Seite 3 von 18 « Erste 12345671014 ... Letzte »
Ergebnis 41 bis 60 von 348
  1. #41 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    9) Der Weg nach Redcliffe

    Jaina fühlte sich wie in einem Traum. Aber sie stand noch in der Taverne. Die meisten Gäste hatten sich wieder ihren Gesprächen oder Getränken zugewandt. Sie sah sich nach ihren Kameraden um. Morrigan stand da, mit dem gleichen, neutralen Gesichtsausdruck wie immer, der alles heißen konnte. Jag schnüffelte an der Türritze zur Küche und versuchte ein Loch durch die Holzplanken zu graben. Sonderlich weit kam er nicht, da Alistair schon auf dem Weg zu ihm war, sich zu ihm bückte und ihn streichelte, dabei leise mit ihm redete. Jaina konnte nicht hören, was er sagte. Jag blickte hechelnd auf Alistar und dann auf sie. Als er bemerkte dass Jaina ihn ansah, bellte er auf und sprang quer durch den Raum auf sie zu. Sie nutzte die Gelegenheit und ging Richtung Tür und hielt sie für ihren Hund und die anderen beiden auf. Draußen streichelte sie den Mabari und flüsterte ihm zu „Was hat Alistair dir gesagt, hm?“ Als Antwort schleckte Jag ihr über das ganze Gesicht. Jaina kam ein Gedanke. Sie richtete sich auf und sah Alistair an, der sie leicht lächeln beobachtet hatte und rief ihm zu: „Danke Euch Alistair, Jag hat Eure... Nachricht überbracht. Das nächste Mal könnt ihr das aber gerne selbst machen!“
    Von einer Sekunde zur nächsten wurde Alistair roter als eine überreife Tomate. Er stammelte etwas von „frecher Köter“ und ging voraus in Richtung Dorfausgang. Bei Jaina dagegen war der Knoten geplatzt. Sie setzte sich in das Gras vor Lothering, unweit der Taverne und lachte bis sie drohte keine Luft mehr zu bekommen. Jag war schon wieder damit beschäftigt, Mäuse zu verfolgen. Morrigan war noch zu einem Händler gegangen um sich mit irgendetwas für ihre magischen Tränke auszurüsten. Alistair stand ungeduldig neben Jaina, die vor Lachen fast umkippte.
    „Ich bin ja froh, dass es Euch so gut geht, aber wollen wir vielleicht mal weiter?!“ Jaina holte ein paar Mal tief Luft und versuchte ernst zu werden, was ihr nach einigen Versuchen auch gelang. Sie hob die linke Hand und klopfte neben sich ins Gras, sah dabei Alistair an. Der runzelte die Brauen, setzte sich dann aber neben sie, offensichtlich immer noch nicht vollkommen zufrieden.
    „Ich wollte mich nicht über Euch – hm, doch wollte ich. Aber ich meine es nicht böse.“ Jaina sah Alistair so an, wie sie ihren Bruder immer angesehen hatte, wenn sie etwas falsch gemacht hatte und er sie zurechtgewiesen hatte. Sie hatte eine sehr direkte Art, aber manche Sachen konnte man ihr einfach nicht übelnehmen. Alistairs Stirnrunzeln ließ nicht nach.
    „Also schön, Ihr mögt es nicht verspottet zu werden. Und Ihr denkt sicherlich, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Witzeleien ist. Das ist alles schön und gut, aber Ihr solltet bedenken, dass wir alle mitten in einem Krieg sind. Vielleicht noch schlimmer. Und ich werde deswegen nicht meinen Humor verlieren. Und Ihr... solltet das auch nicht.“ Jaina beugte sich zu Alistair. „Wisst Ihr noch, das letzte Mal am Feuer mit Duncan?“ Jetzt veränderten sich Alistairs Gesichtszüge... zuerst Erinnern und dann für einen Augenblick unermessliche Trauer. Seine Gesichtszüge wurden wieder normal. Er schluckte und erwiderte: „Ich komme damit einfach noch nicht klar. Nehmt es mir bitte nicht übel. Mit allem hatte ich gerechnet, aber damit...“ Er stockte als er Morrigan auf sie zulaufen sah.
    In Windeseile erhob er sich aus dem Gras und Jaina tat es ihm nach.
    Morrigan hatte den Blick auf Alistair gewandt und leichter Spott zeichnete sich darin ab. Dann wandte sie sich an Jaina: „Wenn es nach mir geht, ich bin so weit. Es sei denn Ihr wünscht dort vorne einen Käfig mit einem Riesen darin zu begutachten.“
    Das Wort Riese löste in Jaina eine ganz unangenehme Erinnerung aus. „Ein Riese – nein danke. Der ist sicher groß und stark und kann sich selbst helfen. Also auf nach Redcliffe.“ Während Jaina mit Morrigan beschäftigt gewesen war hatte Alistair sich abgewandt und war einige Schritte vorausgelaufen. Als Jaina zu ihm aufholte, Morrigan im Schlepptau, richtete er sich auf und nestelte etwas an seinem Gürtel.

    Jag rannte voraus über grasbewachsene leichte Hügel, in nicht einmal 200 Schritt Entfernung konnten sie den Hochweg schon wieder sehen.
    Und vor dem Hochweg stand eine bekannte Person. Leliana, die Ordensschwester. „Hallo noch mal! Also, werdet Ihr mich mitkommen lassen?“
    Die ist fast so hartnäckig wie ich, dachte Jaina. „Nicht Ihr schon wieder!“ „Ich werde ehrlich zu Euch sein: Als ich von der Dunklen Brut hörte, fühlte den Drang, mein Leben im Kloster hinter mir zu lassen und etwas dagegen zu tun. Irgendetwas. Und dann ist da die Vision. Es kann kein Zufall sein, dass Ihr hier auftaucht, so kurz nachdem der Erbauer mich gerufen hat.“

    Alistair wandte ein: „Ihre Bitte scheint ernst gemeint zu sein. Sie ist eine fähige Kämpferin, wenngleich sie etwas... seltsam ist. Ich stimme dafür, sie mitzunehmen.“
    „Alistair, auf sie warten ein Erzdämon und eine Verderbnis!“ „Ja, aber sie ist mehr der Typ 'Ohh, so schön bunt!' als 'Muhaha, ich bin Prinzessin Klingenstich! Töten, töten, töten!'“
    Jaina lachte auf und willigte ein. „Also gut, wenn Ihr meint.“ Leliana strahlte sie freudig an. „Danke! Ich werde Euch nicht enttäuschen, versprochen.“

    Gemeinsam machten sie sich auf den Weg Richtung Redcliffe. Leliana stellte sich Morrigan wortreich und überaus glücklich vor, sie ignorierte Morrigans abweisende Art und konterte ihre Kommentare sehr schlagfertig. Jaina war beeindruckt. Sie hatte sie wirklich unterschätzt. Sie reisten weiter bis zum Abend, sie kamen durch einen Wald und an einem der Ausläufer des Waldes schlugen sie ihr Lager auf. Morrigan machte sich ihr eigenes Feuer abseits der Gruppe und blieb auch dort. Alistair und Jaina bauten zusammen die drei Zelte auf während Leliana das Feuer entzündete und anfachte, einen Topf mit Wasser holte und diesen erhitzte.

    Sie kochte irgendeinen Eintopf mit Gemüse und dazu gab es ein paar Brocken Brot. Es war nichts gegen das Essen daheim auf Schloss Cousland, aber Jaina störte es nicht. Der Gedanke an ihre Eltern bedrückte sie noch immer – natürlich. Aber sie begann sich freier zu fühlen.

    Ungefähr so waren auch ihre Abenteuer mit Fergus und Gilmore verlaufen, wenn sie als Jugendliche draußen jagen waren und nachts zelteten. Sie fühlte sich wie in der Zeit zurückversetzt, sah schon fast ihren Bruder neben sich, wie er mit Gilmore scherzte und sie lehnte sich an ihn und genoss die Sterne über ihr und den aufgehenden Mond...

    Schlagartig begriff was ihr beinahe passiert wäre – gefangen in ihren Träumereien hatte sie sich nach rechts lehnen wollen – wo Alistair saß. Sie schaffte es gerade noch die seltsame Bewegung so aussehen zu lassen als wolle sie Jag ein Stück Brot zuwerfen. Der fing es geschickt auf und bellte dankbar. Als Jaina sich wieder richtig hinsetzte blickte sie Alistair prüfend aber unauffällig an. Entweder hatte er ihre Bewegung nicht bemerkt oder er hatte schnell geschaltet.
    Sie unterhielten sich mit Leliana, die ihnen erzählte, dass sie früher eine Bardin in Orlais gewesen sei. Sie stellte das Ganze unter Beweis indem sie ihnen eine alte Legende über die Sterne erzählte, die funkelnd am Himmel standen. Jaina lehnte sich zurück auf ein paar Decken. Sie lauschte Lelianas sanfter Stimme, in der ein unüberhörbarer orlaisianischer Akzent mitschwang, aber er passte wunderbar zu ihr und sie wollte ihn nicht missen. Ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrer Familie und einige Bilder schwebten durch ihren Kopf – Fergus, als er sich von Oriana und seinem Sohn Oren verabschiedet hatte, ihr Vater, wie er sie lächelnd verabschiedet hatte. Die entscheidende Nacht, als Jag bellend vor ihrer Tür hin und hergesprungen war und die Angreifer gewittert hatte. Und ihr Vater, in einer Blutlache in der Vorratskammer, seine Gemahlin neben ihm knieend und ihre Anordnung, dass Jaina ihre Eltern zurücklassen sollte.
    Sie konnte nicht anders, und obwohl sie sich keine Blöße geben wollte wurden ihre Augen wässrig. Sie schloss und öffnete sie wieder, den Blick gen Himmel gerichtet. Doch es half nichts. Eine Träne fand den Weg ins Freie und glitzerte verräterisch unterhalb ihres Auges. Schnell drehte sich Jaina auf die Seite als sie etwas Warmes über sich spürte. Etwas fuhr ihr sanft über die Schulter, wie um sie nicht zu erschrecken. Die Tränen hatten Jainas Geruchssinn temporär so gut wie abgestellt und das Atmen fiel ihr schwer. Jetzt war es ohnehin gleichgültig, war auch immer da über ihr stand wusste es sowieso. Sie schniefte herzhaft. Und hörte ihm gleichen Moment über ihr ein lautes Winseln – das ihr Schniefen übertönte. Einige Speichelfäden tropften auf ihr Gesicht und ihr Mabari legte sich halb auf ihr nieder und hechelte ihr ins Gesicht.
    Jainas Geruchssinn war zurückgekehrt und sie ärgerte sich über sich selbst, dass sie ihren Hund mit Alista...mit irgendjemandem der über ihr gebeugt war verwechselt hatte. Aber sie war dankbar, dass Jag ihr die peinliche Situation so abgenommen hatte. Leliana sah aufmerksam zu Hund und Herrin und fragte ob alles in Ordnung sei. Jaina brachte ein Lächeln zustande. „Nichts weiter, Jag hat mich nur mal wieder vollgesabbert...“
    Beruhigt sah Leliana wieder zu Alistair und führte ihre Diskussion über die Kirche fort, wobei Alistair nicht gerade der begeisterte Diskussionspartner war. Er schien mit den Gedanken woanders zu sein. Kein Wunder, überlegte sich Jaina, wir haben die letzten Tage genug erlebt.
    „Leliana, ich würde sagen, es ist Zeit für uns, schlafen zu gehen. Alistair und ich hatten wenig Schlaf in den letzten paar Tagen, und wir sollten morgen früh weiterziehen.“ Bestimmt erhob sich Jaina und ordnete ihre Decken neu – die Nacht war zu schön, als dass sie sie im stickigen Zelt verbringen wollte. Leliana lächelte die beiden Wächter noch einmal an und zog sich in ihr Zelt zurück.
    Alistair hatte seine Decken unweit des Feuers platziert und war gerade dabei, sie bequemer hinzuschieben. Jaina hatte sich hingelegt und drehte sich so, dass sie ihn ansehen konnte und sah ihn interessiert an. „Also, wie seid ihr ein Grauer Wächter geworden?“
    „So wie Ihr. Etwas Blut trinken, husten und den Kelch weitergeben. Ihr habt das doch noch nicht vergessen.“ Jaina lächelte müde. „Nunja, vorher war ich in der Kirche. Ich wurde viele Jahre lang zum Templer ausgebildet. Daher habe ich auch die meisten meiner Fähigkeiten. Es war nicht leicht. Vielleicht habt ihr es bemerkt, aber ich bin nicht so der religiöse Typ.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung Lelianas Zelt. „Ich hatte Glück. Die Klerikerin wollte mich nicht gehen lassen. Duncan musste das Konskriptionsrecht anwenden und, Himmel, war sie wütend.“
    „Warum wollte sie Euch nicht gehen lassen?“
    „Das habe ich mich auch mehrfach gefragt. Aber ich weiß es nicht. Ich werde Duncan immer dankbar dafür sein. Wäre er nicht gewesen, hätte ich nie... wäre ich nie...“ Alistair verstummte. Jaina fühlte sich unwohl, nicht weil sie Alistair in eine solche Situation gebracht hatte, sondern weil sie verstand wie er sich fühlte – ihr ging es keinen Deut besser. „Es tut mir Leid“ sagte sie leise, fast unhörbar. Langsam ließ sie sich auf den Rücken fallen. Müdigkeit überkam sie so schnell wie selten zuvor. Sie spürte noch wie ihr Mabari ihre Füße wärmte und dann war sie eingeschlafen.


    Sie sah Felsen von oben. Ein Gewirr aus Plattformen und Stegen, die nicht begehbar schienen. Weit darunter zog sich zäh und klebrig ein Fluss Lava. Das knallende Orange verlieh den grauen Felsen ein giftiges Grün. Es blubberte und platschte, zischte und dampfte. Kleine Lavaspritzer schossen gen Himmel und wurden von Felsen aufgehalten. Die Hitze war deutlich sichtbar, das ganze Bild schien zu flimmern. Ihr Blick wandte sich nach oben, auf eine riesenhafte Brücke. Lavaspritzer flogen bis unter ihren Rand und ein ohrenbetäubendes Gebrüll ertönte. Auf der Brücke saß ein Drache, riesengroß, mit ausgestreckten Flügeln und aufgerichtet, geifernd und fauchend. Der Drache schien die Stimmung der Lava aufzufangen und jedes Geräusch verursachte schon fast Schmerz. Der Drache legte die Flügel für einen kurzen Moment an, nur um sie im nächsten Moment wieder weit zu öffnen und senkte den stachelbewährten und kantigen Kopf. Ein langer Feuerschwall brach sich Bahn als der Drache erneut aufbrüllte und dabei alle Luft seiner Lungen dazu verwendete, das Feuer auszustoßen. Die Flammen leckten nach unten in Richtung Lava, und die Lava schien sich nach oben gen Feuer zu strecken.

    Jaina wälzte sich auf ihrem Lager und richtete sich keuchend auf. Sie war schweißnass. Diesen Drachen hatte sie schon einmal gesehen.Am Feuer saß Alistair, in voller Rüstung. „Schlecht geträumt, hm?“ Jaina nickte. „Alles wirkte so echt.“ Alistair erklärte ihr:“Wisst Ihr, ein Grauer Wächter kann die Dunkle Brut hören. Das war euer Traum. Ihr habt sie gehört. Der Erzdämon spricht mit der Horde – und wir spüren das auch. Deshalb wissen wir auch, dass es eine Verderbnis ist. Es dauert eine Weile, aber irgendwann könnt ihr sie verdrängen. Einige der älteren Grauen Wächter meinten, sie könnten sogar Teile dessen verstehen was der Erzdämon sagt. Ich kann das nicht. Als ich hörte wie Ihr euch herumwälzt, dachte ich, ich sollte es Euch sagen. Für mich war es anfangs auch furchterregend.“
    Jaina sah ihn dankbar an. „Danke. Ich weiß es zu schätzen.“
    „Dafür bin ich da – für schlechte Neuigkeiten und geistreiche Kommentare. Nun, da Ihr ohnehin wach seid könnten wir auch gleich weiterziehen, oder?“
    Er erhob sich vom Feuer. Jaina sah gen Himmel und schätzte, dass es nicht mehr lange bis Sonnenaufgang dauern würde. Sie packten alle Sachen zusammen, nahmen ein kurzes Frühstück zu sich und machten sich wieder auf den Weg in Richtung Redcliffe. Alistair schätzte, dass es nicht länger als ein paar Stunden dauern sollte.

    Die Landschaft hatte sich längst gewandelt. Es war nichts mehr von feuchtem, sumpfigen Gebiet zu sehen und auch das Flachland wurde zusehends weniger. Stattdessen ragten bewachsene Berge in die Höhe, ausgestampfte Pfade führten hindurch und bildeten einen Weg nach unten. Hier und da gab es grasbewachsene Flächen und einige Bäume und Sträucher. Trotz der scheinbaren Leere wirkte alles friedlich und vor allem warm.
    Sie stiegen einen letzten Erdhügel hinab und fanden sich auf einer kleinen Naturterrasse wieder, die an ihrem Ende einen wunderschönen Ausblick über Redcliffe bot.
    [Bild: Screenshot20110416114419687.jpg]
    Jaina wollte schon darauf zugehen, als Alistair sich ihr in den Weg stellte. Er sah nicht gerade glücklich aus.
    „Könnten wir uns kurz unterhalten? Ich muss Euch etwas erzählen was ich Euch...ähm... schon früher hätte sagen sollen.“
    „Was habt Ihr denn?“
    „Hm, mal sehen. Wie sage ich Euch das? Wir sind bald in Redcliffe. Sagte ich schon, woher ich Arl Eamon kenne?“ Alistair schien sich sehr unbehaglich zu fühlen.
    „Ihr seid sein Sohn?“ Jaina sah ihn fragend an. „Nein, ich bin nicht sein Sohn. Ich bin ein Bastard. Meine Mutter war ein Dienstmädchen auf Schloss Redcliffe und starb bei meiner Geburt. Arl Eamon nahm mich auf und zog mich auf bis ich zur Kirche geschickt wurde. Der Grund warum er das tat war..., naja, weil mein Vater König Maric war. Was Cailan zu meinem... Halbbruder macht. Ich hätte es euch erzählt, aber... mir hat es nie etwas bedeutet. Ich war eine Last, eine mögliche Konkurrenz für Cailans Herrschaft – also haben sie mich verheimlicht. Ich habe das keinem erzählt.“
    „Wieso nicht? Was passiert denn, wenn Ihr es jemandem erzählt?“ Jaina fühlte sich – mal wieder – überrollt von den Ereignissen.
    Alistair sah sie nachdenklich an. „Entweder man grollte mir wegen meine Herkunft, oder man verhätschelte mich. Selbst Duncan hat mich aus manchen Kämpfen herausgehalten. Ich wollte, dass Ihr es so lange wie möglich nicht wisst. Es tut mir Leid.“ Er sah betreten zu Boden.
    Jaina versuchte sich das vorzustellen. Wenn man sie nur wegen ihres Titels umgarnt hatte – das kannte sie nur zu gut und es fühlte sich nicht schön an. „Ich glaube, ich kann das verstehen“, sagte sie langsam.
    Alistair hob den Kopf, offensichtlich erleichtert. „Oh, gut. Das freut mich. Ich habe dafür ohnehin nie Anerkennung bekommen.“ Er machte eine kurze Pause. „Letztlich hat Eamon eine junge Frau aus Orlais geheiratet, obwohl es allerlei Probleme mit dem König gab, so kurz nach dem Krieg. Aber er liebte sie sehr. Die neue Arlessa schätzte die Gerüchte, ich sei der Sohn des Arls, überhaupt nicht. Natürlich stimmten diese Gerüchte nicht, aber es gab sie, und den Arl hat das nie gestört. Aber das Arlessa schon, also wurde ich in das nächstbeste Kloster geschickt und dort im Alter von zehn Jahren zum Templer ausgebildet. Ich weiß noch, dass ich ein Amulett mit Andrastes heiligem Symbol darauf besaß. Es war die einzige Erinnerung an meine Mutter. Ich war so wütend darüber fortgeschickt zu werden, dass ich es abriss und an die Wand warf, wo es zerbrach. Es war so dumm von mir. Der Arl kam mich einige Male im Kloster besuchen, aber ich war zu stur. Ich hasste es dort und gab ihm die Schuld für alles. Schließlich kam er einfach nicht mehr.“
    Jaina sah ihn mitfühlend an. „Ihr wart jung...“ Alistair nickte. „Und von Hunden aufgezogen. Zumindest meinen Handlungen nach könnte das stimmen. Vielleicht benehmen sich alle Bastarde so, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass der Arl ein guter Mann ist. Er ist beim Volk sehr beliebt und er war Cailans Onkel. Er wird ein persönliches Interesse daran haben, Loghain bestraft zu sehen. Da habt Ihr es also. Können wir jetzt weitergehen? Ich werde einfach so tun, als glaubt Ihr immer noch ich sei irgendein Niemand, der mehr Glück hatte als die anderen Grauen Wächter.“
    Jaina lächelte leicht. „Und was bin ich dann?“ Alistair erwiderte das Lächeln, es schien ihm wesentlich besser zu gehen. „Irgendein Niemand, der auch mehr Glück hatte, als die anderen Grauen Wächter. Willkommen im Club.“ Er wandte sich um und wollte den Weg hinuntergehen, doch Jaina hielt ihn zurück.
    „Moment, wir wollten ohnehin Rast machen.“ Jaina ließ ihren Rucksack in das spärliche Grad fallen und alle anderen taten es ihr gleich. Mit einem Blick hinter sich auf ihre Begleiter fasste Jaina Alistair am Arm und zog ihn wieder bergauf, außerhalb der Hörweite der anderen.
    Sobald sie sich sicher wähnte, blickte sie Alistair missmutig an. „Warum habt Ihr Euer Geburtsrecht geheimgehalten?“
    Der schien ausweichen zu wollen. „Ihr... habt nie danach gefragt?“ „Das ist eine sehr schwache Antwort.“ Jaina setzte sich auf einen nahegelegenen Felsen, der mehr aus Erde zu bestehen schien.
    Alistair seufzte. „Also gut, Ihr bekommt die volle Antwort, wenn Ihr das wollt. Wisst Ihr, ich bin nicht daran gewöhnt es jedem zu erzählen, der es nicht ohnehin schon weiß. Es war immer ein Geheimnis. Duncan war der einzige Graue Wächter der Bescheid wusste. Und nach der Schlacht, als ich es euch hätte sagen sollen... da erschien es zu spät. Wie erzählt man jemandem so etwas?“
    „Ihr hättet es mir dennoch sagen können.“ Jaina fühlte ein Gefühl der Beleidigung in sich aufsteigen und sie verstand es nicht. Die Worte waren ihr über die Lippen gekommen bevor sie etwas dagegen tun konnte.
    Alistair schien es nicht zu bemerken. „Ja, nun... ich glaube ein Teil von mir fand es gut, dass Ihr es nicht wisst. Jeder, der es wusste, hat mich hinterher anders behandelt. Ich war der Bastardprinz anstatt einfach nur Alistair. Ich weiß, es klingt sicherlich dumm für Euch, aber ich habe es gehasst dass das mein Leben so geprägt hat. Ich wollte das nie – und König will ich ganz sicher nicht sein. Allein der Gedanke ist grauenhaft.“
    „Ich nehme an, ihr hattet bei all dem keine Wahl.“ Jaina hatte ihre Gefühle niedergekämpft – für den Moment. Sie würde später nochmals darüber nachdenken.
    „Das könnt ihr laut sagen.“ Alistair, der immer noch vor ihr stand, blickte in den wolkenlosen Himmel. „Ich hatte überhaupt kein Mitspracherecht. Seit ich geboren wurden haben immer andere für mich entschieden. Ich sollte wohl froh darüber sein, dass Arl Eamon viel eher als ich zum Thronfolger werden wird. Sofern es ihm gut geht. Ich hoffe, er ist wohlauf. Jedenfalls tut es mir Leid, dass ich es Euch nicht früher gesagt habe. Ich... ich glaube ich habe einfach gehofft, dass Ihr mich als die Person mögen würdet die ich bin. Es war dumm von mir.“ Jaina lächelte ihn aufrichtig an. „Alles in Ordnung, Alistair. Nichts passiert.“
    Alistair zögerte und erwiderte das Lächeln. Ein paar Sekunden herrschte ein seltsames Schweigen zwischen bis Jaina aufsprang und zurück Richtung Leliana und Morrigan ging. Jag sprang ihr bellend entgegen und umrundete sie aufgeregt. Sie lächelte auf ihn herab und blickte die beiden Frauen an. „Wir sollten weiter.“ Die beiden hatten sich schon darauf eingestellt und wieder alles Gepäck aufgenommen. Gemeinsam gingen sie auf eine nahe gelegene Brücke zu. Erst als sie näher kamen erkannte sie, dass dort eine Person stand.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (29.04.2011 um 16:05 Uhr)
  2. #42 Zitieren
    Deus Avatar von VRanger
    Registriert seit
    Dec 2010
    Ort
    Alte Militärbasis
    Beiträge
    25.795
    Vorherige -> K1 #22 • Pläne

    Der weitere Verbleib von Tobias bei den Frauen, zumindest für die nächste Zeit, war besprochen. Er wollte auf einer etwas verschlissenen Karte wissen, wo sie sich befanden. So entwickelte sich die Geschichte weiter:

    K1 #23 • Geografischer Überblick

    Die junge Frau schaute dabei zu ihrer Mutter, die ihr mit einem kaum bemerkbaren Nicken die Zustimmung zu Klärung der Frage gab. Isilde benötigte etwas an Zeit, um die deutlich beschädigte Karte einzuordnen. Immer wieder fuhr sie mit dem Finger die Umrisse der Landschaft ab. »So, ich glaube jetzt habe ich es,« sagte sie und begann mit einer kleinen Beschreibung. »Hier oben im Norden ist Amaranthine. Dort seid Ihr ja mit dem Schiff angekommen und habt Euch einem Handelszug angeschlossen.« Dabei zeigte sie auf die Stadt. »Das stimmt,« antwortete Tobias.

    »Hier haben wir Euch gefunden und das war am Pilgerpfad, einer Passstraße nach Virgil. Hier etwa,« ergänzte die junge Frau die Wegbeschreibung und zeigte auf eine Stelle der Karte. »Dann haben wir Euch auf eine Trage gelegt,« sagte sie und dachte dabei zurück, wie sie den Mann auf ihrem Rücken den Hang hoch getragen hatte. Sie erinnerte sich auch daran, wie das Kettenhemd, welches er jetzt wieder trug, auf ihren Rücken gedrückt hatte. »Später ist uns der Mabari gefolgt und Mutter hat ihn beruhigt. Das war hier,« und zeigte auf eine Stelle östlich des Pilgerpfades. »Und nach einigen weiteren Stunden des Weges und Euch auf der Trage erreichten wir den Weiher und unser Anwesen. Es ist diese Stelle hier auf der Karte.« Wie sie es sagte, nahm sie eine Feder und tauchte diese in ein von der Mutter bereit gestelltes Tintenglas und strich beim Herausziehen der Feder diese am Rand des Glases ab. Anschließend zeichnete Isilde gekonnt ein Kreuz auf die Stelle und schaute den Mann mit seinem rosenblonden Haar an.

    »Oh,« erbleichte Tobias, als ihm der Standort bewusst wurde. »Oh, das hätte ich nicht gedacht!« »Was habt Ihr? Stimmt etwas nicht?« erkundigte sich Isilde nach dem Zaudern in des Mannes Stimme. »Nein, nein! Es ist nichts,« versuchte er sich zu beruhigen. Dabei schüttelte er den Kopf, als wenn er das gerade Gesehene nicht richtig erfasst hatte. Dann schließlich korrigierte er doch seine eben getätigte Aussage. »Ich dachte, dass ich auf der Reise zu meinem Vater schon weiter gekommen bin. Aber es ist ja eine Strecke von Euch bis zu Amaranthine, die man gut in einem halben Tag zu Fuß zurücklegen kann und ohne großes Gepäck,« schätzte er und ergänzte noch, »wenn man querfeldein gehen kann.«

    »Nun, Eure Wegschätzung stimmt schon,« mischte sich Magaritt in das Gespräch ein. »Ihr müsst Euch gut mit dem Lesen solcher Karten auskennen, wenn Ihr es in eine zeitliche Entfernung umsetzten könnt. Und es gibt schon direkte Wege zu der nördlichen Stadt am Meer, aber die nutzen keine Handelskarawanen. Wir gehen diese, wenn wir auf den Markt wollen.«

    Isilde versuchte das Gespräch wieder aufzunehmen und erklärte Tobias: »Hier, zu der Stelle im Südosten gehen wir, wenn es einen Sturm gegeben hat. Ich habe es Euch schon erzählt, als Ihr das Buch bekommen habt.« »Stimmt! Ich erinnere mich. Ihr habt davon erzählt,« bestätigte Tobias die Erklärung. Isilde nickte und erzählte weiter: »Dort sind tückische Riffe nahe der ‘Verlassenen Bucht’ und manchmal zerschellt ein Schiff daran. Denn das Treibgut müsst Ihr wissen,« berichtet sie und ergriff seine Hand dabei, »gehört dem Finder.« »Ja, aber es werden doch viele Kapitäne diese Klippen kennen. Vielleicht sind sie auch auf den Seekarten vermerkt,« mutmaßte der Mann, zog seine Hand aber nicht zurück. »Das mag sein,« antwortete die Grauhaarige, die die Vertrautheit der beiden wohl registrierte, »doch es kommt vor, dass Banditen in den stürmischen Nächten Leuchtfeuer entfachen und so Schiffsbesatzungen täuschen können. Davon künden einige Schiffsfracks der letzten Zeit und mancher in der Hoffnung auf Hilfe hat dort seinen Tod gefunden. Ach und das Buch, was ich Euch gab, ist von dort,« sagte Magaritt.

    Nächste -> K1 #24 • Einblicke
    VRanger ist offline Geändert von VRanger (18.07.2011 um 19:31 Uhr) Grund: zeitliche Einordnung
  3. #43 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    10) Redcliffes Problem


    Neugierig geworden ging Jaina auf diese zu. Es war ein junger Mann, der unerfahren aber freundlich und aufrichtig wirkte. Er hatte nur ein paar alte Kleider am Leib, keine Rüstung aber er trug einen Bogen und einen Köcher auf dem Rücken. Er war erstaunt überhaupt Reisende zu entdecken. „Ich dachte nicht, irgendwo hier Reisende zu treffen. Könnt Ihr uns helfen?“ Jaina blinzelte. „Gibt es ein Problem? Ich weiß, dass der Arl krank ist. Wir wollten zu ihm.“
    „Oh, dann wisst Ihr es wirklich nicht. Der Arl ist krank, ja. Und jede Nacht werden wir angegriffen. Von Monstern die aus dem Schloss kommen. Wir haben keine Soldaten, keinen König!“
    „Monster aus dem Schloss? Was sind das für Monster?“ fragte Jaina. „Mylady, ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Ich bringe Euch am besten zu Bann Teagan. Er ist der Einzige, der uns noch zusammenhält.“
    Alistair trat neben Jaina. „Bann Teagan? Der Bruder des Arls? Er ist hier?“ Der junge Mann nickte. „Ja. Wenn Ihr mir bitte folgen würdet.“
    Er dreht sich um und ging einen breiten, erdigen Pfad hinunter, der zu einer Windmühle führte. Jaina und ihre Gefährten folgten hintendran. Redcliffe wirkte von oben still und verwaist.

    Doch je weiter sie in das Tal kamen, in dem das Dorf lag, desto mehr täuschte der Schein. Alle Häuser waren verrammelt, auf dem Dorfplatz übten mehrere Männer Bogenschießen. Sie wurden von einem großen Mann mit einem gewaltigen Schnurrbart beaufsichtigt. Von Frauen und Kindern war nichts zu sehen, bis sie zur Kirche kamen. Lediglich davor standen einige Frauen mit Kindern, alle wirkten verängstigt, und eines der Kinder drückte sich an die Beine der Mutter und schluchzte leise. Leliana schien geradewegs das Herz aufzugehen.
    Gemeinsam mit dem jungen Mann betraten sie dir Kirche. Hier herrschte ein ähnliches Bild. Frauen wie Männer, jung wie alt standen oder saßen verstreut in der Kirche. Das Kirchenoberhaupt, die Ehrwürdige Mutter, betete mit einigen Frauen und Kindern.
    Jaina betrachtete sie nachdenklich. Es war offensichtlich, dass alle litten. Sie würde ihnen helfen, das stand jetzt schon fest. Nicht nur, weil sie ohnehin zu Arl Eamon musste. Sie wusste aus erster Hand wie es war, in einer Notsituation niemanden zu haben, der auch nur irgendetwas unternehmen konnte. Hier gab es noch Hoffnung.
    Im hinteren Teil der Kirche stand ein junger Mann in edleren Kleidern als die Bürger hier. Er sprach freundlich mit einem älteren Mann, der sich kurz vor ihm verneigte und davonging.
    Der junge Adlige war hübsch, er trug sein Haar etwas länger und ein breiter geflochtener Zopf zog sich von seinem Scheitel hinter das linke Ohr. Er hatte einen dichten Bart um den Mund herum und ein warmes Lächeln. Jaina zweifelte jedoch nicht daran, dass dieser Mann auch auf sein Recht pochen konnte und ein starker Gegner war.
    Er sah den jungen Mann mit dem Bogen auf dem Rücken an. „Tomas war der Name oder? Wen habt Ihr da mitgebracht? Das sind keine gewöhnlichen Reisenden“ Tomas antwortete ihm, dass sie gerade erst eingetroffen seien und machte ein Geste zu Jaina, dass sie vortreten solle.
    „Seid mir willkommen. Ich bin Teagan, Bann von Rainesfere und Bruder des Arls.“
    Alistair sprach ihn an: „Ich erinnere mich an Euch, Bann Teagan. Obwohl ich das letzte Mal wesentlich jünger war... und voller Schlamm.“
    „Voller Schlamm...?“ Doch dann erhellte Erkenntnis sein Gesicht. „Alistair? Ihr seid es doch, oder? Ihr lebt! Eine großartige Neuigkeit!“
    „Immer noch am Leben, ja. Obgleich ich überrascht bin Euch im selbigen Zustand zu finden.“ Teagan lächelte bitter. „Ja, Loghain will uns glauben machen, dass alle Grauen Wächter zusammen mit dem König gestorben sind. Und dass Cailan für Ruhm und Ehre die Sicherheit der Nation aufs Spiel gesetzt hat, und er deshalb seine Männer retten musste. Loghain nennt die Wächter Verräter und Königsmörder. Ich glaube ihm nicht.“ Er wandte sich an Jaina. „Ihr seid also ein Grauer Wächter? Kennen wir uns womöglich? Ihr kommt mir bekannt vor.“
    Jaina spürte wieder Unbehagen in sich aufkommen, doch diesmal nicht so stark. Sie schluckte. „Ja, Ihr kanntet meinen Vater, Teyrn Bryce Cousland.“ „Ja, genau! Eine Freude Euch kennenzulernen, wenn auch die Umstände besser sein könnten. Seit Tagen haben wir nichts von Schloss gehört. Keine Wachen auf die Mauern und keiner antwortet auf meine Rufe. Und vor ein paar Nächten begannen die Angriffe. Böse... Wesen kamen aus dem Schloss. Wir konnte sie nur unter großen Verlusten zurückschlagen.“
    Jaina drehte sich nach Leliana um. Die war einen Schritt zur Seite getreten und tröstete ein kleines Kind, das jammernd auf dem Boden saß, vollkommen allein. Sie war froh zu wissen, dass diese Leute hier, Bann Teagan und Arl Eamon die einzige Art von Familie für Alistair gewesen waren – es bekräftigte ihren Entschluss, Redcliffe zu helfen. Das sagte sie Teagan und er war überglücklich. Alistair und Leliana musste ihre Zustimmung nicht kundtun, aber Morrigan verdrehte die Augen.

    Teagan wies sie an mit dem Bürgermeister zu sprechen und Jaina machte sich gleich auf den Weg. Es gab noch einiges zu tun bis zum Anbruch der Nacht. Sie suchte einen Zwerg auf und überzeugte diesen mit der Miliz zu kämpfen, stattete dem Schmied einen Besuch ab und brachte ihn dazu, alle Rüstungen und Waffen zu reparieren. Das Dorf bereitete sich auf den Kampf vor und Jaina konnte förmlich spüren wie die Moral stieg. Einige der Ritter waren von der Suche nach einem Heilmittel für den Arl zurückgekehrt und standen auch zur Verfügung. Jaina koordinierte ihre Verteidigung mit dem Bürgermeister und dem Anführer der Ritter.

    Schließlich war so weit, sie musste nur noch auf Sonnenuntergang warten. Jaina, Morrigan, Alistair und Leliana hatten sich bei der Windmühle postiert und betrachteten das Schloss das direkt auf der anderen Seite auf einem hohen Berg stand.

    Leliana schien zum Erbauer zu beten, Morrigan hatte sich in irgendein Rezept vertieft, das sie aus den Tiefen ihres Rucksack herausbefördert hatte. Jaina war aufgewühlt. Sie konnte nicht stillsitzen. Mal lehnte sie sich an die Windmühle, kurz darauf lief sie am Rand der Erdkante, die in Richtung Schloss deutet, auf und ab.
    Sie verstand gar nicht mehr, was hier vor sich ging. Untote, die eine Stadt angreifen. Nach allem was sie über Untote wusste, und das war nicht viel, war es denen wohl egal, wer oder was in der Stadt hauste, denn sie wurden von etwas Höherem befehligt. Morrigan hatte angedeutet, dass ein Dämon hinter diesem Ereignis stecken konnte – es sogar wahrscheinlich war.
    Also musste ein Dämon im Schloss sein? Stand das im Zusammenhang mit Arl Eamons Krankheit? Oder war es etwas ganz anderes? Jaina blieb für einen Moment stehen und atmete den auffrischenden Wind ein. Die Sonne senkte sich ganz langsam in Richtung Westen.

    Also muss ich erst das Rätsel um diese Untoten lösen. Und mit Arl Eamon sprechen – sofern er bis dahin gesund ist. Vielleicht hat er ja was von Fergus gehört... Jainas Herz schien sich zu verkrampfen. Fergus war jetzt der eigentliche Herrscher über Highever. Er kannte alle politisch wichtigen und angesehenen Leute. Wenn er überlebt hatte... dann hatte er vielleicht Kontakt mit einem der Adelsleute aufgenommen. Sie wusste es nicht.
    Sie hoffte inständig, dass Fergus nicht nach ihr suchen würde. Aber noch während sie diesen Gedanken hatte, wurde ihr klar, dass sie genauso wenig die Suche nach Fergus einfach so aufgeben würde.
    Bruder, wo bist du nur... deine kleine Schwester braucht dich. Jaina senkte den Kopf und hielt mit Mühe die Tränen zurück. Sie sollte jetzt nicht an ihren Bruder denken – zumindest nicht, wenn sie diese Untoten überleben wollte.

    Eine steife Brise erhob sich und schlug ihr entgegen, ihre Haare flatterten im Gegenwind während sie gesenkten Kopfes an der Klippe stand und die Sonne ihre roten Strahlen über das Land schickte, während sie unterging. Jaina schien ihre Sinnesempfindungen kurzzeitig verloren zu haben, sie nahm nur noch einzelne Geräusche wahr und blickte in die untergehende Sonne, die am Horizont stand wie ein rot-orange glühender Feuerball.

    „Ihr seid doch der ältere Graue Wächter. Warum überlasst Ihr ihr die Führung?! Wohl weil sie einer derart guten Verfassung ist?“ „Ich folge eben lieber. Sie macht ihre Sache doch gut.“ „Und deshalb beugt Ihr euch einem neuen Rekruten? Ist das so üblich? Wohl eher eine persönlich Einstellung...“ „Morrigan, verzieht euch doch einfach in ein Gebüsch und sterbt dort, das wäre sehr freundlich von Euch!“ „Oder liegt es daran, dass Ihr bemerkt habt wie unfähig Ihr seid? Macht Euch nichts daraus, wenn Ihr weiterhin nur Jaina volljammert ist sie die nächste, die qualvoll sterben wird – an Euren Worten.“

    Erst jetzt bemerkte Jaina, über was genau Alistair und Morrigan da stritten. Sie horchte auf und lauschte, der immer noch anhaltende Gegenwind trug die Wortfetzen davon – sie bekam nur mit, dass Leliana sich in den Streit einmischte. Sie holte tief Luft.
    Natürlich war sie derzeit nicht die beste Anführerin. Obwohl sie es sein sollte. Sie erinnerte sich zurück an ihre Ausbildung, wo man ihr sehr oft gesagt hatte, dass sie das Leben der ihr anvertrauten Soldaten nicht leichtfertig aufs Spiel setzen darf. So gesehen hatte sie ihre „Soldaten“ tatsächlich weitestgehend sich selbst überlassen. Sie waren ja auch keineswegs wehrlos.
    Sie seufzte leise. Nun, da sie die Anführerrolle eben bekommen hatte, musste sie auch danach handeln. Ihr Bruder würde es genauso tun.
    Sie drehte sich um und wäre fast erschrocken zurückgewichen, als sie Alistair vor sich stehen sah, der wohl drauf und dran gewesen war ihren Namen zu sagen und ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    „Vorsicht. Wir sind ohnehin zu wenige Graue Wächter. Und ein Sturz mit Todesfolgen wäre für jemanden wie Euch höchst unwürdig.“ Alistair betrachtete sie von oben bis unten. „Ist alles in Ordnung mit Euch? Die Sonne ist untergegangen. Es kann nicht mehr lange dauern.“
    Jaina hob den Blick – tatsächlich, der Himmel war dunkel und die Sonne verschwunden.

    „Ja, alles in Ordnung. Kommt mit.“ Sie ging auf die Windmühle zu, wo Morrigan und Leliana standen, die sich wohl irgendwie geeinigt hatten. Jag hatte einen großen Baum entdeckt, der es ihm irgendwie angetan hatte – er umrundete ihn und hob sein Bein daran, schnüffelte hier und da an der Rinde.

    Jaina pfiff ihn zu sich, winkte den Rittern, die am Abgang zu Redcliffe standen und hob ihre Stimme: „Leliana, Morrigan – ihr beide bleibt bitte hier hinten, etwas vor der Windmühle, sodass ihr nicht gesehen werdet. Fixiert die Gegner, die den Soldaten hier zu schaffen machen. Ihr,“ sie sah den Hauptmann der Soldaten an, „fangt diejenigen ab, die Alistair und ich nicht schaffen können. Wundert euch nicht, wenn wir uns zu euch zurückziehen. Versucht keinen auch nur zu nahe an unsere zwei Fernkämpfer kommen zu lassen.“ Sie pausierte kurz und suchte nach Anzeichen von Unklarheiten. Als sie keine fand, drehte sie sich zu Alistair.
    „Und wir beiden kämpfen an vorderster Front, direkt bei den Holzzäunen zum Schloss hoch. Wie im Turm von Ishal – Ihr bindet sie, ich kümmere mich um dem Rest. Jag – du hilfst uns beiden. Alles klar?“

    Jaina blickte jeden einzeln an und bekam mit wie Alistair einen überaus triumphierenden Blick in Richtung Morrigan warf, die darauf nur nur verächtlich den Kopf abwandte. Lelaina lächelte Jaina breit an, selbst jetzt, kurz vor dem Gefecht, schien sie die Fröhlichkeit gepachtet zu haben.
    Die Ritter nickten und begaben sich in Position, Morrigan und Leliana zogen sich zur Windmühle zurück. Jaina scheuchte Jag und Alistair zu den Holzbarrikaden, zog Schwert und Dolch und machte sich bereit.
    Alistair hatte seinerseits Schwert und Schild gezogen und spähte den Hang hinauf, den sie wenige Stunden vorher herab gewandert waren. Jag hatte sich hinter eine der Holzpalisaden geduckt und schien alle Gerüche um ihn herum einzufangen.
    Fergus, du wärst stolz auf mich.... schoss es ihr durch den Kopf und sie brachte ein leises Lächeln zustande.

    Grüner Nebel kam auf und waberte vom Schloss aus langsam den Weg hinunter. Die Dunkelheit war nun allumfassend, Licht wurde vom leuchtenden Mond und einer Fackel an der Windmühle gespendet. Der grüne Nebel roch nach Verwesung und er breitete sich immer weiter aus, bis hinunter ins Dorf.
    Das waren die Anzeichen, die Jaina sich hatte erklären lassen. Sie hob den Blick und entdeckte am oberen Ende des Abhangs eine Bewegung. Sie stieß Alistair an, der, ohne von der Gestalt den Blick abzuwenden, nickte.
    Die beiden Wächter ließen die Gestalten möglichst nah heran kommen um sie besser einschätzen zu können.
    Und tatsächlich, es waren Untote. Komplett schwarze Leiber, die völlig abgemagert waren, leere Augenhöhlen, in denen scheinbar weiße Pupillen oder etwas derartiges glänzte. Wie um die gestorbenen, deren Leiber sich diese bösen Kreaturen bemächtigte zu parodieren, trug jeder von ihnen einen schwarzen Eisenhelm auf den Kopf, die dürre Leib hie und da mit Rüstungsteilen bedeckt. Sie hatten keine Waffen in der Hand, aber Jaina war sich sicher, dass diese Fäuste, die ebenso wie die gesamten Kreaturen nach Verwesung stanken, durchaus gute Ersatzwaffen waren.

    Und da kamen sie, diese Gestalten strömten den Abhang herunter, zwei, drei, fünf...über ein Dutzend... Jaina kam mit dem Zählen nicht mehr nach und der erste der Untoten war bereits in ihrer Nähe. Sie hob den Dolch und sprang auf ihn zu, schlitze ihm den Bauch in einer schnellen Bewegung auf. Ihr Schwert donnerte keine halbe Sekunde später dem Untoten auf den Kopf und spaltete ihn. Die anderen Untoten strömten um Jaina herum, einige rannten an ihr vorbei genau auf Alistair zu, doch der Großteil blieb bei ihr und umkreiste sie.
    Oh, Mist. Das ist doch Alistairs Aufgabe. Jaina versetzte einem einen Schlag dass er über den Holzzaun fiel, drehte sich mit dem restlichen Schwung und zog ihr Schwert über die Kehlen einiger Untoten. Dadurch musste sie erst wieder ausholen und brachte ihr Schwert an ihre Seite – im gleichen Moment sah sie einen, den sie nicht getroffen hatte, zum Schlag ausholen. Sie konnte nicht mehr ausweichen, zumal einige der bereits getroffenen noch nicht erledigt waren. Sie drehte sich um den Schlag irgendwie blocken zu können und wurde an den Rippen erwischt. Es war ein dumpfer aber äußerst kraftvoller Schlag, viel fester als sie erwartet hätte. Sie schaffte es nicht zu Boden zu stürzen und sprang rückwärts aus dem Kreis der Untoten.
    Im gleichen Moment hörte sie ein Kampfbellen und ein haariger Vierbeiner sprang über sie hinweg – und landete geifernd auf dem Untoten, der ihr den Schlag mitgegeben hatte. Die restlichen schienen keineswegs überrascht und prügelten nun auf den Mabari ein, der kurzen Prozess mit Jainas Angreifer machte. Jaina dreht sich nach hinten und sah Alistair an ihr vorbeistürmen, dort wo er gestanden hatte lagen vier der Gestalten auf dem Boden verteilt.
    Nun da ein Schildkämpfer die meisten Schläge abfangen konnte war es wesentlich einfacher, die Untoten niederzumachen, die Ritter ließen keinen an sich vorbei und Jaina stürzte sich wieder ins Kampfgetümmel. Jag half Alistair die Untoten etwas auf Distanz zu halten während Jaina von hinten angriff. Ein Pfeil raste an Jaina vorbei und blieb in der Augenhöhle eines Untoten stecken.Im nächsten Moment schien er zu gefrieren, eine weiße Rauhreifschicht überzog seinen Körper und er kippte hintenüber.
    Kaum dass die Verteidiger von Redcliffe den scheinbar nicht enden wollenden Strom an Untoten gestoppt hatten, zog ein Soldat die Aufmerksamkeit auf sich und rief Jaina zu, dass das Dorf vom See aus angegriffen wurde.
    Jaina winkte ihren Begleitern und rannte an der Seite des Soldaten hinunter zum Dorfplatz. Gemeinsam schafften sie es, die Untoten in einer Schlacht, die bis zum Morgengrauen dauerte zurückzuschlagen.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (29.04.2011 um 16:07 Uhr)
  4. #44 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    11) Die Familie des Arls

    Der Morgen graute und die Sonne ging langsam auf. Der Osten Redcliffes wurde in einen rötlichen Schein getaucht, der sich über die Dächer hinwegzog und die Kirche anstrahlte.

    Dort hatten sich alle versammelt, Kämpfer wie Frauen und Kinder, der Schmied, der Bürgermeister, Priester und jeder andere lebende Dorfbewohner von Redcliffe. Auf dem Kirchenaufgang stand Bann Teagan, neben ihm die Ehrwürdige Mutter und auf seiner anderen Seite Jaina und ihre Gefährten.
    Teagan verkündete den Dorfbewohnern, dass sie wider aller Erwartungen und mithilfe der Graue Wächter überlebt hatten und forderte sie auf zu ruhen, während er und Jaina mit ihrer Gruppe das Schloss betreten wollten.
    Sie hatten sich an der Mühle verabredet, Jaina wartete dort bis Teagan sich von den Döfrlern verabschiedete und bei der Mühle ankam. Jaina stand, wie schon am Abend zuvor, an der Klippe und sah zum Schloss hinüber. Teagan stellte sich neben sie.
    „Es wirkt alles so ruhig und still. Man glaubt nicht, was hier jede Nacht vor sich geht. Wir müssen ins Schloss eindringen. Ich würde sagen, wie...“ Weiter kam er nicht, denn Jaina hörte gehetzte Schritte hinter sich und drehte sich um. Sie sah eine adelige Frau, jünger als ihre Mutter gewesen war, auf sie und Teagan zurennen. Sie trug ein helles, cremefarbenes Kleid und darüber eine enge Tunika, die an den Schultern ein rotes Polster bildete und abwechselnd grün und rot sich über die Hüften wand. Um den Brustkorb herum war ein schwarzes Netz in die Tunika gewebt, umgeben vom grünen und roten Stoff. Ein weißer Gürtel betonte die schmale Taille, besonders hervorgehoben durch das dunkle Rot der Tunika, auf dem er lag.
    [Bild: Screenshot20110425174407281.jpg]
    Mit unüberhörbaren orlaisianischem Akzent rief sie Teagans Namen und kam vor ihm zum Stehen. „Teagan, Ihr müsst mit mir kommen. Ich flehe Euch an.“ „Isolde, was geht hier vor? Was macht Ihr hier? Wie geht es Eamon?“
    „Er ist immer noch krank. Sein Zustand hat sich verschlechtert. Ich brauche Eure Hilfe. Etwas Böses geht im Schloss um. Es hat meinen Connor!“
    Jaina ergriff das Wort: „Was passiert da oben im Schloss?“
    Die Frau wandte sich aufgeschreckt an Jaina und betrachtete sie aufmerksam. „Und wer seid Ihr?“ Bevor Jaina etwas sagen konnte, stelle Alistair sich neben sie. „Mich erkennt Ihr doch, Lady Isolde, oder?“ Die Frau namens Isolde sah den jungen Mann an. „Alistair? Ihr lebt? Es tut mir Leid, ich würde ja Höflichkeiten austauschen, aber...“ sie sah Jaina entschuldigend an und fuhr fort Teagan zu bitten mit ihr zu kommen. Dieser willigte schließlich ein und nahm Jaina beiseite.
    „Dies hier ist mein Siegelring. Damit kommt ihr durch die Mühle zu einem Geheimgang zum Schloss. Ich werde versuchen, was immer da im Schloss ist, abzulenken.“ Damit schob er ihr einen Ring in die Hand und ging schnellen Schrittes mit Isolde davon – Richtung Schloss.

    Jaina winkte ihre Gefährten und öffnete die Tür zur Windmühle. Sie ging den schmalen Gang nach links und kam an eine mit Stroh bedeckte Falltür. Mithilfe des Rings ließ sie sich öffnen und gemeinsam mit Alistair stemmte sie die schwere Holzplatte nach oben.
    „Wer ist Connor?“ fragte sie ihn. „Das ist Isoldes und Eamons Sohn. Sie war schwanger mit ihm als ich ins Kloster geschickt wurde.“ „Könnte er für diese... Gestalten verantwortlich sein?“ Jaina war in den Gang unterhalb der Falltür geklettert und fing Jag auf, der nach unten sprang. Morrigan antwortete an Alistairs Stelle. „Schwerlich. Dazu müsste der Junge Magie besitzen, mithilfe derer er den Schleier zum Nichts zerreissen könnte.“ Morrigan ging voran und war die erste, die gewahr wurde, dass am Ende des Ganges drei weitere Untote standen – nunmehr auf sie zuliefen. Sie fror alle mit einem Eiskegel ein und rief Alistair zu: „Na los, tut was Ihr am besten könnt – stur draufhauen!“ Alistair ignorierte ihren Kommentar und hieb mit einem gewaltigen Schlag auf einen der Untoten – welcher in tausend kleine Stücke zersprang. Jaina blinzelte verwundert, tat es ihm aber ohne zu Zögern nach. Leliana und Jag hatten den dritten ins Visier genommen. Als alle erledigt waren sah Morrigan Jaina mit einem fast spitzbübischen Lächeln an und ruckte mit dem Kopf zu einer der Gefängniszellen, die auf diesem Stockwerk waren. Jaina trat an die Zelle heran und erkannte hinter den Gitterstäben einen Mann. Zottiges, halblanges schwarzes Haar umhüllte sein Gesicht, seine Magierrobe war zerschlissen, aber erkennbar. „Ihr seht nicht aus wie die Wachen des Arls. Wer seid Ihr?“ Neugierig kam der Magier an die Gitterstäbe heran. Jaina wich unwillkürlich ein Stück zurück. „Ich bin ein Grauen Wächter. Und wer seid Ihr? Wer hat euch hie eingesperrt?“
    „Die Frau des Arls. Meine Name ist Jowan. Ich bin – ich war der Hauslehrer von Connor, Lady Isoldes Sohn. Er ist magisch begabt und sie ließ mich hierherkommen. Ich werde vom Zirkel der Magi gesucht.“
    „Und wie kamt Ihr darauf hierherzukommen?“ „Teyrn Loghain.“ Jowan zuckte die Schultern. Er fing mich ab und erklärte mir, dass er die Macht hätte, mich vor den Templern zu schützen, wenn ich ihm einen Gefallen täte. Ich sollte Arl Eamon vergiften, da sich die Gelenheit bot, weil Lady Isolde einen Magier suchte. Dann tauchten diese Untoten auf. Lady Isolde befahl mir, aufzuhören, was immer ich da täte und ließ mich einsperren. Aber ich hatte nichts getan. Diese Untoten kommen von einem Dämon.“
    Morrigan mischte sich ein. „Kann es sein, dass dieser Junge besessen ist? Er scheint ja genügend Magie zu besitzen.“ Jowan zuckte wieder mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist es so. Ich habe damit nichts zu tun.“ Eindringlich wandte er sich an Jaina. „Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe, aber ich möchte es wieder gutmachen. Ich kann helfen. Ich habe Connor Unterricht gegeben. Lasst mich hier raus und ich helfe euch dabei, das Böse im Schloss zu besiegen.“
    „So einsichtig wart ihr nicht als ihr den Auftrag annahmt Arl Eamon zu vergiften. Und ihr werdet von Templern gejagt, was soviel heißt wie, dass ihr ein Abtrünniger seid. Ein Blutmagier, was auch immer.“ Jainas Stimme war so eisig wie Morrigans Kältekegel es vorhin gewesen war.
    Jowan trat ein wenig zurück. „Ja, ich bin ein Blutmagier, aber ich habe nichts Böses getan. Und ich möchte Euch helfen. Gleichgültig ob die Arlessa mich dafür hinrichten lässt oder nicht. Für mich spielt das ohnehin keine Rolle mehr.“
    Jaina sah Leliana an, die etwas sagen zu wollen schien. „Er will sühnen. Das sollten wir ihn tun lassen. Ob Blutmagier oder nicht, jeder verdient eine zweite Chance.“ Alistair fuhr sie an: „Ihr wollt einen Blutmagier hier frei herumlaufen lassen? Den Blutmagier, der Arl Eamon vergiftet hat?!“ Jaina hatte sich entschieden. „Ihr bleibt vorerst in Eurer Zelle, Jowan. Wir werden später entscheiden, was mit Euch geschieht.“

    Damit wandte Jaina sich ab, wissend dass sie gerade den ersten Konflikt diplomatisch gelöst hatte.
    Mein Vater wäre stolz auf mich. Und Fergus auch. Beinahe liebevoll dachte Jaina an die zahllosen Versuche, die ihr Bruder und Vater unternommen hatten, ihr die Grundzüge der Diplomatie verständlich zu machen. Nicht immer erfolgreich...

    Während Jainas Gruppe voranschritt und sich de Weg durch die Keller freikämpfte, dabei alle Untoten tötete, stritten sich Alistair und Morrigan darüber, dass Abtrünnige nicht einfach herumlaufen dürfte, oder eben doch. Alistair versuchte Morrigan tatsächlich unterschwellig zu drohen indem er auf seine Templerfähigkeiten verwies, doch Morrigan lachte ihn schallend aus.

    Nach einiger Zeit kamen sie tatsächlich im Erdgeschoss des Schlosses an und blickten auf eine schreckliche und skurrile Szene: Ein kleiner Junge, saubere Kleider am Körper und die Haare ordentlich frisiert stand herrisch vor dem Feuer und dirigierte Bann Teagan, der auf dem Boden allerlei Kunststücke vollführte, schlug einen Purzelbaum, zog Grimassen und ähnliches und schien alles zu tun um in der Gunst des Jungen zu steigen. Neben dem Jungen stand tief bedrückt Lady Isolde. Nachdem Teagan seine Kunststücke beendet hatte verbeugte er sich vor dem Jungen, der Jaina erblickt hatte und in einer seltsamen, herrischen und furchterregenden Stimme, die so gar nicht zu einem derartigen Jungen passen wollte, sagte. „Sind das unsere Besucher? Von denen du erzählt hast, Mutter?“ Isolde stand traurig neben ihm und sagte nur: „Ja, Connor.“ „Und die, die meine Soldaten besiegte hat, welche ich schickte um mein Dorf zurückzuerobern?“ Connors Stimme wurde eine Spur gereizter – und unmenschlicher als sie es ohnehin schon war. „und jetzt starrt es mich an! Was ist es Mutter? Ich kann es nicht richtig sehen.“
    Isolde sah auf und sagte mit vor Verzweiflung gepresster Stimme: „Eine Frau, Connor. So wie ich eine bin.“
    „Lügnerin! Diese Frau ist ganz anders als du! Halb so alt und sehr hübsch. Willst du sie nicht hinrichten lassen, Mutter?“
    Nun kniete Isolde vor ihrem Sohn nieder und rief verzweifelt: „Connor! Ich bitte dich, tu niemandem etwas!“
    In diesem Moment griff Connor sich an die Schläfe und sagte mit einer anderen, menschlichen Stimme: „Mutter? Was ist los? Wo bin ich?“
    Isolde begann mit Preisungen des Erbauers ob dieses Schicksals und wandte sich glückselig an Connor. „Hinfort mit dir, närrisches Weib! Du fängst an mich zu langweilen!“ Connors Stimme war wieder die – des Dämons, vermutete Jaina.

    Isolde wandte sich flehend an Jaina. „Jaina, bitte tut ihm nichts. Er ist für seine Taten nicht verantwortlich. Connor wollte das nicht. Es war der Magier, der Eamon vergiftet hat. Er hat das alles ausgelöst. Connor wollte nur seinem Vater helfen!“

    Connor mischte sich mit drohender Stimme ein. „Es war ein fairer Handel. Vater lebt. Jetzt nehme ich auf dem Thron Platz und erobere mit meinen Armeen die Welt. Niemand sagt mir was ich tun soll! So, und was will die Frau nun hier? Sprich, Frau!“

    Jaina musterte das Kind. „Ich bin hier, um Arl Eamon zu treffen.“
    Connor lachte sie aus. „Ahja, ein besorgter Gönner. Da hättest du das Morden bleiben lassen können. Leider, leider ist Vater sehr krank. Wir sollten ihn nicht stören. Mutter, seit du die Ritter fortgeschickt hast versuchst du mir den Spaß zu verderben! Ich will Aufregung! Ich will Spaß! Diese Frau hat mein Spiel ruiniert und das Dorf gerettet. Jetzt muss sie das ausgleichen!“

    Plötzlich griffen die Wachen an. Ebenso wie Teagan. Jaina war entsetzt und konnte sich kaum rühren. Alistair und Leliana schalteten schneller, die griffen gemeinsam Teagan an und Morrigan gab Jaina einen Stoß, dass sie fast gefallen wäre. Sie fasste sich und griff eine nahe Wache an, versuchte ihr keine Wunden zuzufügen sondern sie lediglich bewusstlos zu schlagen, was ihr auch gelang. Nach kurzer Zeit lagen alle Wachen bewusstlos auf dem Boden und Leliana hieb Teagan den Bogen um die Ohren, dass er zu Boden ging. Isolde stand kreischend und verschreckt im Raum und Connor hatte die Gelegenheit genutzt und sich aus dem Staub gemacht – in sein Zimmer, wie seine Mutter vermutete.

    Isolde ging zu Teagan und half ihm auf die Beine. Er schien wieder klar bei Sinnen zu sein. „Teagan, bist du in Ordnung? Ich hätte es mir nie verziehen wenn du gestorben wärst. Ich bin so eine Närrin!“
    „Das könnt Ihr aber laut sagen.“ Jaina hatte gesprochen bevor sie gedacht hatte. Verdammt, schoss es ihr durch den Kopf. Schnell wandte sie sich an die Hexe. „Morrigan, Ihr hattet Recht. Connor ist schuld an diesen Übergriffen.“
    Lady Isolde sah von Jaina furchtvoll zu Morrigan. „Ihr dürft ihm nichts tun. Er ist nur ein Junge. Er kann nichts dafür.Wir müssen ihn doch irgendwie retten können!“ Teagan blickte Isolde an. „Ich weiß nicht ob wir ihn retten können. Dämonen haben wenig für Vernunft übrig.“
    „Dieser Dämon ist nicht immer er. Connor steckt noch darin und kommt manchmal zum Vorschein. Bitte, ich will ihn doch nur beschützen!“
    Teagan wandte sich stirnrunzelnd an Isolde. „Hat damit nicht alles angefangen? Du hast den Magier hierher bringen lassen, dass er Connor heimlich unterrichtet – um ihn zu beschützen?“ „Wenn jemand herausgefunden hätte, dass er Magie beherrscht hätten sie ihn fortgebracht. Ich dachte wenn er insgeheim genug lernt, dann...“
    Jaina sah sie an und musste sich abmühen nicht allzu verächtlich zu klingen. „Und ihr ahntet nicht, dass Loghain euch einen Meuchelmörder schickt?“
    Isolde verteidigte sich gestenreich. „Nein, wieso sollte ich? Ich habe Loghain vertraut!“
    Teagan war nun tatsächlich aufgebracht.“Was? Eamon kannte deine Pläne nicht? Ist dir eigentlich klar, was du getan hast Isolde?“ Er ging mehrere Schritte auf sie zu, zornbebend. Isolde wich nicht zurück, senkte aber betreten, traurig und völlig verzweifelt den Kopf.“Ich wollte unseren Sohn nicht an die Magie verlieren!“ Jaina hatte kaum Mitleid mit ihr. Ihr tat viel eher Connor Leid. Oder, was das anbetraf, Eamon, der diese Frau aushalten musste.
    Alistair brachte die Sache auf den Punkt. „Normalerweise würde ich kein Kind töten, aber er ist eine Abscheulichkeit. Wir haben keine Wahl.“ Leliana sah Alistair entgeistert an „Was? Wir können doch kein Kind töten, Dämon hin oder her! Ihr habt in der Kirche gelebt, Alistair, seid Ihr denn von Sinnen?!“

    „Nein, das kann nicht sein! Was ist mit dem Magier? Vielleicht weiß er etwas über diesen Dämon. Wir könnten ihn zumindest fragen!“
    Wenige Minuten später wurde Jowan vor Isolde geführt, die ihn anfuhr, dass er froh sein könne, überhaupt noch am Leben zu sein. Jowan verteidigte sich: „Ich habe keinen Dämon beschworen, Lady Isolde. Ich habe den Arl vergiftet, ja. Und damit begann alles – aber ich würde helfen, wenn Ihr mich lasst.“ Er erklärte, dass Connor von einem Dämon besessen werde, den man nur im Nichts als Magier konfrontieren könne und dort auch beseitigen. „Iich kann einen anderen Magier in die Lage versetzen ins Nichts zu reisen. Das erfordert sonst Lyrium und andere Magier, aber ich habe Blutmagie. Lyrium liefert sonst die Energie für das Ritual, aber ich kann die Lebensenergie aus jemand anderem ziehen. Aber dieses Ritual braucht viel Energie. Alles, um genau zu sein.“ Teagan musterte ihn argwöhnisch. „Das heißt, jemand muss sterben damit man Connor von dem Dämon befreien kann?“ Jowan nickte. „Dann lasst es mein Leben sein. Ich werde mich opfern.“ Isolde hob tapfer den Kopf. Teagan warf ihr einen wütenden Blick zu. „Isolde, bist du wahnsinnig? Eamon würde das nie zulassen!“
    „Entweder tötet jemand meinen Sohn, oder ich gebe mein Leben dass der Dämon besiegt werden kann. Sehr einfache Entscheidung. Connor kann nichts dafür. Er soll nicht dafür bezahlen müssen!“
    Entschlossen ging sie auf Jowan zu.
    Teagan sah Jaina an. „Es liegt bei euch, da einer von Euch ins Nichts müsste. Was sagt Ihr?“

    Jaina drehte sich um. „Gibt es denn keine andere Möglichkeit?“ Alistair sah nachdenklich drein. „Magier und Lyrium gibt es beim Zirkel der Magi.“ Jaina lächelte kurz. „Und der Turm ist keine Tagesreise von hier entfernt.“
    Alistair blieb fast der Mund offen stehen. „Glänzende Idee! Immerhin betrifft einer der Verträge auch den Zirkel der Magi.“ Jaina wandte sich an Teagan, der ihr zunickte. „Beeilt Euch. Wir passen hier auf Jowan auf. Und hoffen, dass Connor in dieser Zeit normal bleibt.“

    Ohne ein weiteres Abschiedswort ging Jaina schnellen Schrittes aus der Halle. Sie hatte keine Zeit zu verlieren.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (26.07.2011 um 11:17 Uhr)
  5. #45 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    12) Probleme über Probleme

    Sie reisten so schnell sie konnten. Jaina tat es gut, unter Druck zu stehen – sie verlor sich nur zu gerne in Gedanken über Fergus. Sie konnte es einfach nicht lassen. Er war nicht tot, dessen war sie sich sicher. Sie hätte es gewusst, gefühlt, wenn ihr Bruder gestorben wäre. Sie hatte bei ihrem Vater gespürt. Ein dumpfes Gefühl, als wäre sie von einer Welle voll Schlamm überschwappt worden. Doch sie hatte es gewusst. Fergus dagegen – er war nur zwei Jahre älter als sie. Er hatte noch ein Leben vor sich.
    Jaina ertappte sich bei dem Gedanken, wie gerne sie Fergus Alistair vorstellen wollte. Oder Leliana. Die fröhliche Ordensschwester schien Jainas Kummer zu erahnen und hatte immer ein freundliches Wort für sie auf den Lippen. Jaina war ihr dankbar und sagte ihr das auch.

    Sie suchte Alistairs Nähe, in vielerlei Dingen war er ganz anders als ihr Bruder, aber er kam ihr vertraut vor. Sie wusste nicht weshalb. Morrigan sparte daher nicht mit bösen Sprüchen in Richtung Alistair.
    Als sie am Calenhad-See ankamen liefen sie einen Hügel hinunter und standen vor einem Bootssteg, auf dem ein einzelner Mann stand. Er war ungefähr so alt wie Jaina, trug eine schwere Templerrüstung mit rotem Rock und hatte ein junggebliebenes Gesicht. „Ich habe den Befehl niemanden überzusetzen.“ Jaina verschränkte die Arme. „Ich bin ein Grauer Wächter und muss die Magier um Hilfe für die Verderbnis bitten.“
    „Ihr ein Grauer Wächter? Soso. Die nehmen Frauen? Ich bin die Königin von Antiva, sage ich euch!“ Es war offensichtlich dass der Templer ihr nicht glaubte.
    Jainas Geduldsfaden war in letzter Zeit erheblich geschrumpft und auch jetzt näherte er sich schon einem baldigen Ende. „Ich kann es beweisen. Nun bringt mich endlich hinüber.“
    „Ihr könnt mir das gar nicht beweisen. Außer Ihr tötet Dunkle Brut.“ „Und wo soll ich die jetzt hernehmen? Beim Erbauer, das ist doch...!“ Jaina wollte schon grob an den Mann herantreten und ihm drohen, als Jag neben ihr auftauchte, etwas zu Füßen des Templers legt und bellte.
    Der Templer bückte sich und hob einige Dinge auf, die Jag dort platziert hatte. „Oh, Kekse! Ich liebe Kekse!“ Er stopfte sie sich glücklich in den Mund, es störte ihn nicht im Mindesten dass sie ein Mabari auch im Maul gehabt hatte. Jaina sah fassungslos von Jag zu Leliana, die sich das Grinsen nicht verkneifen konnte, zu Morrigan die dem Hund einen anerkennenden Blick zuwarf und schließlich zu Alistair, der ebenso erstaunt war wie sie selbst.
    Jag wedelte mit seinem Schwanzstummel als wäre das das Natürlichste auf der Welt und bellte bekräftigend. „Mjam, lecker! Natürlich, eine Hand wäscht die andere. Steigt ein, ich bringe euch rüber!“
    Mit diesen Worten sprang der Templer ins Boot und Jaina, die mal wieder von ihrem Hund überrascht worden war, kletterte kopfschüttelnd hinterher.

    Sie fuhren auf einen riesigen Turm zu, der sich von einer Insel aus über den See erhob – majestätisch. Es war Nacht und so konnte man keine Einzelheiten erkennen, aber Jaina konnte sich durchaus vorstellen, dass dieses beeindruckende Gebäude auch wie ein Gefängnis wirken konnte.

    Im Turm angekommen betraten sie eine große Vorhalle, die von einer quadratischen Säule inmitten des Raumes gestützt wurde. Die Decke war hoch und die Tore mindestens drei mal so breit wie normale Türen. Der junge Templer war bei seinem Boot geblieben, jetzt entdeckte Jaina ein paar weitere Templer, einer davon offensichtlich der Hauptmann, der gerade Befehle erteilte.

    Jaina ging auf ihn zu und erklärte ihm ihr Anliegen. Zuerst wollte Greagor, der Templerhauptmann, nichts davon wissen, da er seine eigenen Probleme hatte: Nämlich dass ihm Turm Abscheulichkeiten ihr Unwesen trieben und deshalb der Zirkel aufgelöst werden müsste. Jaina schaffte es ihn davon zu überzeugen, dass sie selbst nach überlebenden Magiern suchen würde und sich persönlich um die Abescheulichkeiten kümmern würde.
    So durchsuchten Alistair, Jaina und Jag gemeinsam den Turm. Morrigan war mit Leliana zurückgeblieben um nicht die Templer mit der Nase darauf zu stoßen, dass eine der beiden eine Abtrünnige war.
    Schon auf der ersten Ebene begegnete Jaina einer Maga, die sie kannte. Wynne, die Maga die sie bei der Schlacht um Ostagar kennengelernt hatte. Sie freute sich Jaina wiederzusehen, ließ sich Alistair vorstellen und erklärte, dass ein Magier namens Uldred hinter diesen Abscheulichkeiten stecke. Passiert war dies, als er versuchte den Zirkel gewaltsam zu übernehmen. Nach kurzer Absprache kämpften sich die Vier durch den Turm nach oben, erledigten eine Abscheulichkeit nach der anderen, begegneten einigen Dämonen aber kamen schlussendlich auf dem Dach des Turmes an, wo dieser Uldred dabei war, andere Magier in Abscheulichkeiten zu verwandeln.

    Ohne abzuwarten stürzte Jaina sich auf ihn und wurde von einem gleißenden Blitz erfasst, der sie über Uldred hinweg auf die andere Seite der Terrasse schleuderte. Benommen blieb sie liegen. Als sie sich wieder umdrehen konnte sah sie dort, wo Uldred gestanden hatte ein riesiges zweibeiniges Wesen, das einem Raubtier ähnelte. Es war so groß wie ein Oger und genauso gefährlich. Er hatte krallenbewehrte Pranken und einen ebenso gefährlichen Schwanz. Wynne, Jag und Alistair konnten es in Schach halten, aber mehr nicht. Jaina schlich sich von hinten an das Geschöpf heran und bohrte ihm mit einem Schrei beiden Klingen gleichzeitig in den Rücken – und zog damit die Aufmerksamkeit von Uldred auf sich. Er hob einen Fuß und landete einen Tritt nach hinten – genau auf Jainas ohnehin schon geprellte Rippe. Sie wurde erneut rückwärts geschleudert und kam neben einem der gefesselten Magier zum Halt. Sie fluchte, dass einem Seemann die Haare Berge gestanden hätten. Sie konnte erkennen, dass Uldred nun mehr Schwierigkeiten hatte und rappelte sich auf um den anderen zu helfen. Dieses Mal hatte Uldred sich früh genug umgedreht und sprang ihr mit einem Brüllen entgegen. Jaina konzentrierte sich, zählte Uldreds Schritte und sprang plötzlich nach rechts – in dem Moment als Uldreds Kopf dort war, wo sie eben noch gestanden hatte. Durch den Schwung konnte sie sich an Uldreds Hals festhalten, schwang ein Bein über seinen Hals und spürte einen stechenden Schmerz. Beim Atem des Erbauers, wo hat der denn noch überall Stacheln! Sie zwang sich, die Kontrolle zu behalten, sie schwang gefährlich an Uldreds Hals hin und her, dem es gar nicht passte, dass sie sich auf ihm niederlassen wollte. Er hob eine seiner Pranken und griff nach ihr, im nächsten Moment erkannte sie, wie sich eine Schwertspitze durch Uldreds Ellenbogen bohrte und dieser gepeinigt aufbrüllte und ganz vergaß Jaina zu packen.

    Diese wurde zusehends schwächer, sie nahm ihren Dolch zu Hilfe und bohrte ihn Uldred in den Hals. Blut schwappte heraus und übergoss alles auf seinem Weg. Jaina stützte sich auf dem Dolch ab indem sie Bein darum klammerte und holte aus, das Schwert in beiden Händen. Und sie trieb es in Uldreds Genick. Sie hörte etwas krachen und sie wusste nicht, woher sie die übermenschliche Kraft genommen hatte ihm überhaupt einen Knochen zu brechen. Ein ohrenbetäubendes Brüllen war zu hören, und Jaina fühlte ihre Kräfte schwinden, als würden sie aus ihr herausgepumpt werden. Unter ihr geriet Uldred ins Schwanken und fiel dann wie in Zeitlupe gen Fußboden. Jaina wollte sich abrollen, aber sie schaffte es nicht. Sie hing fest. Ihr wurde schwarz vor Augen. Sie kämpfte dagegen an, sie musste bei Bewusstsein bleiben. „Jag!“ rief sie, mit aller Kraft die ihre Lungen noch hergaben. Ihre Gedanken schienen sich zu verflüssigen. „Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaag“ hallte es dumpf in ihrem Kopf nach. „Jaaaaaaaaouuuuuuuu.....“.

    Sie erwachte. Ihre Augen waren geschlossen, aber sie spürte Decken unter sich. Und über sich. Sie schnupperte leicht. Es roch nach gebratenem Fleisch. Sie hörte ein Topfklappern am Prasseln des Feuers, aus einiger Entfernung ein Bellen und direkt neben sich ein Rascheln, wie von Stoff, der an etwas reibt.
    Und dann spürte sie den Schmerz. Ihr rechter Oberschenkel, direkt überhalb des Knies, pochte und pulsierte. Dann ließ der Schmerz nach, es war halbwegs erträglich. Sie spürte Stoff um ihr Bein, weichen Leinenstoff. Sie war verbunden worden.
    Sie öffnete langsam die Augen. Es war dunkel, der Schein des Feuers spiegelte sich in einem Schild, der achtlos beiseite geschoben worden war. Sie drehte den Kopf, vorsichtig, um den Schmerzen vorzubeugen und sah neben sich eine blutverschmierte Lederrüstung, angebracht an einem Körper. Sie konnte nicht weiter nach oben gucken als bis zum Bauch, aber die Beine waren durchtrainiert und sehnig. Trotz Schutzschoner an der Vorderseite konnte man erkennen, dass jahrelanges Üben dahintersteckte.
    „Ihr seid wach. Wie fühlt Ihr euch?“ Jaina sah einen weißen Fetzen auf sich zukommen und im nächsten Moment berührte ein kühles Tuch ihre Stirn. „Ich verhungere“, krächzte Jaina. Beim Klang ihrer Stimme stürmte ein pelziger Vierbeiner heran, darauf bedacht ihr Bein nicht zu berühren und bellte fröhlich drauf los. Er senkte den Kopf und begann Jainas Gesicht von oben bis unten zu liebkosen – abzuschlecken. Jaina konnte sich nicht wehren, sie versucht die Arme zu heben und ihren Hund von sich zu schieben aber sie hatte keine Chance. Auf einmal war sie erlöst, keine nasse Hundezuge mehr über ihren Atemwegen. Sie japste und holte Luft. Alistair hatte Jag am Halsband gefasst und rabiat zurückgezogen. Ihr Hund sah sie sorgenvoll an, als täte es ihm Leid, sie so stürmisch begrüßt zu haben. Jaina rappelte sich auf, stützte sich auf die Arme und schaffte es sich hinzusetzen. Das Pochen in ihrem Oberschenkel wurde stärker. Aber nun konnte sie Alistair ansehen, der neben ihr saß und der seinen Griff um Jag gelockert hatte. Er nickte ihr beruhigend zu und winkte jemandem zu, in Richtung des Feuers.
    „Du hast mich gehört, hm?“ Jaina blinzelte in Richtung ihres Hundes. Der sah sie hechelnd an. „Nun, hätte er es überhört, dann wäre der Rest der überlebenden Magier und wahrscheinlich auch die Leute auf den anderen Seite des Sees Euch zu Hilfe geeilt. Denn die Lautstärke war nun wirklich nicht das Problem.“ Alistair wollte ihr nochmals mit dem Tuch über die Stirn fahren, als seine Hand schon fast ihr Gesicht berührte hielt er inne und legte ihr das Tuch in den Schoß.
    „Wo bin ich hier? Sind die anderen wohlauf? Was ist mit den Magiern?“ Jaina nahm sich den nächstbesten Lederbeutel mit Wasser und trank gierig.
    „Wir sind im Lager. Bei Morgengrauen kehren wir zurück nach Redcliffe, es ist nicht mehr weit. Wir treffen den Magier – Irving heißt er, glaube ich – dort. Er bringt Lyrium mit.
    Allen anderen geht es gut. Ausgenommen Euch. Und Irving hat uns Unterstützung gegen die Verdernis zugesichert.“
    „Soll ich oder soll ich nicht fragen was mich in diese verfluchte Lage gebracht hat?“ Jaina unterbrach das Trinken kurz um Alistair erstmals anzusehen. Der wirkte aufgerieben, mitgenommen aber auch erleichtert. Nunja, so ein Kampf hat noch jeden mitgenommen, dachte Jaina bei sich.

    „Ich nehme an, Ihr habt gelernt, dass auf Igeln schlecht reiten ist? Nun, tatsächlich war Uldred weniger ein Igel als vielmehr ein mit eisernen Stacheln versehenes Riesen...tier. Ihr habt euch zielsicher den größten Nackenstachel ausgesucht, um Euer Bein darauf aufzuspießen. Ihr hättet gar nicht von ihm runterfallen können, so gut habt ihr es euch reingerammt.“
    Jaina stöhnte auf. Der Schmerz war nur die gerechte Strafe für ihre Unumsichtigkeit. „Lasst mich raten, wahrscheinlich war an seinem restlichen Hals kein einziger anderen Stachel mehr?“
    „Doch, auf der Vorderseite. Auf der Rückseite ein paar, aber die hätten nicht so viel ausgemacht. Ihr wart tatsächlich aufgespießt. Wir alle hörten euren Schrei, es klang... furchtbar. Als hätte jemand eure Seele erstochen – und ihr die des Mörders. Markerschütternd. Jag sprang zu euch und zerrte an Euch herum. Aber ich kann Euch versichern, dass der Blutverlust zu dem Zeitpunkt ohnehin schon sehr hoch war.“ Er pausierte kurz, deckte Jainas Unterkörper auf und machte sich an dem Verband zu schaffen. „Als Euer Hund sah, dass er es nicht schafft, sprang er uns reihum an. Mich natürlich als erstes. Er hat mich sogar in die Waden gezwickt weil ich nicht schnell genug war. Als ich bei Euch ankam, wart ihr nicht mehr bei Bewusstsein. Ich habe euch verbunden, Morrigan hat euch einige Tränke eingeflößt und Wynne euch irgendwie geheilt. Wir sprachen alles weitere mit Irving ab und nun sind wir auf dem Rückweg. Es tut mir Leid, aber wir konnten nicht länger warten.“

    Alistair sah sie entschuldigend an. Jaina ignorierte den Blick. „Ihr habt sie geführt, nicht wahr?“ Freude flackerte leicht in ihr auf. „Ja“, gab Alistair zu. „Wären wir Euren Anweisungen gefolgt, dürften wir uns nun in der Vorratskammer von Schloss Cousland befinden.“
    Jainas Freude wurde überdeckt von einem Schmerz, den sie in den letzten Tagen oft gespürt hatte.“Ja, ich weiß dass ich zuweilen im Schlaf rede. In jedem Fall“; sie hob die Augen und blickte Alistair an. „Gut gemacht! Wirklich. Ich bin mir nun vollkommen sicher dass ich Euch vertrauen kann. Und dass ihr nicht ganz lebensunfähig seid...“ Sie brachte ein leichtes Grinsen zustande und hörte an Alistair Tonfall, dass er ebenfalls lächelte. „Keiner hätte Euch im Stich gelassen, Jaina. Keiner hätte das können. So, nun schauen wir uns doch mal an, wie die Wunde aussieht.“ Vorsichtig löste er den Verband um Jainas Knie. Sie hielt still und betrachtete ihr freigelegtes Bein. Eine äußerst häßliche Wunde war auf der Oberseite zu sehen – und sie vermutete, ebenso auf der Unterseite. Ziemlich genau neben dem Oberschenkelknochen, das erkannte sie. Sie sah aus wie ein riesiger, runder Stich, gut zwei Fingerbreit im Durchmesser. Die Wunde war sauber und trocken, langsam bildete sich eine Kruste. Alistair griff nach einer kleinen Phiole in der eine gelbliche Tinktur plätscherte. Er griff sich das Tuch, das er Jaina hingelegt hatte, und träufelte etwas von der Flüssigkeit darauf. Behutsam, und überhaupt nicht kämpferisch-linkisch, tupfte er die Wunde ab, oben wie unten. Jaina spürte ein Ziehen in ihrem Schenkel. „Was ist das?“ „Fördert das Wachstum und die Heilung. Morrigan meinte, dadurch kann auch der innere Schaden behoben werden. Das Muskelgewebe wird wieder zusammenwachsen. Innerhalb kürzester Zeit.“

    Jaina lehnte sich zurück, als ein Schatten auf sie fiel. Über ihr stand Leliana. „Wie geht es Euch? Wollt Ihr etwas essen? Ihr müsst hungrig sein, ihr wart seit letzter Nacht keine Stunde wach. Wartet, ich bringe Euch etwas!“ Sie eilte davon und kam mit einer gefüllten, gut riechenden Schüssel zurück. Alistair versorgte immer noch ihre Wunde. Leliana machte kein großes Aufhebens, sie fütterte Jaina ohne erst zu fragen und erzählte dabei wortreich von der Maga, die sie direkt geheilt hätte und davon, dass die Magier den Wächtern im Kampf zur Seite stehen würden. Wynne war auf Anraten des Magiers Irving im Zirkel geblieben aber hatte sich bis zu ihrer Abreise immer wieder nach Jainas Zustand erkundigt. „Ich bin froh, dass Irving ihr gute Neuigkeiten mitbringen kann, wenn er zum Zirkel zurückkehrt.“ Leliana blickte sie froh an und schob ihr den nächsten Löffel Fleisch in den Mund. Jaina war schon fast überfordert mit Zuhören und Kauen und Schlucken, doch dann war es geschafft. Die Schüssel war leer, Jainas Magen zufrieden und Alistair machte sich daran, den Verband um Jainas Bein zu wickeln. Leilana klärte sie über Morrigans Tränke auf. „Sie behauptet, Ihr solltet bis zum Morgengrauen wieder laufen können. Nicht rennen, aber eben gehen. Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Aber bisher hat sie nichts getan um anderes Glauben zu machen. Außer dass sie generell nur zu den Wenigsten freundlich ist, und man erwarten könnte, dass sie einem ein Messer in den Rücken rammt....“ „Wohl eher ins Bein“, brummte Jaina. „Hört mal ihr zwei: Ich danke euch beiden. Ihr könnt Euch selbst ausrechnen, was mit mir passiert wäre, wärt ihr nicht gewesen. Und was dich angeht, Jag...“ Sie hob einen Arm in Richtung des Mabaris, der sofort neben ihr Platz nahm und sich streicheln ließ. „Ohne dich wäre ich wohl schon in meiner Kindheit gestorben. Aber einen Knochen bekommst du dennoch, so wir einen auftreiben können.“
    Jaina rieb Jags Hals ein Weilchen, dann rückte sie die Decken unter sich zurecht. Alistair saß schon eine Weile neben ihr und sah ins Feuer. Sie war froh gewesen zu hören, dass er trotz allem was bisher geschehen war Führungsqualitäten besaß. Wir brauchen jemanden, der mich ersetzt falls ich wieder auf so saublöde Ideen komme, dachte Jaina säuerlich.
    Sie entspannte sich und drehte sich halb auf die linke Seite, schloss die Augen und war eingeschlafen.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (28.04.2011 um 21:28 Uhr)
  6. #46 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    13) Die Befreiung

    Ein kühler Sonnenstrahl kitzelte Jainas Nase. Sie schlug die Augen auf. Die Sonne ging gerade auf. Es war nicht kalt und sie fühlte sich gut. Keine Schmerzen mehr im Bein. Vorsichtig richtete sie sich auf, setzte sich hin und stütze sich ab. Alistair ein paar Schritt von ihr entfernt, ein Lächeln auf den Lippen im Schlaf. Lelianas Zelt war noch verschlossen und Morrigans Feuer abseits des Lager war niedergebrannt.
    Jag hatte sie gehört und kam glücklich schwanzstummel-wedelnd auf sie zu. Jaina schlang die Arme um ihren Hund und drückte ihn an sich. Sie musste nichts sagen, sie wusste genau, dass der Mabari sie verstand.
    Endlich versuchte sie aufzustehen. Zuerst das linke, unbeschadete Bein, dann setzte sie das rechte auf, ging in die Hocke und stand langsam auf. Sie fühlte ein leichtes Ziehen im Schenkel, aber mehr nicht. Probehalber tat sie ein paar Schritte und sie konnte tatsächlich gehen. Dennoch spürte sie, dass mehr als Gehen sicherlich nicht drin war. Sie dankte Morrigan im Stillen für ihre Kräuterkünste. Sie würde sich hoffentlich irgendwie dafür revanchieren können.
    Sie ging noch ein paar Schritte im Lager umher um ihr Blut in Wallung zu bringen, dann weckte sie nacheinander ihre Kameraden, schickte Jag zu Morrigan und machte sich daran, alles zusammenzupacken. Sie war gerade dabei die Decken zusammenzulegen, als sie einen äußerst weiblichen Schrei hörte. Alistair, der sich gerade das Gesicht gewaschen hatte, grinste bösartig. „Ihr habt einen wunderbaren Hund. Der weiß, wie man die Menschen am besten glücklich macht.“ Auch Leliana kam lachend aus dem Zelt gekrochen und nahm Alistair den Wasserbeutel ab.

    Nach einigen Minuten war alles verstaut und Morrigan hatte sich zu ihnen gesellt – vielmehr war sie direkt auf Jaina losgegangen. „Dieser blöde Köter hat mir ein halb-verrottetes Kaninchen in die Unterwäsche gelegt. So etwas will niemand dort haben. Sagt ihm, er soll das künftig sein lassen!“ Jaina sah sie interessiert wie ungläubig an. „Im Ernst? Ihr tragt Unterwäsche??“
    Alistair und Leliana brachen in schallendes Gelächter aus, was mit einem eisigen Blick Morrigans in ihre Richtung quittiert wurde. „Ja, zuweilen. Und Ihr solltet das vielleicht auch. Nicht nur, dass es dabei hilft, Stacheln vom Körper abzulenken, damit schützt man sich auch gegen Männer, die ihre Finger nicht bei sich lassen können.“ Sie warf Alistair einen eindeutigen Blick zu. Wie schon einige Tage zuvor errötete Alistair, er ergänzte sich perfekt mit der aufgehenden Sonne. Jaina hatte so etwas erwartet und glücklicherweise errötete sie selbst nicht so leicht.
    „Wie auch immer, wir sollten los. Morrigan, habt vielen Dank.“ Jaina ruckte mit dem Kopf kurz in Richtung ihres Beines.“Und du Jag, den Hasenbraten essen wir am besten. Also leg ihn ans Feuer, nicht zu meiner Retterin.“
    Morrigan nickte geschäftsmäßig und erklärte ihr, dass sie bis Mittag wieder in der Lage sein sollte, alles was sie nur wünsche mit ihrem Bein anzustellen.

    So brachen sie in Richtung Redcliffe auf und wanderten durch die schon bekannte Landschaft. Nach ein oder zwei Stunden war das Schloss in Sichtweite und sie brauchten nicht mehr lange.
    Schließlich standen sie in der großen Vorhalle, in der Teagan seinem Neffen Kunststückchen vorgeführt hatte.


    Dort standen Irving, zwei andere Magier, Jowan, Isolde und Teagan. Irving begrüßte Jaina höflich, er hatte eine kratzige Stimme und wirkte großväterlich. Sein dichter Bart war ihr noch gar nicht aufgefallen, ebensowenig wie sein etwas langsamer Gang und die kräftige Statur. „Danke Irving, mir geht es gut. Ich bitte Euch, richtet Wynne aus, dass ich so gut wie vollkommen geheilt bin und dankt ihr in meinem Namen. Und danke auch Euch für alles was Ihr bisher getan habt.“ Jaina verbeugte sich vor dem ehrwürdigen Magier.
    Der lächelte sie freundlich an und erklärte ihr das Ritual: „Wir können einen Magier ins Nichts schicken. Es ist wahrscheinlich, dass der Dämon versuchen wird, einen Handel einzugehen – darauf darf man nicht eingehen. Der Dämon muss vernichtet werden, damit der Junge frei ist. Wer wird also gehen?“
    Jaina drehte sich nach Morrigan um und sah sie fragend an. „Ich werde gehen.“ Gelassen ging Morrigan auf Irving zu.
    Der nickte. „Gut. Fangen wir an.“

    Er ging auf zwei Liegen zu, auf der einen lag Connor, auf die andere legte sich Morrigan. Gemeinsam mit Irving wob sie einen Zauber und lehnte sich dann auf die Liege zurück. Die beiden anderen Magier und Jowan traten zu Irving und begannen ebenfalls mit den Armen zu fuchteln. Das Lyrium das sie mitgebracht hatten stand in einer großen Schüssel auf dem Boden und wurde stetig weniger. Jaina hatte Teagan um Erlaubnis gebeten, sich einen Stuhl zu holen, welcher ihr von einem Ritter gebracht wurde. Sie setzte sich und beobachtete das Ritual, das mittlerweile nicht mehr aus fuchteln bestand, sondern darin, dass alle Magier außer Morrigan am Boden knieten und ihre Handflächen über der Lyriumschüssel platziert hatten. Um sie herum schien die Luft zu wabern. Jaina meinte erkennen zu können, dass Connor und Morrigan von einem leicht bläulichen Schein umgeben waren. So verging einige Zeit, Jaina hätte nicht sagen können ob nur Minuten oder Stunden. Plötzlich nahm das Wabern zu und die vier Magier strahlten auf einmal eine ungeheure Kraft aus. Es war als könnte man die Spannung wie Taue im Raum gespannt sehen. Jaina warf einen Blick zu Alistair und Leliana, die vor dem Feuer Platz genommen hatten und misstrauisch das Ritual beäugten.

    Und auf einmal fuhr eine Welle durch den Raum, sie erfasst jeden und wehte durch jedermanns Haare. Und dann rührte sich Connor. Er öffnete die Augen, die Magier erhoben sich und gaben den Blick auf die fast leere Lyriumschüssel frei. Jowan hielt sich zurück, während Irving sich um Connor kümmerte und der Junge sich aufsetzte. Seine Mutter konnte nicht an sich halten und rannte zu ihrem Kind um es in die Arme zu schließen.
    Die Magier ließen sie gewähren und beglückwünschten Morrigan, die ebenfalls aufstand. Sie nickte kühl und trat an Jainas Seite. „Nachdem wir nun alle familiären Probleme gelöst hätten – würde es Euch etwas ausmachen die eigentliche Aufgabe in Angriff zu nehmen? Nicht, dass ich drängeln möchte, aber ich meine mich zu erinnern, dass Euer werter Freund dort meinte, dass eine Verderbnis nicht wartet, bis der Gegner eine Armee beisammen hat.“

    Jainas Blick verfinsterte sich aber sie sagte nichts. Hier wäre das nicht angebracht, zudem wollte sie sich vor Isolde keine Blöße geben.
    Herzloses Weibstück, dachte Jaina bei sei. Ich muss Fergus finden. Wenn wir zu diesen Elfen reisen kommen wir fast an Ostagar vorbei. Ich muss dorthin. Oder vielleicht ist er in Denerim.
    Sie würde schon eine Möglichkeit finden, ihren Bruder zu suchen, dessen war sie sich sicher. Und sie würde nicht alleine gehen. Selbst wenn Morrigan oder auch Alistair sich weigern würden, sie wusste Leliana würde bei ihr bleiben, ebenso wie ihr Hund. Dennoch spürte sie einen Stich bei dem Gedanken, die anderen beiden zurückzulassen. Aber jetzt war noch nicht die Zeit das zu entscheiden. Isolde und Teagan verabschiedeten mit viel Dank und einer großzügigen Belohnung die Magier, dann führten sie Jainas Gruppe in Arl Eamons Gemach.
    „Es ist vorbei. Connor scheint sich an nichts zu erinnern – was ein Segen ist. Wir werden ihn wenn er alt genug ist, zum Zirkel schicken.“ Teagan warf Isolde einen warnenden Blick zu. „Uns ist allen klar, dass das die einzige Möglichkeit ist. Aber mein Bruder liegt immer noch im Koma, und wir wissen nicht, wie lange er noch durchhält. Er wird viel zu betrauern haben, aber zumindest geht es seinem Sohn und seiner Gattin gut.“
    „Die Asche. Andrastes Heilige Asche wird ihn heilen“, Isolde drehte sich zu ihrem Mann.
    „Ich werde sie für Euch finden.“ Jaina wusste, dass es keinen anderen Weg gegeben hätte und sie war dankbar für alles, was sie wieder auf Reisen brachte. Diese Familie zu sehen, eine Familie, ganz ähnlich der ihren...
    Teagan bedankte sich bei ihr für alles was sie getan hatte und deutete an, dass er Jowan bis zu Eamons Genesung im Kerker lasse würde. Teagan wandte sich an Alistair: „Alistair, ich weiß, dass die Grauen Wächter jede Hilfe gebrauchen können, die es gibt. Ihr kennt euch hier aus. Hier ist der Schlüssel zur Waffenkammer. Rüstet euch gut aus.“ Alistair dankte ihm und machte sich mit Leliana und Morrigan auf den Weg. Jaina ging nach unten, sie hatte gute Waffen aus der Truhe ihres Vater nehmen können, bevor... es zu spät war. Wieder erhob sich diese dunkle Flut in ihr und sie war froh, dass sie alleine war. Erschöpft lehnte sie sich an einen Türrahmen. Sie wartete geduldig und während sie wartete entdeckte sie einen polierten Schreibtisch, der hinter ihr im Raum stand, dessen Tür nicht ganz geschlossen war. Jaina schlüpfte hinein. Es war ein Arbeitszimmer, wahrscheinlich das des Arls. Der rote, hölzerne Schreibtisch stand im Zentrum, darauf lagen einige Notizen. An den Wänden standen büchergefüllte Regale und Truhen. Der Stuhl vor dem Schreibtisch war mit roten Polstern bedeckt und wirkte sehr bequem. Jaina beugte sich über den Schreibtisch, sie war neugierig geworden. Eine der Schubladen stand etwas offen und darin funkelte ihr etwas entgegen. Sie zog die Schublade auf und entdeckte ein Amulett an einer wunderschön gearbeiteten, silbernen Kette. Auf dem Amulett war das Symbol von Andraste eingraviert. Sie wusste was das war. Sie erinnerte sich an das Gespräch mit Alistair. Sie nahm das Amulett in die Hand und untersuchte es. Kein Kratzer, kein Riss. Es sah aus wie neu. Schnell schob sie es in ihren Gürtel und ging zurück zum Vorraum. Keine Sekunde zu früh, sie hörte Schritte auf den Treppen und herunter kamen Leliana in einer neuen Lederrüstung und einem robusten Bogen, Alistair ebenfalls in einer neuen und robusteren Rüstung und Morrigan, an der sich auf den ersten Blick nichts geändert hatte.

    Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen gingen die Gefährten gemeinsam aus der Halle, ließen da Schloss hinter sich und machten sich zu ihrem Lagerplatz auf.
    Fawks ist offline
  7. #47 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    14) Was nun?

    Unterwegs verkauften die Kameraden alle unnötigen Dinge, die sie ersetzt hatten oder einfach nicht benötigen würden. Mit einem durchaus gut gefüllten Geldsäckchen kamen sie beim Lager an – die Sonne neigte sich schon wieder langsam gen Westen. Es war Spätnachmittag.
    Jaina scherzte mit Leliana, die ihr von Schuhen erzählte – ein Thema mit dem sich Jaina nie sonderlich auseinander gesetzt hatte. Gemeinsam richteten sie ein Abendessen – diesmal gab es eine Gemüsesuppe mit frischem Brot, das sie aus Schloss Recliffes Küche bekommen hatten – und bald saßen sie gemeinsam beim Feuer, die untergehende Sonne wärmte ihnen den Rücken. Selbst Morrigan hatte sich zu ihnen gesellt und erzählte von ihrer Reise ins Nichts. Dass das ein sehr seltsamer Ort wäre, als ob alles vor einem verschwömme und dass man es keinesfalls mit einem normalen Ort vergleichen könne. Connor war im Nichts gefangen gewesen als Dämon, aber seine Erinnerungen hatten Möbelstücke aus dem Schloss im Nichts widergespiegelt. Der Junge selbst sei nicht zugänglich gewesen, sodass Morrigan sich direkt daran machte den Dämon zu finden und auszulöschen.
    „Was war diese Kraftwelle? Die, die jeder im Raum gespürt hat? Ich kenne diese Wirkung von Kriegsschreien...“ Jaina guckte fragend zu Morrigan.
    „Ich nehme an, das war die freigesetzte Energie, als ich den Dämon tötete. Connor war schlagartig wieder Herr seiner selbst und die dunkle Macht in ihm mit einem Mal verschwunden.“

    So unterhielten sie sich noch ein wenig, bis die Sonne ganz tief stand. Morrigan kehrte zu ihrem eigenen Feuer zurück und murmelte etwas von „Beschwörungen ausarbeiten“, Leliana hatte ihren Köcher mit Pfeilen geleert und untersuchte jeden einzelnen genau und steckte neue Pfeile hinzu, die sie aus Schloss Redcliffes Waffenkammer mitgenommen hatte. Jag war im Gebüsch verschwunden, wahrscheinlich auf der Jagd nach kleinen Tieren.

    Jaina erhob sich und ging auf den Rand der Lichtung zu, der in einer kleinen Klippe mündete. Sie genoss die letzten wärmenden Sonnenstrahlen und ihr genesenes Bein. Sie fühlte sich freier und froher als bisher und hoffte, dass das so bleiben würde.
    „Jaina...“ Eine Stimme hinter ihr ließ sie erst gar nicht in Gedanken versinken. Sie drehte sich halb zur Seite und sah Alistair neben sie treten. „Ich möchte mit Euch über die Geschehnisse in Redcliffe reden.“
    Jaina sah ihn erstaunt an. „Ihr wart doch dabei – und das Ergebnis ist doch erfreulich, oder?“ Alistair sah sie ernst und warm an. „Ja. Ich möchte Euch nur danken. Ihr habt alles getan um die Familie des Arls zu retten und das mit Erfolg. Ihr hättet es Euch auch leichter machen können. Es gab soviel Tod und Zerstörung, dass.... es mich froh stimmt, dass wir etwas retten konnten, wie unbedeutend es auch sein mag. Das war ich dem Arl schuldig.“ Jainas Mundwinkel zogen sich automatisch nach oben. „Gern geschehen.“ „Sehr schön. Nachdem wir nun den sentimentalen Teil hinter uns hätten, können wir wieder zur rituellen Verstümmelung übergehen – halt, heute ist gar nicht Dienstag, oder?“ Ein neckisches Grinsen umspielte Alistairs Lippen als er sich abwenden wollte.
    „Wartet. Ihr habe hier etwas für Euch.“ Sie langte an ihren Gürtel und löse die silberne Kette mit dem Amulett und legte sie in Alistairs Hand. Der schien fassungslos. „Das... das ist das Amulett meiner Mutter! Ich erkenne es wieder! Aber warum ist es nicht zerbrochen? Wo habt ihr es gefunden?“ Drängend sah er Jaina an. „Im Schreibtisch des Arls.“
    „Oh... dann muss er es gefunden haben nachdem ich es an die Wand geworfen hatte. Und er hat er repariert und aufbewahrt. Aber warum?“
    Jaina hob die schmalen Schultern. „Möglicherweise bedeutet Ihr ihm mehr als Ihr denkt.“
    Alistair grübelte. „Ihr könntet Recht haben. Wir haben nie viel miteinander gesprochen. Und als ich dann gehen musste... Ich danke Euch. Ehrlich. Ich dachte ich hätte es dank meiner Dummheit verloren. Wie oft habe ich mir gewünscht es wiederzuhaben. Ich werde mit ihm darüber sprechen, falls er sich erholt. Ich meine, sobald er sich erholt.“ Die Nachdenklichkeit wich aus Alistairs Zügen und wurde wieder von Wärme eingenommen. „Ihr habt Euch an das Gespräch erinnert? Wow. Ich bin eher an Leute gewöhnt, die mir nicht richtig zuhören wenn ich rede.“ Sein Blick trübte sich etwas, aber nur ganz leicht.
    Jaina sah ihn fast gereizt an. „Wieso sollte ich Euch nicht richtig zuhören? Ihr seid.... Du bist mir wichtig.“ Jaina hatte nun genug von dieser höfischen Form. Sie mochte Alistair noch nicht lange kennen, aber sie wusste genug über ihn um sagen zu können, dass diese Formen ihm ebenso wie ihr auch nur angewöhnt worden waren.
    Alistair sah verlegen zu Boden. „Ich weiß nicht was ich sagen soll. Du... bist mir auch wichtig.“ Er sah sie wieder an. „Danke noch mal.“
    Jainas Gereiztheit verschwand. Sie setzte sich an den Rand der Klippe und Alistair folgte ihrem Beispiel. „Hör mal...“ er räusperte sich. „Vielleicht sollte ich mich jetzt nicht damit befassen, aber ich möchte dich etwas fragen. Wie es aussieht werden wir irgendwann demnächst in Denerim vorbeikommen und ich hatte mich gefragt ob wir dort jemanden besuchen könnten.“
    Jaina grinste ihn an. „Dort wohnt aber nicht eine ehemalige Geliebte von dir, oder?“ Alistairs Gesicht verzog sich zu einer ärgerlichen Grimasse.
    „Eine ehemalige... was? Nein! Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich die... gemeinsam mit dir?! Nein!“ Jaina konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Sie fühle sich irgendwie noch froher und leichter. Und sie konnte nur erahnen weshalb. Sie zwinkerte Alistair zu, der wohl peinlich berührt merkte, dass er etwas überreagiert hatte.
    „Jedenfalls – ich habe eine Schwester. Eine Halb-Schwester um genau zu sein. Ich erzählte doch, dass meine Mutter ein Dienstmädchen im Schloss Redcliffe war. Sie hatte eine Tochter – nur wusste ich nichts davon. Ich glaube auch nicht, dass meine Schwester von mir weiß – meine Geburt wurde geheimgehalten. Aber nachdem ich ein Grauer Wächter geworden war stellte ich Nachforschungen an und fand heraus, dass sie noch lebt. In Denerim.“
    Jaina war überrascht. „Das klingt doch toll! Hast du sie kontaktiert?“
    Alistair schüttelte den Kopf. „Ich dachte, ich könnte ihr schreiben, aber ich habe es nicht getan. Und dann wurden wir nach Ostagar gerufen und ich kam nicht mehr dazu. Sie ist die einzige Art von Familie, die ich noch habe. Und sie hat nichts mit dieser Königssache zu tun. Ich dachte mir, dass es vielleicht an der Zeit wäre sie kennenzulernen. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich sie nach der Verderbnis noch treffen könnte. Vielleicht kann ich ihr helfen, sie warnen oder so. Es würde mir viel bedeuten. Sie heißt Goldanna und wohnt nahe des Gesindeviertels.“
    Seine Worte hatten wieder dieses Bröckeln in ihr hervorgerufen. Und diesmal schien ein riesiger Felsen langsam zu zerbröckeln. Sie konnte sich noch beherrschen und versicherte Alistair, dass sie in Denerim bei seiner Schwester vorbeischauen würden. Aber ihre Stimme war kurz davor zu brechen. Sie konzentrierte sich und sog tief Luft ein, so unauffällig es ging.
    Sie freute sich wirklich für Alistair. Aber sie fühlte wieder das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, in sich aufsteigen. Nichts sprach dagegen, zumindest Alistairs familiäre Bande aufrecht zu erhalten. Aber was war mit ihr? Konnte er nicht im Gegenzug ihr helfen?
    Sie machte den Fehler, zu lange über ihr unglückliches Schicksal nachzudenken. Jegliche Freude war verschwunden. Sie fühlte nur noch bittere Leere in sich.
    „Alistair, bitte lass mich allein. Ich möchte... ach egal.“ Jaina zog die Knie unters Kinn und platzierte ihren Kopf darauf. Sie konnte mal wieder die Tränen nur schwerlich zurückhalten und fühlte wie es ihr den Hals zuschnürte.

    „Sagtest du nicht, du vertraust mir?“ Jaina nickte mit zusammengebissenen Zähnen. Konnte er sich nicht einfach davonscheren. Zu seiner Schwester. Oder sonstwohin. Sie wollte einfach nur alleine sein. Was wusste er denn schon von Vertrauen – nichts! Ihr Bruder hatte ihr vertraut, und sie hatte dieses Vertrauen enttäuscht.
    Wut überschlug sich in ihren Gedanken – aber es mischte sich Traurigkeit darunter, und ein kleines bisschen Verständnis. Sie wollte gar nicht alleine sein. Sie wollte Fergus hier haben. Und auch Alistair. Aber es ging einfach alles schief!

    Jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen, Kleines. Das hatte ihr Vater immer gesagt. Sie hatte gehofft ihre Aufgaben verbinden zu können. Es sah ganz und gar nicht so aus als ob das klappen würde.
    Alistairs Stimme unterbrach ihre Gedanken. „Dann halte es doch nicht zurück. Jeder hier weiß, dass du...“
    „So, weiß das jeder?!“ Flammende Wut sprühte aus Jainas Augen, die Traurigkeit in ihren Gedanken vermischte sich mit ihrer Wut und sie ließ ihren Gefühlen freien Lauf – und es tat ihr gut. Viel zu lange hatte sie sich beherrschen müssen. Der Kloß in ihrem Hals war verschwunden und sie funkelte Alistair aufgebracht an.
    „Na schön, wenn das alle wissen, warum bei allen verfluchten Dämonen habt ihr mich nicht meinen Bruder suchen lassen? Bei Morrigan konnte ich kaum was anderes erwarten, aber du...! Du hast eine SCHWESTER!“ Jaina fauchte ihm die Worte entgegen wie eine wild gewordene Katze. Alles erschien ihr völlig klar – und in ihrer Sichtweise gab es viele Schuldige und sie als Opfer.
    „Jaina, pass auf..“ Alistair wollte sie am Arm greifen, doch sie wich ihm gekonnt aus – das Ergebnis jahrelangen Trainings.
    „Du solltest aufpassen.“ Sie blitzte ihn zornig an. „Ich helfe dir deine Schwester zu finden. Und ich werde meinen Bruder finden. Du musst mir nicht helfen – warum solltest du auch?!“
    Sie sprang förmlich auf und hätte Alistair am liebsten einen Tritt versetzt. Doch auch in ihn war Leben gekommen, er war ebenso schnell auf den Beinen wie sie und hatte sie bei beiden Schultern gepackt.
    „Hör auf damit!“ herrschte er sie an.
    Erschrocken hielt sie inne. So hatte sie ihn noch nie gesehen. „Ja, gerade ICH weiß wie du dich fühlst. Und ich habe dir meine Hilfe nicht verweigert. Es war nur nicht... passend...“ Jaina versuchte sich aus seinem Griff zu befreien, seine Worte schienen alles nur schlimmer zu machen.
    „Ich helfe dir, ihn zu finden, aber die Verträge sind auch wichtig. Du weißt das, du verdrängst es nur.“ Jaina hielt für einen kurzen Moment inne, hob den Kopf und starrte ihm geradewegs in die Augen. Darin konnte Alistair Zorn lesen. Und Traurigkeit. Unglaublich viel Traurigkeit. Fast hätte er sie losgelassen.
    Aber am liebsten hätte er sie in seine Arme genommen und festgehalten um ihren Schmerz zu lindern, aber er wusste, dass das Maß bereits übervoll war.
    „Howe wird bei Loghain sein. In Denerim. Irgendwie werden wir ihn kriegen. Und alle werden dir zur Seite stehen.“ Er erwiderte ihren Blick und versuchte soviel Verständnis und Zuversicht hineinzulegen wie er nur konnte.
    Die Erwähnung Howes hatte Jainas Gefühlslage verändert. Die Wut war abgeflaut, sie hatte sie einfach rausgelassen. Nun regierten Traurigkeit aber auch Entschlossenheit. Sie würde dieses verräterische Schwein finden und mit ihm abrechnen. Er würde jede einzelne Gelegenheit bedauern, zu der er sie „Mylords Tochter, das schönste Mädchen, das Ferelden je gesehen hat“ genannt hatte.

    Alistair sah die Veränderung auf ihrem Gesicht und lockerte seinen Griff um ihre Schultern. „Wir besprechen morgen wie wir weiter vorgehen. Leg dich schlafen.“ Seine Stimme war kein Befehlston – es war eine Bitte.
    Jaina sah ihn mit wässrigen grünen Augen an. „Ich... es tut mir Leid... aber Fergus...“ Alistair schüttelte leicht den Kopf. „Ich weiß. Geh schon.“
    Er selbst wandte sich von ihr ab und ging schnurstracks auf sein Zelt zu.

    Jaina wankte zu ihren Decken und wickelte sich darin ein. Die Tränen trockneten langsam. Das Feuer war kleiner geworden und die Dunkelheit längst über sie hereingebrochen. Von Leliana oder Morrigan war keine Spur zu sehen. Plötzlich legte sich etwas neben sie – ihr Mabari. Er sah sie mitleidig an und winselte ihr zu. Sie schob einen Arm aus ihren Decken und legte ihn um Jag. „Erinnere du mich nicht auch noch an meine Pflicht. Wir haben soviel zu tun. Die Asche, die Verträge, die Verderbnis – und mein Bruder. Das wird noch was...“ Jag sah sie aus klugen Augen an, als wäre er sich sicher, dass sie morgen die richtige Entscheidung treffen würde. Er kuschelte seinen Kopf an Jainas Achsel und schlief ein.
    Jaina hielt ihren Mabari im Arm und dämmerte ebenfalls langsam weg. Morgen sehe ich weiter... und dann war auch sie eingeschlafen.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (30.07.2011 um 17:05 Uhr)
  8. #48 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    15) Erste Entscheidungen

    Am Morgen wurde sie durch den Geruch von geschmolzenem Käse geweckt. Jaina rappelte sich schnell auf, sie schien verschlafen zu haben. Neben ihr saß Leliana, die ihr Brot in den flüssigen Käse tunkte. „Guten Morgen, Jaina. Wie fühlt Ihr Euch?“ Sorgenvoll musterte Leliana Jaina.

    Dieser wurde auf einen Schlag bewusst, was sie heute tun musste. Sie bediente sich ebenfalls am Frühstück und setzte sich neben Leliana. „Gut, danke.“ Sie meinte es so. Es ging ihr besser, wesentlich besser. Die Nachtruhe hatte ihr geholfen ihre Gedanken zu ordnen. Der Streit mit Alistair... er schien ihr gutgetan zu haben. Von diesem war auch im Lager nichts zu sehen.

    „Leliana, was würdet Ihr an meiner Stelle tun? Ihr wisst, dass mein Bruder verschwunden ist, aber die Verderbnis...“ Leliana blickte ihre Anführerin aus strahlend blauen Augen an. „Ich weiß, dass es für Euch ein Zwiespalt ist. Wenn die Verderbnis das Land überrollt, werdet Ihr Euren Bruder nie finden. Und die Chancen stehen gut, dass er selbst zu einem der Adeligen gegangen ist. Denn wenn er überlebt hat, wird er nicht lange in der Wildnis geblieben sein.“ So sprach Leliana mit ihrer sanften Stimme und Jaina wusste, dass sie genau so einen Rat gebraucht hatte. Alleine hätte sie sich fast nicht dazu durchringen können.

    Also schön, sie hatte einen Entschluss gefasst. „Danke Euch, Leliana. Ich habt mir sehr geholfen.“
    „Nur zu gerne. Ich bin für Euch da.“ Leliana lächelte sie an.

    Jaina verspeiste ihr Frühstück und wartete, dass alle zusammenkämen. Alistair kam mit einer frisch gewaschenen Rüstung eine Anhöhe hinauf, Jag lief, mit Umwegen um an Sträuchern zu schnuppern, neben ihm her. Morrigan hatte ihren Rucksack geschultert und kam auf Lelianas Feuer zu. „So, das heißt wohl unser großer Führer hat sich entschieden? Ich bin gespannt.“

    Alistair sah Jaina forschend an, aber diese ignorierte seinen Blick.
    „Allerdings, das habe ich. Ihr, Morrigan, werdet mit Leliana und Alistair zum Brecilianwald vorausgehen.“ Sie pausierte kurz um ihre Worte wirken zu lassen. „Jag kommt mit mir. Wir trennen uns von euch sobald wir Ostagar am Nähesten sind. Und wir kommen nach.“
    Ihre Worte hinterließen eine Wirkung. Leliana wirkte besorgt, schien aber die Entscheidung zu verstehen. Ähnlich sah Alistair aus, nur widerstrebte es ihm wesentlich mehr Jaina gehen zu lassen – und das konnte ihm auch ein Fremder ansehen. Morrigan dagegen fragt hochmütig, wie es käme, dass sie sich zum Laufburschen machen ließe.
    „Ihr seid nicht der Laufbursche. Alistair ist der Graue Wächter, er hat die Verträge. Ihm werden die Elfen Unterstützung zusagen. Und Ihr solltet die Grauen Wächter beschützen, das sagte Euch Flemeth.“ wies Jaina sie scharf zurecht. Morrigan zuckte mit den Achseln.
    „Was immer Ihr sagt. Ich rate Euch nur Eure Zeit nicht zu sehr zu verschwenden. Es mag seltsam klingen, aber wir brauchen Euch. Um genau zu sein einer von uns... denn sonst kommt der auch noch auf die Idee seine Pflicht zu vernachlässigen.“ Morrigan sagte das ohne Alistair anzublicken und das brauchte es auch nicht.
    Jaina ignorierte die Beleidigung und packte ihre Waffen. „Nur keine Sorge. Mir wird nichts geschehen. Jag ist bei mir und ich komme so schnell wie möglich nach.“
    Alistair hatte inzwischen mehrfach die Farbe gewechselt. Zuerst zornesblaß und mittlerweile wieder leicht errötet.

    Die Anführerin sah in die Runde. „Worauf warten wir noch?“
    Die Kameraden packten den Rest ihrer Ausrüstung zusammen und gingen los, in Richtung Osten. Jaina hatte sich mit Jag an die Spitze der Truppe gesetzt um nicht mit Morrigan reden zu müssen. Denselben Gedanken schien Alistair zu haben, er gesellte sich zu ihr.
    „Ist alles in Ordnung mit dir? Wegen gestern Abend, es war dumm von mir, mit meiner Schwester anzufangen, wo du doch gerade...“
    „Mach dir keine Gedanken. So böse es klingt, aber es war genau das was ich gebraucht habe. Ich fühle mich wesentlich besser. Ich trauere nicht mehr um Fergus. Ich weiß, dass er lebt. Und meine Familie...“ Sie seufzte leise. „Sie waren stolz auf ihre Kinder. Ich hoffe, ich würde sie immer noch stolz machen. Wo wir schon dabei sind... möchtest du über Duncan reden?“ Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, und Alistair wandte sich ab. „Du musst das nicht tun. Du kanntest ihn nicht so lange.“
    „Stimmt, aber auch ich betrauere sein Schicksal. Zumal er so etwas wie ein Vater für dich war. Ich kann es verstehen.“ Jaina bemerkte, wie er sich wieder zu ihr drehte.
    „Ich... hätte nicht so reagieren sollen. Duncan sagte mir, dass so etwas sehr leicht passieren kann. Ich hätte nicht die Kontrolle verlieren dürfen. Es tut mir Leid. Ich möchte ihn begraben, ordentlich. Ich weiß, dass er aus Highever stammte. Wenn das alles vorbei ist, werde ich dorthin gehen.“
    Jaina lächelte. Duncan war aus Highever gewesen – aus ihrer Heimat. „Ich würde dich gerne begleiten.“ Alistair blickte sie erstmals offen an. „Gerne. Ich glaube, dass es auch Duncan gefallen hätte.“

    So reisten sie in schnellem Tempo durch die Ebenen Fereldens, die grasbewachsen und hier und da mit Bäumen bestückt eine friedliche Atmosphäre schufen. Keiner hätte geglaubt, dass eine Verderbnis kurz bevor stand. An einem Abend, als die Kameraden gemeinsam am Lagerfeuer saßen und das letzte Mal – vorerst – gemeinsam speisten, schien die Gegend ruhiger zu sein, als überhaupt möglich. Keine Meile südlich von hier hatten blutige Kämpfe stattgefunden. Und die dunkle Brut konnte mittlerweile praktisch überall sein.

    Jaina aß ohne Hast, als sie fertig war erhob sie sich vom Feuer und befestigte Schwert und Dolch auf dem Rücken. Ihre Kameraden hatten sich auch erhoben, Morrigan schenkte ihr ein knappes Nicken und ging dann zu ihrem Zelt, das wie immer abseits der anderen stand.
    Leliana war da wesentlich unbefangener, sie umarmte Jaina voller Freundschaft und segnete sie im Namen des Erbauers. „Ich nehme an, ihr wollt die letzten Minuten alleine mit ihm verbringen.“ Sie nickte in Richtung Alistair. Jaina hatte weder die Zeit zu verneinen, noch zu bejahen, Leliana war schon mit ihrem Bogen in Richtung einer kleinen Baumgruppe gesprungen, sie drehte sich noch einmal um und winkte Jaina heiter zu. Dann verschwand sie zwischen den dichtstehenden Bäumen.

    Alistair hatte sich auch erhoben und sich nach seinem Gepäck gebückt. Nun kam er auf Jaina zu, die ihn mit einer Handbewegung anwies, sie noch ein paar Schritte zu begleiten. Jag rannte schon aufgeregt auf einen Busch im Süden zu.

    „Du tust das also wirklich? Also, nicht dass es ich nicht ebenso machen würde, aber... dort unten ist die Dunkle Brut... und wie willst du ihn finden?“ Alistair schien nervös zu sein, er fummelte unaufhörlich an seinem Gürtel herum.
    „Deshalb brauche ich Jag. Seine Spürnase hat noch jeden Verschollenen gefunden. Pass auf dich auf. Die Elfen müssen uns helfen und ich bin mir sicher, dass du meistern wirst, was auf dich zukommt. Vielleicht müsst ihr ja nur die Verträge vorzeigen.“ Jaina versuchte ein Lächeln, doch es wollte ihr nicht ganz gelingen.
    „Du solltest auf dich aufpassen. Vergiss nicht, dass Loghain uns suchen lässt. Highever ist nicht weit von hier, und er weiß wo du herkommst. Ich... kann immer noch nicht glauben, dass du mich mit Morrigan alleine lässt.“ ergänzte er seinen angefangen Satz hastig.

    Jaina schaute ihn zuversichtlich an, sie war einen Schritt vor ihn getreten. „Wir sehen uns bald wieder. Hm,... viel Erfolg.“ Damit drehte sie sich um und wollte von dannen gehen. „Jaina, warte.“ Alistair lief ihr die wenigen Schritte hinterher, die sie getan hatte. Sie drehte sich zu ihm um und sah, wie er wieder an seinem Gürtel nestelte. Und dann zog er etwas daraus hervor und hielt es ihr unter die Nase. „Schau mal. Weißt du was das ist?“ Jaina betrachtete die Pflanze in seiner Hand, sie war dunkelrot und duftete leicht. Es war eine wunderschöne Rose.
    „Ist das eine Fangfrage?“ Jaina nahm die Rose entgegen und betrachtete sie. „Ja. Ich möchte dich austricksen. Ich hätte es fast geschafft, oder?“ Er lachte unsicher auf. „Ich habe sie in Lothering gepflückt. Ich weiß dass ich dachte „Wie kann etwas so Schönes an einem Ort voller Verzweiflung und Häßlichkeit existieren?“ Ich hätte sie wohl stehen lassen solllen, aber ich konnte nicht. Die Verderbnis würde kommen und würde sie zerstören. Seitdem trug ich sie bei mir. Ich dachte, ich könnte sie dir geben. Ich denke oft so über dich, wenn ich dich ansehe.
    „Du meinst, ich bin wie eine sanfte Blume?“ Jainas angedeutetes Grinsen war gut zu erkennen.
    „Eine sanfte Blume? Nein, so hätte ich es sicher nicht gesagt.“ Alistair erwiderte ihr neckisches Grinsen.
    „Ich weiß nicht, was ich sagen soll...“
    „Naja, es ist schon ein bisschen dumm, oder? Ich dachte nur... ich beschwere mich die ganze Zeit, dabei hattest du bisher auch keine schönen Zeiten gehabt. Du hattest noch keine schönen Erlebnisse als Grauer Wächter, kein Dank und keine Glückwünsche... es gab immer nur Kampf und Tod und Traurigkeit. Ich dachte, ich könnte dir dadurch sagen, was für ein wunderbares und seltenes Kleinod du in dieser Dunkelheit bist.“
    Jaina war gerührt. „Danke dir, Alistair.“
    „Freut mich, dass es dir gefällt. So, könnten wir jetzt diese peinliche und unangenehme Sache hinter uns lassen und direkt weiter gehen – das wäre toll.“
    „Na dann – runter mit der Rüstung!“ Jaina grinste Alistair nun breit an, der errötete. „Oh, Bluff aufgedeckt. Mist, sie hat mich durchschaut.“
    Die beiden lachten und Jaina verstaute die Rose vorsichtig in der Seitentasche ihres Rucksacks. Schließlich wandte sie sich zum Gehen – sie musste los und diese Situationen mit Alistair waren tatsächlich seltsam. Sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte und ihm schien es genauso zu gehen.
    „Also dann... bis bald.“ Sie trat instinktiv an ihn heran, ohne zu wissen warum und legte eine Hand auf seinen Arm. Er legte eine Hand auf ihre und sah sie unergründlich an.
    Was mache ich da? fragte sie sich selbst und trat genauso schnell wieder zurück, wandte sich um und ging schnellen Schrittes ihrem Hund hinterher.
    Fawks ist offline
  9. #49 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    16) 1) Die dunkle Bedrohung


    Alistair blickte ihr nach. Es hatte ihn viel Überwindung gekostet, ihr die Rose zu geben, aber noch viel mehr Überwindung kostete es ihn, sie gehen zu lassen. Er konnte ihr nicht verbieten, nach ihrem Bruder zu suchen, er wollte es auch gar nicht. Aber er vermutete, dass die letzten Grauen Wächter in Zeiten, in denen sie gesucht wurden, zusammenbleiben sollten und die Verträge so schnell wie möglich einlösen mussten.
    Der junge Wächter wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Ihm war seine Aufgabe klar und er würde alles daransetzen sie zu erfüllen – es war seine Pflicht und er hatte den Eid geschworen sie zu erfüllen. Aber es hatte keinen Sinn sich einzureden, dass diese Frau entbehrlich war, dass auch ohne sie alles seinen normalen Gang weitergehen würde. Seine Gefühle waren völlig durcheinander als er den kleiner werdenden Punkt, der Jaina geworden war, mit den Augen verfolgte.

    Er spürte eine Bewegung neben sich. „Lasst sie gehen. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass sie wiederkommen wird. Ihr sorgt Euch zuviel.“ Flemeth hatte damals ganz ähnliche Worte verwendet wie jetzt Leliana. Alistair seufzte. „Mag sein“, gab er zu. „Aber wir müssen morgen bei Sonnenaufgang weiter. Der Brecilianwald ist nicht mehr weit von hier. Eine Tagesreise, höchstens anderthalb. Ich hoffe nur, dass die ihre Leute besser im Griff haben als der Zirkel der Magi.“ Alistair wandte sich um und ging auf das Feuer zu, gefolgt von Leliana, die ihn aufmerksam beobachtete. Er schälte sich aus dem Großteil seiner Rüstung und blieb mit einem weiten, ärmellosen Hemd und einer kurzen Leinenhose bekleidet am Feuer liegen. Die Kleidung untermalte seinen sehnigen und muskulösen Körper, die freiliegenden Arme und Beine zeugten von jahrelanger Ausbildung. Glattes, starkes Muskelgewebe spannte sich an Oberarm und Bein, als er die Position veränderte und sich eine Decke griff. „Gute Nacht, Leli... Was ist?“ Alistair sah die Bardin stirnrunzelnd an, er hatte ihren aufmerksamen und durchaus wohlwollenden Blick bemerkt.
    Diese lächelte sanft und wiegelte mit einer Handbewegung ab. Federnd ging sie zu ihrem errichteten Zelt und kletterte hinein. „Gute Nacht, Alistair.“
    Alistair überlegte noch kurz, zuckte dann gedanklich mit den Schultern und deckte sich zu. Er konnte jedoch lange nicht einschlafen. Das Feuer knisterte und so beruhigend es ihm immer vorkam, jetzt hielt es ihn wach und auch wenn er es nie zugegeben hätte, seine Gedanken waren bei seiner jungen Wächter-Freundin. Irgendwann spät in der Nacht übermannte ihn der Schlaf und ihm fielen die Augen zu.

    Alistair wachte auf als Leliana herumliegende Decken aufsammelte und einpackte. Er gähnte herzhaft, er hatte tatsächlich sehr lange wachgelegen. Schlaftrunken rappelte er sich auf und stopfte seine Decke zu dem anderen Gepäck, griff sich ein Stück Brot und während er darauf herumkaute packte er den Rest mit Leliana zusammen. Morrigan hatte ihr eigenes Lager auch schon abgebaut und trat die Glut neben Leliana aus. Alsbald zogen die drei los, kamen von der kargen Ebene in Wälder, die schattig und kühl waren. Die Bäume wurden immer dichter, aber sie konnten ihr schnelles Tempo beibehalten. Sie reisten sie den Tag über, machten nur kurz Rast um Trinkwasser nachzufüllen und ein kleines Mittagessen zu sich zu nehmen.
    Sie alle waren schweigsam, selbst Morrigan verzichtet darauf in Richtung Alistair zu sticheln. Schweigend reisten sie weiter bis zum frühen Abend, da kamen sie an ein Lager – ein Lager der Dalish-Elfen. Eine junge Elfenfrau hielt sie jedoch davon ab, sie dem Lager zu nähern. „Ihr seid hier nicht erwünscht, Fremder. Hier lagern die Dalish.“
    Alistair erwiderte, dass ihm das wohl bekannt sei und sagte, dass er mit dem Hüter des Clans sprechen müsste um Hilfe gegen die Verderbnis einzufordern. Die Jägerin weigerte sich ihn durchzulassen da sie nicht glaubte, dass er ein Grauer Wächter sei. Leliana und Morrigan mischten sich zeitgleich ein und schließlich wurden sie zu Zathrian, dem Hüter geführt. Die junge Jägerin erklärte ihm den Grund des Daseins der Fremden und der in die Jahre gekommene Elf wies sie an, an ihren Platz zurückzukehren.
    Zathrian begrüßte die Gefährten und verlangte die Verträge zu sehen. Alistair zeigte sie ihm und nachdem sie eine Weile über die Verderbnis diskutiert hatten, lud Zathrian sie zum Abendessen ein und ging mit ihnen zu einem großen Feuer, auf dem anscheinend Rehfleisch gebraten wurde.
    Der Hüter erklärte Alistair, dass er ihm nicht einfach bedingungslos Kämpfer zur Seite stellen könne, zumal er selbst kaum welche habe. Er erklärte, dass ein Werwolfrudel im Wald seine Jäger andauernd anfallen würde und sie daher sehr geschwächt seien. Sofern die Wächter also die Hilfe der Elfen benötigten müssten sie ihm im Gegenzug helfen. Alistair sagte zu und den Rest des Abend verbrachten die Kameraden am Feuer und lauschten Zathrians Erzählungen über die Werwölfe und die Beschreibung der Ruine in der sie anscheinend hausten.

    Am nächsten Morgen machten sich Alistair, Leliana und Morrigan auf zur Ruine, durchquerten den Brecilianwald, der ihnen allerhand Hindernisse in den Weg stellte, doch schon gegen Mittag waren sie bei der Ruine angekommen. Sie durchsuchten den obersten Teil, doch ihnen stellte sich mehr und mehr Untote wie auch Werwölfe in den Weg, sodass sie des nachts zurück zu den Elfen mussten. Auch der zweite und dritte Tag brachte noch keinen Erfolg, die Gefährten kämpften sich von Ebene zu Ebene, standen Dämonen und Untoten gegenüber, versuchten die Werwölfe zu Gesprächen zu überreden um ihren Anführer, Schattenreisser, davon zu überzeugen, von den Elfen abzulassen.
    Morrigan und Leliana diskutierten mit Alistair, ob Zathrian nicht vielleicht mehr wusste als er zugab. Trotz dieser Vermutung half ihnen das nicht dabei, Schattenreisser zu finden, sodass sie am vierten Tag direkt zur untersten Ebene der Ruinen gingen und sich anscheinend dem Bau der Werwölfe immer mehr näherten – sie wurden häufiger von ihnen angegriffen. Irgendwann, gegen Ende des vierten Tages standen sie vor ein paar Werwölfen, die sie baten, davon abzusehen weitere zu töten und stattdessen mit der Herrin des Waldes, ihrer Führerin, zu sprechen. Die Kameraden wurden neugierig und so wurden sie vor diese Herrin gebracht. Sie erzählte ihnen, dass Zathrian selbst den Fluch beschworen hätte, weil Menschen seinen Sohn und seine Tochter getötet hätte. Er habe alle Menschen im Wald verflucht, und dieser Fluch läge immer noch auf ihnen und mache sie zu dem was sie nun sind. Dass er ihn nicht einfach lösen würde, sei offensichtlich, da sein Leben daran gebunden sei. Natürlich bat die Herrin darum, mit Zathrian sprechen zu können, auf dass er den Fluch aufhebe und die Kameraden versprachen, morgen mit ihm zurückzukehren.

    Auf dem Rückweg überlegten sie gemeinsam, wie sie den Hüter dazu bringen konnte – Morrigans Vorschläge reichten von einem Gift mit der Wirkung, dass der eigene Geist sozusagen abgeschaltet wurde bis hin zu Bedrohungen durch magische Verwandlung. Leliana und Alistair amüsierten sich köstlich bei der Vorstellung, den glatzköpfigen, ehrwürdigen Zathrian als hüpfende Kröte vor sich zu sehen.
    Am fünften Tag schaffte Alistair es, Zathrian zu überzeugen, sie zur Herrin des Waldes zu begleiten, nachdem der Hüter ihnen gesagt hatte, dass Schattenreisser und die Herrin ein und dasselbe waren.
    Sie brachten Zathrian vor die Herrin und nachdem er sich weigerte den Fluch zu lösen fielen die Kameraden und die Werwölfe über ihn her, bis er sich ergab. Das Bitten der Herrin erweichte sein Herz schließlich, und er löste den Fluch, an dem sein Leben hing.

    Es war geschehen. Die Werwölfe wurden wieder zu Menschen, die aus dem Wald flohen, die Herrin des Waldes war verschwunden. Die Kameraden kehrten zu den Dalish zurück und berichteten ihnen alles – Lanaya, die Nachfolgerin von Zathrian sicherte ihnen Unterstützung gegen die Verderbnis zu.

    Und immer noch fehlte jede Spur von Jaina...
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (30.07.2011 um 17:14 Uhr)
  10. #50 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    16) 2) Die dunkle Bedrohung

    Jaina rannte. Sie hatte die Ausläufer der Hinterlande hinter sich gebracht und dort keine Spur von Fergus finden können. Nun war sie kurz vor Ostagar, doch sie wollte einen Bogen darum machen und die Wildnis durchsuchen. Sie war schon einmal in der Korcari-Wildnis gewesen. Jag hielt das Tempo das Jaina vorgab und trabte hechelnd neben ihr her.
    Hund und Herrin hatten eine sehr gute körperliche Verfassung und viel Ausdauer. Sie hatten die Nacht über nur einmal kurz gerastet um zu trinken. Nun dämmerte der Morgen. Der Himmel überzog sich mit einem grauen Blau, das ein wenig Sonnenlicht durchließ. Der Wind frischte auf und trieb die Wolken vom sternenbedeckten Himmel. Ein glühender Feuerball erhob sich am Rande des Horizonts - zuerst war nur ein Schimmern zu sehen, doch ganz langsam schob sich der oberste Teil der roten Kugel hinterher.

    Jaina blieb keuchend stehen. Sie blickte sich um – eintönige Ebene. Baumgruppen standen verstreut herum und Büsche wucherten wild durcheinander. Sie wandte sich gen Osten, wo auch die Sonne aufging und lief nicht mehr ganz so schnell auf eine der wenigen Anhöhen. Dort angekommen blickte sie sich suchend um. Und fand was sie suchte. Ein kleiner See lag in Richtung Osten, hinter einem ganzen Heckengebüsch versteckt. Sie sprang von der Anhöhe, rollte sich ab und lief auf die Hecken zu. Sie zwängte sich durch diese hindurch und achtete nicht auf die stachelbewehrten Ästchen, die ihr Arme und Beine aufritzten. Dann war sie direkt am See. Sie ließ sich auf den erdigen Boden fallen, stützte sich mit den Händen ab und beugte sich über das Wasser.
    Im hohen Bogen kam Jag über die Hecken gesprungen und rannte in unverminderter Geschwindigkeit in den See hinein und begann zu saufen. Jaina hatte eine ganze Ladung Wasser abbekommen als ihr Hund so stürmisch an ihr vorbeigerast war, doch es tat ihr gut. Sie tat es ihrem Hund nach und soff das Wasser – hielt das Kinn unter Wasser und fing mit offenem Mund soviel Flüssigkeit wie möglich ein.
    Als ihr Durst gestillt war, zog sie Rüstung und Unterkleidung aus und watete in das Wasser. Es war kühl, aber das Wasser fühlte sich auf ihrem verschwitzten und erhitzten Körper angenehm an. In diesem Moment ging die Sonne vollends auf, das gesamte Gebiet wurde mit einer rotgoldenen Morgenröte überzogen, die Strahlen reflektierten warm auf dem Wasser.
    Jaina ließ sich auf dem Rücken treiben und atmete tief durch. Ihre Gedanken konnten endlich vom stetigen „Lauf, schneller, los!“ ablassen und sich anderen Dingen zuwenden. Sie hatte es nicht mehr weit. Die Wildnis lag weiter südlich und sie würde innerhalb weniger Stunden dort sein.
    Sie planschte im Wasser und zog sich endlich Richtung Land. Ihre verspannten Muskeln hatten sich gelockert. Sie griff nach ihrem großen Rucksack und beförderte Brot und Käse zutage. Sie legte sich in das spärliche Gras vor den Hecken und ließ sich von der aufgehenden Sonne trocknen. Ihr Mabari kam ebenfalls an Land geschwommen, an seinen Lefzen troff das Wasser herab. Jaina sah ihn streng an und ihr Kampfhund trottete einige Schritte weg von ihr wo er sich gründlich schüttelte. Wassertropfen flogen durch die Gegend, landeten auf den Heckenzweigen, wo die Sonne sie perlmuttfarben glänzen ließ.

    Mit immer noch feuchtem Fell kam Jag zu seiner großen Freundin, wo er ein ordentliches Stück Rehfleisch serviert bekam – die Überreste des gestrigen Abendessens. Jaina benötigte doppelt soviel Zeit wie ihr Hund, um ihre Mahlzeit zu beenden. Sie hatte sich gerade den letzten Bissen in den Mund geschoben und begann, die restlichen Tropfen von ihrem Körper zu wischen und sich anzukleiden. Sie zog die lederne Rüstung direkt auf die Haut, ohne sich mit Unterkleidung abzumühen, die wollte sich nachts in trockenem Zustand tragen. Nachdem sie den weichen Leinenstoff in den Rucksack gestopft hatte nahm sie sich ihre zwei Lederfläschchen und füllte sie mit Seewasser.
    Sie war gerade dabei, die erste Flasche zu verschließen als Jag leise winselte. Jaina kannte ihren Hund schon seit er ein Welpe war und dies war kein ängstliches Winseln. Es war eine warnendes. Er musste etwas bemerkt haben, das Gefahr bedeutete. Jaina ließ die zweite Flasche fallen, legte die erste auf ihren Rucksack und griff sich Schwert und Dolch, möglichst ohne Geräusche zu machen. Jag schlich an den Rand der Hecke und schnüffelte hindurch. Jaina ging neben ihm in die Hocke, fasste ihn am Nackenfell und versuchte durch die Zweige etwas zu erspähen. Hatte sie da eine Bewegung gesehen? Eine verschwommene? Sie strengte ihre Augen an und suchte die Ebene samt Anhöhe ab. Sie konnte nichts erkennen, doch sie spürte wie Jags Nackenfell sich sträubte. Er knurrte leise. So wird das nichts, dachte sich Jaina. „Pass auf, und warn mich falls jemand sich nähert.“ Sie lief möglichst leise zum See, füllte die zweite Flasche und verstaute sie mit der ersten im Rucksack, den sie schulterte.
    Das Schwert steckte sie in die Scheide auf ihrem Rücken, den Dolch behielt sie in der Hand. „Los, komm. Wir müssen den See umrunden und sehen zu, dass wir Land gewinnen. Wenn dass eine Horde von Dunkler Brut ist haben wir zu zweit keine Chance.“ rief sie ihrem Mabari flüsternd zu. Der zögerte und knurrte nochmals die Hecke an, dann drehte er sich um und lief lautlos an Jainas Seite, die sich daran machte, den See so schnell wie möglich zu umrunden. Auf der anderen Seite gab es keine Hecken, dafür eine Baumgruppe. Sie standen nicht sehr dicht beieinander, sich darin zu verstecken konnte man nur, wenn man selbst so dünn wie einer der Stämme war.

    Sie lief hindurch und nachdem sie die Baumgruppe passiert hatte, drehte sie sich im Laufen noch einmal um. Am See war nichts zu sehen. Sie wandte sich wieder nach vorne und trabte die Ebene entlang, die weitläufig und karg vor ihr lag.
    Fawks ist offline
  11. #51 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    17) Unerwartete Wendungen


    Jaina war weitergelaufen. Gegen Mittag rastete sie, sie brauchte Ruhe und Schlaf. Sie kuschelte sich in ihre Decke. Sie lag im Schatten einer Baumgruppe auf der Erde, geschützt von Blicken aus der Ebene durch einen mächtigen Baum der vor ihr stand. Ihr Hund hatte sich neben sie gelegt und ruhte sich aus, blieb aber wachsam.
    Der Wächterin fielen die Augen zu, aber ihr letzter Gedanke galt Alistair – und der danach Fergus.

    Jaina erwachte blitzartig. Sie setzte sich mit einem Ruck auf, ihr Instinkt warnte sie vor Gefahr. Sie blickte sich in der hellen Nachmittagssonne um und lauschte. Sie hörte ein Zischen und rollte sich nach links. In dem Baum direkt vor ihr steckte ein Pfeil, auf der Höhe wo eben noch ihr Oberkörper gewesen war.
    Hastig griff sie nach ihrem Schwert, den Dolch konnte sie in der Hektik nicht finden, er musste irgendwo unter ihrer zerknüllten Decke liegen. Sie duckte sich hinter einen anderen Baum und sah in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war. Von Jag war keine Spur zu sehen.
    „Gute Reaktion, Grauer Wächter, aber das hilft dir auch nicht.“ Von hinten legte sich ein Dolch an ihre Kehle und Jaina verfluchte sich – und ihren Gegner.

    Im nächsten Moment war ein Kläffen zu hören und der Dolch, der an Jainas Hals gepresst worden war, fiel zu Boden. Sie wirbelte herum und sprang auf ihren Gegner zu noch ehe sie ihn genau erfasst hatte. Der war sehr flink und hatte sich von Jags Sprungattacke schon wieder erholt. Er hob Schwert und zog einen weiteren Dolch und griff Jaina wie eine Windmühle an – ließ die Arme kreisen und die Klingen zerschnitten die Luft vor ihr. Sie wich gekonnt aus, duckte sich darunter weg, ihr Mabari setzte zum Sprung an, doch diesmal war ihr Gegner schneller, er sah Jag springen, fuhr vollends zu ihm herum und versetzte ihm einen Tritt vor die Brust, dass der Mabari nach links gewirbelt wurde. Vor Wut schäumend nutzte Jaina hatte die entscheidende Gelegenheit: sie holte mit dem Schwert aus und hackte nach der Schulter des Gegners. Wenn er sich nicht wegduckte würde sie ihn sauber enthaupten und er tat ihr den Gefallen. Er duckte sich unter diesem scheinbar mächtigen Hieb hinweg und Jaina drehte ihr Schwert in die andere Richtung und hieb ihm den Griff mit voller Wucht gegen den Schädel.

    Bei ihrem Gegner, der nicht auf die Finte gefasst gewesen war, gingen alle Lichter aus und er sank zu Boden. Jaina versicherte sich, dass der so bald nicht mehr aufstehen würde und rannte zu ihrem Hund, der nach Luft keuchend am Boden lag.
    Dieser Dreckskerl, dachte sich Jaina. Er hat Jag genau vor der Lunge erwischt.
    Sie hob ihren Hund auf und wankte mit dem Mabari auf den Armen neben den Assassinen – das musste einer sein – und untersuchte die Rippen ihres Hundes. Zum Glück war keine gebrochen, er musste sich nur gründlich ausruhen.

    Jaina blickte zornig auf den Assassinen. Es war ein Elf, erkennbar an den spitzen Ohren und der schlanken Gestalt. Er trug eine ähnliche Rüstung wie sie, eine grüne Lederrüstung mit einem breiten Gürtel um die Hüften und einem quer von der Schulter bis zur Hüfte. Er hatte blondes Haar, das er offen trug, die vordersten Strähnen waren auf jeder Seite in einem geflochtenen Zöpfchen nach hinten gebunden. Er sah wirklich attraktiv aus. Jaina beugte sich über ihn und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

    Er erwachte schlagartig. „Oh. Aua. Mein Kopf.“ Er hob eine Hand an die Schläfe und rieb sie. „Erstaundlich dass ich überhaupt noch erwacht bin. Ich war mir sicher ich würde es nicht überleben.“
    „Das lässt sich schnell ändern.“ Jaina funkelte ihn an. „Immerhin habt Ihr versucht mich umzubringen.“
    „Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Nun, so wie ich es sehe, bin ich Euch ausgeliefert. Lasst mich es Euch also einfach machen: Ich bin Zevran, für Freunde Zev. Ich bekam von den Krähen von Antiva den Auftrag Euch zu töten. Das heißt, Euch und Euren Freund, aber unglücklicherweise für Euch und glücklicherweise für mich habt ihr Euch getrennt. Wobei mir das auch nicht viel geholfen hat“ murmelte er mehr zu sich selbst.
    In Jaina kroch Angst hoch. Was war mit Alistair? Hatte Zevran ihn getötet? Warum hatte sie nur nicht auf ihn gehört? Alistair hatte sie gewarnt, dass sie gesucht würden. Mit einem Mal erschien ihr ihre Idee nur noch stur und sinnlos.
    Jaina ging neben Zevran in die Hocke. „Was ist mit dem anderen Wächter? Hattet Ihr da mehr Erfolg?“ Der Elf schüttelte den Kopf. „Wie aus einer Ironie des Schicksals heraus wurde er von den Dalish geschützt. Sozusagen. Meine Mutter war eine Dalish was mir leicht Zugang zu ihnen verschaffen sollte, aber was für ein Meuchelmörder wäre ich, wenn ich noch Zeugen hinterlassen würde?“
    Jaina atmete erleichtert auf. „Wer gab Euch diesen Auftrag?“ „Ein ziemlich miesepetriger Kerl aus Denerim. Loghain hieß er, glaube ich.“ „Und wann solltet Ihr ihn wiedertreffen?“
    „Wiedertreffen?“ Zevran lachte auf. „Gar nicht. Entweder ich töte Euch, und kehre zu den Krähen zurück – oder ich töte Euch nicht weil ich getötet werde.“
    „Und ihr habt kein Bündnis mit Loghain? Seid ihm nicht loyal?“ Jaina runzelte misstrauisch die Brauen.
    „Nein. Die Krähen erhielten den Auftrag und ich würde geschickt. Nun, lasst mich etwas fragen. Da ich es nicht geschafft habe Euch zu töten, sind meine Möglichkeiten begrenzt. Ich könnte zu den Krähen zurück und mich töten lassen, weil ich versagt habe. Ich könnte aber auch bei Euch bleiben und Euch bei Euren bevorstehenden Aufgaben helfen. Ihr seid ein Grauer Wächter und müsst gegen die Verderbnis kämpfen. Da ist ein Assassine immer gut zu gebrauchen.“ Zevran sah sie lächelnd an – er schien ernst zu meinen was er sagte.
    „Darf ich mir soviel Loyalität erhoffen wie ihr zu Euren Krähen zeigt? Ich glaube viel eher, dass Euch nichts daran hindert, Euren Job auszuführen wenn ich gerade nicht hinsehe.“
    „Was brächte mir das? Ihr habt mein Leben verschont und das ist mir durchaus etwas wert. Und ich würde einen Eid ablegen, in dem ich Euch Treue schwöre.“
    Jaina streichelte Jag, behielt Zevran aber im Blick. Ihre Gedanken rasten. Sie konnte jedes weitere Paar Augen gut gebrauchen. Und auch jede Hilfe im Kampf gegen die Verderbnis. Aber dennoch hatte er versucht sie zu töten.
    „Na schön. Ihr werdet mir dienen. Und ich versichere Euch, solltet Ihr mir, meinen Freunden oder meinem Hund etwas antun, wird es Eure letzte Tat gewesen sein.“
    Zevran nickte und erhob sich: „Ich schwöre Euch hiermit die Treue und dass ich Euch dienen werde, bis ihr entscheidet mich freizulassen.“ Er zwinkerte ihr zu. „Wer hätte gedacht, dass mein nächstes Opfer ein derart hübsches Opfer sein würde, das mich auf seine Seite zieht? Nun, wohin wird es gehen, schöne Frau?“
    „Ihr könnt mich Jaina nennen. Und ich suche hier nach meinem Bruder. Vor der Schlacht bei Ostagar war er irgendwo in der Wildnis, nach der Schlacht hat... kaum jemand überlebt. Außer mir und Alistair vielleicht eine Handvoll.Wir müssen in die Richtung, es ist nicht mehr weit.“ Jaina wies in Richtung Süden. „Wir müssen langsam gehen. Ihr habt meinen Hund verletzt. Und ohne den gehe ich keinen Schritt weiter.“
    Zevran beugte sich über den Mabari – und eine Klinge schob sich an seinen Hals. „Wir kennen uns noch nicht lange genug, als dass Ihr die mir wichtigen Sachen begutachten dürft.“
    Zevran erhob sich lächelnd und sah Jaina an. „Ich kann Euer Misstrauen verstehen, aber ich versichere Euch, ich habe nichts Böses im Sinn. Und ich bitte Euch, tragt mir diesen Auftrag nicht nach. Hätte ich gewusst, was für ein Opfer ich mir da ausgesucht habe...“ Er ließ den Satz unvollendet. Jaina nickte knapp. Also schön. Sie würde ihn scharf im beobachten. Er würde keine zweite Gelegenheit bekommen.
    Sie packte ihre Decke in den Rucksack und entdeckte ihren Dolch. Nachdem sie beides auf ihrem Rücken verstaut hatte, ging sie zu dem Baum, auf dessen Wurzeln Zevrans Dolch lag. Sie nahm ihn auf und gab ihn Zevran. So machten sie sich langsam auf den Weg.

    Sie durchstreiften die Wildnis nach einer Spur von ihrem Bruder, dabei wurde es Abend. Zevran hatte von seiner Kindheit erzählt, seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben, sein Vater schon vorher und er war in einem Bordell groß geworden, bis er im Alter von 7 Jahren an die Krähen verkauft wurde. Er erzählte ihr von seiner Ausbildung zum Assassinen.
    Sie hatte irgendwie Mitgefühl mit ihm, seine Kindheit klang nicht unbedingt erlebenswert.
    Jag hatte sich halbwegs erholt und trottete voran.
    Jaina verließ sich auf ihr Gefühl und ging auf ein Gebüsch im Westen zu, wo die Sonne bald versinken würde.
    Sie kniete nieder, nachdem Zevran neben ihr stand und untersuchte das Gebüsch – und erstarrte. Das konnte nicht sein! Ihr Gefühl hatte sie tatsächlich an den richtigen Ort geführt! Langsam hob sie die Hand und langte in das Gebüsch hinein – und zog einen Stofffetzen hervor. Nein, es war ein Lederfetzen. Auf diesem war das ihr so vertraute Wappen der Couslands, zum Teil. Es war auf allen Schilden der Soldaten von Cousland angebracht. Natürlich konnte dies hier auch gar nich Fergus' Schildbespannung sein... Aber daran wollte sie nicht glauben. Er war nur mit einigen Männern voraus geritten. Sie wollte einfach glauben, dass dies Fergus gehörte. Und selbst wenn nicht, seine Soldaten würden wissen, wo er zu finden war.
    „Jag!“ rief sie kurz angebunden und zeigte währenddessen Zevran ihren Fund. „Das ist unser Wappen. Er war hier. Er lebt!“
    „Nicht, dass ich Eure Hoffnungen zunichte machen will, geschätzte Jaina, aber das ist ein Lederfetzen – und sofern er nicht wusste, dass ihr hier nach ihm suchen würdet hätte er keinen Grund gehabt ihn hierzulassen.“
    „Richtig“; Jaina strich Jag übers Fell, der bei ihr angekommen war. „Deshalb glaube ich, er ist vor der dunklen Brut geflohen, in aller Eile. Und hat dabei die Bespannung seines Schildes zerrissen.“
    Dann hielt sie ihrem Hund den Fetzen unter die Nase: „Such Fergus. Finde ihn.“
    Jag schnüffelte ausgiebig am Leder und senkte den Kopf um eine Spur zu suchen. Nach einigen Sekunde hatte er sie gefunden und bellte erwartungsvoll. Jaina seufzte. „Warte, Kleiner. Es ist Nacht, wir sollten uns ausruhen. Hier sind wir durch das Gebüsch geschützt.“

    Zevran leerte einen seiner Wasserbeutel und Jag winselte noch ein paar Mal, eher er sich an Jainas Seite legte. Diese hatte ihre Decke ausgepackt und über ihre Knie gebreitet. Sie untersuchte ihre Essensvorräte und kam zu dem Schluss, dass sie noch gut zwei Tagesrationen bei sich hatte. Erleichtert packte sie Brot und Käse aus und ließ es sich schmecken.
    Der Elf hatte sich ihr gegenüber gesetzt, er holte aus seiner Gürteltasche einige Weintrauben und bot ihr auch welche an. Sie war froh über etwas Obst und gab ihm im Gegenzug ein Stück Brot ab.

    „Nun, schöne Frau, ich nehme an, wir folgen dieser Spur morgen in aller Frühe?“
    „Genau. Ich würde auch jetzt losziehen, aber es ist zu gefährlich bei Nacht – zumal hier überall Dunkle Brut lauern könnte.“
    „Ich sehe schon, Ihr wisst euren schönen Kopf zu verwenden.“
    „Schmeichler.“ Jaina konnte sich jedoch ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Dieser Elf wusste wahrhaftig wie man Frauen umgarnte.
    Er sah sie ehrlich und offen an. „Soll ich nicht die Wahrheit sagen – dass Ihr seid wie der schönste Sonnenaufgang in Antiva-City? Stört es Euch, wenn man Euch sagt, dass ihr schön seid? Sofern das der Fall ist, werde ich es unterlassen, aber dann würde mich doch interessieren, wie eine Frau die Unterwerfung des Mannes an ihre Schönheit nicht schätzen kann.“
    „Ähm...“ Nun hatte er Jaina verwirrt. Sie hatte nichts dagegen schön genannt zu werden, aber dieser Elf... er hatte es ungemein anziehendes an sich. Sie fürchtete ihm ausgeliefert zu sein, wenn sie ihm Recht gäbe. In ihrem Hinterkopf war ihr schon klar, dass sie diese Komplimente lieber von einer anderen Person gehört hätte...
    „Naja, nein, es stört mich nicht. Es ist nur... ungewohnt.“ Zevran lächelte sie breit an. „Das können wir ändern. Also, noch eine andere Sache: Wie Ihr sehr habe ich keinerlei Gepäck bei mir, und Ihr wisst ebenso gut wie ich, dass Fereldens Nächte kalt sind. Dürfte ich so dreist sein und fragen, ob Ihr Eure Decke mit mir teilen würdet? Natürlich kenne ich auch noch andere Möglichkeiten sich bei Nacht warmzuhalten, aber wir wollen es ja langsam angehen lassen.“
    Jaina war auf einmal dankbar für die Dunkelheit, und dass sie auf ein Feuer verzichtet hatten, wobei ihr Kopf wahrscheinlich gerade glühte wie heißes Metall. Dieser Elf, dachte sie sich halb amüsiert und halb erschrocken. Lässt keine Gelegenheit aus.
    „Meinetwegen. Aber Eure Waffen bewacht mein Hund. Alle. Und auch alles waffenähnliche, womit man mir schaden könnte.“ Sie betonte den letzten Satz und kaum dass sie ihn ausgesprochen hatte, fühlte sie wie sie noch roter wurde. Na das war ja mal ein Schuss in den Ofen gewesen.
    Zevran lachte heiter. „Meine Gute, schaden würde es Euch nur, wenn ihr zu sehr verkrampft. Aber keine Sorge, ich lasse meine Waffen bei Eurem Vierbeiner – und ich habe in keinster Weise vor Euch zu schaden.“ Sein spitzbübischer Tonfall war eindeutig, aber es war auch offensichtlich, dass er nur scherzte.

    Jaina breitete die Decke aus, die warm aber nicht all zu groß war und untersuchte ihren Mabari nochmals. Er schien wirklich nur eine Prellung zu haben. Sie hoffe, dass die Nachtruhe ihm helfen würde, und er morgen wieder genesen war. Er bellte sie dankbar an und schleckte ihr den Handrücken ab.
    Sie kehrte zu ihrer Decke zurück und legte sich darunter. Sofort war Zevran zur Stelle und deckte sich mit einem Teil davon zu, stützte sich auf den Ellenbogen und betrachtete Jaina, die neben ihm auf den Rücken lag, ausgiebig. Sie hatte sich hinter einigen Büschen umgekleidet, ihre Leinensachen angezogen und die Rüstung ins Gras gelegt. Sie lag auf dem Rücken und sah in den Nachthimmel – und spürte Zevrans Blick überall auf sich – auf ihrem schlanken Hals, dem durchtrainierten Bauch und den sehnigen Armen, die sie auf die Decke gelegt hatte. Sie drehte den Kopf zu dem Meuchelmörder. „Ich warne Euch, lasst mich in Frieden schlafen. Wenn ich eine Liebschaft suche, sage ich Euch schon Bescheid.“ In Gedanken setzte sie hinzu: Und ich werde dir nicht Bescheid sagen. Sie schloss die Augen und war fast sofort ins Reich der Träume versunken.
    Mitten in der Nacht erwachte Zevran. Er hörte das etwas schnaufende Atmen des Mabari und neben sich ein ganz anderes Geräusch. Jaina neben ihm wimmerte im Schlaf. „Fergus... Hilfe... Bruder...“
    Sie zuckte mit den Armen, als ob sie einen Schlag abwehren müsste und strampelte die Decke von sich. Für Zevran war es offensichtlich, dass sie einen Albtraum hatte. Er mochte diese süße Kämpferin durchaus und wünschte ihr nichts Schlechtes. Aber als Opportunist, der war war, rückte er nahe an sie heran, zog die Decke über sie beide, und umfasste sie mit einem Arm, legte seine Hand auf ihren Bauch und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr. Tatsächlich beruhigte sie sich, schmiegte sich sogar ein wenig an ihn. Zevran schloss die Augen und fuhr langsam mit seiner Nasenspitze ihre Wangen und ihren Hals ab, unablässlich murmelnd, dass sie keine Angst haben brauche, er sei bei ihr. Jainas Wimmern erstarb vollends, und sie schien wieder einzuschlafen. Zevrans Lippen berührten ihren Hals. Dann legte auch er den Kopf zurück und schlief, eng an Jaina gekuschelt, ein.

    Jaina erwachte. Sie dachte an ihren Traum, zuerst hatte sie Fergus in irgendeiner Gefahr gesehen... und etwas später, sie wusste nicht weshalb, war Alistair bei ihr gewesen und hatte sie getröstet. Sie in den Arm genommen und leise ermutigt. Sie lächelte bei dem Gedanken daran, ihr Blick fiel auf die Seitentasche des Rucksacks, in der Alistairs Rose verstaut war.
    Schlagartig bemerkte sie die Arme um ihrer Hüfte und sprang ruckartig auf. Sie war doch alleine in der Wildnis – alleine mit Jag und Zevran. Fassungslos starrte sie auf den im Schlaf lächelnden Elfen hinab.
    Wie konnte er es wagen, sie hatte ihn gewarnt! In Windeseile kleidete Jaina sich an und verschlag ein kleines Frühstück. Ihr Hund war ebenfalls wachgeworden und er atmete nun befreiter. Jaina untersuchte seine Rippen, aber sie war so aufgewühlt, dass sie weder Genesung noch Verschlimmerung feststellen konnte. Ihr Mabari lief zu einem entfernten Baum und beschnupperte ihn – er bewegte sich wesentlich leichter als gestern und keuchte auch nicht mehr so beim Atmen. Zevran schien gerade aufzuwachen, Jaina kniete sich neben ihn, und packte ihm am Kragen seiner Rüstung, die er anbehalten hatte.
    „Wie könnt Ihr es wagen?!“ fuhr sie ihn an. Zevran schien mit einem Mal völlig wach zu sein und ließ sich nicht im Geringsten von Jainas Zorn unterkriegen.
    „Einen wunderschönen guten Morgen, meine Freundin. Was regt Euch so auf? Der Traum den Ihr letzte Nacht hattet? Nun, er schien keineswegs schön zu sein. Meint Ihr nicht, dass ich eine Belohnung verdient hätte, weil ich Euch heute nach heldenhaft beschützt habe?“
    Zevran setzte sich auf und befreite sich elegant aus Jainas Griff und sah sie aus hellbraunen Augen an.
    Jaina starrte ihn verständnislos an. Sie wusste noch, dass sie einen schlimmen Traum gehabt hatte – und sie wusste ebenso, dass sie im Schlaf hin und wieder sprach oder gestikulierte.
    „Ich hatte Euch gesagt, Ihr sollt die Finger von mir lassen!“ Sie versuchte ihre verwirrten Gedanken zu verscheuchen und funkelte Zevran an – der war aber ein Menschenkenner und erkannte ihre innere Aufgewühltheit.
    Er nahm Jainas Gesicht in beide Hände und sprach auf sie ein. „Jaina, ich Euch in keinster Weise belästigt oder etwas angetan. Im Gegenteil, Ihr habt Euch an mich gedrückt als wäre ich Euer Kuscheltier. Ich versuchte lediglich Euch zu beruhigen. Und womit sollte das besser gelingen, als mit ein wenig köperlicher Nähe?“
    Er lächelte sie offen an und sie erkannte, dass er ehrlich zu ihr war. Das verwirrte sie noch mehr. Sie verstand die Welt nicht mehr, sie hatte sich so wohl gefühlt, bei dem Gedanken, in Alistairs Armen aufzuwachen. Noch viel mehr erschreckte sie das Gefühl, sich des Nachts in Zevrans Armen ebenso wohl gefühlt zu haben. Und leider war das Zevran nicht entgangen. Sie konnte ihm unmöglich sagen, was in ihr vorging, es ging ihn ohnehin nichts an.

    „Nun sorgt Euch nicht. Das kann meinetwegen gerne unter uns bleiben, dann muss ich schon nicht fürchten, dass ein anderer mich deshalb erschlägt.“ Er hatte ihr Gesicht nicht losgelassen und drückte seine Lippen gegen Jainas, die so verwirrt war, dass sie sich nicht wehrte.
    Er ließ sie fast sofort los und rappelte sich auf. Nun kam Leben in Jaina und sie erhob sich und ging drohend auf Zevran zu.
    „Das solltet Ihr kein zweites Mal machen. Ich will das nicht. Ich meine, es passt nicht, ich habe...“ Sie ließ den Satz unvollendet und drehte ihm abrupt den Rücken zu.
    Zevran lachte laut auf. „Ihr seid zu niedlich. Wirklich. Das ist keine Beleidigung. Aber sofern ihr nicht wollte, dass man Euch auf 5 Meilen Entfernung ansieht, dass Ihr verliebt seid, solltet Ihr Eure Gedanken sortieren.“ Er trat nahe an sie heran, sehr nahe und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich kann euch gerne dabei helfen.“ Seine Hände wanderten schon ihre Arme hinab, als Jaina ihn von sich stieß.
    „Wenn Ihr so ein großer Gedankenleser seid – warum wisst Ihr dann nicht, dass ich nicht in Euch verliebt bin?!“ fauchte sie ihn an. Wortlos packte sie ihren Rucksack und ihre Waffen und pfiff Jag zu sich. Sie ging mit ihrem Hund zu der Stelle, wo er die Spur entdeckt hatte und setzte ihn darauf an.

    Zevran war nur kurz verwirrt gewesen, hatte sich aber gleich wieder gefangen. Er sammelte seine Waffen auf und folgte Jaina im Laufschritt.
    „Ich hätte es mir denken können. Aber wer möchte diese Möglichkeit schon bei einer attraktiven Frau wie euch erwägen? Vergebt mir, ich wollte Euch keinesfalls verärgern.“
    Jaina drehte den Kopf und sah ihn abschätzig an. „Wenn Ihr mir versprecht, die Finger von mir zu lassen.“
    Zevran seuftze. „Ein wahrhaft schweres Versprechen – wir könnten die Zeit, die wir noch alleine sind, doch so schön wie möglich miteinander verbringen...?“ Er sah ihren Blick und hob die Achseln. „In Ordnung, ich verspreche es. Zwingt mich aber nicht dazu, meine Kavaliersmanieren auch abzustellen.“
    Jaina brachte ein Grinsen zustande. „Ich habe noch keinen Assassinen erlebt, bei dem man sich weniger vor dem schnellen Tod fürchtet als davor, dass er einen verführen will. Sind alle in Antiva so?“

    Jaina und Zevran liefen hinter Jag her. Jaina war von einer Art Hochgefühl übermannt worden. Sie hatte die Spur ihres Bruders tatsächlich gefunden. Sie folgte ihrem Hund, der unerbittlich der Spur folgte. Die Sonne war schon aufgegangen und beleuchtete das Gras.
    Jag führte die beiden Menschen einige Stunden durch das waldige Gebiet, Jaina konnte sich halbwegs orientieren und wusste, dass Ostagar nur wenige Meilen westlich lag. Gegen Vormittag kam ein Fluss in Sichtweite, und Jag hielt genau darauf zu. Jainas Hoffnung wurde nicht getrübt, sie wusste zwar nicht, wohin die Spur sie führen würde, aber sie war sich fast sicher, dass sie irgendetwas finden würde. Sie kamen dem Wasser immer näher, das an dieser Stelle einen reissenden Strom zu bilden schien. Kurz vor dem Fluss hielt Jag inne und kläffte.
    Jaina war sofort bei ihm. „Was hast du, Kleiner?“ Ihr Hund sah sie mit großen Augen an und winselte. „Such weiter. Ist er nach links oder rechts weiter?“ Jag senkte den Kopf abermals und suchte in einem großen Bogen die Stelle ab, an der Zevran und Jaina standen.
    Er setzte sich und begann mit einem Hinterlauf sein Ohr zu kratzen.

    Jaina versuchte, Spuren im Gras auszumachen, aber sie fand nichts. So setzte sie sich ins Gras und dachte nach. Er war hier gewesen, eindeutig. Und wie es aussah wohl nicht, um sich zu erfrischen und dann am Ufer weiterzugehen, sondern er schien den Fluss durchschwommen zu haben. Oder sich im Fluss weiter nach Westen oder Osten gewandt zu haben.

    Zevran trat auf sie zu. „Also, Jaina, wie wollt Ihr nun weiter vorgehen? Durch den Fluss schwimmen? Ihm eine Nachricht hinterlassen?“ Zevran sah sie interessiert an.
    Jaina seufzte. „Gute Frage. Ich kann seine Spur nicht weiterverfolgen, im Wasser ist das unmöglich. Ich weiß, dass er sehr gut schwimmt. Und ich weiß auch, dass er lebt. Er ist also irgendwohin geflohen – wohin genau: Keine Ahnung. Das heißt, wir haben nur eine Anlaufstelle. Zu den anderen zurück, die sind bei den Dalish.“
    „Es erfreut mein Herz, dass Ihr mich schon miteingeplant habt. Um ehrlich zu sein, dieses „wir“ sagt mir durchaus zu – wem würde es das nicht, bei einer jungen und wunderschönen Frau wie Ihr es seid?“ Jaina seufzte. „Ihr seid unverbesserlich.“
    Fawks ist offline
  12. #52 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    18) Wiedervereinigung

    Alistair hatte ein Feuer entfacht. Sie lagerten etwas abseits der Elfen, sie wollten sich nicht zu sehr in deren Leben einmischen. Zumal diese gerade ihren Hüter verloren hatten. Leliana hatte mit ein paar von ihnen Bogenschießen geübt, und Morrigan sich beim elfischen Pflanzenkundler mit Kräutern eingedeckt. Sie hatten sogar mehr oder weniger gemeinsam ein paar Kräuterpasten hergestellt, die unterschiedliche Heilmittel darstellten.

    Der junge Graue Wächter lief vor dem Feuer auf und ab. Er sorgte sich um Jaina. Sie war nun schon mehr als fünf Tage fort. Er vermisste sie. Mehr als er für möglich gehalten hätte. Er verbarg seine Gefühle vor den anderen, er musste sich ja erst selbst mal darüber klar werden, was er für sie empfand. Er war sich nur sicher, dass er in Jaina mehr sah, als nur eine andere Graue Wächterin. Er hatte das Gefühl, von ihr angenommen worden zu sein wie er war.

    Leliana näherte sich Alistair. „Es ist spät. Man sieht kaum noch die Hand vor Augen.“
    „Ja, das Feuer habe ich auch nur entzündet, damit die Dunkle Brut uns orten kann.“ Alistair wandte sich gequält lächelnd zu ihr um. Dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab. Sein Gesicht wirkte mitgenommen und dunkle Schatten tanzten auf seinen Wangen. „Alistair, Ihr seht schlecht aus. Als hättet Ihr keine Nacht geschlafen.“
    „Erwartet Ihr, dass in Zeiten des Krieges alle mit Blümchen am Gürtel auf der Straße tanzen?“
    „Nein. Ihr müsst nicht alles auf die Verderbnis schieben. Ihr vermisst sie.“ Lelainas strahlend blaue Augen fixierten Alistairs. „Ich vermisse sie auch. Sie hält unsere Gruppe zusammen. Ich frage mich, was passieren wird, wenn das alles vorbei ist. Ob wir wieder unsere eigenen Wege gehen oder ...“

    Alistair nickte. „Wir werden es hoffentlich früh genug sehen.“ Er begann wieder auf und ab zu gehen. Leliana sah ihm eine kurze Weile schweigend zu. „Wollt Ihr nicht schlafen gehen?“ Alistair schüttelte wortlos den Kopf. „Ich halte Wache.“
    „Das tun doch die Elfen.“ „Ja, wir haben gesehen zu welche ungemeiner Schlagkraft sie fähig sind – sie könnten mit den Lazarett-Liegen werfen und damit ganze Horden ausschalten.“

    Leliana schluckte eine Erwiderung hinunter. Sie sah ganz genau, dass er nur aus einem Grund wach blieb. Weil ihn andernfalls die Sorgen im Schlaf erdrücken würden. Er tat ihr Leid. Sie hatte gedacht, dass sie ihn vielleicht, nun, ablenken könnte – aber das war vollkommen unmöglich. Dieser Mann hatte sich auf eine Frau eingeschossen, auch wenn er es selbst wahrscheinlich nicht mal wusste – und er würde nicht von ihr ablassen. „Na schön. Ich gehe schlafen. Wo ist Morrigan? Immer noch bei Varathorn?“ So hieß der elfische Pflanzenkundige. Alistair nickte kurz. „Da kann sie auch gerne bleiben.“
    „So, kann sie das?“ Morrigan trat aus dem Schatten in das Licht des Feuers. „Wenn es Euch tröstet Alistair, ich könnte mir auch bessere Gesellschaft wünschen. Wir hatten sogar einen Hund in unserer Gruppe – und ihr wart dennoch das dümmste Mitglied.“
    Alistair sah sie genervt an. „Was wollt Ihr? Dass ich Euch auch einen Hasen in Eure Unterwäsche lege? Vergesst es.“
    Morrigan stolzierte hochmütig an Alistair und Leliana vorbei, zu ihrem Lager, das sie wieder abseits der anderen aufgebaut hatte. Sie war und blieb nun mal eine Einzelgängerin – und Alistair war das nur Recht.

    Auch Leliana kletterte in ihr Zelt, stecke den Kopf aber noch einmal heraus. „Gute Nacht, Alistair. Der Erbauer wird über sie wachen.“ Damit verschwand sie hinter der Öffnung und klappte den Ledereingang zu.
    Hoffentlich, dachte Alistair bei sich. Er wanderte auf und ab, er spürte seine Müdigkeit nicht einmal. Er wusste nur, dass er wach bleiben wollte. Er hatte da so ein Gefühl... Nachdem sie Zathrinas Aufgabe erfüllt hatten, hatte Alistair Lanaya von seiner Grauen-Wächter-Freundin und ihrem Hund erzählt, und dass diese demnächst eintreffen sollten. Er wollte sichergehen, dass sie einen sichereren Empfang erhielt als er. Er hatte keine Ahnung ob sie erfolgreich gewesen war oder nicht. Er wusste nicht einmal was besser war.
    Irgendwann hielt er ist nicht mehr aus. Der Mond hing halb gefüllt am Himmel und goss ein wenig silbernes Licht auf die Baumwipfel. Er griff nach einem langen Stock und hielt ihn in die Flammen, bis er brannte. Mit dieser provisorischen Fackel lief er aus dem Lager der Dalish heraus. Er ging in schnellem Schritt durch die Bäume, sein Fackelschein reichte nicht weit. So bewegte er sich eine Weile vorwärts, bis er plötzlich inne hielt. Ein Jaulen hallte durch den Wald – er wusste nicht ob es Wölfe waren oder etwas anderes. Konnten noch andere Werwölfe überlebt haben? Er zog sein Schwert. Im nächsten Moment tauchte auf der Lichtung vor ihm etwas auf – größer als ein Wolf. Es kläffte und bellte ihn an, und Alistair konnte es nicht fassen. „Jag! Du bist das! Wo ist Jaina?“ Plötzlich hatte er furchtbare Angst um sie. War ihr Hund hergekommen, weil sie nicht überlebt hatte? Mabari waren sehr intelligent. Er bückte sich zu Jag und strich ihm übers Fell. „Wo ist sie?“ Der Hund winselte glücklich und drückte sich an Alistair, dann rannte er zum Rand der Lichtung und wieder zurück, immerfort bellend.
    „...einen unglaublichen Lärm. Was er wohl entdeckt hat.“ „Vielleicht eine ebenso reizvolle Dame seines Geschmacks wie ich.“
    Alistair traute seinen Ohren nicht. Das war eine männliche Stimme gewesen. Was bei allen Geistern des Nichts ging hier vor? Er erhob sich und starrte in die Richtung aus der die Stimmen gekommen waren. Und da trat Jaina auf die Lichtung, in ihre grünliche Lederrüstung gehüllt, Schwert und Dolch mit dem Rucksack auf dem Rücken und blickte sich suchend nach ihrem Mabari um.
    Alistair wollte fast das Herz überlaufen, sie war so wunderschön im leichten Mond- und Fackelschein. Und hinter Jaina lief ein Elf auf die Lichtung, kleiner als er und durchaus gutaussehend, mit blondem Haar und braunen Augen, schlank und athletisch gebaut. Was hatte er hier zu suchen?
    Jaina hatte Alistair entdeckt. „Alistair!“ rief sie und rannte auf ihn zu, drauf und dran ihm in die Arme zu fallen. Doch sie stoppte einen halben Schritt vor ihm und zögerte – auch er wusste nicht was zu tun war. „Jaina. Ich bin so froh dich zu sehen!“ Alistair traute sich nicht, sie zu umarmen, aber die Wärme aus seinen Augen wäre auch ohne irgendeine Lichtquelle überdeutlich gewesen.
    „Aahh, Ihr seid also Alistair. Nach dem was ich von Euch weiß traut ihr Euch nicht all zu viel wenn es um Frauen geht, hm? Ich weiß wirklich nicht, wie Ihr das schätzen könnt,“ der Elf klopfte Alistair auf die Schulter und wandte er sich an Jaina. „Aber damit passt er wenigstens zu Euch. Wo also müssen wir hin?“

    Alistair starrte den Elfen an. „Ähm, ja. Dort hinten ist das Lager. Aber wer seid ihr?“
    „Wahrscheinlich jemand, der Euch fortan begleiten wird, so es die Hüterin meines Schwurs wird. Ich heiße Zevran.“
    Jaina setzte sich in Bewegung und zog Alistair mit sich. „Das ist eine etwas längere Geschichte. Ich erzähle sie dir später.“ „Was gibt es da viel zu erzählen, liebste Jaina, ich wollte Euch umbringen, Ihr habt mich mitgenommen und Euch bisher einer wundervollen Nacht mit mir verweigert.“ Zevran lachte auf.
    „WAS?!“ Alistair packte Zevran am Kragen und hob ihm die Klinge an den Hals. Er hätte nicht sagen können, welche der Teilsätze ihn am meisten empörte. „Warum?“
    Jaina mischte sich ein. „Lass gut sein. Ich erzähle es dir später. Bitte.“ Sie sah ihn an und er wusste nicht was er tun sollte. Er war völlig aufgewühlt. Widerstrebend ließ er Zevran los, der ihn wölfisch angrinste.
    Der junge Mann führte die Neuankömmlinge zurück zum Lager der Elfen und wies Zevran den Platz zu, der am weitesten von Jainas normalem Lagerplatz entfernt war. Dort lag ein zusammengelegtes Lederzelt. Zevran zwinkerte Jaina zu und machte sich daran, das Zelt aufzubauen. Alistair ließ seine provisorische Fackel ins Feuer fallen und nahm Jaina beim Arm und zog sie in den Schatten der Bäume. „Wie geht es dir?“ Er betrachtete sie von oben bis unten und suchte nach Verletzungen. Er konnte keine erkennen. Seine Augen hatten wieder diese unglaubliche Wärme bekommen als er sie musterte. Jaina lächelte. „Ich lebe. Und mir geht es gut. Als ich in der Wildnis ankam machte ich Rast und wurde von ihm überfallen. Jag hat mich gerettet und ich konnte ihn bewusstlos schlagen. Er... hatte den Auftrag von Loghain bekommen.“ Jaina senkte betreten den Kopf. Alistair nickte. Das hatte er sich schon fast gedacht. „Hast du etwas herausgefunden?“ fragte er vorsichtig. Jaina nickte und während sie mit ihm zum Feuer zurückging erzählte sie ihm alles.
    Sie legten sich neben dem Feuer in ihre Decken. „Alistair.. ich bin froh wieder hier zu sein. Erzähl mir wie ihr hier vorangekommen seid.“ Jaina lehnte sich nach hinten und sah in den schwarzen Himmel. Alistair begann zu erzählen und als er am Schluss seiner Geschichte auf Jaina blickte, waren ihre Augen geschlossen. Sie schlief selig. Alistair beugte sie über sie und deckte sie zu. In ihrer Hand entdeckte er seine Rose.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (04.05.2011 um 00:06 Uhr)
  13. #53 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    19) Die nächste Anlaufstelle


    Der nächste Morgen dämmerte. Alistair erwachte und setzte sich ruckartig auf. Er fühlte sich erfrischt und munter. Jainas Rückkehr hatte ihm seine Sorgen genommen – dafür war eine weitere dazugekommen. Sie hieß Zevran und war ein Meuchelmörder. Nach Jainas Erzählungen hatte sie ihn schon deutlich in seine Schranken verwiesen und sie hatte auch von jener Nacht erzählt, in der sie einen Albtraum hatte. Alistair hatte keinen Grund, Zevran weiter zu drohen, Jaina hatte ihm das alles abgenommen. Ihm passte Zevrans Gegenwart aber dennoch nicht. Er beschloss ihn im Blick zu halten.

    Er begann seine Sachen zusammenzupacken und entfachte das Feuer, wo er etwas Wasser erhitzte und einige Kräuter hineinwarf. Jaina wachte von Geruch der Kräuter auf. Sie sah Alistair, der gerade seine Decken zusammenlegte und erhob sich von ihrer Schlafstatt und begann ebenfalls ihr Gepäck zu verstauen. Die anderen erwachten ebenfalls nach kurzer Zeit und gesellten sich zu Alistair und Jaina ans Feuer, die dort das Kräuterwasser tranken. Jaina stellte Zevran mit einigen Erklärungen vor und Leliana reagierte genau, wie sie es erwartet hatte. „Schön Euch bei uns zu haben Zevran.“ Keinem entging der Blick, mit dem der Elf die Ordensschwester musterte und sie lächelte leicht. Morrigan reagierte ebenso vorhersagbar, als sie sich verächtlich an Jaina wandte. „Ihr solltet ab sofort Eure Mahlzeit gründlich untersuchen. Nach Gift und ähnlichem.“ Sie deutete auf das Wasser. „Was sind das für Kräuter?“ Jaina zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, hat Alistair gemacht.“
    „Und selbst da denkt Ihr nicht daran, dass man Euch vergiften könnte? Ihr seid entweder sehr leichtgläubig oder schwer zu töten.“ „Eher letzteres. Zev kann davon ein Lied singen.“ Sie grinste den Elfen freundlich an, ihre Vorbehalte gegen ihn waren auf der Reise zu ihren Gefährten weniger geworden und er hatte keine weiteren Versuche gemacht sie zu töten oder auf andere Art und Weise zu belästigen. Natürlich war er ein Charmeur, aber das konnte ihm niemand austreiben, und irgendwo gefiel es Jaina.

    Sie berieten gemeinsam wo sie zuerst hingehen sollte und kamen zu dem Ergebnis, dass Arl Eamons Krankheit Vorrang hatte. Sie überlegten, ob es sie nicht viel mehr Zeit kosten würde, gemeinsam nach Denerim zu reisen um dort den Gelehrten aufzusuchen, oder sie sich nochmals trennen sollten. Sie beschlossen gemeinsam nach Denerim zu gehen und dort weiterzusehen. So verabschiedeten sie sich von den Elfen und machten sich auf den Weg in die Hauptstadt Fereldens.

    Sie begegneten ein paar Truppen Dunkler Brut, die Bauern und Soldaten überfielen, und halfen, die Genlocks auszulöschen. Die Kämpfe waren meist nur stumpfes und einfaches Gemetzel, Zevran erwies sich als geschickter Zwei-Waffen-Kämpfer, aber Jaina hatte ja gesehen, dass sie mehr als mit ihm mithalten konnte.
    Nach einem weiteren Kampf gesellte sich Jaina zu Alistair und fragte ihn etwas, was sie schon einige Zeit beschäftigte. „Warum bist du in der Kirche geblieben, wenn du es dort gehasst hast?“ Er lachte. „Noch nie eine Templeruniform gesehen? Die sind unglaublich schick. Manchmal kuschle ich mich nachts daran und denke an die guten, alten Zeiten. Rührend... Naja, Tatsache war, dass ich es dort einfach gehasst habe. Die Armen sahen mich als Adligen an, der zu fein war sich mit ihnen abzugeben, die Adeligen nannten mich einen Bastard und wollten nichts von mir wissen. Ich hatte das Gefühl, dass Arl Eamon mich nur loswerden wollte und war nachtragend und verbittert. Ich habe allerdings Trost im Training gefunden. Ich glaube, ich war ziemlich gut darin. Es war harte Arbeit durch die ganze Erziehung und Disziplin durchzugehen, aber am Ende wurde man belohnt. Schwertkampf und Glaubenslehre kam erst viel später. Ich habe mich nie irgendwo zu Hause gefühlt, bis Duncan mich für die Grauen Wächter rekrutierte. Er meinte, meine Templerfähigkeiten wären nützlich wenn wir Schamanen der Dunklen Brut träfen, also behielt ich sie bei. Was ist mit dir? Hast du etwas, was du dein Zuhause nennen würdest?“
    Sie waren mittlerweile weitergegangen und Jaina musste nicht lange überlegen. Bis vor kurzem war es Schloss Cousland in Highever gewesen. Doch jetzt... „Mein Zuhause sind jetzt die Grauen Wächter. Und du.“ Alistair sah sie verlegen an. „Wirklich? Ich... das ist wirklich schön zu hören. Aber wir werden nicht immer Reisende sein. Wenn die Verderbnis... naja, irgendwann wird eine Zeit kommen, in der wir wieder über ein richtiges Zuhause nachdenken sollten. Obwohl das in unerreichbarer Fernen liegt. Und die Grauen Wächter werden verschwunden sein.“ Jaina schüttelte den Kopf. „Wir können den Orden wieder aufbauen.“
    „Wahrscheinlich hast du Recht. Wir können neue Wächter rekrutieren, aber die Alten werden nicht zurückkehren. Ob es sich wohl genauso anfühlen wird?“ Die beiden schwiegen kurz, dann fragte Jaina weiter. „Was genau ändert sich eigentlich nach dem Beitritt? Ich meine, gibt es körperliche Veränderungen?“
    Alistair lachte. „Genau das habe ich Duncan auch gefragt, und er meinte „Du wirst schon sehen““.
    „Dann hoffe ich, dass du mir genau das nicht sagst.“
    „Ich würde dir ganz andere Sachen sagen, glaub mir.“ Alistairs Fröhlichkeit war ansteckend. „Es war wohl weniger, dass Duncan daraus ein Geheimnis machen wollte, viel eher, dass die Grauen Wächter nicht unbedingt darüber reden – wahrscheinlich weil es angenehmere Themen gibt. Die erste Veränderung die ich an mir feststellte war immer größerer Hunger. Ich bin mitten in der Nacht zur Schloss-Speisekammer und habe sie leergeräumt. Ich dachte ich würde verhungern. Ich habe jede Mahlzeit verschlungen als ob es meine letzte wäre und war über und über verschmiert. Wenn die anderen Grauen Wächter mich so sahen, haben sie Tränen gelacht.“

    Jaina dachte nach. „Nein, das habe ich an mir nicht festgestellt.“ „So? Denn gestern habe ich dich das Essen verputzen sehen, dass ich dachte „Gut, dass sie sich so viel bewegt“. Alistair machte es sichtlich Spaß sie aufzuziehen und sie spielte mit.
    „Was soll ich sagen - ich wachse noch.“
    „Na klar, würd ich auch sagen! Ähm, war nicht so gemeint, bitte nicht schlagen!“ Sie lachten und er pausierte kurz, nur um dann wieder ernst zu werden. „Außerdem waren da die Albträume. Duncan sagte, das ist ein Teil davon, dass dir die Dunkle Brut spüren. Wir begeben uns in ihr... nunja, wie soll man das nennen, ihr Geuppendenken. Und wenn wir schlafen ist es noch schlimmer. Am Anfang ist es sehr schwer, aber man lernt mit der Zeit es abzuwehren. Es heißt, es soll schwerer für die sein, die während einer Verderbnis beitreten. Wie ist es für dich?“
    „Albträume? Ich weiß ganz genau was du meinst.“ Jaina verzog das Gesicht. Sie hatte tatsächlich einige Träume gehabt.
    „Manche Wächter kommen damit gut klar, aber ist selten. Andere können ihr Leben lang nicht mehr richtig schlafen. Ich nehme an, weil sie sensibler sind. Aber das Ende ist für alle gleich. Sobald man ein gewisses Alter erreicht, beginnen die richtigen Träume. Und dann weiß ein Grauer Wächter, dass seine Zeit gekommen ist.“
    Jaina sah ihn verständnislos an. „Wovon redest du?“
    Alistair fuhr sich durch die Haare. „Stimmt, wir kamen ja gar nicht dazu dir das zu erzählen. Also, neben all den wunderbaren Sachen die man als Wächter erfährt, muss man sich nicht sorgen an Altersschwäche zu sterben. Du hast 30 Jahre. Mehr oder weniger. Die Verderbtheit – es ist ein Todesurteil. Dein Körper wird letztendlich nicht mehr dagegen ankämpfen können. Wenn die Zeit gekommen ist gehen die meisten Grauen Wächter nach Orzammar um dort im Kampf zu sterben. Es ist Tradition. Dort unten findet man immer Dunkle Brut, bei den Zwergen. Die ältesten Grauen Wächter gehen in die Tiefen Wege um dort in einem letzten, glorreichen Kampf zu sterben. Die Zwerge respektieren uns dafür. Hattest du dich nicht gefragt, warum der Beitritt ein Geheimnis für neue Rekruten bleibt? Da hast du es.“
    Jaina war überrascht. Sie war zur Kämpferin ausgebildet worden und man behielt immer die Möglichkeit im Kopf, dass man im Kampf sterben konnte. Der Grund, warum ihre Mutter Eleanor sie nicht an der Seite von Fergus hatte kämpfen lassen wollen. Dass sie nun wusste, in 30 Jahren würde ihre Zeit kommen, war nun kein Schlag in den Nacken – aber sie wusste genau, dass es bei Rekruten anders sein würde. „Ich verstehe, ja.“
    Alistair sagte etwas leiser: „Duncan hatte diese Träume. Er erzählte es mir. Er sagte, es würde nicht lange dauernd bis er selbst nach Orzammar gehen würde. Ich nehme an, er bekam was er wollte. Ich wünschte nur es wäre seiner würdig gewesen.“
    „Wenn wir die Verderbnis beenden können, retten wir noch viel mehr Leben.“ Alistair nickte zustimmend. Jaina stieß ihn an. „Erzähl mir von den anderen Grauen Wächtern.“
    Alistair lächelte bei dem Gedanken, und erzählte ihr mehrere Geschichten, unter anderem von einem Wächter der unschlagbar im Trinken war.
    Die beiden lachten gemeinsam und schienen alle Sorgen vergessen zu haben.

    Bei Jaina war das irgendwie tatsächlich der Fall. Im Nachhinein war es richtig gewesen, sich zu versichern, ob nicht die Leiche ihres Brudesr in der Wildnis lag. So hatte sie zwar keine Beweise aber sie war sich sicher, dass ihr Bruder lebte. Sie konnte wieder frei atmen.
    Sie hatte sich mit dem Tod ihrer Eltern abgefunden und auch fast mit dem Duncans. An ihren Bruder zu denken spornte sie jetzt an, und ließ sie nicht in ein dunkles Loch fallen.
    Und ihr fiel auf, dass Alistair wesentlich besser aussah als vor ein paar Tagen, als sie zum Brecilianwald aufgebrochen waren. Die Mitgenommenheit und der Schmerz über den Verlust Duncans war nicht mehr da. Es schien, als hätte es ihm wirklich geholfen, darüber zu sprechen.

    Zevran gesellte sich zu ihnen und legte schwatzend einen Arm um Jainas Schulter – er nahm weder anstoß an Alistairs Blick, den er aber sofort zu überdecken suchte, noch an Jainas Waffen, die auf ihrem Rücken befestigt waren und deren Griffe über ihre Schulter ragten.
    „Wisst Ihr, wo ich euch beide gerade so betrachte fällt mir wieder ein, wie sehr ich den Geruch von Leder mag.“ Alistair blickte ihn angeekelt an.
    „Nein, keine Sorge, mein werter Alistair, ich werde mich des Nachts nicht an Eure Rüstung kuscheln – ich meine frisches Leder. Frisch gegerbt. Ich bin mit dem Geruch aufgewachsen und merke erst jetzt, wie sehr ich ihn vermisse. Wisst Ihr, bevor ich nach Ferelden ging, überlegte ich mir neue Lederstiefel zu kaufen, dachte mir aber, dass ich das lieber als Belohnung hinterher machen würde. Zu dumm...“ So reisten sie weiter in Richtung Denerim.
    Fawks ist offline
  14. #54 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    20) Das Geständnis

    Als es Abend wurde, hatten sie die Stadt noch nicht erreicht und schlugen ihr Lager auf einer großen Wiese auf, westlich von ihnen lag ein kleiner Laubwald.
    Jaina legte ihre Sachen ab, inklusive Schwert und Dolch und verabschiedete sich von ihren Kameraden. „Bin gleich wieder da“. Sie lief in Richtung des Waldes davon, sie brauchte nicht lange, dann war sie mitten im düsteren Wald, der erhellt wurde von den letzten Strahlen der Abendsonne. Sie irrte hindurch und genoss den kleinen Lauf, sie hatte wieder ein Gefühl dafür bekommen, in Form zu sein. Sie trabte an einem kleinen Tümpel vorbei, der von moosigen Steinen umgeben war. Sie hielt an und kühlte ihre Hände im kalten Wasser.
    Plötzlich hörte sie ein Knacken, wie von einem Zweig, der unter zu schweren Gewicht bricht. Sie hielt inne und sah auf. Verdammt, sie hatte keine Waffen bei sich. Vielleicht war es nur ihr Hund. Sie blinzelte unter ihrem Arm hindurch und erblickte für einen Seekundenbruchteil wehendes blondes Haar. Zevran, schoss es ihr durch den Kopf. Soso, entweder er treibt einen Spaß mit mir, oder... Sie drehte sich in die Richtung, aus der sie gekommen war und rannte los. Sie gab sich keine Mühe leise zu sein, sie wollte nur nicht beim zweiten Versuch von Zevran getötet werden. Laub stob auf als sie rutschend zum Stehen kam.
    Das konnte nicht sein – dort lagen, fein säuberlich in einer Astgabel gestapelt, Zevrans Waffen. Ein Schwert und zwei Dolche. Also trieb er doch seinen Spaß mit ihr?
    Sie zögerte ob sie zurückgehen sollte oder nicht. Im nächsten Moment warf sich etwas – oder jemand? - gegen ihren Rücken und brachte sie zu Fall. Sie landete im weichen Laub und zappelte wie ein Ertrinkender. Aber das Gewicht auf ihrem Rücken war schwerer als sie dachte.
    Sie hob einen Arm und stieß den Ellenbogen mit aller Macht zurück und spürte wie er abgefangen wurde.
    „Na, meine schöne Wächterin, da sucht Ihr Euch einen solch romantischen Ort aus, und lauft Ihr mir einfach davon.“ Zevrans Stimme klang zärtlich und liebevoll. Er nahm sie bei den Schultern und dreht sie auf den Rücken, und blieb, halb auf ihr gestützt, liegen und lächelte sie an.
    Jaina wusste nicht, was er vor hatte, aber ihr Gefahreninstinkt schlug nicht an. „Was macht Ihr da?“ flüsterte sie, sie hatte ihre Fassung noch nicht vollkommen zurückerlangt.
    „Ich versuche Euch von meinen Qualitäten zu überzeugen,“ erwiderte Zevran ebenso leise und beugte sich über sie und küsste sie. Jaina konnte es immer noch nicht glauben – der Kerl gab nicht auf. Als Zevran seinen Kopf wieder hob, stemmte Jaina beide Arme gegen seine Brust und versuchte ihn von sich zu schieben. Er erhob sich und half ihr auf.
    „Zevran, allen Bemühungen zum Trotz, Ihr könnt mich nicht überzeugen. Ich empfinde nichts dergleichen für Euch. Ich vertraue Euch ja kaum.“
    „Müsst Ihr auch nicht. Einfach so aus Spaß, jeder nach seinem Belieben. Damit bin ich aufgewachsen. Ein Kommen und Gehen, sozusagen.“
    „Nein, Zev. Keine Chance. Ich habe Euch mitgenommen, Ihr seid ein fähiger Kämpfer – mehr nicht. In Ordnung?“
    Zevran lächelte nicht mehr. „In Ordnung. Aber, wenn ich fragen darf, was gedenkt Ihr zu tun, wenn die Verderbnis vorüber ist? Bin ich dann frei?“ Jaina nickte. „Ja.“ „Gut zu wissen.“ Zevrans wölfisches Grinsen kehrte zurück. Gemeinsam holten sie Zevrans Waffen aus der Astgabel und kehrten zum Lager zurück. Die Sonne sandte gerade ihr letzten Strahlen über die grüne Wiese.

    Am Lager angekommen machte sich Zevran sofort daran, Leliana beim Abendessen machen zu helfen. Alistair saß auf seiner Decke und schliff sein Schwert. Jaina erkannte an den Bewegungen, dass er sich nur beschäftigte. Sie selbst packte ihre Decke aus und warf sie ins Gras, dann ging sie zu Jag, der eifrig in der Erde buddelte, dass die Brocken nur so flogen. „Was machst du denn da, Kleiner? Einen Tunnel nach Denerim graben?“ Jag hielt kurz inne und bellte aufgeregt und buddelte weiter. Jaina lächelte und ließ ihn graben. „Jaina?“ Hinter sich hörte sie Alistairs Stimme.
    Sie drehte sich zu ihm und sah ihn fragend an. „Ich möchte dir eine Frage stellen. Eine, ähm, persönliche Frage.“
    „Was für eine persönliche Frage denn?“ Jainas Neugierde war geweckt.
    „Naja, es geht um... um Zevran. Es hat den Anschein als... wärt ihr euch näher gekommen. Vielleicht ist es unangemessen, dass ich das frage, ich bin bloß neugierig. Was hast du für Gefühle für ihn? Ist es etwas Ernstes? Wenn du mir das sagen würdest...“ Alistair sah etwas verlegen aus, hielt aber ihrem Blick stand.
    „Warum fragst du das?“ Alistair atmete aus. „Ich hatte den Eindruck dass sich zwischen euch beiden eine Romanze entwickelt. Ich hätte auch früher etwas gesagt, aber ich wusste nicht wie ich das fragen sollte, ohne... nun ja, eifersüchtig zu klingen.“
    Jaina lächelte unmerklich. „Nein, ich genieße lediglich Zevrans... Gesellschaft. Da ist nichts. Wirklich. Auch wenn er alles daran gesetzt hat, es zu ändern.“
    Alistairs Augen funkelten erleichtert auf. „Gut. Nachdem ich das losgeworden bin, lass mich noch etwas fragen. Hast du irgendwelche Gefühle für mich?“
    Jainas Augen blitzten in der Dunkelheit. Ihr gefiel die Richtung, in die das Gespräch verlief. „Du zuerst.“
    „Nun, das mag seltsam klingen, wenn man bedenkt dass wir uns noch nicht lange kennen, aber ich empfinde Zuneigung zu dir. Große Zuneigung. Vielleicht weil wir gemeinsam so viel durchgemacht haben. Ich weiß es nicht. Vielleicht bilde ich es mir auch nur ein – und betrüge mich selbst. Was meinst du? Bilde ich es mir ein? Oder glaubst du, dass du jemals genauso für mich empfinden könntest?“ Alistair sah sie aufrichtig an, und sie sah die Hoffnung in seinem Blick. Jegliche Unsicherheit war aus seiner Stimme gewichen, als er sagte, wie er für sie empfand. Doch sie kehrte mit seiner Frage an Jaina wieder zurück. Für einen kleinen Moment was er sehr sicher gewesen – und er stand zu seinen Gefühlen. Jaina hätte das nicht erwartet – und dennoch war sie vollkommen froh.
    Die beiden standen sich gegenüber und sahen scheinbar gedankenverloren in die Augen des jeweils anderen. Die Spannung war förmlich sichtbar, und es war eine positive Spannung.
    „Ich denke, das tue ich bereits,“ antwortete Jaina langsam. „Ich habe dich also genasführt? Gut zu wissen...“ erwiderte Alistair leise. Langsam senkte er seinen Kopf und zog Jaina sanft zu sich.
    Als sich ihre Lippen sich trafen, schien in Jainas Magengrube ein Schwarm Schmetterlinge zu flattern und ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie fühlte sich vollkommen glücklich, drückte sich gegen Alistair und legte die Arme um ihn, während sie den Kuss innig erwiderte.
    Sekunden wurden zu einem langen, glücklichen Moment für beide und für diese paar Sekunden konnten sie das Übel in ihrem Leben vergessen – nein, nicht vergessen: sie sahen es gemeinsam an und waren dennoch im Reinen mit sich selbst.
    Nach ein paar Sekunden löste sich Alistair von ihr und ließ sie aus seiner Umarmung. Nun sah er sie wirklich verlegen an. „Das... war nicht zu früh, oder?“
    Jainas innere Freude strahlte aus ihre Augen und schien sie zu umgeben. „Weiß nicht, ich müsste weitere Tests machen,“ grinste sie ihn an.
    „Nun, dann werde ich das einrichten,“ Alistair lächelte sie ebenso freudig an. „Was wird nun mit Zevran? Mir gefällt der Gedanke nicht ihn zu hintergehen.“
    Jaina lachte kurz auf. Der Gedanke Zevran einen Streich zu spielen gefiel ihr. „Du hintergehst ihn nicht.“ Alistair sah unverwandt an. „Du weißt, was ich meine. Entweder gehörst du zu ihm, oder zu mir.“
    „Ich habe meine Entscheidung längst getroffen, Alistair. Ich gehöre zu dir.“
    Alistair sah sie befreit an. „Danke dir. Ich bin ein wahrhaft glücklicher Mann, ich weiß es.“
    Gemeinsam gingen sie zurück zum Feuer, befreit von allen Lasten, die sie mit sich getragen hatten. Jaina strahlte ebenso viel Lebensfreude aus wie Leliana, die sie mit ihren blauen Augen fixierte.

    Gemeinsam machten sie sich über den Eintopf her, in dem Pilze, Kräuter und Fleisch schwammen.
    Leliana wie auch Zevran kicherten über diese Aura der Glücklichkeit, die sich anscheinend um die beiden Wächter gelegt hatte. Leliana gab Zevran einen kleinen Stoß und flüsterte ihm etwas zu ohne den Blick von Jaina und Alistair zu wenden.
    Morrigan blickte Alistair an und diebische Schadenfreude legte sich über ihr Gesicht. Sie musste nichts sagen, sie wusste, dass ihr Anblick Alistair mehr als genug reizen würde.
    Aber der blieb völlig ruhig und entspannt. Ihn schien nichts betrüben können. Als Morrigan das merkte, verdrehte sie die Augen gen Himmel und allein dieser Gesichtsausdruck ließ Zevran und Leliana auflachen, die sich köstlich amüsierten – sowohl über die beiden Grauen Wächter als auch über Morrigan.
    Nach dem Essen lagen Alistair und Jaina lange neben dem niederbrennenden Feuer wach und erzählten sich gegenseitig Episoden aus ihrem Leben, bis sie irgendwann glücklich einschliefen.

    Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Für die beiden Grauen Wächter war klar, dass eine Verderbnis auf sie zukam, aber sie hätten mit sich selbst nicht mehr im Reinen sein können. Alistair war zwar immer noch zurückhaltend und ordnete sich am liebsten unter. Jaina wusste nicht, ob sie ihm verständlich machen könnte, dass auch er Führungsqualitäten besaß. Sie dachte nicht weiter darüber nach, sie war erstmals seit ihrer Flucht aus Highever richtig froh.

    Gemeinsam gingen sie nach Denerim, die Hauptstadt Fereldens. Häuser drängten sich dicht an dicht, die Straßen waren breit und gut begehbar, überall liefen Leute herum, sie trafen auf Magier, Templer, Händler, Schmiede und normale Bürger. Erst da merkten sie, wie lange sie schon durch die einsame Wildnis gereist waren. Sie fanden den Schüler des Gelehrten in Bruder Genitivis Haus in einer kleinen Gasse. Der Schüler stellte sich als Weylon vor und erzählte ihnen widersprüchliche Geschichten darüber, wo sein Lehrer sei. Jaina hatte nicht vor, sich zum Narren halten zu lassen und durchsuchte kurzerhand das Haus des Gelehrten, bis sie auf die Tür zum Schlafraum zuging und Weylon hinter ihr rief: „Ihr dürft da nicht rein. Anordnung von Genitivi.“
    Jaina hatte ihren Beweis, dass etwas mit dem Burschen faul war. Sie drehte sich, scheinbar überrascht zu Weylon um und gab Morrigan währenddessen ein Zeichen. „Ich muss leider darauf bestehen.“ Weylon begann zu gestikulieren und eine glänzende Aura umgab ihn auf einmal, aber er schrie schmerzgepeinigt auf als Morrigan eine Geste machte und Jaina ihm beide Klingen in den Leib trieb. Der Mann fiel rücklings wie ein nasser Sack zu Boden und rührte sich nicht mehr.
    Im Haus fanden sie Aufzeichnungen von Genitivi, die sie in das Bergdorf Haven führten – und die Leiche des echten Weylon.
    Jaina nahm Genitivis Buch auf und gab es herum. „Damit hätten wir unser nächstes Ziel.“ Sie blickte unauffällig in Richtung Alistair, um herauszufinden, ob er noch in Denerim verweilen wollte. Zumindest schien es nicht der Fall zu sein.

    Am nächsten Morgen machten sie sich gemeinsam auf Richtung des Dorfes Haven.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (05.05.2011 um 10:00 Uhr)
  15. #55 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    21) Prüfungen

    Langsam ging Jaina einen breiten, offenen Tempelgang entlang, neben ihr drehte sich Alistair einmal um die eigene Achse um die Größe des Tempels zu erfassen, Leliana schien völlig beeindruckt. Sie hörten ein Brüllen und ein Flügelschlagen. „Deckung“ schrie Jaina, und warf sich hinter einen Pfeiler, neben Leliana, die schnell reagiert hatte. Alistair drückte sich an eine der halbwegs erhaltenen Tempelmauern. Über sich sahen sie einen riesenhaften Drachen kreisen, der mit einem weiteren Brüllen auf einem Bergplateau landete. Jaina spähte hinter dem Pfeiler hervor und sah den Drachen, gigantisch wie er war, in einiger Entfernung auf dem Plateau liegen, den Kopf hatte er gesenkt.
    Anscheinend hatte das Biest sie nicht bemerkt. Nicht, dass Jaina es nicht erwartet hätte. Im Tempel, den sie hinter sich gelassen hatten, waren sie gezwungen gewesen einen Kult aus dem Dorf Haven auszulöschen, in Haven selbst hatte man sie überfallen sobald sie das Wort „Genitivi“ in den Mund genommen hatten. Letztlich hatten sie ihn schwer verwundet gefunden, und er hatte ihnen den Weg zu diesem Tempel gewiesen. Zevran, Morrigan und Jag bewachten den alten Mann und untersuchten die unzähligen Nebenräume des Tempels. Jaina wäre am liebsten alleine gegangen um niemanden in Gefahr zu bringen, doch Alistair musste sie nicht einmal mit seinem typischen Blick ansehen, sie wollte ihn ja dabeihaben. Leliana machte in ein paar leidenschaftlichen Sätzen klar, dass sie hier ihre wahre Berufung als Ordensschwester finden könnte und so hatte Jaina sie mitgenommen. Sie glaubte, je weniger sie wären, desto besser, auch wenn sie nicht sagen konnte, weshalb.

    Jaina winkte ihren Freunden und sie brachten so schnell wie möglich die Strecke zum Hauptgebäude des Tempels hinter sich. Schwer atmend kamen sie dort an und öffneten die Tür. Kaum dass sie sie wieder geschlossen hatten, knieten sie sich hin und verschnauften. Doch schon nach keiner Minute gingen sie weiter in den nächsten Raum, der ebenfalls wie ein Vorraum aussah. An dessen Ende stand ein großer Mann vor einem gewaltigen Tor. Er trug eine vollkommen silberne Rüstung und einen silberglänzenden Helm. Auf seinem Rücken hing ein offensichtlich schwerer Zweihand-Hammer. Kaum dass die Freunde näher kamen grüßte er sie als Pilger und fragte nach dem Zweck ihres Besuches und stellte sich als Wächter über die Asche vor.
    Jaina erklärte ihm, dass sie die Asche brauchten um einen edlen Mann zu heilen und der Wächter nickte bedächtig.
    „Dennoch müsst Ihr Euch zuerst als würdig erweisen. Absolviert den Spießrutenlauf, und ihr werdet die Asche der Heiligen Andraste sehen und berühren können.“
    Jaina sah kurz zu ihren Gefährten, die zustimmend nickten und nahm die Herausforderung an.

    „Bevor Ihr gehen dürft, muss ich noch etwas wissen. Jaina Cousland. Du hast viel Leid erfahren in der Vergangenheit – dein eigenes und das anderer. Du hast deine Eltern Bryce und Eleanor Cousland in den Händen von Rendon Howe gelassen, in dem Wissen, dass er ihnen keine Gnade zu Teil werden lassen würde. Bereust du dein Handeln, sie zu verlassen?“
    Jaina schluckte. Das Bild ihres verletzten Vaters tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Daneben kniete ihre Mutter und stützte ihren Gatten. Sie hatte eher alles daran gesetzt ihren Bruder zu finden. Hätte sie ihre Eltern retten können? fragte sie sich. Nein – antwortet ihr eine Stimme. Und du weißt es.
    „Nein. Ich musste meinen Bruder finden und warnen. Sie forderten mich auf, sie zu verlassen.“
    „Also ergehst du dich nicht in Fehlern deiner Vergangenheit.“ Der Wächter nickte bedächtig.

    Alistairs Stirn hatte sich in Falten gelegt und er spürte Mitleid für Jaina. Was er da gerade gehört hatte – er hatte nie gefragt, was genau mit Jainas Eltern passiert war. Er wusste lediglich, dass Arl Howe Jaina und ihre Familie verraten hatte und dass ihr Bruder schon nach Ostagar geritten war, bevor das Schloss in die Hände von Howe fiel.
    Aber das… er wusste zwar nicht, womit er gerechnet hatte, aber dass dieses Mädchen seine Eltern auf so eine Art verloren hatte, gezwungen sie zu verlassen… er würde mit ihr darüber sprechen, wenn sie das wollte. Sie war für ihn dagewesen, als er die Last von Duncans Tod mit sich schleppte und hatte ihm geholfen. Er würde nur zu gerne den Gefallen erwidern.

    „Und Ihr, Alistair, Ritter und Wächter? Ihr fragt Euch, ob alles anders gekommen wäre, wenn ihr auf dem Schlachtfeld gewesen wäret. Ihr hättet den tödlichen Streich vielleicht abhalten können…Ihr fragt Euch ob es besser gewesen wäre, wenn Ihr gestorben wärt.“
    Alistairs Miene verdüsterte sich, aber er antwortete. „Ja.Wenn ich an Duncans Stelle gestorben wäre, wenn er hätte gerettet werden können, wäre alles besser. Wenn ich bloß die Möglichkeit gehabt hätte.“

    „Und Ihr – warum sagt Ihr, dass der Erbauer zu Euch gesprochen habe, obwohl alle wissen, dass der Erbauer weg ist? Er sprach nur zu Andraste. Glaubt Ihr, Ihr seid ihr ebenbürtig?“
    „Das habe ich nie gesagt!“ Lelianas Stimme war voller Verbitterung.
    „In Orlais wart Ihr jemand, in Lothering hattet Ihr Angst Ihr könntet euch als eintönige Schwester verlieren und verschwinden. Wenn eure Brüder und Schwester in der Kirche Eure Fähigkeiten kritisierten, wart Ihr verletzt, aber Ihr habt es auch genossen. Dadurch wart Ihr etwas Besonderes. Ihr habt die Aufmerksamkeit anderer genossen, auch wenn sie negativ war.“
    „Ihr sagt, ich hätte das nur erfunden um Aufmerksamkeit zu bekommen? Das stimmt nicht. Ich weiß was ich glaube.“

    Der Wächter neigte den Kopf. „Ihr dürft passieren.“

    Damit traten Jaina, Alistair und Leliana an ihm vorbei und begaben sich in die gewaltigen Hallen des Tempels. Die erste Halle war riesenhaft. Eine hohe Decke aus dunklem Stein schien die Wände zusätzlich zu verdunkeln. Alles wirkte düster, massiv und unglaublich alt.
    Durch große Säulen waren eine Art Kerbe in die Raum gemauert worden, und in jeder Kerbe schwebte eine halb durchsichtige Gestalt. Wie sich herausstellte, hatte jeder dieser Geister ein Rätsel für die drei, und gemeinsam schafften sie es, alles korrekt zu beantworten. Mit einem langgezogenen Quietschen und einem dumpfen Schlag schlug das nächste große Tor auf, und die Freunde fanden sich an einem Abgrund wieder. Zu beiden Seiten der Klippe waren Steintasten in den Boden gelassen, und jeweils eine Taste ließ ein Brückenteil entstehen.

    Nach einigem Knobeln und Herumpositionieren schafften sie es, die Tasten so zu belegen, dass zwei der Brückenteile stabil und stofflich wurden. Jaina stellte sich darauf. Leliana und Alistair probierten vorsichtig die nächsten Tasten aus, und nach einigen Überlegungen Jainas wurde vor ihr das dritte Brückenglied stabil und sprang darauf. Das vierte Teil dauerte nicht mehr lange und Jaina kam auf der gegenüberliegenden Seite an. Kaum dass ihre Füße den Boden berührt hatten erschienen alle Brückenteile auf einmal. Leliana und Alistair sammelten ihre Sachen auf, die sie auf den Tasten positioniert hatten und überquerten die Brücke.
    Alistair lächelte Jaina aufmunternd an. „Noch gar kein Kampf bis hierher. Ist wohl nicht Andrastes Art.“ Leliana lachte und meinte „Unterschätzt die Prophetin nicht. Immerhin war sie die Braut des Erbauers.“
    Jaina wollte nicht länger warten. „Können wir?“ fragte sie ihre zwei Gefährten und diese nickten. Sie traten durch das Tor, das in den nächsten Raum führte. Der war um einiges niedriger gebaut, aber dafür wesentlich breiter – oder es wirkte nur so durch die niedrige Decke. Jaina ging in die Mitte des leeren Raumes. „Hier stimmt etwas nicht. Haltet euch bereit.“ Sie hatte kaum ausgesprochen, da erschienen vor dem verschlossenen Tor zum nächsten Raum drei Gestalten aus Rauch – und sie sahen der Dreiergruppe ungemein ähnlich. Es waren Abbilder ihrer selbst, und sie gingen auf sie los. „Alistair, fixier mich!“ Mit diesem Ausruf sprang Jaina auf das Abbild Lelianas zu, zog Schwert und Dolch und stach parallel nach den Armen. Durch den Schwung den sie hatte, konnte sie die Klingen über Kreuz auf Halshöhe bringen und brachte sie ruckartig auseinander. Die Geistbilder gaben keine Laute von sich, sie bluteten nicht, aber nach einem weiteren Stich verschwand das Abbild Lelianas.
    Jaina drehte sich zu Alistair, der die Geisterjaina gerade mit einem Schildschlag zu Boden beförderte und zu seinem eigenen Abbild herumfuhr und ihm einen Hieb versetzte. Jaina lief auf ihr eigenes Bild zu und versenkte beide Klingen in dem sich aufrappelnden Geist. Ein Pfeil in die Stirn des Geistes bewirkte, dass er sich auflöste. Zu dritt beseitigten sie auch Alistairs Abbild und verschnauften erst einmal. „Hattet Ihr Euch nicht über zu wenig Kampf beschwert?“ fragte Leliana Alistair der den Kopf schüttelte. „Wie käme ich denn dazu...“
    Leliana hatte sich als erste erholt und drängte ihre Gefährten. „Kommt schon. Es kann nicht mehr weit sein. Die wahrhafte Asche der Andraste, ich muss sie sehen.“ Damit ging sie voraus zu dem Tor, das sich geöffnet hatte, Jaina und Alistair kamen hinterher und verstauten ihre Waffen. Leliana war stehen geblieben. „Jaina“ wisperte sie. „Geht schon.“ Die junge Cousland sah Leliana stirnrunzelnd an, aber auch Alistair gab ihr einen kleinen Schubs gegen die Schulter.

    Jaina blickte nach vorne. Dort stand eine Gestalt, mit dem Rücken zu ihr. Es war ein Mann. Sie kannte die Figur, die Hose, und auch das enganliegende Hemd. Sie lief auf den Mann zu, der sich noch nicht geregt hatte, und blieb kurz vor ihm stehen. Seine Kleidung war sauber, keineswegs blutverschmiert und er wirkte vollkommen unverletzt. „Vater“ flüsterte sie heiser.
    Die Gestalt drehte sich zu ihr um. Es war Teyrn Bryce Cousland, er hatte eine ernste Miene aufgesetzt. „Jaina“ erwiderte er. Seine Augen schienen im Halbdunkel väterliche Liebe zu verströmen und Jaina konnte nicht fassen was hier vor sich ging. Sie dachte nicht mehr an Prüfungen oder die Asche, ihr Vater war hier! Sollte sie doch die Gelegenheit haben mit ihm zu sprechen... Seine Tochter legte eine Hand an seinen Oberkörper – sie konnte ihn fühlen! Sie lehnte sich gegen die Brust des Vaters und sagte mit tränenerstickter Stimme: „Ich wünschte es wäre anders, Vater, aber ich weiß, dass du tot bist.“ Trostsuchend schmiegte sie sich an seine Brust und wünschte nichts mehr, als ihn gerettet haben zu können.
    Mit einem Mal war sie nur noch die Tochter dieses Mannes, und wollte nichts anderes mehr sein. Der Verlust brannte in ihr, stärker als er es je getan hatte, und Jaina ließ ihren Gefühlen freien Lauf.

    Die ernste Miene des Teyrn erhellte sich zu einem leichten, aufrichtigen Lächeln, das Jaina aus ihrer Position nicht erkennen konnte. Sie vergrub ihren Kopf an der Achsel ihres Vaters und konnte kein weiteres Wort hervorbringen. Ein Kloß hatte sich in ihrem Hals geformt. „Meine geliebte Tochter. Ich weiß, dass du mich vermisst.“ Er legte die Arme um die bebenden Schultern seiner Tochter. „Aber mein Tod und mein Leben haben keinen Einfluss mehr auf dich,“ fuhr er sanft fort. „So soll es sein, Kleines.“ Ihr Vater sprach ruhig aber eindringlich auf sie ein.„Schau auf den Horizont und blicke nicht zurück. Zögere nicht. Du hast einen weiten Weg vor dir, und du musst dich bereitmachen. Deshalb übergebe ich das hier dir. Du wirst Großes damit vollbringen.“
    Die junge Frau wirkte wie ein kleines Mädchen. Sie löste sich von ihrem Vater, aber umfasste seine Arme. Der Teyrn sah seine Tochter noch einmal eindringlich an. „Ich bin so stolz auf dich.“
    Dann ließ er sie los – und zurück blieb nichts. Nichts außer Jaina, in deren Händen eine silberne Kette mit einem blauen Amulett lag.

    Gesenkten Kopfes stand Jaina da und rührte sich nicht. Ihre Schultern bebten noch immer.
    Leliana gab Alistair einen unsanften Stoß vorwärts, der begriff und auf Jaina zueilte, sie selbst lief langsam hinterher.

    Jaina hatte sich immer noch nicht bewegt als Alistair bei ihr ankam und ihr beide Hände auf die Schultern legte. Vorsichtig nahm er mit einer Hand das Amulett aus Jainas Hand, mit der anderen strich er ihre mittellangen Haare zur Seite. Er legte das kühle Silberkettchen um ihren Hals und befestigte den Verschluss. Endlich drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an. Auf ihrem Gesicht war keine Träne zu sehen, aber feuchte Spuren verliehen den Wangen einen sonderbaren Glanz in dieser Düsternis. Alistair hatte schon den Mund geöffnet um etwas zu sagen, aber Jaina schüttelte den Kopf.

    Jaina schluckte schwer und bedeute mit einer Kopfbewegung zu ihren Freunden, ihr zu folgen. Damit schritt sie durch das letzte Tor. Vor ihr stand ein steinerner Altar, und sie kniete nieder, um die Inschrift zu lesen. Sie folgte der Anweisung auf dem Altar, sich von allem Weltlichen zu trennen und streifte die Waffen ab, und pellte sich aus der Rüstung, bis sie nur noch ihre Unterkleidung trug. Leliana und Alistair taten es ihr nach. Kaum dass sie alles abgelegt hatten entbrannte ein Feuer in einer Linie, die waagerecht durch den Raum verlief. Erst jetzt sah Jaina über den kleinen Altar hinweg zu eine riesigen Statue einer Frau, die auf einem steinernen Podest platziert war. Und am Fuße der Statue stand eine Vase. Auf einmal war der Wächter wieder da, in seiner glänzenden Rüstung reflektierte er den Feuerschein.
    „Ihr habt Euch als würdig erwiesen, Pilger. Würdig, die Asche der Heiligen Andraste zu sehen. Und wie sie wurdet ihr gereinigt.“ Damit verschwand er und auch das Feuer. Jaina streifte ihre Rüstung wieder über und ging bedächtig auf die Statue zu. Um Fuß der Treppe blieb sie stehen und sah das wunderschöne, gemeißelte Gesicht der Braut des Erbauers an. Gemeinsam stiegen sie die Treppen hinauf. Sie alle waren berührt von der Macht, die in diesem Raum zu sei schien. Die Vase stand offen da und ein Häufchen Asche lag darin. Jaina reichte Leliana einen winzigen Lederbeutel und nickte ihr zu. Leliana, vollkommen entrückt, nahm eine Prise der Asche und ließ sie in den Beutel fallen.
    Andächtig standen die drei so vor den sterblichen Überresten von Andraste. Es ließ sich nicht mit Worten beschreiben – es war einfach nur überwältigend.
    Fawks ist offline
  16. #56 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    22) Heilung


    Zevran warf Morrigan ein Amulett zu. „Ist das magisch?“ Sie fing es geschickt auf und studierte es. Nach kurzer Zeit nickte sie. Zevran lachte begeistert auf. „Wahre Schätze liegen in diesen Ruinen. Haben wir noch einen Raum übersehen?“ Morrigan erwiderte kalt: „Nein. Dafür dass Ihr ein Assassine seid, lasst Ihr Euch sehr leicht von Euren Aufgaben ablenken. Ihr könntet ebensogut Abenteurer ausrauben, das wäre ungefährlicher für Euch.“ Zevran lachte schallend. „Nur keine Sorge, meine liebreizende Morrigan, ich weiß mich zu verteidigen.“
    „Ist das so? Dann wart ihr bei Jaina wohl unaufmerksam? Oder wollten sich da andere Teile Eures Körpers „verteidigen“?“
    Bevor Zevran etwas erwidern konnte schlug Jag an. Er bellte und rannte aufgeregt zur Tür. „Es scheint als käme Eure Bezwingerin zurück.“ Sie lächelte höhnisch und ging ohne auf Zevran zu achten hinter Jag her. Der Elf schmiss einige Fundstücke achtlos in seinen Rucksack und schulterte diesen, dann machte er sich ebenfalls auf den Weg nach draußen. Bei Bruder Genitivi, der einige Schriftzeichen an der Wand studiert hatte, standen Hund und Herrin wieder vereint, Leliana hatte einen noch verzückteren Gesichtsausdruck als sonst und Alistair sah ebenfalls tief berührt aus.
    Als er ankam verabschiedete der Gelehrte sich gerade. „Ich muss wieder zurück. Wenn Ihr in Denerim seid, kommt mich besuchen. Ich würde mich freuen.“ Und auch er wirkte berührt und ehrfüchtig. Zevran verstand nicht, wie man um ein wenig Asche soviel Aufhebens machen konnte, aber es interessierte ihn eigentlich auch nicht.
    Gemeinsam verließen die Kameraden den Tempel und sahen zu, dass sie Haven verließen. Auf halber Strecke nach Redcliffe beschlossen sie zu lagern, es war zwar erst früher Nachmittag, aber Jaina schlug vor, auf die Jagd zu gehen um sich am Abend mal etwas gönnen zu können.

    Jag war der erste, der in Richtung Norden davonwetzte. Leliana nahm sich sogleich ihren Bogen und verschwand im Gebüsch, Zevran machte sich in die andere Richtung davon. Selbst Morrigan verließ das Lager – natürlich alleine – aber ob sie jagen würde, wusste keiner, außer ihr selbst.

    „Willst du alleine sein?“ Alistair sah Jaina fragend an. Die blickte ihn mit einem undefinierbaren Blick an, aber schüttelte den Kopf. „Wenn die alle mit Fleisch zurückkommen, können wir übermorgen noch davon essen. Dann holen wir eben Wasser. Kennst du einen Fluss hier in der Nähe?“
    Alistair musste sich erst orientieren. Sie hatten ihr Lager wieder am Rande eines Gebüsches aufgeschlagen, aber der Blick in die flache Graslandschaft reichte weit. Bäume waren hier nirgends zu sehen, dafür Hecken und Sträucher überall auf der Wiese verteilt.
    Warum fragt er das? Warum merkt er nicht, dass ich ihn brauche… brauchen könnte. Dass er für mich da sein kann. Diese Gedanken schwirrten in Jainas Kopf, aber sie konnte überhaupt nicht einschätzen, ob sie das nun dachte, weil sie so emotional aufgewühlt war.

    „Hm. Ich glaube dort lang,“ er deutete Richtung Westen. „Probieren wir es einfach.“ Jaina nahm den kleinen Kochtopf, den sie hatten und legte ihre Lederflaschen hinein. Alistair folgte ihrem Beispiel und legte seine dazu.
    Nebeneinander gingen sie durch das schienbeinhohe Gras. Die Sonne brannte auf sie herab – es war ja erst kurz nach Mittagszeit. Aus Vorsicht hatten beide ihre Waffen mitgenommen. Jaina klopfte gegen Alistairs Schild. „Ich frage mich, wann wir wieder ohne Panzerung durch die Gegend laufen können ohne fürchten zu müssen, dass es unser letzter Spaziergang wird.“
    „Hoffentlich sehr bald. Morgen werden wir bei Arl Eamon sein und er wird uns weiterhelfen können. Er kennt sich mit diesen politischen Machtspielen aus und weiß, wie man die Leute dazu bringt, die wahre Bedrohung zu sehen.“
    Tatsächlich tauchte jetzt am Horizont ein kleiner Bach auf. Jaina blieb unwillkürlich stehen. Alistair hatte sowohl den Bach als auch Jainas Reaktion gesehen. Er wusste, woran sie dachte. Schau auf den Horizont und blicke nicht zurück, das hatte der Geist ihres Vaters gesagt.
    Doch der Moment des Zögerns war vorbei, Jaina setzte sich wieder in Bewegung.

    „Alistair, ich möchte dir etwas erzählen. Ich weiß nicht, ob ich das sollte, aber ich weiß, dass du dir diese Fragen stellst.“ Sie sagte das, ohne ihn anzublicken. „Jaaaaa?“ Alistair sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
    „Du hast ihn gesehen. Meinen Vater. Ich wollte dir erzählen, was geschehen ist. Auf Schloss Cousland. Ich habe mich die ganze Zeit dagegen gewehrt, aber mir war schon seit einiger Zeit klar, dass ich... dass sich das nicht rückgängig machen lässt.“ Alistair hörte aufmerksam zu.
    „Ich wurde nachmittags zu meinem Vater gerufen, Howe war bei ihm, und Duncan. Er sagte mir, ich solle meinen Bruder unterrichten, dass er sofort aufbrechen sollte, Vater und Howe wollten am nächsten Morgen losreiten. Eigentlich wollte ich mich lieber mit Duncan unterhalten... naja, jedenfalls überbrachte ich Fergus die Nachricht und wir verabschiedeten uns.
    Nachts war Jag unruhig. Feindselig. Er bellte und knurrte und ich wusste, dass etwas nicht stimmt. Dann stürzte ein Diener zur Tür rein um mich zu holen, aber noch bevor er ausgesprochen hatte, wurde er getötet. Das Schloss war von Howes Truppen so gut wie eingenommen worden. Meine Mutter konnte sich bis zu mir durchkämpfen und wir drei suchten nach Vater. Fergus' Frau und Sohn haben wir tot aufgefunden...“ Jainas Stimme zitterte. Doch sie holte Luft und fuhr fort:
    „Es war eine unglaubliche Schlacht. Hinter jeder Mauer lauerten Howes Speichellecker – wir konnten sie besiegen und ein Freund von mir sagte uns, dass mein Vater bei unserem geheimen Fluchtweg war, in der Küche. Wir... fanden ihn dort. Schwerst verletzt. Er.. saß in seiner eigenen Blutlache.“ Jaina hatte ganz ruhig gesprochen, selbst als es um Howe ging. Jetzt drohte ihre Stimme zu brechen. „Ich hatte keine Möglichkeit. Sie… drängten mich mit Duncan zu gehen. Mutter wollte bei Vater bleiben. Ich konnte sie nicht umstimmen und Howe konnte jeden Moment reinkommen. Ich dachte nur daran, dass ich Fergus finden musste, mir war klar, dass meine Eltern ihr Schicksal gewählt hatten. Aber mein Bruder… Ich habe versagt. Ich dachte, ich habe meine Eltern enttäuscht. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Und du…“ Jaina unterbrach sich.
    Alistair wartete einige Sekunden und fragte dann: „Was ist mit mir? Nun sag schon.“
    Jaina seufzte. „Meine Gefühlswelt war und ist das reinste Chaos. Und seit ich dich kenne… also, seit wir uns… naja, es macht es nicht einfacher. Das heißt nicht, dass ich dich loswerden will – im Gegenteil.“

    Mittlerweile waren sie an dem kleinen Bach angekommen und setzten sich ins Gras.
    „Und Mutter wollte sich nicht von Vaters Seite rühren. Ihn beschützen wollte sie, so hat sie es gesagt. Sie hatte keine Chance. Sie hätte mitkommen sollen, aber...“ Jaina atmete durch. „Duncan brachte mich nach Ostagar – und ich wollte nur meinen Bruder finden, der dort auch irgendwo sein musste.“ Sie fuhr mit einer Hand durchs Wasser und klatschte sie sich leicht ins Gesicht.
    Alistair hatte sich erhoben, füllte Kochtopf und Lederfläschchen mit Wasser und wusch sich dann seinerseits das Gesicht, um Jaina etwas Zeit zu geben. Diese war nun ebenfalls aufgestanden und kniete neben Alistair am klaren Wasser. Sie konnten die Spiegelbilder des jeweils anderen auf der Wasseroberfläche sehen. Das Wasser kräuselte sich leicht unter einem Windstoß. Jaina konnte die Einzelheiten von Alistairs Gesicht im Wasser erkennen. Der kleine Bart, der unter seiner Unterlippe wuchs. Seine braunen Augen und die Haarstoppeln, die überhalb der Stirn fast senkrecht nach oben standen. Jaina konnte nicht umhin zu bemerken, wie hübsch sie ihn fand.
    Alistair beugte sich ein wenig nach vorne, um Jainas Spiegelbild besser zu studieren.
    Unmerklich hob Jaina einen Arm und gab Alistair einen Stoß, der mit einem Prusten in den kleinen Bach fiel. Lachend streckte sie ihm eine Hand entgegen und half ihm aus dem Wasser, das ihm nur bis zum Schienbein reichte.
    „Du bist wie ich. Versteckst alles hinter deinem Humor.“ Von Kopf bis Fuß tropfend schmunzelte Alistair Jaina an.
    „Danke, dass du mir das erzählt hast.“ „Es hat mir auch geholfen. Aber nun komm schon, bevor du dich an mir rächen willst...“ Jaina schien wieder putzmunter zu sein, sie nahm den Kochtopf auf und ging voran. Scherzend und kichernd gingen die zwei Wächter zurück, wo sie bald ein tolles Abendessen haben sollten.

    Die Sonne ging auf. Rötlich-orangenes Licht schien auf die flache Landschaft und kitzelte Jaina in der Nase, die wie immer ohne Zelt geschlafen hatte. Sie lächelte, die Augen immer noch geschlossen und genoss den Sonnenschein. Sie atmete die frische Morgenluft ein und öffnete schließlich die Augen. Etwa einen Meter neben ihr lag Alistair, die Decke halb über sich gebreitet.
    Jaina sah ihn daliegen und fühlte, wie ihr warm ums Herz wurde.
    Sie wusste, sie war so glücklich wie sie es unter den Umständen sein konnte. Sie konnte Alistair stundenlang ansehen, ohne dass ihr langweilig wurde – im Gegenteil, er brachte ihr Herz zum höher schlagen.

    Sie griff nach ihrem Lederfläschchen und trank ein paar Schluck Wasser. Von den anderen war keine Spur zu sehen, selbst Jag lag noch wie erschlagen neben dem restlichen Hasenbraten, an dem sie sich alle gestern Abend sattgegessen hatten.

    Jaina sammelte Kochtopf und Lederflaschen ein, die im Lager verstreut waren und weckte leise ihren Mabari, der gähnend aufblickte. „Komm schon, wir machen einen Spaziergang zum Fluss.“ Diesmal steckte sie zur Vorsicht ihren Dolch in den Gürtel.
    Jag schien fast augenblicklich munter zu sein, er sprang auf alle Viere und jagte Richtung Fluss davon. Jaina setzte sich langsam in Trab, um dann immer schneller zu werden und dank Jags Tempoverringerung zu ihm aufzuschließen. Sie kamen schnell bei dem kleinen Bach an, Jaina sah sich schnell um, riss sich ihre Rüstung vom Leibe, die ohnehin schon einige Risse hatte, und legte sich in das kühle Wasser. Jag betrachtete sie und bellte freudig, senkte den Kopf und schlabberte Wasser. Jaina wusch sich gründlich und stieg wieder aus dem Wasser, machte ein paar Sprünge und Armbewegungen um die Feuchtigkeit loszuwerden und zog ihre Rüstung wieder an.

    Dann machte sie sich daran, die Lederflaschen zu füllen und vergaß auch den Kochtopf nicht.
    Danach band sie drei der Flaschen aneinander und rief ihren Hund zu sich. „Komm, mein Kleiner, du musst mir tragen helfen.“ Damit legte Jaina ihrem Hund die Lederschnur ins Maul, so dass die Fläschchen links und rechts von seinen Lefzen baumelten.
    Sie lachte bei dem Anblick und machte sich im leichten Trab auf den Rückweg.

    Im Lager angekommen sah sie Leliana beim erkalteten Feuer sitzen und frühstücken. Zevran schliff seine beiden Dolche sorgfältig. Und Alistair lag immer noch auf seiner Decke und schlief. Jaina nickte den beiden andern zu, ließ die Fläschchen bis auf eines ins Gras gleiten und kniete sich neben Alistair. „Er hat nicht viel geschlafen während ich weg war, oder?“ Leliana schüttelte den Kopf. „Ich glaube, er lag die meiste Zeit wach. Aber er wollte nicht darüber reden. Ich bin froh, dass Ihr wieder hier seid. Es geht ihm wesentlich besser. Und Euch ganz offensichtlich auch. Schön, dass er eine solche Wirkung auf Euch hat.“

    Jaina lächelte auf Alistair herab, dessen dunkle Wimpern flatterten, als er langsam erwachte. Jaina legte ihm eine kühle Hand auf die Stirn. Alistair schlug die Augen vollends auf und erblickte das hübsche Gesicht Jainas, die auf ihn herab lächelte.
    Sie fuhr ihm von der Stirn aus sanft durch die Haare, gab ihm die Wasserflasche und richtete sich auf. „Wir sollten los.“
    Alistair nickte während er durstig trank.
    Währenddessen räumten die anderen die Decken zusammen und schnallten ihre Waffen und Rücksäcke um.
    Auch Morrigan gesellte sich zu ihnen und gemeinsam brachen sie in Richtung Redcliffe auf. Sie brauchten nur ein paar Stunden, dann standen sie auf derselben Erdterrasse auf der Alistair Jaina sein Geheimnis erzählt hatte.
    Alistair sah sorgenvoll in Richtung Schloss und Jaina legte eine Hand auf seine Schulter. „Er wird sich wieder erholen. Sorg dich nicht,“ murmelte sie ihm zu. Er sah sie dankbar an.

    Sie betraten die Schlosshalle. Sie wirkte nicht mehr ganz so düster wie beim letzten Besuch, Sämtliche Blutspuren und Leichenteile waren weggeschafft worden. Bann Teagan stand in seiner gestreiften Hose und seinem blauen Oberteil am Feuer, den Rücken zu den Ankömmlingen gedreht.

    „Bann Teagan,“ Jaina richtete das Wort an den Mann, der sich daraufhin umdrehte, und als er sie erkannte freundlich lächelte. „Seid mir gegrüßt.“ Jaina folgte den höfischen Regeln und verneigte sich leicht vor dem Bann. „Wir haben die Urne der Heiligen Asche gefunden.“
    „Wirklich?“ Teagans Augen wurden groß, sein Erstaunen war offensichtlich. „Das ist großartig! Wir müssen sofort zu Eamon. Geht voran!“
    Jaina blickte fragend Alistair an, der den Kameraden den kürzesten Weg zum Gemach des Arls wies.
    Dort lag er, in einem großen Bett, das von einem Baldachin zur Decke hin abgeschlossen war. Er atmete sehr flach und rührte sich nicht. Nach keiner weiteren Minute kam Teagan in den Raum geeilt, im Schlepptau Lady Isolde und einen Heiler. Connors Mutter grüßte sie kurz und höflich, dann wandte sie sich an den Heiler. „Ich bitte Euch, tut was Ihr könnt.“
    Leliana trat vor und legte dem Heiler das kleine Ledersäckchen in die offene Handfläche.

    Der trat an das Fußende von Eamons Bett und streut die Asche über Eamon. Er bewegte lautlos die Lippen, und irgendwoher schienen Funken aus dem Boden durch das Bett hindurch aufzusteigen. Eamon schien kurzzeitig zu erstrahlen in einem sanften lilafarbenen Glanz, es war als hätte jemand ein Loch in die Decke gerissen und die Sonne würde nun alles im Raum mit purer Gewalt anstrahlen.

    Jaina bemerkte Alistairs Unruhe und Lelianas Anspannung. Die Bardin schien vollkommen gefesselt von der Wirkung der Asche, sie trat neben den Heiler und begann stumm zu beten, legte die Hände aneinander und schien sich im Glanz der Heiligen Asche zu sonnen, aber nicht um selbst zu nehmen, sondern um zu geben.

    Die junge Cousland griff sanft nach Alistair Hand und bemerkte, wie er schwitzte. Alistair drückte etwas zu und ließ ihre Hand nicht mehr los.

    Und dann schlug Eamon die Augen auf. „Teagan? Was ist passiert?“
    „Ganz ruhig Bruder. Du warst lange todkrank. Bleib liegen.“
    Doch der Arl dreht den Kopf, offenbar noch orientierungslos. „Wo ist meine Frau? Wo ist Isolde?“
    Isolde legte eine Hand auf den Arm ihres Gatten und sagte mit tränenerstickter Stimme. „Ich bin hier, mein Gatte.“ „Und Connor? Geht es ihm gut?“ „Ja, er lebt. Doch viele andere sind gestorben.“
    Eamon stöhnt leicht. „Dann war es doch kein Traum. Teagan, ich will alles wissen, was geschehen ist.“
    Damit setzte der Arl sich auf, Jaina, die immer noch Alistairs Hand hielt, wies ihre Kameraden an, ihr zu folgen und verließ den Raum.

    Ein Diener bot ihnen Speisen und Getränke an, Zevran und Morrigan nahmen erfreut an, Jag bekräftigte seinen Hunger mit einem lautstarken Bellen, während Leliana wie in Trance auf den Schlosshof ging.
    Jaina verspürte keinen Hunger und Alistair hatte anscheinend gerade keinen Nerv, irgendwelche Mahlzeiten zu sich zu nehmen.

    Jaina führte Alistair in das Studierzimmer des Arls, der rote Schreibtisch immer noch im gleichen Zustand wie beim letzten Mal.
    „Hier,“ sagte Jaina leise, „hier habe ich dein Amulett gefunden. Wo hast du es?“
    Alistair ließ Jainas Hand los und berührte eine kleine Ausbuchtung in seinem Ledergurt.
    „Hier. Ich werde dem Arl dafür danken. Ich habe so viel mit ihm zu besprechen. Ich kann es kaum erwarten. Und dass er überhaupt lebt – das ist alles dir zu verdanken.“ Alistair fixierte Jaina mit seinem warmen Blick.
    Jaina lächelte scheu. „Ich hatte Hilfe, auch von dir. Wenn es um die Lorbeeren geht, habe ich nichts dagegen alle zu bekommen – aber wehe ich mache einen Fehler. Weißt du,“ Jaina machte einen Schritt auf Alistair zu, der mit dem Rücken zum Schreibtisch daran lehnte. „Ich bin einfach nur froh, dass der Großteil nun geklärt ist. Arl Eamon lebt. Wir haben Hilfe von den Magiern und den Elfen. Die der Zwerge werden wir auch einholen. Ich weiß, dass mein Bruder irgendwo da draußen ist.
    Wir müssen nur noch Loghain und Howe besiegen – und die Verderbnis. Irgendwie können wir es schaffen. Das einzige was mir noch nicht ganz klar ist... ist unsere Zukunft.“
    Jaina wollte keine Antwort hören. Sie wollte auch gar nicht darüber nachdenken. Sie folgte ihrem Gefühl und umarmte Alistair. Sie drückte ihre Haare an seinen Hals und umfing ihn mit ihren Armen. Sie merkte, wie Alistair seine starken Arme um ihre Schulter und um ihre Taille legte und sein Gesicht an ihren Haarschopf schmiegte. So standen sie einige Zeit da, bis sie Geräusch vor der Tür hörten und sich erschrocken voneinander lösten. Im nächsten Moment sprang die Tür auf und Arl Eamon stand im Türrahmen. Groß, majestätisch, in einem bordeauxroten Oberteil und einer ebensolchen Hose mit goldenen Verzierungen.
    Er hatte einen mächtigen Vollbart, der ebenso wie sein Haar dunkel, aber schon von einigem Grau durchzogen war.
    „Alistair.“ Eamon lächelte breit und ging auf den jungen Wächter zu, der sich vor ihm verneigte, und nahm ihn an beiden Armen. „Ich bin so froh, dass du lebst.“
    „Ich freue mich auch, Euch wieder wohlauf zu sehen, Mylord. Wie fühlt ihr Euch?“
    „Großartig.“ Der Arl ließ Alistair los und wandte sich ebenso herzlich an Jaina, sie sich ebenfalls vor ihm verbeugte. „Ich danke Euch im Namen meiner Familie und des Dorfes Redcliffe für alles was Ihr getan habt, um mich, meine Familie und mein Dorf zu retten. Ich möchte Euch dafür belohnen. Nehmt das hier.“ Er zog ein Säckchen aus dem Ärmel und gab es in Jainas Hand. Es war schwer und die Form von Münzen zeichnete sich am leichten Stoff ab.
    Jaina dankte ihm und trollte sich aus dem Raum, sie wollte Alistair die Gelegenheit geben, mit dem Arl alleine zu sein.
    Leise schloss sie die Tür hinter sich.
    Fawks ist offline
  17. #57 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    23) Denerim

    Der Arl hatte nach seinem Gespräch mit Alistair allen Kameraden von Jaina gedankt. Gemeinsam mit Bann Teagan hatten sie überlegt, wie sie Loghain das Handwerk legen konnten. Eamon schlug vor, den Adel zu einen und ein Landthing auszurufen, an dem die Adeligen teilnehmen sollten. Er würde dafür Sorge tragen, dass alle von Loghain Verrat erfuhren – sein Rückzug bei Ostagar, sein Attentat auf Eamon. Jowan wurde deshalb als Zeuge am Leben gelassen und dem Zirkel der Magi übergeben. Doch Eamon hatte auch schlechte Neuigkeiten.
    „Teagan und ich haben einen Anspruch auf den Thron durch Heirat. Aber dann wären wir Opportunisten und nur wenig besser als Loghain, der sich den Thron durch seine Tochter aneignen will. Alistair jedoch hat königliches Blut. Das Undenkbare ist eingetreten.“
    Jaina starrte Eamon mit einer Mischung aus Entsetzen und Verständnislosigkeit an. „Ihr wollt Alistair zum König machen?“
    Na, wie gut dass wir keine Zukunftspläne geschmiedet haben – denn die würden hier enden, dachte Jaina säuerlich.
    Sie hatte das Gefühl, dass Alistair ein durchaus guter König werden könnte, mit ein wenig Hilfe. Und er musste lernen, sich für etwas einzusetzen. Aber alle Hoffnungen, mit ihm zusammen zu sein zu können schienen mit dieser Königsidee davonzuschwimmen und sie spürte Traurigkeit in sich aufsteigen. Reiss dich zusammen, noch ist nichts entschieden, rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie wusste, dass das Wohl Fereldens über ihrem eigenen stand.
    „Und was ist mit mir? Interessiert niemanden was ich will?“ Alistair war sichtlich ungehalten.
    „Ihr tragt Verantwortung, Alistair. Ohne euch gewinnt Loghain und um Fereldens Willen müsste ich ihn unterstützen. Wollt Ihr das etwa?“
    „Nein, aber... ich... nein, Mylord.“ Mürrisch senkte Alistair den Kopf.
    „Beim Landthing werden die Adeligen entscheiden wer Ferelden regieren soll. In der Zwischenzeit müsst Ihr Eure Verbündeten rekrutieren. Ich werde hier auf Euch warten. Beeilt Euch, denn dann fängt das wahre Geschäft erst an.“
    Mit diesen Gedanken verließen die Gefährten gemeinsam die Halle und machten sich auf den Weg nach Orzammar, der Zwergenstadt.

    Knapp eine Woche später stand Jaina schlammverspritzt und sogar mit einigen Blutspuren an ihrer zerschlissenen Rüstung vor Eamon. Der Arl begrüßte sie freundlich und fragte gleich: „Wie ist es gelaufen?“
    Jaina fasste alles kurz zusammen: „Die Zwerge werden ihre Truppen schicken. Sogar einige mehr, wenn ich das richtig verstanden habe. Scheint, als hätten sie Probleme gehabt, diese alte Schrift zu entziffern und wir haben es erst gemerkt, als Morrigan uns darauf aufmerksam machte – da waren wir schon weit von Orzammar weg.“
    Sie erzählte vom Streit der Zwerge über einen neuen König und Jainas Unterstützung für den gerechten Harrowmont, der ihr drei Aufgaben übertragen hatte, die sie bewältigen musste: Ein Turnier für ihn gewinnen, eine Verbrecherin zur Strecke zu bringen, und einen alten Paragon dazu zu bringen, Harrowmont zu unterstützen.
    Es hatte gedauert, doch letztlich hatte es sich gelohnt. „Jetzt ist Harrowmont König und versprach mir, auf unseren Ruf seine Truppen zu senden. Nun geht es wohl an den politischen Kampf.“
    Eamon lächelte. „Ja. Zuerst reisen wir nach Denerim. Kommt mit mir.“

    Arm Eamon nannte ein großes Anwesen in Denerim sein eigen. Jaina hatte ein eigenes Zimmer für sich und zwei ihrer Gefährten. Endlich wieder ein Bett zum Schlafen – das war ein Gefühl!
    Sie pellte sich aus ihrer blutigen, dreckigen und zerrissenen Rüstung und stieg in den Waschzuber, den einige Dienstmägde gebracht hatten. Sie wuschen Jaina mit dem heißen Wasser und einer duftenden Seife - und sie genoss diesen Luxus.
    Nachdem sie fertig gebadet war hüllte sie sich in ein großes Tuch und legte sich auf ihr Bett, die nassen Haare hinterließen Spuren auf ihrem flachen Kissen. Die Mägde platzierten Jainas Rüstung auf einem fellbezogenen Sofa in der Mitte des Raumes. Sie hatte sich diese Rüstung neu gekauft, sie war in Grau- und Schwarztönen gehalten, einzelne Lederschuppen formten einen Ausschnitt wie bei ihrer alten Rüstung. Der Lederrock reichte ihr nicht ganz bis zu den Knien.
    Jaina entspannte sich vollkommen. Die letzten Wochen war sie tagsüber immer in Bewegung gewesen, selbst manche Nächte. Sie schloss die Augen und genoss es, einfach nur dazuliegen.

    Es klopfte an der Tür und Jaina rief „Ja?“. Die Tür öffnete sich und Alistair, ebenfalls frisch gebadet, erkennbar an seinem noch feuchten Haar, trat ein. Auch er hatte sich eine neue Rüstung gegönnt. Jaina machte auf ihrem Bett Platz für ihn, doch das war kaum nötig, es war ein sehr breites Bett. Sie merkte zu spät, dass sie nur in ein dünnes Leinentuch gehüllt war, das keine Ärmel hatte. Sie versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen um nur keine peinliche Situation heraufzubeschwören – doch sie musste sich keine Mühe geben.
    Alistair war, als er an ihrem Bett angekommen war und Platz genommen hatte, ungefähr so rot wie ein Radieschen. Er bemühte sich nicht an die Stelle zu sehen, an der das Tuch den Oberkörper umschloss – ein winziges Stück über Jainas Oberweite. „Du, ähm…“ In diesem Moment hatte Jaina die rettende Idee. „Gib mir mal die Decke, bitte.“ Alistair tat wie geheißen und Jaina breitete die Decke in Null Komma nichts über sich aus. Erleichtert grinste sie Alistair an, nun bis zum Kinn zugedeckt. Der nahm langsam wieder eine normale Farbe an. „Zevran hätte das jetzt eiskalt ausgenutzt.“ Jaina blickte Alistair an, dessen Blick sich etwas verfinsterte. „Ich bin nicht Zevran. Zumal du nicht so aussahst, als würdest du es schätzen, wenn man so über dich herfällt – nach dem was du erzählt hast. Dafür könnte ich ihn immer noch…“ Er beendet den Satz nicht, und das musste er auch nicht.

    „Alistair, sag mal, du bist doch in der Kirche großgeworden, hast du da niemals…?“
    Alistair sah sie verständnislos an. „Niemals was? Ein gutes Paar Schuhe gehabt?“ Jaina hob die Brauen. „Du weißt schon…“
    „Da bin ich mir nicht sicher. Einen Basilisken gesehen? Schinken mit Marmelade gegessen? Einen Pfosten im Winter abgeleckt?“
    Jaina verdrehte die Augen. „Sex.“
    Alistair war schon wieder am Erröten. „Oh, davon sprichst du. Ich muss zugeben, ich kannte noch keine Frau die… einfach auf mich zukam und mich das fragte, ganz sicher nicht. Ich hatte dieses Vergnügen noch nicht. Was nicht heißt, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, aber… du weißt schon.“ „Du hattest nie die Gelegenheit? Dir fehlt die richtige Ausstattung?“ Jaina neckte ihn grinsend. Alistair sah sie gespielt empört an, dann dachte er nach.
    „Naja, das Leben in der Kirche ist nicht unbedingt das geeignetste für wilde Jungs. Man brachte mir bei, ein Kavalier zu sein – gerade in Anwesenheit von wunderschönen Frauen wie dir. Das ist doch auch nicht schlecht, oder?“
    Nun war es an Jaina zu erröten. „Du findest mich schön?“ Alistairs Blick war eine Mischung aus Mahnung und Wärme. „Natürlich bist du das und du weißt es auch. Du bist hinreißend, einfallsreich und alles andere, wofür du mich wahrscheinlich schlägst, wenn ich es nicht aufzähle.“

    Jaina wurde schlagartig ernst. „Ich würde dir nie wehtun.“ Alistair erwiderte mit dieser Wärme, die er in Jainas Gegenwart verströmte: „Ich dir auch nicht.“ Jaina schob eine Hand unter der Decke hervor und ergriff Alistair Hand, die neben ihr lag. Unsicher sahen sich die beiden an, und wusste nicht was sie sagen wollte.
    Plötzlich hörten sie vor der Tür ein lautes Bellen. Alistair erhob sich und wollte die Tür öffnen, aber Jaina hielt ihn zurück. „Warte, er kann das. Er braucht nur Erlaubnis.“ In Richtung Tür rief sie: „Komm rein, Jag!“ Das Bellen erstarb und die Klinke drückte sich nach unten, die Tür schob sich auf und herein kam Jainas Mabari, auf beiden Hinterläufen, die Vorderläufe auf die Klinke gesetzt und blickte seine beiden Freunde aus klugen Augen an. Er ließ sich wieder auf alle Viere fallen, lief hinter die Tür und schob sie mit der Schnauze zu.
    Alistair hatte erst gegrinst und dann immer lauter gelacht, als Jag die Türe geschlossen hatte, lief er neben Jainas Bett und bellte vielsagend, bevor er wieder Richtung Tür lief und sich dort umdrehte.

    „Ich schätze wir sollen nach unten kommen. Warte draußen auf mich, bin gleich fertig.“ Alistair ging mit Jag aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Jaina sprang aus dem Bett und fuhr in ihre Lederrüstung, schnalle sich den Dolch auf den Rücken, sodass man ihn nicht sah und schüttelte ihre feuchten Haare hinter die Schultern.
    Dann trat sie aus ihrem Zimmer, wo Alistair wartete. Er musterte sie bewundernd, sagte aber nichts. Gemeinsam gingen sie den Gang hinab zu Arl Eamons Empfangsraum. Der stand dort und hatte sich in Richtung Eingang gewandt, drehte sich nun aber zu Jaina und Alistair um.
    „Da seid Ihr ja. Euer Mabari ist ein wirklich kluges Tier.“ Eamon lächelte leicht, doch wurde sofort wieder ernst. „Wir erhalten jeden Moment Besuch von Loghain. Ich muss Euch bitten ihn nicht anzugreifen, das wisst ihr sicher. Wir werden versuchen, den drohenden Bürgerkrieg beim Landthing zu beenden. Wenn wir Loghain etwas antun, haben seine Verbündeten mehr gegen uns in der Hand. Ich wollte euch nur daran erinnern, denn ich kann mir vorstellen, dass ihr ihn nicht sonderlich gerne seht, nach allem was in Ostagar passiert ist.“
    Jaina und Alistair nickten zeitgleich. Jag hatte sich auf seine Hinterläufe gesetzt und sah in die Runde. Außer den beiden Wächtern war keiner der anderen hier unten.
    Das Eingangstor öffnete sich und herein kam wieder dieser Mann, den Jaina so unsympathisch fand, mit den schwarzen Haaren, die nach hinten gekämmt waren und in einer silberglänzenden Rüstung. Er schritt auf Eamon zu und machte keinerlei Anstalten sich zu verbeugen.
    Jaina stand etwas hinter Eamon, neben ihr Alistair – und nun fiel ihr Blick auf die Begleiter Loghains. Eine Frau mit einem riesigen Zweihänder auf dem Rücken und einem hübschen Gesicht, die Haare in einen Pferdeschwanz gefasst. Und neben ihr – Jaina schnappte nach Luft. Arl Rendon Howe! Der Mörder ihrer Familie – der Verräter, der sie in all ihr Elend gestürzt hatte.
    Sie spürte ihr Blut in Wallung geraten und sie konnte förmlich hören wie es zu kochen begann. Sie sie riss sich eisern am Riemen. Alistair hatte ihre Reaktion entweder nicht bemerkt, oder zeigte es nicht. Jainas Mabari knurrte sichtbar, aber unhörbar.

    „Loghain, es ist eine Ehre, dass der Regent die Zeit findet, mich persönlich zu begrüßen.“
    „Wie könnte ich einen Mann nicht begrüßen, der so wichtig ist, dass er trotz der Bedrohung durch die Verderbnis alle Adeligen Fereldens von ihren Anwesen holt?“
    „Wegen der Verderbnis bin ich hier. Da Cailan tot ist braucht Ferelden einen König, der es gegen die Verderbnis führt.“ Eamon stand aufrecht vor Loghain und sah ihn höflich an.
    „Ferelden hat in seiner Königin eine starke Monarchin und ich führe ihre Truppen.“
    Jaina konnte nicht mehr an sich halten. „Wenn ich da an Ostagar denke brauchen wir einen besseren General.“ Loghain trat einen Schritt auf Jaina zu. „Und wer ist das, Eamon? Ein Streuner, den Ihr auf der Straße auflesen habt? Ich dachte Ihr spielt nur für königliche Bastarde das Kindermädchen.“

    „Immerhin gebt Ihr das ‚königlich‘ zu. Das ist ein Anfang,“ murmelte Alistair.
    Jaina fuhr Howe an: „Und dieser Mann hat das Teyrnair Highever verraten!“ Der erwiderte in seiner schmierigen Art: „Die Couslands sind tot. Die Howes stellen nun den Teyrn von Highever.“
    Jaina schäumte vor Wut. „Dieser Mann hat meine Familie umgebracht! Ich verlange Blutrechte!“ Sie macht einen Schritt auf Howe zu, doch hob nicht die Hand nach dem Dolch.
    „Ihr habt keine Rechte, Verräter. Eure Familie verlor sie, als sie sich gegen den König wandte.“ Verächtlich sah Howe an Jaina herab.
    Diese funkelte ihn wütend an, sie bemerkte die Hand auf ihrem Arm nicht, die sie im Notfall zurückhalten würde.
    Cauthrien drehte ihren Kopf zu der wütenden jungen Frau und sprach erstmals. „Ihr seid entweder sehr tollkühn oder sehr dumm den Teyrn vor Zeugen zu bedrohen.“
    Loghain machte eine Handbewegung. „Genug Cauthrien. Nicht hier, nicht jetzt. Ich wollte Euch dieses übereilte Vorgehen ausreden, Eamon. Unser Volk ist verängstigt. Unser König ist tot und unser Land wird belagert. Wir müssen vereint sein, um diese Krise zu überstehen. Eure eigene Schwester, Königin Rowan hat unermüdlich für Ferelden gekämpft. Soll ihr Werk zerstört werden? Dank Eurer selbstsüchtigen Ambitionen auf den Thron spaltet Ihr das Land und schwächt unser Vorgehen gegen die Verderbnis.“
    Jaina war immer noch wütend, aber sie hatte sich unter Kontrolle. „Ihr seid es, der Ferelden gespalten hat!“
    Loghain sah sie nicht einmal an. „Mit Euch sprach ich nicht.“ Eamon ergriff wieder das Wort. „Unser Volk verdient einen König aus der Theirin-Blutlinie. Alistair wird uns zum Sieg gegen die Verderbnis führen.“
    „Der Kaiser von Orlais dachte ebenfalls, ich könne ihn nicht zu Fall bringen. Erwartet nicht mehr Gnade als ich ihm gewährt habe. Für mein Heimatland werde ich alles tun!“ Damit wandte er sich um und marschierte aus der Halle, Cauthrien und Howe im Schlepptau, letzterer hatte nicht versäumt Jaina nochmals höhnisch anzusehen.

    Erst jetzt bemerkte Jaina Alistairs Hand, die er gerade wieder von ihrem Arm nahm. Sie ignorierte es und sagte zu Eamon: „Arl Howe hat meine Familie getötet. Ich kann ihn nicht einfach gehen lassen.“ Arl Eamon hob die Achseln. „Das verlange ich auch nicht. Aber bedenkt, dass er durch sein Bündnis mit Loghain gut geschützt ist.“
    Sie besprachen sich noch kurz, bis Eamon sie aufforderte, nachdem sie sich eingelebt hatte, zu ihm zu kommen. Damit ging der Arl in Richtung seines Gemachs und Jaina lehnte sich an eine Säule.
    Sie fühlte sich ausgelaugt und erschöpft. Wieder hatte sie diesen Widerling Howe gehen lassen müssen. Ihr war klar, dass er keine Gnade von ihr erwarten konnte und sie schwor sich, ihn das nächste Mal nicht davonkommen zu lassen. Ein Teil von ihr schien zu denken, dass alle Rache nun auch keinen Sinn mehr hatte – die Couslands waren bis auf ihre Kinder tot und Mord würde sie nicht zurückbringen.
    Und wieder war es das höfische Gehabe gewesen, das sie daran hinderte endlich ihre Vergangenheit zu begraben, im wahrsten Sinne des Wortes. Howe konnte noch so gut geschützt sein, sie würde ihn kriegen. Sie hatte es ihrer Mutter versprochen. Die junge Frau hatte keine Ahnung wie sie das bewerkstelligen sollte, aber sie war sich sehr sicher, dass sie diesem Verräter wieder über den Weg laufen würde. Dann würden ihn alle Bündnisse der Welt nicht schützen. Er hatte sich dazu entschieden, die Couslands – seine alten Freunde – zu verraten. Nun musste er mit den Konsequenzen leben. Speziell dann, dachte sich Jaina höhnisch, wenn man zu blöd ist, seine Aufgabe komplett zu erfüllen.
    Sie fragte sich, ob Loghain etwas mit dem Verrat an den Cousland zu tun hatte. Er deckte Howe, kannte er nicht die ganze Geschichte? Als fairer Regent hätte er sie nach ihrem Wutausbruch befragen und Howe verurteilen sollen. Also wusste er Bescheid, nur entweder störte es ihn nicht, oder... Tja, Loghain, du machst dir heute wahrlich keine Freunde. Ein Grund mehr, dir die Suppe zu versalzen.
    Das Nachdenken hatte sie beruhigt. Alistair hatte die Zeit über Jag gestreichelt und etwas mit ihm gespielt. Jaina ging auf die beiden zu und strich über Jags Kopf. Alistair hatte sie bemerkt und erhob sich langsam. Er war etwas größer als Jaina und sah sie durchdringend an. Jaina grinste bestialisch, so dass Alistair scherzhaft meinte: „Dich möchte ich wirklich nicht zum Feind haben. Hast du dir etwa Rachepläne ausgedacht? Du weißt, dass alle Handlungen nun besonderes Gewicht haben. Glaub mir, ich hätte Loghain am liebsten auch zur Rechenschaft gezogen. Das muss wohl bis nach dem Landthing warten. Ich frage mich ohnehin was dabei rauskommt. Hoffentlich nicht, dass ich König werden muss.“ Alistair sah verbittert an Jaina vorbei. Gemeinsam gingen sie zum Zimmer des Arls, auf dem Weg dahin munterte Jaina Alistair auf und sie verschoben das Thema König auf ungewisse Zeit.
    Fawks ist offline
  18. #58 Zitieren
    Halbgöttin Avatar von Fawks
    Registriert seit
    Sep 2010
    Ort
    Bayern
    Beiträge
    9.704
    24) Rache

    Jaina zog ihren Helm tief ins Gesicht und überprüfte ihre Rüstung nochmals. Sie hatte keinen Zweifel, dass sie ohne Probleme als eine von Howes Wachen durchgehen würde. „Seid ihr soweit?“ Sie sah zu Alistair, Morrigan und Leliana, die reihum nickten. „Gut, dann los.“ Jaina setzte sich an die Spitze der Truppe und führte ihre Freunde durch den Nebeneingang in das Anwesen des Arls von Denerim – Howes Anwesen.
    Ihr Dasein war begründet, nicht durch Jainas Rachepläne, sondern durch die Entführung der Königin durch Howe. In Eamons Gemach war eine Elfe gestanden, die den Arl um Hilfe bat, sie war die Dienerin von Königin Anora, die wegen Verhandlungen zu Howe gegangen war und dort eingesperrt worden war. Eamon hatte sie überzeugt, dass es notwendig war, Anora aus Howes Händen zu befreien, und nun schmuggelten sich Jaina und ihre Freunde als Wachen in das Anwesen. Die Elfin wies ihnen den Weg zum Gastzimmer von Anora.
    Niemand durchschaute ihre Tarnung, und Jaina knackte noch einige Schlösser und bediente sich an einigen Goldvorräten.
    Jaina hatte es nicht widerstrebt, die Königin freizulassen, und es sicherlich nicht schlecht war, einen Verbündeten auf seiner Seite zu wissen. Sie hatte keine Ahnung ob Königin Anora tatsächlich angenommen hatte, man könne mit Howe verhandeln ohne verraten zu werden, aber dafür war es nun ohnehin zu spät. Als sie durch die Gassen Denerims gelaufen waren, hatte Alistair einige Häuser näher betrachtet, aber anscheinend nicht das Richtige gefunden.


    Schließlich standen sie vor der verschlossenen Tür, und die Elfin rief ihrer Herrin zu, dass Rettung eingetroffen sei.
    „Ich würde Euch ja anständig begrüßen, Graue Wächterin, aber mein Gastgeber hat sich nicht damit zufriedengegeben mich einzuschließen, er hat die Tür auch noch magisch versiegeln lassen.“
    „Großartig. Und nun?“ Jaina behielt wachsam den Gang im Auge.
    „Ihr müsst den Magier finden. Er wird irgendwo bei Howe sein. Bringt ihn dazu, die Türe zu öffnen, koste es was es wollte.“
    „Gut. Wir beeilen uns.“ Die Elfin beschrieb ihr den Weg zu Howes Privatgemächern, wo sie ihn vermutete. Jaina ging im schnellen, aber nicht zu schnellen Schritt voran und versuchte sich möglichst alle wichtigen Kreuzungen zu merken – Schloss Cousland hatte ganz anders ausgesehen, aber sie bekam ein Gefühl dafür, wo welcher Bereich war. Im Falle einer hektischen Flucht war das sicherlich nützliches Wissen.

    Sie durchquerten edle Säle und große, geschmackvoll eingerichtete Zimmer und schließlich standen sie in Howes Studierzimmer. Howe war nicht da, aber Jaina erkannt eine Tür an der hintersten Zimmerwand. Sie sah sich kurz im Zimmer um, ob irgendwelche Familienerbstücke der Couslands standen – die hätte sie mitgenommen. Aber sie entdeckte keines, stattdessen erweckte eine Truhe ihr Interesse. Sie ließ sich davor nieder und mit ein paar Handgriffen hatte sie das Schloss geöffnet. In der Truhe befanden sich Dokumente – sie hatten das gleiche Wappen wie die Verträge der Grauen Wächter. Jaina legte das Pergament in Morrigans Hand. „Was ist das? Es hat etwas mit den Wächtern zu tun.“ Morrigan überflog die ersten beiden Seiten. „Ich kann es Euch nicht sagen. Das ist keine Schrift die ich kenne.“ Morrigan gab Jaina die Verträge zurück, welche sie in den Gürtel steckte.

    „Los, kommt.“ Damit ging sie auf die Tür zu, dahinter befand sich eine Treppe. Vorsichtig und beinahe lautlos stieg Jaina hinunter, hinter ihr folgte die Bardin, die sich ebenso katzengleich bewegte. Sie schlichen den Durchgang hindurch, der am Fuß der Treppe begann. Nach ein paar Schritten standen sie in einem Kerker, zu ihrer Rechten einige Zellen und davor ein Soldat, der Jaina verwirrt anstarrte. „He, was macht ihr...“ Weiter kam er nicht, denn in seiner Unachtsamkeit war er zu nahe an eine der Zellen gekommen und ein bloßer Arm griff heraus und umschlang den Kopf der Wache, rammte ihn gegen die Gitterstäbe und die Freunde sahen verwirrt zu, wie der Wächter erwürgt wurde. Der Zelleninsasse zog die Leiche des Wächters in seine Zelle und trat eine halbe Minute später in seiner Rüstung heraus. Es war ein hochgewachsener Mann, älter als Jaina, mit schwarzen, langen Haaren und einem schmutzigen Bart, dunklen Augen und einer ruhigen Stimme. „Danke. Ihr habt mir genau die Zeit verschafft die ich brauchte. Ich bin... Moment... Alistair? Seid Ihr das?“ Alistair schreckte auf und musterte den Mann. „Wer... wartet. Ich kenne Euch. Ihr... genau, Ihr wart bei meinem Beitritt.“ Er nickte beruhigend in Richtung Jaina. „Er ist einer von uns. Ein Wächter aus Orlais. Jader, glaube ich. Oder Montsimmard? Ich fürchte, Euer Name ist mir entfallen.“
    Der Mann verbeugte sich. „Ich bin Riordan, leitender Wächter von Jader, geboren und aufgewachsen in Highever. Ich bin froh wieder zu Hause zu sein.“ Jaina lächelte ihn freundlich an. „Ich bin Jaina. Ebenfalls aus Highever. Wie hat Howe Euch gekriegt?“
    „Mit Gastfreundschaft und einem vergifteten Kelch. Ich war dumm zu glauben, dass Loghain nicht wüsste wer ich bin.“ Rioran lächelte bitter.
    „Habt Ihr Howe gesehen?“ Riordan wies auf eine Treppe. „Ich sah ihn in die Kerker gehen. Vielleicht ist er noch dort. Ich sollte nur erst mal von hier verschwinden...“ Alistair unterbrach ihn. „Geht zum Anwesen von Arl Eamon. Er ist hier und er ist auf unserer Seite. Platz genug ist dort auch. Wartet, sind das Eure Dokumente?“ Er streckte die Hand nach ihnen aus, und Jaina legte sie hinein. Riordan nahm sie entgegen. „Ja. Das sind Kopien des Beitrittsrituals. Ich konnte sie aus Denerim retten. Kein Außenstehender darf sie lesen. Ich vertraue auf die Verschlüsselung. Nun, dann werden wir uns später wiedersehen, sobald ich einen Medicus gefunden habe. Und viel Glück – Schwester.“ Riordan lächelte sie noch einmal an, dann wandte er sich in Richtung des Durchgangs während Jaina die Kerkertreppe hinunterlief.

    Wie zu erwarten war, patroullierten unten einige Wachen. Jaina und ihre Gefährten schalteten sie nacheinander aus. Jaina hetzte den Gang entlang, durchsuchte jeden Raum der vom Gang aus zu erreichen war. So fand sie die Folterkammer und einen Mann in ihrem Alter, der schwere Wunden am Körper hatte – es stellt sich heraus, dass er der Sohn von Bann Sighard war, ein Adeliger, den Jaina kannte. Sie befreite den Gefolterten und beschrieb ihm den Fluchtweg. Sie selbst setzt ihre Suche nach Howe fort.
    Ein Ende des Gang kam in Sicht. Es gab nur noch eine Tür. Jaina riss sich den Helm vom Kopf und ließ ihn fallen, Howe würde sie ohnehin erkennen, und riss die Tür auf.


    Mitten im Raum stand Howe, als habe er auf sie gewartet. Höhnisch grinsend betrachtete er Jaina. „Sieh an, wen haben wir denn da. Bryce Couslands Balg ist erwachsen geworden – und wäre immer noch gerne ein Mann. Ich hätte nie gedacht, dass Ihr dumm genug wärt, hierher zu kommen. Allerdings hätte ich auch nie gedacht, dass Ihr überleben würdet.“
    „Es ist mir ein Vergnügen, Euch zu enttäuschen!“ Jaina spürte wieder alle Wut in sich lodern und sie genoss es schon fast. Endlich bekam sie die lang ersehnte Chance, den Mörder ihrer Familie zur Rechenschaft zu ziehen.
    „Geht es um eure Familie? Immer noch? Dabei habe ich doch so viel mehr getan als nur Euren Namen aus Fereldens Gedächtnis zu löschen. Und was bleibt? Eine törichte Tochter, die ihr Leben vermutlich unter einem Stein in den Tiefen Wegen aushauchen wird. Selbst die Wächter sind Geschichte. Ihr seid ein kläglicher Überrest von nichts. Es ist sinnlos. Ihr habt verloren.“

    Jaina fing Alistairs Wut ein, sie spürte, dass auch er diesen Mann alles andere als mochte. Sie ging noch einen Schritt auf Howe zu und sah ihm starr in die Augen. „Ihr lügt, Howe. Und Ihr wisst es. Ich BIN ein Grauer Wächter.“ Jaina war voller Überzeugung und sie spürte, dass Entschlossenheit ihre Wut unterstützte, nein, ersetzte.
    „Das ist er! Genau das! Dieser verdammte Blick, der den Erfolg eines jeden Couslands begleitet hat, durch den ich aufgehalten wurde. Es sieht fast so aus, als hättet Ihr etwas aus Euch gemacht, trotz allem. Euer Vater wäre stolz auf Euch. Ich dagegen... ich will Euch tot sehen – noch mehr als sonst!“ Jainas Blick hätte einen Menschen töten können. „Wagt es NIE WIEDER meinen Vater zu erwähnen. Verräter!“ Damit zog sie ihre Klingen und stürmte auf Howe zu.

    Jaina hatte aus dem Augenwinkel zwei weitere Wachen und auch zwei Magier gesehen. Sie hieb nach Howe, der ausweichen musste und nutzte die Zeit um einen der Soldaten einen tiefen Schnitt über den Bauch zu verpassen und sah Morrigan ihn erledigten. Der zweite Soldat griff Leliana an und Alistair schleuderte ihn mit seinem Schild zu Boden, doch der Soldat war schnell wieder auf den Beinen. Jaina bekam das Treiben um sich herum zwar mit, war aber völlig auf Howe fixiert.
    Das war ihr Gegner – und sie würde gewinnen. Er forderte sie, in jedem Fall, sie musste einigen mächtigen Hieben ausweichen, doch sie schaffte es ihm viele kleine Wunden zuzufügen.
    Sie wartete bis der Soldat den Fehler machte und sich ihr näherte um vor Alistair zu fliehen – da hob sie beide Klingen und drehte sich in aberwitziger Geschwindigkeit mehrfach um die eigene Achse – sie enthauptete den Soldaten geradewegs und Howe wurde schwer am Arm getroffen.

    Sie bemerkte wie Alistair sich noch einmal abwandte und in Richtung eines Magiers davonlief. Jaina musste gerade einen heftigen Ausfall von Howe parieren, sie duckte sich, sprang über seine Klinge hinweg und konnte den letzten Hieb parieren. Die Klingen klirrten als sie sich trafen und jeder drückte mit aller Macht dagegen, Jaina konnte den Schweiß auf Howes Stirn sehen und den Hass in seinen Augen, Blut floss aus einer Wunde an der Stirn.
    Der Druck auf ihr Schwert verstärkte sich, sie musste die zweite Hand zu Hilfe nehmen, doch das war gefährlich, da sie den Dolch nicht loslassen konnte. Howe war zweifelsohne ein erfahrener Kämpfer und er erkannte die Situation. Bevor Jaina reagieren konnte, nahm er eine Hand von seinem Schwert und donnerte sie gegen Jainas Schläfe. Ihr Kopf schien zu explodieren, ihre Nervenbahnen zu zerreissen, heißer Schmerz durchflutete sie, aber sie konnte einen Schrei unterdrücken, dennoch hatte der Schlag sie sehr beeinträchtigt. Ihr Dolch entglitt ihr, und sie hatte keine Kraft mehr in ihrem Schwertarm. Sie sah triumphierendes Glitzern in Howes Augen, im nächsten Moment steckte ein Pfeil in seinem rechten Arm und er schrie gepeinigt auf. Jaina riss sich zusammen so gut es ging - und es ging um ihr Leben - versetzte Howe einen Tritt, der es in sich hatte. Der Arl stolperte rückwärts, zögerte und warf dann alle Vorsicht über Bord und warf sich mit erhobenem Schwert auf Jaina, die versuchte sich darunter hindurch zu ducken, aber an der Schulter getroffen wurde, dort wo die Rüstung endete. Sie spürte Blut aus dem tiefen Schnitt fließen, und es spornte sie noch mehr an, diesen Widerling zu erledigen. Sie rollte sich aus seiner Reichweite, wie sie glaubte, doch er folgte ihr – und bekam eine Schildkante unter den Kiefer geschmettert, sodass alle das Knacken hören konnte. Jaina rappelte sich auf und musste sich orientieren – die Magier lagen auf dem Boden, Alistair hatte Howe einen ordentlichen Schlag versetzt, Morrigan betäubte Howe und Leliana schoss einen weiteren Pfeil auf ihn ab. Jaina sprang wieder nach vorne, gelangte in Howes Rücken und bohrte ihr Schwert in sein Genick. Howe brach zusammen, aber Jaina ließ das nicht zu. Sie zog ihr Schwert aus Howes Hals und hob ihm die Klinge an die Kehle. „Möge der Erbauer Euch verfluchen!“ Arl Howes ersterbender Blick fand Jaina. Sein ganzer Hass lag in seiner Stimme als er röchelte: „Ich verdiene… mehr!“ Er legte den Kopf zurück, im gleichen Moment als Jaina seine Kehle durchtrennte.

    Sie bemerkte, dass sie keuchte und wollte sich aufrichten, aber zwei Arme hatten sie gepackt und legten sie sicher auf den Boden. Sie erkannte irgendwo über sich Morrigan, die ihr etwas einflößte – und alles wurde dunkel. Schlagartig jedoch wurde es auch wieder hell, sie sah die scharfen Konturen ihrer Gefährten über sich. „Los, Ihr Tölpel, verbindet sie. Das ging sehr knapp an der Halsschlagader vorbei.“ „Dann gebt ihr noch etwas, Ihr seid doch die Kräutertante!“
    Jaina spürte, dass etwas ihren Kopf abtupfte, über sich sah sie Leliana, die ihr beruhigend zulächelte. Ihr Mund wurde aufgezwängt und Morrigan flößte ihr noch etwas ein. Schlagartig fühlte sie sich besser. Sie konnte sich wieder bewegen, Alistair half ihr, aufzustehen, und sie sammelte noch etwas torkelnd ihre Waffen auf. „Wie lange hält das?“ nuschelte Jaina in Richtung Morrigan. „Im schlechtesten Fall einen Tag – im besten zwei. Euer werter Freund meinte es sei notwendig, das Hochprozentige auszupacken.“

    Nachdem Jaina sich halbwegs erholt hatte durchsuchten sie den Kerker, in dem noch ein Adeliger und ein Templer gefangen waren, befreiten sie und sicherten sich ihre Hilfe gegen Loghain.

    Jaina war wieder völlig klar im Kopf, sie konnte sich an alles erinnern und war wahrhaft dankbar, eine solch begnadete Alchemistin dabeizuhaben. Die Gefährten schlichen sich durch das Schloss zurück zu Anoras Gefängnis – das magische Siegel sollte erloschen sein. Die Elfin informierte ihre Herrin und tatsächlich ging die Tür auf, heraus trat eine Frau, einiges älter als Jaina, und in eine der Rüstungen gehüllt, die auch die Wächter und ihre Kameraden trugen. „Seid Ihr nicht etwas klein für eine Wache?“ flachste Jaina. Anora warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. „Sehr witzig. Wir müssen hier raus.“ Jaina zuckte mit den Schultern. „Gut, hier lang.“

    Sie betrat die große Eingangshalle als erstes und sah Ser Cauthrien auf sich zukommen. „Wächter, ich verhafte Euch wegen Mordes an Arl Rendon Howe. Ergebt Euch, und Euch wird nichts geschehen.“ „Ich bin lediglich hier um Königin Anora zu befreien! Howe hielt sie gefangen!“ Cauthrien war verunsichert. „Was soll der Unsinn. Der Arl würde nie…!“ Jaina packte Anora am Arm und zog sie nach vorne „Hier, Anora, sagt es Ihr selbst.“
    Cauthrien wurde blass und Jaina dachte schon, alles wäre geklärt – bis Anora an Cauthrien gewandt sagte „Gut, dass ihr hier seid. Die Grauen Wächter wollten mich entführen! Bitte, helft mir!“ Cauthrien fixierte Jaina mit einem zornigen Blick und hob ihren Zweihänder.
    Jaina konnte es nicht fassen. „Verräterische Schlampe!“ fauchte sie Anora an und hatte alle Mühe, den Hieb zu parieren. Und da strömten Soldaten in die Eingangshalle, fünf, zehn, fünfzehn – es waren zu viele – sie waren chancenlos unterlegen. Jaina kämpfte verbissen, aber ein Hieb ins Genick setzte sie schnell außer Gefecht. Bewusstlos blieb sie liegen.
    Fawks ist offline Geändert von Fawks (08.05.2011 um 01:32 Uhr)
  19. #59 Zitieren
    Dea
    Registriert seit
    Sep 2008
    Ort
    Direkt hinter dir!
    Beiträge
    11.531
    Also... kurz mal als Vorwort: Es ist ein ziemliches Gewusel, all die Kapitel rüber zu kopieren und noch mal per Hand nachzuformatieren, also werde ich, wenn erlaubt, meine Geschichten hierher verlinken (es sei denn, es sind Kurzgeschichten, die werde ich hier direkt posten )

    Unter jeden Kapiteltitel schreibe ich eine kurze Vorschau auf das, was in dem Kapitel so auf den Leser zukommt... So zum Vorher-Schon-Mal-Schnuppern, damit ihr nicht ins kalte Wasser springen müsst Ich setze die Vorschautexte außerdem in SPOILER, damit diejenigen, die ins kalte Wasser springen wollen, nicht schon vorher was erfahren

    -----
    Der Fluch verderbten Blutes
    Rating: P18 Slash (unverbindliche Alterempfehlung)
    Genres: Actionabenteuer, Drama, Romanze, ein bisschen Philosophie
    Hauptcharaktere: Maellyn Surana (meine Elfenmagierin), Zevran, Leliana, Alistair - außerdem einige eigene Charaktere
    Kurzbeschreibung:
    Drei Monate nach dem Sieg über den Erzdämon und dem Ende der Verderbnis:

    Der Fluch der Verderbtheit, der den Grauen Wächtern während des Beitritts aufgezwungen wird, hat sich verändert und rafft die Grauen Wächter mit einem Mal binnen weniger Monate dahin.

    Maellyn Surana, Grauer Wächter und einst Magierin des Zirkels, die gemeinsam mit ihren Gefährten der letzten Verderbnis ein Ende setzte, sagt der Verderbnis in sich selbst den Kampf an und macht sich, unterstützt durch ihren Geliebten Zevran und ihre beste Freundin Leliana, auf die Suche nach der Ursache der Veränderung sowie einem Heilmitel, das keiner kennt.


    Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt…
    -----

    # Kapitel 1
    Vorschau:
    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    Ostagar. Vor einigen Monaten nur hatte sich hier ihr Schicksal erfüllt, als sie den Beitritt überlebte und die tobende Schlacht sowohl den damaligen König Cailan Theirin als auch das Oberhaupt der Grauen Wächter in Ferelden, Duncan, dahin raffte. Mittlerweile jedoch tummelten sich nicht einmal mehr die Leichen der Dunklen Brut auf dem Schlachtfeld. Dennoch würde es vermutlich Jahrzehnte dauern, bis auf diesem verderbten Boden wieder etwas gedieh.
    „Hier hat alles angefangen“, erklärte Maellyn ihrem Begleiter ruhig. „Die Schlacht, der Turm von Ishal, und davor natürlich… der Beitritt.“ Sie erschauderte.
    „Über den du noch immer nicht sprechen willst. Was mich ungemein unfroh stimmt, weil ich dir selbst die peinlichste Kleinigkeit aus meiner Vergangenheit erzählen musste, brühwarm natürlich und aufs feinste ausgeschmückt…“
    „Das waren aber alles keine Geheimnisse der Krähen, Zevran.“
    „Na und? Es war erniedrigend. Beschämend. Es ist keinesfalls lustig, seiner Geliebten erzählen zu müssen, dass man aus dem Fenster…“
    „Halt!“ Maellyn wirbelte herum und presste dem Meuchelmörder eine Hand auf den Mund. „Ich kenne diese Taktik, die funktioniert bei mir nicht mehr! Versuch etwas anderes.“
    „Mmm-hmmm-mmm.“
    „Ich verstehe kein Wort von dem, was du da redet.“
    Der Meuchelmörder trat einen Schritt zurück. „Ich wollte sagen: Vielleicht überlegst du es dir anders, wenn ich dich mit in mein Zelt nehme und mich von einer Massage zu…“
    „Nein.“
    „Hah! Ich wusste es. Ihr seid unverbesserlich. Es ist mir wahrlich ein Rätsel, warum ich nicht längst das Weite gesucht habe. In Antiva würden sie dafür Schlange stehen, allein für die Aussicht darauf!“
    Maellyn wandte sich ab und ließ ihn stehen. Sie würde nicht mit ihm darüber sprechen. Nicht, weil sie sich den Grauen Wächtern verpflichtet fühlte, das hatte sie überwunden. Es ging viel mehr darum, in Zevrans Augen nicht als eine genauso verderbte Kreatur da zu stehen wie der Erzdämon, der durch ihre Hand gestorben war…
    Etwas glitzerte im drahtigen Gras. Maellyn trat näher, vorsichtig, und warf einen Blick darauf. Ihren Lippen entwich ein leises Zischen. Das war tatsächlich ein Stück von König Cailans goldener Rüstung! Was für ein Zufall. Sie bückte sich und berührte das Bruchstück. Es war kalt an ihrer Haut.
    „Beim Erbauer…“, murmelte sie. „Der Schwachkopf hat zwar bekommen, was er verdient, aber diese protzige Rüstung ist wahrscheinlich wirklich nicht zu vernichten.“
    Andauril ist offline Geändert von Andauril (13.05.2011 um 19:17 Uhr)
  20. #60 Zitieren
    Dea
    Registriert seit
    Sep 2008
    Ort
    Direkt hinter dir!
    Beiträge
    11.531
    Der Fluch verderbten Blutes
    # Kapitel 2
    Vorschau:
    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    „Das Feuer ist zweimal ausgegangen. Was habt Ihr beiden da draußen so lange getrieben?“ Leliana blinzelte gegen die Hitze, die die Flammen abgaben, und warf einen Zweig in die Flammen, um das Feuer weiter zu schüren. „Oder…“ Sie grinste leicht, „… habt ihr es dort draußen so lange getrieben?“
    „Nein, obwohl der Gedanke seinen Reiz hat“, entgegnete Zevran noch vor Maellyn.
    Die Magierin starrte in die Flammen und beobachtete ihren wilden Tanz. „Es war klar, dass du so etwas sagen würdest.“
    „Oh? Ich weiß, ich weiß… ich bin ja so furchtbar berechenbar.“
    Maellyn bewegte sich nicht. „Ja, das bist du. Zumindest manchmal.“
    „Solange Ihr mich nicht bittest, ein Lied davon zu dichten“, murmelte Leliana. „Und, übrigens, Zevran: Dieses Gedicht ist wirklich geschmacklos.“
    „Welches Gedicht?“, entgegnete der Meuchelmörder unschuldig lächelnd.
    „Glaubt Ihr, ich hätte es nicht bemerkt?“
    „Das war aber nicht für Eure Ohren bestimmt, oh zauberhafte Leliana.“
    „Dann solltet Ihr das nächste Mal vielleicht darauf achtet, wer sich sonst so in der Nähe befindet?“ Leliana kicherte. „Das erspart Euch so manche Blamage.“
    „Das war doch nicht blamabel, Feuerhaar.“ Zevran grinste. „Viel eher… sagen wir, es hat sie zum Lachen gebracht. Sie lacht viel zu selten, wisst Ihr?“
    „Ich bin noch anwesend“, rief Maellyn den beiden in Erinnerung. „Und was soll das bedeuten, ich lache zu selten?“
    „Nicht, dass es verwerflich wäre…“, entgegnete Zevran schnell. „Ich denke nur, dass es dir und deiner Schönheit zuträglich wäre… Du müsst ja nicht ständig wie eine Bekloppte lächelnd durch die Gegend rennen, nicht wahr? Aber wann hast du das letzte Mal herzlich gelacht? Eben.“
    „Oh, Verzeihung, wenn ich nicht vor Glückseligkeit zerspringe.“
    „Was ist los mit ihr?“, zischte Leliana Zevran zu.
    „Eine interessante Frage, aber ich muss leider zugeben, dass ich die Antwort noch nicht kenne“, antwortete Zevran leicht verstimmt. „Es hat alles angefangen, als wir uns den alten Tempel angesehen haben. Gut, da haben sich scheußliche Sachen abgespielt… Mord und Totschlag und dergleichen.“
    „Das von Euch?“ Leliana blinzelte überrascht. „Woher der Sinneswandel?“
    „Den gibt es nicht, meine Liebe“, zischte Zevran zurück. „Es ist die Art der Ausführung, die mich anwidert, versteht Ihr? Oder wie gefiele es Euch, zwischen dem Tod und dem fast sicheren Tod wählen zu dürfen? Reizende Aussichten, richtig?“
    „Verstehe.“ Leliana schürzte die Lippen. „Das ist abscheulich, in der Tat. Es tut mir leid, dass ich derart… geht es Euch gut, Maellyn?“
    „Bestens“, murmelte die Magierin zynisch.
    „Wollt Ihr darüber sprechen?“
    „Nein.“
    Leliana schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid für Euch. Das alles. Das Ihr nicht darüber sprechen wollt, obwohl es Euch gut täte, und dass Ihr Euch selbst Euren besten Freunden verschließt.“
    Maellyn sprang auf, umrundete das Feuer und riss den Vorhang ihres kleinen Zeltes beiseite. Flatternd fiel der Vorhang hinter ihr nieder und verbarg nunmehr vollständig den Blick auf die junge Elfin.
    Andauril ist offline
Seite 3 von 18 « Erste 12345671014 ... Letzte »

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •