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Das kleine Schreibstübchen - #2

  1. #61 Zitieren
    Druidin  Avatar von Cécilia
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    Es gibt kein Benzin für Satinavs Kettensäge!
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    Ich hatte einen ganz besonderen Abend geplant: Ich hatte den Sessel verschoben, Holz gehackt, meine Kuschelsocken mal wieder gewaschen, dass sie wieder flauschig warm waren. Über den Tag hatte es angefangen zu schneien. Den Sessel hatte ich so verrückt, dass ich entweder aus dem Fenster oder in den Kamin schauen konnte, nun machte ich es mir bequem. Ich hatte die Füße hochgelegt, den Kamin angeheizt. Der Kakao war angenehm warm, endlich hatte ich das Gefühl, meine Finger tauten wieder auf. Draußen schneite es wieder. Das Feuer wärmte meine Füße, während ich träumerisch in das Schneegestöber schaute. Das war besser als Fernsehen, wo eh nur Wiederhohlungen liefen. Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte zum Beispiel, alle Jahre wieder. Nicht, dass ich sie nicht mochte, aber ich hatte sie häufig genug gesehen, um verzichten zu können.
    Die Sonne ging unter. Das Schneegestöber hielt dennoch an und der Augenblick hatte schon etwas Magisches. Ich blieb sitzen, schaute weiterhin hinaus, hatte mich komplett in den herumwirbelnden Flocken verloren ...
    Eindeutig: Das würde ich bestimmt noch mal machen, vielleicht auch an Heiligabend, so schön war es.
    Cécilia ist offline

  2. #62 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Der Atem drang stoßweise aus seinem Mund, in kleinen dampfenden Wölkchen, die in den Himmel stiegen, fast wie bei einem Schlot einer Lokomotive, die man immer im Fernsehen sah. Der Schnee knirschte unter seinen Stiefeln, vor ihm unverwundet und rein, hinter ihm von seinen hastigen Schritten aufgewühlt und in seiner Makellosigkeit verletzt. Die Bäume um ihm herum waren von der weißen Pracht eingehüllt, doch er konnte sich an ihrem Anblick keineswegs erfreuen, vielmehr was das Gegenteil der Fall, er verachtete sie dafür.
    Aber er konnte jetzt keine Gedanken daran verschwenden, er musste weiterrennen, einfach nur weiter, unermüdlich wie die Lokomotive, immer kleine Wölkchen ausstoßend, immer schneller, unaufhaltsam durch die wunderbar anzuschauende, weiße Winterlandschaft. Er hatte keine Zeit, stehenzubleiben und sie zu betrachten, so sehr er es sich auch im Innersten wünschte. Er wünschte sich, die Zeit zu haben, um still zu halten und diese wundersame Schönheit der hereingebrochenen, wolkenlosen Nacht zu geniesen, aber er hatte sie nicht, die Zeit, er musste rennen, wie ein Besessener, die Einzigartigkeit zerstören, den Schnee aufwühlen bei seinem Gewaltmarsch, nicht Marsch, seinem Marathon -
    Mit einem Mal wurde er nach vorne geworfen. Ein stechender Schmerz in seiner Schulter breitete sich rasend schnell in seinem ganzen Rücken aus, noch bevor er den durch den Wald hallenden Knall des Gewehrs vernahm. Eine Schneewolke stob in die Luft, als er kopfüber auf dem Boden landete, und senkte sich sanft rieselnd wieder auf ihn nieder. Er wollte schreien, er hätte geschrieen, wenn er nur den Atem dazu gehabt hätte. Stattdessen drangen kleine Dampfwölkchen aus seinem Mund, die langsam größer wurden. Endlich, endlich hatte er Zeit zum Verschnaufen. Es würde nun keinen Unterschied mehr machen, sich zu beeilen oder zu verweilen.
    Tränen drangen aus seinen Augenwinkeln hervor und rannen eiskalt der Wange hinab. Ein winzig kleines Lächeln huschte über seine Lippen, als er sich vorstellte, sie würden noch auf seiner Haut zu Eiszapfen gefrieren. Mit einem verträumten Gesichtsausdruck schaute er hinauf in den Himmel, wo abertausende von Sternen ihm fröhlich entgegen funkelten und ihn der Magie dieser Nacht gewahr werden ließen. All die Schönheit um ihn herum, er hatte sie bei seinem Marsch, nein, seinem Marathon gar nicht bemerkt, doch jetzt - jetzt hatte er die Zeit, die er brauchte, um sie zu bemerken. Ganz klar erkannte er jede einzelne Schneeflocke, die noch von ihm aufgewirbelt in der Luft umher irrte und sich ganz in seiner Nähe dann gemächlich niederließ.
    Er spürte, wie die Kälte in ihn kroch und das Licht der Sterne von ihm fort. Einen letzten, wehmütigen Blick warf er auf die Bäume, stumme Zeugen seines Sterbens, dann seufzte er leise, ein Todesstöhnen, bei dem eine letzte, kleine Dampfwolke aus seinem Mund trat und in den Himmel stieg.
    Mehrere Paar Stiefel näherten sich, und er hörte sie noch. Er hörte sie sogar sehr deutlich, doch er sah nichts mehr, als hätte sich ein schwarzes Tuch über ihn gelegt. Und zugleich fühlte er sich federleicht, als würde er schweben.
    Die Schritte verstummten, dafür drang ein lautstarkes "Yeeeehaa!" an seine Ohren. Gejubel um seinen Tod? Wie merkwürdig, doch es berührte ihn gar nicht mehr. Vollkommene Glückseligkeit hatte sich in sein Herz gesetzt, und niemals wieder würde Trauer darin Platz nehmen.
    "Shut up!", kam ein gebellter Befehl. Wieder das Knirschen von Schnee unter Stiefeln, dann ein leises, entsetztes Keuchen. "You see that?!"
    "Oh my..."
    "That was... a fucking kid?!"
    "Oh my god!"
    "You fucking murdered a kid!"
    "I... I didn't..."
    Wie merkwürdig, dachte sich der Junge. Diese Menschen sprachen Englisch, doch er verstand nicht viel davon. Er wusste nur, dass er seine sterbliche Hülle mitsamt der Wehrmacht-Uniform zurück ließ und langsam aufstieg, immer weiter gen Himmel. Und er fühlte sich dabei so glücklich, wie er es in seinem Leben niemals hätte sein können.
    Mr Sulak ist offline

  3. #63 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Neues Thema:

    Vorfreude
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  4. #64 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Naja, veruschen wir es nochmal...
    Zweisamkeit
    Salieri ist offline

  5. #65 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Zwei zusammen sind mehr als einer alleine.

    Das ist einer dieser neunmalklugen Sprüche, die man oft genug hört. Er hat einen wahren Kern, zweifellos, und er klingt wirklich nach uralter Weisheit, das kann man ihm nicht absprechen. Aber er hat keinen Sinn, denn wozu auf etwas aufmerksam machen, das man sich logisch schlussfolgern kann? Natürlich sind zwei zusammen mehr als einer alleine, aber was soll man nun schon mit dieser ungeheuren Erkenntnis anfangen, außer darüber zu philosophieren, ob die Aussage denn stimmt?

    Angenommen etwa, man nähme zwei Tropfen Wasser. Sind sie zusammen denn mehr als einer alleine? Die Masse wäre größer, das Volumen, und die Bakterienzahl, die sich in diesem größeren Wassertropfen befindet, mit Sicherheit auch. Doch was brächte es den Wassertropfen, sich zu vereinigen, aus ihrer Einsamkeit heraus zu treten und sich zu einer Zweisamkeit zusammen zu raffen? Hat es irgendeinen erleuchtenden Sinn?

    Die Antwort lautet: Nein.

    Man könnte dieses Beispiel noch mit so vielen, vielen Dingen durchführen. Steinen, Papierfetzen, Kaugummis, Licht und Schatten... Der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Aber natürlich ist der Satz nicht an solcherlei Dingen gewandt. Nein, stattdessen begründet er sich auf die Begebenheit, dass es den Menschen gibt.

    Ein Mensch in Einsamkeit ist zu Wahnsinn verdammt. Abgeschottet von äußerlichen Kontakt, wird er im besten Fall ein grummeliger, abweisender Einsiedler, im schlimmsten ein wildes Tier, das nur seinen Instinkte gehorcht. Ein Mensch, der mit einem anderen Kontakt haben kann, und wenn er diesen Menschen noch so sehr hasst oder bewundert, entwickelt hingegen ein ganz anderes Verhalten: er zeigt seine Menschlichkeit, in Liebe, Vertrauen, Wünschen, erfreulichen Gedanken. Aber auch in Brutalität, Mord, Todschlag, Vernichtung und Misstrauen.

    Die Frage ist nun:

    Sind zwei zusammen mehr als einer alleine?
    Mr Sulak ist offline

  6. #66 Zitieren
    Schmetterling  Avatar von Redsonja
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    Ich bin alleine. Seit Jahren. Frei sozusagen. Brauche mich nach keinem zu richten. Niemand erhebt Anspruch mich „sein“ zu nennen und dennoch bin ich. Hier, jetzt. Ich atme, lebe, lache, singe, tanze, lese, bin laut – zumindest manchmal. Aber ja, ich lese gerne stundenlang. Bücher, Zeitungen, in Foren. Manchmal gehe ich ins Theater oder die Oper. Kulturell interessiert, würde ich sagen. Ich mische mich auch unter Leute, höre Musik. Alles ganz normal.
    Auf was ich hinaus will? Auf nichts. Muss ich immer auf etwas hinaus wollen? Die Frage ist eher, hörst du mir überhaupt zu? Soll ich dir etwas vorlesen?

    Nicht? Liesst du mir etwas vor? Ein Gedicht oder kannst du nicht lesen? Ich kann es, könnte es dir zeigen. Aber ich kann noch mehr.

    Wie kommst du darauf?
    Redsonja ist offline

  7. #67 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Na, jetzt haben wir ja wenigstens ein bisschen was.
    Hoffe es gibt Kommentare dazu.
    Salieri ist offline

  8. #68 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    So, das letzte Thema des Jahres:
    Gastfreundschaft
    Salieri ist offline

  9. #69 Zitieren
    General Avatar von der hofnarr
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    Gastfreundschaft

    Das Pech des Rudolibobino

    Der außerirdische Rudolibobino hoffte auf die Gastfreundschaft der Meschen und beschloss mit seinem Raumschiff auf der Erde not zulanden, denn er musste einen dringenden Ölwechsel vornehmen. Als er jedoch erfolgreich in die Erdatmosphäre eindrang, wurde er von einer Rakete der Meschen abgeschossen.

    Grüße
    Don Camillo
    der hofnarr ist offline

  10. #70 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    Mars
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    Wenn ich komm, dann komm ich allein. Wenn ich geh, dann geh ich allein. Wenn ich da bin, dann mit dir. Wenn ich ankomm, machst du mir auf.
    Wenn, wenn, wenn, ist, ist, ist jetzt.

    Komm doch herein.
    Nein.
    Fein,dann verzieh dich, Schwein!
    Nein.
    Fein, dann lass es sein.
    Das ist mein Heim!

    Als ich kam, kam ich in blau. Als ich ging, ging ich in rot. Als ich da war, warst auch du da. Als ich ankam, machtest du mir nicht auf.

    Wer bist du?
    Und du?
    Hausherr.
    Hausfrau.
    Geh jetzt lieber.
    Ich schlag dich grün und blau.

    Ich werde nie wieder kommen. Ich werde nie gegangen sein. Wieder allein. Fein, fein.

    Gibt's denn Ärger?
    Du bist wohl der Schläger?
    Ja, Herr.
    Wo ist mein heißer Feger?
    Beschäftigt.
    Dann ist sie erledigt.
    Nein, Herr.
    Blau überdeckt das Rot.
    Ihr seid tot.

    Neues Haus, neues Glück, bringt dem Gast Freundschaft! Freunde! Freude!
    Ich komme bald! Ich gehe spät!
    Spike Spiegel ist offline

  11. #71 Zitieren
    Abenteurerin Avatar von Silly Sandfly
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    Kumpel

    „Sei doch nich so ungastlich.”
    Ungastlich? Ich geb dem gleich, ungastlich. Nur weil ich keinen Bock drauf hab, mir wieder stundenlang sein Gelaber anzuhören bin ich doch nicht ungastlich.
    „Ach verpiss dich doch!" Ich knall eine kalte Flasche Bier vor ihn auf den Tisch. Klong! „Prost.” „Prost.”
    Wenn ich mir aber auch einmal einen ruhigen Fernsehabend machen will. Er wirft mir einen scheelen Blick zu. „Warst lange nich beim Training.” Achselzucken meinerseits. Klong! Und morgen muss ich früh raus.
    „Mach doch mal Mucke.” Und auf dem Weg kann ich dann gleich den Kasten Bier vom Balkon holen und vor dem Sofa deponieren.
    „Haste noch Chipse?” „Sonst noch Wünsche der Herr?” Zwei neue Flaschen Bier öffnen. Zisch, klong! Na das wird ja ein gemütlicher Abend. Dann such ich mal die Nummer vom Pizzaservice raus.
    Silly Sandfly ist offline

  12. #72 Zitieren
    Waldläuferin Avatar von Die Urne
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    "AYA YAY! HGN!", rief der Klauenvogeldornentränensuperzaunmann.
    "He, was machen Sie mit meiner Frau im Bett?", rief Ruben Wacholderle. "Vor allem nackt, und da sie auch noch aus Maschendraht sind ..."
    "Halt die Klappe", sagte Frau Wacholderle.
    "zzzzz55555kj4nb,", sagte der Klauenvogeldornentränensuperzaunmann.
    "Was bedeutet dies?", rief Ruben Wacholderle.
    "Er fragt, ob du so nett wärst, ihm einen Drink zu machen."
    "Natürlich! Für den Mann aus Maschendraht, der meine Frau blutig bumst, der könnte erstmal einen Drink gebrauchen! Einen Moment, ich bin gleich zurück!"


    Sei immer freundlich zu Maschendraht.
    Die Urne ist offline

  13. #73 Zitieren
    Mies drauf  Avatar von Mr Sulak
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    Auch wenn es eigentlich schon zu spät ist, kommt hier noch ein Beitrag meinerseits.
    _____

    "Wollen Sie etwas zu Essen haben?"
    - "Oh, nein, vielen Dank."
    "Wilklich nicht?"
    - "Ich habe erst vor knapp einer Stunde etwas gegessen."
    "Abel so etwas welden Sie nicht oft essen dürfen!"
    - "Nun, dann nehme ich gerne an."

    - Gastfreundschaft auf Japanisch
    In Japan ist es üblich, ein dargebotenes Essen erst ein, zwei Mal abzulehnen und dann anzunehmen, um nicht unhöflich zu erscheinen.

    *

    Kolumne - Gastfreundschaft auf Christlich

    Vielleicht kennen Sie das. Man geht in die Kirche, denkt sich nichts Böses dabei - man ist ja schließlich kein ehrlicher Christ mehr, eher das Gegenteil, aber meine Güte, was soll schon passieren? - und sitzt seelenruhig in der Bank, während die Messe vorbei zieht. Und dann kommt die Predigt, vor der sich früher jeder gefürchtet hat und auf die sich jetzt die meisten freuen, denn der alte Pfarrer mit seinen vielleicht 85 Jahren auf dem Buckel buddelt immer wieder lustige bis nachdenkliche Geschichten aus und schafft es, diese auch noch in Märchenonkel-Manier vorzutragen.
    Aber dieses Mal ging es mir kalt den Buckel runter. Denn die Geschichte handelte von Gastfreundschaft. Keine große Sache, ich bin ja nett zu "Fremden" und sowieso zu Verwandten und Freunden, ich lade sie immer wieder gerne zu mir nach Hause ein und nehme auch selbst beinahe jede Einladung an. Aber als der Pfarrer meinte, wir sollten auch noch einen Platz für Jesus Christus freihalten - da musste ich schlucken.
    Als armseliger Atheist in einer Welt von Christen, Muslimen und was weiß ich noch kommt man sich manchmal verloren vor. Und obwohl ich mich darum bemühe, ein guter Mensch zu sein (meistens nach dem Vorbild Jesus Christus, denn der Kerl war ein guter Mensch), musste ich mir an dieser Stelle wirklich eingestehen, dass ich mit meiner Gastfreundschaft vielleicht nicht ganz soweit komme, wie ich es mir gedacht hatte. Oder besser gesagt: Ich hatte sie beiweitem noch nicht perfektioniert.
    Soweit mein Gedanke. Die Messe war bald vorbei, ich hatte mir meinen Leib Christi abgeholt, den ich nur esse, weil ich während der Kirche jedes Mal Hunger bekomme und dieses kleine runde Ding ihn wenigstens ein wenig lindern konnte, und nun ging ich nach Hause. Nicht, ohne mir dabei weitere Gedanken zu machen.
    Was, wenn ich für Jesus Christus wirklich keine Tür offen hielt?
    Was, wenn er irgendwann mal anklopfen würde und ich hörte es gar nicht, weil ich nicht darauf achtete?
    Was, wenn er in eben diesem Moment anklopfte?
    "Entschuldigung, junger Mann!"
    Erschrocken fuhr ich aus meinen Gedanken hoch und betrachtete kurzzeitig verwirrt die alte Dame, mit Hakennase, runzeliger Haut, vielen, vielen Falten um die Äuglein und einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, dem man ansehen konnte, dass ihre Dritten auch nicht mehr die besten waren.
    "Sagen Sie, könnten sie nicht kurz da auf dem Boden suchen? Irgendwo müsste mein Schlüssel liegen, ich habe ihn wohl verloren oder vergessen, als ich zur Kirche gegangen bin."
    Ich murmelte ein leises "Klar, kein Problem" und machte mich auf die Suche. Dummerweise lag genug Schnee, um einen Smart darunter verschwinden zu lassen, zumindest gefühltermaßen. "Tut mir leid", erwiderte ich nach einer Weile, "sieht nicht so aus, als könnte ich ihn finden."
    "Wirklich...? Sehen Sie, ich habe keinen Ersatzschlüssel, und meine Tochter kommt erst heute Abend um sieben wieder heim!"
    Während ich so dieses alte, buckelige Häuflein Elend betrachtete, fiel mir ein, was Jesus Christus mal gesagt hatte: 'Was Ihr dem geringsten eurer Brüder tut, das habt ihr auch mir getan.' Wenn man das Ganze auf ein weibliches Wesen ummünzte, hatte man vielleicht Maria Magdalena eine gute Tat getan, aber das Ergebnis würde wohl ungefähr dasselbe sein.
    "Kommen Sie", antwortete ich also mit einem warmen Lächeln und bot ihr meinen Arm an. "Ich wohne nur zwei Straßen weiter. Wir können ja in meiner Wohnung warten, bis ihre Tochter heim kommt."
    Wer hätte gedacht, dass sich hinter der alten und baufälligen Fassade dieser Frau ein so aufgewecktes, scherzhaftes und bisweilen auch dreckig lachendes Mädchen verstecken würde? Was sie mir für Geschichten auftischte, war besser als jede Comedy-Show und besser als jedes noch so abstruse Gespräch mit meinen Freunden. Wir tranken Kaffee, spielten Mensch-Ärgere-Dich-Nicht (es ist wirklich unverschämt, was für Glück manche Leute haben!), sahen die Tagesthemen, diskutierten über brennende Nachrichten aus der Welt und der Nachbarschaft - wir verbrachten also einen sehr angenehmen Tag, bis sie um sieben nach Hause zurück kehrte und mir noch einen Fünfziger aufdrängte, bevor sie endlich aus meiner Haustür verschwand.
    Ich glaube nicht an Jesus, das möchte ich hier, am Ende meiner Erzählung, noch mal betonen. Zumindest nicht daran, dass er der Sohn Gottes war. Aber was er gesagt hatte, das hatte seine Richtigkeit. Er wollte einen Himmel auf Erden erschaffen, und ich werde einen Teufel tun, daran etwas zu ändern. Vor allem, wenn man den Himmel zumindest für ein paar Stunden bei einer alten Dame errichten kann, nur, weil man ein wenig Gastfreundschaft zeigt.
    Mr Sulak ist offline

  14. #74 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Heimweh
    Salieri ist offline

  15. #75 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Leistungsdruck
    Salieri ist offline

  16. #76 Zitieren
    Dr. Hüter des Kastells  Avatar von Ardescion
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    Ständig sind die Worte, die mich lockten, schon der Einladung geschieden, wenn die Muse meine Hand zur Feder greifen lässt.
    Ardescion ist offline

  17. #77 Zitieren
    Tar-Valar
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    Zwar etwas unübersichtlich, aber irgendwie habe ich Lust bekommen, das zu schreiben und man sollte ja auch schreiben, solange die Erinnerung frisch ist ... auch wenn ich dabei etwas vom Thema abschweifte und mich an den Fakten hielt.
    _______


    "Übt denn jemand Druck auf ihn aus?" Mit fragendem Blick wandte sich der ältere Herr an meine Mutter, die dieses Mal mitgekommen war.
    Warum musste sie unbedingt mitkommen? Habe ich nicht schon lange genug bewiesen, dass ich allein sein wollte ... vor allem hier?
    "Höchstens er selbst. Von uns hat er eigentlich nie Druck wegen etwas erwarten müssen."
    Jetzt antwortet sie ihm auch noch so. Ist ja nicht so, dass ich gesehen habe, was meinem Bruder passiert ist und was ich schon wegen der ein oder anderen Note ertragen musste und dann der Sport erst; was ich da erleiden muss, wenn etwas nicht so gelingt, wie es sollte, da muss ich doch mal dazulernen ... dachten sie; die Schläge taten schon lange nicht mehr weh, da können sie lange warten, dass ich aus sowas etwas lerne; ha!
    "Auch wegen der Schule nicht. Wir waren mit seinen Noten immer zufrieden. Ich denke, den Druck macht er sich auch größtenteils selber. Letztens hat er sich über nur eine 2- in Mathe geärgert und eine 2 in Geschichte findet er auch schlimm."
    Na klar. Jetzt bin ich es wieder, der mein Leben zu Grunde richtet. Ich habe mich nur über den Punkteabzug geärgert, weil ich keine Rechnung hatte, sondern nur Stichpunkte und die Ergebnisse, doch nicht über die Note. Und das mit der Zwei ist ja mal sowas von schwachsinnig; die letzten Jahre vielleicht, weil ich da Einsen gewohnt war, aber es ist anspruchsvoller geworden und ich desinteressierter, natürlich bin ich über die Zwei froh. Aber die 4- in Physik wird natürlich außer vor gelassen, nicht wahr? Klar, wie immer. Aber solange ich ruhig bin, lassen sie mich in ruhe; ist doch ganz schön, mal allein zu sein, während die sich unterhalten. Oh nein, was will er ... wie hieß er denn noch gleich ... Köhler? Ja genau ... was will Herr Köhler denn von mir?
    "Was meinst du denn dazu, Fabian? Meinst du, dass du dir selber Druck machst und dass das eine Mitschuld an deinem psychisch schlechten Zustand haben könnte?"
    An meinem psychisch schlechten Zustand? Ja klar, als wenn er mich soweit kennt, dass er das beurteilen könnte; als wenn ich ihm bei unseren ganzen letzten Treffen je wirklich etwas gesagt habe. Und ob ich mir selber Druck mache? Ha! Ist ja nicht so, dass ich in 4 Fächern schlecht stehe, neeeiiiiin; ist ja nicht so, dass ich akutes Desinteresse an der Schule habe - abgesehen von dem Philosophiekurs und dem Musikkurs vielleicht ... hmm ... - , was fragt er noch so? Ich bin ja nicht so schon viel zu wenig aktiv bei meiner Arbeit zur Mod, habe mich ja sooo oft da gemeldet in letzter Zeit; und ich habe ja trotz meines klasse Engagements, für das man mich lohnt, fast keine News mehr verfasst geschweige denn Artikel geschrieben oder mich sonstwie richtig gekümmert für hdr-conquest.de. Alles ist nachzuholen, aber ob es Druck in meinem Leben gibt ...
    "Nein, eigentlich nicht. Jedenfalls mache ich mir bewusst selber keinen Druck und außer die Schule könnte auch nichts Druck auf mich ausüben. Alles soweit in der Hinsicht in bester Ordnung." Ich schaute mich um und betrachtete den Tisch, als sähe ich ihn zum ersten Mal - genau genommen tat ich das ja fast auch, so wenig wie ich hier etwas anderes außer meine Arme und Herrn Köhler anschaute.
    Irgendwie muss man ja signalisieren oder zumindest so tun, als wenn ich am Gespräch teilhabe; schließlich geht es ja um auch mich, auch wenn ich das alles sowieso für schwachsinnig halte und es nur mache, weil sich meine Erzeuger zu viele Gedanken machen und mich zu sehr genervt haben mit ihren Sorgen, bevor ich regelmäßig hierherkam. Und da soll ich keinen Druck spüren, klar!
    " ... wäre ich für einen neuen Termin in zwei Wochen. Wann würde es denn gehen, Fabian?"
    Was bitte, wovon hat er gesprochen? Ach egal, es ist vorbei und da ich eh nichts davon halte, könnte ich der ganzen Sache jetzt ja eigentlich einen Schluss setzen ... und mich wieder von ihnen nerven lassen, na toll ...
    "So wie heute auch wieder in zwei Wochen; Donnerstag um 14:00Uhr würde gehen, wenn bei ihnen nichts dagegenspricht." Ein paar kleine Formalitäten wurden noch ausgetauscht bis ich schließlich seine Hand schüttelte und mich Richtung Tür bewegte.
    Und ich wurde wieder in eine zweiwöchige Freiheit voller Freiheitsberaubung entlassen ... ganz ohne Druck, der auf mich ausgeübt wird, klar ... wie ich Ironie doch liebe ... und in zwei Wochen schon wieder hier her habe ich auch keine Lust und muss doch trotzdem, ist ja auch kein Druck, neee ...
    Zwei Wochen, in denen der Druck wachsen kann oder sinken kann, ich würde es ja sehen, hauptsache, ich war wieder einmal von meinem Psychotherapeuten entbunden ... ganz ohne Zwang und Druck.

  18. #78 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
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    Und wir düsen, düsen, düsen
    durch die Welt wies uns gefällt
    und man schnellt durch Wald und Feld
    durch die Stadt fürs liebe Geld
    und wir düsen, düsen, düsen
    in Arbeit um die Welt
    Mache dies und mache das
    Mach 400
    kannst du das?
    Auf Schallmauern mit Panzerfäusten
    so machen wir es als die Meisten
    Und wir düsen, düsen, düsen
    mit 501 Prozent
    Weil man unsre Art verkennt
    Wir schlagen Einstein
    keine Grenzen
    neznerG eniek
    keine Bremsen
    und ich sehe mich
    und überrenne mich
    denn ich erfülle meine Pflicht
    Und ich düse und du düst und wir düsen
    Oblomow ist offline

  19. #79 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Spike Spiegel
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    Iser da?
    Is net da.
    Klopf, Klopf.
    Da is er ja.
    Ne, des is die Tanja.

    Wann kommt er denn?
    Wer denn?
    Tom, Tom!
    Muss man den kenn'?
    Wen denn?

    Und wir sind hier.
    Rackern viel, gibt kein Bier.
    Scheiße, Scheiße.
    Entweder bin ichn Arbeitstier,
    oder ich verlier.

    Klopf, Klopf.
    Da bin ich nun und gacker wie ein Huhn.
    Ertränke alle im Wortschwall Monsun.
    Was können sie mir schon tun?
    Gegen Arbeit bin ich immun.

    Und wenn sie fragen,
    Wer hat eigentlich das Sagen?
    Der, den die Wörter nicht Plagen,
    oder die, die beim Hören nicht verzagen?
    Dann sag ich...
    Tom, Tom!

    Nu komm...

    Eingliedern muss sein.
    Von der Arbeit kann dich keiner befrein.
    Platzier den ersten Stein,
    der zweite folgt dann von ganz allein.

    Ach komm...

    Ich bin Tom.
    Ich bin nicht fromm,
    bin autonom.
    ausgestattet mit x und y Chromosom,
    brauch ich weder Gleichstrom noch Wirtschaftsdiplom.
    Alles was ich will is freedom.
    Spike Spiegel ist offline

  20. #80 Zitieren
    Truhe  Avatar von Salieri
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    Mal was anderes, um das Valentinswochenende einzuläuten. ;-)

    In einer kleinen Zeitung erschien ganz still und leise dieser Artikel, den ich nun wieder schreibe:
    Topf sucht Deckel! Weibchen sucht Männc Partner gesucht!
    Charmante junge Frau Dame von 23 Jahren und mit goldenen Haaren sucht bildschönen Mann für schön viele Stunden. Ausdrücklich erwünscht sind seien gute Manieren und auch bitte nicht zu fett. nach Essen Nahrungsmitteln gieren. Schön und elegant mus soll er sich schon kleiden, nicht zu viel, wir wollen nicht in die Oper übertreiben. Doch frisch gewaschen sauber soll er sein, und aber bitte nicht homo metrosexuell er darf ja nich schöner sein als i mich ja nicht in den Schatten stellen.
    Natürlich soll er viel stehen Tatkraft beweisen und – das ohne Medikamente – möglichst die ganze Nac viele Stunden. Auch Kohle muss er ha mit Geld darf er nicht geizen – kann er all dies leisten, so wähle er alsbald die 0900 […]!
    Salieri ist offline

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