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Das kleine Schreibstübchen - #2

  1. #81 Zitieren
    General Avatar von KalomsZweiteFrau
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    Markus wachte zum zweiten Mal auf. Der Radiowecker spielte noch nicht. Diese Zeit, die wenigen Minuten zwischen dem hysterischen Sechs-Uhr-Alarm und der unbarmherzigen Sechs-Uhr-Dreißig Radioweckermusik war die einzige wirklich freie Zeit, die Markus für sich hatte. Er war froh, sie heute bewusst zu erleben. Nicht wie in den letzten Tagen, wo er wie betäubt in einen bleiernen Schlaf versunken war.
    Markus war bewusst, dass er nicht mehr träumte, und allmählich mischten sich in die Erinnerung an die eben noch erlebten Traumbilder die Erinnerungen von gestern, und die Erwartungen an heute. Und nirgends war etwas Außergewöhnliches dabei. Gut. Die allmorgendlichen Schmerzen der Müdigkeit breiteten sich hinter seiner Stirn, hinter den Augen und heute auch hinter den Wangenknochen aus. Sie würden vergehen, wenn er erst richtig wach war. Aber das hatte Zeit. Der Radiowecker spielte noch nicht.
    Die Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Wecken pflegte er mit immer neuen Plänen für den Tag zu füllen; sein Hemd bügeln, die Arbeiten von letzter Nacht beenden, in Ruhe frühstücken, ein gutes Buch lesen, joggen, eine Liste mit allem Guten in seinem Leben schreiben, die Jobangebote lesen, sich aufhängen, seine Frau küssen, mit den Kindern Fußball spielen. Und das meiste davon tat er auch, in Gedanken, noch ehe er eine Zehe rührte.
    Seine Zehen waren kalt. Am Luftzug spürte Markus, dass er sich in der Nacht teilweise abgedeckt hatte, und dass seine Füße kalt und steif waren. Wenn er gleich aufsteht, würden die Glieder durchblutet, kurz kribbeln, und dann ist alles in Ordnung. Aber noch nicht gleich.
    Mit einer energischen Bewegung warf er die Decke fort. Er freute sich über die Wirkung dieser einfachen Handlung und über die spielerische Leichtigkeit, mit der sie ihm gelungen war. Markus streckte sich wie seine Katze nach langem Schlaf, stieg geschmeidig aus dem Bett und huschte nackt ins Bad. Sechs Minuten später kam er erfrischt, duftend, rasiert und fast schon wieder trocken ins Schlafzimmer zurück. Bereits in der Unterwäsche plättete er mit langen effektiven Strichen sein bestes weißes Hemd und kombinierte gewagt-elegant Jeans und Jackett. Von Kopfschmerzen keine Spur, nur seine Zehen…; während er auf das Erkalten des Bügeleisens wartete, las er ein Kapitel aus dem Steppenwolf. „Ach Hermann…“ schmunzelte er, als er den Radiowecker noch rechtzeitig abstellte, bevor irgendeineine aufdringliche Melodie sich ihm auf die immer besser werdende Laune schlagen konnte.
    Um 6 Uhr 45 warteten Toast und Kaffee auf Markus, der noch rasch die liegen gebliebenen Papiere von gestern Abend abgeheftet hatte. Kauend schrieb er die sieben Gründe seines Glücks auf ein weißes Blatt und heftete es an den Kühlschrank. Die Kinder würden ihn auslachen, aber Gabi würde sich freuen. Gabi…
    Kurz vor sieben klingelte das Telefon. Markus trocknete den letzten Teller fertig ab und klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter, während er mit dem Ellenbogen die Tür öffnete, den Müll in die Tonne wuchtete und mit einem kurzen prüfenden Blick sicherstellte, dass alle Geräte aus, Schlüssel und Papiere an ihrem Platz und die Katze gefüttert waren.
    „Ja, ich bin noch verfügbar – ja, in einer Stunde kann ich da sein. Über das Gehalt müssen wir aber noch mal reden. – Haha, richtig! Bis dann, Herr Pany!“
    Markus kam zugleich mit dem Bus an der Haltestelle an, stieg ein als hätte er seinen Weg zur neuen Arbeitsstelle längst vorausgeplant, summte vergnügt und genoss die wohlige Wärme, die sich langsam in ihm ausbreitete, vom Bauch in die Brust, in den Kopf, bis zu den Fingerspitzen, die Beine hinab; nur seine Zehen…

    Langsam stieg das Bewusstsein in ihm auf, dass er all diese geschmeidige Bewegung vielleicht nur geplant hatte; und wirklich, am Luftzug spürte Markus, dass er sich gar nicht bewegt hatte. Seine Zehen waren immer noch kalt. Und dann You Can Get It If You Really Want um 6:30!
    KalomsZweiteFrau ist offline

  2. #82 Zitieren
    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    200 rauchende Köpfe für 120 Minuten zusammengepfercht in einem Raum. Kein Wunder, dass es zum Schluss hin heiss wird. Stickig. Doch sollte einer Verständnis zeigen; Im Endeffekt entscheidet es sich in diesen zwei Stunden. Klar ist die Vorbereitung nicht zu vernachlässigen, doch steht und fällt alles in diesem, dem nächsten und dem übernächsten Moment.
    Bei der Einführung lachten sie noch, froh darüber, die Anspannung fallen zu lassen. Dann war es still. Nur das schaben der Stifte, leise und diskret. Eine angespannte Stille, ein mit Denken gefüllter Raum. Es könnte einen beinahe mit Ehrfurcht erfüllen. Diese Ruhe, diese unfassbare Ruhe und Konzentration. Sie ist allgegenwürtig.

    Aber die Uhr tickt und je näher der Zeiger dem Ende der Zeit entgegen rückt, desto mehr Blätter rascheln. Da trinkt jemand Wasser, dort wird auf einem Stift herumgekaut. Blicke an die Decke und für jene mit den guten Plätzen, aus dem Fenster. Die Zeit zerrinnt ihnen zwischen den Händen, scheint nicht zu reichen. Reicht für die Meisten nicht. Was zur Hölle ist ein Lysimeter? Wo steht das auf der Zusammenfassung. Die zwölf Seiten werden hektisch durchgeblättert. Oder wurde das vernachlässigt. 4 + 28 wird in den Taschenrechner getippt, obwohl es im Kopf vielleicht doch schneller berechnet wäre, aber noch mehr denken geht hier nicht. Findet keinen Platz.

    Die Aufsichtspersonen bringen sich langsam in Position. „Fertig werden.“, „Sind alle Blätter mit Namen beschriftet?“ ... „Stifte weglegen.“ - „Nur noch den Namen.“
    Redsonja ist offline

  3. #83 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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  4. #84 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    »Sag mir eines: Können wir je zurück kehren?«
    »Müssen wir ja irgendwann, meinst du nicht?«, Daniel wandte sich von seinem Bruder ab und blickte über das weiße, schwarze Feld, das keines war. »Oder meinst du wegen uns wird das ganze System über den Haufen geworfen?«, seine letzten Worte waren behaftet mit einem leicht spöttischem Unterton.
    Sein Bruder Frederick schenkte dem »Feld« nun auch einen kurzen Blick, er fand es weit weniger spannend als sein Bruder, aber dennoch bemerkenswert. Es war nicht möglich zu unterscheiden ob es nun schwarz, oder doch eher weiß war, an diesem Ort spielen Farben keine Rolle. Trotzdem war er davon weit weniger fasziniert als Daniel, jener war immer der mit dem nie enden wollendem Forschungsdrang gewesen.
    Ein schwarz gekleideter Mann schritt auf die beiden Brüder zu, ein Umhang flatterte in einem Wind der nicht wehte und seine Kapuze warf einen Schatten auf sein Gesicht, obwohl es kein Licht gab. Als die Person die Brüder erreicht hatte sprach sie mit ungewöhnlich tiefer, dröhnender Stimme: »Ihr seid sicher? Es gefällt euch hier nicht?«
    »D… doch!«, erwiderte Daniel hektisch, »Es gefällt uns. Aber wie schon gesagt, wir waren immer große Freunde von Zeit und Raum. Ich meine, euer Bach ist klasse und die Landschaft ist schlicht umwerfend, aber... «, er brach ab und deute auf einen goldenen Fluss und ausladende schwarze, oder auch weiße Felder.
    »Gut, ich respektiere euren Wunsch.«, der Mann legte jedem Bruder eine Hand auf die Schulter und augenblicklich verschwamm die Szenerie. Jener merkwürdige Mann mit Kapuze war verschwunden, aber der Druck auf ihren Schultern verstärkte sich.
    Als die Umgebung aus reinem Weiß bestand sagte Daniel etwas, das nur sein Bruder hören konnte und danach: »Wir sind die ersten Menschen, die sich den Tod genommen haben!«
    Ein heller Lichtschein, zwei Hände, dann wurden sie geboren und vergaßen was geschehen war.
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  5. #85 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Woran erkennt man, dass man lebt?
    Da man isst?
    Da man trinkt?
    Da man liebt, einen huldvollen Körper, mit Rundungen wunderbar und voller Liebe?
    Woran erkennt man, dass man lebt?
    Da man fühlt?
    Da man riecht?
    Da man sieht, die Sterne des Himmels, das Wasser der Meere so klar und ergreifend?
    Woran erkennt man, dass man lebt?
    Da man denkt?
    Da man ist?
    Da man wandelt, über die Erde, über den Staub von Äonen von Jahren?

    Woran glaubte ich zu erkennen, dass ich lebte,
    Und wann erkannte ich, dass ich starb?
    _____

    Was, wenn

    Da fragte, einst vor langen Zeiten,
    Der Tod das Leben ganz geheim:
    "Sag, Leben, warum nur bestehst du?
    Machst du aus dir selbst einen Reim?"

    Da antwortete das Leben gedehnt:
    "Ich weiß nicht. Vielleicht als Gewinn,
    Dass man glücklich war, bevor man starb.
    Dann hatte das Leben auch Sinn."

    "Und was", fragte Tod, "wenn der Sinn fehlt?
    Wenn das Leben glücklich nicht war?"
    "Dann", meinte Leben, "sei so gnädig,
    Und biet' ein paar Tage noch dar."
    Mr Sulak ist offline

  6. #86 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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  7. #87 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Versuchen wir es mal damit:
    Frühlingsgefühle
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  8. #88 Zitieren
    Tar-Valar
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    Der Frühling, er verleitet mich, zu fühlen, was zu fühlen ist. Was zu fühlen sein sollte. Doch was sollte sein; wer legt es fest?
    Der Herbste düster, der Winter kalt, der Sommer zu heiß und der Frühling? Schaurig. Schaurig scheinen mir die von den meisten als zum Frühling gehörend anzusehenden Wesenheiten. Wenn Fühlingsgefühle dein Herz zersprengen lassen wollen, so sollst du dankbar sein, dass Frühling ist. Wenn du nicht mehr weiter weißt und dich das Glück ringsum beherrscht von den Gefühlen, die der Frühlings Schönheit zugrunde liegen sollen, noch mehr bedrückt, so sollst du dankbar sein, dass Frühling ist. Wenn du verzweifelst an deinen normalen Gedanken und dann Altes durch Frühlingsgefühle wieder aufgeschürt und zu neuem Schmerz entfacht wird, so sollst du dankbar sein, dass Frühling ist. Wenn du vom Frühling und den gehörigen Gefühl erdrückt nicht aufzustehen weißt und dir zu viel versaust, so sollst du dankbar sein, dass Frühling ist.
    Die Sonne scheint, der Schnee kehrt weg; die Vögel zwitschern, die neuen Blätter rauschen; die Liebe zeigt sich, die Lust erweckt; die Menschen wandern und tanzen in ihren Reigen unendlich dankbar für das Gefühl, wieder Frühling zu haben, für die entstandenen und wiederaufkeimenden Frühlingsgefühle, und abnormal ward dargestellt, wem's nicht gefällt, da man dankbar zu sein hat, dass Frühlingsgefühle darnieder kehren ... dankbar sei, dass Frühling ist!
    Und wenn du zitternd den Weg nicht findest und später sterbend darnieder liegst, so sei dankbar, dass dich die Frühlingsgefühle zu einem Weg geleiteten, zu einem Ziel. Wenn du das Ziel erreichst und Stille einkehrt, so sei dankbar, dass Frühling ist.

  9. #89 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Die schlafende Blume I

    Der Frühling. Häufig dargestellt als "die blühende Jahreszeit" und als eine "Zeit der Liebe", in der man selbiges finden könne.
    Das Einzige, das ich im Frühling sehe, sind die Bettler am Straßenrand, die jetzt aus allen Löchern gekrochen kommen und um ein paar Münzen betteln. Manche von diesem Gesindel tun es einfach so, obwohl sie nicht darauf angewiesen wären. Manche machen es, weil sie darauf angewiesen sind. Jedenfalls sind sie alle dreckig, abgerissen, ärmlich und auf keinen Fall blühend. Und von der Liebe kann man auch nicht viel sehen, wenn die ganzen stinkreichen Passanten aus der Stadt mit Monokel und Pelzmantel oder mit Baggy-Hose und Bling-Bling-Kette vorbei gehen und die Bettler nicht einmal eines Blickes würdigen.
    In solchen Zeiten denke ich mir immer wieder, dass die menschliche Blume den Frühling scheinbar verpennt hat.

    *

    Die schlafende Blume II

    Der Winter war hart und lang gewesen, so lange wie schon seit Jahren nicht mehr - zumindest hatte ihr das der Boden zugewispert. Das Blümchen war ja erst dieses Jahr geboren worden und hatte vorher nichts mitbekommen in seinem festen und sicheren Saatkorn.
    Doch jetzt spürte es, dass die Zeit soweit war. Die Tage wurden länger, die Sonne wärmer, die Luft lauer und das Zwitschern der Vögel lauter. Es war endlich Frühling geworden, dass wusste das Blümchen, und es reckte und streckte sich erwartungsvoll und schmiss den letzten Rest Müdigkeit vom Winter beiseite. Es musste jetzt keimen und wachsen und sich entwickeln, denn wenn es sehr viel länger wartete, würden die anderen schon viel weiter sein als sie und ihr womöglich Platz, Wasser und Sonne wegnehmen. Und das wollte und konnte das Blümchen nicht zulassen.
    Also wuchs es. Es keimte und keimte und wuchs und wuchs und keimte und wuchs, bis es sein graziles Köpfchen aus dem Boden heraus streckte und ihm noch einmal dankte, dass er es aufgeweckt hatte. Der Boden lachte nur fröhlich zurück, er werde ja auch weiter auf das Blümchen aufpassen und darauf achten, dass es fest verankert bliebe, tönte er. Das Blümchen lachte mit, denn das Lachen war ansteckend, die Sonne war warm, die Luft lau und das Zwitschern der Vögel wie Musik.
    Endlich sah sich das Blümchen auch einmal selbst. Es war ein Krokos, eine Blume, die selbst dann schon gedieh, wenn noch Schnee lag, und so robust war wie ein Baum, wenn man ihn auf seine Größe geschrumpft hätte. Das Blümchen war in diesem Moment von Stolz erfüllt, und es reckte sein Köpfchen noch höher und höher, bis man es auch ja gut sehen konnte, in all seiner Schönheit. Sogar der Boden gratulierte es zu seinem Wachstum, mit Erstaunen in der Stimme, denn so ein schönes Krokos-Blümchen hätte er schon lange nicht mehr gesehen, und auch wenn es sich viel Zeit gelassen hätte, so hätte es sich doch auf jeden Fall gelohnt. Das Blümchen schwoll an vor Stolz, seine lila-farbenen Blätter versprühten die Farben des Frühlings, und mit hocherhobenen Kopf saugte es gierig die Sonne in sich auf.
    Dann ging alles ganz schnell. Der Boden schrie schmerzerfüllt und gepeinigt auf, ein Schatten beugte sich über das Blümchen, und ehe es noch wusste, was passiert war, spürte es das unnachgiebige, brutale Ziehen, wie sein Stengel immer länger und länger wurde, wie jede Faser in ihm nach Erlösung und Erbarmen schrie, bis der Schmerz in einem Crescendro endete und das Blümchen spürte, wie es alle Wurzeln verlor.
    Gepeinigt, erschüttert, weinend ließ es sein Köpfchen hängen, während es spürte, wie seine Lebenskräfte langsam versiegten. Das letzte, was es hörte, war das grausame, ohrenbetäubende Lachen des Unholds, der seinem Leben ein Ende gesetzt hatte, und seine gewaltige Stimme: "Schau, Mama! Ein Krukos!"
    "Nein, ein Krokos, mein Liebling. Was willst du denn damit? Schmeiß es weg."
    Und in den letzten Sekunden seines so kurzen, aber wundervoll anzusehenden Lebens wurde das Blümchen von seiner Heimat empfangen. Der Boden fing es mit Tränen in den Augen auf, und lange noch weinte er um das Blümchen, das so spät dran und dennoch so wunderschön gewesen war - nur um zu sterben.
    Mr Sulak ist offline

  10. #90 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    Frühling

    Du tauchst die Welt in Birkengrün,
    lässt sogar den Staub erblüh’n
    und das Leben kühn erglüh’n!
    Schon wölbt sich Mother Nature’s Bauch
    im keimbereiten Frühlingshauch.
    Da sirrt und surrt es,
    girrt und gurrt es,
    ja, nun wird es
    (Versmaß rulez)
    Frühling, ja, du bist’s,
    dich hab’ ich vernommen!
    Düfte streifen wieder traulich,
    Flatterbänder flattern blau sich,
    holder Dolden Blütenpracht
    wie ein Feuerwerk entfacht!
    Du, Frühling…
    Ich frage mich, kennst du mich noch?
    Ich bin’s, El Toro, ich war dein Verfechter,
    doch heute? Ich ernte dein Hohngelächter!
    Ich schlittere mit letzter Klarheit
    von der Ist-Zeit in die War-Heit.
    Ich habe dir Anmut angedichtet,
    ich hab’ mittels Versen manch’ Abart gerichtet.
    Wer wärst du denn ohne lyrische Stütze?
    Glaubst du, dein Blüh’n wär’ sonst jemandem nütze?
    Du dankst doch dein Renommee den Dichtern,
    romantisches Lächeln auf Volkes Gesichtern.
    Dich, den großen keimbereiten
    Vollprolet der Jahreszeiten
    haben wir zum Star geschrieben!
    Frühling, ich fürcht’, ohne Dichterbetrug,
    wärst du nur Regen und Graspollenflug,
    du wärst wie ein Nerd, ganz chronisch willig,
    in allem so absehbar und billig.
    Man sollte bei der Wahrheit bleiben
    und sich ab heut’ dem Herbst verschreiben.
    Nennt Frühlingsverse ein Verseh’n
    und strebt fortan nur nach Vergeh’n,
    müsst Laub zu Lob fortan verdichten,
    im Modern das Erstehen sichten.
    Den Herbst als Kronprinz aufzubauen,
    so nassnovembrig anzuschauen,
    der neue Jahreszeitenstar,
    er ist’s, er ist’s, wie wunderbar!

    Herbst
    El Toro ist offline

  11. #91 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Trinkgeschichten
    Salieri ist offline

  12. #92 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von El Toro
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    Das hatte ich mal unpassenderweise ins Storyforum gesetzt, aber ich denke, hier hat es Berechtigung:

    Ihr habt ja alle keine Ahnung vom Trinken. Man muss das reflektieren. Grölen kann ja jeder, und John besonders gut.
    Wir Intellektuellen sind da anders.

    Als Meister im Tarnen, Täuschen und Tauschen
    taufen wir das Saufen Tauchen
    nennen wir das Trinken Sinken
    und versinken wir hier,
    versenken wir Limetten als Titanic neben Eisbergen,
    tauchen wir ab in jauchzenden Sumpf der Nacht, der wach macht.
    Tragen wir uns träge zurück an die Theke
    – ein Sex on the Beach für mich und noch zwei für den rosa Elefanten neben mir –
    wir nippen und nicken und lauschen
    seinen tausend rauschenden Geschichten
    die in findigen Lettern
    auf windigen Blättern geschrieben sind
    trinken wir Bier an der Bar bis ein Buh wie ein Boah klingt
    oder gemütlich bei südlichem Wein
    der friedliche Schein trügt nicht
    Krieg kriegt uns nicht
    Mars und Ares in den Hades
    während wir wie Bacchus und Bukowski bechern
    trinken wir den Cuba Libre mit minimalistischer Menge
    an imperialistischer Killercola
    voll den Kanister in den Kanal
    bis es knistert und der Wind
    das Katerunser flüstert.
    George Orwell hat einmal gesagt, ein Vollrausch sei wie ein Kurzurlaub.
    Gehen wir auf Weltreise.
    Tauchen wir ab
    Kummer, Kummer,
    der Mensch ist wunderbar verdummbar
    also Hakuna Matata!
    Torkeln wir betrunken zur Theke
    erschießen wir ein Problembier
    dann tragen wir trunken Zungenbrecher vor
    Alkohol ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Sprachfähigkeit
    Egal
    versöhnen wir uns mit der Welt
    folge mir in den Asphaltwald aus Pfeilern und Pfosten
    aus Ampeln und Schildern und Bildern
    aus besseren Welten
    auf den Lippen ein Singsang
    der wie Marc-Uwe Kling klang
    langsam in Schlangenlinien die Schienen lang
    heim.

    Edit:
    Man sollte es wohl laut lesen.
    El Toro ist offline

  13. #93 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Einst war der hohe Horst dabei,
    Wie sich's gehört, zur Sauferei.
    Sein Leben, ja, bestand aus Bier,
    Wenn es denn floss, so war er hier,
    Und trank und schlang und schwamm darin,
    Versoff auch noch den letzten Sinn.
    Als alter Mann, gebrechlich gar,
    Brachte die Leber Opfer dar,
    Bis sie, zerschlagen und zerstört,
    Noch einmal ward von ihm gehört.
    Da sann er nach, da tat's ihm Leid -
    Doch der Tod wusste schon Bescheid,
    Und ehe Horst es noch verstand,
    War sein versoffnes Leben gebannt.
    Darum, ihr Freunde, hebt die Krüge!
    Lasst uns wohl hörn diese Rüge,
    Dass wir saufen in 'nem Maß,
    Dass die Leber hat noch Spaß!
    _____

    Das Licht ist dunkel.
    Eigentlich sollte es das nicht sein, schließlich ist es ja Licht, aber je mehr ich mich darauf konzentriere, desto dunkler scheint es zu werden. Und wenn ich ein wenig daran vorbei schaue, funkelt es heller.
    Verdammtes Licht.
    Ächzend und stöhnend schleppe ich mich voran, und fast stolpere ich, aber ich kann mich noch an irgendetwas festkrallen. Ich kann es nicht erkennen; es ist verschwommen, und sowieso ist alles dunkel, wegen dem dunklen Licht. Und alles ist verschwommen. Es dreht sich.
    Die ganze Welt dreht sich und steht Kopf.
    Plötzlich ist die Welt von einem hellen Farbenschleier erfüllt, der um mich herum tanzt. Wie aus weiter Ferne dringt ein leises Geräusch an mein Ohr, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Und die Farben drehen sich um mich, immer schneller, und das dunkle Licht ist hell geworden, aber ich weiß noch immer nicht, an was ich mich kralle, denn es ist verschwommen und huscht um mich herum, als wollte es nicht erkannt werden.
    Oh, mir geht es gar nicht gut.
    Ich schleppe mich weiter, ich stolpere fast, aber ich kann mich halten, und weiter vorne sehe ich etwas, das zwar verschwommen ist, aber sehr einladend wirkt, und es dreht sich zwar, aber ich will es trotzdem erreichen, komme, was wolle. Und es dreht sich noch schneller, aber es wirkt nur umso einladender, und ich erreiche es und falle darauf nieder und werde von Sanftheit empfangen, und als ich meine Augen schließe, wird das Licht wieder etwas dunkler.
    Ich schlafe ein.
    Und den Rausch aus.
    Mr Sulak ist offline

  14. #94 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
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    Trinke totes Wesen
    trinke alles aus
    so wirst du fast gewesen
    doch letztlich nur im Rausch
    Oblomow ist offline

  15. #95 Zitieren
    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    Ich trank.
    Gesteht die Frau, die sich kurz zuvor neben mich auf die Bank im Bus gedrängt hatte. Ihr Körper wiegt träge in den Bewegungen des Busses mit. Ich mache mich noch etwas schmaler. Die Busscheibe fühlt sich kalt an. Ein grauer Tag, ohne Regen. Ich muss noch nicht aussteigen.
    Du trinkst immer noch.
    Denke ich mir, als ich ihren Atem rieche, doch ich öffne den Mund nicht und hoffe, dass sie mein Schweigen als höfliches Desinteresse wertet und sich mit jemand anderem – am besten sich selbst – beschäftigt. Der Bus schaukelt weiter. Ich diene als Stütze, dann begegnen sich unsere Blicke kurz. Ich lächle verlegen, höflich und schaue sogleich weg.
    Lachst du mich aus?
    Die Frage kommt prompt und anklagend. Ich schaue weg. Rieche nichts und beteuere:
    Nein, nein.
    Ihr halten euch alle für etwas besseres.
    Eine Feststellung, keine Frage. Zum Glück, dennoch scheint eine Stellungnahme von mir erwartet zu werden. Schlussendlich ringe ich mich durch etwas zu entgegnen:
    Vielleicht.
    Ich zucke die Schultern. Irgendjemand ist in der Hackordnung immer tiefer. Es ist ruhig. Alle sind müde nach einem langen Arbeitstag, wollen einfach nach Hause. Meiner beginnt gerade.
    Aber es ist nicht lustig.
    Wieder Ruhe.
    Natürlich nicht, so vieles ist nicht lustig.
    Bestätige ich und man hört mir zum ersten Mal den Akzent an. Rotbuchstrasse, Nordstrasse, Limmatplatz, Röntgenstrasse ziehen vorbei. Dann endlich Langstrasse.
    Entschuldigung.
    Fordere ich meine Sitznachbarin höflich auf mich aussteigen zu lassen. Ich ziehe den Mantel enger und steige aus. Es könnte eine kalte Nacht werden.
    Redsonja ist offline

  16. #96 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Vorurteile
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  17. #97 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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  18. #98 Zitieren
    Tar-Valar
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    Nimm dir die Freiheit, komm, vergehe!
    Siehst du nicht, wie ich verstehe,
    Was dich zu diesem Wunsch geführt?
    Wie nur, hast du mich so berührt?
    Wie nur bracht'st du mir den Gedanken ein
    Und warum kann ich's dir nicht verzeih'n?
    Wollte doch stets nur meine Einsamkeit,
    Doch nun sehne ich mich auch nach ihr.
    So bäumt sich in meiner Brust das Tier ...
    Vergeblich ..... Freiheit?

  19. #99 Zitieren
    Ritter Avatar von Alon
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    Two-horned unicorns ftw!
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    Das Blute vereint,
    der Schatten vergeht,
    das Böse zerfällt,
    der Staub sich legt.
    Freiheit den Völkern,
    den Völkern der Unterdrückten,
    den Leidenden und Sterbenden,
    den Kindern des Lichts!
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  20. #100 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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