»...daß ihr mir das Vorsegel refft und zwar nicht...«, schrie Kapitän Zukár gerade vom Achterschiff längs über das Deck zu den über dem Vorschiff in den Wanten hängenden Leuten. die Seeschwalbe war gerade auf dem Weg zur Feste. Von den Männern des Thanes hatte man in den letzten Tagen nichts mehr gesehen.
Was die Seeleute "zwar nicht" machen sollten, erfuhren sie niemals. Denn in diesem Augenblick kündigte ein dumpfes Sausen und Heulen, dessen Quelle nicht auszumachen war, etwas ungewöhnliches an.
»Was bei Beliar ist das?«, schrie der Korsar stattdessen, den eben gegebenen Befehl vergessend, und schickte sich an, die Treppe vom Achterdeck aufs Hauptdeck zu nehmen, um von dort aus vielleicht besser zu hören, um was es sich handelte. In diesem Augenblick wandelte sich der dumpfe Ton in ein helles Zischen, eine Lichterscheinung direkt auf dem Hauptdeck blendete alle, gleißend helle Strahlen, die sich in die Netzhaut einzubrennen schienen, durchdrangen Segel und selbst das Holz, so daß es auch unter Deck für einen Moment taghell wurde. Dann war alles vorbei.
»... denn jetzt schon wieder?« beendete Troan seinen Satz von eben.
»Auf Zukárs Schiff. Ich hätte nie gedacht, daß ein Teleportationszauber so präzise auf sich bewegende Objekte stattfinden kann. Diese Anwendung ist der unsrigen in Myrtana weit überlegen.«
»Verdammt noch mal! Was fällt euch ein, einfach auf meinem Schiff zu erscheinen«, polterte Zukár. »Ich wollte euch gerade abholen, weil ihr das Signalfeuer entzündet habt.« Er deutete auf die in der Ferne liegende Insel, von der eine erschreckend hohe Flamme den Abendhimmel erhellte. »Auch wenn es ganz schön mächtig geraten ist. Ein paar Nummern kleiner hätte auch gereicht. Habt wohl ne ganze Menge Feuerholz abgefackelt, was?«
»Kann man so sagen, ja«, bestätigte der Magier ausweichend. Daß gerade die gesamte Festung ausbrannte, weil sie sie in Brand gesetzt hatten, mußte jetzt nicht unbedingt ausdiskutiert werden.

»Achtung, weg da!«, erklang plötzlich der Ruf eines von Zukárs Männern. sie drehten sich um. Um den Hauptmast hatten sich Glieder einer Schuppigen Kette gewickelt, die sich jetzt langsam um den Mast bewegten, gleich einer Schlange, die sich einen Baumstamm entlang windet.
»Oh nein, werden wir das Biest denn nie los?«, seufzte Esteban. »Diese verfluchte Wandelbestie. Geht mit Feuer auf sie los!«, schrie er. »Verbrennt sie!«
Schnell waren die Entermesser, Säbel und Macheten gezogen und die Mannschaft der Seeschwalbe befand sich im wütenden Kampf gegen das sich weiterhin verbissen verteidigende Wandelbiest.
»Es ist nur ein Teil mit uns teleportiert worden, seht nur, es ist viel kleiner als im Labor.« Esteban wies die anderen auf seine Beobachtung hin. Und tatsächlich war wohl der Großteil der Überreste, alles was unter dem Schuttberg der zusammengefallenen Feste begraben lag, auf der Insel geblieben. Nur diejenigen Teile, Tentakeln zumeist, die freigelegen hatten, waren vom Transporter erfasst und teleportiert worden. Und auch nun versuchten sie, sich zu einem Körper zusammenzusetzen, einem Körper, der nur einen Zweck hatte: als Waffe zu dienen. erneut setzte ein Transformationsprozess ein, dürre, hart gepanzerte Beine entstanden, weit ausladende Zangen, eine Traube aus schwarzen Augen, ein geschnürter, in zwei Teile gespaltener Leib, ein langer, in Glieder aufgeteilter Schwanz mit einem spitzen Stachel, groß wie ein Männerkopf an seinem Ende: Ein Skorpion.
»Vorsicht vor den Zangen!«, rief einer der Männer.
»Scheiß auf deine Zangen, das Gift ist im Stachel!« Und schon schnellte der Schwanz mit dem Stachel vor und bohrte sich einmal, zweimal, dreimal in die Decksplanken. Nur im letzten Moment konnten die Männer beiseite springen. Da hieb ein anderer mit einer schweren Zimmermannsaxt in die Beine des Riesenscorpions und durchtrennte sie glatt. In wildem Schmerz drehte sich das riesige Biest um, es nahm fast die ganze Deckbreite ein. Das Schiff schwankte, als der Skorpion sein Gewicht verlagerte. Die Scheren fuchtelten wild durch die Luft, zerfetzten Tauwerk und Segeltuch, es schien, als hätte die Kreatur die Kontrolle über den eigenen Körper verloren. Decksplanken brachen, Holz splitterte, das Schiff neigte sich immer weiter zur Seite. Mit Wucht rutschte der Skorpion gegen die Reling, durchbrach das Holz und schlitterte über Bord. Im letzten Moment schnappte eine der Zangen zu und umschloß den Mast. Doch beherzt sprang einer der Matrosen vor und hieb die Zange durch. Das Biest rutschte vollends ins Wasser, das Schiff richtete sich wieder auf. Der Rest der Scorpionszange verlor seine Form, wurde gallertartig und dann vollends flüssig und sickerte durch die Planken. Es war vorbei.
»Weg von hier!«, war die abschließende Anweisung des Käpt'ns und die Seeschwalbe nahm Kurs auf Myrtana, um Bakaresh anzulaufen.