Portal-Zone Gothic-Zone Gothic II-Zone Gothic 3-Zone Gothic 4-Zone Modifikationen-Zone Download-Zone Foren-Zone RPG-Zone Almanach-Zone Spirit of Gothic

 

Ergebnis 1 bis 10 von 10
  1. Beiträge anzeigen #1 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline

    Post [Story] Normierte Schafe

    Alwin saß bedrückt auf der Bank vor seiner kleinen, bescheidenen Metzgerei und genoss ein kühles Bier. Es war Feierabend, die Arbeit war getan und über ihm färbte der Sonnenuntergang den Himmel in ein erquickliches Rotorange. Zu sagen war, dass er sich dieses Bier durchaus hart erarbeitet und verdient hatte. Im Schweiße seines Angesichts hatte er an jenem Tag ein besonders fettes Schaf geschlachtet. Es hatte lange gedauert und Alwin fürchtete schon, das Fleisch könne verderben. Schließlich hatte er auch solche Viecher schon metzeln müssen. Doch dieses Mal war ihm das Glück noch einmal hold gewesen und das Fleisch wurde verkauft und verarbeitet, bevor die Fäule von ihm Besitz ergreifen hatte können. Er nahm einen Schluck der Marke Dunkler Paladiner und ließ den Kopf nach unten sinken. Er war erschöpft wie schon lange nicht mehr. Er selbst hätte solch ein Schaf ja nicht so lange sein Gras fressen lassen. Nein, ein paar Monate davor hätte es wohl schon sein Ende gefunden. Schließlich musste man auch darauf achten, dass das Fleisch nicht unter dem angesetzten Speck leidete. Aber all dies stand natürlich nicht in seiner Macht. Er musste das nehmen, was er von den Bauern bekam und dann schnell seine Arbeit verrichten. Schließlich wuchs in seinem kleinen Bereich längst nicht genug Gras, um dort Tiere züchten zu können. Allenfalls Kaninchen waren möglich, aber damit war kein Geld zu machen, wusste auch Alwin. Zumindest so lange, wie die Jäger ausgewachsene, muskulöse Hasen in die Stadt brachten was sich angesichts des nicht geringen Bestandes in naher Zukunft auch nicht ändern würde. Er trank einen weiteren Schluck. "Blöde Bauern", entfuhr es ihm und er bereute es nicht dies gesagt zu haben. Schließlich waren es ja nicht die guten Schafe, welche die Bauern auf den Markt schleppten, zumindest meistens nicht. Irgendeinen Makel hatten sie immer und das immer jede zweite Woche bei allen gleichzeitig. Die einzige Möglichkeit diese verlausten Viecher überhaupt loszuwerden, dachte sich Alwin und er hatte Recht damit. Das müsste mal geregelt werden, führte er seine Gedanken fort und hob die Flasche erneut zu seinem Mund. Ja, eine Regelung, dass die hier nur gutes Zeug feil bieten dürfen. Schon lange hatte er sich selbst vor seiner Hütte und in den Kneipen darüber beschwert, doch diesmal dachte er noch weiter. Zum Feierabend hin ließ er sein Gehirn noch einmal zu Hochtouren auflaufen. Und schließlich traf es ihn wie ein Blitz. Ruckartig richtete er seinen Oberkörper auf und der Arm mit dem Bier erstarrte augenblicklich. Er hatte endlich eine Lösung für alle seine Probleme gefunden. "Eine Schafnorm", murmelte er leise zu sich selbst.
    Geändert von Oblomow (02.01.2020 um 00:43 Uhr)

  2. Beiträge anzeigen #2 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    "Sie wollen was?", fragte Larius. Er konnte noch immer nicht glauben, dass er sich wegen solch eines Anlasses mit einem Mann aus dem Hafenviertel unterhalten musste. In diesem speziellen Fall blieb ihm allerdings kaum eine andere Möglichkeit. Schließlich war es der einzige Metzger der Stadt. Zumindest der einzige, dessen Fleisch und Wurst genießbar waren. "Eine Schafnorm, das hab ich aber schon einmal gesagt. Es sollte 1,20 Meter lang und maximal vierzig Centimeter breit sein und natürlich frei von Verletzungen oder Krankheiten", forderte Alwin vehement die Durchsetzung seiner Idee. Es war ihm ernst damit. Er hatte schon immer Steuern gezahlt, auch wenn er es als Bewohner des Elendsviertels eigentlich nicht hätte tun müssen. Doch er sah dies als Pflicht an, genau so wie er es nun als Pflicht ansah, dass die Stadt nun auch etwas für ihn tat. Larius sah Alwin nach wie vor mit ernstem Blick an. Eigentlich wollte er lachen. Diese Idee war wohl mit die bescheuertste, die er in seiner ganzen Zeit als Statthalter des Königs ertragen musste. Er wollte seinem Gegenüber etwas zuwerfen, wie "Da müssen Sie aber noch ordentlich schrumpfen", aber es ging nicht. Stattdessen dachte er in eine andere Richtung. "Den Bauern wird das aber sicher nicht gefallen", bemerkte er fachmännisch, beeindruckte Alwin damit aber keineswegs. "Die Bauern müssen mit der Stadt handeln, ob sie wollen oder nicht. Sie kriegen das ganz sicher hin", war er nun an der Reihe mit Sarkasmus und brachte Larius damit zum Kochen. "Falls das nicht durchgesetzt wird, bin ich übrigens weg. Auf Onars Höfen bekommt man als guter Metzger sicher auch sein täglich Brot zusammen", schickte Alwin auch gleich noch eine Drohung hinterher. Larius stand unter Zugzwang. Was sollte er den Leuten sagen, wenn er erst den einzigen Metzger von Khorinis vergrault hätte? "Ist gut, ist gut. Ich werde Ihren Vorschlag beachten", versuchte er nun Alwin irgendwie zufrieden zu stellen. Was Larius brauchte war vor allem Ruhe und eine Idee, wie er es anstellen konnte, ihn zu halten. Alwin jedoch sah so aus, als wollte er er ihn jeden Moment anfallen, änderte jedoch offensichtlich seine Gedanken und verließ das Rathaus wieder. "Morgen will ich eine Entscheidung sehen", rief er noch einmal zurück, als er sich im Ausgang zurück zu Larius drehte. Mit einem lauten Knall fiel die Tür daraufhin wieder ins Schloss. Larius sank in seinem Sessel zurück. War er inzwischen so weit unten angekommen, dass er jedem Trottel nun seine innigsten Wünsche erfüllen musste? Er wusste selbst, dass dem nicht so war. Er musste nur Alwins Wünsche erfüllen. Doch wie mochten Lobart oder Akil reagieren? Vielleicht würden sie nur noch Gemüse und Korn verkaufen, sollte diese Regelung erst in Kraft treten. Dann konnte er Alwin auch gleich gehen lassen. "Ich brauch eine Verordnung", kam es Larius in den Sinn. Schüttelte aber daraufhin nur den Kopf. Jetzt war er wohl wirklich durchgedreht. Er sollte eigentlich schon längst seinen Tee trinken oder ähnlich nützliche Dinge tun, als sich mit dem geistigen Dünnschiss Alwins zu beschäftigen. Andererseits war es vielleicht ein Fehler, so zu denken. Denn die Sache war ernster, als es von außen schien. Larius stand auf und ging etwas im Zimmer umher. Staub wirbelte auf und ließ ihn niesen. Also setzte er sich wieder hin. Vor ihm lagen wie immer eine Feder, ein Blatt und ein Tintenfass. Er fixierte sie kurz, schaute dann wieder auf ein billiges Gemälde, von denen einige an seinen Wänden hingen. Ein Mann mit Bart sah auf ihn herab. Mehr war nicht darauf zu erkennen. Details gab es nicht. Das Bild war rundum gesehen langweilig und ließ Larius wieder auf sein Blatt schauen. Er seufzte tief durch. Doch schließlich nahm er die Feder in die Hand, tunkte sie in das Tintenfass und fing an zu schreiben.

    Verordnung, gültig für alle khorinschen Bauern

    Um die Erlaubnis für den Handel in der Stadt zu erhalten, müssen mindestens 2/3 aller Schafe die Norm von einer Länge von 1,20 Meter und einer Breite von maximal 40 Zentimetern erfüllen. Dieser Umstand ist im Laufe des folgenden Monats zu erfüllen. Andernfalls, ist der Eintritt in die Stadt verboten.

    Zum Handel sind ebenfalls nur Normschafe zugelassen.

    Gezeichnet,

    Larius, Statthalter von Khorinis
    Geändert von Oblomow (21.04.2020 um 10:44 Uhr)

  3. Beiträge anzeigen #3 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    Es war früher Morgen in Khorinis. Die Vögel zwitscherten und der Tau, der auf den Blättern lag, war noch frisch. Es war ein guter Tag, um in die Stadt zu gehen, was auch Lobart so sah und deshalb bereits all seine Knechte aus den Betten geschmissen hatte, um die Säcke, gefüllt mit Weizen, auf den Karren zu laden sowie die Schafe für den Markt zusammen zu treiben. Es war wieder eine Woche in der die schlechten Schafe in die Stadt gebracht wurden. Das lag an keinem Kartell, nein, es war einfach eine Tradition, an die sich jeder Bauer auf Khorinis hielt und die sich letztlich auch durchaus bezahlt machte: für jeden einzelnen von ihnen. Mochte ihnen Alwin der Metzger auch noch so sehr unlautere Absprachen vorwerfen, sie hatten keine Schuld. Lobart, der in voller Montur draußen vor dem Wagen stand, musste beim Gedanken an den Metzger unweigerlich grinsen. Ja, es würde wieder ein freudiger Tag werden; mit dem üblichen Geschrei und dem letztlichen Triumph, den man zum Feierabend in Coragons Taverne begoss. "Seid ihr jetzt endlich fertig?", rief er den Leuten auf der Schafweide zu, von der unvermindert das aufgeregte Blöken der Schafe ertönte. Ein knurrendes "Jaja, gleich", kam ihm von dort entgegen und einen Moment später standen Lobarts Knechte mit vier Schafen vor ihm. "Gut, dann auf in die Stadt", gab Lobart als nächsten Auftrag aus und zwei der Männer fingen an, den Wagen aus der Einfahrt des Hofes heraus zu ziehen. Lobart ging, wie es sich für einen Arbeitgeber pflegte, genüsslich hinter ihnen her. Wobei man ihm natürlich anrechnen musste, dass auch dies eine Arbeit war, da er als einziger aufpasste, dass kein Sack hinabfiel und dadurch etwa feucht, und damit unverkäuflich, werden konnte. Langsam zog das Gespann aus dem Gut Lobarts heraus, vorbei an der Bank, bei welcher Wanderer gerne zu Rasten pflegten und den Weg hinab nach Khorinis. Auch wenn dieses Stück leicht erschien, war es tückisch. Man durfte sich keinesfalls zu schnell bewegen, ansonsten wäre man geradewegs gegen die Stadtmauern geprallt. Doch die Knechte, die zogen waren routiniert genug und kannten die Gefahren. Und so kamen sie sicher beim Tor der Stadt an, wo der gewohnte Anblick die kleine Bauerngruppe erwartete. Zwei Milizen sorgten sich um die Sicherheit der Stadt und standen wie gewohnt zu beiden Seiten des Torbogens. Lobart ging nun nach vorne. "Ich bitte zu passieren, wir haben Ware zum feil bieten auf dem Markt", bat er die Wachen um Einlass. Normalerweise folgte ein lächelndes Kopfnicken, zusammen mit der Bemerkung "Natürlich Lobart, komm rein.". Oftmals war damit auch noch ein kleiner Plausch verbunden. Lobarts Bitte war als alter Hase mehr als Witz gedacht, denn Ernst. Doch diesmal hielt die Wache nur die Hand nach vorne, die Handfläche dem Tross entgegen gestreckt. "Ich muss erst die Schafe messen", sprach er militärisch abgehackt und zückte ein Maßband, um damit die Schafe fachgerecht zu vermessen. Lobart wollte fragen was das sollte, verkniff es sich aber zunächst und schaute lieber zu, was der Milizionär nun tat. "Aha...hmhm", grummelte dieser herum, bevor er wieder von dem blökenden Vieh wich. "Tut mir Leid, aber dieses Schaf ist 1,23 m und damit drei Zentimeter zu lang", bemerkte er und fuhr dann fort: "Solange diese Schafe mitgeführt werden, kann ich dich nicht in die Stadt einlassen, Lobart", schloss er ab. Lobart sah in die Augen des Mannes. Der Mann schaute ungerührt zurück. Eine Spannung trat auf, wie sie zuvor noch nie aufgekommen war, bevor Lobart sie mit einem Mal durchbrach. "Sag mal willst du mich verarschen?", rief er dem Milizionär entgegen und streckte die Arme seinem Gegenüber wild entgegen. Dieses blieb jedoch äußerst ruhig und gelassen und zückte nur einen Zettel aus seiner Rüstung. "Vielleicht solltet Ihr euch das mal durchlesen", sprach er zu Lobart und hob ihm das etwas zerfledderte Dokument hin. Lobart faltete das Papier vorsichtig auf. Er konnte als einziger seines Hofes lesen und er wusste, wie wertvoll dieses Material war. Eilig las er die Zeilen, welche darauf geschrieben waren. Nach der Lektüre beschloss er, dass Papier wohl doch nicht so wichtig war und zerriss es einfach. "Ihr könnt euch eure Verordnungen sonst wo hinstecken. Lasst mich jetzt gefälligst rein", brüllte er nun noch lauter und lief dabei rot an. Die Milizionäre schauten sich gegenseitig an, zuckten mit den Schultern und schauten wieder auf Lobart. "Das Korn dürft ihr hier reinbringen, die Schafe nicht. In einem Monat würden die hier aber wohl übrigens konfisziert, will ich nur angemerkt haben", verkündete die rechte Wache, doch tat damit dem Zorn Lobarts keinen Abbruch, der sich nun zu seinen Knechten umdrehte. "Kommt, wir gehen. Sollen diese Penner doch verhungern", sprach er verächtlich zu ihnen, doch die Knechte reagierten darauf nur entgeistert. "Diese Menge kriegen wir gar nicht den Berg hinauf, das ist viel zu schwer", erkannte einer von ihnen und teilte es sogleich seinem Vorsteher mit, der sich im Reflex sofort die Hand vor sein Gesicht hob. Er drehte sich um zu den Wachen und wieder zurück zu seinem Wagen. "Du bring die Schafe zurück zum Hof", sagte er, während er auf einen seiner Männer zeigte. Den anderen winkte er wortlos her, dass er ihm nach Khorinis folgen sollte. Die Stadt hatte gewonnen.
    Geändert von Oblomow (02.01.2020 um 01:24 Uhr)

  4. Beiträge anzeigen #4 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    Aufgrund des nun aufgetretenen Männermangels, sah sich Lobart vom einen auf den anderen Moment genötigt, beim Anschieben des Wagens zu helfen. Schlecht gelaunt stellte er sich an die Deichsel und zog das voll beladene Vehikel über die alte Holzplatte der kleinen Zugtür. Die Wachen ließen sie nun ohne Probleme hinein. Lobart fixierte zwar noch einmal die Linke der Beiden mit einem Blick, der seine Wut verbildlichen sollte, doch die Wache sah nur ungerührt und starr in die Ferne. „Arschloch“, dachte sich Lobart und überlegte sich einen kurzen Moment, ob er ihm nicht einfach die Faust ins Gesicht rammen sollte, verwarf diesen Gedanken aber wieder. Schließlich befolgte die Wache nur die Regeln und ihm selbst würde es auch nichts, abgesehen von einer Menge Ärger, bringen. Der Wagen holperte über das unebene Kopfsteinpflaster und die Leute sahen von der Seite halbherzig Lobart zu, wie er schwitzend und keuchend seine Ware gen Marktplatz schob. Schon bald hatten sie ihren Stammplatz erreicht und ließen den Wagen ab, um sich eine kleine Pause zu gönnen. Lobart und sein Knecht holten beide eine Flasche Wasser heraus und schauten sich den Markt an. Die Sonne schien hell auf die Szenerie herab und es herrschte bereits ein reges Treiben unter den Leuten. Reiche Bürgerinnen besahen sich die Auslagen Baltrams und kauften hin und wieder ein kleines Stückchen Obst, das sie besonders ansprechend und als exquisit genug empfanden. Bei Hakon hatten sich einige junge Burschen zum Stand gesellt und staunten über die großen Waffen, die sie selbst wohl nie besitzen, noch brauchen konnten und Canthar haute auf der gegenüberliegenden Seite einige Trottel übers Ohr, die auch genau so aussahen, als ob sie dafür von Innos geschaffen worden wären. Alles war so wie jedes Mal, nichts seltsames oder außergewöhnliches war zu erkennen, bis es Lobart wie Schuppen von den Augen fiel. Kein anderer Bauer außer ihm selbst war an jenem Tage vor Ort. „Was ist denn hier los?“, fragte er sich in Gedanken und hatte doch gleich die richtige Antwort parat. Was hätte es denn auch Anderes sein können, als die neue Regelung der Stadt. Doch er hatte keine Zeit, sich länger darüber zu ärgern, denn nach dem letzten Schluck seiner Flasche kamen auch schon die ersten Kunden. Zusammen mit seinem Knecht hievte er Sack um Sack aus dem Wagen auf die Schultern der Hausfrauen oder die Schubkarren der Händler. Es wurde um den Preis gefeilscht, gestritten und gearbeitet, bis der Abend hereinbrach und der Wagen endlich leer geworden war. Lobart zählte gerade die Einnahmen des Tages, die recht karg ausgefallen waren ohne das wertvolle Tier, als plötzlich ein Mann vor ihm zum Stehen kam. Lobart schaute auf und sah in das Gesicht Alwins, das von einem besonders breiten Grinsen geziert wurde. „Na, hast du Schafe zum verkaufen da? Ich könnte wieder eins brauchen“, bemerkte Alwin und Lobart senkte wieder seinen Kopf. „Nein, heute nicht, das nächste Mal aber wieder, denke ich“, erklärte sich Lobart und die Verstimmung durch das entgangene Geschäft war ihm dabei deutlich anzumerken. „Und weshalb? Hab ich dir etwa nicht genug bezahlt?“, hakte Alwin, bemüht um ein ernstes Gesicht, noch nach und bohrte damit in der offenen Wunde Lobarts herum. „Diese verdammten Sesselfurzer im Rathaus haben eine Regelung erlassen, dass die Schafe eine bestimmte Länge haben sollen. Hast du so einen Schmarrn schon mal gehört?“, fing Lobart an zu lästern und Alwin konnte fast nicht mehr an sich halten. Doch anstatt zu Lachen setzte er die traurigste Miene auf, die er beherrschte. „Nein, das ist ja furchtbar“, sprach er „Ich hoffe, dass du es trotzdem noch schaffst, hier verkaufen zu können“, endete er und Lobart erhob sich, um Alwin einmal auf die Schulter zu klopfen. „Ich kriegs schon irgendwie hin. Jetzt muss ich aber erst einmal nach Hause, es ist schon spät“, verabschiedete er sich von Alwin und winkte seinen Knecht zu sich. Gemeinsam fassten sie am Wagen an und gingen langsam die Straße entlang und sie sahen nicht, wie in ihrem Rücken das Grinsen wieder auf das Antlitz Alwins zurückgekehrt war.
    Geändert von Oblomow (08.06.2010 um 01:28 Uhr)

  5. Beiträge anzeigen #5 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    „Du hast was gemacht?“, schrie Kati ihren Mann wütend an, der sich unter reichem Einsatz von Gesten, versuchte zu verteidigen. „Ich bin ein ehrbarer Mann und wenn die meinen, die könnten machen, was sie wollen, dann haben sie sich geschnitten“, brüllte er zurück. „Und von was sollen wir jetzt bitteschön leben? Kleider kaufen, Werkzeuge bezahlen? Hast du dir das auch schon überlegt, du mit deiner Ehre?“, erwiderte Kati jedoch nur noch aufgeregter. „Ich weiß, was ich tue und lass mir von einem Weibsbild, wie dir, ganz sicher nicht sagen, was ich tun und lassen soll“, wurde Akil jedoch nochmals lauter und zeigte, mit puterrotem Kopf und ausgestrecktem Zeigefinger auf seine Frau, bevor er wütend über die knarrende Türschwelle nach draußen trat. Es war ein schöner Tag gewesen, doch kein guter, jedenfalls nicht für Akil, der wie immer bereits am frühen Morgen mit seinen Waren gen Stadt aufgebrochen war. Jetzt, nur kurz nachdem er wieder zurück gekommen war, war es früher Abend und er hatte nicht ein einziges Goldstück in der Tasche. Der Tag war wie eine Welle im Sande verlaufen. Eiskalt hatten sie ihn am Eingang der Stadt überrascht. Halbautomatisch und mit leerem Blick zog er den Zettel aus seiner Hosentasche heraus. „Zwei Drittel...“, murmelte er leise zu sich selbst. Natürlich entsprach er diesen Anforderungen nicht und er kannte auch keinen Bauern, der ihnen je entsprochen hätte. Wer kam denn schließlich auch auf solch eine absurde Idee, seine Schafe zu vermessen? Akil lachte einmal etwas bitter auf. Bei ihm gab es wohl eher zwei Drittel schlechte Schafe und bis die älteren Schafe wieder gebären würden, um die korrekte Zahl zu heben, bis dahin dauerte es fast noch ein Jahr. Akil sah nach links, dort stand sein Wagen, immer noch voll beladen mit dem Getreide der letzten Ernte. Er würde ihn noch abladen müssen, zusammen mit seinen Knechten, um das kostbare Gut vor Regen und Nässe zu schützen. Er atmete bei dem Gedanken daran einmal tief durch, steckte den Zettel wieder weg und sah auf seine rauen Hände, die von Blasen nur so übersät waren. Akil wandte seinen Kopf zur anderen Seite. Ehnim und Egil saßen dort in einer größeren Pfütze, um sich ihre Füße und Arme zu kühlen. Bei ihnen war es noch schlimmer, sie hatten sich die Blasen gleich noch abgerissen. Akils Blut kam wieder in Wallung, natürlich hatte er es nicht über sich gebracht, das Vieh wieder zurück zu schicken und trotzdem in die Stadt zu gehen, der Bürgermeister sollte schließlich sehen, was er davon hatte. Er war schließlich keine Schachfigur auf irgendeinem Brett, er war Akil und er hatte zusammen mit seinen Knechten einen halben Tag lang einen vollbeladenen Karren einen steilen Bergweg hochgeschoben, sich dabei Blasen und Muskelkater zugezogen und seine Knechte fast vollkommen unbrauchbar gemacht. Aber er hatte protestiert und das war es ihm wert gewesen. Er ballte bei diesen Gedanken seine Faust, bevor er sie kurz darauf wieder unter Schmerzen öffnete. Er überlegte sich einen Moment, ob er sich zu seinen beiden Untergebenen in die Pfütze setzen sollte, entschied sich aber nach einem Blick nach oben dagegen. Es hatte etwas zugezogen und die Gefahr war groß, dass es bald zu regnen anfing. „Warum muss mir das nur alles passieren?“, jammerte Akil etwas, bevor er sich wieder aufraffte. „Randolph, Ehnim, Egil, kommt her, wir müssen noch abladen“, rief er laut und halbstarke Proteste und Gestöhne drang im Gegenzug von beiden Seiten zurück an Akils Ohren. „Kommt schon, ansonsten jammern wir, wenn es nass wird“, ermutigte er trotz dem Fehlen eigener Lust, die Anderen, die sich langsam zum Wagen quälten und mit dem Abladen begonnen. Sack für Sack wurde wieder zurück in die Scheune geschafft, wo er erst am Morgen herausgeholt wurde, während Ehnim und Egil abwechselnd mit schmerzverzerrtem Gesicht kurz aufschrieen. Akil ging es dabei nicht viel besser, jeder Sack war eine einzige Qual. Doch die Bauern hielten mutig durch und trugen Stück für Stück den großen Berg ab, bis es schließlich das Schicksal noch schlechter mit ihnen meinte und das Wasser wie aus Eimern auf sie und die letzten fünf verbliebenen Säcke klatschte. „So eine verdammte Scheiße!“, brüllte Akil laut los und stampfte einmal mit seinem rechten Fuß auf den Boden. Ein lauter „Aaaah“-Schrei , den die dortigen Blasen ihm herauslockten, folgte unmittelbar. Mit nassen Kleidern und mit dem Aussehen eines überfallenen Reisenden traten sie den Rückzug in die warme Stube an, während das Wasser über ihre Nase nach unten tropfte. „Diese Stadt sieht mich nie wieder“, sprach Akil verständlich zu sich selbst. „Bei Innos, ich werde mir da schon etwas einfallen lassen“, fügte er leiser hinzu und trat zurück über die Schwelle ins Warme, wo Kati in der Zwischenzeit Graupensuppe für alle gekocht hatte. Akil hasste dieses Essen und wusste natürlich, warum sie es gekocht hatte, doch er beherrschte sich und aß, nachdem er seine Kleider gewechselt hatte, schweigend seinen Teller leer.
    Geändert von Oblomow (18.08.2010 um 19:30 Uhr)

  6. Beiträge anzeigen #6 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    Die Nacht war über Lobarts Hof hereingebrochen. Draußen heulte der Wind und rupfte die ersten Laubblätter von den Bäumen, während das Wasser den Boden aufweichte und in kleinen Rinnsalen die Entwässerungskanäle neben den Feldern hinab zum Tal floss. Im Inneren hörte man den ruhigen Atemzug Hildas, die sich nur von Zeit zu Zeit in ihrem Bett herumwälzte. Das Bett neben ihr war leer. Lobart hatte es vorgezogen wach zu bleiben und so saß er als letzter noch am Essenstisch. Das flackernde Licht der Wachskerze warf dabei den Schatten seines in den Schultern vergrabenen Kopfes an die Wand. Wie immer hatte er das Geld in der kleinen Truhe verstaut, wie immer hatte er zu Abend gegessen, bevor er von den Erlebnissen des Tages seiner Frau berichtet hatte. Hilda hatte die schlimme Botschaft ruhiger angenommen, als Lobart es sich vorgestellt hatte. "Uns wird schon etwas einfallen", spukten ihre Worte in Lobarts Kopf umher. Zweckoptimismus war schon immer eine der Eigenschaften, welche er an ihr schätzte und liebte. All die Jahre hatte sie ihn immer wieder aufbauen können, wenn die Zeiten nicht gut waren. Eine durchwachsene Ernte? Sie wusste richtig zu wirtschaften. Ärger unter den Bauern? Sie konnte ihn schlichten. Nur dieses eine Mal war das Problem größer als gewöhnlich, viel größer und vielleicht war selbst dies noch eine Untertreibung. Die Schafe waren schließlich das wertvollste, was er auf seinem Hof sein Eigen nennen konnte, wenn man vielleicht von den Gebäuden selbst absah. Dass er sie nun schlachten sollte, kam quasi einem finanziellen Selbstmord gleich. Lobart raufte sich die Haare. Ausgerechnet jetzt, da er geplant hatte die uralten verbeulten Harken zu ersetzen, kam diese Regelung. Ein armer Schlucker würde er vermutlich sein, wenn das neue Jahr begann, ausgehungerter als die Penner im Hafenviertel. Er er hob sich und warf seinen Oberkörper gegen die Stuhllehne, dass er etwas zurückwippte. Als er wieder zum Stehen gekommen war, sah Lobart der kleinen Kerze zu, die nunmehr nur noch ein kleiner Stummel war. "Die muss für den restlichen Winter reichen", kam ihm dabei ein Gedanke und ein irres Kichern entrang sich dabei seiner Kehle. Nein, wollte er irgendwie über die Runden kommen, musste er einen wahren Geistesblitz haben. Langsam erhob sich Lobart und schlenderte hinüber zu seiner kleinen Privatbar, um die Flasche selbstgebrannten Korns herauszuholen. Mit leerem Blick sah er auf die klare Flüssigkeit die im Inneren lebendig hin- und herschwappte. Ein guter Trunk konnte ihm nur helfen, aufgeregt wie er war. Mit einer geübten Bewegung zog Lobart den Korken aus dem Flaschenhals und setzte an zum Trinken. Schluck um Schluck ronn seinen Rachen hinab, bis die Flasche schließlich ihres Inhalts befreit war. Lobarts Kopf war in der Zwischenzeit stark rot geworden. Etwas ungeübter stellte er die Flasche auf das Schränkchen aus dem er es genommen hatte und ging zurück zu seinem Stuhl. "Mir muss doch irgendein Gedanke kommen", sprach er dabei laut zu sich. Aus dem Nebenraum war als Begleitung dazu ein scharfes Lufteinziehen zu vernehmen. Lobart verstummte wieder, auch wenn es ihm mit einem Mal schwerer fiel, sich zusammenzureißen. Anstatt ihm eine Idee zu liefern fing sein Gehirn, ein dekonstruktives Brummen zu liefern, vermischt mit verbildlichten Wünschen endlich zu schlafen und einigen pürierten Erlebnissen des Tages. "Was für ne Scheißidee", murmelte Lobart leise, während er seinen Hintern wieder in Kontakt mit dem Stuhl brachte. Er knallte seinen Kopf auf die Tischplatte und ließ ihn hin und her zu den Seiten rollen, bis er auf einmal innehielt. Ein undefinierbarer Klumpen formte sich langsam im sonst schwarzgrauen Nichts und brachte Erleuchtung mit sich. Er hatte einen Einfall. "Onar, ich muss unbedingt mit ihm reden", war das Endergebnis und euphorisiert von diesem warf Lobart sich ein zweites Mal an jenem Abend zurück. Doch diesmal warf es ihn auf den Boden, auf dem er, ermattet von den Strapazen des Tages, liegen blieb und in das Reich der Träume wanderte.
    Geändert von Oblomow (26.09.2013 um 23:48 Uhr)

  7. Beiträge anzeigen #7 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    Der Mittag war bereits in seinem Anfangsstadium angekommen, als Lobart in seinem Bett langsam die Augen öffnete. Er wusste nicht mehr, wie er dorthin gekommen war, ob er sich im Halbschlaf noch einmal aufgerappelt hatte oder ihn seine Frau hineingehievt hatte. Er schaute an sich hinab und erkannte seine weiße Unterwäsche die eine klare Antwort auf seine Frage lieferte. Ein unangenehmer Geschmack klebte ihm am Gaumen und sein Kopf brummte wie am Abend zuvor. „Wirklich ne Scheißidee...“, bestätigte er seinen zur gleichen Zeit geäußerten Satz. Langsam hob er seine Beine von seinem ärmlichen Bettgestell hinunter auf den Boden und vergrub seinen Kopf in den Händen, um seine Stirn zu massieren. Angestrengt versuchte er den letzten Abend wiederkehren zu lassen. Zu seiner Rechten hatte Hilda bereits begonnen das Mittagessen zuzubereiten und schnitt eifrig an ein paar Zwiebeln. „Da war doch irgendwas, was war es denn...“, murmelte unterdessen Lobart, während er seine offene Rechte die Wange herunterzog. In der Küche klapperte es unterdessen scheinbar unaufhörlich weiter. Lobart ließ die Hände in sein volles Haar wandern und es raufen. „Irgendetwas verdammt wichtiges“, gab er verzweifelt von sich und gefror für einen kleinen Augenblick, um sich voll auf dieses ominöse Etwas zu konzentrieren. „Ah“, tönte es dabei plötzlich laut aus dem Nebenraum und Lobart konnte nicht mehr an sich halten. Ruckartig erhob er sich. „Sei endlich still und hör auf mich zu nerven, Weib“, brüllte er laut über die Schwelle in die Küche, wo sich Hilda sofort mit vertränten Augen und blutendem Finger zu ihm umdrehte. Augenblicklich verstummte Lobart wieder. Geschockt starrte er auf seine Frau und sein pochendes Herz rutschte ihm dabei hinab in die tiefsten Regionen seiner Unterhose. „Bei Innos, was habe ich bloß getan?“ flüsterte er leise und rang dabei um weitere Worte. „Verzeih mir Hilda, ich wollte, dich nicht anschreien, das, das ist...“, verhaspelte er sich dabei und musste dabei feststellen wie sich ein Grinsen auf Hildas Gesicht breit machte. „Du alter Trottel, ich wein wegen den Zwiebeln, nicht wegen deinem bisschen Geschrei hier“, löste sie die Situation auf, dass Lobart erleichtert zusammensackte. „Und ich dachte schon...“, gab Lobart seiner Erleichterung freien Raum und streckte seine beiden Arme nach Hilda aus, um sie in diese zu schließen. „Ich liebe dich“, flüsterte er ihr leise ins Ohr und schmiegte seinen Kopf an ihre Schulter, die jedoch keine Geborgenheit vermittelten. Ihr Körper zitterte, während ein gehauchtes „Ich weiß“ ihn verließ. Eine Träne tropfte auf seine nackte Schulter und Lobart wusste sofort, dass diese nicht von den Zwiebeln herrührte. Er verstärkte seinen Griff etwas. „Keine Angst, ich werde das regeln“, sprach er beruhigend auf Hilda ein, bevor ihm der Einfall des Tages ohne eine Sekunde des Nachdenkens herausrutschte. „Ich rede mit Onar, diese Stadt wird schon sehen, was sie davon hat“, erklärte er entschlossen. Die zarten Finger Hildas krallten sich bei seinen Worten an ihm fest, doch das Zittern nahm ab. Es war eine stille Zustimmung und doch eine Mahnung vorsichtig zu sein bei dem was er tat. Lobart schloss die Augen. All die Monate war es ihm nie in den Sinn gekommen mit Onar dem immerfort schlechtgelaunten Großbauern aus dem Osten Geschäfte zu machen, doch nun blieb ihm keine andere Wahl mehr. Behutsam löste er sich aus dem Griff seines Weibes und machte sich daran seine Sachen für die anstehende Tagesreise zu packen. Ruhig schritt er in sein Schlafzimmer und zog sich seine Sachen an, um sich danach ein Brot vom bereits vorgedeckten Tisch zu nehmen und es sich in ein Tuch zu wickeln. Hilda beobachtete ihn musternd mit einem Blick, der erkennbar von Trauer getrübt war. Als Lobart alles beisammen hatte, was er wollte, drehte er sich noch ein letztes Mal zu ihr um. „Wünsch mir Glück bei den Verhandlungen und wenn einer von den Milizen kommt, um die Schafe zu kontrollieren, verhindere das. Morgen bin ich hoffentlich wieder hier“, verabschiedete er sich und küsste seiner Frau auf die Wange. Im Lichte der hohen Sonne schritt er schließlich von dannen in Richtung der Stadt, welche ihm nunmehr fremd geworden war, wie die zurückgezogenen Feuermagier in ihrem Kloster. Einige seiner Bauern sahen auf, während er die Stufen zum Hauptweg hinunterlief, doch er schaute nicht zu ihnen zurück. Nur einen einzelnen Tropfen salzenen Wassers ließ er als Antwort aus seinen, von der Sonne gegerbten Haut umgebenen, Augen rinnen.
    Geändert von Oblomow (24.02.2011 um 00:52 Uhr)

  8. Beiträge anzeigen #8 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    Es dauerte nicht lange, bis die Wachen des Stadttores in Lobarts Sichtfeld kamen und er selbst seine Schritte verlangsamte. Er hatte nicht vor den Weg durch die Stadt zu nehmen, schöpften doch die Wachen auf der anderen Seite sicherlich Verdacht, sollte er bei ihnen passieren wollen. Langsam glitt Lobart nach rechts hinter das Nadelkleid eines Baumes. Er sah nochmal zum Tor. Niemand hatte ihn bemerkt. Er schaute auf den Weg, den er zu gehen hatte. Er musste haarscharf an den Wachen vorbei, um dann rechts durch den Graben um die Stadt, hinunter in den Talkessel zu gelangen, aus welchem auf der anderen Seite ihn eine Treppe wieder herausführen sollte. Lobart hoffte, dass er es so weit schaffen würde. Nicht selten war er des Nachts aufgestanden und hatte aus jener Richtung das Geheule und Knurren von Wargen gehört. Nach einigen Gerüchten sollte selbst ein Schattenläufer in jenen Gefilden hausen. Er schluckte. Vermutlich war es besser, nicht weiter darüber nachzudenken. Jetzt war es erst einmal wichtig, überhaupt am Tor vorbeizukommen. Er sah wieder nach vorne. Ein niedriges Gebüsch war der letzte Schutz vor ungewollten Blicken. Lobart legte sich flach auf den Boden, die Wachen dabei stets im Blick. Nichts geschah. Lobart atmete tief ein. Er musste schnell sein. „Kharon, wann ist eigentlich Ablösung?“, fragte plötzlich die linke der beiden Wachen und Lobart robbte los hinter das Blattwerk des Gebüschs. „War da jetzt nicht grad was?“, reagierte der als Kharon Benannte. Die linke der Wachen winkte schnell ab. „Was soll schon gewesen sein“, erwiderte sie grummelig. „Na, ein Ork vielleicht“, gab Kharon eine Vermutung ab und sah ernst in das Gesicht seines Partners. „Idiot, ein Ork ist eines der dümmsten Wesen, das du dir überhaupt vorstellen kannst. Wenn die kommen, dann geben die sich auch zu erkennen“, reagierte die linke Wache jetzt schon fast wütend. Lobart hatte die Situation aufmerksam mitverfolgt. Schnell sprang er nun auf und raste in den Graben hinein, noch ehe die beiden Wachen ihm mit ihren Augen hätten folgen können. Lobart rannte wie von Beliar gejagt über den leicht sumpfigen Boden, bis er an den Klippen zum Talkessel angekommen war. Sein Herz pochte und schien fast seinen Brustkorb zerschmettern zu wollen. Er sah sich noch einmal um, kaum glaubend, dass er wirklich an den Wachen vorbeigekommen war. Doch hinter ihm war niemand mehr. Er hatte es geschafft. Vor ihm war nun jener Talkessel. Von fern war das Knurren wilder Tiere zu vernehmen. Er machte sich trotzdem an den Abstieg. Ein Zurück gab es nicht. Nicht nachdem er so weit gekommen war. Die Tiergeräusche wurden stetig lauter, je tiefer er kam. Auf dem letzten Felsblock zückte er seine Sichel. Sollte er in einen Kampf verwickelt werden, so brachte sie ihm vermutlich wenig, doch vielleicht konnte sie ihm im Zweifelsfall wertvolle Sekunden schenken, wenn er verfolgt werden sollte. Er verharrte noch einen Moment auf dem Felsen. Er war an einem Punkt in seinem Leben angelangt, an den er nie kommen wollte. Er musste das Glück über sich richten lassen. Keine Optionen, kein Zurück. Er sprang auf den belaubten Waldboden und rannte. Wargengekläffe drang an seine Ohren, doch er hörte kaum mehr, lief nur um sein Leben, zu der Treppe die ihn wieder aus der Hölle führen musste. Kiefer bissen nach ihm. Ziellos schlug Lobart mit seiner Sichel hinter sich und traf etwas. Irgendetwas jaulte. Er rannte weiter und hoffte nur, nicht zu stolpern wegen versteckter Fallen unter den weiten Blättern der Pflanzen. Stufen erschienen. Er rannte, rannte die Stufen hoch und war endlich auf dem wieder halbwegs sicheren Weg zu Akils Hof angekommen. Er setzte sich ans obere Ende der Treppe und spuckte inmitten tiefen Schnaufens zur Seite aus. Nur langsam konnte er sich wieder beruhigen. Er war dem Tod von der Schippe gesprungen. Noch einige Minuten blieb er so sitzen, dann kniete er auf den Boden nieder und dankte Innos, bevor er wieder weiterging.

    Der Rest des Weges verlief problemlos. Er war zwar selten in jenem Gebiet von Khorinis gewesen, doch er fand sich zurecht. Gegen die Mittagszeit kam er an der sagenumwobenen Kneipe zur toten Harpie vorbei und ließ es sich nicht nehmen, einmal zu einem Bier einzukehren. Er trat herein in den Innenraum und bestellte bei dem kräftig aussehenden Wirt eine Halbe dunkles Paladiner, um sich daraufhin etwas umzuschauen. Es war wenig los zu jener Zeit. Zwei Jäger unterhielten sich an einem Tisch über einen Troll, der irgendwo weit weg von jeder Zivilisation hausen sollte und mit dem sie reich werden konnten, sonst war nur noch ein etwas angetrunkener Bauer zu erkennen, der erschreckend gut das Bild des erwarteten Stammmillieus widerzuspiegeln schien. Lobart nahm sein Bier und setzte sich an seinen Tisch, als er plötzlich erkannte, wer der angetrunkene Bauer wirklich war. „Akil? Was machst du denn hier?“, stellte er überrascht fest. Der Bauer sah von seinem Bierkrug auf. „Lobart? Das gleiche könnte ich dich auch fragen“, krächzte er schwach zurück. „Aber wenn du es wissen willst, ich bin ein Feigling, der sich gerade Mut antrinkt.“
    Geändert von Oblomow (21.04.2020 um 11:13 Uhr)

  9. Beiträge anzeigen #9 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    Lobart trank einen tiefen Zug. „Du willst auch zu Onar?“, hakte er nach. Akils Kopf hob sich. Trübe Augen versuchten einen klaren Blick vor Lobart zu simulieren „Ganz sicher nicht. Ich werde meinen Hof nicht an diesen Dreckskerl verlieren“, schwallte es aus ihm heraus. Ein Schluck Bier nahm unmittelbar danach zum Ausgleich die andere Richtung. Lobart nippte nunmehr an seinem Krug. „Und wofür trinkst du dir dann Mut an?“, fragte er interessiert. Akil ließ seinen Kopf wachsam umherschwenken, bevor er diesen unmittelbar vor den seines Gesprächspartners schob. „Pass auf, hinten am jungen Klosterfluss sollen sich ein paar Banditen zurückgezogen haben. Ein paar Jäger, die dort Schattenläufer jagen wollten, sollen sie sogar schon überfallen haben. Ich werde versuchen, sie als Söldner auf meinem Hof anzuheuern und den Warenzufluss in die Stadt kontrollieren zu lassen, dann werden diese Bürokraten schon einknicken. Du müsstest allerdings auch mitmachen“, erklärte Akil seine Pläne. „Na, was hältst du davon?“, fragte er interessiert seinen Mitbauern, welcher nun doch entschieden hatte, dass Bier anständig zu trinken war. „Was ich davon halte?“, grummelte er leise in seinen Dreitagebart. „Ich halte das für unverantwortlich, sich bei der erstbesten Gelegenheit von Halunken die Kehle aufschlitzen zu lassen, anstatt sich seinen Problemen wie ein echter Mann zu stellen“, hob er darauf seine Stimme an, während sein Gegenüber vom Stuhl aufsprang. „Ich soll also wie du vor Onar kriechen? Ein echter Mann kämpft für seine Ehre“, brüllte er Lobart mit rotem Gesicht an. „Ein echter Mann kämpft nicht um seine Ehre, sondern übernimmt Verantwortung. Schau dich doch mal an. Stockbesoffen bist du und fantasierst über kriminelle, wirklichkeitsferne Pläne die jeden Bauern dieser Insel eingeschlossen dich ins Unglück stürzen würden“, verschärfte Lobart seine Kritik, erhob sich dabei jedoch ebenso. Es konnte nun alles passieren und er wollte nicht schutzlos einem Angriff ausgeliefert sein. Akil grinste ihn an. „Du hörst dich schon wie meine Frau an. Aber weißt du was? Ich scheiß auf euch beide, ihr könnt mich mal...“

    Ein Faustschlag in sein Gesicht beendete die Rede abrupt. Lobart stand nun über dem zu Boden gegangenen Akil. „Wenn du dein Leben wegschmeißen willst, dann tu das. Ich werde hier aber nicht zusehen, wie du Kati und deine Knechte in deine Scheiße mit reinreißt.“ Lobart wusste selbst kaum, wie ihm geschehen war. Bilder von Hilda hatten sich mit einem Mal in seinen Kopf gebohrt. Doch es spielte mehr mit hinein. Ehre war kein Ziel, sondern eine Bürde und es tat weh, sie für den vermeintlich richtigen Weg aufzugeben. Insofern hatte Akil zu seinem Leidwesen Recht gehabt. „Du kannst mich zu nichts zwingen, Lobart“, machte jener zu diesen Gedanken wieder auf sich aufmerksam. „Das werden wir ja sehen. Wir beide gehen jetzt jedenfalls erst einmal zu Onar“, widersprach Lobar.

    Energisch zerrte er seinen angetrunkenen Mitbauern am Kragen nach oben und schliff ihn mit sich zum Ausgang der Kneipe. Doch gerade als er sich anschickte die Türschwelle zu übertreten hielt ihn eine kräftige Hand zurück. Lobart wand sich um und sah geradewegs Orlan, dem Wirt, in die Augen. „Haben wir nicht etwas vergessen, der Herr?“, sprach er mit einer Heiterkeit, die den bedrohlichen Unterton dahinter jedoch nicht verbergen konnte, noch wollte. Für einen Moment, musste Lobart ernsthaft überlegen, was man von ihm wollte, bevor er drei Goldmünzen aus seiner Tasche zog und dem Wirt in die Hand drückte. Er wollte weitergehen, doch Orlan hielt ihn noch immer mit festem Griff davon zurück. „Wenn der Andere mit soll, erwarte ich auch, dass für ihn bezahlt wird“, erklärte Orlan deutlich unfreundlicher. „Und wieviel soll das sein?“, gab Lobart ebenfalls patzig zurück. Orlan setzte wieder ein Lächeln auf. „36 Goldstücke“, erklärte er unverblümt. Lobart sah auf Akil. „Kannst du das bezahlen?“, fragte er um Ruhe bemüht nach. „Was geht dich das an? Lass mich einfach in Ruhe drinnen mein Bier weitertrinken“, kam im Gegenzug die auf den zweiten Blick eindeutige Antwort. Unruhig holte Lobart seinen Geldbeutel aus seiner Hosentasche und überprüfte den Bestand. All zu viel würde nicht übrig bleiben, sollte er Akils Schulden damit begleichen. Für einen Moment überlegte er sich ernsthaft, ob er ihn doch lieber ziehen lassen sollte. Sollte er sich doch seinen Hof versaufen oder sich alternativ von ein paar skrupellosen Verbrechern umbringen lassen. All das war nicht seine Angelegenheit und Geldprobleme hatte er ohnehin schon selbst genug. Allein, er hatte nicht die Härte, die nötig gewesen wäre, tatenlos an der Seite zu stehen. Schlechtgelaunt warf er den Lederbeutel in Orlans Hand. „Der Rest ist Trinkgeld“, verabschiedete er sich. Die Hand an seiner Schulter war verschwunden. Eiligen Schrittes entfernte er sich von der Taverne zur toten Harpie. „Wenn das hier gut ausgehen sollte, schuldest du mir was“, zischte er Akil an, der seinen Kopf so tief gesenkt hatte, dass sein Gesicht nicht mehr zu sehen war. „Und wage es bloß nicht, bei Onar mit deiner Ehre...“ „Lobart?“ „Hm?“ „Danke.“

  10. Beiträge anzeigen #10 Zitieren
    Halbgott Avatar von Oblomow
    Registriert seit
    Jul 2008
    Ort
    Badens Hauptstadt
    Beiträge
    9.398
     
    Oblomow ist offline
    „Herr Onar, zwei Herren möchten sich für ein Gespräch bei Ihnen anmelden“, kündigte Wasili ihm kommenden Besuch an. Er mochte keinen Besuch, ganz grundsätzlich, aber insbesondere nicht mehr an diesem Tag. Der Knecht, den Bengar ihm gesandt hatte, um kommende Fehlabgaben anzukündigen hatte ihm schon mehr als gereicht, zumal er den Grund dafür bis zu diesem Zeitpunkt zwar inhaltlich verstanden hatte, aber deswegen dennoch keinesfalls nachvollziehen konnte. Aber Bengar war im Gegensatz zu Sekob auch niemand, der ihm einfach so Unsinn auftischte.
    „Wenn es wieder Boten von Sekob sind, sag ihnen sie sollen die Beine in die Hand nehmen, sonst kriegen sie die Peitsche zu spüren, die dieser Nichtsnutz verdient“, ätzte er grantig. Wasili blieb ruhig stehen und hüstelte in einer Klangfarbe, die Betroffen-, wie Vergnügtheit indizierte. „Es sind die Bauern Akil und Lobart, sie bewirtschaften die Höfe außerhalb Ihres Gebiets, Herr Onar“, klärte Wasili über den Besuch auf. Der Großbauer wusste nicht ganz, wie er mit dieser Situation umzugehen hatte. Akil hatte er einmal ein Angebot zum Kauf seiner Ländereien unterbreitet und ein gehässiges Lachen dafür geerntet, Lobart hatte er zuletzt getroffen, als er als junger Bube von seinem Vater auf den Markt nach Khorinis geschickt worden war. Er verfiel etwas in Gedanken, wie er es oft tat, wenn etwas Ungewohntes geschah. Es musste wichtig sein, wenn sich diese Leute an ihn wandten. „Lass sie noch ein paar Minuten warten, dann schick sie rein“, wies er seinen Diener an und riss, kaum hatte sich dieser von ihm abgewandt, die Schublade seines Tisches auf, um das Dokument des Knechtes von Bengar herauszuziehen. Möglicherweise hatte er nicht nur Unsinn, sondern auch die Sprengkraft dieser Verordnung unterschätzt. Was waren die Normalmaße seiner Schafe? Selbst, als er noch auf dem Hof aktiv mitgeholfen hatte, hatte er das nicht gewusst, weil es schlicht keine Rolle spielte.
    Während er sich nochmal aufmerksam das offizielle Schreiben des Statthalters durchlas, betraten die beiden Bauern das Arbeitszimmer. „Ähm, Herr Onar“, wisperte leise der Linke auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Onar sah von dem Zettel auf und schaute in ein ihm fast gänzlich unbekanntes Gesicht, das entsprechend zu Lobart gehören musste. „Onar, nur Onar unter uns freien Bauern bitte“, hakte er die Formalitäten ab und streckte dem Bauern die Hand entgegen, die dieser annahm. Ihm kam der Händedruck unheimlich fest vor. Vermutlich lag dies daran, dass er inzwischen alle Arbeit delegierte, während sein Gegenüber noch anpackte. Er bot auch Akil die Hand an, der jedoch bis zu einem Rempler durch seinen Reisegefährten zögerte sie auch zu ergreifen. „Welch freudige Überraschung dich wiederzusehen Akil“, konnte Onar sich eine Bemerkung nicht verkneifen, während sie sich die Hände schüttelten. Der Bauer grummelte dabei für Onar Unverständliches vor sich her, aber er ging fest davon aus, dass es irgendwelche Verwünschungen waren. Er bot ihnen dennoch die Plätze vor seinem Tisch an und ließ sich wieder in seinem Sessel zurückfallen. „Also, was ist der Anlass für diesen seltenen Besuch?“, fragte er darum bemüht möglichst arglos zu wirken. „Ich glaube das weißt du ziemlich genau, wenn ich mir diesen Zettel auf dem Tisch so ansehe“, giftete Akil. Onar sah nochmal auf den Zettel. „Nein, nein, das hier ist gerade erst auf meinem Tisch gelandet und ich muss erst einmal erörtern, was das für meinen Hof und die meiner hörigen Bauern bedeutet“, erklärte er sich. „Das kann ich dir sagen: Eine ausgedünnte Herde, keine Waren aus der Stadt und einen Winter, bei dem man von Glück sagen kann wenn man nicht bei Lehmar vorstellig werden darf“, schaltete sich Lobart ein. Onar gab kein Anzeichen einer Reaktion. Wenn andere aufgeregt waren, war einer der seltenen Zeitpunkte selbst inne zu halten. Das hatte er von seinem Vater gelernt. Er überlegte, wo er den Namen Lehmar schon einmal gehört hatte. Es war kein guter Kontext gewesen, nur hatte er trotzdem vollkommen vergessen, wer diese Person war. Was ihm hingegen nicht verborgen blieb war, dass die Lage für die beiden Kleinbauern vor ihm stark angespannt war.

    „Lobart, Lobart, ich weiß ja nicht wie viele Hektar Land du bewirtschaftest“, fing er an zu antworten. „8 ganze Hektar mit bester fruchtbarer Erde“, antwortete Lobart, immer noch merklich aufgewühlt, was Onar jedoch nicht beirrte „Fünf, gut Lobart, ehrbare Fläche, aber ich habe hier über 50 Hektar Ackerfläche und das ist nur mein selbst bewirtschafteter Ackerboden. Wenn ich Bengars und Sekobs Flächen mit einberechne kommen nochmal 50 Hektar dazu. Und da sind die Weideflächen für das Vieh noch gar nicht eingerechnet“, tönte Onar, um sich vor den beiden etwas Respekt zu verschaffen. „Nichts für ungut, aber bevor ihr mich in Angst und Panik um meine Existenz versetzt, muss noch viel Wasser ins Meer fließen.“ Akil stand empört über diese Aussage auf. „Du willst also einfach deine unförmigen Schafe zur Schlachtbank führen und dein Maul halten?“, ereiferte sich der Kleinbauer. „Ungern“, gab Onar unumwunden zu. „Deshalb warte ich auch noch darauf, dass ich eine Alternative angeboten bekomme“, schob er den beiden die Redeleitung wieder zu. In diesem Moment hatte er schon einen groben Gedanken gefasst, in welche Richtung das Ganze gehen sollte und was er am Ende vorschlagen würde. Zwar hatte er noch immer keine Ahnung wie viele seiner Schafe nach der Verordnung wegzufallen hatten, aber möglicherweise war dies auch zweitrangig. Allein der Preis, den er den beiden setzen würde, war letztlich davon betroffen, nicht das grundsätzliche Vorgehen. „Also, jedenfalls, wir dachten da an ein Entgegenkommen, irgendeine Absprache, die den Statthalter zum Einlenken bewegt“, formulierte Lobart Akils und sein Anliegen.

    Onar besah sich die zwei Gestalten vor sich. Für die beiden war es sicherlich ein Risiko, etwas Derartiges anzustoßen, vielleicht war es gar der letzte Ausweg. Für ihn war die Umsetzung seiner Idee auch nicht ganz ungefährlich, aber er hatte sich für Fälle in denen die Obrigkeit nicht wohlgesonnen sein konnte, schon einmal einige Gedanken gemacht gehabt. „Irgendeine Absprache also. Ich meine Akil hier erinnert sich sicher noch, was ich von ihm haben will, aber dein Hof ist mir tatsächlich etwas ungünstig gelegen, Lobart“, wandte Onar ein. Akils Faust knallte auf den Tisch vor ihm. „Du kriegst den Hof nicht, das habe ich schon einmal gesagt“, brüllte der Bauer ihn an. Er hatte mit nichts anderem gerechnet, nur durchgehen lassen konnte er ihm dieses Verhalten nicht. „Wer sich in meinem Haus nicht benehmen kann, fliegt raus. Ich hoffe, dass dir das klar ist, du Wurm von einem Bauern“, giftete er zurück, dass der davor so aufgebrachte Angesprochene zurückschreckte. „Vielleicht sollten wir etwas zur Ruhe kommen und mehr auf die Lage schauen. Ich bin sicher, wir finden einen Weg, mit dem keiner von uns auf etwas verzichten muss, ja, vielleicht sogar noch einen Gewinn aus der Situation schlagen können“, gab sich Lobart mit einem Mal herausragend diplomatisch. Onar war positiv überrascht von dem Bergbauern. In der Tat war dies möglich, aber genauso war es möglich, dass am nächsten Tag die Miliz vor der Tür stand. Und überhaupt funktionierte alles, was sich die beiden vorstellen konnten immer noch nur unter seiner Mithilfe, wenn es Aussicht auf Erfolg haben sollte. Gemessen an seinem Ertrag waren diese beiden kleine Leuchten, die allenfalls ein Drittel der Stadt über die Runden bringen konnten. Er würde sich diese Stellung bezahlen lassen. „Sicher kann das gehen und ich habe auch einen Plan. Ihr verkauft mir eure nicht der Norm entsprechenden Schafe zum halben Preis und ich stelle alle Marktgänge erst einmal ein. Ihr verkauft euer Getreide derweil mindestens zum dreifachen Preis, während ich ein Schreiben an den Statthalter bezüglich der Norm aufsetze“, eröffnete er den beiden seine Vorstellungen. „Und was ich von euch will, dass ich das auch so mache, werde ich euch Morgen Abend mitteilen, wenn meine Schafe vermessen worden sind. Bis dahin, betrachtet euch als meine Gäste“, beendete er seine Ausführungen, mit denen er die beiden Bauern offenbar überrumpelt hatte.

    Die beiden sahen sich an und tuschelten ein paar Worte miteinander. „Klingt nach einem Plan“, stimmte Lobart ihm schließlich zu. „Aber damit das klar ist, den Hof gebe ich dir nicht“, ergänzte Akil. Onar lächelte müde. „Das wirst du selber wissen müssen, wie du deinen Beitrag leisten kannst. Aber du weißt, annehmen würde ich ihn jederzeit“, antwortete er in sanftem Ton. „Aber da werden wir morgen weiter schauen.“ Er winkte Wasili heran, der eilig dem Zeichen seines Herren folgte. „Wasili, bring ein paar patente Leute zusammen die etwas zählen können nachdem du uns 'nen Schnaps ausgeschenkt hast, ja?“, ordnete er, nun wieder froheren Mutes, seinen Diener an.
    Geändert von Oblomow (21.04.2020 um 11:17 Uhr)

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
Impressum | Link Us | intern
World of Gothic © by World of Gothic Team
Gothic, Gothic 2 & Gothic 3 are © by Piranha Bytes & Egmont Interactive & JoWooD Productions AG, all rights reserved worldwide