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    Halbgöttin Avatar von Fawks
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    30) Hilfe von außen

    Jaina bebte. Sie rang nach Luft und stieß Alistair von sich, der sie umarmen wollte. „Lass mich in Ruhe!“ fauchte sie ihn an. Sie ging in Richtung eines Baumes davon, der einige Schritt entfernt stand und hieb wütend darauf ein. Wie konnte er nur, wie konnte nur – diese Frage schoss ihr wieder und wieder durch den Kopf. Ja, sie hatte in Alistair ihren Bruder gesehen - den Menschen, dem sie am meisten vertraute, aber sie war doch nicht blöd. Alistair war nicht ihr Bruder – und dennoch liebte sie ihn.
    Allein die Tatsache, dass sie ihn anfangs gerne als Bruder gehabt hätte, verlieh der Situation einen schalen Beigeschmack. Eigentlich war es keine große Sache. Ihre anfänglichen Gefühle für ihn als Bruder waren nicht mehr die jetzigen. Jetzt wusste sie relativ sicher, dass sie ihn liebte – als Alistair, nicht als Bruder-Ersatz. Rinde schabte ab und Jainas Beine schmerzten, aber es störte sie nicht. Ihre Wut war durchmischt von Traurigkeit, Zevran – ein wertvolles Mitglied der kleinen Gemeinschaft war verschwunden und sie konnte überhaupt nicht einschätzen, ob sie ihn je wiedersehen würde.

    Leliana kehrte mit einem Reh über der Schulter von der Jagd zurück und die eisige Stimmung am Feuer schlug ihr entgegen. Der Mabari merkte es auch, sofort sprang er auf seine Herrin zu, die düsteren Blickes schweigend am Feuer saß und es schürte.

    Leliana legte das Reh ab, bat Alistair mit einem Blick ihr zu helfen und versuchte zu sehen, was hier vor sich ging. Es war alles andere als eine Stimmung, in der man alle Fragen stellen konnte. Im Gegenteil, Leliana fühlte sich als würde Jaina beim ersten falschen Wort einen Wutanfall kriegen. Ihre Impulsivität machte sie aus – und machte sie auch liebenswert – zumindest solange man nicht um sein eigenes Leben fürchten musste.
    Sie hatten das Reh auf einer provisorischen Grillstange befestigt, die sie über das Feuer hängten. Leliana klopfte sich die Hände ab und sah sich suchend um. „Wo ist denn Zevran?“ Jainas Blick wurde kalt wie Eis. „Weg.“
    „Jaina, was ist denn mit dir los?“ Leliana setzte sich neben ihre Freundin und sah sie eindringlich an. Jaina hob den Kopf und ihre kalte Wut schien diese frostige Stimmung immer mehr zu verstärken. „Gar nichts.“ Sie erhob sich und verschwand in ihrem erstmals aufgebautem Zelt.

    Leliana sah nun zu Alistair. „Was ist denn jetzt passiert? Ist Zevran wirklich weg?“ Alistair nickte mürrisch.
    „Sie hatten Streit. Ich weiß nicht worum es ging. Zevran deutete an, dass Jaina mir etwas verheimlicht. Sie wollte es nicht sagen – und als Zevran das übernehmen wollte hat sie ihm... nun ja, ordentlich was verpasst. Daraufhin ist er geflohen. Nicht dass es mir um ihn Leid täte. Ich habe mich schon gewundert, wann er Jaina das Messer in den Rücken rammt.“
    Alistairs Blick war voller Traurigkeit, Ärger und Verwirrung. Er seufzte und legte sein Gesicht in beide Hände und rieb es.
    „Du weißt nicht zufällig, was er meinte? Es klang... unangenehm. Wäre ja nicht das erste Mal. Zev klang, als ob es was mit unserer Beziehung zu tun hätte. Ich vertraue ihr, aber was immer sie da geredet haben beunruhigt mich. Beim Erbauer, ich werde alle Intrigen bei Hofe erst dann bemerkten, wenn ich mittendrin stecke.“ Er stöhnte gequält.
    Leliana überlegte und erinnerte sich, was Zevrans Einschätzung von Jainas Liebe zu Alistair gewesen war. Bruderkomplex, hatte er gesagt und trotz dass sie erst erschrocken war, empfand sie es nicht als schlimm. Sie hatte eine Beziehung mit ihrer Vorgesetzten gehabt, und hatte sich auch fast als Schwester gesehen.
    „Doch, ich weiß was er meint. Aber es liegt bei Jaina dir das zu sagen. Zevran hätte das nicht tun sollen. Aber dass er gleich geflohen ist... Ich meine, sagte er noch etwas? Er kann mi... uns doch nicht einfach hier zurücklassen.“ Leliana gelang es, eine teilnahmlose Miene zu machen und sie glaubte auch nicht, dass Alistair inmitten seines eigenen Gefühlschaos merken würde.
    Alistair zuckte verächtlich mit den Schultern. „Doch, kann er. Es war klar. Von vornherein. Aber es hilft nichts. Wir müssen weiter. Morgen früh werden wir das auch machen.“
    Leliana nickte und zeigte ihre Traurigkeit nicht. „Vielleicht solltest du zu ihr? Ich passe darauf auf, dass unser Braten dort bleibt wo er ist. Hab keine Angst vor ihr. Sie braucht dich. Mehr als du denkst.“ Alistair sah sie ob dieser kryptischen Worte zweifelnd an, ging aber auf Jainas Zelt zu und verschwand darin.


    Im Inneren brannte keine Kerze. Der flackernde Feuerschein von draußen warf Licht und Schatten gleichzeitig an die dünne Zeltwand. Jaina saß mit dem Rücken zum Eingang auf ihrer Decke und hatte den Kopf tief gesenkt. Sie saß fast so da, als ob sie betete.
    Alistair kniete sich hinter sie. Normalerweise hätte er jetzt seinen Humor zur Schau gestellt, um die Situation zu überspielen. Aber er wusste instinktiv, dass es nicht richtig war. Nicht jetzt.
    „Wenn du es mir nicht sagen willst, dann musst du das nicht. Aber ich würde es gerne wissen. Und vor allem will ich, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin. Immer.“ Er drehte sie vorsichtig zu sich, so als wäre sie aus zerbrechlichstem Glas und sie wehrte sich nicht. Dunkle Ringe lagen unter ihren Augen, die gerötet waren.
    „Er hat es nicht besser verdient.“ flüsterte sie heiser. „Und wir wissen nun wirklich, dass er uns nicht treu war. Wahrscheinlich nie. Es tut mir Leid. Ich habe mich getäuscht.“
    Alistair schüttelte den Kopf. „Ich würde ja gerne sagen „Ich hab‘s dir gesagt.“ Aber das habe ich nicht. Quäl dich nicht damit. Das kann passieren. Es hätte weit schlimmer kommen können. Was ist mit dir los, was dich so mitnimmt?“

    Jaina holte tief und etwas röchelnd Luft. „Ich schäme mich so sehr dafür, Alistair. Für meine Gefühle.“ Tränen flossen an ihren Wangen herab und sie ließ zu, dass Alistair ihre Hand nahm. „Ich kann nichts für sie, aber sie waren so falsch. Und ich habe es ignoriert. Ich hätte dir so sehr schaden können, wenn das nicht gutgegangen wäre.“
    Alistair verstand kaum wovon sie überhaupt redete, aber er strich ihr tröstend über den dunklen Haarschopf und schwieg.
    „Du verstehst es immer noch nicht, oder?“ Jaina kämpfte gegen ein Schluchzen an. „Dass ich mich so viel mit dir beschäftigt habe – für dich Gefühle entwickelte, das kam nur, weil ich in dir die Person sah, die ich am meisten liebte – und am meisten vermisse. Meinen Bruder. Du warst mir wichtig, weil du Fergus-gleich gehandelt hast. Du bist anders als er, völlig anders, aber ich konnte ihn durch dich erkennen, wenn ich es wollte. Und ich wollte ihn durch dich erkennen – mehr als alles andere. Ich habe erst später gemerkt, dass ich dich nicht um meines Bruders willen mag – sondern deinetwegen. Aber stell dir vor, es wäre nicht so gekommen...“ Wieder flossen die Tränen und Jaina senkte den Kopf. „Ich habe deine Gefühle für mich nicht nur ausgenutzt, ich habe die zu etwas gemacht, was sie nie waren. Ich wusste was ich tat und war mir über meinen Schaden im Klaren – aber du... wie hättest du reagiert, wenn ich an einem bestimmten Punkt gesagt hätte, dass man so etwas unter Geschwistern nicht macht?“ Sie zu wieder zu ihm auf, ihre grünen Augen schwammen in Tränen und sie sah völlig verzweifelt aus.

    Alistair saß da und war jenseits von gut und böse. Das hatte er gar nicht erwartet. Klar, es war ein Schock – aber es war doch alles gutgegangen? Und vor allem war sie ehrlich zu sich selbst – und zu ihm. Er schätzte nicht, dass sie ihn genauso gesehen hatte, wie alle anderen in seinem Leben, ersätzlich und nur mit Blick auf dein eigenen Profit – aber alles hatte sich geändert, sie und auch er. Konnte man nun die Vergangenheit nicht vergessen?

    Er sagte ihr seine Gedanken während er seine schluchzende Freundin im Arm hielt.
    „Jetzt ist das nicht mehr wichtig. Wir haben so viele andere Sachen um die wir uns sorgen sollten. Zevran ist weg – gut, dann ist er das. Ansonsten wäre da noch ein Erzdämon, der uns tot sehen will. Und du – ich bitte dich, meine Königin, sag mir, wenn dich was bedrückt. Ich will dich nicht alleine leiden sehen. Ich mag dir nicht immer helfen können – aber die Zeit, die wir haben, will ich mit dir verbringen. Und zwar vollkommen. Oder was meinst du?“ Alistair hob ihren Kopf, wischte mit einer Hand sanft die Tränenspuren weg und sah ihr in die ozean-grünen Augen.
    Jainas Blick war eine eindeutige Antwort. So flammend wie zuweilen ihre Wut darin zu flackern und zu brennen schien, so tat es nun ihre Liebe zu ihm und er hätte sich nicht glücklicher wähnen können. Er lächelte seine Verlobte liebevoll an und wollte sich schon erheben, als sie die Arme um seinen Hals schlang und ihre Lippen auf seinen Mund presste. Alistair erwiderte den feurigen Kuss und drückte Jaina an sich.

    „He, ihr zwei. Das Reh läuft bald wieder davon.“ Die Wächter lösten sich voneinander und sahen zur feuerzugewandten Zeltseite. Dort sahen sie den Schatten Lelianas und sie konnten sich denken, dass auch sie beide einen Schatten geworfen hatten. Hand in Hand kletterten sie aus dem Zelt und klärten Leliana während des Essens über alles auf. Morrigan noch nicht zurückgekehrt, aber Jaina war sich sicher, dass sie über Zevrans Flucht ähnlich froh sein würde wie Alistair. Eine der wenigen Gemeinsamkeiten die die beiden offen zugeben würden, dachte Jaina, gedanklich schmunzelnd.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (14.05.2011 um 11:23 Uhr)
  2. #82 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 16

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    Der dichte Wald schien sie von allen Seiten zu umschließen, sie zu umfangen wie die Arme eines besitzergreifenden Liebhabers, der sie nicht loslassen wollte. Leliana war sich sicher, dass sie sich längst zwischen jenen gewaltigen und uralten Baumstämmen verirrt hätte, wäre nicht ihr schweigsamer Führer gewesen. Lafalas bewegte sich fast vollkommen lautlos durch das Unterholz und warf nur hin und wieder einen Blick auf sie. Er trug keinerlei Waffen außer seinem langen Jagdmesser, was sie verwunderte – aber vielleicht brauchte er den Wald auch nicht zu fürchten. Oder jenes Messer wurde in seinen Händen zu einer furchteinflößenden Waffe.
    Leliana war froh, dass Tamepha ihr den Bogen zurück gegeben hatte. Nun, da sie sich einverstanden erklärt hatte, der Griffon zu helfen, wurde sie auch nicht länger als Gefangene behandelt. Lafalas sollte sie aus den schattigen Tiefen des Waldes hinausführen. Was danach geschah, war offen. Leliana hoffte nur, dass sie bald zu ihren Gefährten zurück kehren konnte. Sie vermisste sie.
    Lafalas blieb vor ihr plötzlich stehen. Mit einem Mal schien er angespannt, sie konnte sehen, wie er leicht in die Knie ging, wie eine Raubkatze, die sich zum Sprung bereit machte. So leise wie möglich schloss sie zu ihm auf, betrachtete prüfend sein Konterfei. Selbst sein Gesicht war angespannt.
    „Was ist los?“, fragte sie besorgt.
    „Dunkle Brut“, sagte er knapp.
    „Was?“
    „Sie kommen hierher. Gib mir den Bogen.“
    „Aber dann wäre ich wehrlos.“
    „Keine Zeit für Diskussionen. Gib mir den Bogen.“
    „Ich… also gut.“ Leliana seufzte und reichte dem Dalish-Jäger ihren Bogen. Lafalas ergriff ihn wortlos, nahm sich einen Pfeil aus ihrem Köcher und spannte den Bogen sogleich. Scheinbar ins Nicht zielte er, dann ließ er die Sehne schnellen. Der Pfeil durchschnitt zischend die Luft und ein gutturaler, unmenschlicher Schrei erklang.
    Weitere Pfeile schnellten von der Bogensehne, und jedes Mal war kurz darauf ein ähnlicher Schrei zu vernehmen. Leliana fühlte sich unangenehm daran erinnert, was sie in den Tiefen Wegen erlebt hatte, wohin sie vor drei Monaten eine Expedition geführt hatte.
    „Das waren alle.“ Lafalas reichte ihr den Bogen zurück.
    „Woher wisst Ihr das?“
    „Ich spüre sie nicht mehr“, gab er knapp zurück.
    Leliana folgte ihm, schnellen Schrittes, da sie erkannte, dass er nicht auf sie warten würde. Dickicht umschloss sie, riss an ihrer Kleidung, fuhr ihr ins Haar, kratzte über ihre Wangen. Leliana fragte sich wiederholt, wie es Lafalas gelang, derart unbehelligt hindurch zu gleiten. Er schien tatsächlich Teil der Wälder zu sein.
    Etwas schimmerte im Dämmerlicht der Wälder auf, und Leliana erkannte, so sie genauer hinsah, eine Genlockklaue, die eine schartige Axt umklammert hielt. Höhnisch schien der Leichnam sie anzustarren, als sie an ihm vorbei ging und dabei einen Blick auf sein fratzengleiches Antlitz erhaschen konnte. Erschaudernd beschleunigte sie ihren Schritt und folgte Lafalas nun umso schneller.
    „Sagt mir eins“, ließ sie nach einiger Zeit sich erneut vernehmen, „vertraut Ihr Tamepha wirklich?“
    „Sie geht ihren Weg. Das kann ich respektieren.“
    „Das beantwortet mir nicht die Frage.“
    „Ich vertraue ihr – aber vollständiges Vertrauen in egal wen ist Irrsinn.“
    „Das klingt sehr… zynisch.“
    „Jeder ist zu Verrat fähig. Den Gedanken muss man akzeptieren.“
    „Nun, das ist wohl wahr“, murmelte Leliana. Sie dachte an Marjolaine.
    Lafalas sagte nichts mehr. Schweigend wie die Schatten, durch die er sie führte, setzte er seinen Weg fort. Er schien nicht müde zu werden, ausdauernd ging er voran, und Leliana begann sich dafür zu verfluchen, dass ihr allmählich der Atem ausging und ihre Füße sich wund und schwer anzufühlen begannen. Jedoch ließ sie kein Wort der Klage verlauten. Sie sehnte sich nach einem Lichten jener Wälder, und nach der Rückkehr zu ihren Freunden.
    Sie hatte sich Tamephas Hilfe gesichert, vielleicht gelänge ihnen allen vereint, was noch niemanden zuvor gelungen zu sein schien… Sie musste daran glauben, und daran, dass der Erbauer sie anleiten würde, andernfalls – das spürte sie mit einer Gewissheit, die sie beinahe ängstigte – war alles verloren.
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  3. #83 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 17

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    „Tretet uns bei, Brüder und Schwestern.“
    Die Fackeln an den Wänden der Feste flackerten. Kassandra starrte beunruhigt auf den Kelch, der vor ihr auf einer Art Altar stand.
    „Kommt zu uns in die Schatten, wo wir wachsam warten.“
    Ein eisiger Schauder kroch ihr über den Rücken. Ihr war übel, und unwillkürlich kroch ihre Hand zum Schwert an ihrer Hüfte. Was hier geschah… es beunruhigte sie. Sie wollte fliehen, doch ihre Beine schienen wie mit dem Boden verwachsen. Das war unheilig!
    „Tretet uns bei und tragt mit uns die Bürde, die getragen werden muss.“
    Unwillkürlich trat sie einen Schritt vom Altar zurück. Was suchte sie überhaupt noch hier? Es war nicht ihre Entscheidung gewesen, diesen Beitritt zu vollziehen. Und wozu brauchte es neue Graue Wächter, wenn die Verderbnis doch vorüber war.
    „Und solltet ihr fallen, so wisset, dass Euer Opfer nicht vergessen sein wird…“
    Opfer? Welches Opfer? Von einem Opfer hatte ihr niemand etwas gesagt!
    „… und dass wir eines Tages zu euch kommen werden.“
    Der Graue Wächter, der neben dem Altar Stellung bezogen hatte, griff nach dem Kelch und trat auf sie zu. „Tritt vor, Kassandra Howe.“
    Sie wich zurück. Das Schwert fuhr zischend aus der Scheide und richtete sich drohend auf den Mann. Ihre Lippen wurden eine schmale, blutleere Linie. Die Flüssigkeit in dem Kelch sah nach Blut aus – natürlich, es war Blut, aber nicht irgendeines, sondern… –, und alles in ihr weigerte sich, dem noch weiter beizuwohnen. Sie hatte nichts zu sühnen, egal, was die Wächter sagten. Ihr einziges Verbrechen bestand darin, den Nachnamen der Howes zu tragen. Sie würde nicht mehr mitspielen…
    „Bleib mir fern!“, spie sie dem Wächter entgegen.
    „Es gibt kein Zurück. Trink.“
    Kassandra handelte. Zischend durchschnitt das Schwert die Luft, sie wirbelte einmal herum und stieß es dem Grauen Wächter in den Bauch. Aufschreiend taumelte er zurück, der Kelch entglitt seinen Händen und das Blut spritzte ihr ins Gesicht. Es schien auf ihrer Haut zu brennen.
    Sie achtete nicht darauf, sondern hechtete dem Ausgang zu. Sie musste hier weg. Das Herz raste ihr in der Brust. Die Faust schlug gegen die Pforte, sie riss sich die Finger auf, als sie an ihr rüttelte und endlich, endlich tat sie sich auf. Keuchend stürzte Kassandra in den Gang, und rannte weiter. Sie konnte Rufe vernehmen, die ihr von überall her entgegen hallten. Weg hier, nur weg… an mehr dachte sie längst nicht mehr.
    „Haltet sie auf!“
    „Bringt sie zurück!“
    „Tötet sie!“
    Kassandra achtete kaum auf die Schreie. Ihr Blick irrte umher. Ein weiterer Mann stellte sich ihr in den Weg, und seine Augen bohrten sich in sie hinein, schienen sie zu zerfressen. Kassandra rempelte ihn im vollen Lauf um und das Schwert fuhr hinab, als sie die scharfe Klinge von rotem Stahl in seiner Schulter versenkte. Sie hörte seinen Fluch, riss die Klinge heftig aus seiner Schulter und hastete weiter.
    Beinahe prallte sie gegen ein Griffonbanner, und die dahinter liegende Wand. Nur mit Mühe fing sie sich ab, stieß sich von der Wand ab, raste keuchend weiter. Ihr Blick fiel auf mehrere Männer und auch einige Frauen, die sie umstanden, die Waffen gezogen. Sie fluchte herzhaft – der Fluchtweg war versperrt. Sie saß in der Falle…
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  4. #84 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 18

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    Es regnete beständig in dichten Fäden und bald war Kassandra von Kopf bis Fuß durchnässt. Sie fror so stark, dass sie fast glaubte, sich allein durch ihr Zittern fortbewegen zu können. Das nächste Gasthaus befand sich mehrere Meilen die Straße hinab im Süden, und sie scheute davor zurück, dort einzukehren. Vielleicht erkannte sie jemand und da die Menschen im Arltum Amaranthine die Grauen Wächter verehrten…
    Seit geraumer Zeit schon fühlte sie sich verfolgt. Es kam ihr vor, als ruhten dunkle Augen auf ihr und verfolgten jeden ihrer Schritte die breite Straße entlang. Sie war so schnell sie konnte aus der Umgebung von Vigils Wacht geflohen, doch sie hatte es nicht gewagt, eines der Pferde zu stehlen. Wer ein Pferd sein eigen nannte, war nicht arm… und erregte mehr Aufmerksamkeit als ein Fußgänger.
    Frierend setzte sie ihren Weg fort, die Kapuze klebte ihr triefnass im Gesicht, und der kalte Wind zerrte unbarmherzig an ihrer Kleidung, fuhr aufdringlich ihr in den Kragen und griff an ihre Brüste.
    Eine verlassene Scheune stand jenseits des Weges und lockte mit Schutz und einer gewissen Warme Kassandra zu sich. Angetrieben von diesem Anblick beschleunigte sie ihren Schritt, eilte den Hügel hinab und flüchtete sich zitternd durch die nur angelegte Tür ins Innere. Heugeruch umfing sie, ein leises Maunzen war zu vernehmen. In einem Ballen von Heu lag eine Katzenmutter mitsamt ihrem Nachwuchs, drei kleine flauschige Fellbällchen, die leise fiepten.
    Kassandra näherte sich ihnen an, betrachtete die Tiere, schrak jedoch etwas zurück, als die Katzenmutter den Kopf hob und drohend fauchte, den unerwünschten Gast zu verscheuchen, danach trachtend, die Jungtiere zu beschützen. Kassandra trat zurück, sank noch immer frierend ins Heu, und lehnte sich an die weichen Ballen. Erschöpfung übermannte sie und ließ die Augen ihr zufallen.
    Ein Geräusch ließ sie aufschrecken, und sofort fuhr ihre Hand zum Schwert. Anspannung kroch in ihre Glieder und ließ alarmiert ihren Blick umher schießen. Ihr Augenmerk fiel auf eine schöne, doch exotisch anmutende Frau. Schwarzes Haar umwölkte ein Gesicht, dass aussah, als habe es der größte aller Künstler aus dunklem, edlen Holz geschnitzt, und malachitfarbene Augen blitzten wach und kühl aus den feinen Zügen. Die Fremde bewegte sich mit katzengleicher Anmut auf Kassandra zu.
    „Ihr seid wach… wie schön.“ Die Stimme der Fremden hatte einen tiefen und starken Klang, deren einzigartiger Akzent in Kassandras Ohren keinen vergleichbaren fand. „Ich dachte schon, ihr wärt einfach entschlafen.“
    „Wer seid Ihr?“ Kassandras Misstrauen wich nicht.
    „Ihr könnt mich Tamepha nennen, wenn Ihr wollt.“ Die dunkelhäutige Schönheit lächelte schwach. „Und Ihr seid Kassandra Howe, oder?“
    „Sagt Euren Wächterfreunden, dass sie mich erst töten müssen, bevor ich irgendetwas für sie tue!“, fauchte Kassandra.
    „Ich bin kein Grauer Wächter“, erwiderte Tamepha gelassen. „Und ich bin auch nicht hier, um Euch zu ihnen zurück zu bringen.“ Die Frau trat näher, die malachitfarbenen Augen blitzten. „Ich hasse die Wächter, genau wie Ihr. Sie haben Eurer Familie Furchtbares angetan und nun beinahe auch Euch verdammt. Und bald werden sie dasselbe bei einem ihrer Gegner versuchen…“
    „Und was betrifft mich das?“ Kassandra starrte die Fremde an. „Was wollt Ihr überhaupt von mir?“
    „Ich habe ein berechtigtes Interesse an Euch, Kassandra. Ihr seid eine Howe. Eure Familie besaß einmal viel Macht und Einfluss, doch jetzt seid ihr Geächtete. Das muss frustrierend sein, wenn man bedenkt, wem ihr euren Sturz zu verdanken habt.“
    „Verdammt… mein Vater hat Fehler begangen, aber den Tod hatte er nicht verdient! Ich will nicht enden wie er.“ Kassandra schluckte. „Und dann gibt dieser Trottel von einem König auch noch unser Land an die Wächter!“
    „Die Grauen Wächter sind nicht die Helden, die das Volk in ihnen sieht, und heutzutage sind sie es weniger denn je.“ Tamephas Blick wurde hart. „Ihr habt es gesehen, jetzt seid Ihr am Zug. Ihr seid eine Howe, dieses Land gehört rechtmäßig Euch. Aber um es zurück zu erlangen braucht Ihr mehr als Euer Schwert.“
    „Ihr kommt hierher, und redet, und redet… und erwartet, dass ich Euch vertraue, obwohl ich Euch nicht kenne. Für wie dumm haltet Ihr mich?“
    „Ich habe keinen Grund, Euch zu belügen.“ Tamepha lächelte grimmig. „Die Grauen Wächter haben mir alles genommen. Ich habe ihr wahres Gesicht gesehen, und alles was ich will, ist, ihrem Tun ein Ende zu setzen. Ich kann es nicht alleine tun, deswegen suche ich Euch. Ich habe beobachtet, wie Ihr aus Vigils Wacht geflohen seid. Ihr wisst, was während des Beitritts geschieht. Ich weiß es auch.“
    Kassandra presste die Lippen aufeinander. „Ihr habt mich verfolgt! Ich wusste es… ich habe etwas geahnt.“ Das Schwert fuhr aus der Scheide. Ohne noch lange darüber nachzudenken, was sie tat, stürzte sie vor und griff an. Pfeifend durchschnitt die tödlich scharfe Klinge die Luft, der Streich war perfekt vollzogen.
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  5. #85 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 19

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    Maellyn rannte wie von tausend Dämonen des Hochmuts gehetzt, die ihren Geist zu übernehmen trachteten, durch die Gänge des Palastes hin zu Alistairs Arbeitszimmer. Dort angekommen, riss sie die Türen in hektischer Angst auf ohne zu klopfen und stolperte, keuchend und halb von Sinnen, hinein.
    „Ihr wolltet mich sehen?“, stieß sie hervor, kaum dass ihr Blick den des jungen Königs getroffen, und schlug die Tür hinter sich zu.
    „Maellyn, setz dich erst einmal, ja?“ Lelianas weiche Stimme ergoss sich wie kühlendes Nass über ihr erhitztes Gemüt.
    Nickend, sich mühsam beruhigend, ließ Maellyn sich auf einen Stuhl sinkend. Ihr Blick ging zu der Freundin hinüber, die Alistair gegenüber stand, neben ihr saß, ja thronte nahezu eine exotische Schönheit mit dunklem Haar und dunkler Haut, die sie unverwandt aus malachitfarbenen Augen ansah.
    „Wer ist das?“, fragte sie argwöhnend. Was suchte diese Frau hier und warum störte sich niemand sonst daran, dass sie hier war, den Raum durch ihre Präsenz dominierend.
    „Ihr könnt mich Tamepha nennen“, grüßte die Fremde mit dunkler Stimme, die tiefer schien als die anderer Frauen. Ein ungewöhnlicher Akzent schwang darin – noch nie zuvor hatte Maellyn einen solchen vernommen. „Und Ihr müsst Maellyn sein, der Graue Wächter, der die letzte Verderbnis beendet hat.“
    „Moment… Tamepha?“ Maellyn sah Leliana scharf an. „Etwa Tamepha die Griffon, mit der du dich verbündest habt?“
    „Ja.“ Leliana nickte. „Und sie ist hier, weil sie dir etwas sagen muss.“
    „Wirklich wundervolle Neuigkeiten“, merkte Alistair an. „Geradezu herzerwärmend… Ihr solltet schon einmal Euer Taschentuch herausholen, Maellyn, gleich wird es hier Freudentränen geben!“
    „In gewisser Hinsicht hat Euer nicht-lustiger Freund Recht“, sagte Tamepha kühl. „Euer Geliebter ist am Leben. Das ist die gute Neuigkeit.“
    „Zevran?“ Maellyns Herz stockte ihr. Die gute Neuigkeit war genannt… doch die schlechte würde in Bälde folgen…
    „Ja.“ Tamepha starrte sie an, und der Blick schien Maellyn bis auf die Knochen zu entblößen. Sie kam sich schutzlos und nackt vor, und eisige Schauder überjagten ihren Körper, ihren Rücken. „Er wurde nach Vigils Wacht gebracht. Die Grauen Wächter dort halten ihn gefangen. Ich vermute, sie wissen, dass Ihr ihm vom Beitritt erzählt habt… Ich weiß nicht, ob sie ihn töten oder dem Beitritt unterziehen wollen, aber was es auch ist… Es ist nicht gut. Das ist die schlechte Neuigkeit.“
    „Vigils Wacht.“ Maellyn spürte, wie alles Blut aus ihrem Gesicht wich. Ihr schwindelte, die Welt schwankte und neigte sich wild. Fest krallten sich ihre Finger in die Tischplatte. „Warum?“
    „Die Grauen Wächter haben ihre Geheimnisse stets eifersüchtig gehütet, besonders jene, die ihnen in den falschen Händen Schaden zufügen könnten. Ihr wisst es doch, Maellyn.“
    „Es gibt kein Zurück“, murmelte sie, erschaudernd, Jorys vor Panik geweitete, doch wild entschlossene Miene vor Augen, als geschehe die Gräueltat gerade jetzt und hier, und läge nicht schon Monate, über ein Jahr gar, zurück. „Jory war nicht der erste, nicht wahr…?“ Wutglühend starrte sie Alistair an. „So war es doch, oder?“
    „Ich… ja.“ Alistair senkte betreten den Kopf. „Duncan hat auch den anderen getötet… der, der bei meinem Beitritt gestorben ist. Er musste nur hören, was er tun sollte… Duncan hatte keine Wahl, sie hat ihm damit gedroht, es herum zu erzählen!“
    „Sie?“, formten ertaubende Lippen fassungslos. Maellyn ballte die Fäuste, den Wunsch bekämpfend, diesen Mann am Schlafittchen zu packen und zu schütteln, erhielt ihr schwelender Zorn auf ihn doch gerade weitere Nahrung. Ihr schwante entsetzliches und bittere Galle brodelte in ihrer Kehle, ätzte den Rachen und die Zunge.
    „Ajaina Orregan…“, murmelte Alistair. „Ich habe sie kaum gekannt. Eine Kriegerin, die vielleicht beste, die ich je gesehen habe.“ Er vergrub das Gesicht schamvoll in den Händen, schüttelte alsdann jedoch das straßenköterblonde Haupt und straffte die Schultern. „Duncan hatte keine andere Wahl.“
    „Wir haben immer eine Wahl, Alistair“, zischte Maellyn. „Immer!“
    „Was hätte ich denn tun sollen?“, schrie Alistair zurück. „Duncan aufhalten? Dann wäre mir doch dasselbe passiert!“
    „Vielleicht hättet Ihr das!“, zischte Maellyn zurück, geifernd und zürnend. „Vielleicht hätte ich es tun sollen, als Duncan es bei Jory tat…“, fügte sie hinzu, erkennend, vor Grausen geschüttelt, dass sie selbst sich desselben Vergehens schuldig gemacht hatte, für dass sie Alistair gerade verdammte.
    „Ihr wusstet, dass es notwendig war!“, protestierte Alistair. „Deswegen habt Ihr das Blut geschluckt!“
    „Damals dachte ich, dass es so war“, erwiderte Maellyn. „Ich war zeitlebens eine Gefangene, und ich hatte nur das gehört, dass man mir zu hören gestattete. In meiner kindischen Fantasie waren die Grauen Wächter edle Vollstrecker der Gerechtigkeit, die Beschützer des Volkes… Ich habe zu spät erkannt, dass es genau das war: Fantasie. Aber immerhin habe ich es erkannt… anders als Ihr!“
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 20

    Vorschau:
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    Der Wind biss schneidend kalt in Maellyns Gesicht und fuhr unbarmherzig durch ihr Haar, griff ihr wie ein aufdringlicher Liebhaber an die Busen und ließ jedes noch so feine Härchen auf ihrem frierenden Körper vor Kälte zur Berge stehen. Sie klammerte sich mit aller Kraft, die ihr innewohnte, in das dunkle Federkleid der Griffon, und ihre Beine umklammerten nahezu krampfhaft den breiten, doch geschmeidigen Rücken des gewaltigen Tieres, das geradewegs aus den Legenden entsprungen zu sein schien.
    Unter ihr, viele Meilen tief, erstreckte sich mittlerweile das Arltum Amaranthine, dass bereits nach wenigen Stunden erreicht gewesen war. Maellyn konnte den Vedan-Wald erspähen, ebenso die Stadt Amaranthine in der Ferne, und wie Bauklötze über die Landschaft verstreute Gehöfte, die ihr winzig erschienen ob der Höhe, in der sie sich befand. Es kam ihr vor, als blicke sie auf eine große Landkarte hinab, so fern wähnte sie sich von alldem, was dort unten vor ging.
    Allmählich jedoch ließ Tamepha sich kreisend tiefer sinken, Wind rauschte durch die gewaltigen Schwungfedern der mehrere Mannslängen großen, adlergleichen Schwingen. Maellyn, einen kleinen Schrei unterdrückend ob des Absinkens, das doch überraschend kam, krallte sich fest in des Griffons Federkleid. Der Boden kam erst langsam, dann immer schneller, näher und näher. Kalter Wind biss Maellyn ungnädig ins Gesicht und trieb die Tränen ihr in die Augen, der Atem verging ihr, konnte sie ob den schnellen Sinkfluges doch kaum noch Luft schöpfen.
    Über dem Boden, der verdächtig nahe schien, schlug das sagenhafte Wesen mit den Schwingen, fing den steilen Sinkflug elegant ab, kreiste ein, zweimal langsam tiefer und landete alsdann graziös auf einer duftig riechenden Wiese voller hohen, sich wiegenden Grases. Eine Scheune, verlassend wirkend, erhob sich in der Nähe. Alt schien sie zu sein, nicht mehr in Gebrauch. Dies musste der Ort sein, den Tamepha vor dem Abflug genannt hatte, der Ort, an dem die Person wartete, welche den einzigen Weg in die Wacht kannte, der für eine solch kleine Gruppe Erfolg versprach.
    Neben ihr nahm Tamepha ihre menschliche Gestalt an und stand nackt, doch ohne sich an der Kälte zu stören, neben ihr. Maellyn, errötend, spürte ihren Blick tiefer wandern, hinab zu den festen, wohlgeformten Brüsten, die verführerisch leicht wogten, als die Griffon auf sie zukam, fordernd eine Hand ausstreckte…
    „Meine Kleidung“, erinnerte Tamepha sie mit weicher Stimme.
    „Oh, ja…“ Maellyns Mund fühlte sich trocken an, und rau. Hastig kramte sie die geschmeidige Kleidung von weichem Linnen und Leder hervor, und reichte sie der wohlgeformten Schönen, die sie mit kühlem Blick entgegen nahm und hinein schlüpfte.
    „Ihr seid hier, um Euren Geliebten zu retten“, bemerkte Tamepha. „Solche Blicke einer anderen zuzuwerfen…“
    „Zevran und ich leben eine ziemlich offene Beziehung“, krächzte Maellyn, den sonst so melodischen Klang ihrer Stimme verzweifelt suchend.
    „Ah… wie dem auch sei, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Die Griffon setzte sich in Bewegung, eilte der Scheune zu. Maellyn, die Röte verfluchend, die nur langsam wieder an dem Gesicht schwand, folgte ihr. Tamepha umrundete die Scheune und trat in das heugefüllte Innere, im Halbdunkel erspähte Maellyn, so sie eingetreten war, nun eine schlanke Gestalt, die nun auf sie zukam.
    Eine menschliche Frau stand vor ihr, von hohem Wuchs und gewandet in ein teures Kettenhemd von glänzend poliertem Veridium. Dunkles Haar umgab das blasse Gesicht und ließ die Haut noch heller wirken.
    „Warum sie?“, fauchte die Frau ungehalten Tamepha an. „Ihr wisst, was sie getan hat!“
    „Ja.“ Tamepha wirkte gleichgültig ob der Anschuldigung. „Sie ist aber auch eine der wenigen Grauen Wächter, die bereit sind, zu bereuen und neue Wege zu beschreiten.“
    Maellyn beäugte dieweil die fremde Frau argwöhnend.
    „Also schön…“ Die Frau seufzte. „Aber glaubt nicht, dass wir nur, weil wir zusammen arbeiten müssen, jetzt Freundinnen sind.“
    „Wer seid Ihr überhaupt?“, rutschte es Maellyn heraus. „Ich bin kaum hier und Ihr fangt bereits an, mich zu beschuldigen. Was habe ich getan, dass…“
    „Ihr habt meinen Vater getötet“, unterbrach die Kriegerin sie scharf.
    „Ich habe… was getan? Woher soll ich Euren Vater gekannt haben?“
    „Ihr Wächter nehmt meiner Familie das Land weg und macht Euch hier breit wie eine ansteckende Krankheit, und dann seid Ihr noch so dreist, es zu leugnen!“
    Maellyn riss die Augen auf, keuchte leise, die Erkenntnis traf sie mit Wucht und betäubte sie kurz. „Ihr seid Arl Howes Tochter!“, stieß sie hervor, wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. „Ihr seht ihm gar nicht ähnlich…“
    „Ich komme nach meiner Mutter… zu seinem grenzenlosem Bedauern“, entgegnete die Tochter des verschiedenen Arls von Amaranthine kalt. „Können wir uns jetzt wichtigeren Themen zuwenden? Ich will nicht mit dem Mörder meines Vater über meine Familie sprechen.“
    „Meinetwegen. Schlimm genug, dass es noch immer Howes gibt“, giftete Maellyn zurück.
    „Haltet den Mund. Ich bin die einzige, die Euch unbemerkt nach Vigils Wacht bringen kann. Und ich kann auch einfach davon absehen, Euch zu helfen.“
    Maellyn biss die Zähne zusammen. Sie musste ihren Stolz überwinden, musste sich zusammenreißen, nicht ihre Wut auf das Haus Howe an dieser Frau auslassen. Zevran schwebte in Gefahr, und ihm allein mussten ihre Gedanken jetzt gelten. Ihm und seiner Rettung.
    „Wie könnt Ihr mich in die Festung bringen?“
    „Es gibt einen Geheimgang. Bei Einbruch der Dunkelheit dringen wir durch ihn in die Wacht ein und holen den Gefangenen heraus.“
    „Die Grauen Wächter werden mich spüren.“ Maellyn biss sich auf die Lippen. „Ich bin eine von ihnen, daran kann ich nichts ändern – noch nicht.“
    „Macht Euch darüber keine Sorgen“, beschwichtigte Tamepha ruhig. „Die Wacht ist das Refugium vieler Wächter, sie werden Euch nicht spüren. Ihr wisst doch, da existiert ein Sprichwort: Den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen.“
    „Wenn Ihr denkt, das funktioniert…“
    „Ich werde in der Nähe sein.“ Tamepha lächelte grimmig. „Und es wird eine kleine Ablenkung geben… wenn alles gut verläuft, werdet Ihr relativ unbehelligt zu den Kerkern kommen und Euren Liebhaber befreien.“
    „Deswegen ist sie hier“, schnaubte die Howe. „Ich hätte mir denken können, dass kein Grauer Wächter etwas aus uneigennützigen Gründen tut.“
    „Niemand verdient so etwas“, zischte Maellyn. „Der Beitritt ist etwas Grauenhaftes. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie wenig mir daran liegt, dass noch mehr Leute das durchmachen müssen…“
    „Doch.“ Die Howe starrte sie feindselig an. „Ich war bei einem Beitritt dabei. Ich weiß sehr genau, wie abscheulich so etwas ist.“
    „Ihr seid kein Wächter.“
    „Ich konnte entkommen, bevor ich das Blut schlucken musste. Können wir über etwas anderes sprechen?“
    Maellyn kniff die Augen zusammen und nickte knapp. Neben dieser Frau zu sitzen, auf sie angewiesen zu sein, verursachte ihr Magenschmerzen. Eine Howe… vor Loghain hatte sie am Ende erneut den Respekt empfinden können, den sie ihm einst als dem Helden der Schlacht am Dane entgegen gebracht hatte, doch Arl Howe hatte sie bis zuletzt verabscheut. Mit Freuden hatte sie ihm, zum Schluss des Kampfes, als er besiegt da stand, das Schwert in den Bauch gestoßen. Er verdiente nicht mehr… sondern genau das, was er bekam.
    „Ich begleite Euch dann also zu den Kerkern“, murmelte die Howe missgelaunt.
    „Warum?“
    „Ich kann auch gar nichts tun. Aber ich lasse nicht zu, dass eure Leute noch jemanden verfluchen. Also nehmt meine Hilfe an oder tut es nicht, ich werde trotzdem mit in die Wacht kommen.“ Die Howe spuckte aus – und Maellyn vor die Füße. Kriegerisch warf sie das schwarzbraune Haar in den Nacken zurück. „Macht Euch am besten schon mal bereit, Surana. Die Sonne wird bald untergehen und wir müssen die Wacht ja noch erreichen.“
    „Das werde ich“, zischte Maellyn zurück.
    „Und danach geht sterben.“ Die Howe verengte drohend die Augen und trat hinaus in das Spätnachmittagslicht. Maellyn seufzte frustriert, holte die geschmeidige Schuppenrüstung und das Kurzschwert aus dem Bündel, sich damit auszurüsten, umfasste den Magierstab fest mit beiden Händen und folgte ihr hinaus.
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  7. #87 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 21

    Vorschau:
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    Alistair starrte mit ungutem Gefühl auf das Nest, jenes verschlafene Örtchen, welches da den Namen Hogards Den trug. Voller banger Angst warf er einen Blick hinüber zu der dunkelhaarigen Frau, die an seiner Seite ritt. Vor einigen Stunden war sie ihm verschwitzt entgegen geritten und hatte ihm befohlen, direkt hierher zu reiten. Vorgestellt hatte sie sich nicht, doch die Nennung von Maellyns Namen hatte ihn überzeugt.
    Eine schreckliche Ahnung nagte an ihm. Hogards Den – der Treffpunkt, wenn etwas schief gehen sollte. Und nun war er hier, und ritt in diesen Ort hinein. Hin und wieder starrte er zu der Fremden hin, die mit verkniffener Miene neben ihm her ritt. War sie eine von Tamephas Leuten?
    „Was glaubt Ihr, dass passiert ist?“, fragte er, zum wohl hundertsten Mal an diesem Tage, Leliana, die an seiner anderen Seite auf einem Rappen saß.
    „Fragt mich das nicht! Nur, weil ich Visionen hatte, heißt das nicht, dass ich Hellsehen kann!“ Sie klang gereizt.
    „Schon gut! Der König der Idioten hält sein großes Maul“, wehrte Alistair ab und hob eine Hand, wie um sich zu schützen. Leliana schnaubte leise und beachtete ihn nicht weiter.
    Sie hielten mit den Pferden vor der einzigen Herberge des Dörfchens, dessen abblätternde Lettern am Schilde nicht mehr den Namen der Gaststube zu nennen vermochten, und banden sie davor fest. Alistair betrat eilends als erster das Haus der Einkehr, und suchte fliegenden Blickes nach dem Wirt, um diesen zu fragen, wo Maellyn untergebracht war. Doch noch ehe er dazu kam, griff die dunkelhaarige Fremde nach seinem Arm und nickte zur Treppe, eilte darauf zu und führte die Gruppe die Stiege hinan in einen schmalen, von grob gezimmerten Türen gesäumten Gang.
    Vor einer jener Türen hielt sie an und klopfte. Dreimal, dann zweimal, dann noch einmal dreimalig. Ein vereinbartes Zeichen, wie Alistair aufging, als die Tür sich öffnete und das dunkle Gesicht Tamephas hinaussah. Die Griffon in menschlicher Gestalt wirkte abgespannt und ausgezehrt, dunkle Schatten lagen unter den Augen, dunkler noch als ihr mahagonifarbener Teint es war.
    „Alistair“, grüßte sie ihn kühl, doch fehlte es ihrer Stimme an Schärfe. „Ihr solltet einmal tief durchatmen, bevor Ihr dieses Zimmer betretet. Das, was Ihr sehen werdet, wird Euch möglicherweise… schockieren.“
    „Was?“ Alistair spürte, wie ihm schwindelte.
    Statt einer Antwort trat Tamepha beiseite, und enthüllte somit den Blick auf das Innere des Raumes, der da angefüllt war mit einem fadenscheinigen Teppich am Boden, einem wackeligen Tisch und einer Bettstatt, in der, bleich und mehr tot denn lebendig scheinend, eine schmale Gestalt lag. Auf einem wackligen Schemel saß daneben, fast so blass wie die krankende Person auf dem Lager, die Hände nahezu flehend um die blassen, schwitzigen Hände jener Kranken geschlungen, Zevran.
    Alistair stürmte ins Zimmer und blieb auf halbem Wege stehen, ein Keuchen entkam seiner Kehle, er wankte und suchte verzweifelt Halt am wackligen Tisch zu finden, dieweil sein Blick entgeistert auf dem kreideweißen Gesicht Maellyns ruhte, die nur mehr schwach zu atmen schien.
    „Gütiger Erbauer! Wie…?“, stammelte er fassungslos, die zierliche Gestalt der Freundin musternd, wankend, der Boden unter seinen Füßen erzitterte, so kam es ihm vor.
    „Sie wurde bei unserer Flucht verletzt“, erwiderte Zevran und klang erschöpft und heiser dabei. Er wirkte gealtert, wie Alistair erkannte, dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. „Tamepha hat die Verbände mehrfach gewechselt, aber es hilft nichts… sie stirbt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ohne sie…“ Er schüttelte den Kopf und starrte an Alistair vorbei auf die Wand. Verzweiflung spiegelte sich in seinem Blick.
    „Wynne ist hier… vielleicht kann sie…“, hob Alistair an.
    „Dann holt sie! Worauf wartet Ihr?“ Zevran schien dem Zusammenbruch nahe. Alistair empfand dies als unheimlich, hatte er den Elfen doch noch nie so gesehen. Es passte nicht in sein Bild dieses Meuchelmörders, der stets so unbeschwert gewirkt, dem Tod gegenüber so gleichgültig schien.
    „Ich bin bereits hier“, erklang da Wynnes Stimme hinter Alistair. „Ihr braucht nicht so zu schreien, junger Mann. Ich bin vielleicht alt, aber meine Ohren hören noch vorzüglich!“
    Die ältliche Magierin schob sich an Alistair vorbei und hob vorsichtig die um Maellyns kreidebleichen Körper geschlungene Decke an, um hiernach ebenso behutsam das Hemdchen der Verwundeten hochzuschieben und sorgsam die mit rotem Lebenssaft getränkten Verbände entfernte, sich die Wunde zu betrachten. Scharf sog sie die Luft zwischen den Zähnen ein, und schüttelte, das Gesicht gezeichnet von Entsetzen, den Kopf.
    Alistair, von Angst gepackt, trat neben sie, wagte es endlich, die verletzte Freundin näher zu betrachten, und starrte auf die grausige Wunde. Eingerissene Wundränder lagen offen vor ihm, und schienen hie und da sich leicht zu schwärzen, dieweil schwarz die Adern um die Stichwunde hervorhoben, als kröche dunkles Gewürm unter der bronzenen Haut umher, die nur mehr jedoch nahezu farblos schien.
    „Beim Atem des Erbauers! Was ist das?“, stieß Alistair fassungslos aus.
    „Gift“, lautete Zevrans bitter klingende Antwort auf diese Frage. Qual durchzuckte das gebräunte Antlitz des Elfen. „Es breitet sich in ihr aus… ich kann kein Gegengift herstellen, dieses Gift ist mir gänzlich unbekannt. Aber es verhindert, dass die Wunde sich schließt…“
    Wynne seufzte und legte die Hände auf den erbleichten Leib der jungen Elfin, ein sanftes Licht erschien, und streichelte die Wundränder sanft. Bald schon erschienen schimmernde Perlen des Schweißes auf Wynnes von den Jahren gezeichnetem Antlitz, und Anstrengung vertiefte die Falten. Die Zeit kroch zäh dahin, dieweil Wynne ihre Heilkräfte anzuwenden suchte.
    Erschöpft wirkend gab die ältliche Magierin es schließlich auf und schüttelte müde den Kopf. „Es geht nicht. Die Wunde widersetzt sich meinen Heilkräften. Vielleicht ist es das Gift, oder… die Verderbtheit in ihrem Blut. Oder beides.“ Traurig trat sie vom Krankenlager zurück, ihr Blick flehte nahezu um Verzeihung. „Ich kann nichts für sie tun. Es tut mir leid, ich wünschte…“
    „Ihr habt Euer bestes gegeben, Wynne“, ließ Tamepha sich vernehmen. „Doch ich hatte befürchtet, dass es so kommen würde. Ich kenne dieses Gift… zumindest denke ich, dass ich es kenne.“
    „Was? Und erst jetzt fällt Euch das ein!?“ Zevran klang anklagend. „Ihr hättet Ihr helfen können und habt es nicht getan!“
    „Haltet Euch mit Euren Anschuldigen zurück, Krähe“, zischte Tamepha leise. „Ich wusste nicht, dass es dieses Gift ist. Erst, als ich sah, wie die Heilkräfte Eurer Freundin versagten, habe ich es erkannt.“
    „Kennt Ihr ein Gegengift?“ Drängend klang Zevrans Stimme.
    „Nein. Ich habe von diesem Gift nur… gehört. Ich weiß nicht, wie es hergestellt wird.“ Die Griffon schüttelte bedauernd das schwarzhaarige Haupt. „Es reagiert mit der Verderbtheit und verhindert dadurch eine Heilung. In den nächsten Tagen wird es sich immer weiter in Maellyns Körper ausbreiten, und…“
    „… dann stirbt sie“, erkannte Zevran mit hohl klingender Stimme.
    „Ja.“ Tamepha nickte leicht.
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  8. #88 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 22

    Vorschau:
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    „Also, Alistair… was werdet Ihr tun, sobald wir diesen Ort der Macht erreicht haben?“
    Alistair zuckte bei der Frage leicht zusammen. Denn es war eine Frage, die er sich nicht gestellt hatte, bis jetzt noch nicht. Das die Heilung, nach der Maellyn so verzweifelt suchte, nunmehr vielleicht in greifbarer Nähe gelegen war, war unerwartet gekommen für ihn.
    Doch andererseits, welche Wahl blieb ihm denn? Die Tinktur, die er getrunken, würde ihm nicht die Lebenszeit erneut zu 30 Jahren verlängern, sie schob das nahende Ende lediglich auf. Und sterben wollte er beleibe noch nicht.
    Jedoch, die Grauen Wächter waren ihm Familie gewesen. Verriet man denn die Familie? Und verriet er die Familie, in dem er sich der Verderbnis entledigte, die langsam seine Lebenskraft verzehrte? War es nicht vielmehr, dass er mit leuchtendem Beispiel voran ging?
    Wynne war gestorben, für dieses Ziel: Den grausigen Kreislauf zu durchbrechen, Heilung zu finden von dem Fluch – und einen alternativen Weg, einen, der vielleicht besser war.
    „Ich werde nackt in einem Weiher baden. Gibt es denn einen Weiher in der Nähe?“
    „Es gibt das Meer. Die Höhle befindet sich an der Küste. Aber ich rate Euch nicht dazu, dort zu baden. Die Brandung ist unberechenbar.“
    „Selbst die Naturgewalten verschwören sich gegen mich! Jetzt darf der König nicht einmal mehr nackt baden. Kann ich dort wenigstens Käse essen?“
    „Ihr weicht aus.“
    „Nein, ich reite neben Euch. Genau wie zuvor. Unterstellt mir nicht solche Dummheiten!“
    „Ihr verbergt wohl gerne Eure Gefühle hinter einer Mauer aus dummen Witzen.“ Die Griffon sah ihn hart und eisig an. „Was werdet Ihr tun, sobald wir dort sind? Wollt Ihr wirklich weiterhin die Verderbtheit in Euch tragen?“
    „Ich… nein.“ Alistair seufzte. „Beim Erbauer, ich war ja selbst wütend, als Duncan mir damals sagte… dreißig Jahre sind einfach so wenig. Und wie viele Jahre habe ich jetzt noch? Keines. Ein paar Wochen vielleicht, wenn’s hinkommt. Erinnert mich daran, mich beizeiten dafür zu bedanken.“
    „Die Macht, die aus der Veränderung erwächst, schlagt Ihr aus?“
    „Hah! Welch tückische Frage! Ihr hört Euch an wie Morrigan. Fast. Ein wenig. Aber, äh… nein, ich denke, ich verzichte. Ich habe die Brut mein Leben lang gehasst. Ich will ihr nicht noch ähnlicher werden.“
    „Dann seid Ihr tatsächlich klüger als die meisten Wächter, denen ich zuvor begegnete.“ Tamepha trieb ihr Pferd an und sprengte im Galopp voran. Alistair seufzte, trieb dem Ross die Fersen in die Flanke und setzte ihr nach. Bald schon hatte er eingeholt, und griff ihm Ritt nach den Zügeln.
    „Ich bin tatsächlich der König der Narren. Und davor war ich der Narrenprinz.“
    „Wohl wahr. Dass Ihr dem Mann vertrautet, Ihn als Vater saht, der Euer Leben verdammte…“
    „Ich hatte nie einen Vater, nicht einen, der diesen Namen verdiente… ich dachte, ich hätte in Duncan einen gefunden.“
    „Und Euch geirrt.“
    Alistair sanken die Schultern. „Ja. Nein. Ja… ich wollte es nicht sehen. Aber der Mann, den ich in Duncan sah, der… der ist tot, oder hat nie existiert.“
    „Lasst mich Euch einen Rat erteilen, Alistair.“ Tamepha sah ihm geradewegs ins Gesicht, scharf blitzten ihre Augen aus dem wie aus Mahagoniholz geschnitztem Antlitz. „Ein Vorbild zu suchen, führt oft genug ins Irre. Sucht nicht nach Vorbildern, nicht nach Idolen. Sie enttäuschen. Euch. Uns alle. Seid Euch selbst das Vorbild, das Ihr sucht. Hört auf Euer Gewissen und Euren Verstand, statt auf den anderer. Trefft Entscheidungen für Euch selbst, und nicht, weil andere es Euch befehlen.“
    „Ich war nie gerne… Anführer“, erwiderte Alistair in kleinlautem Tone. „Ich bin auch nicht gerne König… nicht, wenn König heißt, Anführer zu sein. Deswegen habe ich zu dieser Heirat ja gesagt.“
    „Ehrliche Worte.“ Tamepha legte ihm sacht eine Hand auf den Arm, ein dünnes Lächeln streichelte ihre Lippen. „Als König wird man nicht geboren, Alistair. Ihr werdet schon bald die Zeit haben, Eurem Volk der König zu sein, den es braucht.“
    „Und wenn nicht?“, fragte er zweifelnd. „Ich bin allerhöchstens der König der Narren! Selbst Maellyn sagt das, und sie hat von Politik wahrscheinlich weniger Ahnung als ich. Sicher… sie ist Magierin, Magier herrschen nicht. Dürfen sie ja nicht.“
    „Graue Wächter sollten auch nicht herrschen dürfen.“
    „Autsch! Ihr seid eine böse Frau. Wirklich, mich würde es nicht wundern, wenn selbst Euer Pferd Euch hasste. Und der Käse, der Käse nicht zu vergessen! Der Käse hasst Euch sicher auch.“
    „Spart Euch Eure Scherze, Alistair. Es war nicht auf Euch bezogen – obwohl, vielleicht ein wenig schon. Doch meinte ich die Wächter, denen Ihr Amaranthine überließt. Was dachtet Ihr dabei?“
    „Ich… gar nichts! Ich bin doch nur der dumme, kleine Monarch, der auf seinem Throne hockt und nickt und lächelt, der keine Ahnung hat, nicht einmal von dem, was er selbst tut. Der König der Narren, wie gesagt.“
    „Ihr tut es schon wieder!“ Tamephas eisiger Blick brannte sich in ihn hinein. „Es ist müßig, mit Euch reden zu wollen. Wir erreichen die Höhle in Bälde, seid dann bereit. Und schweigt solange: Vielleicht seid Ihr darin ja besser denn im Scherzen.“
    Sie riss den Zügel aus seinen Fingern und ritt voran, sich an die Spitze setzend und ihn keines Blickes mehr würdigend. Alistair seufzte, schalt sich selbst einen Narren. Und blieb dennoch, wo er ritt, keinen Versuch unternahm er mehr, ihr nachzufolgen. Die Griffon war ihm fürs erste wenig wohlgesinnt. Warum sie noch mehr erzürnen?
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  9. #89 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
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    31) Treffen in Redcliffe

    Sie trafen zur Nachmittagsstunde ein. Der erdige, ausgestampfte Pfad durch die Berge und Täler vor Redcliffe war immer noch derselbe, ebenso wie die Aussicht auf das Dorf im Tal, wunderschön am Calenhad-See gelegen. Jaina führte ihre Freunde nicht ins Dorf hinab, sie blieb auf einem der oberen Pfade und steuerte auf das Schloss zu.
    Von oben ließ sich erkennen, wie im Dorf die Leute auf den Straßen herumliefen, aufgeregt schnatternd und gestikulierend. Es lag eine Stimmung in der Luft – jeder schien zu wissen, dass die Horden der Dunklen Brut bald zuschlagen würden. Und merkwürdigerweise erstrahlte das Dorf dennoch in seinem friedlichen Glanz, der es so auszeichnete.
    Nicht mehr lange, dachte Jaina bitter. Sie hatte dieses Dorf einmal retten können – mit viel Glück und vielleicht weil der Erbauer es guthieß. Aber sie hatte keine Ahnung, ob sie es auch ein zweites Mal schaffen würde. Es wäre ihr so viel lieber das nicht ausprobieren zu müssen.
    Aber ihre Aufgabe lag klar vor ihr, sie durfte jetzt nicht aufgeben. Es war bald geschafft, hoffte sie.
    Sie hatte ein ungutes Gefühl als sie die Haupthalle im Schloss betrat. Arl Eamon stand mit seinem Bruder Teagan und Riordan vor dem Feuer, sie diskutierten über Schlachtaufstellungen.

    Teagan bemerkte sie als erstes und deutete eine Verbeugung vor Alistair und Jaina an. „Seid uns willkommen. Ihr könntet zu keiner besseren Stunde eintreffen.“ Eamon nickte bedächtig. „Riordan hier hat schlechte Neuigkeiten.“ Riordan wandte sich nun auch um. Ohne Vorrede sagte er: „Ich bin froh, dass Ihr wohlauf seid. Und auch Ihr, Alistair, oder soll ich Euch „Eure Majestät" nennen?“
    „Nein, lieber nicht. Noch nicht.“ murmelte Alistair.
    „Laut Riordan zieht das Gros der Herde in Richtung Denerim. Sie sind vielleicht noch 2 Tagesmärsche entfernt.“ Der Arl sprach mit einiger Schärfe in der Stimme.
    „Was? Seid Ihr sicher? Wenn das stimmt...“ Alistair war entsetzt.
    „Ich konnte nah genug heranpirschen um es mit eigenen Ohren zu hören. Ich bin mir sehr sicher.“ Riordan blickte Alisatir sorgenvoll an.
    „Und weshalb kamen wir dann auf die Idee, nach Redcliffe zu reisen?“ Alistair sah Riordan fragend an, der seufzte.
    „Die Front der Dunklen Brut ist breit Und die Horde nicht geschlossen. Bis heute haben wir die meisten dieser Teufel nur hier im Westen gesehen.“
    „Und wir waren wohl zu sehr davon eingenommen, uns selbst zu bekämpfen. Wen interessiert schon ein bisschen Dunkle Brut.“ Alistairs Gesichtsausdruck verfinsterte sich.
    „Ich fürchte ich habe eine noch weitaus beunruhigendere Nachricht.“ Riordan drehte sich langsam wieder mit dem Gesicht zum Feuer, das auf einmal sehr viel bedrohlicher zu knistern und zu knacken schien. „Der Erzdämon führt die Horde an. Er hat sich gezeigt.“

    Offenbar hatten weder Teagan noch Eamon das gewusst. Beide sahen entsetzt von einem Wächter zum nächsten. Alistair schnappte hörbar nach Luft. „Wir können unmöglich in zwei Tagen in Denerim sein. Es ist zu weit weg.“
    Der Arl nickte. „Wir müssen zur Hauptstadt marschieren. Denerim muss gehalten werden, koste es was es wolle.“ „Ja, dann marschieren wir. Und hoffen wir, dass die Armee die wir hier haben stark genug ist. Arl Eamon, wann können die Truppen aufbrechen?“
    „Bei Tagesanbruch.“
    „Gut. Macht euch bereit. Ich werde diese Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen.“
    Jaina sah zu Alistair und sie war stolz auf ihn. Endlich ergriff er Initiative. Er war entschlossen. Er handelte. Allen schlechten Nachrichten zum Trotz war sie glücklich über dieses Ereignis.
    „Wir können wir den Erzdämon besiegen?“ Jaina sah nun Riordan an.
    Der hatte sich umgedreht und musterte sie erstaunt. „Dann... wisst Ihr es nicht? Natürlich, ihr seid beide unerfahrene Rekruten. Duncan hätte nie erwartet, dass... Alistair, Jaina, bitte kommt bevor Ihr Euch schlafen legt auf mein Zimmer. Es gibt da eine Wächter-Angelegenheit die wir dringend klären müssen.“

    Arl Eamon nickte bekräftigend. „Wir alle brechen morgen in aller Frühe auf. Ruht Euch gut aus. Ihr werdet alle Kraft brauchen. Die Verderbnis muss beendet werden. Ich werde einen Diener rufen, der Euch auf Eure Zimmer geleitet. Moment – fehlt da nicht jemand? Der Elf?“ Suchend sah der Arl sich um.
    Jaina verzog keine Miene. „Ich befahl ihm zu gehen. Das tat er. Ihm zu trauen war vielleicht schon von Anfang an ein Fehler.“ Der Arl fragte nicht weiter, aber es war deutlich, dass er gerne mehr gewusst hätte.

    Jaina aber hatte sich schon nach der Dienerin umgewandt und folgte ihr auf das ihr zugewiesene Zimmer. Es war geschmackvoll und edel eingerichtet. Ein großes Bett stand an der rechten Wand neben einem Schrank. Der Tür gegenüber brannte ein Kaminfeuer, das den Raum angenehm wärmte. Sie wünschte, sie könnte hier mit Alistair sitzen und einfach nur sie selbst sein. Ohne Verpflichtungen oder irgendetwas. Vielleicht bekäme sie ja die Möglichkeit, nachdem der Erzdämon besiegt war. Sie legte ihre Sachen ab und schloss die Tür hinter sich.
    Auf dem Weg zu Riordans Zimmer verstärkte sich ihre Unruhe. Anscheinend war es doch nicht so leicht, den Dämon zu töten. Es musste einen Grund dafür geben, dass das nur Graue Wächter konnten. Und was unterschied Wächter von normalen Menschen? Die Verderbtheit in ihrem Blut.

    Neben Riordans Tür lehnte der künftige König an der Wand. Er erblickte Jaina und sagte erleichtert: „Da bist du ja. Also, hören wir uns an was er zu sagen hat – ich habe das Gefühl, dass es nichts Gutes sein wird.“

    Gemeinsam betraten sie Riordans Zimmer, der in der Mitte des großen Raumes stand.
    „Ihr seid hier. Gut. Lasst mich Euch zuerst sagen, dass ich annahm, Ihr wüsstet es schon. Sonst hätte ich es Euch erzählt, als ihr mich in Denerim aus dem Kerker befreit habt. Es tut mir Leid.“
    Alistair trat noch ein Stück auf ihn zu. „Worum geht es? Wofür entschuldigt Ihr Euch?“
    Riordan antwortete mit einer Gegenfrage. „Habt ihr euch denn je gefragt, warum die Grauen Wächter gebraucht werden um die Dunkle Brut zu besiegen?“
    Jaina sprach ihren Gedanken laut aus „Ich nehme an, es hat etwas mit der Verderbnis in uns zu tun.“
    Riordan nickte. „So ist es. Der Erzdämon kann wie jede andere Dunkle Brut erschlagen werden, aber nur ein Grauer Wächter kann ihm den Todesstoß versetzen. Der Dämon ist ein seelenloses Wesen, voller Verderbtheit. Stirbt er, geht diese Verderbtheit auf die nächste seelenlose Dunkle Brut über. Er ist also gewissermaßen unsterblich. Wird der Erzdämon aber von einem Grauen Wächter getötet, geht die Essenz auf den Wächter über. Anders als die Dunkle Brut sind die Wächter keine seelenlosen Wesen. Die Essenz des Erzdämons wird vernichtet. Und leider auch... der Wächter.“

    Jaina stockte der Atem. Das war also das Geheimnis. Der Tod des Erzdämons bedeutete auch den Tod des Grauen Wächters – ihren Tod, oder Alistairs oder Riordans. Ihr Herz krampfte sich zusammen.
    Alistair hatte hörbar geschluckt. „Das heißt also, der Graue Wächter, der den Erzdämon tötet, stirbt?“
    Riordan nickte sachlich. „Ja. Mit dem Erzdämon endet die Verderbnis. Es ist der einzige Weg.“
    Jaina wollte nicht aufgeben. „Gibt es keinen anderen Weg? Muss der Graue Wächter wirklich sterben?“
    Riordan sah sie an und sie konnte Mitleid in seinem blauen Augen erkennen. „So weit wir wissen springt die dämonische Essenz automatisch über. Wenn also keiner von uns die Bestie erschlägt, war alles umsonst.“ Etwas sanfter fügte er hinzu: „Es gibt keinen anderen Weg, so Leid es mir tut.“

    Jaina nickte mit grimmiger Entschlossenheit. „Es ist also an uns, den Erzdämon zu töten.“
    Riordan machte eine Geste. „In der Vergangenheit bestimmte stets der älteste Wächter, wer den tödlichen Streich ausführen sollte. Wenn es irgendwie geht, werde ich dem Dämon den tödlichen Streich versetzen. Ich bin der Älteste und kann der Verderbtheit nicht mehr lange trotzen. Aber falls ich scheitere fällt die Tat euch zu.“ Eindringlich schärfte er ihnen ein: „Wenn wir der Verderbnis jetzt nicht Einhalt gebieten wird Ferelden untergehen, bevor sich die Grauen Wächter neu sammeln können. Vergesst das nicht!“

    Jaina und Alistair nickten. „In Ordnung. Kehrt jetzt am besten in eure Gemächer zurück. Morgen wird ein langer Tag und die Nacht ist kurz.“ Riordan geleitete die beiden zur Tür. „Ich melde mich bei Euch sobald die Armee marschbereit ist. Bald hat das alles ein Ende. So oder so.“ Alistair stand Riordan gegenüber und sah entschlossen aus. Riordan legte ihm eine Hand auf die Schulter. „So ist es, mein Freund. So ist es.“
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (14.05.2011 um 23:38 Uhr)
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 23

    Vorschau:
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    In der Morgendämmerung lag sie vor ihnen, die Höhle, ein gähnendes Loch in der Wand von schroffem Klippgestein, die sie nur müheselig herunter gestiegen waren, immer bemüht, die Trage mit der verwundeten und im Delirium stöhnenden Maellyn nicht zu erschütterten.
    Dunkel lachte der Grottenschlund ihnen nun entgegen, ein gierig aufgerissenes Maul, so schien es Zevran, während er in jenes Dunkel starrte, das sich vor ihm auftat. Und dort hinein sollten sie Maellyn, seine Geliebte, nun bringen. Damit sie dort, vielleicht, so der Erbauer wollte, Heilung fand. Heilung vom tückischen Gift, das sie zerfraß, und Heilung – vielleicht, hoffentlich – auch von dem Fluche, der auf ihr lag, der ihre Lebenskraft aufzehrte und sie dem Tode zu trieb.
    Im Nichts, so hieß es in Legenden, hatte dereinst die Verderbnis ihren Anfang genommen. Wie logisch, wie verständlich erschien es da, dass dort auch der Schlüssel zu ihrer Heilung ruhen mochte.
    Ein leises Stöhnen riss ihn aus seinen Gedankengängen, und er wandte sich der Geliebten zu, die – welch erstaunlicher Zufall! – just in diesem Augenblick aus ihrer Bewusstlosigkeit erwachte und mit großen Augen hinein ins Dunkel starrte. Ihr Blick, fiebrig und matt, traf seinen.
    „Die Heilung… liegt dort?“, krächzte sie.
    „Frag das nicht mich. Ich kann es nur hoffen.“
    Er ächzte kurz unter dem Gewicht der Trage, die er sich nicht hatte nehmen lassen, mitzutragen, und betrat sodann hinter Tamepha, die ohne jegliches Zögern hinein in das tiefschwarze Dunkel trat, in den Höhlenschlund. Schon bald verschluckte ihn die Dunkelheit, und Schwärze umgab ihn. Laut hallten ihre Schritte von den Höhlenwänden wieder, und Zevran musste aufpassen, nicht auszugleiten auf dem teils doch feuchten Gestein.
    Wie lange er durch den Grottengrund wanderte, wusste er später nicht mehr zu sagen, die Zeit verlor an Bedeutung, wurde gänzlich unwichtig. Jedoch stellten sich ihm bald die Haare im Nacken auf, und ein Schauder überrann ihn. Etwas flüsterte ihm zu, als spräche ein unsichtbares Wesen direkt in seinen Geist. Die Finger krallten sich um die Trage, die er wuchtete, als hofften sie, dort Halt und Sicherheit zu erlangen.
    „Der Erbauer…“, stöhnte Leliana, die neben ihm ging, die Trage auf der anderen Seite schleppend. „Ich habe so etwas noch nie zuvor… nicht einmal bei der Urne der Asche…“
    „Mir wird gleich schlecht davon“, stöhnte Zevran.
    „Ihr habt Angst, das ist normal.“
    „Ist es nicht! Wenn der Erbauer hier ist, dann er hat mich nicht besonders gern. Und ich ziehe lieber nicht den Hass eines Gottes auf mich.“
    „Es brennt…“, wimmerte Maellyn, schwach von ihrem getragenen Lager schwebte ihre Stimme, keine Kraft schwang mehr darin. „Hier kann… die Verderbtheit ist hier ein Feind…“
    „Natürlich!“, ließ sich Tamepha von der Spitze des Zuges her vernehmen. „Es ist ein heiliger Ort des Erbauers, dem wir uns nähern. Der Erbauer stößt jede Verderbnis von sich.“
    „Wir sind wirklich verdammt… na großartig! Welche Überraschung kommt als nächstes? Darf ich mich nackt ausziehen und mit dem Erbauer selbst den Ringelreihen tanzen? Wie ich mich freue!“, stöhnte Alistair genervt.
    „Kein Platz für die Verderbten… an der Seite des Erbauers“, murmelte Maellyn schwach von ihrer Trage. „Ich ahnte es, aber…“
    „Die Gewissheit zu haben, erschreckt immer“, erklärte Tamepha kühl. „Und jetzt leise, bitte. Wir haben den Ort bald erreicht.“
    „Wirklich? Es wurde auch langsam Zeit“, murmelte Zevran und umfasste fester die Halterung der Trage, die Schritte beschleunigend.
    Andauril ist offline
  11. #91 Zitieren
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Kapitel 24

    Vorschau:
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    Zevran empfand so etwas wie Bedauern, als er den kleinen Raum, der wie eine goldene Blase inmitten diesem chaotischen Nichts schwebte, verließ. Seine Schritte hallten nicht ein wenig von den Wänden, und schließlich vom eleganten Torbogen wieder, als er ihn durchwanderte. Kurz warf einen Blick über die Schulter, doch richtete sich dann höher auf und schloss die Tür hinter sich.
    Er fühlte sich freier denn zuvor, als wäre die schwere Last, die ihm seit jenem schicksalsschweren Tage auf den Schultern lastete, endlich von ihm abgefallen. Und obgleich er es bedauerte, Abschied zu nehmen, war er sicher, dass die Entscheidung, die für sich gefällt hatte, richtig war. Noch nie zuvor war ihm eine Entscheidung so richtig erschienen als diese.
    Als er einen Blick über die Schulter auf die goldene Blase warf, war sie verschwunden, und eine strahlend grüne Fläche breitete sich vor ihm aus, mit bizarren Karrikaturen von Bäumen und Steinen, die darüber verteilt schwebten und lagen. Auf einem jener Steine erblickte Zevran Kassandra Howe, die mit gefurchter Stirn da saß, und aussah, als sinniere sie.
    Zevran näherte sich der Kriegerin aus dem Hause Howe mit schnellen Schritten, denn ihm fiel auf, dass Alistair nicht bei ihr war. Und war sie nicht mit dem Bastardkönig hierher gekommen, um ihn zu leiten und zu helfen, wie er es mit Maellyn getan hatte?
    „Oh, hallo… Zevran.“ Abwesend klang sie, als er sich neben sie setzte, schien kaum die interessierten Blicken zu spüren, die über ihr Profil wanderten.
    „Ich wundere mich“, gestand er ihr. „Wo ist der Hundekönig, mit dem Ihr hier seid? Seid Ihr seiner überdrüssig geworden?“
    Kassandra schnaubte. „Nein, der Erbauer sei mir gnädig. Er ist… ich denke, er ist am Ziel seiner Suche. So wie Maellyn, wenn ich das richtig sehe.“
    „So scheint es.“
    Kassandra furchte die Stirn, musterte ihn nun ihrerseits mit verhaltener Neugier. „Und Ihr? Was sucht Ihr hier, so ganz allein?“
    „Ich bestaune diese bizarre Landschaft und langweile mich, was sonst?“ Zevran grinste sie an.
    „Mit Euch kann man keine vernünftigen Gespräche führen, oder?“ Gereizt klangen diese Worte. Zevran verzog in gespielter Beleidigung das Gesicht.
    „Doch, natürlich! Ich kann ein sehr vernünftiger Gesprächspartner sein… hm, lasst mich überlegen… wusstet Ihr, dass ich Euren Vater kannte?“
    Kassandra stutzte, mit überraschtem Ausdruck starrte sie ihm ins Gesicht. „Wie… woher?“
    „Er hatte mich engagiert… oder so ähnlich jedenfalls, eigentlich war es ja Loghain, aber die Idee stammte von Eurem Vater. Ich hatte einige, sehr interessante Gespräche mit ihm. Euch hat er allerdings mit keinem Wort erwähnt, was mir, nebenbei gesagt, völlig unverständlich ist. Ihr seid eine überaus schöne, junge Frau, die es wert ist, dass man sie in jedem vernünftigen Gespräch zumindest einmal erwähnt…“
    „Ich schlafe nicht mit Euch“, stellte Kassandra klar. „Ich mag keine kleinen Männer.“
    „Aber ihr habt daran gedacht!“ Zevran grinste sie frech an. „Euer versauter Verstand hat sofort einen entsprechenden Schluss gezogen… Mehr brauche ich nicht, um mich aufgemuntert zu fühlen.“
    „Ihr habt mit meinem Vater gesprochen“, wechselte Kassandra rasch das Thema. „Worüber?“
    „Loghain, die Wächter, die Wächter, Loghain, Meuchelmord, die Wächter, Loghain, Meuchelmord, großzügige Belohnung, die Wächter und… Loghain.“
    „Meuchelmord?“
    „Ihr habt noch nie von den Krähen aus Antiva gehört? Wie kommt es bloß, dass dieser Namen in Ferelden so gänzlich unbekannt ist? Den berühmtesten und gefährlichsten Meuchelmördern in ganz Thedas? Ich fühle mich beleidigt.“
    „Ihr seid eine Krähe?“ Kassandra lachte gehässig auf. „Ihr? Die Krähen sind offensichtlich nicht mehr ganz so gefährlich, wie sie es einst waren.“
    Zevran war nah daran, sich diesmal tatsächlich beleidigt zu fühlen, doch überspielte er es mit einem weiteren, strahlenden Lächeln. „Ich bin durchaus recht erfolgreich in dem Beruf tätig gewesen, meine schöne Howe. Diesen letzten Auftrag habe ich allerdings nicht so gut ausgeführt, wie es mir eigentlich möglich gewesen wäre.“
    „Offensichtlich“, zischte Kassandra. „Denn andernfalls wäre Eure Geliebte jetzt tot und mein Vater noch am Leben!“ Ihr Gesicht rötete sich vor Zorn. „Warum habt Ihr den Auftrag nicht einfach richtig ausgeführt? Ihr… Euretwegen ist mein Vater tot! Wegen Eures… Versagens.“
    „Stimmt. Obwohl… ohne mein Versagen wäre ganz Ferelden mittlerweile von der Verderbnis verschlungen und wir wären alle tot… oder schlimmeres!“
    Kassandra presste die Lippen aufeinander, ihr Gesichtsausdruck wurde abweisend und kühl. Ein Muskel in ihrem Gesicht zuckte. „Mag sein“, gab sie, sichtlich widerstrebend, zu.
    „Da seht Ihr es!“, meinte Zevran mit breitem Grinsen. „Mein Versagen hat Ferelden gerettet… dass ich so eine große Rolle spielen durfte, stimmt mich wahrlich frohgemut.“
    Kassandra, ihm einen ungehaltenen Blick zuwerfend, schwieg darauf. Doch schloss Zevran aus ihrer Haltung, dass sie sein Versagen insgeheim, im Grunde dieses Herzens, bedauerte. Er jedoch hatte niemals, nicht in den ganzen Jahren seines Lebens, weniger Bedauern für etwas empfunden.
    Andauril ist offline
  12. #92 Zitieren
    Dea
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    Der Fluch verderbten Blutes

    # Epilog

    Vorschau:
    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    „Werden sie Erfolg haben?“
    ER wandte sich der Stimme zu, die hinter seinem Rücken erklang, und blickte tief in die Augen des Gegenübers. Tiefer Ernst spiegelte sich im Blick jener Augen, die so schwarz waren wie die tiefste Nacht. Es fand sich keinerlei Weiß darin. SIE war überirdisch. Wie ER und doch vollkommen gegensätzlich. ER verstand – ER verstand wahrlich alles – nur SIE verstand ER nicht.
    „Der Weg der Sterblichen ist nicht vorhersehbar. Der freie Wille verhindert, dass ich über ihr Schicksal entscheiden – oder es auch nur vorhersehen kann. Die Zukunft liegt ob ihrer Taten im Dunkeln.“
    „Du hast den Makel aus ihrem Blut gebrannt und ihr den Funken eingehaucht. Ihre Gedanken können dir nicht verborgen bleiben.“
    „Dieser Ort ist seit den ersten der Brut mein Gefängnis! Dir steht es offen, über die Welt der Sterblichen zu wandeln. Mir ist dies verwehrt. Mein eigenes Wort kettet mich.“
    „Narren.“ SIE schüttelte das von schneeweißem, unirdisch schimmerndem Haar umwobene Haupt. „Sie werden niemals aus ihren Fehlern lernen. Die Wächter am wenigsten. Es war falsch, die Strafe wieder abzuschwächen.“
    „Sie werden niemals lernen, wenn ihre Zeit so begrenzt ist. Für uns bedeutet Zeit nichts. Für sie ist sie alles.“
    „Nicht für alle. Nicht mehr…“
    „Richtig.“ ER starrte SIE an, doch SIE wich nicht zurück. SIE war wie ER. SIE würde niemals in Ehrfurcht vor IHM erschaudern.


    ----

    So, an der Stelle ist "Der Fluch verderbten Blutes" an seinem Ende angelangt.
    Die Fortsetzung des Ganzen, "Das Blut der Gesegneten", ist zwar derzeit in der Mache, da geht es aber nur langsam voran, da ich parallel an einer anderen Fanfiction schreibe, bei der ich momentan besser vorankomme (mehr Ideen).
    Ich hoffe, es hat euch gefallen
    Andauril ist offline
  13. #93 Zitieren
    Deus Avatar von VRanger
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    Vorherige -> K1 #24 • Einblicke

    Tobias hatte seine Kräfte falsch eingeschätzt und war übermotiviert durch einen Stangenparkour gelaufen. Sein Kettenhemd hatte das übrige bewirkt. So entwickelte sich die Geschichte weiter:

    K1 #25 • Zweifel

    Er spürte die Erleichterung auf seinen Schultern. Zugleich schimpfte er sich einen Narr und schüttelte mehrfach den Kopf dabei. Und dann waren noch seine Zweifel, wie weit er zurückgeworfen wurde, seitdem er mit dem Schiff in Ferelden angekommen war. Da half auch die Sonne nichts, die wärmend auf seinen Schultern ihre Strahlen tanzen ließ. Tobias grübelte, warum dies ihm alles wiederfahren musste und ob er in seinem Leben nicht schon genug Dinge hatte ausstehen müssen. »Erbauer steh mir bei,« flüsterte er vor sich hin.

    »Der wird Euch jetzt nicht helfen, zu mal bei Eurem Übermut,« sagte Magaritt und jagte dem Mann einen gehörigen Schrecken ein. Denn in seinem Grübeln hatte er sie nicht kommen hören. Doch anstatt sie anzufahren, sich so anzuschleichen, besann er sich und antwortete: »Magaritt, Ihr habt wie immer recht. Ich wollte es Euch und mir beweisen, wie weit ich bin, habe es überzogen.« »Einsicht ist der Weg zur Besserung,« schmunzelte die ältere Frau. »Doch ich habe Linderung dabei, haltet jetzt still, es wird nicht nur kalt sein auf Euren Schultern.« Er nickte nur und wollte sich nicht umsehen. Doch sie sprach weiter, auch um ihm die Prozedur zu erklären. Dabei untersuchte sie die Schultern des vor ihr sitzenden Mannes. Er spürte dabei ihre Hände und war überrascht über deren Wärme. Diese unterschiedt sich von der der Sonnenstrahlen. Obwohl er die Härte der Haut ihrer Hände geprägt durch schwere Arbeit bemerkte, war es ihm nicht unangenehm. »Da hat Euer Kettenhemd mit seinem Gewicht ganze Arbeit geleistet,« vernahm er das Fazit ihrer Untersuchung. »Blasen und wenige offene Stellen sind schon da und diese ziehen sich über die gesamte Schulterpartie,« ergänzte sie noch. »Wie lange wird es dauern?« wollte er wissen. »Warum diese Eile?« fragte sie zurück. »Was treibt Euch so rastlos herum? Könnt Ihr den Tag nach einer guten Arbeit nicht genießen?« fügte sie noch an. Und ehe er etwas sagen konnte, erklärte sie ihm: »Es wird jetzt kalt, ich trage etwas Salbe auf!« Wie sie es sagte, tat sie es auch.

    »Mmmh!« hörte man ihn mit schmallippigem Mund seufzen. »Haltet aus, es dauert noch ein Weilchen,« sagte Magaritt. »Na, geht Ihr wieder Eurer Lieblingsbeschäftigung nach?« mischte sich Isilde ein. Sie war aus dem Haus gekommen und hatte ein frisches Leinenhemd mit dabei. »Papperlapapp! Du weist, es ist so richtig! Aber Du kannst die Salbe verteilen, kommst gerade richtig,« sagte knapp die Mutter. »Ja,« antwortete die Tochter und übernahm deren Stelle. Tobias überraschte der Wechsel bei den Händen. Auch die Tochter hatte warme Hände. Doch deren Haut war deutlich weicher. Und als deren Finger über seine geschundene Haut fuhren, um die Salbe zu verteilen, durchlief ihn ein Schauern und er bekam an den Unterarmen eine Gänsehaut. Sie bemerkte es und fragte: »Sind meine Hände zu kalt? Friert Ihr?« »Nein, nein! Eure Hände sind wunderbar. Ich habe nur vergessen, wie es ist, wenn man so sanft am Rücken berührt wird,« sagte Tobias und wurde verlegen, wie lange nicht mehr erlebt. Auch Isilde hielt inne, lies dabei die Finger auf seinen Schultern ruhen und sagte: »Nun, ich habe dafür auch nicht oft Gelegenheit, doch Euch helfe ich gern.« Dann strich sie die Salbe an alle erforderlichen Stellen. Als sie fertig war, gab sie ihm einen kleinen Klaps mit der Rückseite der rechten Hand auf dem Rücken und sagte dazu: »So, nun könnte Ihr wieder herumtoben.« »Danke Isilde für den Balsam und die nette Behandlung,« erklärte Tobias und wollte aufstehen. Sie hielt ihn sanft zurück und erklärte ihm: »Haltet Euch mal die nächste Stunde im Schatten auf. Dazu könnt Ihr schon das Hemd, welches ich Euch bereitgelegt habe, anziehen. Das Kettenhemd lasst mal einige Tage in der Kammer. Doch sonst könnt Ihr Eurer Tageswerk verrichten. Nur die Haut wird zuerst etwas brennen und später jucken. Das Kribbeln zeigt Euch, dass diese heilt.« Dann hielt sie etwas inne, als wenn sie ihren ganzen Mut zusammennehmen musste, um weiter zu sprechen und fragte: »Tobias, was ich Euch schon die ganze Zeit fragen wollte, wo habt Ihr die Narbe an dem linken Arm her?«

    »Ha, hahaha!« lachte Tobias und setzte sich wieder auf die Bank an dem großen Tisch mit den starken Holzbohlen. Dabei strichen seine Hände über das Holz, auch über die Stelle, wo bis vor wenigen Tagen das Stilett gesteckt hatte. Er drehte seinen linken Arm in die Sonne und dort verlief eine gut genähte Narbe über seinen Unterarm. »Isilde, Isilde! Ihr seid schon ein wissbegieriges Frauenzimmer. Euer Wissensdurst ist immens.« Dabei schaute er sich zu ihr um und sah ihre fragenden Augen. »Fragt nur, und ich werde es erzählen, so wie ich es kann« sagte er. Das aber auch, weil er sich nicht sicher war, warum sie es wissen wollte und ob er den richtigen Ton getroffen hatte. Sie wirkte auch etwas verlegen und erklärte: »Als wir Euch nach dem Überfall vor Wochen im Hause versorgt hatten, da kam auch die Narbe an Eurem Arm zum Vorschein. Es muss eine größere Verletzung gewesen sein. Ich wollte es schon die ganze Zeit fragen. Doch erst jetzt, wo Ihr so die Arme frei habt, ist es mir wieder in den Sinn gekommen. Ich hoffe, Ihr findet mich nicht zu neugierig wegen meiner fortlaufenden Fragerei?« »Aber nein Isilde,« versuchte Tobias die sich anbahnende Situation einzudämmen. »Zum einen erzähle ich gern, das habt Ihr sicherlich schon herausgefunden,« fügte er mit einem Schmunzeln an. »Zum anderen seid Ihr eine sehr gute und vor allem aufmerksame Zuhörerin. Es macht Spaß mit Euch zu reden. Und letztlich verstehe ich auch, wenn man weit ab einer Stadt seine Bleibe hat, dass man an Neuem interessiert ist.« »Das habt Ihr sehr nett gesagt,« entgegnete die junge Frau. »Ja, Ihr könnt gut erzählen und wisst so viele Dinge, über die ich mir bisher keine Gedanken gemacht habe. Doch was ist nun mit der Narbe?« platze es aus Ihr heraus.

    »Lasst es uns so machen,« schlug der Mann mit dem rosenblonden Haar vor. »Wenn ich mein Kettenhemd wieder tragen kann, dann werde ich es Euch erzählen. Denn die Ereignisse, die zu der Narbe führten, haben in meinem Leben schon eine Zäsur gesetzt. Nicht so wie heute, aber damals war es so.« Isilde sichtlich froh, dass ihre Wissbegierde gut aufgenommen wurde, entgegnete: »Dann haben wir beide etwas, auf das wir warten. Ihr auf das Tragen Eures Kettenhemdes und ich auf meine Geschichte.« »So wollen wir es machen,« sprach Tobias, erhob sich von dem Tisch und sagte noch mit einem starken Seufzer: »Hoffentlich dauert es nicht allzu lange.«

    Nächste -> K1 #26 • Broschen
    VRanger ist offline Geändert von VRanger (18.07.2011 um 19:36 Uhr) Grund: zeitliche Einordnung
  14. #94 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
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    32) Ein dunkles Ritual

    Jaina warf den beiden noch einen Blick zu und ging zu ihrem Zimmer.
    Das hatte gesessen. Nun, da ihre Zukunft geklärt gewesen war, sozusagen sich ein neues Leben für sie anbahnte, diese Neuigkeit. Sie konnte sich nicht einfach darauf verlassen, dass Riordan den Dämon erschlagen konnte. Es konnte alles Mögliche passieren.
    Sie stieß die Tür zu ihrem Zimmer auf und schloss sie hinter sich. Als sie sich in Richtung Feuer sah entdeckte sie eine Gestalt, die davorstand.
    Es war Morrigan. „Nur keine Sorge, ich bin es nur.“
    Jaina lief zu Morrigan. „Alles in Ordnung mit Euch?“ Diese wandte sich langsam um, um Jaina anzusehen. „Mir geht es gut. Aber Ihr seid in Gefahr. Ich habe einen Plan. Einen Ausweg. Ein Schlupfloch.“ Jaina sah sie verwirrt an.
    „Ich weiß was geschieht, wenn der Erzdämon stirbt. Ich weiß, dass ein Wächter sich opfern muss – und Ihr könntet dieses Opfer sein. Ich bin hier um Euch zu sagen, dass es nicht so sein muss.“
    „Wie meint Ihr das? Es muss nicht so sein?“
    „Es gibt ein Ritual. Begangen am Vorabend der Schlacht, im Dunkel der Nacht.“
    Jainas Interesse war geweckt. „Was für ein Ritual ist das?“
    „Manche würden es Blutmagie nennen, aber das ist nur ein Name. Wir haben viel größere Sorgen als uns vor Namen zu fürchten. Ich schlage Folgendes vor: Überredet Alistair, das Lager mit mir zu teilen. Hier und jetzt. Aus diesem Ritual wird ein Kind in mir entstehen. Das Kind wird die Verderbtheit in sich tragen und wenn der Erzdämon erschlagen ist, wird seine Essenz das Kind suchen wie ein Leuchtsignal. In diesem frühen Stadium kann das Kind die Essenz aufnehmen, ohne zu vergehen. Der Erzdämon bleibt vernichtet und kein Grauer Wächter muss dafür sein Leben geben.“
    „Das Kind wird also zu Dunkler Brut?“
    Morrigan verneinte. „Aus ihm wird etwas ganz anderes: Ein Kind, das die Seele eines alten Gottes in sich trägt. Wenn das getan ist, gestattet Ihr mir mich zu entfernen. Und Ihr werdet mir nicht folgen! Nie! Ich kann das Kind so erziehen wie ich es für richtig halte.“ Morrigan lächelte. „Euch wird der Plan meiner Mutter nun klar, oder?“

    Jaina spürte Bitterkeit in sich aufsteigen. „Warum Alistair? Warum nicht Riordan?“
    „Weil Riordan die Verderbtheit schon viel zu lange in sich trägt – selbst wenn man ihn überzeugen könnte. Es muss Alistair sein, und zwar heute Abend.“

    Jainas Gedanken rasten. Sie liebte Alistair – sie wollte ihm das nicht antun – und sich selbst auch nicht. Aber dafür würden sie beide leben können, und das war es was sie wollte. Ein Leben – gemeinsam. Nun, da sie einander wahrhaftig gefunden hatten. Es gab nichts mehr, was Jaina wünschte – wenn man Fergus außen vor ließ. Zweifelnd kaute sie auf ihren Fingernägeln.
    „Glaubt Ihr wirklich, dass Alistair dem zustimmen wird?“ Morrigans gelbe Augen blitzten.
    „Wenn Ihr so für ihn empfindet wie es den Anschein hat, werdet Ihr ihn überzeugen. Bedenkt doch die Alternative. Glaubt Ihr, Alistair tut seine Pflicht als künftiger König nicht und lässt das Land im Stich? Und wenn Ihr den Streich ausführt, verliert er die Frau die er liebt. Wie wird er sich dann wohl fühlen? Ihr habt viele gute Gründe dafür, ihm zu sagen, dass er sein eigenes Leben retten kann.“

    Jainas Zweifel waren fast beseitigt. Es bot sich ihr eine Möglichkeit, eine einmalige Möglichkeit und sie hätte nichts davon, wenn sie sie ablehnte, außer mit dem Wissen zu sterben, Blutmagie einmal nicht unterstützt zu haben. Und das brachte ihr im Tod auch nichts mehr. Sie nickte schließlich.
    „In Ordnung, ich mache es.“ Morrigan lächelte, tatsächlich freundlich. „Eine weise Entscheidung. Ich werde hier warten bis Ihr mir Alistair gesprochen habt. Hoffentlich könnt Ihr ihn überzeugen.“

    Daran hatte die junge Frau auch Zweifel. Wenn Alistair sich weigerte – sie konnte und wollte ihn nicht dazu zwingen. Sie war sich nur sicher, dass sie ihn nicht belügen würde. Das würde alles noch schlimmer machen – sie hatte ihn einmal fast getäuscht, ein zweites Mal würde sie das nicht können. Wenn er diesem Ritual zustimmen würde, dann sollte er auch wissen, was es war.
    Sie ging aus ihrem Zimmer und den Gang entlang, bis sie vor Alistairs Türe stand. Sie holte tief Luft und trat, ohne zu klopfen, ein.
    Alistair, der auf der Bettkante saß, in voller Rüstung, sah zu ihr auf, während seine Verlobte auf ihn zukam. „Du kannst auch nicht schlafen, hm? Ich habe Morrigan vor deinem Zimmer stehen sehen – wie sie mich angesehen hat, das war wirklich eisig, selbst für sie. Ist irgendetwas los?“
    Alistair bedeutete ihr, sich neben ihn zu setzen, doch Jaina blieb vor dem Bett stehen.
    „Du kannst nicht schlafen? Warum? Angst vor morgen?“ Sie wollte Zeit schinden. Es war gar nicht leicht, so etwas zu erklären...
    „All diese Männer sehen mich an, sie sehen in mir ihren König. Auf einmal ist das alles so real. Aber du versuchst das Thema zu wechseln. Es geht hier nicht um mich, sondern um Morrigan. Ich mag müde sein, aber dumm bin ich nicht. Was wollte sie?“ Sein Interesse war geweckt und für Jaina gab es keine Ausflüchte mehr und sie seufzte.
    „Wir müssen reden, Alistair.“ Der junge Mann erhob sich nun von der Bettkante und sah Jaina aufmerksam ins Gesicht.
    „Was auch immer Morrigan dir gesagt hat, es war wohl wichtig. Das habe ich davon, König zu sein. Jeder bringt mir schlechte Nachrichten. Also, worum geht es? Laufen die Ratten Amok? Gehen die Käsevorräte aus? Ich werds ertragen.“ Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, und es machte Jaina Mut.
    „Was wäre, wenn ich dir sage, dass es einen Weg gibt, zu verhindern, dass wir morgen sterben?“
    „Wegen des Erzdämons, hm? Wenn du andeuten willst, dass wir weglaufen können – das kann ich nicht machen. Aber das meinst du wohl nicht. Worum geht es hier?“ Er sah sie mit gerunzelter Stirn an, begierig darauf mehr zu erfahren. Jaina mühte sich ein Lächeln ab. „Deine wildesten Träume werden wahr: Sex mit Morrigan.“ Alistair lachte laut auf. „Hehe, das war gut. Wirklich. Löst die Spannung. Also...worum geht es wirklich?“
    Jaina war wieder vollkommen ernst. „Ich meinte das ernst. Es ist Teil eines Rituals“
    Immer noch grinsend lehnte Alistair sich an den Bettpfosten. „Super, das ist die Rache für all meine Witze, oder?“ Er kicherte, doch als er Jainas steinerne Miene sah, richtete er sich wieder auf. „Das ist wohl kein Scherz. Du meinst das ernst! Wow! Vom Erzdämon getötet werden oder mit Morrigan schlafen. Wer denkt sich solche Entscheidungen aus?“ Er sah ihr in die grünen Augen. „Du bittest mich nicht wirklich darum, oder? Was für Ritual ist das überhaupt?“
    Jaina hielt seinem Blick stand. „Ich werde dich nicht anlügen. Ein Kind wird daraus entstehen.“
    „WAS?!“ Alistair starrte sie vollkommen entsetzt an. „Ich muss mich verhört haben, oder sagtest du gerade, dass ich Morrigan als Teil eines Sex-Ritus schwängern soll?? Was will Morrigan überhaupt mit so einem Kind? Will sie einen Thronerben?“
    Jaina war nicht zurückgewichen, dennoch, wenn Alistair wütend war sah er sehr bedrohlich aus. Sie wusste, dass nur sie das zu einem guten Ende bringen können würde. Sie holte Luft. Dieser Teil würde besonders heftig werden.
    „Ich glaube, sie möchte eine Art Alten Gott erschaffen.“
    Tatsächlich schien Alistair die Fassung zu verlieren.
    „Das ist ja auch so viel besser, findest du nicht?!“ tobte er. „Da mache ich mir Sorgen einen Bastard-Erben zu zeugen und habe nicht einmal daran gedacht, dass es auch so ein Drachen – Gott... was auch immer sein könnte!!“ Wild gestikulierend wandte er sich von ihr ab und ging zu einem Stuhl neben seinem Bett, auf den er sich erschöpft fallen ließ. „Also, selbst wenn ich mich mit dieser Idee anfreunden könnte – und ich sage nicht, dass ich das tue – willst du WIRKLICH, dass ich das tue, bist du dir sicher?“ Er sah sie so eindringlich an, dass sie glaubte, er könne in ihrer Seele lesen.
    Und dort waren Zweifel, aber eben auch Hoffnung. Mehr Hoffnung als Zweifel.
    Sie folgte ihm bis ans Bett und nickte vorsichtig. „Ich glaube es ist das Richtige, ja.“
    Alistairs Gesichtsausdruck war düster geworden. „Nein. Das geht nicht. Ich kann das nicht. Du kannst das nicht von mir fordern. Nicht so.“

    Nun verlor Jaina langsam die Geduld. „Ich würde es selbst machen, wenn ich könnte!“ zischte sie ärgerlich. Alistair sah sie empört an. „Wunderbar. Deshalb lohnt es sich wohl ein Mann zu sein. Sieh mal, nur weil ich die nötige... also, nur weil ich das kann... dadurch wird die Sache nicht richtig!“
    „Und weil es nicht richtig erscheint, willst du unser Leben aufs Spiel setzten?!“ schrie Jaina Alistair an. Sie packte ihn an der Rüstung, riss ihn hoch und stieß ihn gegen die Wand neben dem Stuhl. Der überrumpelte Alistair war überrascht von der Situation und ihrer Stärke und vergaß dabei vollkommen, sich zu wehren.
    Jaina ließ ihn auch nicht los. „Jetzt haben wir endlich eine Möglichkeit, wir beide, eine Chance, einen Ausweg, und du willst sie auslassen? Willst du es riskieren morgen zu sterben? Obwohl wir endlich zusammen sein könnten?“ Vollkommen außer sich spie sie ihm die Worte entgegen, beruhigte sich aber allmählich, wenngleich ihr Griff sich nicht lockerte. „Alistair, ich bitte dich um unseretwillen darum. Um Fereldens Willen. Einer von uns beiden müsste sterben – wie soll ich je damit leben können zu wissen, dass wir wissentlich diese Chance ungenutzt ließen?“ Verzweiflung trat in ihre Augen, und sie füllten sich langsam mit Tränen. Es war Jaina egal. Es ging hier um ihr beider Leben.
    Alistair griff nach den Händen die ihn hielten und befreite sich von ihnen, er wirkte aufgewühlt und doch irgendwie ruhig. „Gemessen am Tod, der einen von uns morgen erwartet, ist es kein hoher Preis mit Morrigan zu schlafen.“ sagte Jaina, deren Stimme fast brach.
    Sie wollte sich von Alistair zurückziehen, doch diesmal packte er sie am der Rüstung und zog sie zu sich, bevor sie wusste was er da tun wollte hatte er seine Lippen auf ihren Mund gepresst und sie schmeckte das Salz ihrer Tränen auf ihren Lippen, die von Alistairs beinahe gierig umschlungen wurden. Sie gab sich diesem Kuss vollkommen hin, sie hatte es geschafft, dieser Kuss würde nicht ihr letzter als Paar sein. „Du hast Recht. Es tut mir Leid, ich wollte nicht unsere Zukunft aufs Spiel setzen. Also bringen wir das hinter uns... bevor ich es mir anders überlege.“ flüsterte Alistair in ihr Ohr und wandte sich zur Tür.

    Die Tür zu Jainas Gemach schlug auf und herein traten Alistair und Jaina.
    Morrigan stand vor dem Bett und sah den beiden interessiert entgegen. „Euer Gespräch ist also beendet? Wurde eine Entscheidung gefällt?“ Alistair brummte: „Na toll, es ist doch kein Traum.“
    Jaina nickte Morrigan zu. „Alistair wird Euer... Angebot annehmen.“
    „Moment, ich habe noch eine Frage, zu diesem... Kind, das ihr bekommen wollt.“
    Morrigan sah Jaina ehrlich beeindruckt an. „Interessant. Meine erste Wahl wäre nicht Ehrlichkeit gewesen.“
    Alistair fuhr fort: „Ich will nur sichergehen, dass ihr es nicht gegen Ferelden verwendet. Nicht, dass dieser Bastard eines Tages vor mir auftaucht...“
    Morrigan beugte den Kopf. „Ich gebe Euch mein Wort.“ „Super, warum fühlt es sich dann immer noch nicht besser an... Also... bringen wir das endlich hinter uns.“
    „Ziehen wir uns ein wenig zurück, Alistair. Und glaubt mir, es wird für Euch lange nicht so schlimm wie Ihr denkt.“

    Jaina schlich sich aus dem Raum, sie fühlte sich keineswegs voller Triumph, im Gegenteil, sie fühlte sich klein und dreckig. Was hatte sie da getan, nun musste sie ertragen, dass Alistair mit Morrigan schlief. Sie rannte in Alistairs Raum und warf sich auf sein Bett, ohne sich aus der Rüstung zu schälen. Sie nahm das Kissen in den Arm und blieb reglos liegen.
    Es mochte ihr nun wehtun, und auch Alistair – aber es war der einzige Weg. Nur so konnte sie sicher sein, dass nicht einer durch den Erzdämon starb. Dabei gab es noch so viele andere Faktoren. Die Dunkle Brut war gefährlich, und was wenn über ihnen ein Turm einstürzte? Dann wäre das Ritual umsonst gewesen.
    So dachte sie hin und her, war aber letztendlich doch froh darüber, diese Entscheidung getroffen zu haben und nicht ihrem Egoismus, der Alistair nicht teilen wollte, nachgegeben hatte.

    Irgendwann bemerkte sie ein Geräusch im Zimmer. Es war mittlerweile völlig dunkel darin und sie konnte nichts erkennen, als sie die Augen öffnete. Das Geräusch kam näher, ruckartig richtete sie sich auf. „Shhhh. Jaina.“ Sie kannte diese Stimme, und sie klang erschöpft. Sie streckte die Arme aus und tastete nach ihrer großen Liebe, berührte einen Teil seiner Rüstung und zog daran. Neben ihr ließ sich Alistair auf das Bett fallen und rückte sofort dicht an sie heran, legte seine Arme um sie.
    „Wie... geht es dir? Wie spät ist es?“ flüsterte Jaina, die sich wohlig in die Arme Alistairs kuschelte.
    „Vor Mitternacht. Und mir geht es gut. Ich bin froh, dass es endlich rum ist. Verlang so etwas wenn möglich bitte nicht wieder von mir.“ Sie konnte in seinem Tonfall ein leises Lächeln erahnen. „Keine Sorge, es war nicht gerade schön zu wissen, dass...“
    „Es ist vorbei. Wir sollten schlafen. Morgen ist ein wichtiger Tag.“
    Eng aneinander gekuschelt schliefen die beiden fast zeitgleich ein.
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    33) Vorbereitungen für den Kampf

    Die Sonne ging über dem See von Calenhad auf. Langsam und schwerfällig schien sie sich zu erheben, als ob sie ahnen könnte, dass die Bewohner dieses Landes, das sie beleuchtete, einen unglaublichen Kampf vor sich hatten. Die Wasseroberfläche glitzerte, als die Strahlen des riesigen Feuerballs darauf reflektierten. Ruhig schwappte es vor sich hin mit einem leisen Glucksen, wurde hin und wieder vom Wind aufgefrischt und an die Ufer getragen, wo sich das Wasser rauschend auszubreiten suchte, aber machtlos wieder zurück in den See gezogen wurde. Von oben erschien es, als ob Heere kleiner Ameisen durch und um ganz Redcliffe marschierten, alle in Richtung Nordosten. Die Stimmung war gedrückt und es war kaum etwas zu hören außer lautem Rufen von Feldwebeln, die ihren Soldaten Befehle erteilten.
    Mancher verabschiedete sich noch von Frau und Kind, ehe er mit seinen Kameraden in den Krieg zog. Und so zogen die Soldaten, gleich einer Rotte quirliger Tausendfüßler, in Richtung Denerim.

    Jaina lief in schnellem Tempo. Ihr Mabari hetzte neben ihr her, hinter ihr folgten Leliana, Alistair und Morrigan in Form eines Wolfs, so konnte sie leichter mithalten. Sie waren vor Morgengrauen aufgebrochen und hatten sich von Riordan, Eamon und Teagan verabschiedet, die sagten, dass sie sich beeilen würden.
    Die kleine Gruppe lief durch eine Wiese mit hüfthohem Gras. Es war tückisch, denn man konnte den Erdboden nicht erkennen und kleine Steine und Erdbröckchen blieben ungesehen. Jaina hatte ein Gefühl für Unebenheiten im Boden entwickelt, aber sie wusste, wenn jetzt einer sich den Knöchel verknackste… Sie konnten es sich nicht leisten, zu warten und behindert zu werden. Also hob sie eine Hand und verlangsamte ihr Tempo, bis sie in normaler Gehgeschwindigkeit angelangt war.
    Nur Jag sprang weiter voraus, aber Jaina wusste, dass der Hund eine Ausdauer und eine Geschicklichkeit besaß, die kaum ein Mensch je erreichen konnte.

    „Wenn dir jetzt eingefallen ist, dass wir vergessen haben, Brot mitzunehmen, dann kannst du aber alleine zurückrennen.“ Alistair war zu ihr aufgeschlossen und sie schüttelte verneinend den Kopf. „Wir können keine gebrochenen Beine gebrauchen. Wie hieß das Kaff noch mal, wo wir Pferde bekommen sollten?“ „Tiereth. Ich war noch nicht dort, aber es sollte nicht mehr weit sein.“
    Jaina maß den Sonnenstand mit den Augen ab und wölbte die Brauen. „Nicht mehr als zwei Stunden.“ stimmte sie zu. „Wir sind sehr gut vorangekommen.“

    Tatsächlich kamen sie nicht ganz zwei Stunden später in einem kleinen Dorf an. Es war friedlich und still, auch hier herrschte düstere Stimmung ob des Krieges. Jaina lief die Hauptstraße entlang und entdeckte das Tavernenschild „Zu den zwei glücklichen Kühen“. Sie winkte ihren Kameraden und steuerte darauf zu.
    Sie vermutete, dass es die einzige Taverne in dieser winzigen Stadt war. Auf dem Weg zur Taverne entdeckte sie eine Schmiede, die auf Hochtouren lief, viele kleine Häuschen und am Marktplatz konnte sie eine Kirche erkennen. Dahinter war das Dorf auch schon zu Ende.

    Jaina stieß die Tavernentür auf und wartete, bis ihre Gefährten eingetreten waren. Morrigan hatte wieder ihre menschliche Gestalt angenommen. Gemeinsam gingen sie zur Theke und bestellten sich jeder ein ordentliches Mittagessen und eine Menge Wasser. Der Wirt war ein betagter, aber freundlicher Mann, der ein wenig schusselig wirkte. Mit einem Blick auf ein riesiges Flaschenregal hinter ihm – die unglaubliche Größe hätte man in diesem Dorf für überflüssig gehalten – bestätigte sich der Gedanke. Flaschen standen neben Gläsern, Tellern und einzelnen Tassen, die dort offensichtlich nicht hingehörten.
    Der Wirt hatte die neuen Gäste schon eingehend betrachtet und schwatzte munter darauf los – dass vor seiner Tür ein Krieg ablief war ihm entweder nicht bewusst, oder egal.
    „Ich hoffe, Ihr werdet Eure Speisen genießen. Ihr müsst wissen, meine Frau ist auch die Köchin hier, und Ihr könnt einmal raten, weshalb ich sie geheiratete habe!!“ Dröhnend lachte er und tätschelte seinen gewaltigen Bauch, den er vor sich herschob.
    „Eure Frau muss tatsächlich eine wundervolle Köchin sein. Ich kann es kaum erwarten, ihre Gerichte zu probieren“, lächelte Leliana den Mann freundlich an. Jaina konnte nicht erkennen, ob das gespielt oder echt war – sie war aber auch erschöpft genug, um nicht weiter darüber nachzudenken.
    „Hier könntest du deinen Brotvorrat aufstocken, Liebes“, raunte Alistair Jaina zu die ihn lächelnd ansah und einen Schluck von ihrem Wasser nahm. Den halben Krug hatte sie schon hinuntergestürzt, langsam ging es ihr besser.
    „Werter Herr, wir kommen aus Redcliffe, Arl Eamon sendet uns. Wir sollten hier die Pferde abholen – könntet Ihr uns verraten, wo wir diese finden?“ Leliana fixierte mit ihren strahlenden Augen den Wirt, der hinter der Theke herumwuselte.
    „Pferde? Aber ja, natürlich, für den Arl doch immer! Ihr müsst wissen, wir gehören noch zu seinem Bannorn – sind sehr glücklich darüber, sehr glücklich, der Arl hat das Herz am rechten Fle—einen Moment mal, die Pferde sind für Euch? Dann seid ihr die künftige Königin?“ Der Wirt erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde mit Blick auf Leliana, und bevor einer auch nur etwas sagen konnte war er hinter der Theke hervorgeeilt und hatte Alistairs Hand geschnappt, verbeugte sich tief vor ihm und küsste ihm den Handrücken. „Euer Majestät, ich bin so geehrt, dass Ihr meine bescheidene Taverne als würdig erachtet! Und Eure wundervolle Braut, sie ist schön wie der junge Morgen...“ Er wuselte auf Leliana zu, deren Gesicht fast so rot war, wie ihre Haare. Morrigan grinste Alistair an, dem das alles recht peinlich war.
    „Guter Mann, nicht ich bin die Braut des Königs, sondern sie..“ Leliana deutete auf Jaina neben sich, die das Ganze grinsend verfolgt hatte. Leliana als Königin, na das wäre doch was, dachte sich Jaina. Bei ihrer Art, die sie nur nicht zugeben will, könnte sie Zevran anstellen um politische Fragen zu lösen.
    Der Wirt registrierte seinen Fehler und verbeugte sich einmal, zweimal, dreimal vor Jaina, Entschuldigungen ratternd, wie Leid ihm das doch täte, und dass hier eine Frau schöner als die andere sei – Jaina nahm die Hand des Mannes und neigte ehrwürdig den Kopf. „Fasst Euch, guter Herr. Keiner hier macht Euch das zum Vorwurf, weder der König noch ich. Doch gestattet mir, die Frage meiner Freundin zu wiederholen: Wo finden wir die Pferde?“

    Der Wirt verbeugte sich noch einmal tief. „Sie sind auf der Koppel, direkt hinter der Kirche. Ich werde Euch persönlich dorthin begleiten, Eure Majestäten – und ehrenwerte Dienerschaft der Majestäten..!“ Sein gehetzter Blick wandte sich schnell zu Morrigan, die ihn giftig anstarrte und Leliana, die freundlich nickte. Der Mann watschelte eilig zurück hinter die Theke und öffnete eine Tür – vermutlich zur Küche, denn von dort verströmte ein angenehmer Geruch nach frischen Speisen - einen Spalt breit und rief hinein „Lutherna! Unsere Gäste warten! Eile dich, die Majestäten sind hungrig!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, schloss er die Tür mit einem lauten Knall, griff nach der nächstbesten Flasche und schnappte sich Alistairs Becher. „Darf ich Seiner Königlichkeit nachschenken?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stellte er den gefüllten Becher zurück auf die Theke und wiederholte das Ganze bei Jaina.
    Alistair saß mit einer Mischung aus peinlich berührt und doch zum lächeln gebracht auf seinem groben Holzstuhl und sah Jaina hilflos an, die ihm zähnefletschend zugrinste und sich köstlich darüber amüsierte, wie der Wirt nichts unversucht ließ, ihnen jeden nur denkbaren Komfort zur Verfügung zu stellen. Er hätte sogar sein bestes Fass Wein aus dem Keller geholt, wenn Leliana und Jaina ihm nicht eindringlich versichert hätten, dass keinerlei Notwendigkeit bestehe, dass man angesichts einen bevorstehenden Kampfes nicht betrunken sein sollte – aber dass sie vollkommen überzeugt wären, der Wein des Wirtes sei der Beste in der ganzen Gegend.

    Der Wirt ließ sich schließlich umstimmen und in nächsten Augenblick öffnete sich die Küchentür und herein trat eine Frau, kleiner und untersetzter als der Wirt, ebenfalls sehr stämmig gebaut und auf ihren Armen balancierte sie vier Teller, die sie mit je einer Verbeugung vor den Gästen abstellte.

    Jag gab ein flehendes Winseln von sich, erntete dafür einen strengen Blick von Jaina und war schon verstummt, als sie Wirtin sich zu ihm umdrehte und ein entzücktes Lächeln ihr Gesicht noch weiter erhellte.
    „Sieh doch, Larseld, ein Mabari-Hund! Und was für ein prächtiges Tier! Ich gehe sofort und hole ihm einen Napf Wasser!“ – ganz wie der Wirt, der Larseld genannt worden war, eilte Lutherna wieder in die Küche, nur um Sekunden später mit einer ordentlichen Schüssel voller Wasser und einem kleinen Teller mit Fleischresten darauf wieder hereinzustürmen und vor Jag auszubreiten, der sie dankbar anbellte und ihr die Pfote geben wollte.
    Jaina beugte sich zu Leliana und flüsterte ihr für alle anderen hörbar zu: „Ich wünschte, mein künftiger Gatte hätte ebensolch hervorragende Manieren...“
    „Oder das hinreißende Aussehen...“ fügte Morrigan vollkommen ernst hinzu.

    Alistair sah seine Freundin gespielt beleidigt an, während Morrigan und Leliana sich Mühe gaben – nein, nur Leliana sich Mühe gab, nicht zu laut zu lachen.

    So speisten sie gemeinsam und wurden hernach von Larseld auf die Koppel begleitet, auf der ein Dutzend Pferde standen und grasten. Er plapperte geschwätzig vor sich hin und, die Vorteile und Nachteile jedes einzelnen Pferdes aufzählend, empfahl den beiden Majestäten die Schimmel, einen Fuchs für Leliana und einen Rappen für Morrigan.

    Tatsächlich nahmen die Gefährten den Rat an, so dankten sie dem Wirt und entlohnten ihn großzügig, dann ritten sie, die Mittagssonne im Rücken, gen Denerim.

    Spätabends bauten sie ihr Lager in der Ebene auf, geschützt und hinter einem kleinen Wäldchen gelegen. Morrigan hatte sich bereit erklärt, Wache zu halten und blätterte in einem großen Buch, das sie aus ihrem Rucksack entnommen hatte.
    Leliana wollte später die Wachtschicht übernehmen und war daher schon schlafen gegangen.

    Jaina konnte noch nicht schlafen und nahm Alistairs Hand und ging mit ihm in das Wäldchen. Es war vollkommen dunkel. Der Mond war dabei sich zu füllen und kein Stern stand am Himmel. Sie traten auf eine Lichtung, an deren Ende ein riesiger Baum stand, der alle überragte. Er breitete seine ungeheure Krone, die große Schatten im matten Mondschein warf, über einen Teil der Lichtung viele andere Bäume. Hier war alles ganz ruhig. Das Paar setzte sich an den Fuß des Baumes und der junge Frau lehnte sich an ihn.

    „Wie wird der Himmel wohl morgen Nacht aussehen?“ fragte sie leise, nicht mal wirklich an Alistair gerichtet.
    „Die Frage ist vielmehr, ob es morgen Nacht noch jemanden gibt, den der Himmel interessiert. Oder der überhaupt fähig ist den Kopf zu heben. Ich wünsche es mir.“
    „Und wie geht es nach dem Kampf mit uns weiter?“ Alistair drehte ihr Gesicht zu sich. „Das weißt du doch. Ich werde König sein. Und davon ab gesehen – wirst du meine Königin sein. Ich sage dir eines, selbst wenn das nicht gehen sollte, ich werde dich nicht weglassen. König oder nicht, ich werde dafür sorgen, dass wir zusammenbleiben können!“ Er sah sie so leidenschaftlich und wild an, sie spürte wie ihr Herz bis zum Hals schlug.
    Sie wusste, dass es eine Königin geben konnte, Anora war eine gewesen, aber sie konnte nicht abschätzen, ob die Verderbnis und die Lehren der Vergangenheit etwas daran änderten.
    „Solange wir füreinander Gefühle haben sollte alles andere hinten anstehen.“ Jaina sprach ihren sehnlichsten Wunsch aus, der ganz und gar nicht ihrer Pflichterfüllung diente. Sie fragte sich eine Sekunde lang, wie ihr Vater darauf reagiert hätte.
    Zu ihrer Überraschung nickte Alistair. „So ist es. Und ich werde nichts tun, was das gefährden könnte. Vertrau mir.“ Sie zog ihn an sich und auf sich, und die beiden küssten sich leidenschaftlich, ihre Arme und den anderen geschlungen und wälzten sich unter der Krone des riesenhaften Baumes.

    Hernach rappelten sich die beiden auf und gingen gemeinsam zum Lager zurück. Sie wussten, der Erzdämon wartet auf sie.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (19.05.2011 um 01:01 Uhr)
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    34) Der große Kampf

    „Nein! Riordan! Neeeeeeiin!“ brüllte Jaina aus Leibeskräften, sie hatte sich an die oberste Zinne eines Turms gekrallt und sah den Erzdämon zu Fort Drakon aufsteigen, mit ungleich flattenden Flügeln, und unterhalb von ihm fiel eine scheinbar winzige Gestalt gen Erde.

    Hass brandete in Jaina auf, als sie wieder den verletzten Erzdämonen fixierte, der einen schrägen Riss in Flügel versetzt bekommen hatte – Riordans Schwert war sauber hindurchgefahren, als der Graue Wächter sich verzweifelt festzuhalten sucht – aber die Haut des Drachen hatte nachgegeben.

    Mit einem Satz sprang Jaina von den Zinnen, auf den Mauerlauf und suchte eine niedrigere Stelle – sie sprang aus zwei Metern auf eine spärlich bewachsene Erdfläche, ohne Luft zu holen rannte sie durch die verstaubte Gassen Denerims, hier und da an brennnenden Häusern vorbei in Richtung des Palastes, wo sie Alistair und die zwei Frauen wiederfinden sollte.

    „Jag!“ rief Jaina mühsam in die rotglühende Nacht hinaus, sofort kam ihr Mabari angelaufen und folgte ihr im Spurt durch Denerim. Dort war der Drakon – der Fluss, wenn sie dem folgte und weiter vorne nach Süden einbog wurde sie genau vor dem Palast stehen. Denerim war wie ausgestorben, vereinzelte Soldaten flüchteten in Richtung der Tore, die schwer bewacht wurden – und im Innern der Hauptsadt tummelte sich die Dunkle Brut. Dutzende, Hunderte hatten Jaina und ihre Freunde hier schon erledigt. Es war unglaublich viele.

    Sie rannte immer weiter, ohne sich zu schonen, und weiter vorne erblickte sie drei Gestalten, in einen Kampf mit Dunkler Brut verwickelt. Sie war noch zu weit weg um Einzelheiten erkennen zu können, aber sie verdoppelte ihre Anstrengungen und kam rasch näher – sie hatte den Überblick über die Situation, als auf einmal eine Entdeckung ihr Herz still stehen ließ – das Momentum bewegte sie weiter und ihr Herz schlug erneut, aber sie konnte nicht sprechen, ihr Hals, ihre Stimmbänder schienen wie abgedrückt, zugeschnürt zu sein. Sie wollte Alistairs Namen brüllen, aber es gelang ihr nicht, so sehr sie sich auch bemühte.
    Und sie war zu langsam, sie würde es nicht schaffen. Der Genlock hatte seinen Bogen gehoben und zielte auf Alistairs Kopf. Ein Pfeil lag auf der gespannten Sehne.
    Jainas Blut schoss unkontrolliert durch ihren Körper, sie machte einen aberwitzigen Satz nach vorne und konnte sich nicht abfangen, jaulend stürzte sie zu Boden, schlug über ihren Arm hinweg einen Salto und raste weiter auf Alistair zu, der sie bemerkt hatte und ihr entgegenstarrte, damit aber dem Schützen den Rücken zudrehte.

    Und dann geschah vieles gleichzeitig:
    Alistair hatte Jainas Gesichtsausdruck gesehen und fuhr herum, ließ sich in der Bewegung zu Boden fallen.
    Im gleichen Moment setzte Jaina über ihn hinweg und warf ihren Dolch auf einen Hurlock, der den zu Boden gegangenen Alistair erschlagen wollte. Das schön gefertigte Heft des Dolches ragte aus einer schwarzen, widerlichen Wunde heraus und der Hurlock kippte hintenüber, im selben Moment, als ein Pfeil einen Schritt von Jaina entfernt vorbeizischte – und ins Wasser fiel.
    Der Genlock-Bogenschütze stand merkwürdig da, aus seinem Körper schienen zwei Diamanten zu ragen. Strahlend und scheinbar gleißend weiß – als sie ruckartig zurückgezogen wurden und der Genlock vornüber fiel und den Blick freigab auf einen blonden Elfen, die vordersten Haare zu einem geflochtenen Zöpfen zusammengebunden, in einer grünlichen Rüstung und einem charmanten Lächeln.
    Er sprang über die Leiche des Genlocks hinweg und half Leliana elegant, einen anderen Gegner außer Gefecht zu setzen. Jaina hatte den Kreis rund um Alistair, der sich wieder aufrichtete, freigeräumt und nach wenigen Minuten standen sie inmitten von Leichen der Dunklen Brut und schnauften. Leliana hatte Zevran bemerkt als er ihr aushalf und ein Strahlen war in ihre Augen getreten, ein Strahlen wie von einer Sonne, die warm und leuchtend über einem See aufgeht.

    Kaum, dass der letzte der Dunklen Brut getötet war wandte sich Leliana breit lächelnd zu Zevran um. „Ich wusste, Ihr würdet wiederkommen.“ „Tja nun, nachdem die Bedrohung durch die Krähen wieder einmal ausgeräumt sein sollte, dachte ich, ich kann doch den künftigen König und seine liebreizende Gespielin nicht einfach draufgehen lassen.“

    Mit seinem so typischen Grinsen verneigte er sich kurz vor Alsitair, fixierte dann Jaina mit einem breiten Lächeln, in dem Jaina Ehrlichkeit vermutete. „Und... was willst du nun hier? Du hast uns einmal den Rücken gekehrt.“ „Nein, edle Jaina, ich habe ihn dir gedreht. Und das auch nur sinnbildlich. Du bist unglaublich entzückend wenn du wütend bist. Aber in dem Moment erschienst du mir unglaublich tödlich – und für den Fall dass ich richtig lag, wollte ich es lieber nicht riskieren.“
    „Das ist gut möglich.“ Jaina fletschte die Zähne mit einem Grinsen, sie stand ihrem Hund in nichts nach.
    Zevran neigte seinen Kopf kurz vor Jaina. „Ich denke, ich habe mit meinem Eingreifen klar gemacht, welche Seite ich in diesem Krieg unterstütze.“ Erwartungsvoll sah er von Jaina zu Alistair, der kurz angebunden nickte. „Das habt Ihr. Ich danke Euch.“
    Jaina sah Lelianas Blick und seufzte innerlich. „Also gut, hier lang. Und Zev...“ Sie nahm ihn am Arm und raunte ihm unhörbar für die anderen etwas ins Ohr, woraufhin er etwas rot wurden, sich aber sofort wieder in seiner Gewalt hatte und nickte.

    Gemeinsam eilten die Wiedervereinten auf einen Aufstieg zu Fort Drakon zu. Jaina hielt an und pfiff Jag zu sich. Dann wandte sie sich an Morrigan. „Bitte, Morrigan, verwandelt Euch und lenkt mit meinem Hund die Brut auf der linken Seite ab. Wir fallen ihnen in den Rücken.“
    Morrigan nickte nicht einmal, sie rannte los, Jag auf den Fersen und im Sprung schien sie sich länger und länger zu ziehen und kam als Wolf auf 4 Pfoten wieder auf dem Boden auf, um unverminderter Geschwindigkeit weiterzurennen.

    Der Plan ging auf. Morrigan und Jag durchbrachen die Frontlinie und zogen die Brut auf sich, während Alistair, Zevran, Leliana und Jaina von hinten eine breite Schneise hindurch schlugen.
    So kämpften sie sich durch Fort Drakon nach oben, es einnerte fast ein wenig an den Turm von Ishal.
    Nur dass wir diesmal nicht versagen, dachte Jaina entschlossen.
    Dort war er, der Gang auf die höchstgelegene Plattform Denerims, Jaina rannte so schnell sie konnte den Gang entlang, ihre Fußschritte und die ihrer Freunde hallten an den dunklen Wänden wieder. Von vorne fiel rotes, blutrotes Licht in den Gang und von draußen hörte man ein geiferndes Brüllen.

    Und dann war Jaina aus dem Tunnel und fand sich einem riesigen Drachen gegenüber, den sie aus ihren Träumen kannte. Er fegte einige Soldaten mit einem einzigen Prankenschlag über die Zinnen des Turms, zerquetschte einen weiteren indem er sich, scheinbar zufällig, auf ihn stellte und sprühte Jaina einen Verderbheitsschwall entgegen, der heiß und stinkend und brennend auf sie und ihre Gefährten nieder sank.
    Ohne weiter zu überlegen schoss sie wie ein wütenden Schlange vorwärts, wich den kraftvollen Hieben des Erzdämons aus und bohrte ihre Waffen in die wie steinern wirkende Drachenhaut.
    „Ruft die Armeen!“ brüllte Alistair über das Fauchen des Drachen hinweg und sprang seiner Freundin bei. Leliana schoss Pfeil um Pfeil auf den Drachen ab während einige überlebende Soldaten zu einem riesigen Horn sprangen. Ein Hornstoß ertönte durch ganz Denerim, so schien es. Jaina und ihre Gefährten hatten alle Hände voll damit zu tun, dem Drachen immer wieder auszuweichen, sie konnten, trotz dass sie zu sechst waren, gegen den Erzdämonen kaum etwas ausrichten. Zevran und Jaina schafften es gelegentlich an den Bauch der riesenhaften Echse zu kommen und stießen tiefe Wunden hinein, doch nach nur wenigen Sekunden wurden sie unsanft aus der Nähe des Erzdämonen geschlagen. Die beiden erhoben sich fast zeitgleich und sahen Männer, unglaublich viele Männer aus dem Gang strömen. Es waren menschliche Soldaten, zwergische Krieger und sie alle strömten zum Erzdämon hin und deckten ihn mit Hieben ein.

    Die Zeit flog nur so dahin, Jaina hätte nicht sagen können, wie lange sie den Erzdämonen schon angriffen. Zevran hatte eine Balliste entdeckt und mit in Gang gebracht, er schoss einen wuchtigen Bolzen nach dem nächsten auf den Erzdämonen ab, der nun seine Verstärkung hinzurief. Aus allen Eingängen stürmte weitere Dunkle Brut, darunter Schamanen, Generäle aber zum Glück keine Oger. Die dazugekommenen Soldaten, nun auch Magier und elfen nahmen sich der Generäle und anderen Dunklen Brut an, während Jainas Truppe weiterhin dem Erzdämon zusetzte.

    An Jainas Seite kämpfte Arl Eamon als Alistair einen gewagten Vorstoß versucht und gerade so mit seinem Schild einen Hieb der klauenbesetzten Pranke abwehren konnte. Jaina und der Arl stachen wie wild auf die Pranke ein, schwarzes Blut lief in Strömen daran herunter und endlich schien der Drache erschöpft zu sein, er geiferte und sabberte verderbten Speichel und drehte sich in Richtung Morrigan, die ihn kurzerhand mit einem Eiskegel einfror – für wenige Sekundenbruchteile – aber es langte. „LOS!“ brüllte Jaina mit aller Kraft und stürzte sich wie besessen auf den Drachen der im gleichen Moment begann sich zu schütteln und sie mit seiner gewaltigen Schnauze davonschleuderte. Jaina prallte hart auf dem Steinboden auf und hob den Kopf: Benommen erkannte sie, wie alle übrigen Kämpfer und einige Elfen den Erzdämon zurückdrängten, der sich immer panischer und wütender wehrte.
    Das Kampfgetümmel wurde durchbrochen von einem Schrei des Drachen, ein unglaublicher Schmerzensschrei und Jainas Gefühl sagte ihr, was nun geschehen musste.
    Sie sprang auf die Füße, rannte auf den Erzdämon los, der mit einem gewaltigen Feuerstoß um sich herum alle Kämpfer weggeschleudert oder zurückspringen lassen hatte.

    Jaina sauste heran, griff sich ein Schwert vom Boden und hechtete unter den Pranken des Dämons hinweg und riss mit der Schwertschneide einen klaffenden, breiten Schnitt in die Kehle des Tieres.
    Das bäumte sich mit einem weithin hörbaren Brüllen auf, aber konnte das Gleichgewicht nicht halten. Blut umspülte Jaina aus dem riesigen Riss, den sie in den Hals des Wesens geschlagen hatten und der eisern wirkende Kopf krachte zu Boden, das alles erbebte.
    Jainas Gesicht war zu einer Fratze verzerrt als sie mit einem mächtigen, kraftvollen und überirdischen Schrei das Schwert in den Kopf des Dämons trieb, und hervor schoss ein gleißender Strahl in den Himmel, der ganz Denerim erleuchtete und Jaina spürte die Essenz des Erzdämonen flackern und auf einmal vergehen. Sie trieb ihr Schwert noch tiefer in den Kopf des Biestes, sie konzentrierte sich nur darauf, ihre Erschöpfung bemerkte sie nicht einmal, hier war ihr Platz. Während der Strahl um ein Vielfaches anschwoll brach eine Druckwelle aus dem toten Erzdämon hervor, die alles auf und in Fort Drakon in die Luft schleuderte.

    „Jaina, Jaina!“ Sie spürte ein Rütteln an ihren Schultern und wie jemand drängend ihren Namen wiederholte. Dabei war sie so erschöpft. Sie hatte einen sooo langen Tag hinter sich. Er war voller Abenteuer gewesen, und am Ende hatte das Gute gesiegt. Das Gute siegte immer. Sonst wäre das Böse ja mächtiger als das Gute - vollkommen undenkbar.
    „Lasst mich mal, euer Ahnungslosigkeit“, diese Stimme kannte sie auch – irgendwoher. „Herzchen, Frühstück ist fertig und danach gibt’s eine schöne Massage.“ Oh, das klang verlockend. Sie konnte den Duft des gebratenen Specks tatsächlich riechen – wobei es weniger nach Speck roch als nach... Verwesung!
    Ruckartig setzte sich Jaina auf, die Augen weit aufgerissen ob ihrer Gefangenheit in ihren Gedanken. „Ich wusste, dass du darauf anspringen würdest, schöne Cousland. Natürlich komme ich meinem Versprechen nach – sobald wir mal von diesem verflixten Turm herunter sind...“
    „Turm?“ Jaina sah sich verwirrt um. Tatsächlich, sie saß auf einer Turmspitze. Und einige Meter von ihr entfernt lag ein totes Ungetüm. Die Erinnerungen kamen auf einen Schlag zurück. „Aber...“
    „Jaina, du hast es geschafft!“ Alistair hatte sich neben ihr auf die Knie fallen lassen und schloss sie ein seine Arme – und nach einem kurzen Besinnen drückte sich Jaina an ihn.
    „Geht es Euch gut, Herrin?“ Arl Eamon stand über den beiden und langsam löste sich Jaina von Alistair. „Ja, danke, Arl Eamon. Seit wann lag ich hier?“ „Noch nicht lange. Ihr habt großartig gehandelt. Ferelden steht tief in eurer Schuld. Aber nun kommt. Ihr müsst Euch ausruhen.“ Eamon reichte ihr galant einen Arm und sie zog sich daran hoch. Zu erschöpft war sie um zu bemerken, dass Eamon ihr einen merkwürdigen Blick zuwarf und auch einige andere Kämpfer auf sie deuteten und tuschelten.
    Sie konnte keinerlei Wunden an sich entdecken. Ohne einen Blick umherzuwerfen ging sie schnurstracks auf den toten Erzdämonen zu, der geschrumpft und verfallen schien. Man konnte die Umrisse des Körpers und der Gliedmaßen noch ausmachen.

    Eine kalte Sonne stand am Himmel und beleuchtete matt die bleigrauen Rüstungen der gefallenen Soldaten. Eine lähmende Stille hatte sich eingestellt, neben ihr nur die leblose Hülle des Drachen. War das ganze Wirklichkeit oder nur eine Illusion? Jetzt erst merkte Jaina: Sie hatten den Kampf gewonnen.
    Zevran trat neben sie.
    „Nun, das ist er also. Dämliches Biest.“ Jaina nickte stumm. „Hör mal, Zevran: Entschuldige. Ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Aber es war einfach unangemessen.“
    „Von dir oder von mir?“ Zevran grinste sie schalkhaft an. „Entschuldigung angenommen, werte Königin. Und auch ich gebe zu, dass ich nicht gerade voller Bedacht gehandelt habe. Dafür habe ich den nächsten Mörder von euch ferngehalten.“
    Jaina sah ihn fragend an. „Wie meinst du das?“
    Zevran zuckte die Achseln. „Taliesen wollte mich wieder mit zu den Krähen nehmen, nachdem wir euch getötet hätten. Ich hatte aber irgendwie das Gefühl, nach allem dir noch etwas schuldig zu sein.“ Jaina umarmte ihn freundschaftlich, ließ ihn jedoch schnell los und machte sich gemeinsam mit den anderen auf den Weg nach unten.

    Sie sah sich suchend um und konnte Morrigan nirgends entdecken. „Sie ist verschwunden.“ sagte eine Stimme an ihrem Ohr. Jaina schluckte und nickte, wandte sich dann endgültig dem düsteren Gang zu, in dem die Schatten warteten. Und doch fühlte es sich gut an. Sie ging wohin man sie leitete, unfähig selbst zu denken – und fiel bald in ein Bett, von dem sie nicht einmal wusste wo es stand.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (17.06.2011 um 00:46 Uhr)
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    35) Ein neuer König

    „Wruff! Wuff wuff!“ Eine warme Zunge leckte über Jainas Gesicht, die mühsam ihre Augen öffnete. „Was...?“ murmelte sie völlig verschlafen. Als Antwort hörte sie ein aufmunterndes Winseln neben sich. „Mhmm... Nur noch 5 Minuten.“ Jaina wickelte sich in die Decke und drehte sich auf die andere Seite.
    Jag legte den Kopf schief und betrachtete sie kurz, dann stellte er sich hinter sie, stemmt beiden Pfoten in ihren Rücken und begann sie vom Bett zu schieben. Verschlafen wie sie war, bemerkte Jaina das Vorhaben ihres Hundes nicht und rutschte aus dem Bett. Sie landete auf einem weichen Fellvorleger und konnte dennoch jeden Knochen im Leibe spüren. Ärgerlich wickelte sie sich aus der Decke, unablässlich grummelnd, während Jag sich auf dem Bett ausgebreitet hatte und sie – so erschien es ihr – anlachte.
    Endlich rappelte sie sich auf und erblickte am anderen Ende des Raumes auf einem Sofa eine Gestalt mit roten Haaren. „Leliana!“ rief Jaina und sprang zum Sofa und umarmte ihre Freundin, die gerade wach wurde.
    „Was, oh, Jaina...“ Leliana fand sich in einer innigen Umarmung wieder und Jaina setzte sich zu ihr ans Sofa.
    „Es geht dir gut? Ich war wie in einer Trance. Ich weiß nur noch wie ich neben dem toten Drachen stand. Wo sind die anderen? Wo sind wir hier? Wie geht es Alistair?“
    Leliana strich Jaina mit einer seltsam vertrauten Geste über die Wange. „Es geht allen gut“, sagte sie mit ihrer klaren, sanften Stimme. „Alistair und Zevran sind in einem anderen Raum. Wir sind in Arl Eamons Anwesen. Heute Nachmittag soll die Krönung von Alistair stattfinden. Und...“
    Jaina hatte erleichtert aufgeatmet. „Und Morrigan?“ fragte sie, ohne Leliana ausreden zu lassen. Die hob die Achseln in einer eleganten Bewegung. „Direkt nach dem Kampf verschwunden. Wieso hat sie das nur getan?“
    Jaina antwortete nicht. Morrigan hatte sie vorgewarnt. Nun hatte sie, was sie wollte.

    Sie kleidete sich an während sie mit Leliana plauderte. Die Frauen waren vollkommen erlöst und befreit ob der beendeten Verderbnis, eine regelrechte Spannung schien von ihnen abzufallen.

    Kaum dass Jaina alle Kleidungsstücke am Leib hatte, eilte sie zur Tür hinaus in das Gemach des Arls, der hinter seinem Schreibtisch saß und auf einem Pergament kritzelte.
    „Arl Eamon!“ Jaina blieb vor dem Tisch stehen und deutete eine Verbeugung an. „Wie ist es den Soldaten ergangen?“ Der Arl hatte den Kopf gehoben und ein freundliches Lächeln lag auf seinen Lippen. „Herrin, die Truppen hatten einige Verluste zu beklagen. Aber insgesamt sind wir wesentlich besser weggekommen, als irgendjemand gedacht hätte. Und das ist zum Teil Euch zu verdanken.“ Er erhob sich, ging um seinen Schreibtisch herum, sein fröhlicher Gesichtsausdruck hatte sich etwas verdüstert.
    „Allerdings ist auch Riordan...“ „Ich weiß“, Jaina senkte den Kopf. „Ich habe es gesehen. Also, nicht genau. Aber ich wusste, dass er es war. Er hat versucht den Dämon zu töten.“
    „Wir haben seine Leiche geborgen. Der König soll entscheiden, wie sein Kamerad begraben wird.“
    „Hm, der König schläft noch, nehme ich an. Ich werde ihn wecken.“ Jaina nickte dem Arl zu und wandte sich zur Tür. Vor Alistairs Raum angekommen lauschte sie kurz und als auf ihr Klopfen keine Antwort kam, öffnete sie vorsichtig die Tür.

    Der Raum sah genauso aus wie ihrer. Auf dem großen Bett lag Alistair in seinen Leinenshorts und mit einer zerknüllten Bettdecke. Von Zevran war keine Spur zu sehen.
    Die Sonne stieg den Himmel hinauf und warf sanftes gelbes Licht auf den baldigen König. Leichtfüßig schlich sich Jaina zum Bett und setzte sich im Schneidersitz darauf, den Blick immer auf ihren Verlobten gerichtet.
    Er wirkte ausgelaugt und doch völlig ruhig im Schlaf. Sein Atem ging flach und regelmäßig, sein durchtrainierter Brustkorb hob und senkte sich. Jainas Härchen an Armen und Nacken stellten sich auf, als Schauer der Leidenschaft sie überliefen. Sie konnte die Liebe zu Alistair durch ihren Körper fließen spüren, als wäre sie Teil ihres Blutes. Ohne zu zögern beugte sie sich nach vorne und küsste sanft Alistairs Mundwinkel, der verschlafen blinzelte und versuchte, sie durch müde Augen zu erkennen. „König der Murmeltiere. Geht es dir gut?“
    Alistair erkannte den Klang der Stimme und schien schlagartig vollkommen wach zu sein, schlug die Augen vollends auf und aus ihnen strahlte Freude. Ohne sich aufzurichten zog er Jaina an sich und sah ihr in die Augen. „Jetzt ja. Und dir? Du warst... Du hast den Dämonen getötet. Du hast es wirklich geschafft! Wir haben es geschafft, meine Liebe. Ich kann es kaum gauben. Ich hatte solche Angst dich zu verlieren“, murmelte er in ihr weiches, dunkles Haar. „Und dennoch bist du hier. Und ich auch.“
    „Und ich bin froh darum“,ließ Jaina seufzend vernehmen.
    Alistair nickte nachdenklich. „Anscheinend hat Morrigan die Wahrheit über das Ritual gesagt. Die Wächter als Orlais sind noch nicht hier, aber Riordan wird Fragen haben. Was soll ich ihm und den anderen sagen?“
    Jaina bemühte sich um neutralen Tonfall. „Sag ihnen sie haben sich geirrt. Aber...“
    „Man braucht nur einen Blutmagier um ein Dämonenbalg zu zeugen. Das behalten wir wirklich besser für uns. Ich werde einfach mit den Schultern zucken und dumm dreinblicken. Das kann ich gut.“ Alistairs treuherziger Tonfall machte Jainas Vorhaben noch schwerer.
    „Sag mir eins... warum hast du Zevran mitgenommen?“ Alistair strich sanft über Jainas Nase, die einigermaßen überrascht von der Frage war.
    Jaina zog sich von ihm zurück und winkte ab. „Ich habe ihn mitgenommen, weil er seine Treue bewiesen hat.“ Alistair sah sie schweigend an, aber seine Augen waren zusammengekniffen. „Er hat dich gerettet. Der Kampf am Wasser. Als ich fiel. In dem Moment, als du dich umgedreht hast, wurde ein Pfeil auf deinen Kopf abgeschossen. Zevran hat den Schützen aber eine Sekunde vorher getötet und der Pfeil flog knapp an uns vorbei. Ich...“ Jaina hielt inne und betrachtete Alistair Gesicht, das sich in Erstaunen verzogen hatte. Offensichtlich hatte er das im Kampfgetümmel nicht mitbekommen.
    „Ich wäre zu spät gekommen. Ich war zu langsam. Ohne ihn wärst du...“ Jainas Stimme war leiser geworden. „Denk was du willst, für mich ist seine Treue damit erwiesen. Ich verdanke ihm dein Leben. Das sollte dir klar sein.“
    Alistair hob die Hände. „Sehe ich so undankbar aus? Ich hätte nur nicht gedacht, dass der Elf noch mal die Seiten wechseln würde.“
    „Hat er nicht. Ein Freund von ihm, der auch bei den Krähen ist, hat ihn hier aufgespürt und versprach ihm einen Neuanfang wenn sie uns getötet hätten. Zevran lehnte ab. Das heißt in seinem Geschäft: Er brachte seinen Freund um. Er war also immer auf unserer Seite.“

    Alistair sah noch überraschter aus. „Du kannst dich darauf verlassen, dass ich ihm das nicht vergessen werde. Komm her, du...“ Er streckte die Arme nach ihr aus und sie kuschelte sich mit dem Kopf an seine Brust.
    „Alistair... Riordan ist... Riordan hat...“ Der Graue Wächter setzte sich langsam auf und hob Jainas Gesicht zu seinem. Jaina schüttelte geknickt den Kopf und Alistair ließ sie los. Traurig zog er die Knie unters Kinn und bettete seinen Kopf darauf. Er sah aus wie ein bestürztes, kleines Kind, und Jaina ging das Herz auf. „Sein Leichnam ist hier. Wir sollten ihn bestatten.“ Alistair nickte und stieg aus dem Bett. Ohne Jaina noch weiter zu würdigen kleidete er sich an und Jaina schlich sich gleich einem geprügelten Mabari aus dem Raum und ging in die Vorhalle, wo sie die Leiche vermutete.
    Tatsächlich standen um eine aufgebahrte Gestalt Eamon, Teagan, Zevran, Leliana und Jag.
    Leliana beendete gerade ein Gebet und fuhr dem gewaschenen Leichnam einmal über die Stirn.
    Jaina trat heran, Teagan machte ihr ehrerbietig Platz und sie sah auf das scheinbar schlafende, ausgeglichene und ruhige Gesicht mit den Bartstoppeln und den buschigen Augenbrauen. Selbst im Tod schien Riordan eine Ruhe auszustrahlen.
    Es war der dritte Wächter, den sie kennengelernt hatte. Er war ganz anders als Duncan gewesen. Weniger streng. Gutmütig und er hatte weiser gewirkt. Sie konnte sich Duncan und Riordan gut zusammen vorstellen. Vielleicht konnten die beiden ja jetzt miteinander reden...
    Sie legte ihm beide Hände auf die Brust und begann zu sprechen:
    „Und solltet ihr fallen, wisset, dass euer Opfer nicht vergessen werden wird.“ Zwei Hände legten sich auf ihre, und an ihrem Ohr hörte sie Alistairs Stimme, die mit ihrer den Satz beendete. „Und dass wir eines Tages zu euch kommen werden.“
    Gemeinsam mit Teagan nahm Alistair die Trage als Holz und sie gingen in den Garten hinter dem Anwesen, wo sie die Trage auf zwei gleich hohe Steinblöcke legten. Ein Diener brachte eine Fackel, die Jaina entgegennahm und über Riordans Kopf auf die Trage legte.

    Sie trat zurück und gemeinsam beobachtete die Gruppe, wie die hölzerner Trage und der Leib des Wächters langsam vom Feuer verschlungen wurde. Die Flammen leckten um Riordan herum und umfingen ihn wie ein schimmernder Schild, bis nur noch ein Häufchen Asche übrig war, das von den Steinquadern rieselte.

    Alistair hob den Kopf, den er die ganze Zeit über gesenkt gehabt hatte und ging auf Zevran zu.
    „Ich danke dir. Ich stehe in deiner Schuld. Ohne dich wäre mein Leben auch ohne den Erzdämonen zu Ende gewesen.“ „Aaah, Dankeshymnen. Die höre ich äußerst gerne, zumeist versprechen sie einen volleren Geldbeutel. Zumal ich meinem Arbeitgeber nun endgültig gekündigt habe und ich nicht mit weiteren Bezahlungen rechnen kann. Zu schade.“
    „Du wirst belohnt werden, Zevran. Das kann ich dir versprechen.“
    „Dann – äußerst gern geschehen, Euer Majestät.“ Anstatt missmutig dreinzuschauen nickte Alistair würdig mit dem Kopf, bot Jaina einen Arm, die ihn ergriff, und leitete sie in das Speisezimmer des Arls, wo allerlei gutes Essen auf dem Tisch stand. „Setzt Euch, meine Königin.“ „Habt Dank, mein Gemahl.“ Gekonnt knickste Jaina, ehe sie sich auf den zurechtgerückten Stuhl setzte und kicherte. „Ich bin ja gespannt wann dir das höfische Gehabe zu viel wird.“ Sie bediente sich an Brot und kaltem Braten und begann hungrig zu essen.
    Alistair hatte sich neben sie gesetzt, nachdem er ihnen beiden Wasser eingeschenkt hatte. „Eigentlich ist es mir schon zuwider. Ich kann es kaum erwarten mit dir völlig allein zu sein.“
    Jaina sah sich demonstrativ im menschenleeren Speisesaal um. „Nun, sind wir das nicht?“ Kokett sah sie ihn an und registrierte amüsiert, dass er wieder errötete.
    Im nächsten Moment betrat Eamon den Raum. „Eure Majestäten, das Langthing tagt in zwei Stunden. Wir sollten uns ankleiden lassen und uns auf den Weg machen.“
    Mit vollem Mund nickte Alistair und Jaina spürte einen etwas wehmütigen Blick auf sich.
    Sie beendeten ihr Mahl und zogen sich auf ihre Zimmer zurück. Leliana war dort und hatte wunderschönes, farbenfrohes Gewand angelegt. „Oh, Jaina, da bist du ja. Sieh mal, hier sind Kleider, das da müsste aus Orlais kommen, ...“ „Leliana – heute ist Alistairs Tag. Ich werde als Kämpferin gefeiert. Ich werde meine Rüstung tragen.“ Jaina griff danach – die Rüstung war sauber und glänzte ein wenig – und legte sie an. Leliana betrachtete sie von oben bis unten. „Meine liebe Jaina, du sähest hervorragend in einem Kleid aus. Aber selbst in dieser Rüstung bist du eine Augenweide.“ Jainas erfahrener Blick konnte eine Wölbung in Lelianas langem roten Rock ausmachen, der schwer nach unten zu hängen schien und damit vortäuschte, eine ungeschickte Trägerin zu haben. Die junge Cousland griff nach der Wölbung am Oberschenkel der Bardin und erstarrte. Leliana grinste süffisant. „Nach allem was Zevran mir erzählt hat, dachte ich, es wäre besser wenn ich nicht vollkommen unvorbereitet bin.“
    Jaina hob die Brauen. „Hast du noch mehr Waffen in deinen Gewändern versteckt?“ „Finde es doch raus...“ hauchte Leliana Jaina verführerisch zu und küsste sie auf die Wange.
    Verblüfft blieb die Wächterin stehen und sah den schlanken Hüften nach, die sich auf die Tür zu bewegten. Dann schüttelte sich lächelnd den Kopf. Es hatte den Anschein als hätte Leliana mit Zevran geredet. Sie würden Zeit brauchen um sich gegenseitig zu vertrauen, Jaina war sich dessen sicher. Aber die Veränderung bei Leliana war mehr als deutlich spürbar.

    Sie ließ die Waffen im Zimmer und begab sich vor das Anwesen, wo sie Zevran und Leliana tuscheln sah. Eamon und Teagan scherzten ebenfalls miteinander – es tat Jaina unglaublich gut, ihre Vertrauten in derart guter Stimmung zu sehen. Wenn sie nicht davon überzeugt gewesen wäre, dass es richtig war den Erzdämon zu töten – so wäre sie es jetzt gewesen.
    Von Alistair und ihrem Hund fehlte jede Spur.
    Teagan verneigte sich vor Jaina, als sie auf ihn zutrat. „Ehrenwerte Herrin, wir können aufbrechen.“ Damit bot er ihr einen Arm und Jaina verbarg ihren fragenden Gesichtsausdruck. Alistair war der König und der würde schon nicht vergessen werden. Und so wie sie ihren Hund kannte trieb der sich bei Alistair herum.

    Gemeinsam liefen die Gefährten mit den Adeligen durch Denerim. Vor nicht einmal zwei Tagen hatten hier blutige Kämpfe stattgefunden. Es waren immer noch Spuren zu sehen, schwarze, verkohlte Strohdächer, abgebrannte Holzhütten, Blutspuren auf dem sandigen Erboden, die mindestens von einem Oger stammen mussten. Aber es lagen keine Leichen herum und alle Menschen, die Jaina sehen konnte, waren mit Wiederaufbau beschäftigt. Sie kamen am großen Marktplatz vorbei, wo einiges los war, was an dem Schreier liegen konnte, der sich in der Mitte des Platzes auf eine Kiste gestellt hatte und etwas schwankte, wenn er nach unten sah. Voller Inbrunst schrie er, scheinbar in ganz Denerim hörbar: „Sorget Euch nicht, eine Verderbnis kann uns nichts anhaben – denn wir alle werden wiedergeboren werden, so wir den richtigen Glauben gefunden haben! Verzaget nicht, Eure Verwandten könnten Euch bald als ein Tier oder ein anderer Mensch wiederbegegnen! Zaudert nicht, sondern ergründet! Fragt und lernt! Löst die 64 Fragen des Seins und Rur wird Euch mit Wiedergeburt belohnen – auf dass ihr alles auf dem Weltendiskus erfahren möget!“
    Die kleine Gruppe war an ihm vorbeigegangen, Eamon und Teagan sahen sich stsirnrunzelnd an, Zevran lachte in sich hinein, während Leliana zwischen Kichern und Entsetzen schwankte. „Das ist eine Lästerung am Erbauer! Wie kann er das tun, ohne dass...“
    „Ehrenwerte Bardin, eine Verderbnis fordert oft nicht nur Todesopfer. Es gibt auch andere – die die den Verstand verlieren. Lasst ihn schreien. Entweder hört er bald auf – oder er wird tatsächlich des Verrats am Erbauer bezichtigt.“ Leliana erwiderte nichts auf Eamons Aussage.

    Die Kammern des Landthing wirkten unverändert. Unzählige Adelige hatten sich versammelt, Jaina kannte die allermeisten nicht. Sie begrüßte Bann Alfstanna vom Wachen Meer, deren Bruder sie aus Howes Kerker befreit hatte. Es herrschte eine angespannte Stimmung eine und Jaina begab sich nach vorne, in die ersten Reihen. Die Empore und auch der Rest der Kammern bis auf den breiten Durchgang, der mit einem roten Teppich ausgelegt war, wurden vollkommen ausgefüllt von allen Anwesenden. Jaina erinnerte sich, beim letzten Landthing waren es einige weniger gewesen.

    Zevran hatte sich ebenso wie Leliana in Schale geworfen, er trug ein weißes enganliegendes Hemd und darüber eine bunte Weste mit allerlei Stickereien darauf und unzähligen angedeuteten Taschen. Darin konnte man garantiert viele Wurfmesser verstecken, dachte Jaina. Eine weinrote Hose ergänzte Zevrans Aufzug, er wirkte tatsächlich seriös.

    Die Tore der Kammern schlugen weit hinter ihr mit einem Krachen auf. Durch die steinernen fensterförmigen Löcher fiel goldenes Licht. Jaina stand da und wagte kaum sich umzudrehen, Gemurmel erhob sich in den Kammern und auf dem steinernen Poest trat eine Priesterin in dessen Mitte. Die Spannung in Jaina stieg. Was würde sie wohl gleich sehen? Sie wusste, dass ihr künftiger Gemahl nun gekrönt werden würde und den Segen des Erbauers empfangen sollte. Und da war er, Alistair in einer wunderschönen goldenen Rüstung, der von Cailan so ähnlich, und ging gemessenen Schrittes auf das Podest zu, wo er auf der obersten Stufe niederkniete und sein Haupt beugte.

    In der Stille der Kammern betete die Priesterin hörbar und inbrünstig für Alistair.
    „Möge der Erbauer Eure Wege erhellen, und möget Ihr mit seinem Rat die dunklen Schatten vermeiden und umgehen. Möge unser Erbauer uns vor Kriegen bewahren – doch möget Ihr, mit seinem Rat, Kriege zu führen wissen. Ich segne Euch im Namen des Erbauers, Alistair Theirin – Euer Majestät.“ schloss sie den Segen ab.

    Alistair erhob sich langsam, wartete bis die Ehrwürdige Mutter sich vor ihm verneigt hatte und verbeugte sich seinerseits. Dann drehte er sich zu all den Adeligen und in diesem Moment explodierte die Stille in lautes Jubeln und Tönen.
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    Vorherige -> K1 #25 • Zweifel

    Tobias hatte mit Isilde ein Abkommen geschlossen, ihr von einer früheren Verletzung dann zu berichten, wenn er das Kettenhemd wieder tragen kann. So entwickelte sich die Geschichte weiter:

    K1 #26 • Broschen

    Die junge Frau schaute sich um zu Tobias und fragte: »Was ist mit Euch los? Was habt Ihr? Stimmst, es sind nicht nur die Blasen auf der Schulter, die brennen?« Tobias schaute sie etwas traurig mit seinem graublauen Augen an. Es schien, als ob er sich prüfe, was man sagen könne und was nicht. Doch Isilde wartete und blickte ihn aufmunternd an. Ob es der Blick war, die Gesamtsituation oder einfach sein Bestreben sich die Dinge von der Seele zu reden, es sprudelten Satz für Satz seine Sorgen heraus.

    »Wisst Ihr Isilde, eigentlich möchte ich Euch mit diesen Dingen nicht belasten,« begann der Mann. »Doch ich weiß aber auch nicht so recht, wo ich beginnen soll? Scheinbar will mich der Erbauer prüfen, obwohl es mir längst genug erschien, was ich erlebt habe.« »Ihr seid ein besonderer Charakter. Einen, den man nicht alle Tage trifft,« entgegnete die junge Frau, die sich doch zu ihm setzte. Dabei prüfte sie mit einem Blick den Sonnenstand. Sie wollte wissen ob überhaupt Zeit für ein ausgiebiges Gespräch war. Dann sprach sie weiter: »Ihr habt die Dinge bisher erstaunlich weggesteckt, könnt viele Dinge, habt ein umfangreiches Wissen und seit vom höheren Stand. Ich würde mich glücklich schätzen, könnte ich an Euer statt sein und die weite Welt sehen.« Bei dieser Antwort stutzte Tobias. Antwortete dann aber schnell: »So unterschiedlich ist die Welt. Ich habe mich immer nach Hause gewünscht, nach Südhang zu meinen Eltern. Doch ich war in Orlais. Ein Wort, das Farbe in Euer Gesicht und ein Funkeln in Eure schönen Augen bringt.« Isilde überhörte absichtlich das kleine Kompliment, fragte aber nach: »Warum blast Ihr nun Trübsal?« »Nein, nein!« reagierte Tobias. »Ich will hier nicht dem Verdruss einhergehen. Es ist vielleicht auch etwas zu viel, was die letzten Wochen geschehen ist. Die Überfahrt nach Amaranthine, dann die Suche nach einer Passage nach Südhang, die nicht preiswert war, dann der Überfall, auch die Informationen, dass die mir als Kind vertrauten Bryce Cousland, Rendon Howe tot seien.« Dann stockte er eine Weile und rieb sich dabei die verheilte Platzwunde am Kopf. »Oder nehmt meine verlorene Ausrüstung.« »Ihr meint Euren Schild mit der Weinbeere darauf?« wollte sie wissen und versuchte ihn abzulenken. »Oh, Ihr seid sehr aufmerksam und habt Euch dieses Detail gemerkt. Das ist sehr nett von Euch,« lobte Tobias die Frau. »Doch viel mehr vermisse ich meine Armschienen,« sagte er leiser Stimme. »Eure Armschienen? Die waren nicht am Platz des Überfalls,« versuchte sie aufzuklären. »Das wundert mich nicht, dafür sind sie viel zu wertvoll. Eigentlich sind es zwei emaillierte, mit einem Goldrand eingefasste Broschen.« »Was ist mit diesen Broschen?«, fragte Isilde nach. »Eine trägt das Wappen meines Hauses und die andere das der Couslands. Die Väter hatten diese Broschen in der Größe eines Sovereign zu Erinnerung an die überstandene Schlacht am Weißen Fluss für die Beteiligten anfertigen lassen. Ich habe als Kind damit gespielt,« dann hielt er inne und griff dankbar nach dem Glas Wasser. Nach einem großen Schluck wischte er sich mit dem Handrücken einen Tropfen aus dem Mundwinkel und erzählte weiter: »Ich habe als Junge davon geträumt, mal ein Held zu werden. So wie mein Vater eine große Schlacht zu schlagen. Deshalb hatte ich die Broschen immer bei mir.« »Auch als Ihr im Alter von 12 Jahren verschleppt wurdet?« fragte Isilde nach. »Ja, ja, dort auch,« antwortete Tobias. »Ich habe die Anstecknadeln gehütet. Es war mein einziges Andenken an zu Hause. Sie passten gut in eine Kinderhand und auch wenn einem die Tränen in den Augen standen, waren sie in den Fäusten bei mir. Auch wenn das endlose Drücken letztlich nur Schmerzen verursachte, aber es hat mir geholfen.« »Und wie kommen diese Broschen auf die Armschienen?« wollte die Frau wissen.

    [Bild: VR_Armschienen_li.png] [Bild: VR_Armschienen_re.png]»He, hehe!« lachte Tobias. »Ich wollte Euch von der Narbe erzählen, wenn ich das Kettenhemd tragen kann.« »Oh, das wusste ich ja nicht,« versuchte Isilde sich zu rechtfertigen. Doch die Frau gab nicht so schnell auf und bohrte weiter: »Können wir nicht zu den Armschienen weiterreden?« »Einverstanden,« antwortete Tobias mit einem Schmunzeln. Er merkte, wie das Reden über emaillierten Agraffen seine Seele entspannte. »In der Val Royeaux, der Hauptstadt von Orlais, habe ich mir Armschienen fertigen lassen. Sie sind innen mit gegerbtem Hirschleder und meinem Monogramm versehen. Außen wurde an den Fingern und dem Hand- und Oberarmbereich mit Silberit verstärktes, speziell gehärtetes Leder verarbeitet. Es ist eine sehr schützende, jedoch tragbare und handliche Arbeit eines Rüstungsmachers. Und auf den Handrücken, da habe ich auf der Heimfahrt die Broschen getragen. All die Jahre waren sie bei mir und jetzt, welch ein Verlust,« seufzte er. »Ich verstehe Euch nicht,« sagte Isilde in dem Tonfall, wie ihn sonst nur Magaritt zu sprechen pflegte.

    Es zeigte auch seine Wirkung, denn er schaute sie sehr überrascht an. »Ihr lebt, seid wenige Wochen von Eurem Zuhause entfernt, Ihr befindet Euch in Ferelden, lebt in Freiheit – was trauert Ihr da den Broschen nach? Sicherlich, der Verlust ist schmerzhaft, doch besinnt Euch, auf Eure Stärken, Euer Wissen, zeigt Tatkraft.« Dann holte sie Luft und sagte noch: »So, das musste ich jetzt mal sagen!«

    Er schwieg eine Weile. Aber seine Körperhaltung war die alte, die der letzten Tage. Er saß aufrecht und als die Sonne um den großen Schornstein auf sein rosenblondes Haar schien, raffte er sich mit den Worten auf: »Kommt! Wir sollten ins Haus gehen. Ich danke Euch, dass ich mir mal ein paar Dinge von der Seele reden konnte. Auch dafür, dass Ihr mir so gut zuhört und ich werde Eure Worte achten.«

    Nächste -> K1 #27 • Blessuren
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  19. #99 Zitieren
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    Vorherige -> K1 #26 • Broschen

    Tobias hatte Isilde ein wenig in seine Seele schauen lassen und ihr von zwei emaillierten Broschen erzählt. So entwickelte sich die Geschichte weiter:

    K1 #27 • Blessuren

    Die Sonne hatte Isilde und Tobias die Zeit offenbart. Sie beendeten das Gespräch und gingen ins Haus. Für den Nachmittag gab es für die Frauen reichlich Arbeit, bei der diese keine Männerhände dabei haben wollten. So kam es, dass Tobias den Nachmittag für sich hatte. Etwas ratlos, was er nun mit seiner Zeit anfangen sollte, stellte er fest, wie sehr er sich an den Umgang mit den beiden Frauen gewöhnt hatte. Es war überhaupt seit langer Dauer, dass er sich zu jemandem hingezogen fühlte. Sicher hatte er in Orlais Freunde gehabt, doch das war in der Fremde. Denn in seinem Innersten wollte er heim. Deshalb betrachtete er unbewusst die dortigen Freunde als eine Hilfe, die ihm die Jahre bis zur Heimreise verkürzen halfen. Auch hatte der eine oder andere ihm in der Not beigestanden, ob mit Rat oder mit einer beherzten Tat, doch so wie hier war es nie. Nun hatte er seine Freiheit, wollte aber nicht allein zum Weiher gehen und sich die Seerosen ansehen. Auch ein Laufen durch den Stangenparkour, zu dem er sein Kettenhemd wegen der brennenden Schulter nicht tragen konnte, reizte ihn nicht. Das Stilett war scharf geschliffen. Er hatte vergessen Magaritt zu fragen, ob er nun nach dem Hinweis von Isilde auch alle übrigen Messer im Hause schärfen sollte. Darüber ärgerte sich der Mann, als es ihm einfiel. Doch ins Haus zurück wollte er nicht. Denn die Frauen hatten ihn nicht ohne Grund vor die Tür geschickt und er wollte nicht noch einmal hineingehen. Vielleicht war es auch sein Stolz, es nicht zu tun. Aber er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit Magaritt danach zu fragen. Und weil ihm nichts Besseres in den Sinn kam, beschloss er nach Klecks zu suchen. So rief er seinen Mabari: »Klecks!« Doch nichts passierte. Also rief er nochmals: »Klecks! Komm!« Immer noch nichts von dem Kriegshund zu sehen oder zu hören. Er überlegte, wo der Hund sich seine Lieblingsstellen ausgesucht hatte. Am Tisch vor dem Haus und beim Wassertrog aus rotem Sandstein war er jedenfalls nicht. So begab sich Tobias zur Rückseite des Hauses, wo er das Holz bis auf die Eichenäste für den Winter gespalten hatte. Diesmal, beim dritten Ruf, brüllte er mit starkem Laut: »Klecks! … Wo steckst Du?« Dieser Ruf verhallte nicht ungehört. Bei den sonst herumzwitschernden Vögeln trat aufgrund des Lärms kurz eine Pause ein. Aber sonst passierte nichts. Kein Mabari kam angewetzt. »Merkwürdig?« stellte Tobias fest.

    Nach einer Weile, er ging immer noch in Richtung des Holzplatzes, vernahm er ein Winseln. Laute, wie sie eigentlich junge Hunde von sich geben. Fast konnte man es als ein Fiepen statt anderer Laute bezeichnen. Dann war Tobias am Hackklotz. Die alte Axt steckte noch darin. So wie er den Platz vor Tagen verlassen hatte, fand er diesen vor. Auch die Scheite waren an der Wand aufgeschichtet. Er hatte nach jeweils zwei oder drei Lagen an Holzscheiten einige an den Rändern parallel zur Hauswand, die in diesem Bereich aus einem Feldsteinmauerwerk bestand, gelegt. So hatte die Wand aus Holz einen guten inneren Zusammenhalt bekommen. »Mmmmh, Mmmmh!« hörte Tobias das Fiepen jetzt lauter und schaute hinter den Stapel aus Holz. Ganz in der Ecke, im Schatten lag sein Mabari und schaute zu ihm hoch. Tobias erschrak, als er dessen angeschwollenen Kopf sah. Eine Frage bohrte sich in seinen Kopf und er sprach sie laut aus: »Alter! Was hat Dich denn erwischt?« Also ging er in die Hocke, denn der Hund wollte sich nicht aufrichten. Weil er aber in der Ecke nichts ausrichten konnte und er den Hund untersuchen wollte, sagte er zu dem Mabari: »Klecks! Ich hole Dich jetzt hier raus. Hilf mit, wenn Du kannst.«

    Nach den Worten bückte er sich, griff mit seinen Händen um den Bauch des Tieres, welches versuchte aufzustehen. Das geschah sehr langsam. Doch dann stand der Hund und der Mann packte zu. Mit den Worten »Klecks, ach Klecks, was machst Du für Sachen?« trug er ihn aus der Ecke. Er schaffte das schwere, muskulöse Tier aber nur wenige Meter weit zu tragen. Zumal ihm dabei die gerade zu heilende Haut, die von der Salbe überdeckt war, an einigen Stellen aufriss. Er nahm sich zusammen und schleppte den Hund ins Sonnenlicht. Er fragte, als er den Mabari ablegen wollte, besorgt: »Man, lasse Dich anschauen. Klecks, was ist nur mit Dir?« Wie er das sagte, hörte er hinter sich: »Was hat er denn?« Diese Frage jagte ihm einen gehörigen Schrecken ein. Er hatte niemanden Kommen hören. »Früher wäre mir so etwas nicht passiert,« schoss es ihm durch den Kopf und in seiner Überraschung lies er den Hund etwas unsanft fallen. Dieser wimmerte erneut.

    Tobias hatte sich indessen in die Richtung umgedreht, aus der die Frage kam. »Magaritt! Wie kommt Ihr den hierher?« »Was für eine Frage!« antwortete die ältere Frau. »Ihr habt so über den Hof geschrien, besser gebrüllt, das mir fast einen von den Tellern aus der Hand gefallen ist. Was hat der Hund?« fragte sie noch einmal. »Ich habe es auch noch nicht feststellen können. Er hatte sich nur verkrochen, nicht auf Kommando geantwortet,« erklärte Tobias sein Wissen in kurzen Sätzen. »Dann lasst mich mal schauen,« sagte Magaritt und schob den verdutzt dreinschauenden Mann etwas zur Seite. Die Frau bückte sich und untersuchte den Hund.

    »Beim Erbauer! Wo hast Du denn diese Schwellung am Auge her?« »Ist es schlimm« unterbrach Tobias besorgt die Frau. Doch die achtete nicht auf die Frage. »Und was für eine. Sie deckt fasst die gesamte Gesichtshälfte ab. Das Auge ist überhaupt nicht mehr zu sehen. Aber ich kann am Fell keine Verletzung sehen,« erklärte die ältere Frau und fuhr zur Sicherheit das Haarkleid des Tieres mit ihrer Hand ab. Der Hund verfiel dabei erneut in ein Winseln und versuchte den Kopf wegzudrehen. Tobias, der bei den Lauten den Schmerz seines Mabari mitfühlen konnte, begab sich in die Hocke und erschrak erneut, als er den Kopf des Tieres aus der Nähe sehen konnte. Magaritt jedoch wies ihn an: »Gehe ins Haus, zur Tochter. Sie soll Dir den Beutel vom Alraunenwurz mitgeben.« Als Tobias sich erhob, verbesserte sie sich: »Sie kann auch gleich herkommen und eine Pinzette mitbringen.« »Was wollt Ihr mit einer Pinzette?« wollte der Mann wissen. Doch statt einer Erklärung sagte die grauhaarige Frau: »Schwatzt nicht, eilt Euch!« Und so tat Tobias, wie ihm aufgetragen und eilte ins Haus.

    Nächste -> K1 #28 • Behandlung
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    Tobias hatte seinen Mabari-Kriegshund in einem bedauernswerten Zustand vorgefunden. Magaritt war dazugekommen und untersuchte das Tier. So entwickelte sich die Geschichte weiter:

    K1 #28 • Behandlung

    Tobias war ins Haus gegangen. Er sollte neben medizinischem Werkzeug auch einen Trank vom Alraunenwurz mitbringen. In Begleitung von Isilde kam er schließlich zurück. Diese hatte ein kleines Lederbündel dabei. Aber zuerst reichte die jüngere Frau Magaritt den Trinkschlauch. Sie nahm diesen und öffnete den Verschluss. Dann gab die ältere Frau dem Mabari einen kleinen Schluck daraus. Anschließend sagte diese zu Tobias, der während der Ereignisse geschwiegen hatte: »Der Hund hat jetzt von dem gleichen Saft getrunken, wie Ihr damals, als wir Euch bei der Karawane gefunden haben. Die Alraune kann bei sachgerechter Anwendung für einen Trank verwendet werden, der zu einem tiefen Schlaf führt. Dabei empfindet der Schlafende keinen Schmerz.« Tobias nickte wie abwesend. Er war sehr besorgt um seinen Klecks und wollte jetzt mit all den Fragen, die er hatte, die Behandlung nicht aufhalten. Es dauerte eine Weile, bis der Mabari fest eingeschlafen war. Indessen rollte die Tochter das Lederbündel auf, nach dem diese einige Schnüre, die das kleine Knäuel zusammenhielten, geöffnet hatte. Das Lederpacklein entpuppte sich als Tasche mit vielen genähten Fächern, in denen diverse medizinische Werkzeuge steckten. Tobias erkannte Pinzette, aber auch Spatel und Skalpell und dachte für sich: »Was man bei den Frauen alles antrifft? Hier mitten im Wald?

    Sein Grübeln wurde von Magaritt unterbrochen, die ihn anwies: »Könntet Ihr den Kopf halten? Ich möchte mal das Maul des Tieres öffnen. Denn mir scheint, die Schwellung kommt von innen. Deshalb will ich den Fang öffnen.« »Ein Ansetzen von Blutegeln, um die Wölbung zu mindern, willst Du nicht versuchen?« fragte die Tochter. Tobias überraschte der Vorschlag. Er wäre nicht im geringsten auf solch eine Idee gekommen, aber er fand den Vorschlag gut und war auf die Antwort gespannt. »Nein, das kann man zwar tun, wird in dem Fall nicht die Ursache beseitigen. Es ist kein Abszess,« erklärte Magaritt. Weiter sagte die ältere Frau: »Ich hoffe nicht, dass wir einen Zahn entfernen müssen. Denn es sieht wie eine Wurzelvereiterung im Oberkiefer aus. Doch wir werden es gleich sehen,« äußerte sie und öffnete das Maul des Mabari. Alle erblickten das Gebiss des Kampfhundes, sahen seine starken Fangzähne und die Zunge hing etwas schlaff zu Seite. Behutsam fuhr Magaritt mit einem Finger über das äußere Zahnfleisch. »Keine Schwellung, auch keine Anzeichen von Eiter. Merkwürdig!«

    Nach einer Weile des Suchens frohlockte sie, nach dem sie mit dem Finger weiter im Inneren der oberen Zähne vorsichtig tastend die Untersuchung fortführte: »Ich habe die Ursache. Ein Holzsplitter steckt innen in einem Zahnzwischenraum und hat den Gaumen verletzt.« Isilde wusste, was kommen würde und reichte ihrer Mutter die Pinzette: »Hier!« sagte sie nur. Magaritt lächelte, sagte aber mehr zu Tobias: »Einen Moment. Wir sollten das Tier auf den Rücken drehen, sonst kommt man schlecht an die Stelle. Achtet auf seine Zunge!« So drehten sie den Kampfhund auf den Rücken. Magaritt zog den Holzsplitter aus dem Maul des Tieres. Als die ältere Frau beginnen wollte zu sprechen, hielt ihr Isilde ein Leinentuch entgegen und tröpfelte aus einer Phiole einige Tropfen auf den Stoff. Der Duft, der dabei verströmte, wies auf reinen Alkohol hin. »Danke,« sagte Magaritt und betupfte damit die wunde Stelle im Maul des Hundes. Und ein leichtes Zittern, welches durch den Körper des Tieres verlief, zeigte den Dreien, dass eine Wurzel des Schmerzes beseitigt worden war. »Habt Dank,« sagte Tobias und legte den Kopf seines Hundes nach unten und streichelte sein Tier. »Wann wird er wieder aufwachen?« wollte er wissen. »Noch vor dem Abend,« erklärte Magaritt und fügte an: »Es sollte jemand bei ihm bleiben.« Ohne weitere Worte stand sie auf, nahm die Utensilien auf und wollte zum Anwesen zurück. Da rief Isilde erschrocken, als sie Tobias Rücken sah: »Herrje, wie seht Ihr den aus?« Dabei zeigte sie auf die Schultern des Mannes, der immer noch bei seinem Hund kniete. »Es ging nicht anders. Ich musste ihn aus der Ecke holen,« entschuldigte sich Tobias und spürte, nach dem seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf Klecks gerichtet war, ein Brennen auf seinen Schultern.

    »Versorge ihn und dann komm. Wir haben zu tun,« sagte Magaritt und ging zum Haus. »Mache ich,« antwortete Isilde und begann vorsichtig die Schultern des Mannes zu behandeln.

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