-
Dass sich unter denjenigen, die gegen den Brand ankämpften, auch weibliche Personen befanden, war nicht allzu verwunderlich. Dennoch wirkte es schon sehr befremdlich, mit welcher Energie die Frau zu Werke gegangen war. Dass sie ihm seine Bitte nicht abschlagen konnte, die Spruchrollen aus seinem Arbeitszimmer im Tempel zu holen, erschien im Angesicht der Erschöpfung, die ihr deutlich ins Gesicht geschrieben stand, als kleines Wunder. Aber vermutlich brauchte es gerade diese Menschen, um Al Shedim vor einer noch größeren Katastrophe zu bewahren.
Während Solveg einen weiteren Brandherd unter einem Schwall Wüstensand begrub, hörte er bereits, wie sich eine schwer atmende Person näherte. Sie hatte sich offensichtlich sehr beeilt.
"Hervorragend!", quittierte er ihren Dienst und nahm ihr die Spruchrollen ab. Bis auf zwei, eine für Wasser und eine für Sand ließ er ihr. Sie sollte sie an sinnvoller Stelle einsetzen, um das Feuer weiter zu bekämpfen. Zudem bat er sie darum, anderen von den Spruchrollen zu berichten, er würde sie an jeden verteilen, der ihn um Hilfe bat. Vielleicht, ja vielleicht, konnten sie so weitere Erfolge gegen das Ausbreiten des Feuers erzielen. Und später, wenn das hier alles vorbei war, sollte sie zu ihm kommen, um eine richtige Belohnung entgegen zu nehmen. Den verheerenden Flammen den Rücken zu zukehren, um, laienhaft ausgedrückt, einen Stapel Papier herbeizuholen, war nicht selbstverständlich. Außerdem war sie ihm sehr sympathisch, ihr energisches Vorgehen, das selbstbewusste Auftreten und das durchaus reizvolle Aussehen. Schwärmen durfte auch im Angesicht dieser Katastrophe erlaubt sein, dachte der Schriftgelehrte und blickte sich nach weiteren Helfern um, denen er solch eine Schriftrolle in die Hand drücken konnte.
-
Der Rauch in der Luft war nicht zu überriechen, das Feuer selbst natürlich nicht zu übersehen. Die Hitze war nachts nun auch noch da.
Aniron verstand ein weiteres Mal nicht, was hier vor sich ging, der Kräutergarten war ein weiteres Mal vernichtet. Vor einem Jahr war es das Wasser. Kam nicht schon damals das Feuer und dann das Wasser? Beunruhigt dachte die Adeptin an die Geschehnisse vor einem Jahr. Aber da waren noch die Beben. So lange die Erde nicht bebte, konnten sie sich vielleicht in Sicherheit wiegen.
Sie hatte helfen wollen, doch eine junge Mutter wie sie hatte in der Nähe eines so großen Feuers nichts zu suchen.
Das einzige, was sie nun tun konnte, war Adrastos aufzusuchen. Der junge Druide hatte Nachricht erhalten und es zog ihn in die Wälder Myrtanas zurück, etwas, das Aniron selber nur zu gut verstehen konnte. Auch sie hatte es immer wieder zu den Wassermagiern zurükgezogen.
Die Kräuterzüchterin stand mit ihm im Windschatten des Tempels, Fyr überwachte den Schlaf der Zwillinge. Sie hatte bisher allen eine Art Prüfung abgenommen und auf Adrastos wartete nun etwas besonderes.
„Komm, setz dich in den Sand. Heute werden wir nicht stehen. Zumindest nicht auf dieser Ebene.“
Sie lächelte leicht und nahm Platz. Den Stab legte sie in den Sand vor sich.
Der Druide tat es ihr gleich.
Dann schloss sie die Augen und sprach mit ruhier Stimme.
„Konzentriere dich auf deine Magie und tauche mit mir in die andere Sphäre ein. Ertaste deinen Stab, greife ihn, nimm ihn und schwinge ihn. Doch deine Hände dürfen ihn hier nicht berühren. Sondern nur hier…“
Sie tippte auf ihren Kopf.
„Ich werde auf dich warten, wenn du bereit bist, werde ich es sein.“
Ein wunderbares Gefühl überkam Aniron, als sie in die Welt Adanos‘ eintauchte, sich in seine andere Welt erhob und den Fluss durch ihren Körper fühlte. Seit der Geburt der Kinder fühlte sie sich dem Gott näher, vielleicht, wenn die Zwillinge ein bisschen älter waren, konnte sie sich wieder ein paar magischen Studien widmen.
Aniron wartete. Sie stand von einem blauen Schimmer umgeben in dieser verschwommenen, dunklen Welt und erwartete den Falken. Äußerlich saß sie ruhig da, vor ihr schwebte nur der Stab, den sie schon so oft magisch ertastet hatte und der sich nicht verändert hatte und doch zugleich wieder einer ständigen Veränderung unterlag, von selbst in der Luft.
-
Der junge Druide war hin- und hergerissen. Zum einen brannten die Bäume des Waldes und Adrastos konnte nichts tun, ihnen zu helfen. Es waren gesunde Bäume gewesen, starke Bäume, die nun einfach ihr Leben ließen, in dem flackernden Inferno, dass den Wald verzehrte. Hätten Bäume eine Stimme gehabt, ihr Schmerzensschrei wäre über ganz Al Shedim gehören zu wesen, ein Crescendo der Agonie, dessen schauderhaftem, gepeinigten Klang sich niemand hätte entziehen können.
Zum anderen brannte der Druide selbst darauf, wieder in den Norden zu ziehen, nach Myrtana, das Waldvolk zu suchen und zu erfahren, was vor sich ging. Er hatte keine genauen Informationen bekommen, nur dass ein Umbruch anstand, dass irgendetwas passiert ist, dessen Folgen niemand vorhersehen kann.
Doch als zögen beide Dränge mit gleicher Kraft an seinen Händen blieb Adrastos, wo er stand und zwang sich zu innerer Ruhe. Er war aufgewühlt, verwirrt und dennoch gezwungen, die Wogen seines Geistes zu glätten und ruhig durchzuatmen, während er sich auf den Sandboden setzte. Er war angespannt, jederzeit dazu bereit aufzuspringen.
Er sollte sich ein Beispiel an Aniron nehmen, die sich ebenfalls ruhig setzte.
„Konzentriere dich auf deine Magie und tauche mit mir in die andere Sphäre ein. Ertaste deinen Stab, greife ihn, nimm ihn und schwinge ihn. Doch deine Hände dürfen ihn hier nicht berühren. Sondern nur hier…“ sagte sie und tippte sich an die Schläfe. Die Kraft seines Geistes war gefragt. Nicht die körperliche Agilität und Ausdauer, sondern die geistige. Er wusste nicht genau, was Aniron beabsichtigte, was sie von ihm wollte, doch er nahm sich vor, es herauszufinden.
Tatsächlich schaffte er es, nach einiger Zeit seinen Geist von anderen Sorgen zu lösen. Von allem Leid in Al Shedim und der dringenden Nötigkeit, nach Myrtana zurückzukehren. Es gab nur noch eins: Seine Aufgabe. Der Stab. Er füllte das gesamte Universum seines Verstandes aus. Durch einen Spalt in seinen Augenlidern sah er, wie Anirons Stab schwebte. Natürlich wäre es als Druide ein leichtes gewesen, den Stab schweben zu lassen, als das Holz, das er war. Doch er spürte, nein, wusste, dass es nicht das war, was Aniron verlangte. Nicht das Holz, sondern den Stab sollte er schweben lassen. Nicht das Holz, sondern, was es formte. Den Stab als die Gesamtheit, die er war.
Er spürte den Stab. Jede Faser des Holzes, den kalten Kern darin, die Maserungen, die ihn überzogen. Er sah sie nicht, er spürte sie auf einer Ebene, die sich vor seinem geistigen Auge abspielte. Wie sich ein Blinder durch Tasten ein Bild schaffte tat Adrastos es durch die Magie. Sanfte Winde, fast schon spielerische Böen und Wogen umschlangen den Stab, erfüllten ihn durch jede Pore, durchdrangen ihn und schienen durch ihn zu schwimmen wie ein Fisch durchs Wasser. Dies war ihr Element. Es war richtig. Es war richtig, dass auch der Stab eine Art Seele hatte, die sich auf dieser Ebene befand, die er ansprechen und bewegen konnte.
Der Druide drehte unterbewusst die Handflächen vor sich gen Himmel und hob sie, immer noch mit geschlossenen Augen, an. Die Seele des Stabes folgte ihm, löste sich langsam vom Erdboden, zitterte und ließ schließlich jede Bindung zur Erde fallen. Und sie bildeten eine Einheit, der Körper und der Geist. Der Körper des Stabes folgte seiner Seele und erhob sich ebenfalls.
-
Aniron saß immer noch mit geschlossenen Augen im Sand und Adrastos saß ihr ebenfalls weiterhin gegenüber.
Beider Stäbe schienen vor ihnen zu schweben.
Doch vor ihrem inneren Auge standen die beiden sich nun gegenüber. Aniron nickte. Adanos' Magie ließ sie nackt und doch zugleich verhüllt erscheinen, die blaue Aura umgab sie weiterhin.
Ihr Gegenüber war nun wieder der Falke. Doch diesmal war er weniger unruhig, vielmehr war da ein klares Bild, das sich mit einem menschlichen Körper immer wieder abwechselte. Beide hatten die Stäbe erhoben.
Es würde nicht lange dauern, aber Aniron würde diese Sache durchziehen.
Sie griff an.
In Halbkreisen schwang sie den Stab, bewegte sich auf den Falken zu und stieß den Stab nach vorn schließlich, um auf das zu zielen, was einen Kopf darstellen sollte.
Kein klackendes Geräusch drang an ihre Ohren, nur Zuschauer der nichtmagischen Ebene vernahmen diesen Klang.
Adrastos wirkte nicht überrascht, sondern fing ihren Stab ab. Aniron zog ihre Waffe zurück, um eine schnelle rechts-links-Schlagabfolge folgen zu lassen und schließlich den Stab erneut nach vorn zu stechen.
Sie ließ ihm keine Pause, sondern attackierte weiter, in dem sie begann, auf seine wunden Punkte zu zielen.
-
Es mochte makaber aussehen, wie sie sich gegenübersaßen, die Stäbe vor ihnen schwebend, die Augen geschlossen. Wie zwei Verrückte, bestellt und nicht abgeholt. So saßen sie da, während in ihrem Kopf ein Kampf tobte. Sein Körper auf der jenseitigen Welt seiner Gedanken schien auch eben jener zu sein, mit dem er auf der Astralebene in Silden erschienen ist. Ein junger Mann mit sorgsam gestutzten Bart, aufmerksamen Augen und einer Nase, die einem Schnabel gleich und doch nicht das Gefühl eines Zinkens hervorrief. Seine Haare fielen ihm lang auf die Schultern, erschienen mal glänzend und samt, mal, als wären es Federn. Und der Falke, der in ihm schlummerte brach so manches mal hervor, schlug mit den Schwingen und zog sich zurück.
Er hielt den Stab in seiner Gedankenwelt fest mit beiden Händen. Mochten die Stäbe in der Wirklichkeit auch wild tanzen und die Luft durchschneiden oder schwebten sie noch immer still. Vermutlich schlugen sie aneinander, folgten ihren Seelen und den Bewegungen, die sie in dieser körperlosen Welt taten.
Stab knallte auf Stab, doch geräuschlos, als der Druide parierte. Aniron schien wie wild, ließ ihm keine Zeit zu verschnaufen, ließ den Stab förmlich tanzen. Doch Adrastos war gewappnet, durch einen klaren Geist. Er setzte zurück, ließ einen ihrer Angriffe ins Leere gehen und setzte seinerseits zu einer Schlagkombination an, zielte auf ihre Knie. Die rechte Spitze seines Stabes hielt direkt darauf zu. Wie zu erwarten gewesen war parierte die Adeptin den Schlag, doch der Druide vergeudete keine Zeit und ließ nun das linke Ende auf ihre Schulter fliegen. Aniron wich aus und griff sofort wieder an, vollführte einige schnelle auf seinen Brustkorb, von denen einige ihr Ziel fanden, ehe sie zu einem Schlag in seine Seite ansetzte. Adrastos hielt seinen Stab quer, ließ Anirons zum Stillstand kommen und drückte ihn zur Seite, damit er seinerseits zum Schlag ansetzen konnte.
Eine Weile ging es so, wobei Adrastos deutlich mehr Schläge einstecken musste als Aniron. Doch nach einiger Zeit spürte der Druide die Erschöpfung, seine Mängel in der Konzentration, die hier doppelt schwer wogen, wurde doch der gesamte Stab nur durch seinen Geist gelenkt.
Er senkte den Stab und ließ ihn sanft auf den Boden sinken. Er wusste, wo seine Grenzen waren. Dies war ein anstrengender Kampf gewesen, doch er wusste auch, dass er sein bestes gegeben hatte und seine Kräfte genutzt hatte. Er gab sich gegenüber Aniron geschlagen.
-
Aniron ließ den Stab langsam sinken. Sie nickte wieder, denn sie hatte Adrastos' Entscheidung wahr genommen.
Es kehrte Ruhe in ihren Geist ein und langsam löste sie sich aus der Sphäre Adanos'.
Nach wenigen Atemzügen öffente sie die Augen, ihr Stab lag vor ihr im Sand, als hätte er sich nicht bewegt. Langsam griff sie nach ihm und fühlte das kühle Holz. Jetzt erst bemerkte sie wieder den Geruch und die Wärme in der Nacht.
Langsam erhob sie sich.
"Das war sehr gut. Ein entscheidender Schritt in die Richtung eines echten Stabkämpfers", sagte sie. Dann lächelte sie.
"Das sind alle Grundlagen, die ich dir beibringen kann vorerst. Vieles, was ich dir gezeigt habe, kannst du weiterüben, solltest du weiter üben, dann wirst du sehen, dass du es eines Tages meistern wirst."
Um ihn einen letzten Ansporn zu geben, ließ sie den Stab kurz um sich herum wirbeln.
Nun stellte sie ihre Waffe neben sich in den Sand.
"Es war mir eine ehrliche Freude mit dir, Adrastos aus den Wäldern Myrtanas, und ich hoffe, dass Adanos dein Weg begleiten möge. Vergiss nicht, dass du eine Waffe in der Hand hälst, die zu töten vermag. Aber ich bin mir sicher, dass du das nicht vergessen wirst."
Sie neigte kurz ihren Kopf.
"Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder, dann zeige ich dir gerne noch mehr. Wenn du Ornlu siehst, richte ihm aus, dass in Al Shedim Aniron darauf wartet, dass er einen Blick auf ihre Kinder wirft."
Sie blinzelte ihm lächelnd zu, wurde dann aber wieder ernst. Sie dachte daran, wie sie ihn damals im Sand gefunden hatte. Nun wirkte er aufgeräumter, schien mit sich selber ein bisschen mehr im Reinen. Und wenn sie auch nur das erreichte hatte mit den Stabkampf, dann war das eine Menge wert.
"Aber nu, geh, geh zurück in die Wälder, ich bin mit sicher, sie brauchen dich und du brauchst sie. Adanos sei mit dir. Gute Nacht."
-
Der Holzfäller hatte die ganze Nacht erfolgreich gegen die Flammen gekämpft.
An der Stelle an der er die Schneise geschlagen hatte, war die Feuersbrunst in einem sicheren Abstand zu den ersten Häusern von Al Shedim zum stehen gekommen. Dies und die Tatsache dass sich viele Helfer im Kampf gegen die Flammen eingefunden hatten liessen den Holzfäller wieder neue Hoffnung schöpfen.
Gerade hatte der eingerußte Mann noch einen Baum aus der Feuerwindrichtung umgelegt, als ihm plötzlich schwarz vor Augen wurde. Wombel schwankte ein wenig und es war ihm klar, dass er nun pausieren muste. Er wusste nicht genau wie lange er mit seiner Axt Bäume umgelegt hatte und die Flammen anschliessend mit einer Schaufel und Sand erstickt hatte. Da aber bereits die ersten Sonnenstrahlen über die fernen Dünen brachen, war er sich bewusst, dass er wieder die ganze Nacht gegen das Feuer gekämpft hatte.
Er schaute sich um und sah, dass seine Arbeit nicht vergebens war. Es brannte zwar immer noch an vielen Stellen, aber die Häuser die er vor der Feuersbrunst verteidigen wollte waren nun erst einmal sicher.
Der Holzfäller ging erschöpft zum Kanal und kühlte und wusch sich. Rebekka hatte ihm einen großen Krug Wasser hingestellt und nachdem er sich wieder in seine Lederkluft gekleidet hatte, trank er in gierigen, großen Schlucken. Er betrachtete seine geschundenen Hände und fuhr sich mit einer Hand vorsichtig über den Kopf. Am stoppeligen Gefühl an seinen Fingerspitzen erkannte er, dass er einiges von seiner Haarpracht eingebüßt hatte.
Er blickte hinüber zu den Menschen, die noch immer gegen die Flammen kämpften. So wie es aussah waren auch die Magier und Novizen vom Tempel hergeeilt und bereiteten irgend etwas vor. Vieleicht wurde nun mit Magiekräften gegen das Feuer vorgegangen. Der geschundene Holzfäller entschloss sich zu den Magiern zu eilen, vieleicht konnte er dort noch irgend etwas helfen, obgleich er mit seinen Kräften nahezu am Ende schien.
"Wenigstens etwas Wasser werde ich den Leuten bringen." murmelte Wombel, wärend er einen Schlauch mit Wasser füllte.
Anschliessend schulterte er seine Axt, sowie das kostbare Nass und eilte in Richtung Tempel. In der Ferne sah er eine kleine Gestalt in hellblauer Stoffrobe. Wombel lief auf die Gestalt zu, vieleicht konnte er an dieser Stelle am ehesten helfen.
Geändert von Wombel (07.12.2010 um 09:06 Uhr)
-
Es war nicht wirklich Gwydions Ding in den Eingeweiden ehemals lebender Wesen herum zu hantieren. Eher mit Widerwillen hatte er sich, nachdem er die Naht seines vorherigen Projektes beendet hatte, der aufgeschlitzten Bauchdecke der Molerat gewidmet und hinein geblickt in das, was vor erst kurzer Zeit noch, mit Blut versorgt, im Takt des Herzens pulsiert hatte. Die Molerat-Anatomie war nun ein wenig anders, als die menschliche Anatomie, verständlicherweise, immerhin gingen Menschen auf zwei Beinen, während Molerats ihre dicken Bäuche beim Laufen mit ihren vier Stummelbeinchen über den Boden schleiften.
Mit etwas Mühe jedoch konnte Gwydion diverse Teile des Innenlebens entsprechenden menschlichen Organen zuordnen. Zwei Lungenflügel, eindeutig, ein Herz, das so gar nicht aussah, wie man sich oft ein Herz vorstellte oder wie es auf irgendwelche Liebesbriefe gekritzelt wurde. Ob Molerats Herzflattern bekamen und verliebt sein konnten? Kurz sinierte der junge Druide über diese Frage, schüttelte dann den Kopf, um sich wieder dem wesentlichen zuwenden zu können.
Er betrachtete den Verdauungstrakt des Tieres, wobei er bemüht war durch den Mund zu atmen, der Geruch, der ihm aus der offenen Bauchhöhle entgegen schlug, war nicht gerade der angenehmste. Im Vergleich mit dem Anatomiebuch konnte er den Magen ausfindig machen, Leber, Dickdarm, Dünndarm... und schließlich stutzte er. Irgendetwas war dort in dem Moleratbauch, das auf der Zeichnung in dem Anatomiebuch nicht vorkam. Hatten Molerats ein Organ mehr im Bauch als Menschen? Vielleicht, um ihre Nahrung besser verdauen zu können? So wie Kühe angeblich mehrere Mägen hätten.
„Meister...“, sprach er schließlich Tinquilius an, „...dort ist etwas...“
Gwydion betrachtete genauer was auch immer sich in dem Bauch befand, bis ihm eine Idee kam.
„Die menschliche Abbildung im Anatomiebuch ist ein Mann. Kann es sein, dass die Molerat weiblich ist?“
-
Selina hatte den Streit mit diesem Idiot zwar begonnen, aber schon schnell sah sie ein, dass es Wichtigeres zu tun gab als sich anzuschreien. Deshalb wandte sie sich von dem Brandstifter, der sowieso keine annehmbare Entschuldigung haben konnte, ab und versuchte sich einen Überblick zu schaffen.
Magier versuchten so gut sie konnten mit Erde und Wasser das Feuer unter Kontrolle zu bringen und zu halten, doch ihre Kräften konnten auch nicht ewig andauern und ihre Zahl war nicht groß genug um den ganzen Wald zu löschen. Bis jetzt hatte das Feuer zwar noch nicht auf Zelte übergegriffen, aber die Gefahr noch lange nicht gebannt.
Aber was kann ich nur machen? überlegte die Schwarzhaarige. Wasser vom Kanal herbeizuschleppen würde zu lange dauern und Magie hatte sie keine, die sie hätte anwenden können. Plötzlich fiel ihr Blick auf einen dunkelblonden Mann mit Papier in der Hand. Was er damit bezweckte, war ihr schleierhaft, schließlich würde ein solcher Wisch kaum etwas gegen das Feuer ausrichten können. Trotzdem musste seine Anwesenheit irgendeine Bedeutung haben und die blaue Robe eines Magiers trug er außerdem, also beschloss sie ihn einfach anzusprechen.
"Entschuldige. Weißt du wie ich am besten helfen könnte die Flammen zu bekämpfen? Ich beherrsche leider nicht die Gabe der Magie."
Die Frage nach dem Papier ersparte sie ihm vorerst. Es war hier ganz bestimmt nicht die Zeit einen netten Plausch zu führen und wenn das Papier helfen würde, konnte er es ihr ja sagen, sie war aber für jede Art Arbeit bereit und wenn sie nur zwischen dem Tempel und dem Magier hin und her rennen musste um ihm Dinge zu bringen, die ihm helfen könnten, bei Kräften zu bleiben. Ihr war alles recht, solange sie nur etwas Produktives tun konnte.
-
Auch wenn es schwer war, sich halbwegs einen Überblick über das Ausmaß der Flammen und die Zahl und Aktivitäten der Helfer zu verschaffen, so beschlich Solveg doch das Gefühl, dass sie voran kamen und sich die Sache zum Positiven wendete. Gewiss war der Wald an sich ein für allemal verloren, aber ein Großteil von Al Shedim schien unbeschadet zu bleiben. Dank der Hilfe sehr Vieler, die inzwischen von einigen klugen Köpfen koordiniert wurden. Auch seine Idee mit den Spruchrollen zählte er dazu, die sich allmählich auch herumsprach, sodass er nur noch eine handvoll Spruchrollen bei sich trug. Eine davon würde er offenbar sogleich wieder weggeben, denn in diesem Moment war eine junge Frau zu ihm getreten, die ihre Hilfe anbot.
"Nimm diese Spruchrolle hier!", entgegnete der Schriftgelehrte ihrer leicht schüchternen Frage und reichte ihr eine Rolle mit einem Wasserzauber. "Damit kannst du einen Schwall Wasser erzeugen und so das Feuer bekämpfen. Nutze sie sinnvoll, denn du kannst sie nur ein einziges Mal einsetzen. Am besten an einer Stelle, die ohne Magie nur schwer zugänglich ist."
Zugegeben würde jeder ausgewachsene Großbrand nur darüber lachen, wenn man ihm ein wenig Wasser entgegen spritzte. Doch in ihrem Fall zählte allein die Masse und die Tatsache, geholfen zu haben. Wohl möglich retteten diese kleinen Zauber irgendein Leben oder bewahrten etwas leicht Entzündliches davor, vom Feuer erfasst zu werden. Für ihn bewirkten diese Augenblicke, in denen er selbst keine Magie wirkte, sondern nur nach weiteren Helfern Ausschau hielt, aber auch eine gewisse Erholung. Eventuell brauchte er seine magischen Kräfte nachher noch für etwas Größeres. Besser, als sich bis zum Letzten zu verausgaben, war das allemal.
-
Soeben hatte sie eine Schriftrolle in die Hand gedrückt bekommen.
Eine Schriftrolle? Mit der man Magie wirken können? Verblüfft starrte Selina auf das Stück Papier in ihrer Hand. Sie war erstaunt darüber wie schnell sie Magie bekommen hatte. Natürlich nicht so wie es die Magier konnten, sondern nur ein einziges Mal, aber dennoch Magie. Doch die Schwarzhaarige musste sich aus ihrer Überraschung lösen und sich wieder dem Feuer zuwenden. Sie hatte keinerlei Ahnung wie man eine solche Spruchrolle benutze und auch über das Ziel ihres Wasserschwalls musste sie sich noch klar werden, aber das würde sie schon hinbekommen. Der Magier hätte es ihr ja schließlich gesagt, wenn es irgendetwas Wichtiges zu beachten gegeben hätte, aber er schien sich überhaupt nicht mehr um sie zu kümmern. War sowenig Vertrauen notwendig eine Spruchrolle ausgehändigt zu bekommen oder hatte der fremde Magier es einfach zu ihr?
Schon wieder ein Haufen unnötiger Fragen, die die Situation nicht besser machen konnten.
Also widmete sie sich der Frage, wo sie das Wasser hinwirken sollte, wie sie das dann ausführen konnte, würde sie sich überlegen wenn es soweit war.
Aber was sie sah was das große Feuer, das im Wald immer noch lichterloh brannte, aber dagegen war ihr kleines Geschoss wohl ziemlich lächerlich. Der Schriftgelehrte hatte gemeint, sie sollte sie an eine Stelle wirken, an die man ohne Magie nur schwer gelangen konnte. Noch ehe sie nach einer solchen Stelle suchte, durchbrachen panische Rufe den Lärm der ohnehin herrschte.
"Feuer! Feuer! Das Zelt hat Feuer gefangen!"
Niemand schien die Schreie zu beachten oder vielleicht überhörten sie auch einfach nur den letzten Teil und so sprintete Selina los um eben jenes Zelt in Augenschein zu nehmen. Wenn es noch nicht all zu lange brannte, war das Feuer vielleicht noch klein genug um von ihr gelöscht zu werden.
Tatsächlich hatte es sich nur um einen Funken gehandelt, der die Plane in Brand gesteckt hatte und der sich jetzt begann auszubreiten. Zielort gefunden! Aber wie aktivierte man jetzt die Spruchrolle? Das Schriftstück zu einem Papierflieger zu falten und zu werfen würde wohl kaum zielführend sein.
Für Selina war Magie aber eine Sache des Geistes und so glaubte sie nicht, dass es viele Bewegungen brauchte um das Wasser zu erschaffen. Stattdessen hielt sie die Spruchrolle locker in der Hand und hatte Augen und Konzentration vollkommen darauf gerichtet. Gedanklich stellte sie sich vor, wie Wasser aus dem Papier wie aus einer Quelle entsprang. So lange und so intensiv starrte sie auf das Schriftstück, bis sich schließlich sogar tatsächlich was tat. Das Papier färbte sich plötzlich, so als hätte jemand Wasser darüber geschüttet, fühlte sich nass an und begann sich zu wellen. Doch die Menge des Wassers überstieg die Saugkraft der Papierfasern und die überschüssige Flüssigkeit begann sich in einer Kugel über ihrer Hand zu sammeln. Fasziniert betrachtete sie, was sie mit Hilfe der Spruchrolle erschaffen hatte und hätte fast vergessen, dass es galt ein Feuer zu löschen, das sich in der Zwischenzeit ungehindert ausbreiten konnte.
Ihre Blicke wanderten wieder zu dem Zelt und Selina musste feststellen, dass sich das Feuer bereits ein kleines Loch hinein gebrannt hatte.
Die Augen nun wieder auf das Wasser gerichtet so als könnte es ihr jeden Moment entgleiten, bewegte sie ihre Hand vorsichtig nach vorne, woraufhin sich auch der Ball aus Wasser in Richtung des brennenden Zeltes bewegte. Immer höher ließ sie ihn steigen, bis er schließlich genau über dem Feuer schwebte und von dem Qualm geräuchert wurde. Nur mit ihrer Konzentration gelang es ihr die Wasserkugel platt zu drücken, um ihre Fläche zu vergrößern, ehe sie ihre Aufmerksamkeit von dem Zauber löste und das kühle Nass auf die Zeltplane platschte und das Feuer unter sich erstickte.
Einen Moment starrte sie ungläubig auf die Stelle ehe ihr klar wurde, dass sie es geschafft hatte und plötzlich drang die ganze Hektik ihrer Umgebung wieder zu ihr durch. Selina hatte gar nicht bemerkt wie ruhig sie geworden war, wo doch immer noch der ganze Wald brannte und sie nur ein vergleichsweise winziges Flämmchen erstickt hatte.
Trotzdem freute sie sich über ihren magischen Erfolg und kam gar nicht auf die Idee, dass die Spruchrolle die Anwendung idiotensicher machte.
Den Ernst der Lage übersah sie allerdings nicht und überlegte erneut, was sie tun konnte. War es angebracht noch einmal zu dem Magier zu gehen?
Schließlich entschied sie sich dafür.
"Ich habe deine Spruchrolle erfolgreich verbraucht, ich bin aber nicht gekommen um weiterhin deinen persönlichen Bestand zu reduzieren, sondern um dich zu fragen, ob es sonst etwas gibt, was ich tun kann um zu helfen. Längerfristig meine ich."
-
Wombel erreichte den dunkelblonden Magier in dem Moment, als er einer kleinen, hübschen, dunkelhaarigen Frau ein Pergament überreichte. Er vermutete, der in hellblau gekleidete Mann sei ein Adanosdiener, obgleich er nur wenig von der kurzen Unterhaltung mitbekommen hatte.
Zerschlagen und erschöpft stand er keuchend vor dem Mann und sprach ihn direkt an:
"Verzeiht wenn ich euch störe, aber ich komme von den Häusern drüben bei der Oase. Ich habe eine Schneise geschlagen, die Häuser dort sind zunächst vor den Flammen in Sicherheit. Kann ich hier noch etwas helfen? Ich habe gesehen, dass ihr der jungen Frau eben etwas gegeben habt. Wenn es etwas ist, was gegen die Flammen hilft, könnt ihr mir auch so ein Pergament geben? Ich möchte helfen ..."
Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er vermutlich furchterregend aussehen musste. Er hatte lange in der Flammenhölle gekämpft und er war sich nun schlagartig sicher, dass er vermutlich entsprechend abgerissen daherkommen würde.
Er schob daher schüchtern noch hinterher:
"Verzeiht mein Aussehen und meine Manieren. Mein Name ist Wombel, ich bin Holzfäller und Handwerker. In Al Shedim bin ich erst seit kurzem, aber ich will alles tun, damit dieser schönen Stadt kein Unglück geschieht."
Der Holzfäller blickte dem Dunkelblonden Mann in die Augen.
"Wenn es etwas gibt das ich tun kann, so sagt es mir bitte."
-
Zwei Spruchrollen hielt er noch in seinen Händen, eine von jeder Art. Gleichsam standen vor ihm zwei potentielle Helfer, von denen sich eine zumindest schon magisch bewiesen hatte. Der andere, als Wombel hatte er sich soeben vorgestellt, erweckte eher den Eindruck, all seine Kraft und Ausdauer in den Kampf gegen das Feuer gesteckt zu haben. Ob er da nun noch genügend Energie besaß, einen kleinen Zauber zu wirken? Im Grunde brauchte es dazu nicht mehr, als eine kurze Zeit der Ruhe und Konzentration.
"Hier hast du noch eine Spruchrolle, sie zaubert Sand herbei, womit du das Feuer ersticken kannst.", erklärte Solveg und reichte der jungen Frau eines der Pergamente. "Denn ich habe das Gefühl, dass du damit sehr gut umgehen kannst. Ansonsten wird es nicht schaden, wenn wir allmählich einen Überblick über das Ausmaß der noch wütenden Brände erhalten. Vielleicht wollt ihr beide", damit sprach er auch Wombel an, "zusammen losziehen und euch ein Bild davon machen? Hier ist noch eine Spruchrolle, um Wasser herbeizuzaubern. Nehmt sie mit, vielleicht braucht ihr sie bei dieser Aufgabe. Wir müssen wissen, wo Hilfe im Moment am dringendsten nötig ist und wo wir das Feuer einfach abbrennen lassen können. Es ist wichtig, dass keine bewohnten Gebiete mehr bedroht werden. Das Schicksal des Waldes dürfte längst besiegelt sein, den können wir nicht mehr retten. Seht nach den Zelten, nach der Oase und wie es allgemein um die Stadt steht. Holt die Helfer und vor allem uns Magier dorthin, wo wir am meisten gebraucht werden!"
In seiner Stimme lag Ruhe und Eindringlichkeit zugleich. Er wollte keine Aufregung und Panik verbreiten, ihm lag aber dennoch einiges daran, die Wichtigkeit dieser Aufgabe zu betonen. Es brachte Al Shedim wenig, wenn sie den Wald zum Teil retten konnten und sich dafür die Zeltstadt oder gar der Tempel in ein einziges Flammenmeer verwandelte.
-
Diesmal händigte der Magier ihr eine Erdschriftrolle aus und überreichte einem anderen, der auch helfen wollte, das Flammenmeer einzudämmen die Wasserspruchrolle. Der Helfer hatte sich als Wombel vorgestellt, aber wie der Magier hieß wusste sie immer noch nicht. Es war auch nebensächlich, sie hatte sich auch nicht vorgestellt und das nicht aus Unhöflichkeit oder weil sie vergessen hatte, sondern weil sie sich so schnell wie möglich wieder dem Feuer widmen wollte. Wenn die ganze Katastrophe vorbei war und sie ihren begonnen Streit vielleicht noch zu Ende geführt hatte, könnte sie immer noch mit dem Schriftgelehrten plaudern und das wollte sie unbedingt. Mit ihrem unstillbaren Interesse an Magie fand sie diese Schriftrollen durchaus praktisch, aber sie konnte natürlich nicht ständig gratis welche entgegennehmen.
Wie dem auch sei, jetzt hatte sie ein Exemplar des Magieträgers und so machte sie sich mit Wombel auf den Weg den Auftrag auszuführen.
Herauszufinden wie groß der Brand noch war, war die Aufgabe. Gewissenhaft sahen sie zuerst in Al Shedim selbst nach. Hier war die Chance am geringsten Feuer zu finden und am größten, dass sie es alleine löschen konnten. Doch schnell stellten sie fest, dass weder der Tempel noch die Zelte betroffen waren. Natürlich überprüften sie nicht jeden kleinen Winkel, aber wenn es wo brennen würde, hätte es wohl genug Leute mitbekommen damit es schon aus einiger Entfernung auffiel.
Da nirgendwo besondere Panik oder übertriebener Eifer herrschte, Wasser heranzuschaffen, beschlossen sie jetzt den Wald näher in Augenschein zu nehmen. Dort lag natürlich auch das Hauptaugenmerk aller anderer, aber vielleicht ließ sich ja bereit ein Erfolg verzeichnen. Das wäre nicht nur wünschenswert sondern auch eigentlich notwendig, schließlich schwanden die Kräfte aller und wenn sie bis jetzt nicht mehr erreicht hatten, als das Feuer am ausbreiten zu hindern, würde es bald schlecht aussehen.
Doch viel Arbeit war fleißig geleistet worden. Jemand -wie sich herausstellte Wombel- hatte eine Schneise in die Bäume geschlagen und den Brand dadurch geschwächt. Zusätzlich hatten noch die Elemente Adanos einige Flammen verschluckt und erlaubten ihnen jetzt in bereits gelöschte Teile des Waldes einzudringen.
Wenn Jaryvil jetzt hier wäre dachte die Schwarzhaarige. Er wäre sicher wieder um mich besorgt. Vielleicht sollte ich aufhören mich sooft in Gefahr zu begeben.
Aber das Risiko hatte sich gelohnt! Sie hatten einen kleineren Brandherd gefunden, der von dem übrigen Feuer abgeschnitten war. Der perfekte Ort ihre tragbare Magie einzusetzen.
-
Wombel eilte der zierlichen, dunkelhaarigen Person hinterher.
Das Tosen des Windes, welcher durch den ungeheuren Sog der Flammen verursacht wurde, der Lärm brechenden Holzes und viele weitere, durch den Brand bedingte Lärmquellen ließen eine Unterhaltung nicht zu, als die beiden immer weiter in den brennenden Wald hasteten. Überall loderten größere Brandherde, hier war ein durchkommen nicht möglich, aber die junge Frau bewegte sich erstaunlich gewandt durch die Waldgebiete die bereits erloschen, bzw. gelöscht waren. Nachdem sie so eine Weile durch den Wald gehastet waren, sahen sie beide eine kleine Lichtung, auf der ein augenscheinlich strategischer Flammenherd loderte. Wenn es gelingen würde diese Flammen zu löschen, wär dies auf jeden Fall ein weiterer, großer Erfolg im Kampf gegen die Flammen. Die beiden sahen sich einen kurzen Moment an, und Wombel nickte der schwarzhaarigen Frau zustimmend zu.
Es musste für einen Außenstehenden ein seltsames Bild gewesen sein. Im lodernden Inferno des brennenden Waldes standen auf einer kleinen Lichtung eine Frau und ein Mann, welche unterschiedlicher nicht sein konnten. Die mit saubererer Kleidung und hübsch anzusehende, kleine, zierliche Gestalt der Frau, welche mit entschlossenem Blick und mit stahlblauen, leuchtenden Augen auf eine Spruchrolle schaute. Daneben stand ein kaum noch am Kopf behaarter, angekokelter, von den Flammen zerbissener und zerschundener Hüne, ebenso mit einer Spruchrolle in der Hand, allerdings war der Blick des Mannes nicht entschlossen, sondern eher fragend und hilflos.
Da eine Unterhaltung in diesem Inferno nicht möglich war, entschloss sich der Holzfäller zunächst zuzuschauen, wie seine Begleiterin mit dem seltsamen Pergament umgehen würde. Allerdings schien Eile geboten zu sein, denn wenn der Wind sich ungünstig drehen würde, wäre es durchaus möglich dass ihnen durch einen erneut entfachten Brand im Rücken der Beiden der Rückweg abgeschnitten wurde.
Sein Blick wanderte langsam und in Gedanken einmal um die Lichtung und er spürte plötzlich in seinem Rücken, dass es vom Brandherd her erheblich kühler wurde. Er drehte sich nach der Frau um und staunte nicht schlecht. Mit einem wundervollen, triumphalen Lächeln grinste sie den verdutzt dreinblickenden Holzfäller an. Wo vorher noch wilde Flammen loderten lag nun eine dicke Schicht aus feinem Wüstensand. Die Spruchrolle war nahezu perfekt auf den großen Brandherd angewendet worden, die meiste Glut war ein für alle Mal erstickt.
Nun galt es noch die weiteren Ausläufer des Brandherdes zu löschen, dann konnten sie sich wieder auf den Rückweg machen.
Erneut blickte der Mann auf das Pergament in seiner Hand und seine erste Eingebung war, die Spruchrolle der Frau zu geben, damit sie den Zauber wirken sollte. Immerhin schien es, als kenne sie sich damit bestens aus.
Als die Schwarzhaarige ihm jedoch mit einem aufmunternden Blick und zustimmenden Kopfnicken anschaute, entschloss er sich dazu es selbst zu versuchen.
Er drehte sich zu der Stelle, an der die Flammen noch am meisten loderten, die Spruchrolle in der rechten Hand.
Zunächst vermutete er, dass er einen Text oder ähnliches ablesen müsste und so blickte er direkt auf die Spruchrolle. Es war jedoch keine Schrift zu erkennen, lediglich schien das Pergament eine Art Bild zu beinhalten. Wombel meinte auch zu erkennen, dass sich das Bild bewegte, aber das konnte auch an der flimmernden Luft liegen.
Wombel atmete einmal tief durch und konzentrierte sich auf eine lichterloh brennende Palmenkrone, als er spürte wie Wasser aus seiner rechten Hand tropfte. Unbeirrt schaute er konzentriert auf die Flammen, als er aus dem Augenwinkel sah, wie sich eine Art kleine, langsam rotierende Wasserwelle aus seiner Hand erhob und sich langsam auf die brennenden Palmen zuschob. Den Holzfäller durchfuhr ein angenehmes Gefühl, es war eine Mischung aus Stolz und Freude. Er konzentrierte sich weiter und als die Wassermasse in einer gewissen Größe nicht mehr weiter anschwoll, bewegte der Holzfäller seine Hand nach vorne und nach links, die Welle folgte sanft und wabernd seiner Bewegung.
Als die Welle auf einem günstigen Winkel zu den Flammen stand, schob Wombel seinen rechten Arm ruckartig nach vorne. Die Welle klatschte mit einem vernehmlichen Tosen auf gleich drei Palmenspitzen ein. Die Flammen erloschen sofort. Zu Wombels Verwunderung war die Schriftrolle in seiner Hand einfach verschwunden. Überglücklich über seinen Erfolg betrachtete er nachdenklich seine rechte Hand, er hatte es tatsächlich geschafft.
Ein zupfen an seinem Ärmel holte ihn aus seinen Gedanken.
Die Schwarzhaarige lächelte ihn entwaffnend an. Beide waren sie erfolgreich gewesen, beide Spruchrollen hatten ihre Wirkung voll entfaltet. Er lächelte zurück. Mit einem weiteren Kopfnicken bedeutete die zierliche Person an, dass sie sich nun auf den Rückweg machen sollten. Er nickte zustimmend, und gemeinsam gingen die beiden wieder in Richtung Tempel zurück. Vieleicht würde es einen weiteren Einsatz geben dachte Wombel.
Aber als allererstes wollte er das nachholen, was er mit der jungen Frau bisher noch nicht gemacht hatte, obwohl sie beide sich aufeinander vertrauend in eine große Gefahr begeben hatten. Er würde sie nach ihrem Namen fragen und sie zu einem späteren Zeitpunkt bei Rebekka zu einem Glas Wein einladen.
-
Das war wirklich ein geeigneter Brandherd gewesen. Nicht zu groß und dennoch notwendig ihn zu löschen. Schließlich konnten Funken auch von einer kleinen Feuerstelle auf andere Bereiche überspringen und gerade in der Wüste waren die meisten Dinge leicht entflammbar.
Also hatte sie erneut auf die Macht der Spruchrolle vertraut. Diesmal erschien es ihr allerdings unnötig Sand und Erde herbeizurufen, schließlich lag mehr als genug am Boden herum. Ob man sich so genau aussuchen konnte, wie man die Rolle einsetzte wusste Selina nicht, aber sie würde es einfach ausprobieren, beim Wasser hatte ja auch alles gut funktioniert. Wie beim ersten Mal richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die Spruchrolle doch diesmal stellte sie nicht vor, wie der Sand entstand. Nein, sie wollte die Magie in den Boden leiten auf den Sand der überall um sie herum lag, aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung wie man Magie lenken konnte. Die Wasserkugel zu steuern hatte gut funktioniert, aber die hatte man wenigstens gesehen. Die reine Magie die, wie sie hoffte, von dem Schriftstück ausging konnte sie jedoch mit ihren Sinnen nicht wahrnehmen.
Es erschien ihr nicht richtig, die Magie durch die Luft in den Boden zu leiten und so entschied sie sich ihren Körper als Medium zu verwenden. Auch wenn die Schwarzhaarige den magischen Strom nicht fühlen konnte, so kam er ihr doch in ihrem Körper weniger verloren und besser kontrolliert vor als wenn sie ihn durch die Luft in den Boden entsenden musste. Also stellte sie sich vor, wie die Kraft der Spruchrolle ihren Arm entlang, dann ihren Körper hinunter wanderte und schließlich über ihre Füße in den Sand gelangte. Wie ein Beben das sich immer weiter fortsetzte breitete sie sich jetzt auf der Oberfläche aus und jetzt war es Zeit die Sandkörner zu steuern, auf das Feuer zu lenken. Jetzt verließ das Geschehen ihre Vorstellung und würde Beweisen, ob auch wirklich das geschehen war, was sich in ihrem Geis abgespielt hatte. Sie stampfte einmal auf um die Magie der Spruchrolle im Boden zu erwecken, streckte dann ihre Hand entschlossen nach vorne und... Der Sand gehorchte! Als hätte ihr Stampfer ein Beben ausgelöst erhob sich der Sand wenige Zentimeter in die Luft und flog dann wie durch einen plötzlichen Windstoß getroffen auf das Feuer zu.
Und das Feuer, seinem Nährstoff beraubt, erlosch sofort!
Euphorie und Freude hatte ihren Körper ergriffen, doch gleichzeitig spürte sie plötzliche Erschöpfung. Todmüde, als hätte sie den ganzen Tag geschuftet fühlte sie sich. Nur eine Lösung fiel ihr für dieses Phänomen ein: Die Magie kam nicht ausschließlich von der Spruchrolle, sondern genauso von ihr! Das Wasser war weniger gewesen, während die Magie des Sandzaubers ihren ganzen Körper passiert hatte und anschließend viel größere Mengen bewegt hatte. Wie dem auch sei, die Müdigkeit war ihr Problem, Wombel zeigte sie nur ihre Freude und sie war froh anschließend wieder den Wald verlassen zu können. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass ein einzelner Zauber sie so fertig machen konnte.
-
Es ist einem doch nichts vergönnt brummte der junge Mann leicht genervt als er mit einem Wassereimer bewaffnet um den magischen Wald rannte und jegliche Anstalten des Feuers, sich zu verbreiten, unterband. Wann hatte er das letzte Mal einfach entspannt - mit einem Stängelchen voll Tabak in der Hand versteht sich. Richtig! Schon ewig nicht mehr. Immer war irgend etwas dazwischen kommen und machte es ihm die ganze Zeit nicht möglich. Entweder er hatte grundsätzlich keine Zeit, ein fieser Fettsack klaute seinen Bogen und nun? Ja, die alltägliche Situation - welche jegliche Aussicht auf ein paar Ruhige Stunden vernichtete - kam auf: Der magische Wald brannte lichterloh, angesteckt von ein paar Dumpfdödeln, deren Intelligent sich knapp über der varantischen Außentemperatur hielt - in der Nacht versteht sich. Mit einem Kopfschütteln wischte sich der junge Mann den Schweiß von der Stirn und schüttete im nächsten Moment einen Eimer Wasser auf eine noch schwach brennende Stelle eines Zeltes.
Im Laufschritt drehte sich Jary um, ging zuruück um sich einen Eimer Wasser zu - "AAAH!" Schlagartig blieb er stehen, schaute sich um und konnte eine Person aus einem bereits abgebrannten Teil des Waldes rennen sehen als plötzlich dahinter ein Katzenwesen knurrend und fauchend ebenfalls von dort kam. Sofort verfiel der Novize in Laufschritt, holte seinen Bogen und einen Pfeil vom Rücken - man konnte ja nie wissen. Die Katze scheint es wirklich auf ihn abgesehen zu haben! Vielleicht denkt sie, er habe seine Welt zerstört.. oder er hat die Katze ausversehen mit Wasser überlegte Jary und grinste dann Katzen mögen ja bekanntlich kein Wasser. Mit einem Kopfschütteln mahnte er sich dann, ernst zu bleiben und blieb stehen, legte den Pfeil auf die Sehne. Die Katze schritt nochimmer während der Mann - oder die Frau? - jetzt rückwärts ging und wohl ängstlich auf den Löwen blickte. Ich muss... sonst geschieht einem Menschen noch etwas und es sieht nicht so aus, als wolle es seiner Wege gehen.. Surrend machte sich der Pfeil davon. "Entschuldige..." wisperte er während fast zeitgleich ein Brüllen zu hören war und der Pfeil gesessen hatte: Der Schenkel war getroffen und damit anscheinend die Lauffähigkeit des Tieres eingeschränkt. Jetzt aber schnell, es soll nicht unnötig leiden... und laufen kann es immernoch.. stellte der Schütze zuletzt zu seinem Missfallen fest.
Ich schaff das schon...
-
Der junge Barde blickte entgeistert auf das noch immer flackernde Feuer, das sich durch den Wald fraß wie sich ein Heuschreckenschwarm über ein Feld hermachte. Es ließ nichts übrig außer die Reste des einst so großen Waldes, Asche, verkohlte Baumstumpfe, Äste, die bei der geringsten Berührung zerbrachen und eine riesige Fläche von Kohle, die einst gelebt hatte.
Während eine Gruppe versuchte, das Feuer an seiner Ausbreitung zu hindern, war eine weitere Gruppe dabei, das übrige Feuer zu löschen. Es hatte sich eine Kette zum Kanal gebildet, unzählige Hände schöpften Wasser in Eimer und reichten sie weiter, bis sie schließlich das Feuer erreichte.
„Was für eine Verschwendung.“ dachte Calan. Wasser war das höchste Gut in Varant. Kein Tropfen sollte leichtfertig verschwendet werden, denn es könnte der Tropfen sein, der dein Leben rettet, wenn du schwach und durstig durch die Wüste wanderst – wie es selbst fast sein eigenes Schicksal gewesen war.
Und doch war er ein Glied der Kette, der recht nah am Wald ein Eimer nach dem anderen weiterreichte, bis sich sein Inhalt schließlich dampfend auf die Reste des Feuers ergoss, wo es laut zischend verschwand.
„Was für eine Vergeudung.“
Ein Brüllen ließ ihn aus der Trance des stupiden Weiterreichens aufschrecken. Es war ein animalisches Brüllen, aus der tiefen Kehle eines Raubtieres. Ein angsteinflößendes Brüllen, das durch Mark und Bein ging, das einfach nicht zu überhören war.
Er hob den Kopf und sah einen Mann mit einem Bogen. Er legte einen Pfeil an die Sehne, spannte diese und zielte auf das Tier, in dessen Schenkel bereits ein Pfeil stak.
„Weiter nach links, Jaryvil!“ rief Calan, der von seiner Position am Bogen entlang sehen konnte. Der Pfeil verließ sirrend die Sehne und machte sich auf die Reise.
-
Humpelnd - und dennoch mit einigermaßen hoher Geschwindigkeit, die ihm sogar noch gefährlich werden könnte - bahnte sich das Vieh seinen Weg auf den Novizen zu, der seinen Bogen erneut spannte und durch den Ruf eines Mannes - dieser kannte übrigens auch seinen Namen - beim Zielen verbessert wurde. Und die Stimme lag sogar richtig, denn Jaryvil hatte seine Waffe noch nicht vollständig auf das Tier gerichtet - was er aber warscheinlich noch getan hätte. Selbstbewusst wie immer - und durch das Wissen, dass er beobachtet wurde - stand er da, gab sich lässig und lies den nächsten Pfeil von der Sehne, welcher das Tier frontal traf. Irgendwo im Gesicht, genau konnte es Jary nicht ausmachen, doch er wollte sich das auch garnicht so genau ansehen, denn ein schwächliches Brüllen war zu vernehmen als das Tier dann hinfiel und im Sand schleifend zur Ruhe kam.
"Ruhe friedlich, ehrenvolles Geschöpf.." flüsterte er noch einmal und bat Adanos, diesem Wesen die Ruhe zu vergönnen, die es verdiente. Löwen waren stolze und prachtvolle Tiere, dabei aber genauso gefährlich und unberechenbar - zumindest für einen Laien wie ihn. Leiser Jubel kam von hinten, doch die Arbeit musste weiter gehen und der junge Mann reihte sich hinter einem bekannten Mann ein - Calan. "Adanos zum Gruß Calan, schön dich zu sehen und wie es scheint, unterstützt du nicht nur hilflose Novizen, die ihre Bögen geklaut bekommen sondern auch ganz Al Shedim beim löschen eines Waldes. Wegen dem Bogen: Du hast was gut bei mir." grinsend schaute er den Mann an, hielt ihm einen Eimer Wasser, den er eben erst erhalten hatte, hin.
-
Schweigen. Calan blickte auf den leblosen Körper. Schlaff und kraftlos lag da, was vor wenigen Minuten noch arbeitende, kraftvolle Muskeln waren, die mit jedem Sprung arbeiteten, von Fell gesäumt, das mit jeder Bewegung des Tieres mitging. Tot lag da, wo eben noch Zähne gefletscht wurden, die Augen bewegten sich nicht mehr sondern lagen in den Höhlen wie Perlen. Er wünschte sich nur, nicht der Löwe wurde dort liegen, sondern jemand anderes. Er hatte ganz genau im Sinne, wer dort liegen soll, so kraftlos wie das Tier, ebenso tot. Er war selbst kein Löwe, sondern ein feiges Schwein, und es hatte den Tod mehr verdient als die Raubkatze.
„Ach.“ winkte Calan ab. War es nicht selbstverständlich zumindest ein wenig zu helfen? Er ging davon aus, wenn er die Menge der helfenden Hände sah. Wieder schwieg er und dachte über Jaryvils Worte nach. Er hatte etwas gut bei ihm... etwas gut.
Nachdenklich blickte er auf den Bogen. Auf die Pfeile. Seine Phantasie malte sich aus, wie ein Pfeil die Sehne hinter sich ließ. Wie er beschleunigte und zwirbelnd weiterflog, ehe er einem Leben ein Ende setzte.
„Ich hab was gut bei dir?“ fragte er und der Novize nickte. „Kannst du... kannst du mir auch einen Bogen geben?“
Weshalb er danach fragte, verschwieg er jedoch lieber.
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|