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An diesem Tag ging Selina wieder zu dem Platz an dem Maris am Tag zuvor seine Ankündigung gemacht hatte und musste überrascht feststellen, dass sich mehr Leute gemeldet hatten, als sie gedacht hätte. Außerdem befanden sich hier auch noch unzählige, schwer bepackte Kamele, auf die sie vielleicht früher oder später noch aufpassen müsste, wenn es sonst nichts zu tun gäbe, doch bei so vielen Leuten hatte sie da keine Bedenken. Und wenn sie nur als Bote zwischen den einzelnen Personen hin und her lief, irgendeine 'Backstage' Aufgabe würde sich schon für die Schwarzhaarige finden lassen.
Schon bald setzte sich die Karawane dann auch schon in Bewegung und Selina folgte ihr einfach ohne auch nur irgendeine Ahnung vom Ablauf des Überfalls zu haben. Doch so weit sie wusste, würde die Reise einige Zeit dauern, in der sie vielleicht Gelegenheit haben würde mehr herauszufinden.
Sie sah sich nach Maris um, konnte ihn aber gerade nicht ausmachen und so lief sie einfach weiter und wartete was weites passieren würde.
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Es war ganz sicher keine Zeit, um immer noch wach zu sein, doch Fu Jin Lee schlief ohnehin nie viel. So war er der Bettstatt bereits wieder entstiegen und schritt ruhig durch die steinernen Gänge des Tempels, dessen Luft schwer war in der Kälte der nächtlichen Wüste. Immer noch schienen einige Novizen sich wach zu halten, ganz gleich ob zur Pflichterfüllung oder aus Unvernunft, und argwöhnisch betrachteten die grimmigen Nordmarer Söldner einen jeden, der sich durch die heiligen Hallen bewegte.
Mit bedächtigem Schritt verließ der Greis den Tempel und ließ sich auf einem hüfthohen Mauerabschnitt auf dem Tempelvorplatz nieder. Der Himmel war klar, wie immer in der Wüste, und die reiche Fülle der Sterne breitete sich vor ihm am finsteren Firmament aus.
"Wunderschön, nicht?"
Erfreut, nicht der Einzige zu sein, der bereits wach war - zumindest machte sein an ihn heran getretener Gesprächspartner nicht den Eindruck der Müdigkeit - wandte sich der Alte zu der bekannten Stimme um und erkannte Myxir vor sich.
"Das Tor zum Schicksal, der Spiegel unserer Seele. Die Sterne können so vieles sein."
Wahre Worte, die der Priester Adanos' sprach. Auch seine Ausbildung vor vielen Jahrzehnten hatte die Sternenkunde beinhaltet, wenngleich seine Erinnerungen daran sicher schon einmal besser gewesen waren.
"Ich wünsche einen guten Morgen, Myxir. Haben meine Arbeitsmethoden und Ergebnisse bezüglich der Halluzinogene euch weiterhelfen können?"
Der Magier nickte.
"In der Tat, wir haben für verschiedene Konzentrationen des Wirkstoffes bereits unterschiedliche Anwendungszwecke ausmachen können. Auch der Selbstversuch von Carras hat uns wichtige Erkenntnisse gebracht - wenngleich die Methoden ungewöhnlich waren."
"Das ist schön zu hören", entgegnete Lee, "doch wo uns der Zufall bereits zusammen geführt hat, möchte ich dich wieder einmal etwas fragen."
Myxir horchte neugierig auf. Es war nicht das erste Mal, dass die beiden Männer miteinander sprachen, denn nicht nur, dass der Priester dem Greis ein Labor zur Forschung an den halluzinogenen Pflanzen bereitgestellt und die Fortschritte betreut hatte, sie hatten von Zeit zu Zeit auch Gespräche vor allem über den momentanen Zustand des Tempels und das Schicksal des Waldvolkes geführt. Seit dem letzten Gespräch jedoch waren bereits schon wieder einige Wochen vergangen.
"Es geht um den eigentlichen Grund für meine Anwesenheit in Al Shedim. Vor einigen Monden besuchte ich die Klostergemeinschaft des Feuers zu Nordmar, um Wissen aus deren reichhaltigem bibliothekarischem Fundus schöpfen zu können, und kam ins Gespräch mit einem Alchimisten namens Jan, der erstaunliche Forschungen zustande gebracht hatte. Leider hatte ein tollpatschiger Kollege eine äußerst kostbare und für seine Arbeit essenzielle Zutat vernichtet, die es nur hier zu finden gilt, sodass ich mich bereit erklärte, ihm diesen Dienst zu erfüllen."
Ein Lächeln legte sich auf Myxirs Gesicht.
"Ah, ich weiß, wovon du sprichst. Der Pollensaft der Feueramaryllis... und wie es Adanos will, haben einige unserer Adepten gleich mehrere Blüten dieser Pflanze aus den Tiefen der Wüste mitgebracht. Für deine Arbeit im Laboratorium möchte ich dir einen Teil davon überlassen. Den Wirkstoff jedoch wirst du selbst isolieren müssen."
Auch Fu Jin Lee lächelte nun mehr als nur breit.
"Ich danke dir, Myxir."
"Ach, und noch etwas", fügte der Wassermagier noch hinzu.
"Seit einiger Zeit liegt ein Schiff im Hafen, mit dem die Gesandte des Waldvolkes gekommen ist, die mir von den Ereignissen in Silden berichtete. Falls du dich selbst von dem Schicksal des Dorfes überzeugen willst, solltest du es vielleicht aufsuchen, bevor es wieder ablegt."
Bestimmt nickte der greise Mann.
"Das werde ich."
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Im Dschungel
Müde wischte sich Silelen mit der Hand über das Gesicht um den Schweiß zu entfernen, welcher sich dort den gesammten Tag über immer wieer angesammelt hatte. Mit der Hitze kam sie klar, es war eher die andauernde Feuchtigkeit, die ihr zu schaffen machte, die erdrückende Schwüle.
"Wasser wirkt wie ein Verstärker für Temperaturen..."
dachte sie bedrückt.
"Wenn es klat ist, macht nässe es Eiskalt... und hier in der Hitze macht Nässe es drückend Schwül..."
benommen schüttelte Silelen den Kopf, um ihn zumindest ein wenig zu klähren, und setzte den Kohlestift erneut auf das in ihrem Schoß liegende Stück Pergament.
Mit inzwischen geübten Bewegungen vollendete sie ihre Zeichnung des Blattes welches sie als Vorlage nutzte.
Darüber stand bereits eine Detaireiche Darstellung der Ausgewachsenen Pflanze, in mühevoller Kleinstarbeit über Stunden angefertigt.
Unter die beiden Zeichnungen hatte Silelen jeweils die genauen Maße geschrieben, und die halbe Seitenbreite die sie links von den Zeichnungen Freigelassen hatte begann sie nun mit detaiirten Ausführungen über Fundort, Farbe des Stiels, der Blätter, der Blüten und Früchte, als auch der zusammensetzung des Bodens auf dem sie wuchs (in diesem Falle ausgesprochen sandig) sowie der Helligkeit des Platzes (in diesem Falle Halbschatten) zu füllen.
Endlich hiermit fertig nahm Silelen die abgetrennte Pflanze, und ging in ihr kleines Lager. Eine auf magische Weise aus verdichtetem Sand erschaffene, Igluförmige Hütte, dessen einziger innere Raum einen guten Meter unterhalb des normalen Bodenniveaus lag, wodurch der ganze Bau von außen nur wie ein sanfter Hügel erschien, besonders nachdem Silelen ihn mit einigen Palmblättern belegt hatte.
Der etwa zwei Meter durchmessende Innenraum war zugleich ihre Schlaf und Arbeistsstube, fast völlig ausgefüllt von dem kleinen Strohhaufen welcher ihr Bett darstellte und dem kleinen steinernen Tisch, auf welchem ihre einzige wertvolle Habe stand, ein provisorisches aus allerlei Alltagsgegenständen zusammengesetztes Alchemie-Labor.
Es sah zwar nur nach einer wilden Sammlung verschiedenster Flaschen, Schalen und Krüge aus - die meisten davon Nordmarer Ursprungs und aus Ton statt aus Glas - die man mit dünnen Röhren aus ausgefrästen Asten verbunden hatte, doch es tat seinen Dienst, und das war schließlich alles was zählte.
Mit Bewegungen die ihr inzwischen ob der andauernden Wiederholung in Fleisch und Blut übergegangen waren zerlegte sie die neue Pflanze in ihre Bestandteile und bestimmte ihre Zusammenstzung und Eigenschaften, sowie ihre mögliche Benutzung in der Alchemie oder Heilkunde.
Mit den hierdurch gewonnen Erkenntnissen füllte sie den Rest der Seite, und legte das Blatt zu den vielen vielen anderen.
Silelen nahm sich recht viel Zeit um die provisorische Alchemie-Anlage gründlich zu reinigen, dann ließ sie sich ins Stroh fallen um kurz Pause zu machen.
Die Artenvielfalt war Wirklich erstaunlich, doch noch verwunderlicher war, wie viele Pflanzen ihres alten kleinen Kräuterbeetes sich hier in teilweise deutlich veränderter Form befanden.
Anscheinend war das ganze Beet, oder zumindest Samen hiervon von der wilden Magie erfasst worden, was zu einer weiten Verbreitung der seltenen Kräuter die sie damals gezogen hatte geführt hatte. Teilweise hatten die Pflanzen wohl so viel Magie abbekommen, dass sie sich weiterentwickelt, oder zu urtümlicheren Formen zurückgebildet hatten...
Beunruhigt durch diesen Gedanken stand Silelen erneut auf, holte ein frisches Blatt Pergament hervor und machte sich wieder auf den Weg eine bis dahin noch nicht untersuchte Pflanze zu finden um das ganze Spiel zu wiederholen.
Hierbei kam sie nahe an den Rand des Dschungels, und konnte einen Blick auf den ruhig daliegenden Teil des unüberwucherten Al Shedim werfen... des beängstigend ruhigen Teils...
Teils neugierig, Teils böses fürchtend rannte Silelen auf die Ruinenstadt zu, nicht ahnend, in welches Abenteuer sie sich damit wieder einmal stürzen würde.
Geändert von Silelen (12.10.2010 um 18:24 Uhr)
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Gestern Nacht
»Ein wenig verspätet, aber dennoch pünktlich«, riefen der erste der fünf Matrosen, die die letzten Tage und Nächte im Lazarett verbracht hatten und sich nun, anscheinend mit ein paar Abschiedsbier gestärkt, auf der Maera wieder einsatzfähig meldeten. Cotton wusste genau, was er davon zu halten hatte. Weicheier und Schnapsnasen, angeführt von dem Matrosen Gilbert, der die Meute nur allzu gerne zu Trinkspielchen anstiftete und nicht lockerließ, bis er den Vollrausch auf seiner Seite hatte. Er würde seine Strafe bekommen.
»Macht dass ihr an Bord kommt, damit wir endlich hier weg können. Auf die Posten! Schlafen könnt ihr später!.«
Er winkte Tayon zu, der in dem Schein der Bordlaterne damit begann, das schwere Tau zu lösen und das Schiff zu befreien. Die sandige Umgebung hatte ihre Spuren an der Maera hinterlassen, sodass sogar die Segel von dem Sand befreit werden mussten, der sich in jeder Ritze und Fuge abgesetzt hatte.
»Haaaalt! «
Cotton schaute an Land, wo aus der Dunkelheit etwas, mit hoher Stimme rufend, entgegenkam.
»Noch niiicht!«
»Was zum Henker?!« Mit einem Fuß auf der Reling wartete er, dass sich diese obskure Situation auflöste. Die Person rannte näher, schien außer Atem und erreichte den Steg prustend. Ein bekanntes Gesicht war es.
»Du schon wieder? Sag bloß, du willst hier auch schon wieder weg?«
Suzuran nickte und zog hoffnungsvoll die Augenbrauen zusammen.
»Noch ein Plätzchen frei?«
»Na mach schon dass du rauf kommst. Lange warten wir nicht mehr.«
»Dank...uoh.« Ungeschickt und mit dem Bauch voran, erklomm sie die Reling, packte Cottons Hand und ließ sich an Bord hieven. Dort schüttelte sie ihre Haare aus und setzte sich auf eine der Stufen, die zum Achterdeck hinaufführten. Tayon hatte inzwischen das Tau gesichert und die Segel hissen lassen. Auch wenn es Nacht war würden sie die Strecke ohne Schwierigkeit besegeln können. Das Meer lag frei und ohne heimtückische Korallenriffe oder versteckte Sandbänke vor ihnen und begrüßte sie mit dem typischen schwerfälligen Rauschen.
»Schonmal drüber nachgedacht, wie die Tiere des Ozeans uns sehen, wenn wir über die Wellenkämme gleiten? Der große Schatten den wir werfen, die unnatürliche Form, die das Schiff ausmacht. Wir sind praktisch ein Eindringling in einer fremden Welt. Das erweckt natürlich Neugierde, bei den etwas intelligenteren Tieren. Delphine, Pottwale… oder die Hoffnung das ein Brocken Essbares für sie abfällt… Haie, Schwertfische. Nun, das ist es wohl, was sich die Fischer oder Walfänger zum Vorteil machen. Ködern und dann die Harpune in alles versenken, was vor ihrer Nase auftaucht. Grausam wenn du mich fragst.«
Suzuran nickte nur und ließ Cotton reden.
»Da ist es nicht verwunderlich, dass so manch Tier von uns angepisst ist. Eine Geschichte die ich kenne, erzählt von einem Pottwal, der Schiffe angreift, ja sie sogar mit seiner Schwanzflosse versenkt. Oder Riesenkraken, die ihre Fänge bis an die Oberfläche ranken lassen und Fischer bis auf den Meeresgrund ziehen. Ich weiss nicht ob an diesen Geschichten etwas dran ist, doch ich bin mir ihrer Bedeutung bewusst: Respektiere das Meer, denn du stehst nicht vor einem ebenbürtigen Gegner… hörst du mir noch zu?«
»Hm…«
»Na, ist auch schon spät. Leg dich pennen, dann muss ich nicht die Schmach ertragen, dass ich alter Opa dich in den Schlaf gequasselt habe.«
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Die Vorbereitungen für das Ritual waren abgeschlossen und auch Narzuhl hatte keine Einwände gehabt bis auf den einen, dass dieses Mal niemand eindringen dürfte. Der Zwischenfall, den sie bis heute nicht aufgeklärt hatten, war auch dem Obersten Wassermagier nicht entfallen und so würden dieses Mal Nordmarer Krieger vor dem Tempel postiert, die jeden aufhalten sollten. Ihre wenig genutzte eigene Magie sollte sie zudem besser schützen als jeden Adepten oder Novizen.
Doch bevor sie das Umkehrritual durchführen konnten, erwischte den Priester etwas, womit er eigentlich hätte rechnen müssen: Er lag flach. Erkrankt an einer Grippe, verstärkt durch den Teleportunfall. Und dies einige Tage lang, sodass bislang nichts aus dem ganzen geworden war.
Nun jedoch stand der Priester wieder vor den aufgebauten Kristallen, die von einem Nordmar Krieger immer im Augen gehalten wurde. Alles war an Ort und Stelle und selbst der Fokusstein erstrahlte derzeit in einem helleren Blau, als wüsste die Magie, dass sie bald freigelassen würde.
Aber noch ist es nicht soweit. Heute bin ich noch zu schwach. Er schritt langsam von dem Ritualaufbau weg und fuhr sich wieder über den fehlenden Finger an seiner linken Hand. Die Schmerzen waren mittlerweile fort, doch ein Kribbeln überkam immer wieder die Stelle. Ja, fast als wäre der Finger noch da und nur eingeschlafen. Phantomschmerzen. Genau das, was ich bei anderen immer versucht habe zu verhindern oder zu unterdrücken. Und nun hat es mich erwischt. Er kam zum Eingang des Tempels und schaute hinaus. Der Himmel war, wie eh und je, wolkenfrei und kalte Luft wehte an ihm vorbei. Die fremde, blaue Masse in seinem Hals stach für einen Moment, doch bevor seine Finger dort ankamen, war der Schmerz auch schon wieder vergangen. Ich sollte mit Warus darüber sprechen. Nicht, dass es sich ausbreitet.
Bevor er jedoch irgendetwas tun konnte, erblickte er außerhalb des Tempels und nicht weit von ihm entfernt eine Gestalt, die ihm auf Anhieb bekannt vorkam und erst soeben mit einem Teleport aufgetaucht war, das konnte er spüren. Langsam schritt er hinaus, kam der anderen Person immer näher. Der Gang des anderen war nicht gerade sicher und auch der Blick, als er näher kam, schien nicht ganz klar. Und dann erkannte er den anderen endlich.
„Ah, Ptah! Sei gegrüßt!“ Schnelleren Schrittes kam er auf den anderen zu. „Bist du mit dem Teleport nach Al Shedim gekommen=? Und bist du unbeschadet?“
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Wo der Hengst erst in schnellem Galopp voranpreschte drosselte er schnell sein Tempo, so dass der Druide im Schritttempo in die Ruinenstadt eintrat. Al Shedim. Die alte Stadt, das einst pumpende Herz Varants, der einst strahlende Diamant unter der Wüstensonne. Nun, Jahrhunderte danach schien die Stadt eher einem Rohdiamanten zu gleichen. Ungeschliffen und unscheinbar, doch mit etwas weitaus wertvollerem darunter. Er kannte die Stadt, er wusste von dem, was darin verborgen lag. Dem Leben, dem aufgeregten Treiben der Nomaden und die ruhigen Studien der Wassermagier, die im Tempel ihr Heim gefunden hatten. Und einmal mehr fragte er sich, wer ihn hier alles erkennen würde. Wer lebte noch hier? Hyperius? Tano? Würden sie ihn erkennen? Würde er sie erkennen? Was hatte sich alles verändert? Gab es die Taverne noch, das kleine Haus, das er damals mit Irenir erbaut hatte? Er würde sich freuen, die Arena wieder zu sehen, den Kanal und all die bekannten Ecken und Winkel, die er damals erforscht hatte.
Der Druide stieg ab und führte Férach nun. Noch immer standen die alten Ruinen, an denen der Zahn der Zeit genagt hatte. Verfallen lagen sie da, in ihren Bruchstücken, halbe Mauern standen dort, an anderen Stellen ragten nur die alten, zerfressenen Ziegel aus dem Sand. Und doch schien so viel anders. So viel schien sich verändert zu haben.
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Mit einem leisen Knistern implodierten die letzten Strähnen des fein gewobenen Teleportzaubers um ihn. Frisch war die Nacht, merklich kühler noch als in Vengard, so dass er reflexartig die provisorisch geflickte Robe enger zog.
Allerdings schien ihm nicht alles so vertraut wie er es zurückgelassen hatte. Mitten im Ruinenfeld wucherte ein Bollwerk des Lebens, wie er es nie in Varant vermutet hätte. Ein Urwald hatte mit Ranken und Wurzen die Trümmer des Alten Volkes beansprucht und schien sie nicht mehr preisgeben zu wollen. Fremde Laute drangen aus dem Dickicht herüber.
Er stolperte mehr, denn er ging, so sehr hatte ihn diese Veränderung überrumpelt, weshalb es nicht weiter verwunderlich war, dass er Tinquilius, welcher ihm vom Tempeleingang entgegenkam, erst verspätet bemerkte.
"Meister...", entgegnete er gleichermaßen verwirrt wie freudig und klopfte mit beiden Händen und prüfenden Blicken alle Regionen seines Körpers ab, bis er schließlich erleichtert feststellte: "Ja, scheint auch noch alles dran zu sein. Glücklicherweise ist auch nichts hinzugekommen... Folglich dürfte der Teleport geglückt sein."
Dennoch zitterte die Hand noch ein wenig, als er sie dem Priester zum Gruß reichte.
"Bitte nehmt es mir nicht krumm, wenn ich euch so überfahre... aber was in Adanos Namen ist mit Al Shedim geschehen?" Mit dem Verklingen der Frage wies er mit dem Kopf nochmals in Richtung des Dschungels, um seine Verwirrung zu unterstreichen.
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Tinquilius ergriff die Hand des anderen mit seiner gesunden und lächelte. Als er dann die Aussage Ptahs vernahm, musste er schon beinahe lachen. Ich hab ihn wirklich lange nicht mehr hier gesehen. Sehr lange. Und seine Aussage passt da genau hinein.
„Du hast noch nicht unseren Urwald erlebt? Das ist ja ein großes Ding“, kam es vom Obersten Magier kurzerhand. „Komm, ich erzähl dir alles bei einem Essen. Ich kann gut etwas gebrauchen und du siehst auch nicht gerade übersättigt aus. Außerdem lässt es sich mit Essen und einem guten Wein“, - gut, dass wir hier nicht in Nordmar sind, sonst würde es nicht dabei bleiben - , „viel besser erzählen.“
Der Novize nickte nur und dann schritten die beiden schon in Richtung Taverne. Der Weg war nicht weit, so kamen sie nach kurzer Zeit bereits bei der Zelttaverne an und traten ein. Es war wenig los, Nomaden sah man kaum. Viele waren mit Maris zu einem Raubzug oder dergleichen aufgebrochen. Nicht meines, ganz gewiss nicht.
„Nun, ich fang am besten ganz vorne an. Hast du die Flutkatastrophe noch mitbekommen?“ Ptah nickte. „Gut, dann können wir da anfangen. Die Flut hat nicht nur unsere Zelte zerstört und das Leben einiger unserer Brüder und Schwestern gekostet, sondern sie war auch verheerend für die Oase. Nichts stand mehr und der Boden war dahin.“
Als der Oberste Wassermagier sprach kam Rebekka vorbei und brachte ihr Essen vorbei.
„Also bekamen wir Hilfe von den Druiden. Ein alter Druide, ich weiß nicht einmal seinen Namen, führte zusammen mit Myxir ein Ritual durch, welches die Oase wieder fruchtbar machen sollte und durch den Zauber auch direkt das Wachstum der Pflanzen positiv beeinflussen sollte. Und das hat ja auch funktioniert – wenn auch in einem Rahmen, den wir nicht erwartet haben. Es wurden nicht nur Samen zum Wachstum gebracht, die bei der oase waren, sondern alles, was einst einmal lebendiges Material war, fing an zu wuchern und auch die Samen, die noch tief im Wüstensand lagen. Und das führte dazu, dass mit einem Mal nicht nur die Oase existierte, sondern überall in Al Shedim Pflanzen auftauchten und der Urwald nahe der Oase entstand.“
Tinquilius nahm einen Bissen von seinem Fleisch und ließ diesen mit einem Schluck Wein in seinen Magen wandern.
„Gut, nicht wahr? Aber wo war ich. Ach ja. Beim Urwald.“ Tinquilius fuhr mit seinen Ausführungen fort und erzählte dem Ahnungslosen von der Pflanzenplage, die Al Shedim für kurze zeit ins Chaos gestürzt hatte, der Expedition und dem Ritual, dass sie vor geraumer zeit durchgeführt und immer noch nicht umgekehrt hatten.
„Deshalb auch meine Frage, ob bei dir alles geklappt hat beim Teleport.“ Er hielt seine linke Hand mit dem fehlenden kleinen Finger hoch und deutete dann auf den blauen Streifen an seiner linken Halshälfte. „Bei mir lief es nämlich nicht ganz erwartungsgemäß.
Aber genug von mir und Al Shedim: Wenn du die Erschaffung des Urwalds nicht miterlebt hast, musst du ja eine ganze Weile fort gewesen sein. Was hast du dich herumgetrieben?
Ach, und bevor ich es vergesse: Das Meister ist immer so förmlich – und unnötig. Ich bin auch nur ein Diener Adanos‘, mehr nicht. Tinquilius ist da mehr als genug.“
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Aufmerksam lauschte der Novize den Erzählungen von Tinquilius, die allmählich seine Fragen um den Urwald lichteten.
Seltsam... , schoss es Ptah durch den Kopf, als das bläuliche Mal am Hals des Priesters zur Sprache kam, Ob der Fluch, mit dem ich mich herumschlage auch eine Folge der Flut ist... Für sich verneinte er diese Option... es erschien ihm auch ein wenig albern einen Zusammenhang herzustellen, wo vorher keiner war, und es auch keinerlei Grund zu der Annahme gab, dass einer existieren könnte.
"In Ordnung, Mei- ... Tinquilius. Nun... ich habe jemanden gesucht, in der Hoffnung Antworten zu finden. Eine Lösung für ein Problem, das sich kurz, nachdem ich Al Shedim verlassen hatte, stellte. Zeitweise war ich dem Tod näher, als dem Leben... auch wenn ich darin mittlerweile schon eine Art Talent entwickelt zu haben scheine, verhielt es sich diesmal... anders. Niemand konnte mir weiterhelfen und glaubt mir, ich hab wirklich viel ausprobiert, um der Lage Herr zu werden. Vergebens. Irgendwann traf ich dann auf die Ehrenwerte Melaine. Zusammen reisten wir durch Myrtana, wo wir vor wenigen Tagen Vengard erreichten. Dort trennten sich dann unsere Wege und nun bin ich endlich wieder hier. Auch wenn sich während meiner Abwesenheit Einiges geändert zu haben scheint."
Er ließ Tinquilius und sich etwas Zeit das Gesagte sacken zu lassen und ein paar Schlucke Wasser zu trinken. Die Kehlen schienen schneller zu trocken, je mehr gesprochen wurde.
"Bitte habt Verständnis, dass ich nicht näher auf dieses Problem eingegangen bin, aber ich habe wenig Hoffnung, dass selbst eure Erfahrung in Sachen Heilmagie etwas bewirken könnten. Daher würde ich es vorziehen euren zweifellos beschäftigten Geist nicht auch noch mit meinen Problemen zu beladen, zumal - zumindest für den Moment - einer Verschlimmerung meines Zustandes vorgebeugt wurde."
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Tinquilius lauschte genau den Worten Ptahs. Myrtana hatte er also durchreist. Doch was den Priester noch mehr interessierte, war dieses Problem. Er wollte jedoch nicht näher darauf eingehen, wenn der andere nicht weiter darüber sprechen wollte.
Ich möchte ja auch nicht über alles sprechen. Ich habe lange genug geheim gehalten, was mit meinem Rücken war und genauso die Erkrankung, die mich nach der Flut heimgesucht hat.
„Ich möchte dich zu nichts drängen, deshalb lasse ich das Thema auch sein. Du kannst dir aber sicher sein, dass, wenn du Hilfe bedarfst oder eine Unterhaltung suchst, jederzeit zu mir kommen kannst. Vielleicht vermag ich zu helfen, vielleicht auch nicht. Ein offenes Ohr habe ich jedoch.“
Er nahm einen weiteren Bissen und dazu erneut einen Schluck Wein. Schmeckt nicht so gut wie Nordmarer Nebelgeist. Aber wie soll Rebekka mir den auch hier servieren? Zumal ich nicht allen zeigen muss, zu was ich fähig bin. Nicht als Oberster Magier.
„Es freut mich aber, dass du wieder zu uns gefunden hast. Hast du dir denn schon überlegt, was du nach deinen reisen und deiner Suche nun machen möchtest? Ich kann mir vorstellen, dass man nach einer solch langen Zeit ohne festen Ort nicht so einfach wieder in ein ruhigeres und geregeltes Leben zurückfinden mag.“
Während er auf eine Antwort des anderen wartete, fuhr seine Hand über den harten und zugleich biegsamen Streifen in seinem Hals. Was ist das nur?
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"Um ehrlich zu sein... hatte ich bisher dazu noch wenig Gelegenheit, schließlich bin ich ja erst gerade eben zurückgekommen. Ich hatte angeneommen, dass ich einfach da weitermache, wo ich aufgehört habe, bei den Pflichten eines Novizen. Tempelhalle und -vorplatz fegen, studieren, meditieren, trainieren...", nervös rieb er über die grobe Naht, mit der er den Riss in der Robe notdürftig in Eigenregie geflickt hatte, nachdem de Rière ihm den Oberschenkel perforiert hatte. Irgendwann hatte der seltsame Schneider sich überzeugen lassen und ihm Nadel und Garn übergeben.
Aus irgendeinem Grund gefiel ihm die Richtung nicht, in die das Gespräch sie nun führte... Würde der Magier ihn für seine Abwesenheit zur Rechenschaft ziehen? Dafür dass er unangemeldet gegangen war? Die Gemeinschaft in einer ihrer härtesten Prüfungen im Stich gelassen hatte?
Ohne lange zu Überlegen, schob er deshalb, um die Stimmung zu lockern, noch nach: "Oh, und ich könnte ja die Roben flicken, nachdem mir das bei meiner so vortrefflich gelungen ist."
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Tinquilius ließ seinen Blick über Ptahs Robe fliegen, als dieser seine Bemerkung machte. Nun ja, das sieht jetzt nicht so professionell aus. Lange nicht so gut, wie Angelina es konnte. Aber kann ich ihm eine Aufgabe verwehren? Und wie sagt man so schön: Übung macht den Meister. Zumal sich derzeit auch niemand anderes um die Roben kümmert, zumindest nicht ausschließlich.
„Normalerweise würde ich zustimmen, dass du etwas für die Gemeinschaft tust und weiter den Tempel fegst und dich um alle Belange der Magier kümmerst, vor allem nach einer solchen Abwesenheit. Aber was würde dies bringen? Du bist schon lange ein Mitglied dieser Gemeinschaft und auch wenn du nicht in Al Shedim warst für lange Zeit, so hast du nicht faul herumgelegen. Du hast vermutlich mehr Lebenserfahrung gewonnen als viele Novizen und auch Adepten des Wassers von sich behaupten könnten. Und das ist mindestens ebenso wichtig wie die Pflichten für die Gemeinschaft.“
Er machte einen Moment Pause. Und ließ den Blick noch einmal über seinen gegenüber schweifen.
„Wir könnten wirklich jemanden gebrauchen, der sich um die Roben kümmert, auch wenn ich dir empfehlen mag, vorher noch ein wenig zu üben“, meinte der Priester lachend. „Und wenn wir schon einmal dabei sind: Du könntest an deiner Novizenrobe weiter üben, daran hast du ja bereits erste Versuche gestartet. Denn wenn du dich direkt bereit erklärst, wieder zu arbeiten, möchte ich dich nicht davon abhalten. Ich denke, dass sich eine solche Aufgabe aber besser von einem Adepten angehen lässt. Als solcher hätte man mehr Zeit, sowohl für das Robenflicken als auch für weitere Studien, insbesondere Studien der Magie.
Was meinst du?“
Tinquilius grinste und musste innerlich lachen. Manchmal hat es Vorteile, Oberster Magier zu sein.
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Es dauerte einen Moment bis bei Ptah der Groschen fiel. Erst ärgerte er sich noch darüber sich ins eigene Fleisch geschnitten zu haben... er und Roben flicken.. Wo er doch keinerlei Ahnung vom Schneidern und Nähen hatte?
"Wie... Tinquilius? Wollt Ihr damit sagen, dass..."
Der Priester nickte nur stumm, das Grinsen allerdings schien sich auf sein Gesicht gesetzt zu haben und machte keine Anstalten sich fortzubewegen.
"Das kommt... plötzlich. Dennoch bin ich euch zu großem Dank verpflichtet. Vielen Dank. Ich... ich hoffe ich werde euer Vertrauen nicht enttäuschen. Nein. Ich verspreche euch, dass ich euch euer Vertrauen nicht enttäuschen werde, Tinquilius."
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Er konnte nicht aufhören, zu grinsen. Ptah schien seine Worte zunächst gar nicht so wahrzunehmen oder richtig zu deuten. Aber nach einem kurzen Moment – als würde ein Schalter in seinem Kopf umgelegt – ging dem anderen wohl ein Licht auf.
„Es kommt so plötzlich wie deine Rückkehr nach Al Shedim. Und manchmal braucht es solcher Momente, um ein neues Ziel zu finden. Und ich bin mir sicher, dass mein Vertrauen in dich nicht ungerechtfertigt ist.“
Er rief zu Rebekka hinüber, noch mehr Wein zu bringen, während Ptah noch immer etwas überrascht wirkte.
„Ich denke, dass du deine neue Robe im Tempel abholen kannst. Solltest du aber auf die Idee kommen, selber Roben für den Tempel zu schneidern, würde ich gerne auf dich zurückkommen. Meine Priesterrobe ist... nun ja, nach dem Teleportunfall nicht auffindbar. Und auch wenn die meisten mich kennen und ich eh keinen großen Wert auf meinen Rang lege, so habe ich mich doch an eine Priesterrobe gewöhnt.“
Tinquilius lachte, während Rebekka ihnen neuen Wein einschenkte.
„Nun, aber ich möchte dich nicht damit überrumpeln. Leb dich erst einmal wieder in Al Shedim ein, Adept Ptah. Auf dein Wohl und das Wohl aller, dessen Roben durch dich wieder zu neuem Glanz verliehen werden.“
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Verkniffen stieß er zu, immer und immer wieder, unnachgiebig, eisern und vor allem planlos. Mit jedem Mal, das die Nadel in den Stoff drang, schien er mehr Falten an der Naht zu ziehen, als zuvor. Die Stelle, wo der Riss die Robe verschandelte, war nur noch offenkundiger geworden. Er würde den Faden herausziehen müssen. Wieder herausziehen müssen und so sehr ihm das Nähen mittlerweile auf den Zeiger ging, hatte er doch keine Wahl. Zum Einen, weil er ja von Tinquilius quasi dazu beordert wurde, künftig die Roben des Tempels zu schneidern und zum Andern, weil er sich schämte die einst tadellose Robe in solch einem Zustand abzugeben. Momentan war sie einem Putzlumpen ähnlicher als dem Gewand eines Novizen.
Es wird vermutlich das Beste sein, wenn ich sie erstmal wasche.
Schnurstracks verließ er den Tempel und machte sich in Richtung der Oase auf. Die gegenwärtige Lage mit dem Dschungel vor den Pforten des Tempels machte ihn ganz konfus. Nach einem kurzen Moment der Besinnung allerdings gelang es ihm wieder die Orientierung zu finden. Einen zügigen Fußmarsch später kam er mit der über den Arm geworfenen Robe an der Oase an. Auch hier waren die Folgen, wie im Rest Al Shedims unübersehbar.
Mit einem leisen Seufzen kniete er sich hin und tauchte das Kleidungsstück ins trübe Wasser...
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Wahrlich, viel hatte sich geändert. Es schienen kaum mehr Nomaden zwischen den Ruinen umherzustreifen. Wo waren die Ruinenwächter? Waren sie alle fort? Nur ab und zu sah er ein paar Nomaden mit Speeren und Schwertern, was ihn ungemein an seine eigene Vergangenheit erinnerte. War er nicht auch mit einer solchen Kluft bekleidet gewesen? Hatte er nicht auch ein Schwert getragen und damit Al Shedim verteidigt. Ja, vor langer Zeit. Und viel hatte sich seitdem verändert. Lange war er durch die Straßen geschlendert und hatte gemerkt, dass hier irgend etwas vorgefallen war. Ein Überfall? Eine Katastrophe? Doch welcher Räuber – und das verwunderte ihn am meisten – hinterließ einen Urwald? Mit offenem Mund und großen Augen stand er da, als er diesen seltsamen Dschungel das erste Mal gesehen hatte. Noch keine Antwort hatte er auf seine Fragen gefunden.
„Sprießen nun überall plötzlich Wälder aus dem Boden?“ Während er in den Grund in Silden nun kannte und verstand, so blieb dieser Wald doch geheimnisvoll. Es war einfach nicht richtig, ein Wald in der Wüste. Das gehörte sich nicht, wie ein Känguru nicht nach Nordmar gehörte.
Nicht einmal die Oase war noch immer die selbe. Beunruhigend. Eine Quell für Erholung und Erfrischung war sie gewesen, ein Spender für Schatten und Kühle. Wie oft war er selbst hier gewesen? Er seufzte. Alles, wirklich alles schien sich zu verändern, und er merkte nichts davon. Und nichts schien sich zum besseren zu drehen, und doch machten die Menschen immer weiter, wie jener junge Mann, der am Oasensee kniete und irgendwas ins Wasser hielt. Neugierig kam er näher, um zu sehen, was der Kerl trieb. Er wusch eine Robe. Ein Novize, wenn sich seine Erinnerungen an das Leben im Tempel nicht trogen.
„Kann ich helfen?“ fragte der Druide und kniete sich neben den Mann, der ihm durchaus vertraut vorkam. Kein Wunder, wohnte man mehr als anderthalb Jahre in der Ruinenstadt. Und doch kam ihm der Mann bekannt vor, als ob er seinen Namen kennen müsste.
„Hab ich dich nicht schon mal gesehen?“
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"Gut möglich...", erwiderte Ptah ohne aufzusehen und mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme, "Al Shedim ist... klein geworden."
Kräftig wrang er den Stoff, um auch das letzte bisschen Dreck und Staub herauszubekommen. Hob die Robe immer wieder aus dem Wasser, um sie genauer nach Flecken zu untersuchen und tauchte sie, sobald er fündig geworden war, wieder unter, um den Prozess von Neuem zu beginnen.
Erst als er mit dem Ergebnis zufrieden war, schenkte er dem anderen seine Aufmerksamkeit und war doch ein wenig überrascht, als er nach fixem Durchstöbern seiner Erinnerungen, das Gesicht wieder zuordnen konnte.
"Hmm, ich glaube mich auch an euch zu erinnern. Wir trafen uns... in Silden damals, nicht wahr? Leider ist mir euer Name entfallen.", murmelte er und machte sich dann daran die Robe über eine umgeknickte Palme zu legen, auf dass sie unter der Sonne trockne.
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In Silden also... langsam, Tropfen für Tropfen kamen die Stücke zurück und füllten ein Bassin der Erinnerung. Ja, in Silden. Er war selbst noch nicht lange dort gewesen, die Zeiten waren seltsam, überall lag Bedrohung in der Luft. Und sie waren in Silden gewesen. Ja. Er hatte noch nichts von den Geheimnissen der Druiden entlüften können, war noch ein Krieger, trug noch ein Schwert an seiner Seite und wusste noch nichts von der Zukunft, die sich ihm offenbaren sollte. „Nicht nur Al Shedim ist klein geworden“ dachte sich der Druide und stierte ebenfalls auf den See. Inzwischen schien der Mann mit seiner Robe zufrieden zu sein. Sie war tiefblau und von Wasser vollgesogen. Schwer musste sie sein, doch es schien auch nicht, als wolle er sie anziehen. Es schien eher, als wollte er wissen, was nun damit zu tun ist.
„Hyperius.“ meinte er schließlich nach einer Weile des Schweigens und Nachdenkens. „Du warst mit Hyperius unterwegs, nicht wahr? Und mit Tano? Ich glaube schon, ja.“
Kurz schloss er die Augen und sah die Gesichter der beiden vor sich, als hätte er sie gestern erst gesehen. So viele alte Bekannte, die er lange nicht gesehen hatte... Doch die Welt war klein und der Druide oft unterwegs.
„Adrastos heiße ich“ meinte er schließlich und sah sich um. „Was ist mit Al Shedim passiert, während ich weg war?“
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Hyperius... Tano...
Die Namen schienen in seinem Kopf widerzuhallen, als ob ein hohles Echo ihr Verklingen untersagte. Wie lange mochte es her sein, dass er die beiden zum letzten Mal gesehen hatte? Gefühlte Jahre.
"Ihr habt recht, Adrastos. Damals bin ich mit den beiden zusammen durch Myrtana gereist.", bestätigte der Novize, "Ptah war mein Name, um euch das Erinnern nicht unnötig zu erschweren."
Dann tat er es dem Waldbewohner gleich und ließ seinen Blick ebenfalls über den Dschungel streifen, die Trümmer der Ruinen mustern. Al Shedim bot ein trostloses Bild und auch der Urwald bildete da keine Ausname. Wie ein Ungetüm wucherte er um die Stadt und hielt sie fest in seinem Würgegriff.
"Vor einiger Zeit traf Al Shedim die volle Wucht von Adanos' Zorn. Eine gewaltige Flutwelle überrollte alles und wer im Tempel keine Zuflucht fand oder fliehen konnte, wurde wie der Rest der Stadt zermalmt... Verstört durch all die Zerstörung habe ich Al Shedim verlassen und als ich vor zwei Tagen zurückgekehrt bin, war ich selbst überrascht von all der Vegetation. Die Druiden sind nicht ganz unschuldig daran, wie ich gehört habe..."
Mit zerknirschter Miene setzte er sich auf den Boden und vergrub beide Hände vor sich im Sand, um eine Handvoll der feinen Körnchen abzuschöpfen. Im Anschluss ließ er sie durch die Spalten zwischen seinen Fingern wieder herausrieseln.
Geändert von Ptah (21.10.2010 um 16:48 Uhr)
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Adanos’ Zorn. Die Worten klangen schwer, unheilsvoll. Zorn. Was mochte den Gott so erzürnen. War er nicht der Freund der Menschen und ihr Erschaffer, einem Prometheus gleich, der ihnen Kunst und Handwerk lehrte?
Bilder erschienen vor seinem Augen. Wasser, Unmengen an Wasser, das hoch wie Türme auf die Ruinenstadt zurollte und tösend in sich zusammenbrach, alles verschlang, verschwemmte, tötete. Panische Menschen, rufende Nomaden, schreiende Nomaden, Wassermagier, denen die Angst ins Gesicht geschrieben stand. War nicht das Wasser ihr Element? Wie konnte es sich so gegen sie wenden, sie verraten und dem Untergang preisgeben, alles verschlucken, was ihnen lieb und teuer war? Doch Al Shedim war nicht dem Erdboden gleich, die Welle hatte nicht alles verschluckt und auch die Wassermagier lebten noch. War es nur eine Warnung gewesen? Ein letzter Appell des Adanos an seine Kinder? Wie eine Mutter die ein letztes Mal ihre Kinder tadelte, bevor sie Stubenarrest gab. Adanos war ihr Freund, ein Gott, doch genauso hart wie gerecht. Ein ebenso strenger Gott wie auch seine Brüder und in seiner Strenge nicht weniger furchterregend. Dem Druiden schauderte.
Ptah ließ langsam den Sand durch seine Finger gleiten. Korn für Korn gesellte sich wieder zur großen Wüste, ehe sich der junge Mann aufrichtete. Er schien verbittert, und Adrastos konnte es gut nachfühlen.
In der ganzen Welt verlieren die Menschen ihre Heimat. Sehen, wie sie von Flutwellen überrollt und von Verrat untergraben werden. Die Welt ist im Wandel, seltsame Dinge passieren. Die Geister zeigen sich, die Ahnen flüstern im Wind und überall scheinen sie zu warnen: Dieses Land ist nicht mehr sicher. Und sie, die Überlebenden, mussten es schützen.
„Druiden?“ fragte der Wanderer neugierig. Seinesgleichen war hier gewesen? „Was haben Druiden hier zu schaffen? Warum ein Wald?“ Mit immer mehr Verwunderung musterte er diesen wild wuchernden Dschungel.
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