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Nach mehrmaligem, von Jils Geschrei untermaltem Überdenken, kam Ceron zum Schluss, dass es ganz gewöhnlich war, dass seine Tochter sich weigerte, stunden- vielleicht sogar tagelang durch einen düsteren Tunnel zu gehen. "Da muss sie durch", hatte er anfangs noch gemurmelt. Nach einigen weiteren Verzweigungen war das Geschrei jedoch noch immer nicht abgeklungen. Und es halfen nicht einmal die süssesten Worte ihrer Mutter. "Vielleicht sollten wir sie einfach anderweitig beschäftigen", äusserte der Hohepriester seine neueste Vermutung. Er öffnete in seinem magischen Bewusstsein einen neuen Raum, schob den Lichtzauber durch die Türe und verschloss sie wieder. Die Lichtkugel schwebte noch immer hinter ihren Köpfen her, bedurfte jedoch keiner völligen Aufmerksamkeit mehr. Diese erlaubte es dem Magier, seine Hirnwindungen dem Beschwörungszauber für das Schattenläuferskelett zu widmen. Diesen Weg der Magie kannte er bereits seit langem und so war es für ihn einfach, die animierten Gebeine eines Schattenläufers in das Höhlensystem unter dem Weissaugengebirge zu rufen.
"Lass Jil doch eine Weile mit dem Skelett herumtollen. Wenn das nicht klappt, werden wir wohl umkehren müssen." Prinzipiell hätte man Jil auch einfach 'stilllegen' können, doch davor schreckte selbst der Alchemist in Ceron zurück.
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Azil schnaubte leise, kicherte dann in sich hinein. "Was ich von der ganzen Sache halte? Nun, vor allen Dingen erst einmal: es ist ein interessanter Anfang. Da interessant aber so ein wunderschön allgemeines Wort ist, was man für alles und jeden benutzen kann, spezifiziere ich noch etwas. Wir haben hier großes Potential, was aber anscheinend... unterdrückt beziehungsweise sehr schlecht ausgenutzt wird. Nenn' es wie du willst, du kennst dich besser aus in diesen Assassinen-Dingen, aber es kommt mir im Moment nicht wie der gefürchtete Orden, sondern eher wie ein Schatten eines Schattens vor - folglich also nicht viel. Jedenfalls nichts, worauf man wirklich bauen könnte..." Azil schüttelte den Kopf, legte ihn dann in den Nacken und kicherte. "Abgesehen davon... wenn ich ehrlich bin, bin ich etwas aufgeregt, auch wenn ich es nicht gerne zugebe. Wenn auch dieser Befehl eben mir einen kleinen Dämpfer verpasst hat: Bücher lesen? Das ist es eigentlich nicht, was ich von einem Hashashin erwartet hatte." Sein schiefes Grinsen gewann ein wenig an Sarkasmus.
"Sag einfach nichts, dein Gesicht sagt mir: Das gehört irgendwie dazu.", murmelte er, seufzte, und beendete dann seinen kleinen Bericht. "Und man schließt schnell... interessante Bekanntschaften." Der angehende Hashashin, der immer noch sehr viel eher wie der Harlekin aussah, strich sich durch seine schwarze Haarmähne.
"Gut, gut. Ich werde mir die Bibliothek später ansehen. Da wir ja noch keine neuen, akuteren Auftrag haben, sehe ich mir doch lieber erst einmal meinen Raum an...", meinte er, schmunzelte, hob kurz die Hand, und verschwand dann wieder in seinem neuen Zimmer, seiner Behausung, wie man es auch nennen konnte. Es war ein wenig weniger professionell, als Azil es sich vorgestellt hatte - aber doch irgendwie akkurat. Wieso aber dieses wirklich nicht spartanisch zu nennende Bett? Da waren eins, zwei... Drei Matratzen übereinander gestapelt! Die untersten Beiden schienen mit Stroh gefüllt zu sein, die Oberste aber mit etwas anderem Kram... es war fest, aber dennoch weich. Azil seufzte, schüttelte den Kopf und fragte sich einfach nicht, was es denn war - denn sonst würde er nachher noch seine eigene Matratze aufschlitzen, nur wegen seiner verfluchten Neugierde. Lieber inspizierte er den etwas voll wirkenden Raum weiter: zwei Schränke, eine Kommode, einen ziemlich dicken Teppich, und sogar einen Spiegel. Woher hatte dieser ehemalige Assassine nur diesen ganzen Kram her? In den Schubladen und Fächern der Aufbewahrungsgegenstände fanden sich allerhand Waffen, Gold, Briefe von Frauen (Liebes) wie von Männern (Hass), sowie allerlei Krimskrams. Nichts von wert. Spielzeuge. Ausgemistet werden musste hier definitiv... Anscheinend war dieser Raum beinahe komplett hermetisch abgeriegelt, bis auf die Tür. Nur zwei faustgroße Löcher in den Ecken des Raumes sorgten wohl für einen geregelten Luftaustausch... jedenfalls glaubte Azil das. Eine weitere seltsame Konstruktion lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich: eine Lampfe war es wohl. Aber keine Fackel, wie sonst, sondern eine große, mit.. Öl? Nur hing sie an der Wand. Ungewöhnlich. Aber vielleicht gar nicht so dumm...
Nun, gesagt getan. Sein Zimmer war inspiziert, oberflächlich - die eine Truhe in der Ecke hinter der Tür hatte er noch nicht einmal angerührt. Das würde er später tun; Jetzt war erst einmal die Bibliothek an der Reihe... und dann sein neues Bett. Oh... und vielleicht Alika.
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Diese Berge waren gar nicht so übel, stellte Thorwyn fest, als er ein weiteres Mal innehielt und den Blick schweifen ließ. Leyla und er waren am vergangenen Tag noch eine Weile dem Waldweg gefolgt, allerdings ohne dabei auf eine Abzweigung zu stoßen, so dass sie den Pfad schließlich einfach verlassen hatten, um sich geradewegs durchs Unterholz zum Gebirge durchzuschlagen. Eine – nach Ansicht des Jägers – schrecklich kurze Nacht im Schutze der Bäume später waren sie dann erneut aufgebrochen, hatten sich immer weiter nach Westen bewegt, den Wald dabei allmählich hinter sich lassend und in immer größere Höhen vordringend.
Zurzeit befanden sie sich zwar immer noch weit unterhalb der Schneegrenze – den Göttern sei Dank war der Winter so gut wie vorüber –, aber viele Pflanzen wuchsen hier trotzdem nicht mehr. So erlaubte die freie Sicht auch einen guten Überblick über die tiefer gelegene Landschaft, abgesehen jedoch von den Teilen derselben, die im vom Wald aufsteigenden Nebel verborgen lagen. Denn makelloser Sonnenschein herrschte immer noch nicht, auch wenn es glücklicherweise nicht mehr regnete. Dafür wehte ein frischer Wind, der von Zeit zu Zeit abflachte, jedoch nie gänzlich verschwand, und ließ die Haare der Jäger tanzen.
Ja, so übel waren die Berge nicht. Unzugänglich, mit gelegentlichen Hindernissen und teilweise schwer begehbar, aber all das hatte man auch im Wald, wenn man nicht in den Genuss ordentlicher Wege kam.
„Hm“, kommentierte Thorwyn das nächste Hindernis und schaute in den Abgrund vor seinen Füßen hinab. Im Wald hatte man allerdings keine solchen metertiefen Felsspalten, die ein Weiterkommen verhinderten. Zur Linken des Jägers ragte eine für seinen Geschmack viel zu steile Felswand empor, zur Rechten ging es mal mehr, mal weniger steil bergab, so dass dort zwar mit Vorsicht ein Vorankommen und vermutlich irgendwann auch ein Umgehen der Spalte möglich war, allerdings würde das viel Zeit kosten. „Was jetzt?“, fragte der Jäger unschlüssig und fügte in Gedanken ein Seil zu der Liste der benötigten Gegenstände hinzu. „Gibt leider keinen Baum, den wir umschubsen können.“
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"Wir?", kommentierte Leyla ein wenig belustigt seinen Vorschlag, wie sie den Abgrund überwinden sollten. Mal ganz davon abgesehen, dass sie auch freiwillig nicht über einen Baumstamm balancieren würde, um diese Hürde zu überwinden. Dazu müsste schon eine ganze Brücke aus Baumstämmen existieren, doch das war fast zu schade um die dazu nötige Zahl an Bäumen.
Dann ging ihr Blick nachdenklich zu den Kletterpflanzen, die vereinzelt einen Platz im Fels ergattert hatten und nun den mehr oder minder widrigen Umständen trotzten. Ob sich damit wohl etwas anfangen ließ? Auf einen ewig langen Umweg hatte sie jedenfalls wenig Lust, die inneren Gefühle lockten sie hinauf in die Berge, noch bis jenseits der Schneefallgrenze. Grund dafür war die Blume, die nun ihr Haar zierte und Erinnerungen an eine andere Art der Verzierung geweckt hatte, die sie einst getragen hatte.
"Würdest du dich trauen, an einer langen Wurzel hinab zu klettern? Ich kann leider nicht versprechen, dass sie unser Gewicht hält, aber es wäre die einzige Möglichkeit, um dort hinunter zu gelangen. Oder dort hinauf."
Letzteres galt der steilen Felswand, die unweit von ihnen in die Höhe ragte und den Weg bis in den Schnee vermutlich auf direktem Wege nahm. Doch genauso anstrengend würde eine derartige Kletterei wohl auch werden, von eventuellen Sicherheitsrisiken mal ganz abgesehen.
Wieder musste sie dabei zurück denken. Welch Aufwand es gewesen war, die Rüstung herzustellen und zuvor all ihre Teile zusammenzutragen. Die Crawlerplatten, das Snapperleder, das Schneehasenfell. Letzteres hatte es ihr nun angetan, es war ähnlich wundervoll, wie ihre Blume. Und in etwas größerer Menge war es womöglich sogar von Wert für ihre offenen Erledigungen.
Was wohl aus der Rüstung geworden war? Sie hatte sie damals in ihrer Hütte gelassen. Ob die all die Zerstörungen überstanden hatte, darüber hatte die Jägerin sich nie versichert. Aus einem gewissen Selbstschutz heraus. Doch sicher war wohl, dass man all ihren Besitz ohnehin geplündert hatte, wenn etwas davon unzerstört geblieben war.
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Zweifelnd blickte der Jäger die Felswand empor, die zu erklettern die zweite von Leyla angebotene Option war. Sie war uneben, zerklüftet und hin und wieder von Rissen durchzogen, so dass sie durchaus einigen Halt bieten konnte, wenn man etwas Übung im Klettern hatte. Das war bei Thorwyn allerdings nicht der Fall, und auch wenn er sich an einer Wurzel hätte festhalten können, überkam ihn bei dem Gedanken, hier emporzusteigen, ein mulmiges Gefühl. Es ging einige Dutzend Schritt nach oben, und eine Unaufmerksamkeit konnte genügen, um abzustürzen und sich mehr als ein paar Knochen zu brechen.
Der Jäger ging hinüber zu dem Felsspalt. Auch hier wäre ein Sturz von ganz oben äußerst ungesund, aber der Abgrund war bei weitem nicht so tief wie die Wand hoch war. Zwar käme man langsamer voran, wenn man auf der anderen Seite den Fußmarsch fortsetzte, als wenn man geradewegs den Berg hinaufklettern würde, dafür aber auch sicherer. Und so nickte Thorwyn einmal entschlossen und sah hinüber zu Leyla. „Ich wäre dafür, den Weg zu nehmen, der Spalt ist nicht so tief. Einmal runter und dann wieder hinauf, das ist nicht so gefährlich wie die Felswand.“
Dem stimmte nach kurzem Überlegen auch die Heilerin zu, um sich anschließend eine Kletterpflanze zu suchen, die sie mit ihrer Magie bearbeiten konnte. Langsam krochen die Ranken den Fels hinab, eng ans Gestein geschmiegt, und bahnten sich ihren Weg nach unten, während Leyla die für Thorwyn unsichtbaren Magieströme aussandte. Schließlich hielt sie inne und der Jäger verstand, dass die Pflanze wohl den Grund der Schlucht erreicht haben musste. Schneller als erwartet, aber das sollte ihm nur recht sein. Etwas zögerlich trat er an die Klippe heran und zerrte fest an den Ranken, die nicht den Eindruck machten, unter seinem Gewicht nachgeben zu wollen. Und so atmete er noch einmal durch und schickte sich an, vorsichtig hinabzusteigen, immer an die Ranke geklammert und dennoch mit den Füßen nach Halt suchend.
Immer weiter ging es nach unten, Zoll um Zoll, über eine Kante hinweg, die bisher den Blick zum Fuß der Felswand verdeckt hatte, noch ein Stück – bis Thorwyn Boden unter den Füßen spürte. Eben wollte er erleichtert loslassen, als er erschrocken feststellte, dass er doch noch nicht unten angekommen war und nur auf einem kleinen Vorsprung stand. Hier endete jedoch auch die Kletterpflanze, anscheinend hatte dieses Plateau auch Leyla in die Irre geführt, die ja nicht hatte sehen können, wohin die Ranken wuchsen.
„Mist“, murmelte der Jäger und wandte sich wieder der Felswand zu. „Oh.“ Und was war das? Ein nicht ganz mannshoher Spalt im Stein, direkt vor seiner Nase. Ein leichter Luftzug war zu spüren und als Thorwyn hineinstarrte, konnte er erkennen, dass sich dort mindestens ein kleiner Hohlraum befand. Gut. „Leyla?“, rief er nach oben. „Die Pflanze ist zu kurz! Aber hier ist … eine Höhle! Komm nach, ich warte hier!“
Und mit diesen Worten quetschte er sich durch den Spalt. Eine kleine Kletterpause konnte nicht schaden, von hier aus konnte Leyla die Pflanze ja dann bis zum Boden wachsen lassen.
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Einen Augenblick lang zögerte sie noch, während ihr Geliebter voraus kletterte. Im Zweifelsfall konnte sie zwar ohnehin nur zusehen, wie er fiel, doch irgendwie beruhigte sie das etwas mehr, als die Gewissheit, unter Umständen mit ihm zusammen in die Tiefe zu stürzen. Letztlich aber hatte die Pflanze Thorwyns Gewicht gehalten, doch war er überhaupt schwerer, als sie? Er war größer, allerdings gleichzeitig auch unheimlich schlaksig, während sie ihren Körperumfang zumindest für normal erachtete. Machte das am Ende einen Unterschied aus, der negativ für sie ausgehen konnte?
Behutsam griff Leyla trotz dieser Überlegungen nach der Kletterranke und schob ihren Körper vorsichtig über den rauen Fels, bis sie soweit war, sich umdrehen zu müssen, damit sie die Füße gegen die Wand stützen konnte. Es ging, irgendwie, beschwerlich war wohl kein Ausdruck dafür. Sie war einfach keine Kletterin, ihr lag das Laufen weit mehr. Umso glücklicher war sie dann auch, bald wieder waagerechten Boden unter den Füßen zu haben, wenngleich Thorwyn in diesem Spalt ein interessantes Angebot darstellte. Doch so halb in luftiger Höhe wollte ihr dieser Reiz wenig sympathisch erscheinen.
"Wenn dieser Spalt nicht zufällig soweit in den Berg hinein führt, dass er uns leichter hinab oder auf die andere Seite bringt, dann schlage ich vor, dass wir ohne längere Pause weiter klettern. Ich finde das hier nicht sonderlich erfreulich."
Etwas Bitterkeit lag in ihrer Stimme, dabei wollte sie nicht gekränkt oder verärgert herüberkommen. Sie hatte ein Ziel vor Augen und bald würde sie das wohl auch mit ihm teilen, doch zuvor wollte sie sicheren Boden unter den Füßen haben. Deswegen wuchs die Kletterpflanze kurz darauf auch schon weiter herab in die Tiefe, die nun lange nicht mehr so bedrohlich wirkte, wie noch von oben. Ganz ohne Halt traute sie sich jedoch nach wie vor nicht herab, kletterte diesmal aber voraus.
"So, geschafft.", meinte die Jägerin dann zu Thorwyn, als auch er unten angekommen war. "Hoffentlich müssen wir nur noch dort drüben hinauf und dann nicht mehr klettern bis zum Schnee. Sonst wird das eine sehr aufwendige Jagd."
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„Na gut wie du meinst.“, lenkte Angelina schließlich ein, auch wenn sie ein Skelett als Spielkamerad nicht gerade prickelnd fand. So verging mindestens eine Stunde ohne Quängelei. Dieser Tunnel nahm aber auch gar kein Ende. So schien es zumindest. Am Ende des Tunnels wurde es plötzlich heller. Angelina hatte jedes Zeitgefühl verloren. Sie konnte nicht sagen ob es Tag oder Nacht war.
„Sieh mal!“, sagte sie zu Ceron, „vielleicht haben wir es endlich geschafft.“ „Wie Tageslicht sieht es nicht gerade aus.“, zweifelte der Hohepriester und ließ das Skelett Jil schnappen und hinter die beiden Magier bringen. Es war ihm bestimmt zu heikel das Jil da vorn herum turnte. „Pssst!“ Angelina legte zusätzlich noch den Zeigefinger vor den Mund, weil Jil lautstark protestieren wollte, weil sie nicht mehr herum tollen durfte. In dem Moment erloschen auch der Lichtzauber und sie näherten sich langsam der Lichtquelle. Langsam wurde erkennbar das Ceron recht behalten sollte. Es war kein Tageslicht, sondern einfach nur ein größerer Raum, der sich an den Tunnel anschloss. Kristalle spendeten das Licht. Aber warum flackerte es? Hinter einem Felsen schien es ein Lagerfeuer zu geben und jetzt hörte Angelina auch Stimmen. „Banditen oder einfache Reisende?“, flüsterte sie Ceron zu.
„Lass es uns heraus finden!“, entgegnete er. Angelina hielt ihm am Arm fest. „Ich gehe erst allein zu ihnen. Bleib du bei Jil und zur Not beschwörst du eben ein paar Skelette. Mir sehen sie die Magierin nicht an und denken, falls sie etwas im Schilde führen, sie hätten leichtes Spiel.“ Ceron stimmte ihr zu und ließ wenn auch nicht gern, vorgehen.
Angelina ging um den Fels herum. Zwei Männer und eine Frau saßen am Lagerfeuer. Sie bemerkten die blonde Frau zuerst gar nicht als sie auf sie zu kam. Dann sprangen die Männer auf und zogen sofort ihr Schwert.
„Seid gegrüßt. Euer Schwert könnt ihr stecken lassen. Ich tue euch nichts. Wollte eigentlich nur wissen ob diese Höhle vielleicht niemals ein Ende hat...“
Die Männer ließen ihre Schwerter sinken, schauten sich aber irgendwie komisch an. Normale Reisende waren das nicht und die Frau am Lagerfeuer rührte sich nicht vom Fleck. Ob sie ihre Gefangene war? Der Schwarzhaarige mit dem Dreitagebart kam auf Angelina zu und musterte sie.
„Du hast keine Waffe bei dir? Das ist leichtsinnig.“
„Ich brauche keine Waffen.“
„Ha.. hast du das gehört, Jeff? Sie braucht keine Waffen, höhö“
Jetzt wurde es langsam brenzlig.
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Ein paar Momente starrte Thorwyn noch in die Dunkelheit. Der Luftzug war ein Anzeichen dafür, dass es noch irgendwo einen weiteren Ausgang geben konnte, doch weder wussten die Jäger, wo dieser lag und wie weit er entfernt war, noch, ob sie in der Lage wären, ihn zu erreichen. Vermutlich war es daher besser, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen, so dass Thorwyn schließlich die Schultern zuckte und Leyla folgte, nachdem sie den Grund der Schlucht erreicht hatte.
„Ja … was?“, fragte er, während er sich den Dreck von den Händen klopfte. „Was für eine Jagd?“
„Nach Schneehasen“, erwiderte die Geliebte schlicht und wandte sich dann der Felswand zu, um mit konzentrierter Miene eine weitere Kletterpflanze nach unten zu rufen.
„Ach so.“ Besonders viele Informationen waren das ja nicht gerade. Warum gerade Schneehasen? Aber das wollte sie ihm anscheinend erst oben oder noch später erklären, und so wartete Thorwyn ab, bis die Ranken den Boden erreicht hatten, um schnell heranzutreten. Wahrscheinlich konnte er nicht viel besser klettern als Leyla, aber abgesehen davon, dass er auf keinen Fall wollte, dass ihr etwas zustieß, weshalb er das natürliche Seil zuerst ausprobieren wollte, schien ihm diese Reihenfolge auch aus anderen Gründen die beste zu sein. Schließlich war sie die Heilerin, und wenn er abstürzte, konnte sie etwas tun, im umgekehrten Fall sähe es wesentlich schlechter aus.
Glücklicherweise jedoch erwies sich die Ranke als stabil und die Felswand als so zerklüftet, dass man meistens irgendwelche Tritte und Griffe fand und die Pflanze nicht immer mit dem vollen Gewicht belasten musste. Nachdem beide über die Kante geklettert waren, konnte Thorwyn daher die Fragen stellen, die ihm durch den Kopf gingen.
„Wieso gerade Schneehasen? Schmecken die so gut? Und du willst bis zur Schneegrenze?“ Skeptisch ließ er den Blick die Berghänge hinaufwandern. Bis zum Schnee war es noch ein gutes Stück. Hoffentlich wurde das Gelände bis dahin etwas freundlicher, wenn es nicht sogar irgendeinen Weg bereithielt. Solche teils steilen Hänge auf vereistem Grund begehen zu müssen, stellte der Jäger sich jedenfalls eher anstrengend vor. Und wenn man dann auch noch jagen wollte … Oder hatte Leyla vor, sich dafür in einen Greifvogel oder was auch immer zu verwandeln?
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"Wegen ihrem Fell.", meinte die Blonde und wirkte von oben noch nachträglich Magie auf die Kletterpflanzen, um sie größtenteils in ihren alten Zustand zurückzuversetzen. Nicht, damit ihnen niemand folgen konnte, sondern weil es sich der Natur gegenüber nicht gehörte, alles künstlich zu verändern und dann auch noch so zu belassen. Erst danach traten sie den weiteren Marsch an, der fürs erste etwas flachere Wege zu nehmen schien. "Es ist wunderbar weich und sieht toll aus. Ich hatte schon mal welches als Verzierungen an einer Rüstung. Die nun entweder zerstört oder geklaut wurde oder sich vielleicht sogar noch in Silden befindet. Ich habe keine Ahnung. Aber ich hätte gern wieder solches Fell. Als du sagtest, wir könnten ins Gebirge gehen, dachte ich an den Schnee und danach an die Hasen. Leider kommen die nicht mit ins Flachland, wenn der Schnee im Winter fällt, deswegen müssen wir eben zu ihnen hinauf in die Berge kommen."
Zartes Lächeln auf ihrem Gesicht, weil sie den Kreis ihrer Ansicht nach sehr treffend geschlossen hatte. Gleichsam tobten vermehrt Bilder in ihrem Kopf von Möglichkeiten, was sich mit solchem Fell alles anstellen ließ. Schließlich aber mahnte Leyla sich zur Mäßigung, denn sie würden es mit der Menge definitiv nicht übertreiben.
"Ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, wie ich es dann verwenden werde. Es gibt so viele tolle Möglichkeiten. So wie deine Idee mit dieser wunderschönen Blume. Vielleicht lasse ich mir diese Rüstung noch einmal anfertigen. Es war keine richtige Vollmontur wie bei einem Soldaten, sondern eher einzelne Stücke. Schulterstücke, Unterarmschienen und so etwas. Damit die Kanten nicht auf die Haut drücken konnten, ließ ich damals das Schneehasenfell anbringen, das zugleich die Optik unheimlich aufwertete."
Ja, so einzelne Stücke wieder zu besitzen, wäre in der Tat sinnvoll. Sie erfüllten den Schutzzweck nur zweitrangig und dienten stattdessen eher einer optischen Aufwertung. Außer natürlich, Thorwyn würde daran keinen Gefallen finden können.
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Amüsiert beobachtete Ceron die Szene aus sicherer Entfernung. Er fürchtete nicht im Geringsten um Angelina - wohl eine Folge jahrelanger Dominanz von Magiern über Normalsterbliche. Ob das eine ungesunde Haltung war? 'Ach was, sie sieht so gut aus in ihrem Lederdress... das wird sich gleich entspannen', dachte er sich und sah weiter zu. Als der zweite Mann jedoch plötzlich einen Strick in der Hand hatte, wurde der Magier aus seiner Träumerei gerissen. Der Schattenläufer hinter ihm zersprang in der Luft als würde ein Kartenhaus zusammenfallen. "Was war das?" - "Ist die Kleine nicht allein?"
Erst wollte Ceron zur liebgewonnenen Schattenflamme greifen. Dann realisierte er jedoch, dass er Angelina vor unzähligen Abprallern von den Wänden kaum schützen konnte. Er spielte einen Moment mit dem Gedanken einer Beschwörung, griff jedoch schlussendlich zum beherzten Lichtzauber. Ein Licht so grell wie zwanzig Sonnen erschien vor seiner Brust strahlte in Richtung der Männer und Angelina. "Und Innos kam und brachte Licht ins Dunkel", rief er. "Und er sprach zu den Menschen: Helfet einander. Schadet euch nicht gegenseitig denn das Leid des einen ist das Leid des anderen. Milde soll eure Wege begleiten." Ceron schwächte den Zauber, richtete den Lichtkegel jedoch noch immer auf die Gruppe von Menschen.
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Toll aussehendes Schneehasenfell also. Thorwyn konnte nicht anders, als Leyla bei diesen Worten kurz von Kopf bis Fuß zu mustern und sie sich mit derartig schmückendem Fell vorzustellen. Sicher ein schöner Anblick, auch wenn sie in den Augen des Jägers schon jetzt kaum schöner sein konnte. Der neugierige Gesichtsausdruck Thorwyn wich dann allerdings erst einmal einem etwas erstaunten, als die Geliebte auf ihre Rüstung zu sprechen kam. Was hatte sie denn getrieben, dass sie eine Rüstung gebraucht hatte? Auf der Jagd, wenn man schnell sein musste, war so etwas doch vermutlich auch eher hinderlich.
„Na gut, dann jagen wir eben ein paar Schneehasen“, meinte der Jäger lächelnd und richtete den Blick wieder auf den vor ihnen liegenden Weg. Wenn man das felsige Gelände wirklich Weg nennen konnte, Menschen waren hier jedenfalls kaum unterwegs. Aber solange es aufwärts ging und man sich nicht den Hals brach, wollte Thorwyn sich nicht beklagen. „Und dann werden wir mal sehen, was man mit den Fellen machen kann. Bloß eine Rüstung werden wir hier oben nicht kriegen, solange wir nicht über eine Mine stolpern. Und über eine Spitzhacke und eine Schmiede. Erz geschürft habe ich aber eigentlich sowieso schon genug …“
Eine Pause entstand, während der Jäger zurück an Faring dachte, wo er unter den Peitschen der Orks hunderte, tausende, unzählige Male mit der Spitzhacke auf den Fels eingeschlagen hatte. Um Erz zu fördern, aus dem dann Waffen wurden, die dazu gemacht waren, Menschen zu töten. Mit einem Kopfschütteln kehrte Thorwyn in die Gegenwart zurück und lächelte wieder. Damit hatte er abgeschlossen.
„Aber hoffen wir, dass du erst mal keine Rüstung brauchst. Wir wollen uns ja nicht mit Orks rumschlagen, und die Hasen auf dieser Insel waren bisher auch nur so tödlich wie die in Myrtana. Wofür hattest du sie denn damals?“
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„Bei Innos! Was blendet uns denn da?“
„Seit wann glaubst DU denn an Innos?“
„Tu ich ja gar nicht aber woher kommt denn das Licht sonst?“
Auch Angelina war etwas überrascht. Sie hatte mit allem möglichen gerechnet, aber am allerwenigsten mit einem grellen Licht. Doch dann nutzte sie den Moment und schlug den Mann der ihr direkt gegenüber stand nieder, bei dem anderen versuchte sie einen Eiszauber. Nicht stark einfach nur so stark das er für einige Augenblicke bewegungsunfähig war. Sie hob beide Hände hoch und streckte sie diesem Jeff entgegen. In binnen kurzer Zeit erstarrte er unter einen dünnen Eisschicht, genau so lange wie Angelina ihm das Seil aus der steif gefrorenen Hand nehmen konnte und den nieder geschlagenen damit fesselte.
„Ceron mach das Licht aus und komm rüber.“, rief sie ihm lachend zu. Inzwischen war Jeff schon wieder angetaut und ebenfalls gefesselt. Mit einem Tritt in die Kniekehlen saß er dann auch direkt neben seinem Kumpel am Lagerfeuer und guckte etwas dämlich drein.
„Was machen wir nun mit den beiden Halunken?“, fragte sie Ceron und sah dabei aber die immer noch ängstlich schauende Frau. Ob sie vielleicht gar nicht sprechen konnte. Bei Adanos vielleicht hatten die Männer ihr die Zunge heraus geschnitten? Nein, so grausam sahen sie gar nicht aus.
„Du brauchst keine Angst zu haben. Wir tun dir bestimmt nichts.“ Sie riss die Augen noch weiter auf und rückte ein Stück zurück bis sie an der Felswand angelangt war. „Ich glaube fast, das nur du ihr helfen kannst...“
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Die Blicke der Frau schossen zwischen der Priesterin Adanos' und den geschlagenen Männern hin und her. Sie zitterte wirklich vor Angst. Ceron beugte sich zu der Frau vor und schob das Licht so zur Seite, dass er ihr Gesicht sehen konnte. Sie sah ihn dabei an, als sei er die Inkarnation des Tieres. Misstrauisch geworden wandte der Magier sich dann Jeff zu. Er fuhr über dessen eiskaltes Gesicht und brachte das verbliebene Eis mit viel magischem Aufwand zum Schmelzen. Plötzlich jaulte der Mann auf - Ceron hatte ihn wohl etwas zusehr erwärmt. Da zuckte auch die Frau zusammen. Es war ja im Grunde nicht ungewöhnlich, jemanden zu fürchten, der anderen Schaden zufügte, doch die Nase von Jeff hatte sie verraten. "Euer Vater hatte eine Nase so gross wie der Tempel von Vengard", lachte er und blickte dann wieder zur Schwester von Jeff hinüber.
"Aber ich will dich nicht für die Absichten deines Bruders bestrafen. Drum erzähl mir, Kind. Wie gelangen wir am einfachsten auf die Westseite Argaans?" - "Ssssie hat Dscheschedscheff eingefroren" - "Er wird ein paar Tage nicht allzu gelenkig sein. Wie kommen wir auf die andere Seite?" - "Sie hat ihn niedergeschlagen" - "Jaja, und dann eingefroren. Oder umgekehrt. Sprich! Oder willst du auch Bekanntschaft mit ihren kalten Händen machen?" Stimmt, in letzter Zeit waren Angelinas Hände immer so kalt gewesen. Er erinnerte sich an unzählige Male, wo er durch ihre Berührungen vor lauter Kälte ins Schlottern gekommen war.
"Ach... am Besten kommst du mit. Stell dich schön vor, pack deine Sachen und zeig uns den Weg raus. Deine beiden Männer werden schon alleine klar kommen."
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"Keine Angst, wir müssen in keine Mine und dort Erz schürfen. Es war keine Rüstung aus Metall, das ist viel zu schwer und natürlich hinderlich. Die Stücke waren recht aufwendig aus Crawlerplatten angefertigt, leicht und doch stabil, genau richtig für eine hektische Jagd. Und einzelne Körperteile mit solch einem Schutz zu versehen, halte ich für durchaus sinnvoll. Gerade Arme und Beine, aber auch die Schultern oder eher der Hals bieten empfindliche Angriffsflächen. Für Tiere genau so, wie für menschliche Gegner. Wenn ich könnte, würde ich heute jedenfalls wieder darauf vertrauen. Und wenn irgendwann mal wieder ein Krieg ausbricht, bist du auch froh darüber. Damals...griffen wir in einige Kämpfe gegen die Orks ein, wo du als Jäger auf deine Fähigkeiten mit dem Bogen reduziert wirst. Dabei fühlte ich mich mit diesen Schutzstücken auch sicherer, als ohne."
Auf ihrem weiteren Marsch hinauf in die Berge dachte Leyla noch eine ganze Weile über die damaligen Zeiten nach. Die Angriffe auf die orkischen Höfe waren ihr im Gedächtnis geblieben. Seit sie Thorwyn kannte, vergaß sie umso schwerer. Sie hatten damals rund um Montera agiert und mehrere Bauernhöfe befreit und schließlich niedergebrannt, nachdem die Orks oder ihre Söldner vertrieben worden waren. Wieso hatten sie den Hof, auf dem Thorwyn und seine Eltern waren, nicht erwischt? Doch hätte sie ihn dann überhaupt jemals kennen gelernt? Die meisten Sklaven flohen damals schließlich auf eigene Faust oder wurden von den Truppen des Königs aufgenommen. Vielleicht war es besser so, auch wenn sie ihm die zusätzlichen Tage und Wochen des Leidens absolut nicht gönnte. Das hatte kein unschuldiger Mensch verdient.
Zwischen das Bild der grauen Felslandschaft mischten sich irgendwann weiße Flecken, die bald größere Ausmaße annahmen. Die Anstiege flachten allmählich ab, immer tiefer konnten sie so ins Gebirge vordringen, bis sie schließlich auf eine Art Hochebene gelangten, auf der sogar wieder einzelne Bäume einen Platz zwischen Schnee, Eis und Fels gefunden hatten. Nadelbäume. Und vereinzelte, kleinwüchsige Pflanzen. Die Gegend erinnerte sie an die eisigen Hänge Nordmars, wo es ebenfalls in undenkbarer Höhe Spuren von Leben gegeben hatte. Pflanzlichem wie tierischem. Sehr viel extremer konnten die Bedingungen doch eigentlich nicht mehr werden?
Geändert von Leyla (20.03.2011 um 11:42 Uhr)
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Crawlerplatten also. Und sie hatten die Orks bekämpft. Lächelnd warf Thorwyn der Geliebten einen Seitenblick zu, erneut beeindruckt von ihrer Vergangenheit. Er selbst hatte noch nie einen Minecrawler zu Gesicht bekommen – den Göttern sei Dank hatte es in der Mine von Faring keine gegeben –, aber auch er kannte genug Erzählungen, um zu wissen, dass diese Tiere äußerst gefährlich sein konnten und schon so manchen Minenarbeiter verspeist hatten. Über ihre Panzerplatten wusste er zwar wenig, aber wenn diese tatsächlich gleichzeitig stabil und leicht waren, wäre so eine Rüstung natürlich nicht zu verachten. Allerdings musste man dennoch erst den ein oder anderen Crawler erlegen, um an das benötigte Material zu kommen, was in absehbarer Zeit wohl nicht auf dem Plan stand. Stattdessen ging es den Schneehasen an den flauschigen Kragen.
„Frisch geworden“, kommentierte Thorwyn die hier oben herrschenden Temperaturen und rieb sich die kalten Hände, beim Ausatmen kleine Wölkchen auf die Reise schickend. Ein wärmender Mantel käme jetzt gerade recht – ein weiterer Punkt auf der Liste der benötigten Dinge –, aber da ein solcher nicht vorhanden war, musste man sich eben mit der Jagd aufwärmen. Suchend ging der Blick des Jägers umher, aber in näherem Umkreis konnte er keine Spuren ausfindig machen. Allzu lange würden sie aber sicher nicht suchen müssen, waren Fährten im Schnee doch leicht zu erkennen.
„Tja. Dann schauen wir mal, dass wir irgendwas finden, bevor es dunkel wird, oder? Einen Unterschlupf brauchen wir später ja auch noch. Aber wenigstens gibt es hier wieder Holz für ein Feuer, sonst wäre das kein Spaß …“
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In der Tat war es frisch geworden, aber etwas Anderes war wohl nicht zu erwarten gewesen, wenn sie hinauf über die Schneegrenze wollten. Schnee und Eis bei Wärme, das passte nicht zusammen, zumindest nicht lange. Was nun womöglich erschreckte, war der plötzliche Übergang aus der warmen und feuchten Luft des Dschungels hinauf in die trockene Kälte der Berge. Zwar tat es gut, nicht mehr so dicke Luft atmen zu müssen, aber das konnte auch ungesund sein, solch ein schlagartiger Übergang.
"Wir haben Glück, dass die Sonne noch scheint und es im Westen keine wirklich höheren Berge mehr gibt. In Nordmar wäre es nun wohl schon dunkel, vielleicht sogar neblig. DAS ist dann kein Spaß. Aber so...", recht vergnügt drehte sie sich mit ausgestreckten Armen einmal um die eigene Achse, "...erfreue ich mich lieber daran!"
Kurz nahm die Blonde Thorwyn in den Arm, rieb ihr Gesicht an seinem und versuchte damit, wenigstens einen Teil ihrer Euphorie auf ihn zu übertragen.
"Was möchtest du zuerst machen, Holz sammeln und nach einem Unterschlupf suchen? Oder sind wir mutig und hoffen auf Jagdglück, ehe wir ein Lager aufschlagen? Einige Zeit dürften wir noch haben, so hoch, wie die Sonne derzeit steht."
Ihr Blick ging über seine Schulter hinweg zu einer Baumgruppe etwas entfernt. Ein Greifvogel kreiste dort, konnte das ein Zeichen dafür sein, dass es dort kleinere Tiere im Schnee gab? Die Stelle sah von Weitem jedenfalls brauchbar aus, Bäume zum Verstecken, nur leichte Anstiege und wenige Felsen. Das reduzierte die Zahl der möglichen Risiken auf ein Minimum und steigerte die Erfolgschancen ungeheuer.
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„Hm.“ Holz sammeln, eine Höhle suchen, jagen gehen. Was zuerst? Thorwyn ließ sich Zeit mit dieser Überlegung, um Leyla noch etwas länger an sich drücken zu können, und wog Vor- und Nachteile gegeneinander ab. Holz konnte man schnell sammeln, in dieser Hinsicht war nicht mit besonderen Schwierigkeiten zu rechnen – mal abgesehen davon, dass das Brennmaterial nicht zu nass sein sollte. Einen vernünftigen Unterschlupf fand man da schon schwieriger, und Hasen liefen zu allem Überfluss auch noch weg. „Ich denke, wir sollten zuerst jagen. Schneehasen muss man im Schnee auch erst mal finden, und wenn es dunkel ist, geht das kaum noch. Dürfte jetzt also noch am leichtesten sein, hoffe ich.“
Noch ein Kuss auf die Wange, bevor er die Geliebte schließlich aus der Umarmung entließ. Leyla schien auch schon zu wissen, wo sie es versuchen wollte, denn beschwingt hüpfte sie in eine bestimmte Richtung davon, was dem Jäger ein warmes Lächeln entlockte. Noch einmal rückte er das Gepäck zurecht, dann folgte er ihr, die offenbar zu der Baumgruppe wollte, die sich in einiger Entfernung im Wind wiegte und den Hasen womöglich Nahrung und Unterschlupf bot.
Je näher sie kamen, desto vorsichtiger mussten sich die beiden Jäger jedoch bewegen, um die Tierwelt nicht versehentlich aufzuschrecken. Dass diese trotz der Kälte vorhanden war, zeigte sich schon bald an zahlreichen Spuren, die sich durch den Schnee zogen, auch wenn die Abdrücke nicht so tief waren wie die eines Menschen. Aber wo steckten die Hasen? Vielleicht schliefen sie auch tagsüber, um in der Nacht, wenn sie nicht so leicht gesehen wurden, auf Nahrungssuche zu gehen. In dem Fall sollten Thorwyn und Leyla wohl nach Verstecken Ausschau halten, die unter Baumwurzeln, unter Gebüschen oder unter der Erde liegen konnten. Irgendwann hielt der Jäger inne.
„Da“, flüsterte er und nickte in Richtung eines dunklen Lochs, das in einer mit kahlem Gestrüpp bewachsenen Bodenerhebung zu sehen war. „Da könnte einer drin sein.“ Er zögerte kurz. „Hm. Ich habe auch noch meine Schlingen, die ich auslegen könnte. So kommen wir vielleicht leichter ran, wenn wir abwarten.“
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Wie erlegte man am besten solch einen kleinen Schneehasen, wenn man auf sein sauberes, weißes Fell aus war? Es durfte schließlich weder durch eine Waffe, noch durch ein Geschoss beschädigt werden und größere Mengen Blut sollten auch nicht hinein laufen, dann wäre alle Geduld umsonst gewesen. Vor demselben Problem stand sie bereits damals und zu ihrem Bedauern konnte Leyla sich nicht mehr daran erinnern, wie sie es einst gelöst hatte. In Nordmar waren die Chancen allerdings auch etwas größer gewesen, sodass sie vermutlich weniger Befürchtungen um einen Fehlschlag gehabt haben musste.
"Probieren wir es damit.", meinte sie knapp und leise, um möglichst unbemerkt zu bleiben. Inwieweit der Schnee aber ihre Schritte dämpfen konnte, sodass sie unter der Erde nicht zu bemerken waren, das wusste Leyla selbst nicht. Ihr war einzig bekannt, dass es im Wald wenig brachte, vor solch einem Loch auf seinen Bewohner zu warten, zu empfindlich war das umliegende Erdreich, es leitete jede noch so kleine Erschütterung in die Tiefe weiter. Und ein Mensch verursachte ungeheuer starke Erschütterungen. Doch welche Alternativen als Warten blieben ihnen? Ein Gedanke kam ihr, doch sie verwarf ihn sogleich wieder und äußerte die Begründung sogar: "Ich habe einmal entgegen druidischer Prinzipien mit Magie nachgeholfen, das möchte ich nicht wiederholen. Auf der Jagd kommt keine Magie zum Einsatz, um einzig das Jagen zu erleichtern. Höchstens zur Verteidigung."
Die Ovates trat vorsichtig einige Schritte weg und ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Der Greifvogel war verschwunden, womöglich hatte er bereits Erfolg, vielleicht wurde er aber auch durch ihr Auftauchen vertrieben. Sie hatte nicht darauf geachtet. In diesem Hain schien es auch noch einige wenige weitere Mulden und potentielle Verstecke zu geben, hoffentlich waren sie unterirdisch nicht miteinander verbunden, so wie es bei Feldhasen oft der Fall war. Dann würde der hiesige Bewohner sie vermutlich heimlich auslachen und davon laufen.
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Thorwyn nickte stumm – sowohl zu dem eben gefassten Beschluss als auch zu Leylas Erklärung, wieso sie keine Magie anwenden wollte – und machte sich daran, eine seiner Fallen aufzustellen. Er benutzte sie nicht mehr so häufig wie früher, hatte er doch inzwischen seinen Bogen, mit dem er auch größere Tiere erlegen konnte. Aber für Fälle wie diesen waren die Schlingen nach wie vor nützlich, die er jetzt an verschiedenen Stellen verteilte. Wenn sich die Tiere tatsächlich die ganze Zeit versteckten – die Spuren wiesen ja darauf hin, dass sie da waren –, musste man es eben so versuchen, auch wenn es Zeit brauchte. Aber Geduld war ja ohnehin eine der Haupttugenden eines Jägers.
Einen Vorteil hatten die Fallen aber auch: Man musste nicht ständig persönlich anwesend sein und konnte sich stattdessen der Suche nach Feuerholz oder einer vorläufigen Behausung widmen. Die Jäger entfernten sich daher wieder, um ihre Beute nicht zu verschrecken und sich stattdessen den anderen Dingen zu widmen, die an diesem Tag noch erledigt werden mussten. Wieder einmal gingen Thorwyn dabei verschiedene Fragen durch den Kopf, die mit dem zu tun hatten, was Leyla erzählt hatte.
„Ihr habt gegen die Orks gekämpft, als ihr noch in Silden gelebt habt?“, fragte er und dachte an frühere Zeiten zurück. Ein wirkliches Ende hatte der Krieg gegen die Orks erst im vergangenen Winter gefunden, vorher war es ihnen nie gelungen, die Menschen endgültig zu besiegen, und so hatte es von verschiedenen Seiten immer wieder Angriffe gegeben, von denen auch Thorwyn teilweise das ein oder andere gehört hatte. „Aber … wer genau hat das gemacht? Auch die Druiden? Ich verstehe nicht ganz, wer da alles dazugehört … es sind ja keine Soldaten, die zum Königreich gehören, oder? Was machen sie, oder was macht ihr, früher in Silden oder jetzt in Schwarzwasser?“
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Ob sich das teils vereiste oder durch die Kälte einfach nur ausgedörrte Holz überhaupt zum Feuern eignete, würde sich später wohl zeigen müssen, vorerst sammelten die beiden Jäger jedoch, was sie finden konnten, Alternativen gab es schließlich keine. Zugleich warfen sie immer mal wieder einen Blick in Richtung Hain. Nicht dass ihnen am Ende ein oder mehrere Hasen in die Falle gingen und dann ein anderes wildes Tier kam und die leichte Beute wegschleppte. Bisher blieb aber alles ruhig, womöglich hatten die Bewohner dieses Plateaus bei derart strahlendem Sonnenschein auch besseres zu tun, als wehrlose Schneehasen zu klauen.
"Lass mich so weit am Anfang beginnen, wie ich kann.", entgegnete Leyla auf die Vielzahl von Fragen, die ihr Geliebter wieder einmal hatte. Sie hielt es für am sinnvollsten, als Antworten darauf einen kurzen Abriss der Geschichte Sildens zu bringen, auch wenn sie diese nicht zur Gänze kannte. "Als die Orks damals nach Myrtana kamen, eroberten sie auch Silden, das vorher Heimat von Jägern und Fischern war. Letzteres erscheint sicherlich seltsam, da das Dorf sich mitten im Land befindet, doch es liegt zugleich an einem großen See, der wiederum über einen Fluss mit dem Meer verbunden ist. Die etlichen Bäche, die den See von den Bergen Nordmars her speisen, sind wohl Rückzugsgebiet für einige Fische, genauso wie die nahen Wasserfälle. Eines Tages wurde der Widerstand gegen die Besatzer so groß, dass es gelang, sie zu töten oder zu vertreiben. Und man konnte die wieder eroberte Siedlung sogar halten und stabilisieren, es war einer der ersten freien Orte auf dem Festland. Bis dato zurückgezogen lebende Waldläufer und Druiden kamen, schließlich brauchten die Menschen Schutz, den ihnen der König nicht gewähren konnte oder wollte. Ich gehöre auch zu denen, die erst nach der Rückeroberung nach Silden kamen, was jedoch vorwiegend mit dem Tod meiner Mutter und der Flucht meines Vaters zusammenhängt. Allein hätte ich in meinem damaligen Alter nie im Wald überlebt."
Einige Momente lang schweiften ihre Gedanken vom eigentlichen Thema ab, sie dachte daran zurück, wie sie herzlich aufgenommen wurde, nette Menschen kennen lernte, die später Freunde werden sollten, Dinge lernen durfte, von denen sie nie zu träumen gewagt hatte. Der Wissensdurst hatte sich bis heute eigentlich nicht gelegt, lediglich die Umstände waren absolut andere.
"Das Feindbild Ork existierte also in den Köpfen, gleichsam war aber auch allen bewusst, wie der König sie im Stich gelassen hatte. Wären wir mehr gewesen, hätte sich womöglich eine dritte Front in diesem Krieg herausgebildet, so blieb es aber bei einer recht kleinen, schlagkräftigen Truppe, die immer dann eingriff, wenn sich eine Auseinandersetzung zwischen Königstruppen und Orks zugunsten der eigenen Interessen beeinflussen ließ. So wie bei einigen Kämpfen rund um Montera. Wir griffen damals besetzte Bauernhöfe der Orks an, unterstützten also indirekt den König, wollten aber im Grunde genommen nur unsere Wälder und damit die Versorgung sichern. Je mehr die Orks sich bewusst wurden, welche Gefahr rund um Silden lauerte, desto mehr ließen sie uns in Ruhe. Dasselbe galt gegenüber dem König, der gar nicht weit entfernt ein Lager hatte, das irgendwann von unseren Leuten vernichtet wurde. Die Druiden traten mit ihrer Magie aber immer nur am Rande in Erscheinung. Sie diente vorwiegend der Verteidigung, zum Angriff setzten wir zumeist auf konventionelle Waffen: Bögen, Speere, einfache Schwerter. Jeder, was er am besten konnte. Die Jägertradition aus Silden zeichnete sich dabei natürlich aus, unsere Bogenschützen genossen einen unheimlich guten, wenn nicht gefürchteten Ruf, ich habe sehr viel von ihnen gelernt."
Die Grundlagen hatte sie damals zwar von keinem Sildener gelernt, endgültig oder zumindest nahezu perfektioniert hatte sie ihr Wissen aber in der Tat nur durch die Bekanntschaft dieser teils legendären Schützen. Darauf war Leyla bis heute stolz.
"Die Zahl dieser Eingriffe wurde von Zeit zu Zeit aber immer häufiger. Das ist ein Grund, warum ich mich irgendwann nicht mehr daran beteiligte. Und wie es scheint, wurde ihnen diese Aggressivität auch zum Verhängnis. So zerstört, wie Silden ist, kann das nicht einzig an einer schweren Krankheitswelle liegen. Was danach geschah bis zum Eintreffen in Schwarzwasser, das weiß ich nicht. Vielleicht streiften sie in kleineren Gruppen durch die Wälder und setzten ihre Angriffe fort, vielleicht zogen sie sich auch komplett zurück. Da dieser Kerl vor der Kneipe im Sumpf von Waldbanditen sprach, glaube ich an Ersteres. Ich hoffe aber, dass sie aus den offensichtlich erfolgten Rückschlägen lernen und nicht auf dieselbe Weise fortfahren. So wie Ornlu es darstellte, scheinen viele Größen von damals gefallen sein, Waldläufer und auch Druiden. Es darf nicht so weit kommen, dass auch die letzten von uns ihr Leben lassen. Allein deswegen werde ich wohl eines Tages nach Schwarzwasser zurückkehren müssen. Denn ich bin schließlich nach wie vor jemand, der die alten Geheimnisse kennt und weitergeben kann."
Doch zuvor stand der Ovates eine andere schwere Prüfung bevor, die sie ganz allein bewältigen musste. Die Konfrontation mit Widar, sollte sie denn überhaupt zustande kommen, wenn nicht, dann aber in jedem Fall ein Kontakt zum letzten der alten Druiden, der laut Ornlu auf Khorinis lebte. Wie sie das anstellen wollte, wusste sie bisher noch nicht, immer wieder musste die Blonde aber an diese Herausforderung denken. Immer dann, wenn Thorwyn nicht in ihrer Nähe war, um sie von diesen Gedanken abzubringen.
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