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    Post [Story] Der Weg des Lee

    Vorwort


    Dies ist eine von drei geplanten Fortsetzungen des neuen neuen Lagers.
    In dieser Geschichte geht es vornehmlich um den Suchtrupp Lees, der bei Onar anheuern wird und von dem sich Teile den Magiern anschließen werden, bis zur Ermordung Rhobars durch Lees Schneide.
    Geändert von MiMo (31.03.2017 um 20:15 Uhr)

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    Kapitel I: Unterkunft


    "Wir sollten nicht allzu lange hier verharren", bemerkte Lee und der Rest schaute etwas ungläubig zu ihm herüber. "Ich habe das Gefühl, dass etwas passieren wird und ich glaube auch nicht, dass es etwas Gutes sein wird", endete er und schritt sogleich nach vorne. "Und wohin sollen wir gehen?", fragte Lares, doch Lee zuckte nur mit den Schultern und lief weiter, während der Rest sich ebenfalls in Bewegung setzte um nicht den Anschluss zu verlieren. "Irgendwas werden wir schon finden. Es gibt doch genug Höhlen und falls wir nichts finden können wir uns immer noch was verschaffen", winkte Lee ab, ohne sich dabei umzudrehen. "Toll, eine Höhle", grummelte Lares dabei und dachte zurück an die Tage im Alten Lager, als er eine eigene Hütte samt Einrichtung und weichem Bett sein eigen nannte. Er war frei, aber Freiheit und Zufriedenheit waren letztlich doch nicht aneinander gekoppelt, jedenfalls nicht bei ihm.
    Gemeinsam liefen sie den Weg an der massiven Felswand entlang, durch Büsche, Gras und Farne hindurch, in deren Tau sich die ersten Strahlen der Morgensonne spiegelten, bevor er in den Hosenbeinen der Banditen und Söldner aufgesogen wurde. Zwischendurch trafen sie auf die Leichen von einigen Scavengern, die ausgenommen herumlagen. "Die haben im Alten Lager wohl nichts zum Fressen gekriegt", bemerkte Cipher ulkend und erzeugte damit ein Lächeln auf den Gesichtern der anderen mit Ausnahme von Lee, der starr seinen Schritt beibehielt. Immer weiter liefen sie, bis hinter einer Felswand nach und nach das Dach eines Hauses erschien. "Endlich, da können wir vielleicht unterkommen", bemerkte Buster, doch Lee blieb erneut ruhig und schüttelte den Kopf. "Ich glaube eher nicht, dass man hier Sträflinge aufnehmen wird", äußerte er seine Bedenken. Noch einige Schritte waren zu gehen, danach war das Haus in seiner ganzen Pracht zu sehen. Ein Schild mit der Aufschrift "Zur toten Harpyie" hing davor und wies es eindeutig als eine Gaststätte aus. Doch an jenem Morgen schien es, als ob Wert auf geschlossene Gesellschaft gelegt wurde. Der Eingang war bis auf die Höhe der Brust mit Tischen und Stühlen verbarrikadiert worden. Oben reckten drei Männer, die sehr nach Bauern aussahen, ihre Köpfe samt Armen heraus, mit denen sie etwas unbeholfen an Bögen herumhantierten. Vor der Taverne stand zusätzlich noch ein stark aussehender, doch wenig gerüsteter Mann mit einer enorm großen Axt in der Hand. "Macht euch bloß vom Acker, ihr Gesindel oder ich spalte eure verdammten Schädel", brüllte ihnen dieser zu und die Bauern fuchtelten noch schneller mit ihren Bögen herum. "Sollen wir ihn erledigen?", fragte Jarvis, anstatt in Panik zu verfallen, seinen Führer, der sich noch umsah, um die Situation einschätzen zu können, laut, dass auch der Mann mit der Axt es hören konnte. Lee musterte das Gasthaus und danach den starken Mann, der, wie er bemerkte, zu zittern begonnen hatte. Er trug ein weißes Oberteil, mit einer Art grünen Weste darüber, dazu eine schwarze Hose. Seine Hautfarbe war leicht bräunlich und sein Haar kurz geschnitten. Doch das Wichtigste, das Lee in sein Auge fiel, war ein Spüllappen, der aus seiner rechten Hosentasche herauslugte. "Bist du der Wirt?", fragte er ihn kurzerhand. "Ähm...ja", bestätigte der Mann Lees Vermutung. Die Verunsicherung war dem Mann dabei immer mehr anzumerken, er war es offensichtlich nicht gewohnt, mit solchen großen Banditentruppen zu tun zu haben, was man ihm aber auch nur schwerlich vorwerfen konnte. "Dann gib uns eine Unterkunft und was zu essen, wir bezahlen auch", bot Lee ihm an, doch der Wirt plusterte sich dabei wieder auf. "Kommt gar nicht in Frage. Halunken unterstützen wir nicht", tönte er mit einem Mal wieder laut und Lee verengte überdies seine Augen zu Schlitzen. "Das heißt, du lässt gesuchte Verbrecher einfach weiter ziehen, ohne den Versuch gemacht zu haben, sie aufzuhalten?", fragte er trotzig zurück. "Wir könnten euch auch umbringen", antwortete der Mann mehr oder minder überzeugt und Lee wurde wieder ernster. "Solltet ihr das versuchen, werden wir einfach um die Ecke gehen und dieses Haus hier bis auf die Grundmauern abbrennen", drohte Lee und hoffte darauf, dass der Mann nun endlich einknicken würde. "Solltet ihr bei mir euer Quartier beziehen, schlage ich euch, sobald ihr schlaft eure Köpfe ab, also verschwindet endlich", rief er allerdings selbstsicher zurück und Lee begann zu verstehen, dass es kaum möglich sein würde in das Hotel zu kommen. "Kommt, wir suchen woanders was", wandte er sich an seine Truppe und der Vorschlag wurde blutleer abgenickt. "Ja, macht euch bloß vom Acker", rief der Wirt ihnen noch hinterher, als sie in den Wald abbogen, doch keiner achtete mehr auf ihn. Stattdessen schritten sie in den Schatten der Bäume, stets ihrem Anführer Lee hinterher, der weder Rast noch Ruh zu kennen schien.

    Da plötzlich preschte eine Molerat aus dem Unterholz hervor und fiel Buster an, der sich zwar mit einem Seitensprung zu retten versuchte, jedoch am Fuß noch von dem Gebiss der verfetteten Ratte erwischt wurde. Ein lauter Schmerzensschrei entfuhr ihm dabei, während Jarvis der Kreatur mit einem Schrei der anderen Art den Schädel zertrümmerte. Mit einem lauten, gurgelnden Fiepen ging die Molerat zu Boden und blieb reglos liegen. Die Anderen versammelten sich um Buster, welcher sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das Bein hob. Er verdeckte mit seinen Händen die Wunde, doch das Ausmaß der Verletzung war auch so abzuschätzen, denn unter seine Händen floss das Blut seine Wade hinab und zwischen dem Zeige- und Mittelfinger seiner linken Hand ragte eines der Steakmesserzähne der Molerats heraus. "Scheiße tut das weh", jammerte Buster und wippte mit dem Oberkörper nach vorne und zurück. "Lass mal sehen", gesellte sich Cipher zu ihm und kniete sich hin, um darauf die Hände Busters zur Seite zu schieben. Unter ihnen klafften dünne, aber tiefe Löcher. Aus einem von ihnen erhob sich noch eines der Tötungswerkzeuge. Cipher murmelte etwas vor sich hin, dann rief er plötlich laut "Wolf", dass alle auf einmal erstarrten vor Überraschung, mit Ausnahme Ciphers der blitzartig den Zahn aus Busters Bein herauszog und während die anderen wieder beruhigt und etwas wütend auf ihn sahen, diesen zum Zeichen des Triumphs in die Höhe hielt. "Also das hätte es jetzt nicht gebraucht", versuchte Buster seine Härte zu beweisen, doch Cipher nahm dies nur mit einem dreckigen Grinsen zur Kenntnis. "Kann ihn dir gerne wieder reinstecken", schlug er vor und Buster verstummte auf der Stelle. "So, ich brauch dann mal ein Tuch und irgendeinen Ast oder ein Brett", bezog er nun den Rest mit ein, voll des Eifers, den er zu Beginn seiner Koloniezeit als Jäger besessen hatte. Doch der Rest stand nur etwas verblüfft herum. Erst als Cipher räuspernd seiner Ungeduld Ausdruck verlieh, erklärte sich schließlich Torlof dazu bereit, sich umzusehen. Eilig verschwand er hinter der nächsten Tanne, während Cipher die Blutung durch festes Drücken zu stoppen versuchte. Bald hörten sie ein lautes Krachen und einen Moment später erschien Torlof wieder mit einem perfekten Brett und reichte es Cipher der ein Stück seiner Rüstung abschnitt und mit dem Brett einen Kompressionsverband um das Bein von Buster legte. "So, weiter gehts", erklärte er zum Abschluss und half Buster auf die Beine. Cord kam herbei und klopfte Cipher auf die Schulter. "Nicht schlecht, hab ehrlich gesagt nicht gedacht, dass du so etwas könntest", lobte er Cipher, der schweigend genoss. Zusammen kamen sie voran und an einem Friedhof vorbei. Ein leichter Nebel zog sich durch die Grabsteine hindurch in den Wald hinein und verdeckte die Knöchel der Söldner und Banditen. "Woher hast du eigentlich das Brett gehabt?", fragte Cipher Torlof im Gehen, der hinüber auf das Gelände des Friedhofs sah. Cipher folgte seinem Blick und sah einen abgebrochenen Kriegerpflock. Cipher war nie besonders religiös oder sonst in irgendeiner Weise gläubig gewesen. Vor der Grabesruhe hatte er dennoch ein Mindestmaß an Respekt. Doch er blieb still. Schließlich hatte er damit einem noch lebenden Menschen helfen können. Und war es nicht wichtiger, im Leben etwas zu bewirken und nicht im Tod? Die Antwort dachte er dabei zu kennen, auch wenn er sich nicht sicher war, wusste er schließlich nicht, was nach dem Tod geschah. Denn auch wenn er nicht den Piestern folgte, waren die Theorien eine Überlegung wert, allerdings nicht an jenem Tag zu jener Zeit und jenem Ort, an dem er sich befand, also lief er einfach wieder mit dem Rest der Truppe mit.

    Langsam zog der alte Friedhof an ihnen vorbei und sie gelangten an eine kleine Höhle, aus der einzelne Goblinlaute an die Ohren von Lee und seinen Männern drangen. "Sollen wir sie säubern?", fragte Torlof Lee. "Irgendwo müssen wir ja unterkommen, Buster wird so kaum weit kommen", legte er nach und sah dabei auf den Verletzten, der auf einem Bein herumhüpfte. Lee überlegte einen Moment, denn in der Umgebung von Friedhöfen, war meistens nichts Gutes zu erwarten, warf aber kurz darauf seine Bedenken über Bord. "OK, machen wir diesen Goblins den Garaus", rief er den anderen zu und einer nach dem anderen, mit Ausnahme Busters, zog sein Schwert aus der Scheide. Gemeinsam stürmten sie in die Höhle, doch mussten nur kurz darauf geschockt feststellen, was sich darin befand. Ein ganzer Haufen untoter Goblinskelette, zusammen mit einem dunklen Skelettkrieger stürmten auf sie zu und noch bevor sie sich regen konten, hatten die Goblins Cord umringt und schlugen mit ihren Knüppeln auf seine Oberschenkel ein, dass er, bevor er auch nur einen Hauch seines Könnens im Schwertkampf hätte zeigen können, in die Knie ging. Eines der Skelette hob dabei den Stock an, um in sein Gesicht zu treffen. Doch gerade noch rechtzeitig trat Lares es mit Anlauf zur Seite und schlug einem der anderen Exemplare mit seiner Axt drei Rippenknochen aus dem Gerüst. Cord erhob sich mühsam wieder und schlug einem der Untoten den Schädel vom Kopf, worauf der Rest des Goblins krachend gegen die Höhlenwand rannte. Doch währenddessen war bereits der Schattenkrieger aus dem Loch im Felsen herausgeprescht und hatte sich den ebenbürtigsten Gegner ausgesucht, den er wohl finden konnte. Mit einem mächtigen Hieb ging er Lee an, der in Eile seine Axt der langen, sauberen Schneide des Skeletts entgegenschlug. Ein lautes metallisches Geräusch erklang und Lee beobachtete, wie das Schwert sich in seinen Axtkopf drängte, bis es bei der Länge eines kleinen Fingers im Eisenkopf stecken blieb. Der Schattenkrieger grinste dabei zwar, wie es für ein Skelett typisch war, doch offensichtlich stellte dies auch für ihn keine gute Entwicklung der Dinge dar. Mit kräftigen Rucken versuchte er sein Schwert von der Axt zu trennen, während Lee hingegen durch den Versuch einer Drehung der Axt genau dies verhinderte. Einige Sekunden ruckelten die Beiden so herum, ohne sich dabei vom Fleck zu bewegen, bis Wolf hinzukam und mit seinem Morgenstern die Hand des Schattenkriegers, die am Schwert zog, abschlug. Nicht davon angetan, revanchierte sich dieser augenblicklich mit einem Schlag des Armstumpfs in Wolfs Magengegend. Doch noch bevor er zum zweiten Angriff ansetzen konnte, drosch Lee mit seiner Axt samt Schwertanhängsel auf den Helm des Untoten ein, dass es dessen Schädeldecke zertrümmerte und die Schneide den Weg nach unten, direkt durch die Schulterblätter hindurch, suchte. "Elende Höllenkreatur", brüllte Lee ihn dabei laut an und zeigte damit das erste Mal seit dem Abmarsch aus dem Tal etwas wie einen heiteren Gefühlsausdruck. Der Krieger wankte ziellos umher, auf der Suche nach etwas Greifbarem, während Wolf und Lee sein Skelett stückweise demontierten. Torlof, Jarvis und Cipher hatten sich in der Zwischenzeit zu Cord und Lares gesellt und standen inmitten eines Ringelreins von untoten Goblins, von denen einige zeitweise ausscherten um einen schmerzhaften Nadelstich zu setzen. Sie selbst standen Rücken an Rücken, doch konnten aufgrund der Schnelligkeit der Goblins sich kaum wehren. "Was sollen wir tun?", fragte Cipher verunsichert an den Rest gewandt. Cord besah sich die darauf die Lage etwas, während Lares ein weiteres Mal erfolglos nach einem heranstürmenden Goblinskelett ausholte. "Wir müssen gemeinsam in eine Richtung rennen und uns dabei untereinander bremsen, damit wir zur Seite schlagen können, so dürften wir zumindest ein paar erwischen", antwortete Cord schließlich, als er zu dem Schluss gekommen war, dass er genug gesehen hatte. "Dann lasst uns diese Zwerge endgültig zu Beliar schicken", brummte Jarvis und der Rest nickte zustimmend. Danach verließen sie ihre Stellungen und stürmten los, während die Goblinskelette zur Seite sprinteten. Doch zwei von ihnen kreuzten die Laufwege der Söldner und Banditen, und fielen getroffen zu Boden, wo ihnen Torlof und Cord mit jeweils einem schnellen Schlag den Schädel zertrümmerten und die Goblinskelette unter einem halberstickten Schrei endgültig ihr Leben aushauchen ließen. Die restlichen Goblinskelette, es waren fünf an der Zahl, standen hinter ihnen und schienen ebenfalls eine neue Taktik gewählt zu haben. Sie stürmten mit erhobenen Knüppeln wild auf die Kämpfer los und brüllten irgendetwas kaum Verständliches dabei. Doch da sich die Söldner davon nicht beeindrucken ließen und die Goblins offenbar nicht daran gedacht hatten, wer denn im direkten Vergleich die Oberhand behalten würde, war ihr Ende nur wenige Sekunden darauf besiegelt, als ihre Knochen sich gleichmäßig auf dem feuchten Höhlenboden verteilten. Als schließlich auch der letzte Untote wieder zurück zu Beliar gefahren war, kamen sie zusammen und atmeten einmal tief durch. Auch Buster, der aus Neugier an der Seite des Höhleneingangs Stellung bezogen hatte, verließ seine Deckung wieder und trat an den Haufen um Lee heran. "Was für ein Alptraum", keuchte Cord, quasi als Schlussstrich unter das Gefecht. "Und eine Unterkunft haben wir noch immer nicht gefunden", ergänzte Jarvis. "Wieso, die Höhle ist doch jetzt sauber?", wunderte sich Torlof über die Aussage, doch stand damit relativ alleine da. "Also ich werde hier definitiv nicht schlafen, damit das mal klar ist. Am Schluss sehen wir am nächsten Tag auch so aus wie der", weigerte sich Buster lautstark und zeigte auf die Überreste des Schattenkriegers. "Ich denke auch, dass das keine gute Idee sein dürfte", bekräftigte Lee. "Mit Beliar ist nicht zu spaßen." Sie verließen die Höhle wieder gen des sich langsam verdunkelnden Waldes.

    Lee sah sich etwas um. Er sah Tannen, Buchen, Fichten und Eichen und einen schwarzen, sanften Waldboden. Hinter ihnen lag der Friedhof und noch etwas weiter die Taverne, in die sie nicht eingelassen werden würden. Links konnte er in einiger Entfernung den Weg erkennen, den sie vom Hochplateau ausgehend beschritten hatten. Er wandte seinen Blick nach rechts. Auch dort war dichter Forst, doch nicht weit von ihnen entfernt sah es so aus, als ob die massive Felswand, vor der sie standen, eine Lücke hatte. "Kommt mal mit", forderte Lee den Rest seiner Truppe auf und winkte sie zu sich her, während er bereits zügig anfing auf sein Ziel zuzugehen. Die Anderen folgten ihm mit etwas Abstand, Buster dabei humpelnd mit noch etwas mehr davon. Immer näher kam Lee, der Stelle, die er fest mit seinen Augen fixiert hatte, bis er freie Sicht auf einen schmalen Durchgang hatte, der sich tief zwischen zwei hohen Felsen hindurchbohrte. Langsam trafen auch die Anderen ein und besahen sich ebenfalls den Weg. "Das dürfte ein gutes Versteck bieten. Diesen Weg findet sicher niemand", bemerkte Lee und der Rest schaute noch einmal genauer hin, um das im jeweiligen Kopf bestätigen zu können. "Was stehen wir dann hier eigentlich rum, gehen wir", ereiferte sich Jarvis und so liefen sie gemeinsam hintereinander den Weg durch das Gestein hindurch.

    Es brauchte nicht lange, bis sie gemeinsam einen Hauch von Zivilisation erblickten. Eine etwas brüchige und alte Hütte lugte zu ihrer Linken vor der braunen Naturwand hervor und je weiter sie kamen, desto stärker wurde auch der intensive Geruch von gebratenem Fleisch, gemischt mit dem von Rosmarin. Sie liefen noch einige Schritte, dann sahen sie auch die züngelnden Flammen, die unter einem vollbelegten Rost wild umherzüngelten. Vor dem Lagerfeuer saß ein älter wirkender Mann mit Falten im Gesicht und einem zerzausten, langen Bart. Er trug die Kleidung eines Bauern, doch war sie schon etwas in Mitleidenschaft geraten und an so mancher Stelle ausgefranst oder hatte Löcher. Konzentriert sah er auf sein besonders vollwertiges Abendbrot, von dem man gar nicht glauben konnte, dass er allein imstande gewesen wäre, es überhaupt in seinen Magen zu bekommen und bemerkte die Söldner und Banditen zunächst nicht, bis Lee sich vermerklich räusperte. "Entschuldigt, aber dürfen wir bei Ihnen Unterschlupf suchen?", fragte er laut, als er die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich gelenkt hatte. Der ältere Herr hatte aufgesehen und beschaute sich nun mit regloser Mine den Rest der Truppe, bis er mt Buster am Ende angelangt war. Ein breites Grinsen zeichnete sich bei dessen Anblick auf seinem Gesicht ab. Er ließ seine Augen wieder zurückwandern und auf einmal rief er heiter die Mannen um Lee zu sich. "Natürlich, tu ich das. Marlon hat immer ein offenes Haus und ein Feuerchen für Wanderer." begrüßte er sie und stand dabei auf, immer noch mit nach oben gezogenen Mundwinkeln. Lee sah bei dieser Vorstellung auf Torlof, der jedoch nur die Schultern zuckte. "Also Männer, wir hätten jetzt ein Quartier, zumindest bis Morgen", verkündete er den anderen, die darauf langsam zum Lagerfeuer von Marlon gingen. Lee blieb noch etwas stehen und schaute nochmal auf das Gesicht ihres neuen Gastgebers. Er grinste noch immer.
    Geändert von Oblomow (05.01.2020 um 14:08 Uhr) Grund: Editgeschichte!!!!!!!!!!!!

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    Kapitel II: Marlon



    Sie setzten sich alle auf den Boden neben das Lagerfeuer und machten Fleischbeschauung im wahrsten Sinne des Wortes. Die Steaks waren braun und bekamen an den Kontaktstellen mit dem eisernen Rost bereits schwarze Streifen. Fett tropfte von Zeit zu Zeit in das Feuer und verdampfte oder verbrannte mit einem kleinen Knacken. "Es ist bald fertig, ein Glück, dass ich heute etwas mehr als sonst auf den Grill geschmissen habe", sprach Marlon, während den Kriegern das Wasser im Mund zusammenlief. Einige von ihnen fingen sich jedoch bei diesen Worten wieder und sahen sich genötigt, dem Gastgeber die Beachtung zu schenken, die er verdient hatte. "Leben Sie hier eigentlich alleine?", fragte Wolf interessiert und Marlon setzte ein gütliches Lächeln auf. "Ja und zwar schon seit einigen Jahren. Gewisse Eigenheiten von mir waren nicht gerne gesehen und da dachte ich mir, ich haue besser ab, das wäre für die Anderen und vor Allem für mich besser. Ich hatte immerhin schon erlebt, dass ein junger Bauer in die Barriere geschickt wurde, nur weil er sich zu oft mit den Tieren herumtrieb und das den Leuten verdächtig vorkam", erzählte Marlon herunter. "Aber ich muss sagen, es gefällt mir hier, niemand stört mich und das Schicksal gönnte mir immer genug zum Leben", endete er und Wolf nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. "Wie oft verirren sich denn Leute zu dir", erkundigte sich daraufhin Lares. "Oft genug", antwortete Marlon etwas kurz angebunden und wirkte etwas nervös, sodass Lares auch darauf verzichtete nachzuhaken, war es doch ohnehin nur ein Gespräch der Höflichkeit. Marlon warf zudem seinen Blick wieder auf das Fleisch und wendete es mit zwei Holzlöffeln zur Kontrolle. "Das Essen ist fertig", informierte er, als er es als durch genug befand, die hungrigen Kämpfer und verteilte reihum ein paar Holzplatten, die sein Geschirr darstellten.

    Eifrig bedienten sich die Flüchtlinge und bissen mit Appetit in das Produkt von Marlons Arbeit am Grill. Genussvoll kauten sie auf dem Fleisch herum und sogen das verflüssigte Fett über die Zunge in Richtung Magen. Ein Ausdruck von Zufriedenheit zeichnete sich auf ihren Gesichtern ab. "Schmeckt wirklich gut", lobte Jarvis. "Etwas wie Hühnchen, nur zarter", ergänzte Torlof und verleibte sich ein weiteres Stück ein. "Was ist das denn für Fleisch", fragte Cord Marlon und Marlon ließ sein Brett in den Schoß sinken. "Nun, es kommt hier immer wieder was vorbei, oft auch Warane", gab er von sich und sah etwas betroffen auf Cord. "Waranfleisch also...", murmelte dieser "...hätte nicht gedacht, dass die überhaupt genießbar sind, man lernt wirklich immer etwas dazu...", führte er seine Gedanken weiter fort und Marlon fing wieder an zu lächeln. Gemeinsam aßen sie ihr Essen fertig. Allein Buster bekam das Mahl nicht. Er hatte noch etwas weniger als die Hälfte seines Fleischstückes auf seinem Holzstück liegen. "Isst du das noch?", erkundigte sich Jarvis kurzerhand und bediente sich ebenso schnell, als Buster schnaufend abwinkte, von dessen "Teller". Als schließlich auch der letzte Bissen verspeist war, sammelte Marlon die Bretter wieder ein und lief in einen Schuppen, der direkt hinter seiner Hütte lag, um sie dort zu verstauen.

    "Was haltet ihr von dem Kerl?", fragte Cord, als er sich außer Hörweite schätzte. "Ist ein dufter Typ, auch wenn er etwas seltsam wirkt. Ich kenn mich mit Leuten aus", gab Jarvis zurück "oder was meinst du, Lee?" Lee sah starr in die Ferne. "Irgendwas ist seltsam an ihm, aber ich glaube nicht, dass er für uns gefährlich werden könnte", tat Lee seine Meinung kund und der Rest der Truppe wurde wieder still um darüber nachzudenken. Es war ohnehin nichts mehr zu sagen, denn Marlon kam mit zwei übergroßen Bierflaschen und Holzbechern wieder aus seinem Verschlag zurück. "Ich dachte, wir könnten unser freudiges Treffen gemeinsam begießen", schlug er den Anderen vor, die mehr als nur gewillt waren, dieses Angebot anzunehmen.

    Marlon goss die Becher bis zum Rande hin voll, dass das Bier über die Kante lief und sich auf das schäbige Tablett, auf dem alles angeordnet war, floss. Lachend verteilte er sie unter den Anwesenden und erhob selbst den Becher zum Toast. "Auf den Genuss", sprach er und der Rest hob zögernd den Becher. Sie stürzten das Bier ihre Kehlen hinab und schenkten sich danach erneut ein. Derweil suchte sich Marlon einen Platz und fand ihn schließlich zwischen Buster und Cipher. Der Tag näherte sich bereits seinem Ende. Die Sonne stand tief und die Fliegen hoben von ihren Grashalmen ab, um um das Feuer herumzuschwirren. "Und woher kommt ihr so?", begann er nach all den Stunden das Ruder an sich zu reißen. "Wir sind, wie du vielleicht an der Kleidung bemerkt hast, Sträflinge aus der zusammengebrochenen Kolonie, die hierher geflohen sind", beantwortete Lee diese Frage schnell und sachlich. "Man könnte euch ja dann fast als vogelfrei bezeichnen, wenn ich das richtig verstehe?", hakte Marlon nach. Lee zögerte etwas verunsichert, doch schließlich befriedigte er Malons Interesse. "Die Milizen würden uns vermutlich wieder als Schürfer benutzen, wenn sie uns fänden, aber sonst sind wir vogelfrei. Dem hohen Richter würde unser Tod wohl egal sein, so wie ich ihn kenne", sagte Lee mit einem etwas bitteren Unterton gegen Ende. "Und wenn nicht, würde er gegen fünf Goldstücke sowieso die Schnauze halten", spottete Wolf grölend und erhob sogleich seinen Krug. "Auf den Richter", brüllte er fast und man merkte, dass seine Zunge vom Alkohol gelockert worden war. Doch der nicht minder berauschte Rest erhob wie er die Krüge und schluckte den Rest hinab. Allein Lee und Marlon hielten sich zögernd etwas zurück, auch wenn bei Lee mehr der die in alten Tagen angeeignete Seriosität und nicht etwa ein nüchterner Kopf die Ursache dafür war. Bei Marlon hingegen lag es daran, dass er nur beim Nippen an seinem einen Holzkrug verblieben war, was ihn jedoch nicht minder heiter erscheinen ließ.

    Der Abend schritt fort und die Söldner und Banditen begannen miteinander zu reden. Lares breitete zusätzlich noch seine erhaschte Beute aus dem Sumpflager aus. Die Anderen ließen die Beutetrophäen fasziniert umherwandern. Kleine Metall-und Goldfiguren befanden sich darunter, Säckchen mit Gold und reich verzierte Dolchscheiden. Das Hauptaugenmerk fiel jedoch schnell auf einen einfachen Erzbrocken, der vage die Form eines Gesichts zeigte. "Sieht aus wie Marlon", bemerkte Jarvis dabei und im gesamten Kreis kam Gelächter auf, bevor sie wieder in einen angeregten Plausch unter sich hielten und auch Marlon fing nun an, redseliger als zuvor zu werden. "Und weshalb seid ihr in die Barriere gekommen?" fragte er seine beiden Nachbarn, von denen sich Buster als erstes zu Wort meldete. "Ich habe ahnungslose Reisende bei Nacht durch gefährliches Berggebiet geführt. Jedenfalls habe ich ihnen das gesagt. Ich riet ihnen, immer meiner Stimme zu folgen. An einer tieferen Schlucht, die ich wie meine Westentasche kannte, bin ich dann mit einem sehr langen Sprung darübergehüpft und diese Trottel sind, als ich sie rief, blind hinuntergestürzt. Da man die Schlucht auch zu Fuß erreichen konnte, war das ein lukratives Geschäft ihre Leichen zu plündern. Zu meinem Unglück hat nur mal einer, ohne, dass ich es bemerkt hätte überlebt und verriet mich. So kam ich in die Barriere", erzählte Buster seine Geschichte, die Marlon mit weit geöffneten Ohren und Augen verfolgte. "Dann hast du ja in deinen Schenkeln sicher viel Muskelfleisch", erkundigte sich Marlon noch und Buster verzog seine Augenbrauen. "Äh...ja", kam als Antwort aus seinem Munde heraus, bevor er irritiert den Kopf schüttelte um sich wieder zu fangen.

    Marlon hatte in der Zwischenzeit seinen Blick auf Cipher gerichtet, der mit etwas Wehmut in der Stimme begann, von seiner Vergangenheit zu berichten. "Ich war Mitglied einer größeren Bande. Wir haben illegal Drogen angepflanzt und sie den Junkies im Armenviertel verkauft. Das bessere Zeug ging an die reichen Schnösel, die es sich meist auf irgendwelchen Feiern reingepfiffen haben. Hin und wieder wurde einer erwischt, das waren aber meist die Neulinge. Und eines Tages hat ein reicher Kunde mich eben verraten. Es war ein Spitzel der Milizen. Aber in der Barriere konnte man damit auch noch ganz gut leben. Wenn man nicht, wie ich, selber alles verraucht hätte...", endete Cipher. "Du warst abhängig?", schoss Marlon gleich noch eine Frage hinterher. "Ja, inzwischen bin ich aber denke ich geheilt", gab Cipher zurück und Marlon wackelte mit dem Kopf auf und ab. "Wäre ja auch wirklich schade um so ein Prachtstück", sagte er mit einem Ton, den Cipher nicht genau einordnen konnte und so verfuhr er ähnlich wie wenige Augenblicke zuvor Buster.

    Langsam griff er nach seinem Bierkrug und trank einen guten Schluck daraus. Ihm war sein Gastgeber nicht geheuer. Er sah auf sein Gesicht. Marlon schaute ihn an, wie einen saftigen Braten oder wie ein Mann eine Frau, wen er an ihr seine fleischlichen Gelüste befriedigen wollte. "Was will der bloß?", fragte er sich innerlich, als ihm Marlon sich plötzlich seinem rechten Ohr näherte. "Ich glaube, du bist ein ganz besonderes Exemplar", flüsterte er ihm in die Ohrmuschel, wo die Wörter in den Schädel eindrangen und durch Ciphers Gedanken hallten. Seine Überzeugung wuchs mehr und mehr, dass etwas ganz und gar nicht stimmen konnte. Er hatte schon einiges gehört, auch über Liebe unter Männern, was für ihn immer ein Gräuel gewesen war. Und in Cipher stieg die Befürchtung, dass er in dieser Weise kurz vor seiner Entjungferung stand. Wie zur Bestätigung spürte er plötzlich, wie eine Hand langsam von seinem Unterschenkel nach oben strich. Erstarrt lugte er etwas nach rechts. Es war eindeutig Marlon. Cipher war sich nicht sicher, glaubte aber zu erkennen, wie seine Lippen "So zart" formulierten. Er hoffte, dass Marlon aufhören würde, doch dieser schien nicht die Absicht zu haben, dies zu tun. Immer weiter wanderten seine Finger nach oben, bis sie kurz vor seinem Gemächt angekommen waren und auf einmal konnte Cipher nicht mehr länger an sich halten. Ruckartig, wie ein Pfeil erhob er sich und zog die Aufmerksamkeit dabei auf sich. Doch er scherte sich nicht länger darum, sondern lief nur um den Kreis am Lagerfeuer herum, um dann zu verschwinden. "Wo willst du denn hin?", rief Jarvis ihm hinterher und noch einmal blieb Cipher stehen. "Ich penn' lieber mit untoten Skeletten, als hier", brüllte Cipher zurück und zeigte auf Marlon, der dabei einen Ausdruck von Betroffenheit und Trauer auflegte. Dann stapfte er in die fast schon vollkommene Dunkelheit des Waldes davon. "Was ist denn mit dem los?", fragte Jarvis in die Runde und ringsum wurden die Schultern nach oben gezogen. Danach wurde ein weiterer Schluck Bier eingenommen.

    Cipher hatte genug gesehen und stapfte den Weg zwischen dem Sandstein zurück. Das erschreckendste war für ihn aber nicht einmal die Kontaktsuche des alten Mannes, sondern vielmehr, seine eigene Erregung. Er sah an sich nach unten. Die Beule an seinem Schritt war noch immer nicht zur Gänze verschwunden. Der Gedanke, dass er selbst einer der geächteten Schwulen sein konnte, erfüllte ihn mit Angst. Er versuchte sich schnell an eine große Liebe zu einer Frau zu erinnern, doch zu seinem Unglück fielen ihm nur ein paar Mädchen aus dem Freudenhaus ein, die ihn nicht sonderlich befriedigt hatten. Bei genauerer Betrachtung war er doch nur wegen der Anderen seiner Gang überhaupt in jenes Haus gegangen. Er erinnerte sich an das hübscheste Mädchen, das ihm einfiel. Sie war neu, ihre Haut war glatt und ihr Gesicht strahlte noch eine Reinheit und Frische aus, die sie trotz ihres Berufes noch jungfräulich wirken ließ. Nicht er hatte sie ausgewählt, sondern sie ihn, sie hatte ihn zu sich gewunken. Ob das daran lag, dass er einfach nur frei war, oder seine Kumpanen bullige Monster waren, das wusste er nicht. Sie hatte ihm die Kleider vom Leib gerissen und ihm ihre blassen Brüste mit ihren zierliche Brustwarzen vor das Gesicht gehalten. Er hatte sie geleckt und sie hatte ihn in sich aufgenommen und stöhnend bis zum Orgasmus geritten. Und obwohl es ihr Beruf war und obwohl er nur einer von vielen war, erkannte er in ihrem Gesicht ein Gefühl, das weit stärker und ekstatischer war, als alles, was er je empfunden hatte. Cipher fühlte sich bei dem Gedanken daran unglücklich. Er hatte viel gehabt, doch nicht das, was beim Rest der Welt vollkommen normal war. Wie zur Unterstützung seiner Gedanken sah er sich plötzlich wieder vor der Grabeshöhle.

    Schlecht gelaunt sah er auf den fast komplett verdunkelten Eingang und schritt hinein. Zunächst sah er nichts. Seine Augen mussten sich trotz der schon fortgeschrittenen Dämmerung an die neue Umgebung gewöhnen, doch als sie damit abgeschlossen hatten, erkannte er ein paar Särge vor sich. Er verdrängte die Gedanken ob seiner Sexualität in die hintersten Winkel seines Gehirns und wandte sich der neuen Situation zu. Sollte er bald einschlafen, vielleicht gehörten diese wirren Erörterungen am nächsten Tag schon der Vergangenheit an. "Dann wolln wir mal Probe liegen", sagte Cipher zu sich selbst und setzte an einem steinernen Sarg an, um den Deckel weg zu schieben. Das Geräusch von aneinander reibendem Stein ertönte und Cipher stöhnte von der Anstrengung, bis ein Spalt frei geworden war, in den er hineinpasste. Im Sarg selbst lag jedoch keine Leiche, keine Erde und erst Recht keine Asche, wie es die Priester sonst behaupteten. Er war schlicht und ergreifend vollkommen leer. "Ich liebe Untote", grummelte Cipher vor sich hin und kramte zur Entspannung seiner Nerven das einst mitgenommene Paket Sumpfkraut unter seiner Rüstung hervor. Sorgfältig drehte er sich einen Stengel und sog die Drogendämpfe in drei Zügen in seine Lunge hinab. "Scheiß auf Entzug, das hats jetzt gebraucht", bemerkte er zufriedener als zuvor und stieg in das Steinbett. Es war etwas länger als er selbst und ließ auch in der Breite etwas Platz, dass Cipher sich wenden konnte. Er drehte sich kurzerhand auf die Seite und bettete sein Haupt auf den angewinkelten Armen. Und egal, wieviel Angst andere bei solch einer Bettstatt verspüren mochten, so unbeschwert und angenehm leicht schlief Cipher ein. Er träumte davon, wie er allein auf Marlon traf, der lachend vor seinem Grill stand und dieser ihn zu sich lud, von dem Mädchen aus dem Puff, wie es ihn dafür tadelte und von den Drogenfeldern seiner alten Kumpel, durch die er wie ein Engel hindurchhüpfte und schwebte, bis plötzlich riesengroße Stiefel ihn und das Kraut zertrampelten.

    Lee und seine Truppe saßen zusammen mit Marlon noch eine Weile zusammen. Es kümmerte niemanden, dass Cipher weg war, genau so, wie sie der Grund dafür nicht interessierte, da jeder der Überzeugung war, dass er wie ein wütendes Kind ohnehin wieder angedackelt kommen würde, sollte es ihm allein zu ungemütlich werden. Und aufgrund des einzig sonstigen, verfügbaren Schlafplatzes zweifelte keiner daran, dass dies eintreten würde. Marlon hatte in der Zwischenzeit noch eine weitere Überraschung aufgefahren: Eine Flasche besten Wacholders. Der Weg von dieser führte einmal im Kreis umher und jeder nahm einen kleinen Schluck daraus, bis sie wieder bei Marlon angekommen war. Die Nacht streckte immer stärker ihre Fühler aus und schließlich, als Lares und Jarvis aus Langeweile zu einem primitiven Schlagspiel, bei dem es darum ging, wer Schläge auf den Oberarm länger aushielt, übergegangen waren, sah Lee die Zeit gekommen sich nach einem geeigneten Schlafplatz zu erkundigen. Gemächlich lief er zu Marlon und tippte ihm auf die Schulter, dass dieser seinen Kopf zu ihm wandte. "Ich denke, wir wollen jetzt schlafen, habt Ihr einen geschützten Raum zur Unterkunft und vielleicht auch noch ein paar Decken?", fragte er den alten Mann. "Macht einfach die Tür da hinten auf, dann steht Ihr in einer Höhle. Da dürften auch noch ein paar Strohmatten liegen, die ich in meiner Freizeit gemacht habe", entgegnete Marlon und zeigte dorthin, wo sich das Gewölbe befinden sollte. Lee bedeutete den Anderen, dass sie sich erheben sollten und langsam standen sie von ihren Plätzen auf. Knochen knackten und vereinzelt hörte man ein Stöhnen. Cord beklagte sich dazu noch über ein eingeschlafenes Bein und trampelte mit dem Fuß auf dem Boden herum, bis dieser wieder wach geworden war. Gähnend bedankten sie sich bei Marlon für die Gastfreundschaft, bevor sie Lee folgend in die Höhle spazierten. Marlon sah ihnen dabei hinterher und lächelte freundlich. Als sich die Tür schloss, grinste er.

    Im Inneren machten es sich die Banditen und Söldner derweil gemütlich und breiteten im Licht der Fackel, welche Cord hereingetragen hatte, die Strohmatten aus, die sich als so breit entpuppten, dass fast zwei Personen darauf passten. Das änderte aber nichts daran, dass sich jeder einer von ihnen bediente und sich damit auf den sonst harten Höhlenboden bettete. Lares legte noch den sperrigsten Teil seiner Beute auf den Boden vor sich, weil sie ihn beim Schlafen störte. Danach löschte er, stellvertretend für alle, die Fackel. Binnen weniger Minuten drang lautes Schnarchen durch den sonst toten Fels. Sie alle sollten einen tiefen und festen Schlaf haben, bis auf Buster, der tief in der Nacht erwachen und sich gefesselt in seiner Matte wiederfinden sollte, dabei das Geräusch eines Schleifsteines im Ohr.

    Cipher schreckte hoch und schlug sich dabei auch gleich den Kopf schmerzhaft am Sargdeckel an. Er rieb sich die Stirn und kam wieder etwas zur Ruhe. Aus der Ferne hörte er das Trampeln von Stiefeln und lautes Geschrei von Befehlen. Er hob sein rechtes Bein in die Höhe, dass es auf dem Rand des Sarges Platz nahm und zog sich aus der Steinkiste heraus. Ein kleiner Lauf durch das Dickicht brachte ihn schnell in Sichtweite der Geräuschquelle. Durch den Wald schimmerten die Lichter von Fackeln und erhellten alles. Schnell, aber darauf bedacht nicht aufzufallen pirschte er in ihre Richtung, bevor er hinter einem Baum stehen blieb. Ein ganzes Heer von Paladinen und Milizen zog an seinem Auge vorbei. Am Ende des Zuges marschierten Leute aus dem Alten Lager, deren Flucht offensichtlich misslungen war. Wütenden Milizionäre trieben sie mit Peitschenhieben nach vorne. Die Rücken der Erhaschten waren extra dafür frei gemacht worden und Blut floss von diesen hinab. Etwas abgesetzt vom Zug lag ein Gefangener auf dem Bauch. Er sah geschwächt und ausgehungert aus, doch der Milizionär gab ihm keine Pause und nichts zu essen, sondern ließ die Peitsche stattdessen ein ums andere Mal auf seinen wehrlosen Körper herniederfahren. Mit seinen Stiefeln trat er ihm in die Seite, bis er bemerkte, dass der Zug sich etwas entfernt hatte. Als dies geschah griff er nach seinem Schwert und stach es der armen Gestalt von hinten durch den Rücken direkt ins Herz. Ein letztes Stöhnen entrang sich noch aus der Kehle des Sträflings. Zu mehr war er nicht mehr imstande, bevor er zu Beliar fuhr. Der Milizionär steckte sein blutiges Schwert wieder zurück in seine Scheide und spuckte angewidert auf sein Opfer, bevor er losrannte, um wieder Anschluss an den Zug zu finden. Cipher hatte bei diesem Anblick instinktiv seinen Bogen gezückt und auf den Soldaten gerichtet, doch als er an seinem Baum vorbeilief blieb seine Hand starr. Er konnte es sich nicht erlauben aufzufallen, wollte er nicht wie der arme Teufel, dessen Blut zu allen Seiten weglief, enden. Außerdem war es in seinen Augen seine Pflicht seinen Anführer über die neue Entwicklung zu informieren. Er packte seinen Bogen zügig wieder über seine Schulter und rannte zurück gen der Gebirgspassage, die zu Marlons Hütte führte.

    "Gottverdammte Scheiße", dachte sich Buster noch, als Marlon die Tür aufriss und mit einem Mal direkt vor ihm stand. "So, Zeit für Nummer eins", verkündete er gar nicht mehr so nett wie noch am Tag. Auf seinem Gesicht lag der Ausdruck eines arbeitenden Mannes, der gefangen in der Routine war. Mit Kraft sah er in die Augen Busters. "Ah, da will schon einer sehen, was jetzt passiert", keuchte er aus den Tiefen seiner Kehle heraus. Mit einem Ruck packte er Buster am Kragen und zog ihn auf die Beine. Buster schrie vor Schmerzen, als sein Gewicht auf dem verletzten Bein landete. Er hatte sich nicht träumen lassen, dass der alte Mann noch solche Kräfte besaß und dieser Umstand beängstigte ihn. "Was zum Henker hast du vor?", fragte ihn Buster entsetzt. "Das wirst du schon noch früh genug sehen", fauchte Marlon ihn an und riss ihn aus der Höhle heraus. Danach schlug er laut die Tür zu. Draußen hatte Marlon einige Fackeln angebracht, die den Platz vor seiner Hütte beleuchteten. In der Mitte war ein Tisch aufgestellt worden, der einige Kerben hatte. Davor war ein Fass, in dem eine weiße Substanz, allem Anschein nach Salz, war. Daneben lagen eine Axt und ein Fleischerbeil. Mit weit geöffneten Augen sah Buster auf Marlon. Er glaubte langsam zu verstehen, was der alte Mann vorhatte und erinnerte sich an all die kleinen Andeutungen, die er so blauäugig ignoriert hatte. "So, willst du geschächtet oder einfach so verarbeitet werden?", fragte Marlon amüsiert Buster, dem die Blässe ins Gesicht stieg. "HILFE, HILFE", brüllte er laut und von der Höhle kamen Flüche, die sich mit dem gefesselten Zustand auseinandersetzen. Marlon grinste ihn vergnügt an. Buster sah auf die gelben Zähne von ihm. Er mochte sich nicht vorstellen, mit wie vielen Opfern diese schon Bekanntschaft gemacht hatten. "Hier wird dich keiner hören, der Sandstein lässt nichts durch", erklärte Marlon ihm und stieß ihn zu Boden. "Du gottverdammtes, krankes Schwein, lass mich in Ruhe", schrie Buster laut. Aus seinen Augen traten Tränen der Angst. "Keine Angst, sobald der Kopf ab ist, tut es gar nicht mehr weh", beruhigte Marlon ihn, beziehungsweise tat dies nicht. Buster wollte sich krümmen, es seinem Gegner schwer machen, doch er konnte es nicht, so fest war er in die dicke Strohmatte gefesselt. Marlon setzte die Hände an Busters Ummantelung und hob ihn in die Höhe. Langsam ging er auf den Tisch zu und legte Buster dort wieder ab. Buster sah nun auch das Fass, worin inmitten des Salzes noch ein paar Stücke Fleisch von früheren Ahnungslosen herausragten. Mit der geordneten Ruhe eines Arztes griff Marlon nach der Axt und hob sie in die Höhe. Der Stahl glänzte im Licht der Fackeln, doch Buster wollte nicht sehen, was passieren würde. Er verdrückte noch eine Träne, als er die Augen schloss, dann wurde es dunkel für ihn.

    Doch es sollte anders kommen. Plötzlich schrie Marlon laut vor Schmerz auf. Buster öffnete seine Lider wieder und sah, wie in Marlons Bein ein Pfeil steckte. Danach sah er in die Richtung, woher das Geschoss kommen musste. Dort stand Cipher mit gespanntem Bogen. "Ein Glück, dass man sich Pfeile immer für noch größere Ärsche aufhebt", rief er laut und ließ noch einen Schuss in das andere Bein Marlons folgen, sodass dieser, sich krümmend, zusammensackte. Er schrie vor Schmerz und wand sich herum, wie eine Blindschleiche, während der Lebenssaft aus seinem Körper floss, doch Cipher ließ ihn ungerührt links liegen. Mit entschlossenen Schritten lief er auf Buster zu und löste ihn von seinen Fesseln. "Das ist ein Kannibale", sagte Buster mit zitternder Stimme und Cipher beruhigte ihn etwas durch ein Tätscheln auf den Rücken, während am Boden Marlon wild umherfluchte. "So du elender Wichser, du kannst dich auf dein Ende gefasst machen", sprach Cipher und packte ihn an den gelähmten Beinen. Er zog ihn zur Tür seiner Hütte und nickte Buster zu, dass dieser sie öffnete. Marlon griff verzweifelt nach dem Türrahmen um sich festzuhalten, doch Buster nahm Ciphers Keule aus dessen Waffengurt und zerschlug Marlon damit die Finger. Cipher hievte ihn ins Innere. Ein Regal voll mit eingelegten Köpfen stand ihm gegenüber. Es waren Banditen, Soldaten und Frauen darunter und alle waren sie fein säuberlich sortiert worden. Cipher konnte sich das Erbrechen kaum verkneifen, und beendete seine Arbeit schnell. Er legte Marlon auf dem Boden ab und rannte nach draußen. Mit einem lauten Knallen stieß er die Tür zu und verbarrikadierte sie mit Marlons Metzgerbank.

    "Wir müssen die Anderen befreien, sie sind in der Höhle da hinten", informierte Buster Cipher. Dieser schnappte sich das auf dem Boden gelandete Beil und ging er nach hinten zum Höhleneingang. Mit voller Wucht des Adrenalins zerlegte er die Tür in ihre Einzelteile. Sie schnitten die Anderen los, die nicht wussten, wie ihnen geschehen war. "Was bei Beliar ist passiert?", wollte Jarvis sich erkundigen, doch Cipher stand der Sinn nach etwas Anderem. Nach etwas, das sich augenblicklich als um einiges leichter gestalten sollte. Er sammelte kurzerhand die Strohmatten ein und stellte sie vor der Holzhütte Marlons auf. "Verdammt, was ist los, jetzt sag schon", schrie Jarvis noch lauter und hysterischer Cipher an. "Dein toller Marlon wollte gerade Buster für das nächste Grilfest schlachten, das ist los", entgegnete Cipher entnervt und Jarvis wurde mit einem Male totenblass. Auch die Anderen waren nun still geworden. Sie waren geschockt, wie nahe sie dem Tod entronnen waren, doch noch viel schlimmer war, dass sie sich erinnerten, was sie tags zuvor gegessen hatten. Die Erkenntnis kam schnell und nur mit Mühe konnten sie einen Brechreiz unterdrücken. Jarvis war es schließlich, der nicht mehr an sich halten konnte und sich direkt vor den Höhlenausgang erbrach, bevor er dies einige Sekunden später wiederholte. "Verdammt, lass mich raus. Was hast du denn vor?", schrie es aus dem Inneren von Marlons Hütte derweil heraus. "Ich mach jetzt das, was du mit deinen Gästen gemacht hast", rief Cipher, der im Gegensatz zu den anderen voll funktionsfähig war, ihm zu und griff nach einer Fackel. Gleichmäßig steckte er die Strohmatten an, die wiederum kurz darauf die gesamte Hütte in Flammen aufgehen ließen. Von drinnen hörte man das irre Schreien Marlons, das immer erstickter wurde und schließlich von dem Prasseln der Flammen akustisch ganz überdeckt wurde. Schweigend sahen die Söldner auf das Feuer, bis die Hütte bis auf den Grund abgebrannt war und nur noch ein paar Balken und Asche übrig geblieben waren.
    Geändert von Oblomow (16.01.2020 um 21:29 Uhr)

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    Halbgott Avatar von Oblomow
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    Kapitel III: Auf der Spur



    Wortlos standen die Söldner herum, während die letzte Glut ihre Dämpfe absonderte. Von Marlon war nichts mehr übrig geblieben: Die Flammen hatten ihn verzehrt, wie er selbst einst andere Exemplare seiner Gattung. "Weshalb bist du eigentlich zurückgekommen?", fragte Buster auf einmal und unterbrach damit die stundenlange Stille. Cipher drehte sich zu ihm hin und kraulte sich mit der rechten Hand aus Verlegenheit den Hinterkopf. "Ah ja, das hab ich ganz vergessen. Ich wollte euch sagen, dass ein großer Trupp von Milizionären und Paladinen in Richtung des Minentals abgewandert ist, zusammen mit einer Menge gdefangener Flüchtlinge im Schlepptau", teilte er der Runde sein Erlebnis mit. Nachdenklich standen sie um ihn herum. "Danke, Cipher", sprach Lee schließlich ein Wort des Lobes aus. "Nur ein Danke? Wäre er nicht gekommen, wäre ich jetzt Hackfleisch", empörte sich Buster über die Wortkargheit seines Anführers, der davon jedoch ungerührt blieb. "Ich denke Cipher weiß allein, was wir ihm verdanken, aber er bleibt nach wie vor nur ein Teil der Gruppe, sonst wird das nicht funktionieren", erklärte Lee und sah herüber zu Cipher um von seinem Gesicht abzulesen, dass er sich damit zurechtfinden konnte. Buster verstummte dabei wieder. "Bleiben wir jetzt eigentlich hier?", erkundigte sich Cord. Eine bedrückte Stimmung kam bei dieser Frage unter den Söldnern und Banditen auf. Auf der einen Seite schien dies nach jenem Ereignis vermutlich einer der sichersten Plätze in Khorinis, doch andererseits wollte niemand am Ort des Schreckens bleiben, an dem so viele andere Menschen schon ihr Leben unter dem Beil des Schlächters Marlon hatten lassen müssen. Das Grauen kroch in ihre Köpfe hoch, bei dem Gedanken, dort zu liegen, wo einst andere Opfer geschlafen hatten, dort zu essen, wo Marlon sie schließlich gegessen hatten. Doch konnten sie wirklich solch irrationalen Emotionen nachgeben im Angesicht einer solch ernsten Situation? Lee wollte gerade zum Reden ansetzen, als ein tiefes Fauchen dies im Keim erstickte. "Ist das ein Waran?", fragte Lares und ein zweites animalisches Geräusch drang aus einer anderen Richtung durch die Dunkelheit. Unsicher sah sich der kleine Trupp um, doch niemand konnte etwas erkennen. Vorsichtshalber rotteten sie sich zusammen und zogen ihre Waffen in Erwartung der unsichtbaren Kreatur, die das Licht der Glut nicht finden konnte. Immer näher kam das Fauchen zu ihnen und zu den zwei einzelnen Tieren, die es zuvor gewesen zu sein schienen gesellten sich noch mehr, sodass die sonst ruhige Nacht in einem Meer von hungrigen Warangeräuschen starb. "Das hört sich nicht gut an", fing Buster an zu wimmern, als auch schon aus der Dunkelheit ein riesiges Echsenmaul auf sie zuschnellte. Lee spaltete den Kopf der Kreatur jedoch blitzschnell mit einem einzigen Schlag. Sie gingen noch etwas weiter zurück und der Kadaver verschwand wieder in reiner Schwärze. Mit einem Mal waren Schmatzer zu hören, sowie das Geräusch von abreißendem Fleisch. "Die fressen sich selber", stellte Wolf geschockt fest. "Diese Viecher müssen Hunger ohne Ende haben", ergänzte Lares und schritt dabei noch weiter weg von dem Kadaver. "Also aufgepasst, wir laufen jetzt geordnet rückwärts von hier weg", ordnete Lee an und vorsichtig, auf jeden Schritt bedacht kamen sie wieder zurück in den Pass, dessen Wände einen sicheren Schutz vor den Waranen boten. Doch sie drehten sich erst um, als sie wieder in dem kleinen Wald vor der Taverne angekommen waren. Jeder von ihnen schnaufte einmal tief durch. "Wie hat der bloß bei all den Viechern überlebt?", fragte Jarvis, während er die Luft durch seinen Mund ausströmen ließ. "Ich denke das viele Fleisch auf dem Grill wird seinen Grund gehabt haben", bemerkte Lee dabei trocken und in den Köpfen der Anderen formierte sich das Bild, wie Marlon den Biestern fürsorglich sein Fleisch in die Mäuler warf. "Widerlich, einfach nur widerlich", kommentierte Lares angeekelt diese Vorstellung. "Wir haben jetzt Wichtigeres zu tun, als uns noch länger damit zu beschäftigen", räumte Lee dabei ein. "Wir haben immer noch kein Versteck gefunden, von einem Quartier ganz zu schweigen", endete er und die Truppmitglieder ließen allesamt etwas ihre Köpfe hängen. "Wir könnten vielleicht mal Ausschau nach einem Hof halten. Die Bauern würden uns wohl schon aus Angst kaum vertreiben", schlug Torlof darauf vor und der Rest begann vor sich herzunuscheln. "Wir können doch nicht einfach bei fremden Leuten einmarschieren, das wird doch auffallen", kritisierte Cipher den Plan, erntete aber dafür nur böse Blicke der Anderen. Lee trat etwas auf ihn zu und legte ihm den Arm über die Schulter. "Du hast doch selbst gesagt, dass die Paladine und Milizen davongezogen sind, wer sollte uns also stören? Die Höfe hier in der Gegend liegen ja sowieso ziemlich weit weg von der Stadt, da wird also auch bestenfalls einmal im Jahr jemand vorbeikommen", beruhigte Lee ihn und Cipher ließ sich auf die Idee ein. "Und auf welchen Hof sollen wir?", erkundigte er sich noch leicht mürrisch, doch die Antwort hatte Torlof sich bereits zurecht gelegt. "In der Nacht habe ich auf dem Plateau auf der rechten Seite einige Fackeln durch die Bäume schimmern sehen, da könnten wir auf jeden Fall mal vorbeischauen", schlug er vor und der Rest nickte das Vorhaben kurzerhand ab. "Wir sollten Acht geben, dass nicht noch irgendwelche Soldaten zurück geblieben sind", mahnte Lee noch zur Vorsicht, seine Truppe nahm es beiläufig zur Kenntnis, während sie wieder aus dem Wald herausmarschierte.

    Die letzten Äste wurden zur Seite geschoben und schon hatten sie wieder freien Blick auf den Weg zum Hochplateau, der vom Mond beschienen wurde. Etwas weiter entfernt war die Taverne immer noch beleuchtet. Die Schützen waren aber in der Zwischenzeit eingeschlafen und der wütende Wirt saß mit dem Kopf in den Händen versunken an die Barrikade angelehnt. "Ob der schläft?", fragte Buster laut Lares, doch nur kurz darauf sprang der Wirt unter dem Schreien von diversen Kampfschreien und Flüchen auf und beantwortete diese Frage somit selbst. Gemeinsam gingen sie durch die Felsen durch und kamen wieder auf dem Hochplateau heraus. Langsam liefen sie voran, vorrangig, weil sie kaum etwas sehen konnten. Sie liefen wieder durch das Buschwerk, bis sie das Plätschern eines kleinen Baches vernahmen und sich von dessen Klang leiten ließen. "Sind wir bald da?", maulte Lares, als sie wieder auf dem richtigen Weg angekommen waren, als Antwort gab es dazu aber nur ein etwas tieferes Durchatmen seiner Mitstreiter.
    Langsam begann das Rauschen stärker zu werden, ließ das Tosen die Erkenntnis wachsen, dass sie schon fast im Wasser stehen mussten. "Ich denke, wir sollten versuchen, auf dem Weg zu bleiben, als ich bei meiner Verhaftung hier vorbeikam, gab es noch eine Brücke", empfahl Cord ihnen. "Dann suchen wir sie eben", reagierte Torlof darauf und gemeinsam schritten sie wieder zurück auf die festgetrampelte Spur, die sich Weg nannte. Sie schritten wieder etwas voran, darauf bedacht, das Braun des Weges vom Grün der Wiesen, vor Allem aber vom Schwarz der Nacht zu unterscheiden. Langsam kamen sie voran, bis sich schließlich die Brücke fast direkt vor ihnen aus der Dunkelheit löste. "Na, da hat aber einer ein wirklich gutes Gedächtnis gehabt", bemerkte Torlof erheitert, worauf sie nacheinander über die Brücke liefen und so den Bach passierten. Sie folgten weiter der durch Menschenhand vorgeschlagenen Route, vorbei an Büschen und Bäumen; durch den Schatten der Baumkronen, welche die Dunkelheit beinahe absolut machten, hindurch; bis sie schließlich auf einer Lichtung angelangten und der blasse Schein des Mondes wieder ihre Gesichter beschien. Vor ihnen präsentierte sich der gesuchte Bauernhof und ließ bereits von außen ein Gefühl der Gemütlichkeit aufkommen. Das Schnarchen der Bauern, das aus dem Inneren drang, vermischte sich dabei mit dem optischen Eindruck und ließ die Körper der Krieger um Lee erschlaffen und sie vom Gleiten in eines der Betten aus Stroh träumen. Sie schleppten sich voran, bis zu dem Gebäude, das allem Anschein nach das Wohnhaus darstellte und Lee löste sich aus der Gruppe heraus, um am Türrahmen dreimal mit der Faust anzuklopfen. Die Geräusche der Nacht aus dem Inneren verstummten nur kurz darauf und die kleine Gruppe um Lee hörte, wie eine Bettdecke zusammengefaltet wurde. Etwas grummelte dabei verärgert in der Schwärze. Füße trafen auf die Dielen, dass sie unter ihnen knarzten. Lee wartete derweil geduldig und schließlich entflammte das Licht einer kleinen Öllampe, die einen Mann im weißen Nachtgewand erleuchtete. Seine Haare waren blond, aber etwas verfilzt, seine Augen waren vom Schlaf bereits etwas verklebt. Die Hände hatten noch den Dreck des Ackers in ihren Rillen hängen, wobei fast nur die Hand an der Lampe zu erkennen war. Ihr Gegenstück war unter dem weißen Stoff fast zur Gänze verdeckt. "Wer wagt es, mich mitten in der Nacht zu wecken?", fragte er grantig und ging dabei auf Lee zu. Das Licht der Leuchte drang dabei immer weiter auf den Hof hinaus, bis schließlich auch der Rest der Truppe von ihm erkenntlich gemacht wurde. Der Bauer blieb stehen. Eine ungesunde Blässe bemächtigte sich seines Gesichtes. Lee räusperte sich "Lee mein Name. Wir sind, wie Sie vielleicht bereits bemerkt haben, einige Sträflinge aus der Kolonie und suchen eine Unterkunft. Wir würden auch Arbeit übernehmen, wenn das vonnöten sein soll...", begann er sich vorzustellen, bis der Bauer ihm in den Satz hineinstotterte. "Momomo ment, die Miliz, ich mach ja, oh Innos, warum ausgerechnet, oh nein", stammelte er herum und sein Körper schüttelte sich dabei wild. "Beruhigen Sie sich doch...", wollte Lee die Situation entschärfen und streckte seine Arme aus, um ihn an seinen Schultern zu packen, doch der Bauer schlug sie energisch beiseite. "Verschwindet, ich kann Euch nicht aufnehmen. Viel zu gefährlich". Lees Miene verfinsterte sich dabei zunehmend. Er war dazu gewillt den Willen seines Gegenübers zu übergehen, umso mehr als dass jener aus eigener Motivation nichts gegen sie zu haben schien. "Jetzt mal ernsthaft, wie oft kommen an diesem beschissenen, gottverlassenen Ort Milizen vorbei?", meldete sich aus der zweiten Reihe Lares, wie um diesen Gedanken zu bestätigen. Für einen Moment kam der Bauer zur Ruhe. "Dieses Jahr bisher zweimal..., aber ich kann Euch trotz...", wollte er sie noch aufhalten, doch Lee hatte bereits seine Gruppe angewiesen, sich in der Scheune einzuquartieren. Er selbst schritt an dem verzweifelt gestikulierenden Mann vorbei in das Haus hinein. Möglicherweise unterschätzte er ein weiteres Mal die Situation. Doch so lange keine Milizen vorbeikommen sollten, würden sie zumindest etwas Ruhe finden. Für ein paar Tage. Mehr wollte er diesem Hof nicht zumuten. Er trat ins Innere und warf sich auf das große Bett im Eingangsraum, um es sich dort bequem zu machen. Paladine, hatte ihm Cipher gesagt, waren gen Minental gezogen. Er hatte noch selbst erlebt, wie der letzte Ritter aus Khorinis abgezogen worden war. Etwas musste im Argen liegen. Etwas, das nicht der Zusammenbruch sein konnte. Der Bauer kehrte gebückt in seine Bettstadt zurück. "Wie heißen Sie eigentlich?", fragte Lee den Mann, als sich dieser neben ihn legte. "Bengar heiße ich", gab der Angesprochene zögerlich Auskunft. "Dann wünsche ich dir eine gute restliche Nacht, Bengar", sprach Lee. Bengar sah noch etwas verblüfft auf den Sträfling neben ihm, dann drehte er sich um, löschte das Licht der Lampe und stellte sie auf dem Boden ab. Auf jeden Fall mussten die Streitkräfte von Khorinis nun überlastet sein. Sie würden eine kleine Gnadenfrist bekommen, viell eine Chance sich auf das Festland abzusetzen. Lee schloss die Augen. Gemeinsam fielen sie in einen, wenn auch auch auf verschiedene Weise, verdienten Schlaf.

    Die Nacht ging vorüber und Innos hob die brennende Sonne wieder über die Gipel der Berge. Sanfte Strahlen ließen den frischen Tau an den Gräsern der Ebene glänzen. Libellen kreisten durch die Lüfte und suchten nach kleineren Insekten, die sich an diesen kleinen Tropfen gütlich taten, während die Vögel wiederum ihre Augen auf sie geworfen hatten. Doch die Vögel zwitscherten zwischen ihren Mahlzeiten, wodurch das Bild einer Idylle aus Sicht des Menschen weiterleben konnte, außer für die Bewohner und Gäste des Hofes des Bauern Bengar. In diesem musste der ehemalige General Lee beim Aufwachen eine feurige Unterhaltung verfolgen, die nicht in seinem Interesse sein konnte. Getrocknete Augenflüssigkeit zierte seine Augen. Langsam öffnete er seine Lider und sah an die Deckenbalken von Bengars Hof, die im Morgenlicht in einem leichten Orange schienen.
    "Wir haben Anweisung, alles, was als Verpflegung verwendet werden kann, zu beschlagnahmen", drang es ihm im Halbschlaf von Irgendwoher an sein Ohr. "Aber das geht doch nicht, wovon sollen wir denn bis zur Ernte leben?", jammerte danach ein Mann los. Lee rieb sich die Augen mit den Fäusten und sah aus dem Eingang heraus. Vor dem Haus erkannte er den Rücken Bengars, der offensichtlich mit irgendjemandem im Gespräch war.
    "Das ist mir egal, kaufen Sie beim Großbauern oder jagen Sie sich etwas. Ich habe Befehle auszuführen und jetzt lassen Sie mich gefälligst hinein. Ich habe Order den Hof zu durchsuchen", erklärte der Gesprächspartner grob und Lee wurde mit einem Mal klar, dass er ausgerechnet zum Zeitpunkt der dritten Milizvisite dieses Nachtlager hatte aufsuchen müssen.
    "Nein, sie können da nicht rein, das geht nicht", versuchte sich Bengar vor seinen Augen zu wehren. Lee suchte nach einem geeigneten Versteck, doch noch bevor er fündig geworden war. Hatte der Milizionär bereits seinen Partner dazu gebracht, Bengar zur Seite zu reißen. Von einem Moment auf den anderen Moment stand vor ihm auch schon einer der stolzen Recken der Stadt. Lee sah auf einen Stahlrock, der etwas weiter oben endete und den Blick auf Stoff mit den Farben von Khorinis freigab. Die Schultern waren mit genietetem Leder verstärkt. Sein Blick wanderte weiter nach oben in sein Gesicht und zum ersten Mal seit Jahren war in seinem Blick wieder eine Spur der Angst zu sehen. "Sieh an, ein Sträfling aus der Kolonie", stellte sein Gegenüber indes nüchtern fest und noch bevor Lee auch nur irgendetwas dagegen hätte tun können, rief der Milizionär auch schon seine Mitstreiter zu sich, die ihn an den Armen packten und sie mit einem dicken Hanfseil fesselten. Mit einem Ruck wurde er aus dem Bett gerissen und er wankte kurz, als das Blut sich etwas mehr in untere Regionen seines Körpers bewegte. Ihm ward schwarz vor Augen. Seine zwei Bewacher warfen ihn als Strafe daraufhin an die Wand. Der Anführer der Gruppe drehte sich in der Zwischenzeit zu Bengar um, der am gesamten Leib zitterte.
    "Sie wissen, dass die Unterbringung von Sträflingen verboten ist?", fragte er, bevor er auch schon fortfuhr.
    "Sie werden wir nun jedenfalls auch mitnehmen müssen. Der Hof ist von diesem Moment an in Reichsbesitz", verkündete er und nahm ein Paar Handschellen zur Hand, die an seinem Gurt befestigt waren. Die Eisenmanschetten schlugen dabei lebendig aneinander.
    "Jetzt warten Sie doch, ich kann das alles erklären...", schrie Bengar plötzlich laut los, doch der Milizionär schien keinen Anlass mehr zu haben, noch weiter zu reden. Unbarmherzig ging er auf ihn zu und Bengar konnte dem Drang, seine Beine in die Hand zu nehmen, nicht mehr widerstehen und lief los. Doch schon nach wenigen Metern sah er sich einem Mann mit angelegter Armbrust gegenüber. Er blieb stehen. Widerstandslos ließ er sich darauf die Handschellen anlegen und wurde zu Lee an die Wand gestellt. Etwas weiter hinter ihnen postierte sich daraufhin der Milizionär mit der Armbrust.
    "Alles durchsuchen", schrie der Anführer derweil die Anderen an, die sich wie geheißen daran machten die Räumlichkeiten umzuwühlen. Lee und Bengar hörten, wie Hocker herumflogen, die Tische um- und Schränke aufgerissen und ihres Inhaltes beraubt wurden. Bengar liefen dabei die Tränen seine Wange hinab. Seine gesamte Existenz wurde mit jedem Griff der Milizionäre mehr und mehr zerstört. Eine halbe Stunde später kam der Trupp schließlich wieder zusammen.
    "Melde, zwei Säcke Mehl, verschiedene Gewürze und ein gefülltes Keksglas", meldete einer von ihnen.
    "Gut Soldat, auf den Wagen damit. Das Keksglas nehme ich", wies der Leiter ihn an. "Und du", wandte er sich an den Anderen. "Befehle den Bauern, das Korn aus der Scheune aufzuladen und der Schafhirte soll uns mit seinem Vieh folgen", befahl er ihm und auch dieser Milizionär trat ab. "Gottverdammte Schweine", brüllte Bengar, während ihm Flüssigkeiten unterschiedlichen Ursprungs über sein Kinn liefen. Zur Antwort klopfte ihre Wache mit der Armbrust kurz auf sein Gerät, womit der Bauer wieder zum Schweigen gebracht wurde. Der Hauptmann öffnete derweil das Glas und fischte sich eine der Kekse heraus, um ihn sich in den Mund zu schieben.
    "Gar nicht mal so schlecht, ja doch, sogar wirklich gut, möchte ich meinen, wenn Sie das noch interessieren sollte", beurteilte er nach dem Genuss dessen Geschmack und ließ Bengars Körper erbeben, aber er traute sich nicht mehr etwas zu sagen, aus Angst noch vor Ort exekutiert zu werden.
    "Naja, wenden wir uns mal lieber wichtigeren Dingen zu, zum Beispiel unserem muskulösen Sträfling hier. Wie lautet der Name?", erkundigte er sich bei Lee, der die Zähne zusammenbiss. "Lee", zischte er schließlich wütend heraus und konnte dabei hören wie der Milizionär, überrascht Luft einsog.
    "Da ist mir aber ein großer Fang gelungen. Geht mir doch tatsächlich der Frauenschlächter von Vengard ins Netz. Hagen dürfte äußerst erfreut sein", jubilierte der Hauptmann. "Ich habe die Frau nich...", wollte sich Lee lauthals beschweren, doch wurde dabei von dem Mann mit der Armbrust unterbrochen.
    "Oh ja, ich erinnere mich noch ganz genau an dich. An jede einzelne Sekunde, als sie dich durch die Straßen von Khorinis getrieben haben. Weißt du, was ich als junger Milizionär damals getan hätte. Ich hätte so jemanden abgestochen wie ein mieses Schwein, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken", spulte er seine Erinnerungen ab. Er zückte sein Schwert aus der Scheide und ließ es an Lees Kehle entlanggleiten. "Und vielleicht sollte ich das auch tun", säuselte er in Lees Ohr, steckte das Schwert aber wieder zurück. "Aber ich werde versuchen meine Arbeit gewissenhaft erledigen. Nur, vor Unfällen ist man ja nie gefeit, Herr General", sprach er ernst und spuckte Lee in dessen Gesicht. Einen Moment später erschienen wieder die beiden anderen Milizionäre.
    "Es ist alles bereit zum Abmarsch, Sir", erstatte einer von beiden Bericht und der Hauptmann nickte ab. "Na dann, setzt euch in Bewegung. Es kann losgehen in die Kolonie", trieb er Lee und Bengar an, die sich langsam in Bewegung setzten.

    Lees Truppe hatte sich rechtzeitig verstecken können. Am frühen Morgen waren sie vom Lärm der Milizionäre aus dem Schlaf gerissen worden und die restlichen Bauern waren für einen wesentlich kürzeren Zeitraum vor Schrecken blockiert, als es bei ihrem Herren Bengar der Fall gewesen war. Noch bevor der erste Milizionär einen Fuß weg von dem großen Haus gesetzt hatte, waren sie so in die etwas sumpfige Gegend kurz vor der Klippe in die Ebene geflüchtet, um sich dort vor der Hand des Gesetzes zu verstecken. Reglos und still sahen sie zu, wie die Milizionäre sich des Hofs und ihres Anführers bemächtigten.
    "Was sollen wir jetzt machen?", fragte Wolf in die Runde, als Lee und Bengar samt den Schafen ihren Weg hin in das Minental begannen.
    "Ich denke wir sollten versuchen uns irgendwie durchzuschlagen, wir brauchen Lee nicht", schlug Lares daraufhin vor und erntete böse Blicke der drei anwesenden Söldner.
    "Vergiss es, wir müssen irgendwie versuchen, ihn herauszuboxen. Das wird uns auch bei den Bauern beliebter machen. Verbündete sind schließlich nie falsch und gegen vier Milizionäre werden wir sieben uns wohl noch behaupten können", ereiferte Jarvis sich.
    „Sechs“, wir haben immer noch einen Krüppel“, entgegnete Lares und fokussierte Buster dabei. „Das heißt, du wirst uns also unterstützen“, entgegnete ihm Wolf darauf. Der ehemalige Banditenführer biss sich bei diesen Worten auf die Unterlippe.
    „Buster, du bleibst beim Hof. Ich weiß nicht, in was für eine Situation wir kommen werden, aber halte deinen Bogen bereit, falls sie sich hier verschanzen wollen“, gab Wolf Anweisung.
    „Seid ihr so weit?“, fragte er in die Runde. Ein entschlossenes Kopfnicken ging durch die Runde. Sie schlüpften wieder aus ihrem Versteck heraus und folgten um Unauffälligkeit bemüht dem Tross von Milizionären, als sie plötzlich von hinten angesprochen wurden. Einer der Bauern hatte sich zu Wort gemeldet. "Falls ihr zu den Milizen gehen solltet, bringt sie um und verbuddelt sie irgendwo, am Schluss fällt der Ärger auf uns zurück", bat er sie eiskalt. Torlof, der sich dabei umgewandt hatte nickte stumm als Bestätigung. "Ihr habt es gehört, wir werden diese Scheißer in der Luft zerreißen, um sie den Lurkern zum Fraß vorzuwerfen", stachelte er darauf die Anderen an und entschlossen schritten sie zur Tat.
    Langsam liefen sie das abgeerntete Feld des Hofes entlang und beobachteten, fast außer Sichtweite, das Treiben der Milizionäre, welche den normalen Weg gewählt hatten. Sie trieben die beiden Gefangenen vor sich her. Hinter ihnen hatte der Hirte die Schafe im Schlepptau.
    "Wir sollten schnell zuschlagen", schlug Cipher vor.
    "Wenn sie den Pass mit Truppen abgesichert haben sollten, könnte es nämlich problematisch werden." Torlof sah noch einmal auf die kleine Prozession, dann winkte er die anderen nach vorne. Vorsichtig traten sie über das taufrische, nasse Gras in Richtung ihres Zieles und huschten hinter die Felsbrocken, die wie von Trollen geworfen aus der Wiese herausragten, hinüber in die Schatten der vereinzelten Fichten, sodass die desinteressierten Routineblicke der Milizen ihrer nicht gewahr werden konnten. Immer näher kamen sie ihnen auf diese Weise, bis sie sich sogar hinter den Schafen verstecken konnten. Als sie fast am Pass angekommen waren hielt Torlof es schließlichfür angebracht, das Feuer zu eröffnen. Er gab Cipher ein Zeichen mit den Fingern und dieser spannte seinen Bogen. Beim Dehnen der Sehne, fuhren die Milizen ruckartig um. Aber es war zu spät. Noch bevor sie auch nur nach ihren Waffen hätten greifen können, hatte Cipher losgelassen und den Pfeil direkt in das Auge des Anführers gejagt. Die Milizen, offenbar verwirrt darüber, wie schnell dies vonstatten gegangen war und über die unklare Befehlssituation, blieben einen Moment reglos stehen, während die Söldner auch schon auf sie zurannten. Um irgendetwas zu tun, zogen sie schließlich ihre Waffen, doch dabei schossen bereits die vereinten Pfeile von Wolf und Cipher auf sie ein. Mit vereinten Kräften stürmten die Söldner und Lares auf sie zu Und machten kurzen Prozess.
    Und so war die Schlacht schon gewonnen ehe sie überhaupt beginnen hatte können. "Danke, dass ihr gekommen seid", bedankte sich Lee, während Lares die Taschen des Anführers auf der Suche nach den Schlüsseln und auch allgemein nach Beutegut durchsuchte.
    "Wir würden dich doch nie im Stich lassen, wir sind schließlich eine Gemeinschaft", bemerkte er mit einem Grinsen auf dem Gesicht, während die anderen Banditen augenrollend auf ihren alten Anführer sahen. Nachdem Lares die Schlüssel schließlich gefunden hatte und der Bauer, sowie Lares befreit worden waren, meldete sich auch der Schafhirte zu Wort. "Danke, dass ihr uns geholfen habt, wir hätten wohl sonst den Hof verkaufen müssen, um den Winter zu überleben", sprach er voll des Danks.
    „Ich kann mich den Worten von Malak nur anschließen, ihr habt Mut bewiesen", ergänzte Bengar. "Zeit für Lobhudeleien ist jetzt nicht, wir müssen die Leichen irgendwie wegschaffen", unterbrach Torlof die Dankesreden und die kleine Gruppe fing an, sich Gedanken über dieses Problem zu machen.
    "Ich kenne eine Ecke, wo ziemlich kräftige und hungrige Biester leben, Gaan, unser Jäger treibt sich dort manchmal herum", schlug Bengar vor und die etwas über den Tatendrang des Bauern verwunderten Söldner drehten ihre Köpfe zu ihm hin.
    "Dann führe uns dort hin. Wir tragen die Milizen", antwortete Lee und sie packten die Leichen an den Armen und Beinen, die sie im Paar jeweils eine Armbeuge einspannten, um sie auch alle auf einmal fortzubringen. Bengar wies noch Malak an, das Vieh wieder zurück zu treiben und die Bauern zu schicken, das erbeutete Korn wieder zurück zu schaffen, dann machten sie sich auf den Weg.

    Die Sonne war in der Zwischenzeit stärker geworden und trieb ihnen den Schweiß auf die Stirn, doch sie machten keinen Halt und liefen weiter. Ab und zu warf ein an der Seite stehender Baum einen sanften Schatten auf sie und kühlte ihre angebräunte Haut, doch der Genuss dessen war nur von kurzer Dauer. Eine halbe Ewigkeit später kamen sie am Ufer eines kleinen Bergsees an, der von herunterstürzenden Bächen gespeist wurde und Bengar hielt sie an. "Noch ein paar Schritte, dann sind wir da, ich hoffe ihr verzeiht mir, dass ich euch nicht begleiten kann, aber ich bin nur ein einfacher Bauer, ohne Fertigkeiten im Kampf", entschuldigte er sich, doch Lee winkte ihn nur beruhigend ab. "Also, dann trinkt vielleicht nochmal was und dann bringen wir das hier zu Ende", rief Lee seinen Männern zu, die aber schon längst ihre Last abgelegt hatten und mit den Köpfen über dem See hängend, das frische, reine Wasser genossen.
    "Hrhrm", hüstelte sich Lee einmal laut, worauf sie wieder aufsprangen und die Leichen packten. Sie drangen vor, in eine von Felsen umschlossene Ausbuchtung der Ebene, an der die Sonne ihr Licht nur begrenzt werfen konnte. Trotzdem war ihr die Gefahr nicht anzusehen, vielleicht war aber auch genau das der Grund, weshalb dieser Ort so gefährlich war, wie ihn Bengar beschrieben hatte. Vorsichtig lief die kleine Gruppe um Lee voran, bis sie fast am Ende angelangt waren, das durch eine Art Schutthalde markiert wurde. Ein leises Grummeln erklang und plötzlich wurde den Söldnern auch bewusst, dass sie nur dieses hörten, ohne Beimischung des Vogelgesangs, ohne das Geräusch von anderen Wildtieren. Lee, als vorderster Mann legte die Arme des Hauptmanns, den er trug, auf den Boden und hinter ihm folgte der Rest seinem Beispiel. Das Grummeln wurde dabei lauter, als ob, was immer auch sich irgendwo hinter den Felsen versteckte, das Blut der Toten gerochen hatte. Vorsichtig liefen sie wieder zurück und bald mischte sich noch ein Fauchen dazu, worauf sie ihren Schritt beschleunigten. Als sie wieder bei Bengar angekommen waren, hörten sie von hinten das Zerreißen von Fleisch und Kampfgeräusche. Die Milizionäre waren Geschichte.

    "Gut gemacht", bewertete Bengar sie mit einem unsicheren Lächeln.
    "War kein Problem, aber wie sieht es aus, können wir bei dir bleiben?", fragte Lee ihn erwartungsvoll, doch Bengars Miene verfinsterte sich dabei.
    "Es tut mir leid, aber es geht nicht, nicht nur wegen der Miliz, ich kann euch einfach nicht durchfüttern, es reicht zwar gut für uns selbst, aber für euch würde ich noch viel mehr benötigen", bedauerte er.
    "Aber versucht es vielleicht einmal bei Onar, er hat einen etwas eigenen Kopf und auch viel mehr Besitz, als etwa ich", empfahl er ihnen darauf, um die Situation etwas schön zu klecksen. Lee atmete dabei tief durch. Er hatte gehofft, endlich ein Quartier gefunden zu haben, doch er sah, dass er auf verlorenem Posten stand.
    "Und wohin müssen wir gehen?", fragte er schließlich und Bengar wies ihnen, wieder besserer Laune, den Weg. Sie kehrten noch einmal zurück zum Hof, um Buster mitzunehmen. Bengar packte ihnen noch ein paar Brote als Wegzehrung. Und als die Sonne langsam ihrem Zenit entgegen stieg, liefen die Söldner weiter zu ihrer nächsten Station, während Bengar ihnen hinterherwinkte.
    Geändert von Oblomow (26.01.2020 um 15:30 Uhr)

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    Kapitel IV: Onar


    Stramm und entschlossen folgten sie Lee die Stufen neben Bengars Hof hinab, bis sie unten an einer geschützten Stelle wieder auf Waldboden traten. Zu ihrer rechten Hand fanden sie ein kleines Lager, an dem einige abgerissen aussehende Männer um ein Feuer herumsaßen, doch schienen sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie den Banditen und Söldnern, die an ihnen vorbeiliefen, Beachtung schenkten.
    "Was sind denn das für Typen?", wandte sich Buster leise an Cipher, der darauf einen genaueren Blick auf sie warf.
    "Weiß nicht, könnten aber welche aus dem Alten Lager sein, bei uns hab ich die Fratzen jedenfalls nie gesehen", antwortete er etwas ratlos und so liefen sie stumm weiter mit ihrem kleinen Strom mit. Langsam kamen sie durch das knöchelhohe Gras, an dem noch die letzten Reste Tau hingen, in eine Felsspalte. Als sie sie durchquert hatten, schien die Sonne in ihre Gesichter, dass sie für einen kurzen Moment die Hände über die Augen legen mussten, um noch etwas sehen zu können. Langsam wurde das grelle Licht dunkler und gab den Blick auf eine Fläche, überzogen mit riesigen Feldern, frei, auf denen die Stoppeln des abgeernteten Getreides noch stramm orthogonal zum Boden standen. Etwas weiter entfernt und fast nicht mehr zu erkennen, hob sich ein Steinkreis von der goldbraunen Masse ab, welche die kleine Gruppe staunend umherschauen ließ, bis ein lauter Frauenschrei mit einem Mal ihren Blick nach rechts, in die Nähe eines größeren Felsens, lenkte.
    "Ich glaube, da braucht jemand Hilfe", stellte Cipher schnell für den Rest um sich herum fest, um daraufhin auch schon, ohne weiteres Zögern, zur Quelle des Rufes zu gelangen. Sie waren kaum ein paar Meter gelaufen, als sie etwas weiter entfernt eine auf dem Boden liegende Bäuerin sahen. Über sie hatte sich ein ausgewachsener Feldräuber gebeugt, bereit seinen letzten Schlag zu tätigen.
    "Bei Innos, wir müssen etwas tun", erklärte Wolf den anderen geschockt, unfähig seine Anweisung selbst zu befolgen. Lee hatte jedoch bereits seinen großen Langbogen gezogen und schoss blitzschnell einen seiner Pfeile ab. Einen Bruchteil einer Sekunde später fand dieser passgenau im Kopf des Feldräubers seinen Platz. Sein kleines Gefolge hatte dem mit offenem Mund zugeschaut und blieb gelähmt stehen, während Lee den Bogen wieder auf seinem Rücken verstaute. Ohne inne zu halten schritt Lee auf die Dame zu, welche verängstigt und verwirrt vor der Käferleiche lag.
    "Madam, dürfte ich Ihnen aufhelfen?", ließ er, als er vor ihr zum Stehen kam, den Charme des Helden von einst spielen. Mit erröteten Wangen sah die Bäuerin zurück und konnte sich nur mit Mühe von den markanten, männlichen Gesichtszügen des ehemaligen Generals lösen.
    "Es geht schon", presste sie verlegen aus ihren Lippen heraus und rappelte sich schnell auf, während Lees Gefolge langsam nachrückte.
    "Da sind wir aber gerade rechtzeitig gekommen, was?", merkte Lares an, als auch er vor der Frau zu stehen kam, welche langsam aus der Verlegenheit hinüber zu vollkommener Hilflosigkeit überzuwechseln schien.
    "Und Edelmänner, die wir sind, sind wir auch bereit dafür nur hundert Goldstücke zu verlangen", fuhr Lares in etwas gestelzter Sprache fort und setzte dabei ein breites Grinsen auf. Der Rest der Truppe begann hinter ihm dabei zu kichern und zu tuscheln.
    "Aber, ich habe doch nichts...", begann die Bäuerin etwas ängstlich wehleidig zu werden.
    "Das brauchen Sie auch nicht, wir haben gerne geholfen", beruhigte Lee kurz darauf die Dame mit einem befehlenden Unterton der den Rest seiner Truppe wieder verstummen ließ. "Aber wenn Sie uns vielleicht den Weg zu dem Besitzer dieser Ländereien weisen würden, wäre dies uns Lohn genug", sprach er unbeirrt höflich zu der Bäuerin.
    "Meinen Sie Onar oder was? Einfach nur geradeaus durch, das große Haus isses dann", gab die Bäuerin im Gegenzug zurück und Lee formte mit seinen Lippen ein stummes "Danke", während er sich zu seinem kleinen Trupp umwandte.
    "Ihr habt es gehört, auf jetzt, bewegt euch", herrschte er sie, wie verändert, plötzlich an, dass Lares beim Zusammenzucken im schlammigen Boden fast vornüber fiel. Lee fing an nach vorne zu gehen, die Anderen folgten ihm, vorbei an der geretteten Bäuerin, welche ihnen ungläubig nachstarrte.
    "Sag Mal Lee, was war denn das bitteschön "wir haben gerne geholfen", wolltest du die ins Bett bekommen oder was soll der Scheiß?", witzelte Lares, kaum waren sie halbwegs außer Hörweite.
    "Halt einfach die Fresse Lares", antwortete dieser jedoch nur und Lares verstummte augenblicklich. Sie waren nur wenige Schritte gegangen, da fanden sie sich inmitten der Gebäude des Hofes. Einige Bauern und sonstige Wohnhafte hielten dabei in ihrer Arbeit inne und besahen sich die Gruppe, welche sich in ihrem Hof versammelt hatte. Die Banditen und Söldner sahen vorsichtig zurück auf die ländliche Gesellschaft.
    "Wartet hier, ich rede derweil mit dem Großbauern", wies Lee sie kurzerhand an und verschwand wenige Augenblicke später in dem größeren Bau am Ende des Weges. Ein Bauer, der offenbar als Schmied tätig war, spuckte zur Begleitung in seinen Ofen aus.
    "Ihr seid doch Sträflinge aus der Kolonie oder?", fragte er darauf grob die inzwischen leicht verunsicherte Truppe.
    "Ja, gibt es damit Probleme?", erwiderte Torlof jedoch unberührt und sah dem Schmied tief in die Augen.
    "Kommt drauf an was ihr vorhabt, Gauner haben hier jedenfalls nichts verloren", sprach der Schmied weiter und trat einen Schritt nach vorne. Auch die restlichen männlichen Bauern näherten sich nun der Gruppe und zogen einen Kreis um sie herum.
    "Wir wollen keinen Ärger, das könnt ihr uns glauben", versicherte Wolf und legte gleichzeitig seine Finger um seine Waffe, um sie bei Bedarf ziehen zu können. Die Antwort darauf war das Geräusch einer in die offene Hand treffenden Faust.

    "Was bei Beliar willst du hier? Raus, mit Sträflingen will ich nichts am Hut haben", schrie der alte Mann, der vor Lee im Sessel saß, ihn an. "Aber Sie könnten dabei doch nur gewinnen, denken Sie doch nur an die Milizen, wir...", versuchte Lee seinen Standpunkt zu verteidigen, doch Onar fiel ihm direkt in das Wort. "Ich denke sehr wohl an die Milizen und zwar daran, dass sie mir den Hof wegnehmen, wenn ich solches Pack wie euch beherberge. Mein Vater und mein Großvater haben dieses Land hier mit Mühe und Not von ihrem Ersparten erworben. Ich bin Herr über drei Höfe die allesamt besten Ertrag abwerfen und ich...", erklärte er immer noch wütend, bevor Lee ihn wiederum seinerseits unterbrach. "Drei Höfe", erkundigte er sich überrascht. "Drei Höfe, ja", bestätigte Onar. "Bengars, Sekobs und meinen eigenen und...", wollte Onar gleich wieder fortfahren, doch wurde ein weiteres Mal gebremst. "Einen davon hätten Sie ohne uns schon verloren, wenn ich das richtig sehe, die Milizen wollten heute Morgen den ganzen Hof Bengars bis auf das letzte Korn leerräumen und nur ich und mein Trupp konnten dies mit vereinten Kräften verhindern", ereiferte sich Lee. Onar ließ sich daraufhin merklich ruhiger in seinem Sessel zurückfallen und Lee sah die Chance gekommen etwas mit seinen Worten bewirken zu können. "Wenn Sie zögern uns anzuheuern werden die Milizen über kurz oder lang zurückkommen und auch Ihnen das letzte Körnchen entreißen, wenn Sie Pech haben nehmen Sie sie auch so gefangen, weil es in ihre Pläne passt und übernehmen den Hof. Ich kann mir auch nicht ernsthaft vorstellen, dass dieser Hof jemals besonders von den Wachen der Stadt beschützt wurde. Allein auf dem Weg hierher mussten wir eine Bäuerin vor einem gefräßigen Feldräuber retten und die restlichen Felder wirkten auf mich mehr als eine Monsterbruthöhle, als ein lebensspendender Nahrungslieferant", erklärte Lee weiter. Onar grummelte dazu irgendetwas in sich hinein, offenbar ernsthaft getroffen von den Worten Lees. "Da haben Sie Recht, das letzte Mal, als die Miliz hier vorbeikam, war das um Steuern einzutreiben und die Felder haben sie dabei natürlich auch nicht gesäubert, das war ihnen wohl zu schmutzig", lästerte Onar und man konnte daraus hören, dass er dies wohl schon so manches Mal in der Vergangenheit getan hatte. Lee sah ihm hoffnungsvoll in die Augen. "Und Geräte und so weiter kann ja Bennet schmieden, also wäre die Stadt auch nicht nötig...", murmelte Onar wieder leiser werdend, während er seinen Kopf senkte. "Wieviel seid ihr denn überhaupt?", fragte Onar darauf wieder an Lee gewandt. "Wir sind sieben komplett ausgebildete Kämpfer", erwiderte Lee ohne lange zu überlegen" und verlangen würden wir nicht mehr als 50 Goldstücke pro Kopf die Woche, sowie Verpflegung", nahm er auch gleich die nächste Frage Onars vorweg. "Das ist schon eine ganze Menge, was ihr hier verlangt", wand dieser ein. "Aber ihr scheint euch ja immerhin schon einmal bewährt zu haben" ließ er gleich wieder seinen Gedanken freien Lauf. "Also, nun gut, ich stelle euch vorläufig ein und ihr kümmert euch um alle Höfe, die ich besitze, aber damit das klar ist: Wehe ihr macht mir Ärger. Schlafen könnt ihr hier in diesem Haus, Essen gibt es neben der Schmiede", sprach Onar und Lee verbeugte sich vor dem alten Bauern, bevor er sich daran machte, das Gebäude wieder zu verlassen.

    Ein enger Kreis von Bauern umringte die frisch gebackenen Söldner, welche in der Zwischenzeit allesamt ihre Waffen gezogen hatten, als Lee auf den Holzvorbau des Gebäudes schritt.
    "Wir sind eingestellt", rief er laut hinüber zu dem Haufen, dessen äußerer Ring sich mit einem Mal verdutzt zu Lee umdrehte.
    "Was hat der gesagt? Eingestellt?", erkundigte sich einer der Bauern bei seinem Nachbarn, der ebenso fassungslos wie er selbst war.
    "Weiß Innos, was Onar da für eine Grütze produziert", kommentierte dieser und zuckte mit den Schultern. Lees Gruppe steckte indes erleichtert wieder die Waffen in ihre Gürtel.
    "Und was sollen wir jetzt machen?", erbat Jarvis weitere Befehle, worauf Lee sie nur zu sich herwinkte.
    "Zimmer beziehen", sprach er nur und die kleine Gruppe machte sich auf dem Weg zu Onars Haus.
    "Das kann doch nicht gut gehen, was mit Sträflingen zu machen", sprach ein Bauer leise, während er ihnen nachsah und einige Köpfe neben ihm fingen zustimmend an zu nicken.
    Geändert von Oblomow (26.01.2020 um 15:37 Uhr)

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    Kapitel V: Söldnerleben

    "Also nur damit das klar ist, wir sind von nun an regulär angestellte Söldner und ihr habt euch höflich gegenüber den Bauern, besonders Onar, zu verhalten, ist das klar?", mahnte Lee seine Gruppe und schaute insbesondere beim letzten Wort ernst auf Lares, welcher sich dabei mit geschürzten Lippen abwandte, als würde er eben dieses ignorieren.
    "Und noch etwas, wenn ein Bauer Probleme mit Monstern hat, dann ist das genauso unser Problem, wie wenn irgendwelche Milizen oder Banditen versuchen einzudringen und damit meine ich, dass wir diese Probleme aus der Welt zu schaffen haben. Das ist von nun an ein eigener Staat, frei vom König und jeder Hof, der zu Onar gehört, ist Teil dieses Staates", fuhr Lee vor seinen aufmerksamen Zuhörern fort und sah noch einmal in die Runde, aus der ihm die bärtigen Gesichter seiner Mannschaft entgegen schauten. "Und jetzt macht euch sauber, danach bezieht ihr eure Betten und dann schauen wir einmal nach den einzelnen Höfen, ob alles in Ordnung ist", beendete er schließlich seine Rede und entließ seine untergebene Gruppe zum Waschen.

    Lee selbst blieb zurück in seinem neuen Raum. Er war groß und musste wohl für größere Feiern oder Treffen dienen, denn ein langer Tisch stand noch im Raum, an ihn waren einige mit Stoff überzogene Stühle geschoben, die mit ihren Mustern dem Gast wohl einen Teil des Wohlstands Onars vermitteln wollten. Er atmete einmal tief durch. Arbeit stand ins Haus, Arbeit, wie sie schon im Lager nicht anders gewesen war.
    "Ein neuer Tag und nichts hat sich geändert", murmelte Lee leise und stieß durch seine Nasenflügel leicht erheitert etwas Luft aus. Er sah sich etwas weiter in dem Raum um und vor seinem inneren Auge formierte sich dessen Zukunft. Er brauchte Platz, für Betten, für Waffen, für Beredungen und was sonst noch alles unweigerlich anstehen würde, zumal er sich fast sicher sein konnte, dass Onar es nicht bei seiner kleinen Truppe belassen würde, ja, sich es überhaupt nicht erlauben durfte, hatte er ernsthaft vor, gegen den König zu revoltieren. Und es schien ihm so, dass genau das sein Plan war. Über sich vernahm er die Schritte seiner kleinen Truppe, welche sich offenbar eiligst darum kümmerten, ihr neues Heim zu beziehen.
    Lee ging einen Schritt zurück und ließ sich auf den großen Tisch sinken, um besser in seinen Erinnerungen schwelgen zu können. Der große Bauernaufstand im zweiten Jahr Rhobar II. drängte sich in seine Gedanken. Es war eine blutige Schlacht gewesen, die er gegen das eigene Volk im Namen des Königs geführt hatte, so, dass Trelis, die Kornkammer des Reiches, um ein Haar im Chaos an die Assassinen verloren gegangen wäre. Er wusste nicht mehr, wie viele Menschen am Ende noch in jener Trutzburg jene Schlacht überlebt hatten, nur um darauf ganze drei Monate der Belagerung durch die Wüstenmenschen ausharren zu müssen, ehe der König sich der großen Gefahr bewusst wurde und seine Truppen ein weiteres Mal gen Süden entsandte. Natürlich schaffte es nur der Jubel der letzten Bewohner in die Chroniken, zusammen mit dem vorigen Tod verräterischer Bauern, die ihre Kinder Beliar opferten und das gesamte Reich zu vernichten gedachten. Ein bitteres Lächeln zeichnete sich auf Lees Gesicht ab, bei dem Gedanken daran, welche Gräuel in der Chronik der Insel von ihm verbleiben würden, sofern sie nicht im nächsten Gefecht sterben würden. Geschichte schrieben die Sieger. Nicht dass er nicht ein solcher gewesen wäre, aber er hatte nicht vor gegen irgendwen zu gewinnen, außer vielleicht den niederen Fürsten, die ihn verraten hatten. Es war ihm egal, ob die Nachwelt ihm die Ehre absprechen würde, solange er sich selbst reinen Gewissens noch ihrer Existenz versichern konnte.
    "Wir brauchen Handtücher und Bezüge", meldete sich plötzlich Buster und schreckte Lee dabei aus seinen Gedanken.
    "Was? Ja, ich kümmere mich darum, wartet einen Moment", gab er leicht konsterniert zurück und stand auf, um die Frau des Hauses aufzusuchen.
    In Gedanken versunken durchschritt er die kleine Eingangshalle und bemerkte dabei nicht den wandelnden Wäscheberg, welchen er nur Sekunden später zerschellen ließ. "Verdammt, hast du keine Augen im Kopf", begann die Dame, welche zum Vorschein gekommen war, zu zetern und bückte sich, noch ohne ihr Gegenüber angeschaut zu haben nieder, um ihre Ladung wieder aufzunehmen. "Entschuldigen Sie vielmals Madame. Es stand nicht in meiner Absicht, Unglück über Sie zu bringen", nahm Lee unverhohlen Stellung zu dem Missgeschick und kniete ebenfalls nieder, um die Dinge zu beschleunigen. Die Frau sah auf, als er auf ihrer Höhe angekommen war. Einen Moment musterte sie ihn, wie ein nie zuvor gesehenes Wesen. Sie schrak auf. "Sie sind doch General Lee", stellte sie lauthals fest. Lee verblieb in seiner Position. "Sie kennen mich also?", bemerkte er trocken und senkte den Kopf nach unten.
    "Natürlich kenne ich Sie, fast jeder in Khorinis tut das. Wer hätte sich denn damals auch einen Blick auf den so berühmten Mörder nehmen lassen?" Lee sprang auf.
    "Ich habe die Königin nicht ermordet", brüllte er sie laut an, dass er sich selbst fast schon dabei erschrak.
    "Ja, genau so stelle ich mir das vor, ein falscher Ton, eine Ablehnung der verbotenen Liebe des großen Generals, der sich im Zornesrausch mit nichts Anderem mehr als dem Schwert behelfen kann." Lees Hände ballten sich zu Fäusten.
    "Ein Schrei kommt über ihre Lippen, die er davor noch gewaltsam an sich gepresst und er drängt sie zur Wand. Ihr Rücken drückt sich an den kalten Stein, sie will noch ein letztes Mal um Hilfe rufen, doch er bohrt ihr die Klinge eiskalt durch ihr Herz." Lee konnte kaum mehr an sich halten vor Wut, doch wusste er darum, was im blühte, sollte er gegen ein Mitglied des Hofes handgreiflich werden.
    "Ich weiß nicht, warum Vater mit so einem Mann überhaupt gesprochen hat, aber ich warne Euch lieber, hier wird nicht auf Kuschelkurs gemacht, dass wir die Leute in die Sommerfrische schicken, wenn sie jemanden umbringen. Merkt Euch das." Lee kochte. Seine Finger wanderten zu seiner Axt. Er würde sie zücken, einfach nur, um das Gerede verstummen zu lassen. Mochte die Göre ihn auch bei dem Großbauern verraten, es war ihm inzwischen egal. In diesem Moment humpelte Buster in den Raum.
    "Lee, wir warten noch immer auf die Wäsche", nörgelte er. Die junge Frau drehte sich ruckartig zu ihm um und schnellen Schrittes, ging sie in seine Richtung, bis sie direkt vor ihm stand.
    "Da, nimm! Den Rest könnt ihr vom Boden aufheben", befahl sie schnell und machte sich daraufhin auf, die beiden Söldner zu verlassen.
    "Ein nettes Mädchen", bemerkte Buster sarkastisch, während er das erste Wäschestück an sich nahm.
    "Hoffentlich laufen wir ihr so wenig wie möglich über den Weg. Ich war kurz davor meine Beherrschung zu verlieren", bemerkte Lee. Buster blieb reglos vor ihm stehen.
    "Egal. Kümmere dich um die Betten, wir haben noch was zu erledigen", schickte er ihn darauf jedoch wieder weg. Die Tritte Busters waren zu hören, während Lee zurück in sein Zimmer ging. Er stützte sich auf dem großen Tisch an der linken Seite ab. Er musste aufpassen, was er tat. Hier war er kein General mehr, kein Gast, kein Angestellter, sondern ein entlaufener Halunke, nicht viel besser als das Vieh welches am Rande der schlammigen Wege das Gras abrupfte. Er war wieder unter Menschen, bei denen die Vergangenheit nicht unwichtig war und Worte wie Ehre noch etwas bedeuteten. Er trug Letztere noch in seinem Inneren mit sich und sie schmerzte. Er hatte versucht die Erinnerungen zu vergessen, seine Gedanken zu begraben, die mit ihm zogen und doch, hier war er an einem Ort angekommen, an welchem er nicht mehr vor sich selbst fliehen konnte. Er brauchte etwas zu trinken. Das einzige was er noch hatte, war eine kleine Flasche des minderwertigen Reisschnapses aus dem neuen Lager. Er trug sie nun schon über ein Jahr mit sich herum, seit er aus Höflichkeit nach erfolgreicher Abwehr eines kleineren Gardistentrupps mit einigen Söldnern mit in die Bar gegangen war. Einen Schluck hatte er getrunken, danach hatte er das Gebräu angewidert weggesteckt und für Notfälle aufbewahrt.
    Er stürzte den Rachenputzer seine Kehle herunter. Er musste husten. Der Trunk biss, doch seine Laune hellte sich wieder etwas auf. Schritte kamen von oben. Die Betten waren wohl nun bezogen, die Arbeit konnte beginnen. Lee nahm die Arme vom Tisch. Er spürte die Blicke seiner Gruppe im Rücken, als er sich umdrehte.
    "Wie lauten die Befehle, Lee?", erkundigte sich Torlof.
    "Geht schon einmal nach draußen und wartet dort, ich werde Onar nach den Standorten seiner Höfe fragen", schickte Lee die versammelte Truppe voraus und schritt hinüber zum Wohnzimmer des Großbauern.
    "Was willst du denn schon wieder hier?", zischte der Bauer, welcher am Eingang des Zimmers postiert war, als Lee ein weiteres Mal in den herrschaftlichen Raum trat. Lee ging ohne ihn eines Blickes zu würdigen an ihm vorbei. "Was lungerst du hier noch herum, anstatt zu arbeiten? Die Felder leeren sich ni...", fing darauf Onar an aus seinem Sessel zu mosern.
    "Ich müsste dafür noch wissen, wo der dritte Hof Eures Besitzes ist, jener dieses Sekob, wenn ich mich recht entsinne. Wir wollen uns zunächst mit dem Gebiet und den Leuten vertraut machen", erklärte Lee sich und platze dabei mitten in Onars Redeschwall. Ein davon nicht erfreutes Grummeln drang dabei aus dem alten Mann.
    "Hättest du gleich angefangen, hättest du ihn schon noch gefunden, er ist am Rande des Waldes, nicht weit entfernt vom Fuße der Anhöhe, auf dem mein Anwesen steht. Kaum zu übersehen", beschrieb Onar den Weg, worauf Lee sich knapp vor dem Bauern verbeugte und den Weg zur frischen Luft antrat.

    "Mir jucken die Beine langsam vom vielen Rumstehen", beschwerte sich Torlof, als Lee wieder zu ihnen stieß.
    "Und die Leute schauen uns noch immer so seltsam an. Im Mittelpunkt zu stehen, ist gar nicht mein Ding", ergänzte Lares.
    "Dann solltest du vielleicht nicht soviel reden, Lares", preschte Lee in das Gespräch und bahnte sich seinen Weg zwischen Torlof und Lares hindurch.
    "Und du wirst gleich genug laufen können, hoffe ich", wandte er sich an Ersteren. Im unkoordinierten Gleichschritt schritten sie unter Lees Führung voran.
    Geändert von Oblomow (26.01.2020 um 15:51 Uhr)

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    Kapitel VI: Sekob

    Erntende Bauern und goldene Ähren säumten den Weg der Söldner, während sie in Richtung von Sekobs Hof liefen. Aus den Spitzen ragten mal die Köpfe der erntenden Bauern, mal jene von gefräßigen Feldräubern heraus.
    "Frag mich, wie viel Ertrag diese Felder so abschmeißen", redete Lares mit einem Mal halb an sich gewandt.
    "Wieso? Willst du etwa unter die Bauern gehen?", griff Torlof lachend das Gesprächsangebot auf. "Nein, aber unter die Feldräuber." Lares grinste. Torlof war es mit einem mal wieder vergangen.
    "Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du der Gipfel der Geschmacklosigkeit bist?", sprach er ernst. Lares grinste noch immer.
    "Viele, aber ich habe trotzdem nie aufgegeben, meinen eigenen Rekord zu überbieten."
    "Ruhe jetzt, ihr beiden. Ich weiß, das ist für manch einen hier eine völlig neue Situation, aber wir wollen ausnahmsweise einen guten Eindruck machen", unterband Lee das Gerede. Lares' Grinsen reduzierte sich zu einem überheblichen Lächeln. Torlof hob noch zu einem Widerspruch an, ließ davon jedoch schließlich ab. Lee hatte Recht. So wie fast immer.
    "Aber bereitet euch ruhig einmal darauf vor im Zweifelsfall die Muskeln spielen zu lassen. Solche Kleinbauern sind nicht unbedingt immer grün mit ihren Herren", hing Lee noch an, als sie schon fast auf dem Vorhof waren, auf dem ein junger Mann dabei war, einen Holzstamm zu zersägen. Er schien in seine Arbeit versunken und schaute erst auf, als die Männer schließlich vor ihm zu stehen kamen.
    "Bist du Sekob?", fragte Lee den Burschen, der etwas verängstigt den ehemaligen General begutachtete.
    "Wer seid ihr?", antwortete dieser panisch und hob nun schützend seinen Fuchsschwanz vor sich.
    "Ich würde an deiner Stelle aufpassen mit dem Ding", warnte Cipher aus der zweiten Reihe.
    "Oder es zumindest mal richtig herum halten", ergänzte Buster. Entsetzt sah der Bursche auf das Sägeblatt, das direkt auf ihn gerichtet war und hektisch setzte er an, es herumzudrehen, wobei er sich auch gleich in den Finger schnitt.
    "Ich habs ja gesagt", kommentierte Cipher darauf altklug. Lee warf einen finsteren Blick auf seinen Kampfpartner, worauf dieser wieder ernster zu werden begann.
    "Wir sind von Onar angestellte Söldner aus der Barriere", erhob Lee nun das Wort, ohne damit den Jüngling damit erkennbar beruhigen zu können.
    "Was wollt ihr?", knurrte er stattdessen nochmal, die Muskeln bis zum Zerreißen gespannt. Lee blieb ruhig. Er hatte solche Situationen schon einige Male erlebt und ein Spruch hatte sich dabei immer bewahrheitet. Bellende Hunde bissen nicht.
    "Im Moment sehen wir uns nur um und würden uns vielleicht auch kurz eines kleineren Problems annehmen, falls dieses in unseren Auftrag fällt."
    "Kleine Probleme können wir schon selber regeln", reagierte der Bauer wie aus der Pistole geschossen.
    "Mit einer Säge...", hängte Cipher an und schob sich dieses Mal energisch vor Lee.
    "Komm mir nicht zu nahe", keifte der junge Bauer ihn sogleich an. Cipher blieb, ohne dabei in Hektik zu verfallen stehen und drehte sich zurück zu den Feldern um.
    "Sind das eure Felder?", fragte er. Der Jüngling ließ die Säge etwas verdutzt von der Frage um ein paar Zentimeter sinken. Ein verwirrtes "Ja", drang als Antwort durch seine Lippen.
    "Gut, hast du was dagegen, wenn ich gerade mal den Feldräuber der da hinten gleich deinen Kumpel verspachteln wird, erledige?", sprach Cipher unaufgeregt weiter. Der Junge war nun etwas kleinlauter geworden.
    "Was sagst du?" Er blickte in die Ferne, um Ciphers Blick folgen zu können.
    "Ich gehe mal davon aus, dass das ja heißt", beantwortete Cipher selbst seine Frage und zückte seinen Bogen.
    "Dann sieh mal her und staune", sprach er laut aus, nahm den Feldräuber ins Visier und ließ den Pfeil ins Feld sausen. Kaum einen Moment später ertönte ein weit entferntes Todesfiepen aus dem hochgewachsenen Korn. Der Bauer, der erst jetzt das Untier hatte ausmachen können, ließ mit weit aufgerissenen Augen verblüfft die Säge fallen.
    "So, nur mal für die Einordnung, was für uns kleine Aufgaben sind. Wenn das bei euch genau so aussieht, will ich da nichts gesagt haben, aber aus deiner Reaktion leite ich eher etwas was anderes ab", erzählte Cipher genüsslich, steckte seinen Bogen weg und lief zurück in die zweite Reihe.
    "Du kannst wieder übernehmen Lee", gab er dabei auch direkt die Redeleitung wieder ab.
    "Hätten wir dich ausrauben wollen, hätten wir das schon längst tun können", erklärte Lee jetzt deutlich weniger auf Harmonie bedacht.
    "Also nimm endlich deine Säge herunter und zeig uns deinen Hof", forderte er entschlossen, worauf der junge Bauer wirklich seinen Widerstand aufgab und die Säge auf dem Bock ablegte.
    "Das ist nicht mein Hof, aber ich kann euch zu meinem Vater führen, wenn Ihr das wünscht", stellte der Bursche sich als Sekobs Sohn vor. Lee atmete durch.
    "Das wäre ganz wunderbar, Junge", nahm er das Angebot dankend an. Strammen Schrittes folgten sie dem Jüngling zum Bauernhaus. Der Geruch von frischgebackenem Brot kam ihnen entgegen, als sie die Türschwelle übertraten. Es war dunkel. So sehr, dass man nicht wusste, ob die Fenster oder die Glut im Ofen Hauptlichtquellen waren.
    "Till, wie oft muss ich dir noch sagen, dass es erst Essen gibt, wenn das Holz fertig i...", meldete sich die eindeutig als Frau des Hauses zu identifizierende Person zu Wort, um bei der Erkenntnis, dass eine Gruppe fremder Männer in ihr Heim eingedrungen war, überrascht innezuhalten.
    "Guten Tag, mein Name ist Lee und ich wurde von Onar angestellt, um mich um den Schutz seiner Güter zu kümmern", stellte Lee sich vor.
    "Beachten Sie uns am besten nicht, wir wollen ohnehin nur kurz mit Herrn Sekob eine Unterredung zur aktuellen Lage halten", fuhr er fort und begab sich sogleich auch in den nächsten und einzigen anderen Raum des Gebäudes. Ein greiser Herr lag dort eingedöst in seinem Sessel und schnarchte vor sich hin. Lee räusperte sich dezent. Es half nichts. Er steigerte die Lautstärke etwas und die Augen des Bauern schlugen auf. "Guten Morgen", begrüßte ihn Lares aus der zweiten Reihe, während sein Gegenüber sich anscheinend durch den Sessel und die Wand dahinter drücken wollte. "Wer seid Ihr und wer hat euch in mein Haus gelassen?", reagierte dieser panisch. "Ihr Sohn, Till, wenn ich den Namen richtig verstanden habe", gab Lee bereitwillig Auskunft, doch schien dies den alten Bauer keinesfalls zu beruhigen.
    "Ihr seid doch Banditen. Wenn ihr meiner Familie etwas antun wollt, bekommt ihr es mit der Miliz zu tun", stieß er die einzige Drohung aus, die ihm zur Verfügung stand. Lares begann im Hintergrund wieder zu grinsen, doch ließ sich Lee das Wort nicht mehr nehmen.
    "Wir sind vor Allem nun Angestellte Onars und für den Schutz vor genau jenen Milizen zuständig. Wir wollten uns nur umsehen und Ihnen das mitteilen." Die Augen des Bauern waren immer noch von Furcht gekennzeichnet. Lee kannte diese Gesichter. Wie oft war er an den verzweifelten Südländern im Krieg vorbeigelaufen, deren Dörfer er im Namen Rhobars dem Feuer übergeben hatte. Nur, dies war kein Blick eines einfachen Bürgers, welcher um sein Leben fürchtete. Dies war ein Assassinengesicht, welches nur von Gedanken des Verlusts seines Eigentums zeugte. Lees Gesicht verfinsterte sich. Er wollte nicht mehr nett zu diesem Mann sein. Er widerte ihn an.
    In diesem Moment betrat auch Till das Zimmer.
    "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Sie haben gerade Rupert vor einem Feldräuber gerettet", hob er zur Verteidigung der Sträflingstruppe an. Sekob sah zu seinem Sohn herüber.
    "Hab ich dich nicht zum Holz machen geschickt, du fauler Hund?", fuhr er ihn plötzlich unverhohlen von seinem Sessel aus an.
    "Ich habe schon den ganzen Tag gearbeitet...", versuchte dieser sich der Beleidigung zu erwehren. "Dazu wärst du gar nicht imstande, so schwächlich wie du geraten bist", schob Sekob ungerührt verächtlich nach. Till hob an erneut zu antworten, winkte jedoch plötzlich ab und ging wieder nach draußen. Lee fühlte sich bestätigt in seinem Bild des Mannes, welcher ihn nun mit seinen gelben, zerfressenen Zähnen mit einem Mal verdächtig freundlich angrinste.
    "Setzen wir uns doch besser in die Küche und bereden dort alles Weitere bei etwas Suppe. Meine Frau schafft aus einer Brühe wirklich Magisches", bot Sekob Lee und seiner Truppe in seidenglattem Ton an. Widerspenstig folgte Lee ihm in die Küche.
    "Stell mal acht Schüsseln Suppe für die Jungens und mich her, Liebchen", forderte er seine Frau auf, die gehorsam begann Suppe aus dem Topf zu schöpfen.
    "Sparen Sie sich bitte die Mühen", beendete Lee jedoch nach einem Teller bereits diesen Vorgang.
    "Aber Lee, wenn er...", begann Lares dagegen Einspruch zu erheben. Lee streckte ihm die Handfläche entgegen und brachte ihn zum Schweigen.
    "Dieses Essen war doch sicherlich nicht für uns sondern für Ihre Knechte und Mägde gedacht. Das können wir nicht annehmen", wies Lee die Einladung zum Speisen zurück. Unsicher schaute die Frau ihren Mann an, den gefüllten Teller immer noch in ihrer Hand. "Was schaust du schon wieder so dämlich, stell mir den Teller her!", befahl Sekob nun wieder unfreundlicher. Seine Gattin folgte, ohne noch eine Frage zu stellen.
    Lee und sein Gefolge waren bereits eine kleine Strecke vom Hof entfernt, als Lee seinen Schritt verlangsamte und hinter sie zurückfiel. Seine Mannen drehten sich zu ihm um.
    "Was ist los, Lee?" erkundigte sich Buster und Lee sah ihn mit festem Blick an.
    "Was hast du an diesem Hof beobachtet?", fragte er mit ernster Stimme an ihn gerichtet. "Einen durchschnittlichen Bauern mit einem unerfahrenen Sohn. Nichts besonderes", antwortete Buster. Lee atmete tief durch. "Hat das noch jemand so gesehen?", hakte er nach. Cord meldete sich ebenfalls. Lee nickte stumm.
    "Gut, dann dürft ihr hier bleiben und dort zu Mittag essen, ich will mir das nicht ansehen müssen. Und Buster: Versuche dich etwas auszukurieren!", beendete er die Unterredung und schritt wieder nach vorne um sich an den Rest zu wenden. "Ich denke wir sollten jetzt weitermachen."
    Geändert von Oblomow (26.01.2020 um 16:01 Uhr)

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    Kapitel VII: Eintopf mit Folgen

    Sie waren gerade wieder vor Onars Hof angekommen, als Torlofs Magen sie grummelnd an die Mittagszeit erinnerte. "Wie lange sollen wir denn noch herumtrotten, Lee?", beschwerte sich Lares mal wieder als Erstes. "Wenn ich nicht bald was zwischen die Zähne bekomme, jage ich mir was", ergänzte Wolf, der sich bis zu diesem Zeitpunkt erheblich zurückgenommen hatte. Lee wand sich ungehalten zu seinen Mannen um. "Wenn du aus der Reihe tanzen willst, werde ich dich nicht aufhalten Wolf, aber versuche danach erst gar nicht, wieder angekrochen zu kommen, wenn dich die Paladine am Wickel haben", reagierte er überraschend aggressiv. "So habe ich das nicht gemeint", versuchte Wolf weitestgehend sprachlos die Situation zu entschärfen. "Gut", hakte dabei schon Lee ein und fuhr fort. "Dann sage ich jetzt, dass wir uns nun Essen von Onar holen." Er grinste. Die versammelte Mannschaft grölte zustimmend in die Felder. Er hatte sie wieder beisammen. Gemeinsam liefen sie die kleine Anhöhe zu Onars Hof hinauf. Lee wusste, dass er nun schnell die Suppenküche des Hofes ausfindig machen musste, doch ein betörender Geruch, wie er ihm noch nicht untergekommen war, gestaltete jene Suche selten einfach. Das einzige Hindernis, das sich ihnen nun in den Weg stellte war eine aufgeregte Bauernschar vor dem Eingang jenes Geruchsherdes. "Das ist doch ein ausgemachter Skandal", skandierte ein besonders aufgewühlter Bauer. "Das kriegen sonst nur die ältesten Bauern zum Adanostag und jetzt ist das Stammverpflegung?", stimmte ein besonders junger Stallbursche mit ein. "Thekla, vergiss nicht die acht Tugenden des khoriner Bauern", mahnte ein etwas älterer, buckliger Greis. "Du meinst neben der Trinkfestigkeit gibts noch sieben?", hörte man eine spöttische Antwort aus dem Gebäude schallen.
    Lee räusperte sich stark und plötzlich wurde es totenstill in der Runde. Blicke voller Misstrauen und Missgunst legten sich auf den ehemaligen General und seine Truppe. Ein enger Korridor entstand inmitten des Pulks. "Bittesehr die Herren, wünsche wohl zu speisen", spottete ein kräftiger Bauer mittleren Alters. "Vielen Dank", antwortete Lee anerkennend um einer offenen Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Er glaubte in seinen Augen den selben Glanz zu erkennen, den er selbst hatte. Den eines Führers. Er war sich fast sicher, sich darin nicht zu täuschen. Beizeiten würde er sich eine Strategie überlegen müssen, wie mit ihm umzugehen war, später. Nun wollte er erst einmal essen. "Das sind also unsere starken Söldner, die uns beschützen", begrüßte sie eine kräftige Frau neben einem Kessel. "Guten Tag, schöne Dame", begrüßte Lee sie. Er musste dabei etwas flunkern, denn die beste Zeit ihres Lebens hatte jene Frau sicherlich bereits hinter sich, doch sah sie zumindest so aus, als wäre sie nicht bereits als Stengel verdorrt. "Gehe ich recht in der Annahme, dass jenes Essen uns zugedacht ist?", erkundigte er sich weiter. Die Bäuerin lachte. "Ihr hört Euch nicht an wie jemand aus der Barriere, eher wie eine bepuderte Qualle vom Königshof, aber ja, das ist für euch, also kommt jetzt Mal her zum Essen fassen. Thekla will schließlich nicht umsonst ihren berühmten Eintopf gemacht haben." Lees Truppe schnappte sich schnell je einen Holznapf pro Mann von der Theke. Lee stellte sich hinten an. Als Anführer hätte er vermutlich den ersten Teller für sich beanspruchen müssen, allerdings wusste er noch von den Rhobarschen Kasernenküchen, dass der letzte Teller meist der Gehaltvollste war. Er hatte bei mancher Besprechung, wenn die Generäle über die Assassinen mit Galle im Speichel herzogen, oft gespottet, dass der Unterschied zwischen den Kreaturen Beliars und ihnen war, dass der Ranghöchste lieber immer der Letzte denn der Erste sein sollte. Oft war er der Einzige, der dabei gelacht hatte. Die Meisten seines damaligen Standes hatten eine Suppenküche in ihrem Leben meist noch nicht einmal betreten. Langsam bewegte sich die Schlange voran. In den Schöpfern, die in den Schüsseln landeten, konnte man Fleischbrocken ausmachen. Es waren nicht viele, aber ein verständlicher Grund für das Verhalten der Bauern. Fleisch, das war essbares Gold und normalerweise nur für Festtage oder zum Verkauf gedacht. Die ersten hatten sich bereits an einen der Tische gesetzt, warteten aber noch, bevor sie anfingen zu speisen. Nur etwas später hatte auch Lee seinen Napf gefüllt mit dem wohlriechenden, dampfenden Eintopf und setzte sich zu seinen Mannen. Simultan wanderten die hölzernen Löffel zu ihren Mündern und wurde der erste Bissen verkostet. Danach kehrte Stille ein. Sie sahen sich einander an, nicht imstande ein Wort von sich zu geben. Aus den Augen Ciphers traten derweil Tränen hervor. "Und ich dachte, der Genuss von Sumpfkraut wäre das Höchste gewesen", hörte man ihn atemlos aushauchen. "Ich kann es nur schwer beschreiben, aber dieser Eintopf wirkt auf mich, als würde er alles bieten, was ein Mensch zum Leben braucht", bestätigte Wolf diesen Eindruck. "Es schmeckt einfach außerirdisch gut", wollte auch Torlof seinen Satz noch anhängen. Lees Hände zitterten. Er hatte den Eindruck, dass ihm binnen Sekunden neue Muskelstränge in ihnen gewachsen waren. Noch nie hatte er, selbst am Königshof, ein vergleichbares Mahl vorgefunden. Und der Eintopf schmeckte wirklich derart vorzüglich, dass er sich nicht vorstellen wollte, irgendwann wieder etwas Anderes zu sich zu nehmen. Er sah in die Gesichter seiner Kameraden, die stoisch weiter aßen. Ihre Augen waren feucht vor Glückseligkeit geworden. "Thekla war der Name?", erkundigte sich Lee laut in Richtung Küche gewandt. "Was ist?", erkundigte sich die feste Frauenstimme. Er rang noch um die richtigen Worte, doch die Zeit ließ ihm kein Zurechtrücken eines angemessenen Satzes mehr. "Das ist besser als alles, was ich je gegessen habe", rutschte es ihm heraus, während ihm fast die Tränen kamen. "Will ich doch hoffen, dass das besser als Häftlingsfraß is", schallte es vom Herd zurück. Lee sah beschämt nieder auf seine Schüssel. Für einen Moment, hatte er tatsächlich vergessen, wer er war. "So habe ich das nicht gemeint", murmelte er kleinlaut, mehr an sich als an die Köchin gerichtet. "Wenn du mir was Gutes tun willst, habe ich nachher eine kleine Aufgabe, die erledigt werden müsste", antwortete Thekla. Lee überlegte einen Moment, während er weiteraß, ob es wirklich im Sinne des Großbauerns war, sich um die Belange einer Köchin zu kümmern und kam zu dem Schluss, dass es ihm im Zweifel egal war. Zumindest für eine kleine Vergütung des Eintopfes musste etwas Zeit übrig sein. Zusammen beendete die Truppe ihren Mittagsschmaus, Lares ließ dem letzten Bissen einen herzhaften Rülpser zur Kür folgen, der Rest hing entspannt auf den Schemeln.

    "Also gut, dann bedankt euch bei Thekla für das Mittagessen und lasst euch vom Großbauern Aufgaben geben. Wolf übernimmt die Leitung, solange ich weg bin. Ich habe hier noch etwas zu erledigen." Lares versuchte einen Einspruch gegen diese Entscheidung anzubringen, traute sich aber letztlich doch nicht zu einem offenen Widerwort. "Ich hoffe du machst schnell, Lee. Du weißt, dass ich nicht so gut mit Menschen kann", merkte Wolf an und legte einen vorwurfsvollen Blick ein, der verkündete, dass er gar nicht damit zufrieden war, dass Lee ihn mit Onar alleine ließ. "Keine Sorge, so lange wird es sicher nicht dauern. Sag dem Bauern, dass ich gerade einen gefährlichen Wolf jagen würde, das sollte als Erklärung für meine Abwesenheit reichen, denke ich." Wolf schien nicht davon überzeugt zu sein, er scheuchte die anderen dennoch von ihren Plätzen, um wieder aufzubrechen. Einer nach dem Anderen verließ die Stube wieder, bis als letzter Wolf die Schwelle übertrat. "Wenn es zu schwierig werden sollte, melde dich bei uns. Unseren Anführer zu verlieren können wir gerade echt nicht gebrauchen", äußerte er noch einmal seine Bedenken. Lee winkte ab. Dies war eine Sache der Ehre, noch dazu glaubte er nicht, dass die Köchin eine derart gefährliche Aufgabe für ihn hatte, dass er damit überfordert sein konnte. "Wirst das Kind schon schaukeln", verabschiedete er seinen neuen Stellvertreter, als er auch schon fühlte, wie sein linker Arm in eine sanfte Umarmung geriet. "Danke, dass du mir hilfst, großer Mann", flüsterte die alte Köchin sanft und gab Lee nach einem kurzen Blick, ob sie niemand beobachtete, einen Kuss auf die Wange, dass der ehemalige General vor Verschämtheit rot anlief. Es dauerte etwas, bis er sich mit einem lauten Räuspern wieder fing. "Was soll ich denn für die holde Maid erledigen?", sprach er aus, wobei er den Satz gleichzeitig fast verschluckte. Thekla lief wieder zurück in ihre Küche. "Wir haben ja bereits Herbst und bald kommt der Winter. Da wir hier alle zu sehr mit der Ernte beschäftigt sind, kaufen wir immer noch Feuerholz von einem Jäger in einem kleinen Tal hinter der Scheune. Wir versorgen ihn im Herbst, dafür hackt er für uns so lange Holz. Die letzte Lieferung an ihn ist allerdings bereits überfällig. Und ich als arme, schwache Frau gehe nur ungern durch den finsteren Wald, vor allem, wenn die Tage so kurz werden", klagte Thekla ihm ihr Leid. "Verständlich", pflichtete ihr Lee bei. Mühsam erhob er sich von seinem Schemel. "Dann gebt mir Eure Sachen und ich will Sie ihm bringen", gab er sich bereitwillig. "So einen Tatendrang habe ich schon lange nicht mehr hier gesehen", zeigte sich die Köchin erfreut und drückte Lee einen bereits gerichteten Korb in die Hand. "Und ich habe selten eine Bäuerin erlebt, die so geschickt die Männer für sich zu nutzen weiß", hängte Lee an. Für einen kurzen Augenblick verfinsterte sich die Miene der alten Frau, bevor sie wieder, als wäre nichts gewesen, weitersprach. "Der Jäger heißt übrigens Grom. Er hat einen kräftigen Bart und rotbraunes Haar. Normalerweise kann man ihn nicht verwechseln, da sonst keiner in dem Tal lebt, aber unter diesen Umständen: Wer weiß das schon?" Thekla versank etwas in Gedanken bei diesen Worten, während Lee sich unterdies wirklich durch die Tür verabschiedete.

    Etwas gedankenverloren ging Lee in Richtung der Scheune, hinter der der Einstieg in das Tal des Jägers liegen musste, bis ihn ein kräftiger Rempler fast zu Boden warf. Statt hinzufallen humpelte er jedoch nur einige Schritte zurück, ehe er sich wieder fing. "Wie ich es mir dachte, ein schwächlicher Taugenichts", höhnte eine kräftige Stimme. "Wenn du schlau bist, verpisst du dich, ehe noch ein paar Milizionäre auftauchen." Lee sah sich den Mann an, der zu ihm sprach. Es war der selbe Bauer, über den er sich schon vor dem Essen Gedanken gemacht hatte. "Wenn hier Milizionäre auftauchen sollten, werden sie entweder umdrehen oder die Konsequenzen tragen müssen", antwortete Lee kalt. Der Bauer krempelte unterdessen seine Ärmel nach oben. "Ich werde ganz sicher nicht akzeptieren, dass ich wegen euch Schmarotzern im Kerker lande", erboste sich der Bauer weiter und griff nach einer Axt, die an der Scheune angelehnt war. Lee stellte den Korb von Thekla aus Vorsicht ab. "Das musst du dann mit deinem Herrn klären, ich mache nur das, was man mir sagt", wiegelte er in sanftem, aber selbstsicherem Ton ab. "Bauern zu verprügeln gehört bisher noch nicht dazu." Lee mühte sich entspannt zu wirken, doch der Bauer holte dabei schon aus, dass er gerade noch seine eigene Axt vom Rücken zur Abwehr ziehen konnte. Ein lautes metallisches Klingen ertönte, die Holzfälleraxt rotierte in der Luft und schlug in den Boden hinter Lee ein. Der Bauer versuchte mit einem Tritt Lee von den Beinen zu holen, der seinerseits mit dem Axtknauf auf die Schulter zielte. Dieser zog jedoch zur Seite, sodass der Griff nur einen Riss in sein Hemd schrammte. "Gib mir sofort meine Axt zurück", forderte der Angreifer mit schwerem Atem. Lee zog die Axt aus dem Boden und visierte den Dachbalken der Scheune an. "Du kannst sie haben!" Er holte mit der Axt zum Wurf aus und schleuderte sie in den Balken des Dachfirsts. "Hol sie dir", rief er dem Bauern zu, der sich aus Furcht bei dieser Aktion in Deckung gebracht hatte. Lee griff nach Theklas Korb und lief weiter in den Wald hinein. „Morgen bist du dran!“, drohte ihm im Hintergrund der Bauer. Lee winkte ab. Es hatte keinen Zweck zu diskutieren. Nicht jetzt. Vielleicht auch am nächsten Tag noch nicht. „Vielleicht nie“, sprach er leise den letzten Gedanken aus. Auch solche Fälle hatte er gehabt. Solche Menschen hatte er versetzt: Meist an die Front. Hier war vielleicht mehr Fingerspitzengefühl vonnöten. Er würde sich Gedanken machen, nachdem er den Brotkorb abgeliefert hätte. Er schritt in den Wald hinein. Ein Paillettenkleid von Schatten umhüllte ihn. Die ersten gefallenen Blätter waren seine ersten unscheinbaren Löcher. Bald würde es in Fetzen herunterhängen. Das einzige Ziel konnte sein, den Winter zu überleben. So banal war es. Er sah einem Eichhörnchen zu, das im Boden scharrte. So banal. Und vielleicht hatte ihm die neue Freiheit mehr genommen als gegeben. Er schreckte fast auf, als ihm auffiel, dass er schon fast unmittelbar vor dem Jägerlager angekommen war. Ein stämmiger Mann sägte gleichmäßig einen Stamm in Stücke für den Hackklotz. Auch er war sich des nahenden Winters gewahr. „Hallo?“ Das Geräusch verstummte. „Ich habe hier einen Korb von Thekla.“ Der Holzfäller drehte sich zu ihm um. Er musterte Lee für einen Moment, eine Spur von Überraschung schien ihm dabei für einen Moment durch das Gesicht zu fahren. „Einfach im Zelt abstellen. Danke fürs Bringen.“ Verdutzt von der Nüchternheit des Mannes trat Lee an das Zelt heran und schlug das Fell vom Eingang zur Seite. Für einen kurzen Moment ergab sich der Blick auf Trophäen wie einen Trollhauer und Schattenläuferhörner. Er stellte den Korb an die Seite und schob seinen Körper wieder ins Freie. Der Holzfäller ging wieder seiner Arbeit nach. Lee wollte eine lobende Bemerkung machen, unterdrückte diese jedoch. Dieser Mensch brauchte offenbar keine Schmeicheleien.
    „Gut, dann wünsche ich noch einen schönen Abend.“ Lee wandte sich zum Gehen. Das Sägegeräusch verstummte zu seiner Überraschung noch einmal. „Wie war nochmal der Name?“ „Lee, ich vergaß mich vorzustellen. Entschuldigung dafür.“ „Und was tun Sie so?“ „Ich bin Söldner im Dienste des Großbauern, der sich zu einer Gefälligkeit hinreißen lies.“ Der Holzfäller sah ihn kurz schief an. „Lässt sich der alte Knacker also doch nicht mehr alles gefallen“, murmelte er leise in seinen Vollbart. „Mein Name ist Grom: Großwildjäger und Großbaumfäller. Wenn Interesse an meinen Diensten besteht, einfach auf mich zukommen.“ Lee war sich sicher, dass er persönlich vermutlich keinen guten Kunden abgeben würde. Wenn er sich solche Trophäen aufhängen würde, hätte er die Bestien auch selbst erlegt. „Angenehm. Ich habe bereits ein paar Beutestücke in Augenschein nehmen können. Sehr eindrucksvoll, insbesondere für einen Einzelnen.“ Grom schien geschmeichelt. „Habe ich von meinem Vater. Manche der Ausweidungstechniken hat er noch selbst entwickelt. Es gibt ja nicht so viele Jäger die überhaupt schon einmal einem Dämon oder einem Troll begegnet sind. Da ist es mit dem Erfahrungsaustausch dann, wenn man jemanden trifft, auch nicht so weit her.“ Lee nickt verständnisvoll, war aber selbst etwas erschüttert mit welcher Leichtigkeit dieser unscheinbare Einsiedler von so etwas erzählte. Einmal war er mit einer Kompanie auf einen schwarzen Troll getroffen, ein knappes Viertel der Truppe war danach nicht mehr gewesen, ein weiteres Drittel war verletzt und musste im nächsten Lazarett die Reise abbrechen. Natürlich hatte er auch von manchem nordmarischen Bären oder den Kämpfern aus Faring gehört, die professionell auf Jagd nach solchen Bestien gingen. Er mied diese Treffen allerdings seit jenem Tag lieber.

    „Wie dem auch sei, ich muss zurück zum Hof, es wird bereits dunkel. Vielleicht findet sich ja einmal eine Gelegenheit, solche Dinge weiter zu besprechen.“ Der Jäger zog einen sorgfältig gefalteten Zettel aus seiner Hose. „Vielleicht könnten Sie den hier an die Auftraggeberin weiterreichen, mir sind derzeit leider etwas die Hände gebunden, es selbst zu erledigen.“ Lee nahm den Zettel entgegen. „Verstehe, die Forstarbeit ist ja auch anstrengend“, willigte Lee ein. Ein schmallippiges Lächeln entrang sich ihm. „Ja, der Herbst verlangt einem viel ab“, bestätigte er trocken.

    Mit einem Handgruß beendete Lee die beklommene Stille, die aufgekommen war und gleichsam seinen Besuch. In der Tat hatte bereits die Abendröte eingesetzt. Er musste mehr auf der Hut als auf dem Hinweg sein. Um diese Zeiten trauten sich die Keiler und Wölfe aus dem Unterholz heraus. Er war kaum außer Hörweite von Groms Säge gekommen, als ihn schon ein lautes Knacken aufhorchen ließ. Er zog seine Axt. Noch musste dies nichts bedeuten, aber Vorsicht war besser als Nachsicht. Das hatte er als Soldat gelernt. Er ging weiter, den Blick in Richtung Ursprung des Geräusches gerichtet. Irgendetwas bewegte sich im Wald. Und es folgte ihm. Er lief nun betont laut, um ein etwaiges scheues Tier zu vertreiben, doch Rascheln und Knacken blieben ihm treue Begleiter. In weiter Ferne glaubte er sogar schon das Licht einer Laterne zu erkennen, als das etwas aus dem Dickicht brach.
    Lee war ob des Anblicks ernüchtert. Es war der selbe Bauer, mit dem er bei Aufbruch schon sein seine Probleme hatte. "Was willst du schon wieder, von mir?", fragte er wenig begeistert. Der Bauer zeigte direkt auf Lee. "Den Zettel. Jetzt. Sofort."
    Geändert von Oblomow (26.01.2020 um 16:12 Uhr)

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    Kapitel VIII: In den Krieg



    Lee zog den Zettel. "Du meinst diesen hier?", fragte er den Bauern. "Ja. Leg in hin und geh weg. Dann lass ich dich laufen", befahl der Bauer angespannt. "Das ist also der Grund, weshalb du mich loswerden wolltest?", hakte Lee nach. Sein Gegenüber spielte nervös mit seiner Axt herum. "Der Grund dafür ist, dass du ein Verbrecher bist, der längst hängen sollte. Und jetzt gib mir den Zettel." Lee steckte das begehrte Stück Papier betont langsam zurück. Er hatte einiges in den vergangenen Minuten verstanden. "Vielleicht solltest du einer Dame keine Angst machen, wenn du sie heiraten willst. Dieser Zettel ist von einem Ehrenmann an eine Dame und solltest du ihn dir mit Gewalt holen wollen, werde ich mit Gewalt antworten", wurde Lee ernster und zog seine Axt. Er würde eine Frau wie Thekla nicht für einen Wicht und Tölpel, wie er ihm gegenüberstand, verraten.
    Sein Gegenüber knirschte mit den Zähnen. Das Ergebnis der letzten Auseinandersetzung hatte dem Anschein nach Spuren hinterlassen. "Wenn du mir etwas antust, wird Onar seine Schlüsse ziehen." Lee sah sich um. "Er wird vielleicht jemanden von uns auf die Suche schicken, ja. Ich werde dann Bericht erstatten, dass Banditen dich erwischt haben." Lee hatte genug. Würde der Bauer nicht einlenken, war er entschlossen ihm auch wirklich den Schädel zu spalten.

    "Du wirst dir einen Feind auf Lebenszeit machen, wenn du jetzt diesen Zettel abgibst und ich habe Freunde", versuchte es der Landwirt auf einem neuen Wege. Lees Mundwinkel zuckten einen Moment nach oben. Sein Feind auf Lebenszeit wollte offenbar keinen weiteren Kampf wagen. "Ich werde den Zettel abgeben, das steht fest. Wenn du willst können wir über das "jetzt" noch reden, wenn etwas für mich herausspringt." Die Axt sank auf den Boden. "Wie lange willst du warten, Gauner?" Der Bauer schien die Chance zu wittern, so es nicht aus dem Körper ging, dennoch insgesamt etwas aus dem Ex-General herauszuschlagen. "Sechs Tage. Wenn du dann nicht zumindest zu deinem 'Nebenbuhler' aufgeschlossen hast, liegt es sicher nicht an mir, dass dein Traum ein Traum bleiben wird." Der Bauer knirschte merklich mit den Zähnen. "Und was, wenn sie nachfragt?" "Ich werde die nächsten Tage ausreichend beschäftigt sein. So viel Miliz und Paladine das Land durchstreifen sind einige Expeditionen nötig um auszukundschaften, was in der Stadt vorgeht. Außerdem muss Bengars Hof unter Schutz gestellt werden. Grund genug mich erst einmal zurückzuziehen. Viel wichtiger ist jetzt, mir darzulegen, was du anzubieten hast." Der Bauer schien seine Gedanken dazu angestrengt zu sammeln. "Dass ich dich wie Onar auszahlen könnte hast du hoffentlich nicht erwartet. Aber wenn du hier Ruhe auf dem Hof haben willst, so kann ich zumindest meine Füße stillhalten, sofern du deine Position nicht offen gegen uns Bauern nutzt", schlug der Bauer vor. Lee musste grinsen. "Beim Militär hätten wir jemanden wie dich für so eine Aussage zur Zwangsarbeit geprügelt oder zum Galgen geführt", gluckste er, und ließ den Zettel wieder in der Hose verschwinden. "Aber von mir aus soll mir das erst einmal reichen", willigte er ein. "Wie ist dein Name?", fragte er den Bauern. "Ich heiße Gunnar", antwortete dieser. Lee streckte ihm seine Hand entgegen. "Dann haben wir jetzt eine Abmachung, Gunnar." Gunnar griff nach der Hand und ein ruckartiger Händedruck besiegelte den Vertrag, bevor beide ihrer Wege gingen, die sie dennoch nebeneinander gen Hof führten.

    Eine angestrengte Stille herrschte zwischen ihnen. Es war vielleicht eine gute Gelegenheit nach diesem ersten Schritt der Annäherung weiter zu reden, doch gleichzeitig fühlte Lee sich ermattet. Die Erlebnisse des Tages forderten ihren Tribut und Gunnar war ihm bislang ein mehrere Stufen zu anstrengender Zeitgenosse gewesen. Und so schwieg er lieber. Noch war der Tag nicht vorbei. Ein Gespräch mit Wolf zur Lage auf dem Hof war angebracht, die Planung für die nächsten Tage zu bestimmen. Es war fast so, als hatte er dem Bauern nicht einmal etwas vormachen müssen. Er war tatsächlich ein vielbeschäftigter Mann.
    Als der Mondschein die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs überstrahlte, kamen sie wieder auf dem Hof an. "Dann bis Morgen", verabschiedete Gunnar sich überraschend bei Lee. Ein abgehacktes Winken war alles, was er emotional und körperlich als Reaktion geben konnte. Vielleicht würde er auch einfach in sein neues Bett fallen und den Tag abhaken. Verlockend schien dies allemal. So viel Verantwortung er auch für seine Truppe hatte, er konnte sich nicht um alle Eventualitäten kümmern. Für was legte er sonst all das Vertrauen in seine Gefährten?
    Sanftes Licht drang aus dem Gebäudeflügel, in dem er sein Hauptquartier eingerichtet hatte. Am Eingang stand Wolf, um ihn abzupassen. "Der Großbauer hat sich über dein Fehlen beschwert, Lee", zischte er ihn zur Begrüßung an. Lee atmete tief durch. Er hatte Derartiges schon befürchtet. "Und was hast du ihm gesagt?" Er sah Wolf eindringlich in die Augen. "Also, ich habe gesagt, dass ich mir sicher sei, dass du sicher nicht lange weg bleiben würdest, denn schließlich weiß ich ja, was du mit uns durchgemacht hast." Lee hatte seine rechte Hand auf Wolfs Schulter glegt und fing an zu drücken, bis sich abzeichnete, dass sein Gegenüber Schmerzen verspürte. "Und ich weiß, dass du ein guter Lagermeister und Rüstungsbauer bist, Wolf. Aber soll ich dir sagen, was der Herr Großbauer davon weiß?" Er presste die letzten Worte durch geschlossene Zähne. "Nichts?", riet Wolf, während Lee noch fester zudrückte. "Richtig. Hältst du deine Antwort im Angesicht dessen für angebracht?", giftete Lee weiter. "Sch-schätze nein", stotterte Wolf. Lee ließ von ihm ab. "Gut", sprach er und ging ins Haus. Wolf rieb sich die Schulter, ehe er hinterhereilte. "Und was hätte ich sagen sollen?", fragte er ratlos. Lee winkte ab, während er sich auf das nächste freie Bett setzte und begann seine Stiefel aufzuschnüren. "Ist egal Wolf. Ich bring dich nicht mehr in die Lage, das wissen zu müssen. Das war eine schlechte Idee. Und jetzt mach's wie die anderen und schlaf 'ne Runde." Wolf ging nach oben, Lee war nun bis auf Torlof, welcher auch im Erdgeschoss seine Bettstatt gefunden hatte, allein. Eine wirklich schlechte Idee hatte er da gehabt. Nicht einmal die Ausrede mit dem Wolf, hatte Wolf sich behalten. Er legte langsam seine Rüstung ab. Der Geruch seiner schweißverkrusteten Haut drang an seine Nase: Eine Wäsche war dringend geboten, doch dazu hatte er nun keine Kraft mehr, das musste sich bis zum nächsten Morgen gedulden. Langsam glitt Lee in die Horizontale. Wie lange hatte er schon kein echtes Bett mehr zum Schlafen gehabt? Es war lange her, unendlich lange. Er versuchte sich zu erinnern, während ihm langsam die Augen zufielen. Er hatte das Gefühl, bei seiner Suche in der Vergangenheit am Ende des Weges keine Ruhe zu finden, doch blieb ihm ein Ankommen dankenswerterweise in jener Nacht verwehrt. Lee war eingeschlafen.

    "Schläft er denn immer so lange? Seit über vierzieg Jahren stehe ich mit dem Hahnenschrei auf und nun soll ich für so einen Faulenzer bezahlen? Was sind das überhaupt für Manieren, war dieser Kerl nicht beim Militär? Wenn da solche Regeln herrschen wundert mich nichts mehr, was mir so vom Orkkrieg erzählt wurde."
    Stimmen drangen an Lees Ohren, Stimmen die er leider nur zu gut dem Großbauern zuordnen konnte. "Beruhigen Sie sich doch, er ist nur etwas erschöpft von den Wirren, die wir bis gestern durchmachen mussten", suchte eine andere Person, die nach Torlof klang, Onar zu beruhigen. "Wirren, soso. Und warum stehen Sie dann so ausgeruht vor mir?", höhnte der Bauer weiter. Lee schlug die Augen auf. "Ohne Führungsverantwortung lässt sich die soldatische Disziplin einfach besser einhalten, Herr Onar", rechtfertigte sich Torlof. Lee hatte die beiden inzwischen in Augenschein genommen. Mürrisch musterte Onar gerade Torlof und kam dabei zu einem augenscheinlich ihn zufriedenstellenden Ergebnis. "Behalten Sie sich ihre Disziplin bei, junger Mann, dann müssen sie sich vielleicht eines Tages nicht mehr mit solchem Gelumpe abgeben", sprach dieser zum Abschluss ein vergiftetes Lob aus und klopfte Torlof seitlich auf den linken Arm. "Sagen Sie Ihrem geschätzten Anführer, dass ich Dinge mit Ihm zu besprechen habe. Noch diesen Vormittag, wenn das klar ist", drängte der Bauer. "Sehr wohl, der Herr", bestätigte Torlof, dass er verstanden hatte. Sichtlich zufriedengestellt ließ Onar von ihm ab und wandte sich wieder seinem Herrenzimmer zu.
    "Hast dich gut geschlagen", beglückwünschte Lee Torlof aus dem Bett heraus. Torlof trat an ihn heran. "Dein Ausflug gestern hatte hoffentlich einen guten Grund, Lee. Noch einmal sowas und der Bauer schmeißt uns hier hochkant raus", beschwerte er sich, während Lee sich im Bett aufrichtete und die Arme zum morgendlichen Gähnen streckte. "Hatte er nicht, aber er wird sich vielleicht dennoch als nützlich erweisen", erklärte Lee sich. "Du weißt, dass wir auf deine Führung vertrauen Lee. Ich wünsche mir, dass wir damit nicht in der Traufe landen", mahnte ihn sein Kampfgefährte weiter. "Und wenn mir kein Paladin oder Ork den Schädel spalten, werde ich versuchen meiner Verantwortung gerecht zu werden. Und für den Fall der Fälle bist ja immer noch du da", gelobte der Angesprochene der übertragenen Verantwortung gerecht zu werden. Torlofs Augen verengten sich zu Schlitzen. "Bin ich jetzt nach Wolf der nächste Depp in spe oder was?" Lee klopfte ihm auf die Schulter. "Der alte Knacker mag dich, das prädestiniert dich doch dazu." Torlof wollte Einspruch einlegen, doch Lee war schon weiter zur Ecke mit der Waschschüssel gelaufen. "Denk darüber nach, ich wasch mir jetzt erst einmal schön die Eier", witzelte Lee weiter. Torlof blieb noch etwas ungläubig stehen, dann drehte er sich wortlos um und verließ wie zuvor Onar die Stube.
    Lee nutzte die Gelegenheit, die sich ihm alleingelassen bot, in aller Ruhe die Morgentoilette zu begehen. So sehr er tags zuvor von dem Hausmädchen zusammengestaucht worden war, hatte man ihm offenbar dennoch Seife und Tücher nebst der Waschschüssel bereitgestellt. Vielleicht war es auch nur als Hinweis darauf gedacht, dass sein Körpergeruch etwas zu intensiv geworden war, aber diesen Feinheiten erwartete er mehr am Königs-, denn auf einem Bauernhof zu begegnen. Aufwendig seifte er sich ein. Den Hals, der sich seit Tagen wie in einer Krause gefangen anfühlte, seine Achseln, die geröteten Füße und, wie angekündigt, seinen Schritt, bei dem er allein schon aus Respekt Avancen der Damen abgelehnt hätte, wären sie ihm gemacht worden. Er musste darüber schmunzeln, dass er nach all dem Unheil der Vergangenheit überhaupt wieder an diese Möglichkeit denken konnte. Die Strafkolonie war in dieser Hinsicht ein zu trostloser Ort gewesen. Nun begleiteten ihn wieder Genüsse des Alltags, die ihm über all die Jahre zu unerreichbarem Luxus geworden waren. Er wusch sich die Seife mit einem zweiten Lappen wieder ab. Das war sein neues Leben, die zweite Chance, die er sich erträumt hatte. Es lag nun endlich in seiner Hand, sie nicht mehr aus derselben zu geben. Sein erstes Leben hatte er dem König vermacht gehabt. Diesen Hof würde er ihm nicht überlassen.
    Lee begann sich wieder zu bekleiden. Der Muff haftete seiner Wäsche noch an, doch er hatte noch keine andere. In den nächsten Tagen fand sich hoffentlich jemand, der sich darum kümmern würde. Er hatte vermutlich keine Zeit dafür. Mühsam hob er die schweren Metallplatten, die seine Rüstung ausmachten, hoch, um sie sich umzugürten. Vielleicht war über längere Zeit auch diesbezüglich eine Änderung angebracht, gab ihnen die freie Welt vielleicht doch mehr Rohstoffe als die Barriere. Vielleicht würde er Wolf darauf ansetzen. Der Ruf seiner Handwerkskunst als Rüstungsbauer eilte ihm schließlich in der ganzen Kolonie voraus. Er rüttelte an seiner Rüstung, alles saß wieder, wie es sollte. Ein kurzer Griff in seine Hose versicherte ihm, dass der Zettel für Thekla ihn nicht unbeabsichtigt verlassen hatte. Gunnar war wichtig für den Respekt der Bauern. Wenn er ihrer Köchin erfolgreich den Hof machte, profitierten sie alle. Er hegte jedoch noch Zweifel daran. Doch genaueres musste die Woche zeigen, der Termin mit dem Großbauern war erst einmal bedeutend wichtiger. Lee begab sich gen des anderen Gebäudeflügels.

    "Ah, da ist ja der Herr General", begrüßte ihn Onar gehässig, als er in das Herrenzimmer eintrat. "Ich hörte es sei Ihnen ein Anliegen mit mir Rat zu halten?", entgegnete Lee betont höflich. Für einen Moment grinste der Großbauer. "Durchaus, durchaus. Zu früher Stunde erreichte mich Kunde von der Stadt, die mir ein ansässiger Händler uberbracht hatte. Schriftlich, mit Siegeln und allem was dazugehört. Vielleicht lesen Sie ihn nachher auch durch. Er ist drüben in der Kommode" Onar zeigte zum anderen Ende des Raumes. "Ein gewisser Lord Hagen stellt sich darin als Führer der heiligen Mission zur Rettung des Reiches und neuer oberster Befehlshaber der Insel vor", schilderte er weiter die Lage. Lee kam der Name unangenehm vertraut vor. Er musste etwas überlegen, bevor er wieder wusste warum. Sein oberster Ankläger, seinerzeit nicht viel mehr als ein wandelndes Gerippe, hatte ihm einmal seinen Sohn vorgestellt, kurz bevor er ihn für seine Sache vor den Karren spannen wollte. Die Heere von Silden wollte er abziehen und sie vor Faring stationieren lassen. Ein durchschaubares Manöver, hatte sein Geschlecht dort am Rand von Nordmar seit geraumer Zeit seine Stammburg. Er hatte abgelehnt und damit sein Schicksal am Hof besiegelt. Nur Innos wusste, welche Elitetruppe hinter dem Namen seines Sohnes stehen mochte.
    "Jedenfalls erwartet er von mir, den Inhalt aller Vorratslager ihm direkt zukommen zu lassen und die Höfe seiner Kontrolle zu überlassen", endete der Bauer. Lee hatte ihn über seine Gedanken ganz vergessen. "Und Sie wollen angesichts dieser Sondermission nicht das Risiko eingehen mit einer eigenen Armee von Sträflingen als Hochverräter gerichtet zu werden", sprach Lee, das vor, was er unweigerlich als vernünftige Reaktion des greisen Großbauern erwartete. Dieser knurrte laut auf und erhob sich aus seinem Sessel. "Nein, Sie Idiot. Haben Sie mir überhaupt zugehört? Diesen Hof, dieses Land, alles was Sie von hier aus sehen, haben meine Vorfahren über Jahrhunderte hart erarbeitet. Und das werde ich mir von keinem dahergelaufenen Idioten vom Festland nehmen lassen, verstehen Sie das?" Adern standen aus dem Gesicht des Großbauern, der am ganzen Leib zitterte. Lee verstand. "Ich kenne Hagens Vater: Er war ein einflussreicher Mann am Hof. Ich gehe nicht davon aus, dass seinem Sohn weniger als die besten verfügbaren Krieger, die das Reich noch hat, zur Verfügung gestellt wurden", wandte er dennoch ein. Onar ließ sich wieder in seinen Sessel niedersinken. "Ich hoffe ich kann auf Sie vertrauen, das in Erfahrung zu bringen. Schicken Sie jemanden in die Stadt zum Auskundschaften, heuern Sie mir eine Armee an. Sie haben die Zusage, dass genug Sold zur Verfügung steht", verfügte Onar mit felsenfester Stimme. Lee blickte etwas verdutzt seinen Dienstherren an. "Haben Sie Informationen, die mir fehlen?", fragte er ungläubig, ob der geradezu heraussprudelnden Kriegslüsternheit. Ein müdes Lächeln mühte sich Onars Gesicht ab. "Sie reden von einer Eliteeinheit, ich rede von der letzten Einheit. Vielleicht ist jetzt in diesem Moment Rhobar II., in dessen Namen diese edlen Ritter gekommen sind, auch schon längst eine Randnotiz der Geschichte", geriet Onar ins Erzählen. "Sie haben doch sicher auch Erz geschürft in der Kolonie. Was wenn ich Ihnen sagen würde, dass seit zwei Jahren allenfalls noch die Hälfte davon auf dem Festland gelandet ist? Tief in den Bergen hat Larius, der Herr Statthalter, ein schönes Lager für schlechte Zeiten eingerichtet und ich gehe jede Wette ein, dass der König gewusst hat, dass da etwas nicht stimmt, aber nichts mehr tun konnte." Der alte Bauer sah ihm tief in die Augen, während Lee kaum fassen konnte, was er gerade gehört hatte. "Ich mache mir nichts mehr vor: Das Reich ist am Ende. Und ich werde keine Mittel mehr darauf verschwenden, die Verlierer dieses Krieges zu stützen.“ Eine Flasche Kornbrand vom Nebentisch wanderte an Onars Kehle, nachdem er die letzten Worte gesprochen hatte.

    Lee konnte noch immer kaum glauben, wie wenig der Großbauer den Konflikt scheute. Er hatte als General viele Aufständische kommen und gehen sehen. Meistens waren es irgendwelche Bauernzusammenschlüsse, die sich einfach weigerten weiter Steuern zu bezahlen. Keiner war je auf die Idee gekommen sich ernsthaft militärisch dem Königshof zu stellen. Ihm kam dies nun jedoch in dieser Situation mehr als entgegen. "Herr Onar, seien Sie versichert, dass ich Ihnen mit all meiner Kraft und Wissen, das ich als ehemaliger General des Königs bieten kann und all meinen Mannen, Ihnen bis auf den Tod dienen werde", sprach er den Großbauern an, bei dem die erste Wirkung des Alkohols schon einzusetzen schien. "Ich bezahle ja auch teuer dafür, also worauf warten Sie bei Innos, machen Sie sich endlich an die Arbeit!", brüllte er Lee an, der sich artig verbeugte und sich schon anschickte den Raum zu verlassen, ehe ihm der königliche Schrieb wieder einfiel und sich noch einmal zur Kommode umdrehte, um sich diesens zu bemächtigen. "Brauchen Sie den Brief noch, ansonsten...", wandte er sich noch einmal an den Großbauern, der gerade weiteres Korn nachgekippt hatte. "Nehmen und verschwinden Sie", blaffte dieser zurück. Lee tat wie geheißen und verließ das Zimmer des Großbauern.
    Lee besah sich den Brief näher. Onar hatte sich nicht geirrt, es war alles da, das gebrochene Siegel, das trotzdem noch klar als das königliche zu erkennen war, die klassischen Eingangs- und Schlussformeln. Wie sehr die angeführten Titel des Königs, der sich unter anderem als König von Varant und Fürst zu Khwaenerhorem auswies, noch der Realität entsprachen oder nur noch einen verblassten undurchsetzbaren Anspruch anzeigten, war nur zu erahnen. Insbesondere von Khwaenerhorem, dieses Minifürstentum am Pass zwichen Silden und Nordmar, dessen Burg bei Soldaten berüchtigt für Ratten, Schaben, herunterfallende Mauerteile und unbeheizbare Räume war, konnte er sich nicht vorstellen, dass es noch gehalten worden war, wenn nur ein Wort des Großbauern stimmte. Andererseits hatten die Orks vielleicht auch nicht allzu großes Interesse am Sildener Umland. Das hatten gerüchteweise nicht einmal die dort lebenden Menschen. Er steckte den Zettel in seine Hose, sodass sich in dieser nun schon zwei wichtige Dokumente befanden. Auskundschaften sollte er die Stadt. Immerhin für diese Arbeit wusste er schon genau die richtige Person, er brauchte nur noch die richtige Kleidung für sie.
    In diesem Moment trat die junge Frau vom Vortag auf ihn zu. Ihre fast zu Schlitzen verengten Augen schauten ihn verächtlich an. Wolken zogen vor die grundlegend gute Laune des alten Generals. "Gut geschlafen?", fragte sie süffisant. Ganz offenbar hatte sie die Aufregung des Großbauerns mitbekommen. Der Griff zur Waffe schien ihm mit einem Mal wieder unheimlich naheliegend und dies, obwohl ihm in diesem Moment auffiel, dass er seine Axt nicht einmal angelegt hatte. "Albträume von Ihrer Hinrichtung würde ich nicht als guten Schlaf bezeichnen, ich hoffe Ihnen bliebe so etwas erspart", griff er spontan zu einer anderen Art der Gewalt. Ein unsicheres Zucken des linken Mundwinkels der Dame ließ den Treffer erkennen. "Aber wenn Ihnen so viel an uns liegt, wir bräuchten nachher ein neues Kleidungsstück für eine Operation in der Stadt", bat Lee weiter in vollem Bewusstsein, dass sein Gegenüber keinen Handstreich für ihn gedachte zu tun. "Ein Leichenhemd hätten wir zufällig gerade noch." "Elena!", trat plötzlich eine zweite Dame auf den Plan, die ebenfalls von oben in die Haupthalle gekommen war. "Hast du nicht gehört, was dir dein Vater gesagt hat?", empörte sich die ältere Frau, deren blondes Haar in einem großen Haarnetz nach hinten gebunden war. "Was soll ich auf einen hören, der sich mit solchem Verbrechergesocks einlässt?", wurde Lees Gesprächspartnerin lauter. Für einen Moment überlegte dieser sich zurückzuziehen, an Familienstreitigkeiten hatte er noch aus seiner eigenen Kindheit unangenehme Errinnerungen. In diesem Moment ertönte ein lauter Knall. Elena hielt sich leicht gebückt die linke Wange. "Du steckst da genau wie ich und dein Vater jetzt drin, junge Frau", ereiferte sich die ältere, schlagkräftige Dame. "Wenn du nicht am Galgen baumeln willst hilfst du diesen Männern also lieber. Um deinen edlen Geist wird sich die Miliz nicht kümmern. Ist das klar?" Mit einem zaghaften "Ja, Mutter", gab die Tochter klein bei und zog sich beschämt zurück. Die ältere Frau wandte sich ihrerseits nun Lee zu und musterte diesen von oben bis unten. "Sie sind dann wohl der ehemalige General, von dem mir mein Mann erzählt hat?", fing sie an zu sprechen. "Das bin ich wohl, Lee mein Name, aber woran haben Sie das erkannt, werte Frau?" "Nennen Sie mich Maria. Ansonsten ist es ziemlich einfach zu erkennen, wenn unter all diesen räudigen, groben Gesellen mal einer dabei ist, bei dessen Worten man nicht direkt irgendwelche Auswüchse der Fäkalsprache heraushört." Lee gefielen die Worte mit denen seine Truppe bedacht wurde nicht, wobei ihm zugleich bewusst wahr, dass sie nicht falsch waren. "Sie scheinen mit unserer Anwesenheit nicht ganz zufrieden zu sein?", hakte Lee nach. "Ich hatte mir Söldner anders vorgestellt als ein paar raubeinige Sträflinge, aber ich bin froh, dass mein Mann überhaupt mal endlich auf mich gehört hat. Was diese Milizen getrieben haben ging davor schon auf kein Trollfell mehr", erklärte die Dame sich. Lee sog tief Luft ein. "Also verdanken wir dieses Engagement einer Maria anstatt eines Onars, vielen Dank dafür gnä' Frau", bedankte sich Lee. Die Frau des Großbauern errötete leicht, versuchte aber sich ansonsten nichts anmerken zu lassen. "Sicher nicht allein, aber der General Lee ist gut beraten, nicht nur meinen Mann zufriedenzustellen sondern auch sein Weib. Also fahren Sie lieber einmal mit Ihren Plänen fort, sonst muss ich noch denken, es nur mit ungewaschenen, ungezogenen Maulhelden zu tun zu haben und nicht mit stinkenden, pöbelnden Söldnern." Lees Mundwinkel zuckten. Er hatte eine Ahnung davon, woher Elena ihre Schlagkräftigkeit hatte und noch viel mehr hatte er eine Ahnung davon, wie diese Frau und der Großbauer sich gefunden hatten. "Keine Sorge, nach einer Runde Dreckwälzen und Bauern beleidigen widme ich mich wieder mit voller Kraft meiner Aufgabe", verabschiedete er sich von der Großbäuerin. "Beeilen Sie sich besser damit. Ich will schnelle Ergebnisse sehen", kühlte sich deren Stmme merklich ab, dass ein Schauer Lees Rücken hinabfuhr, als er heraus in das wärmende Sonnenlicht der Veranda schritt.

    Viel Zeit hatten Sie aber vermutlich in der Tat nicht. Nicht mit einem Schiff voller Ellitepaladine, das vermutlich im Hafen von Khorinis anlag. Er hatte sich etwas mehr Chaos auf der Insel gewünscht, als die Kolonie vor seinen Augen zusammengebrochen war. Irgendwie zu einem Hafen zu gelangen, ein Schiff stehlen und auf das Festland zu fliehen um der Schuldigkeit seiner Truppe gegenüber Genüge zu tun und sich dann auf die Suche nach den elenden Fürsten, Herzogen und Edelmännern zu machen, die ihn zum Mörder gemacht hatten, das war sein Wunsch. Wie die Lage stand, konnte er froh sein, nicht direkt wieder in der Kolonie gelandet zu sein. Es galt die Möglichkeiten zu nutzen, die sich ihm boten. Es galt Lares für seine Mission vorzubereiten.

    "Nein, Lee, einfach nur Nein", winkte Lares lachend ab. Dieser verschränkte angespannt die Arme, während Lares ihm seine Sicht der Dinge ausbreitete. "Ich meine, wie viel Gedanken hast du investiert, bevor du auf die Idee mit der Bürgerkleidung gekommen bist, hä?" Lee konnte diese Frage nicht zufriedenstellend beantworten. "Immerhin habe ich mir Gedanken genug gemacht, den Experten für diese Aufgabe loszuschicken", erwiderte er also stattdessen. Lares Brust schwoll an. "Daran hast du auch verdammt gut getan. In Bürgerkleidung in Khorinis auftauchen würde, was würde denn passieren? Das ist eine Kleinstadt. Es ist Krieg. Alle sitzen sie aufeinander, jeder kennt jeden so gut, dass man das Kotzen kriegt vor altbekannter Fressen." "Das heißt wir können die Stadt gar nicht infiltrieren oder was willst du mir mitteilen?" Lees Augen verengten sich zu Schlitzen. "Können wir natürlich schon, aber besser über die Person von jemandem aus dem Hafenviertel. Für die interessieren sich Milizionäre nicht einmal, wenn man sie dazu zwingt." "Also willst du eine Hafenarbeiterkluft?", folgerte Lee. Lares winkte wiederum ab."Verarsch mich nicht Lares, das hier ist zu wichtig für Späße", giftete Lee zurück. "Ich bin immer noch der Anführer..." "Der Söldner", beendete Lares seinen Satz. "Der Bandit weiß aber bescheid über das Ausspähen und der Herr General nicht so sehr. Vielleicht sollte der General daher auch einfach einmal sagen, wofür ich hier meinen Arsch riskieren soll." Lee wippte auf einem Bein leicht nach hinten. "Sag' du es mir!", forderte er seinen Antagonisten auf. "Wein, Weiber, das gute Leben eben. Ich nehme was es zu holen gibt." Lee stieß einmal kräftig Luft durch die Nase aus. "Ja, das schmeckt dem edlen General nicht, was", setzte Lares nach. Aus dem Schnauben Lees wurde ein lautes Auflachen. "Nein, nein, träum du ruhig deine Träume", gestand Lee ihm zu, "Ich glaube nur nicht, dass aus ihnen Realität wird." Lares hatte selbst ein breites Grinsen auf dem Gesicht. "Du unterschätzt mich. Ich brauche nur den Hauch einer Möglichkeit, schon habe ich mich aufs Festland abgesetzt und dem obersten Orkschamanen seinen Lendenschurz geklaut." Lee wandte sich kurz ab, um seine ob dieser Schilderung angespannten Lachmuskeln zu verbergen, um sic danach direkt wieder dem Banditen zuzwenden. "Dann versuche ich es auf andere Weise: Solltest du eine Möglichkeit finden, lass es uns wissen und du bekommst etwas Startkapital für deinen Schmanencoup. Solltest du keine Möglichkeit finden, bleib einfach in der Stadt und es wird dir immerhin dein Wein bezahlt." Lares Mundwinkel zuckten. "Die Stadt ist immer noch gefährlich in dieser Situation", setzte er an, dass Lee sich bereits genötigt sah einen neuerlichen Einspruch anzubringen, "und guter Wein teuer", beendete Lares darauf den Satz. Einen Moment hielt Lee inne, bevor ihm die entscheidende Frage zwischen die Lippen kam. "Wie viel?"
    Geändert von Oblomow (21.11.2021 um 21:53 Uhr)

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    Kapitel IX: Es kann nur einen geben



    Lee schlenderte in Gedanken über den Hof. Die Ansprüche von Lares waren eine bodenlose Frechheit gewesen. Nachgegeben hatte er ihm trotzdem. Ob er sich das Geld vom eigenen Mund absparen musste oder erneut bei dem Großbauern vorstellig wurde deswegen musste er noch mit sich ausmachen. Er würde sich noch einmal bei der ersten Zahlung damit auseinandersetzen. Dann, wenn die erste Nachricht seines Spähers nicht aus einer Grußkarte aus Geldern bestand.
    Er kam gerade wieder in der normalen Welt an, als ihm auch schon gewahr wurde, dass man ihn von einer Seitengasse aus beobachtet hatte. Er drehte sich zu der Gestalt in seinen Augenwinkeln. Ein starrer Blick Gunnars erwartete ihn. Lee versuchte eine Art Mimik eines Wissenden aufzusetzen, was ihm zum einen aufgrund der Überrumpelung durch die Anwesenheit des Bauerns zum einen, und zum anderen des absoluten Desinterresses an dem Spiel, was dieser nun wohl treiben wollte, nicht ganz gelingen wollte. In der Tat hatte er einiges im Sinn, das ihm wichtiger schien, auch neben Lares. Nun, da sie eine Zentrale aufzubauen hatten, waren einige Qualitäten gefragt, die zuletzt zu kurz gekommen waren. Wolf taugte vielleicht nicht als seine Vertretung, aber als Schneider und zur Lagerhaltung hatte er sich in der Barriere über Jahre bewährt gehabt. Er ließ den Bauern stehen und drehte unverrichteter Dinge ab, um den selben Weg zurückzugehen, über den er an jene Stelle gekommen war. Der Bauer legte dies nun ihm geltend zu und schien ob dessen nervös zu werden. Er schloss eilig auf den Söldner auf. "Die Abmachung gilt ja noch, oder?", suchte er sich zu versichern, nicht den unmut des ehemaligen Generals auf sich gezogen zu haben. Lee grummelte etwas aufgrund dieser ungeplanten Störung. "Habe ich etwas anderes verlauten lassen?", fragt er herrisch zurück, dass der Bauer zusamemnzuckte. "Nein, ich dachte nur, wegen der angesprochenen Expeditionen, aber Ihr seid ja noch hier, und...", wechselte Gunnar ins Siezen. "Ich habe auch hier noch genug zu tun, also kümmer dich um deinen Kram dann kann ich mich mit meinem beschäftigen", wechselte Lee davon wieder zurück auf einfachere Umgangsweisen, Gunnar druckste darauf noch ein paar dankende Worte zum Abschied heraus, woraufhin Lee ihn wieder stehen ließ.
    Geändert von Oblomow (19.08.2023 um 21:02 Uhr)

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