung für eine kleine Rotte der Dunklen Brut. „Halt!“ Jaina hob den Arm und drehte sich zu ihren Kameraden um.
Alistair sah etwas angespannt aus, sie konnte nicht genau sagen weshalb, aber im Moment war ihr das auch gleichgültig. Sogar er war ihr gleichgültig. Sie hatte nicht genau darüber nachgedacht und sie würde jetzt nicht damit anfangen. Ihr Bruder sah ebenfalls nervös aus, obwohl er die Höhle hier kannte. Zumindest den kürzesten Weg zu den Tunneln, aber dieser Zwischenteil war so immens, dass das nicht viel ausmachte.
Fergus setzte an: „Wir brauchen jemanden hier, der Wache hält. Der warnt, wenn Dunkle Brut kommt. Am besten zwei.“ Jaina schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube nicht, dass hier die Gefahr droht. Die liegt weiter hinten. Wir müssen die Tunnel und das dahinter untersuchen. Aber hierbleiben sollte jemand, für alle Fälle. Am besten jemand, der Dunkle Brut auf Entfernung wahrnimmt.“ Ohne Alistair anzusehen sagte sie: „Alistair ist ein Wächter, er sollte hierbleiben. Zudem glaube ich, dass der König, der seine Pflicht tun will, hier am sichersten ist.“ Sie wusste genau, dass Alistair protestieren wollte, nicht zu Unrecht, deshalb fuhr sie schnell fort. „Fergus, du geht mit Roland in den linken Tunnel. Ich gehe mit Theano in den rechten. So hat jede Seite jemanden, der schon einmal hier unten war und ich habe die allwissende Maga bei mir. Wenn ihr dunkle Brut seht, bedenkt eure Chancen. Wichtig ist, dass ihr ihr Verhalten beobachtet. Und dass sie euch nicht bemerkten. Ihr kehrt zurück, wenn ihr meint etwas gefunden zu haben, etwas, das uns weiterbringt. Alles klar?“ Fergus ging auf seine Schwester zu und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Du bist eine gute Führerin. Pass auf dich auf da drinnen. Wenn du zurückkommst wartet eine vielleicht sehr viel schwererer Aufgabe auf dich.“ Er warf einen Blick auf Alistair und Jaina nickte widerstrebend. „Ich glaube dir, Kleines. Aber du wärst auch verunsichert. Nein, du warst es.“ Er lächelte sie an und knuffte sie. „Sei nicht so hart mit ihm.“
Gilmore verabschiedete sich von ihr mit allem gebührenden Respekt, dann besprach er sich noch mit Fergus und überprüfte ihre Waffen und Fackeln.
Alistair war auf Jaina zugegangen, die ihre Waffen verstaute. „Was sollte das jetzt? Glaubst du, das ist der richtige Zeitpunkt um...“ „Es ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt jetzt einen Streit anzufangen. Wir haben eine Aufgabe. Das sollte dir doch gefallen.“ unterbrach sie ihn. Etwas sanfter fuhr sie fort: „Hör mal, es war nicht ganz gerecht, ja. Aber im Moment steht einiges zwischen uns. Lass uns wenigstens erst einmal das hier bereinigen, und ich habe gesagt, ich finde heraus was das in meinem Raum war. Aber das hat hier jetzt keinen Platz.“ Bestimmt sah sie ihn an und er nickte widerstrebend.
„Du hast ja Recht. Aber... ich...“ Er holte tief Luft als koste es ihn Überwindung das zu sagen. „Pass gut auf dich auf. Ich kann dich nicht verlieren.“ Er beugte sich zu ihr und wollte ihr einen Kuss geben, doch sie wich zurück. „Das ist keine wirklich gefährliche Mission. Nicht nach allem was wir erlebt haben.“ Sie sah ihn mit einem merkwürdigen Blick an, drehte sich um und signalisierte Theano, ihr zu folgen. Dann rief sie Fergus etwas zu und die beiden Zweiergruppen setzten sich in Bewegung.
Alistair sah seiner Verlobten nach, die ihm gerade wie eine Fremde vorkam. Kopfschüttelnd drehte er sich nach rechts und begann sorgfältig das Gebiet zu untersuchen.
Jaina biss sich auf die Lippen. Sie ging voran, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder zurück, zurück zu Alistair. Theano hinter ihr verhielt sich still, aber Jaina fühlte sich, als könne die Maga ihre Gedanken lesen. Nach ungefähr einer Stunde Marsch verengte sich der Tunnel, die beiden Frauen musste die Köpfe weit einziehen und bald konnten sie nur noch auf allen Vieren kriechen.
„Mylady, wartet!“ Fast hysterisch klang es hinter Jaina, die sich schnell umdrehte, die Hand am Dolchknauf. „Was?“
Theano hatte einen Arm vor ihr Gesicht gehoben und den gemustert. „Hier ist es dreckig!“ Vollkommen entsetzt sah die Maga Jaina an, die nicht glauben konnte was sie da hörte.
„Ach was. Wir sind auch in einer Höhle. Und jetzt weiter, wenn ich bitten darf.“
Unter dem Gemecker Theanos krochen sie weiter, bis der Tunnel sich etwas weitete und scheinbar in einer Sackgasse endete. Grobe Felsen versperrten den Weg, Jaina kroch herum und duckte sich dahinter, dabei spähte sie durch die Ritzen und stellte fest, dass diese Felsen nur vor das Loch gerückt worden waren.
Ihr Gefühl hatte sie schon gewarnt, doch jetzt sah sie sie. Dunkle Brut, ein kleine Gruppe, nur 4 Stück. Doch darunter konnte sie zwei Schamanen erkennen.
„Ich fühle Magie“, wisperte Theano, die herangerückt war. Jaina nickte in Richtung der Gruppe. „Dort sind vier der Biester. Zwei Schamanen. Wir beobachten sie erst einmal.“
Jaina presste sich wieder an den Felsen und spähte durch die sandverstopften Ritzen. Die Gruppe schien keine Aufgabe zu haben, sie standen dort und grunzten sich zu.
Theano indes hatte die Wände untersucht. „Dort ist eine Schwachstelle. Wir könnten nach draußen gelangen, sofern dort genügend Deckung ist.“ „Was wollen wir da draußen? Wir möchten sie beobachten, nicht angreifen.“
„Natürlich, aber wenn sie sich entfernen – könnt Ihr so schnell mehrere Felsen entfernen? Ich könnte es natürlich, aber ich glaube, ich brauche meine Kraft noch für anderes.“
Widerwillig stimmte Jaina zu. „Also gut, zeigt mal her.“ Sie betrachtete die Stelle und erkannte, wo sie Druck ausüben musste, um einen Seitengang freizulegen. „Also gut, leise. Drückt hier“ Jaina deutete auf eine Stelle links neben dem letzten Felsen. Gehorsam legte Theano ihr Hand dorthin. Jaina übte langsam Druck auf eine andere Stelle aus und die Frauen hörten ein Rieseln. Erde und Sand bröselten von oben herab, als Jaina den Druck verstärkte, regnete es kleine Brocken. „Gut - weiter – schön... langsam...“ presste Jaina zwischen den Zähnen hervor. Langsam drückten sie ein Loch in die linke Seitenwand, es wurde größer und größer, und dann war es geschafft. Jaina krauchte hindurch, immer darauf bedacht, in Deckung zu bleiben und lugte um die Ecke. Die Gruppe hatte sich nicht bewegt und anscheinend auch nichts gehört.
Theano krabbelte hinter ihr unbeholfen aus dem Erdloch und wollte schon an Jaina – und damit an der Deckung – vorbei, als Jaina das rechtzeitig bemerkte und ihren stahlgleichen Arm vor Theanos Brustkorb schlug. „Halt. Nicht weiter.“ Die Maga war so geistesgegenwärtig nicht gepeinigt aufzuschreiben, aber sie funkelte Jaina an. „Das war das zweite Mal. Das hättet Ihr nicht tun sollen...“ „Seid still! Sonst hören sie uns!“ zischte Jaina zurück.
„Also, sollten diese Dinger sich nicht bald bewegen, müssen wir an ihnen vorbei. Ich kann sie betäuben. Ausschalten. Was immer Ihr wünscht.“ Theano zählte an den Fingern die Möglichkeiten ab, doch Jaina schüttelte den Kopf. „Seht Ihr diese Felsformation hinter ihnen? Da kann sich jede Menge Verstärkung bereithalten. Die wissen, dass sie nahe bei den Menschen sind. Ich vermute, das dort sind Wachen.“
„Gut, dann betäube ich sie, kurz und schmerzlos.“ Theano wollte schon aus der Deckung kriechen, aber Jaina hielt sie – diesmal vorsichtiger – zurück. „Nein. Ich schleiche mich heran. Den ersten Schamanen kriege ich. Aber sobald Ihr mich seht, müsst Ihr die anderen betäuben. Sofort. Geht das?“
„Selbstverständlich.“ Arroganz lag in Theanos Stimme, doch Jaina befasste sich nicht damit. „Gut. Dann los.“ Sie legte Lederflasche und Beutel ab, dann sprang sie aus der Deckung hinter einen nahegelegenen Felsen, verharrte und lauschte, aber es schien als hätte niemand etwas gemerkt. Leise kroch sie hinter dem Fels entlang, bis sie in eine Art Graben kam, der direkt hinter der Gruppe verlief. Auf halbem Weg sah sie zu Theano, die aufmunternd nickte – und irgendwie freudig lächelte. Magier. Alles Verrückte... dachte sich Jaina, brachte die letzten Meter hinter sich und sprang mit einem Satz aus der Deckung. Bevor einer aus der Gruppe etwas tun konnte, brach der Schamane in sich zusammen.
Und dann stürzte ein Wasserfall an Ereignissen auf Jaina hinab.
Die Dunkle Brut schien tatsächlich überrascht, sie drehten sich schwerfällig um, stießen einen Krieggschrei aus und stürmten auf Jaina zu.
Durch diesen Kriegsschrei alarmiert, hörte man Getrappel vieler schwerer Pranken auf dem Erd- und Felsboden hinter Jaina. Sie hatte richtig gelegen, hinter der Felswand wartete Verstärkung.
Und Theano, auf ihrem Felsen stehend wie eine Statue, vollführte eine komplexe Bewegung.
Jaina verfluchte die ahnungslosen Magier was Kampf anging und wehrte sich verbissen gegen die restlichen Gruppenmitglieder, wissend, dass hinter ihr eine weitere Rotte auf sie zustürmte – der Lärm war ohrenbetäubend.
Und dann fing die Luft an zu vibrieren, der Boden vibrierte, erbebte, Jaina stolperte rückwärts und sah sich verwirrt um, der Brut erging es nicht anders, ein kleines Erdbeben schien sich unter ihnen zu ereignen. Der Staub und Sand in der Luft wich einem Flimmern, eine unerträgliche Hitze machte sich breit und ein leichtes Knacken war zu hören. Alle, Brut wie Kämpferin, starrten auf das sich langsam materialisierende Wesen, das sich anscheinend aus Hitze-, Staub- und Sandpartikeln zusammensetzte.
Und dann erkannte Jaina was das war. Zwei haarige Hörner inmitten einer bunten, aber wunderschönen Frisur, eine leicht rosaglänzende Hautfarbe, so man es so nennen konnte, eine bezaubernde Figur mit formvollendeten Brüsten, die nur mit je einem Anhänger aus purem Gold bedeckt waren, die Hüften weiblich und dennoch schlank, gab das Wesen ein lustvolles Stöhnen von sich, mit einer Stimme, von der Jaina sich wünschte, das sie nie verstummen würde. Sie schaffte es dennoch, einen Blick zu Theano zu werfen, deren Mund ein Wort formte. „Rache.“ Sie formte eine weitere Geste, und dann schoss ein gleißender, brennender Feuerball aus Theanos Händen in Richtung Decke und schlug krachend ein.
Und dann war Theano verschwunden und die Kämpfer besannen sich wieder auf ihre Gegner, unerwarteterweise fegte der Dämon der Wollust, als welchen Jaina ihn erkannte, die ankommende Horde mit einer einzigen Handbewegung beiseite. Jaina hatte den Schamanen und noch einen der Kämpfer erledigt, der letzte griff sie gerade verzweifelt an und Jaina machte kurzen Prozess mit ihm, als sie in die Luft gehoben wurde, gepackt von heißen, feurigen Gliedern und meterweit über dem Erdboden schwebte, der Dämon immer um sie kreisend. Erdbrocken stürzten auf sie herab, um sie herum fielen sie schwer auf den tiefgelegenen Boden, aber sie wurde von keinem erwischt.
„Du bist mir gegeben worden. Du willst mir dienen. Du bist meiner würdig... Ich werde dich belohnen für deine Dienste.“
„Niemals! Ich diene keinem Dämon!“
„Oh doch, das tust du. Du liebst. Du bist leidenschaftlich. Dein Verlobter mag es, wenn du deine Wollust an ihm auslebst. In jedem Atemzug dienst du mir!“ Verführerisch schwirrte die Stimme an Jainas Ohr, sie konnte sie nicht ignorieren, aber sie kämpfte dagegen an
„Nein...nein...!“
„Und mit welchem Willen du dich verteidigst. Du liebst das Leben. Ich gebe dir Leben. Widersetze dich mir, und du wirst sterben!“
"Neeeeeeeeiiiiiiiin!"
Sie fühlte etwas in sich tauchen und einen brennenden Schmerz, dann wurde alles schwarz um sie.
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