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"Da bist du ja."
Aniron legte ihre Hand auf yinnesells Schulter. Sie hatte nach der Freundin gesucht, nachdem die Sorge doch nicht mehr zu verdrängen gewesen war.
Die Nacht war lang gewesen. Sie waren Ornlu doch noch begegnet, der neben all den anderen fremden, aber warmherzigen Menschen, ihnen beiden die Hände geschüttelt hatte. Aniron war froh, ihn gesehen zu haben, auch, wenn es nur kurz war. So wusste sie doch, dass er da war und dass sie ihn aufsuchen konnte, wenn sie es wünschte.
Was für eine magische Nacht hinter ihnen lag. Das Festmahl, die Prozession, der Antrag, die Begegnung mit dem Geist. Und die Nacht in Maris' leidenschaftlicher Umarmung. Sie hatten Entscheidungen getroffen, nun gut, ihr Liebster erst einmal eine, doch von ihrer zweiten Entscheidung hatte sie ihm noch nichts gesagt. Er hatte auch nie gefragt. Außerdem wollte sie ihn nicht verschrecken. Er würde schon nicht wieder den Schwanz einziehen. Hoffentlich.
Sie hatten ein spätes und ausführliches Frühstück gehabt. Nach diesem hatte Maris sich mit seinen Männern-und der einen Frau- zurückgezogen, um ein wenig die Lage zu besprechen und was sie demnächst tun würden. Aniron selber hätte natürlich dabei sein können, doch ihr war nach einem Spaziergang an der frischen, kalten Luft gewesen. Zumal sie eben sehen wollte, ob sie yinne irgendwo fand. Und zum Glück hatte sie die Freundin auf der Kiste vor einem Haus sitzen gesehen. Es war ruhig in der Stadt, viele schienen heute nicht auf die Straße zu wollen. Es war ein typischer Tag nach einem rauschenden Fest.
Aniron sah yinne an, deren Lippen blau waren.
"Dir muss ja schrecklich kalt sein. Wollen wir uns nicht in eine Herberge setzen und etwas warmes trinken? Ich lade dich ein. Aber du siehst mir wirklich nicht ganz gesund aus, meine Liebe."
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Du dagegen umso mehr, ging es der Dunkelhäutigen durch den Kopf, die am Leib der Freundin rauf und runter sah, bis ihre Augen schließlich wieder an den Augen der Anderen hafteten.
Ohja... nicht zu übersehen, vermutete die Tänzerin mit einem Anflug eines Lächelns... eines wissenden Lächelns. Ganz sicher ging es Aniron nach dieser Nacht ganz besonders gut und yinne schämte sich schon dafür, mit ihr die Freude nicht ausreichend zu teilen.
„Du bist wirklich gut“, flüsterte die Tänzerin in einer Art der Dankbarkeit, die jedoch von anderen Dingen getrübt war. Daher blieb das dazu passende Lächeln diesesmal aus.
Stattdessen widmete sie sich einem Augenblick des Schweigens, in dem sie den Klos im Halse zu verdrängen versuchte.
„Ich kann mit Dir da nicht rein“, erklärte yinne mit schmerzender Kehle.
„Man wird mich sofort erkennen“, sprach sie weiter, Aniron in die Augen sehend und es brauchte nicht lange, um in der Mimik der Anderen ein Fragezeichen zu erkennen.
„Man hält mich für eine Mörderin... glaube ich. So ein Mistkerl, so eine diebische Mistkröte hatte mich damals in Schwierigkeiten gebracht. Er selbst war es wohl, der den Mord begann, oder der zumindest dafür verantwortlich war, daß der Besitzer des Hauses zu Tode kam.
Und selbst wenn nicht... er hat den Verdacht auf mich gelenkt. Der Schweinehund!“, letztere Worte kamen harsch und sprachen eine eindeutige Sprache... drückten aus, was yinnesell derzeit von der Männerwelt hielt.
„Seiddem war ich nicht mehr hier und es war auch jetzt eine Schnapsidee, Dich hier hin zu begleiten. Es war sowieso eine Fehlentscheidung, mit...“, yinnes Stimme verstummte, denn sie war dabei, mehr zu sagen, als sie wollte. Vor allen Dingen war sie dabei etwas zu sagen, was ihr später sicherlich leid tun würde.
„Wie dem auch sei... es ist gefährlich für mich, mich da drin blicken zu lassen, denn dann wird die Meldung über meine Anwesenheit wie Buschgespräche durch den Ort gehen.
Es ist vielleicht besser, wenn ich mir vom Dorffest etwas zu Essen hole und wieder aufbreche“, statt jedoch den Hintern hoch zu heben, blieb yinne sitzen. Irgendwo war sie sich eben ihrer Sache nicht sicher.
„Vielleicht sollte ich in Khaleds Dorf zurück gehen“, eine Aussage und Frage zugleich. Und dann griff die Hand yinnesells nach der Hand der Freundin.
„Ich bin ein Idiot. Es klingt aus meinem Munde vielleicht nicht frohlockend genug,... dem Anlass entsprechend, aber ich freue mich über Dein Glück“, es war schwer zu lächeln, doch yinne tat es.
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Am Sildener Hafen
Die Sonne strahle vom strahlend blauen Himmel auf die dunkelblauen, glänzenden Wogen des sildener Sees. Die Karavelle der an diesem Nachmittag die allgemeine Aufmerksamkeit gewidmet werden würde, schaukelte leicht vollkommen unbeeindruckt harrend den Dingen, die da kommen sollten. Mann hatte sie mit Girlanden und Fähnchen geschmückt. Ziemlich kindisch wie Yared und seine Mannschaft fanden, aber die Schiffsbauer der Werft hatten darauf bestanden.
Es waren mehr Leute gekommen, als der Lagermeister, der in seiner Funktion als Kapitän des schönen Schiffs an dieser Veranstaltung teilnahm, erwartete hatte, zumal die meisten Sildener immer noch beim Katerfrühstück saßen.
Der Kapitän war heute nur Beiwerk, denn für die Ausrichtung der Schiffstaufe selbst zeigte sich der Werftchef Hatlod und Meister Kusteau zuständig, die es auch übernommen hatten einen Druiden - wie bei allen sildener Festakten ein unverzichtbares Element - zu organisieren, der das Schiff segnen würde und ihm den Geist von Mutter Natur einhauchen würde, so hatte sich zumindest der Werftleiter Yared gegenüber ausgedrückt.
Wenigstens war Yareds Stimmung heute besser als gestern Abend, als er sich vom Fest entfernt hatte um einfach nur alleine zu sein. Später waren dann noch Melford und Arvideon ein kleiner komischer Kauz vom östlichen Archipel vorbeigekommen, die ihn schnell auf andere Gedanken gebracht hatten, nachdem er fast in Wehmut - nein, nicht in Wermut - ertrunken wäre.
Für die Aufräumarbeiten, die heute noch den ganzen Tag über laufen würden, hatte er Mandy instruiert, sodass er seine volle Aufmerksamkeit dem Schiff, seinem Schiff widmen konnte. Die gesamte Mannschaft, die sich bis jetzt zusammen gefunden hatte und in einer Reihe auf dem Kai vor dem schlanken Rumpf auf das erscheinen eines Robenträgers wartete, war noch nicht komplett, immer noch waren einige wichtige Posten nicht besetzt.
So hatte sich noch kein Barbier eingefunden und auch ein Schiffskoch, der das Wagnis einer längeren Seereise auf sich nehmen wollte, fehlte in Yareds Crew.
Der Sappeur hatte noch einmal alles überprüft und stand nun wartend neben der kleinen Tonamphore mit sildener Kräuterbier, die mit einem Strick am Fockmast angebunden war.
Sobald die Gesandtschaft der Druiden da wäre - man hatte extra um eine Frau gebeten, da eine Schiffstaufe, die von einem Mann durchgeführt wurde, ein böses Omen für die abergläubische Seefahrt darstellte - würde das Reden beginnen, zuerst mit einer Ansprache der Taufpatin und die Segnung, dann mit einer Rede von Hatlod, stellvertretend für die Schiffsbauer, und mit einer von Yared, im Namen von Mannschaft und der Rattensippe und einem kurzen Gedenken an Benjen.
Dann würde hoffentlich die weibliche Vertreterin der Druiden, die Amphore am Rumpf des Schiffes zerschmettern.
Aber dazu musste diese Druidin erstmal auftauchen. Wo blieben die nur?
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Aniron nickte und lächelte leicht.
"Dann lass mir dir wenigstens etwas zu essen und etwas warmes zu trinken holen, wir können dann weitergehen, du musst ja nicht hier in der Stadt bleiben, wenn du etwas befürchtest."
Mit diesen Worten wandte die Wehmutter sich um und verschwand im nächstbesten Gasthaus. Während sie für yinne etwas Brot mit kaltem Fleisch kaufte, betete sie, dass die Freundin nicht wieder fortlaufen würde, sondern wenigstens jetzt auf sie warten würde. Wenn sie unbedingt gehen möchte, dann wollte Aniron sich aber auch richtig von ihr verabschieden.
Sie nahm einen dampfenden Becher Met entgegen und verließ die Schänke wieder mit dem Versprechen, das Trinkgefäß dem Wirt zurückzubringen.
yinne saß wirklich noch da, so dass Aniron ein kleiner Stein von Herzen fiel. Sie reichte das Brot und den Met der Dunkelhaarigen.
"Komm, nimm das von mir. Ich verstehe, dass du weg möchtest, du bist schon immer rastlos gewesen, aber bei all dem, was dir geschehen ist, ist das auch kein Wunder. Aber du sollst dich gestärkt auf den Weg machen."
Sie schwieg einen kurzen Moment und sagte dann:
"Wenn du möchtest, können wir uns zum Ausgang der Stadt ausmachen. Heute sind nicht viele Menschen auf den Straßen und ich bin zur Not auch noch bei dir."
Zugegebenermaßen hatte sie ihren Stab nicht bei sich, aber sie würde ihre Freundin verteidigen, wenn es so sein sollte. Doch yinne blieb sitzen und sagte weiterhin nichts.
Aniron hockte sich vor sie und legte ihre Hände auf die Knie der schönen Frau.
"Bist du dir sicher, dass du zu Khaled zurück willst? Ist er denn nicht der Ursprung allen Übels in deinem Leben? Ja, er ist der Vater deines Kindes. Aber sieh dich an. Ein glücklicher Mensch sieht leider anders aus. Was versprichst du dir davon? Du hattest ihm eine zweite Chance gegeben, willst du ihn nun eine dritte geben und wieder enttäuscht werden?"
Die Adeptin wusste nicht, was yinne zu Khaled zurück zog. Aber sie wollte es verstehen können. Oder die Freundin zumindest versuchen davor zu bewahren, ein weiteres Mal in ihr Unglück zu rennen, vielleicht diesmal das letzte Mal. Denn sie war sich nicht sicher, wie oft yinne einen Verlust und menschlichen Rückschlag noch verkraften würde. Aber vielleicht dachte man anders, wenn man verzweifelt war. Ihren Sohn hatte sie scheinbar verloren. Was also hatte sie denn noch außer ihr Leben? Ihr Leben. Eben. Genau das war es. Noch zu gut hatte Aniron in Erinnerung, wie yinne damals in Al Shedim aufgetaucht war. Völlig aufgelöst und am Boden zerstört.
Aniron sah yinne an.
"Bitte, überleg es dir gut. Ich habe Angst, dass dir etwas zu stößt. Es mag vielleicht lächerlich in deinen Ohren klingen, weil es schon so oft geschehen ist. Aber ich habe einfach Angst, dass du mit offenen Augen in noch tiefer in dein eigenes Unglück rennst."
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Das Dorf erwachte nach und nach wieder, Menschen mit dröhnendem Kopf, Bauchschmerzen oder auch anderem traute sich aus ihren Betten auf die Straße. Doch fast in jedem, der von kleinen Wehwehchen geplagten Gesichter, konnte man zumindest ansatzweise ein Lächeln oder ein zufrieden dreinblickendes Gesicht sehen. Sie folgte den Massen, die sich teilweise in Richtung des neuen Schiffes aufmachten und wollte sich dort unter die Menge mischen, dachte über den vergangen Tag nach.
Es war ein wunderschöner Abschluss gewesen und das Erste Samhain, welches Suzuran miterleben durfte und an das sie sich noch lange erinnern dürfte.
Es liefen ihr immer noch Kälteschauer über den Rücken, wenn sie an die Prozession dachte, die sie leicht, durch Sumpfkraut, beflügelt miterleben durfte. Der Große Menschenstrom, der voller Innbrunst das angestimmten Lied mitsang, Corax, der das wunderbarste, das die junge Frau je gesehen hatte tragen durfte. Der Stab mit der Blüte des Lebens, die wirklich das volle Leben ausstrahlte, die im stärksten, natürlichsten Grün pulsierte und leuchtete, ein Grün das es wahrlich nur in der Natur geben konnte und die Menschenmasse mit in ihr Licht eingehüllt hatte, ehe sie sich geschlossen hatte und alles in die blaue Kälte des bevorstehenden Winters tunkte. Es waren Erinnerungen kurz und intensiv, ebenso intensiv wie die an das nächtliche Treiben, das Tanzen mit Ornlu, der nicht einmal große Überredenskünste, bei der zugedröhnten Suz, anwenden musste und der Heiratsantrag, der allem noch die Krone aufsetzte.
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„Und was soll ich Deiner Meinung nach machen?“. Die Dunkelhäutige hatte den Worten genau gelauscht und es brauchte keine Überzeugungskraft, der Tänzerin die Augen zu öffnen, denn sie wußte, daß ihr Vorhaben alles nur noch schlimmer machen konnte.
„Ich will kein Ja und Aber bringen, denn Du hast recht, aber wenn ich den Weg nicht wage, den Schritt nicht wage, werde ich nie erfahren, was passiert ist. Ich werde nie erfahren, ob mein Sohn bei meiner Flucht damals zu Tode kam“, und jetzt kam der Hure wieder in den Sinn, daß ihr die Nacht etwas gefehlt hatte... Es war doch die Nacht der Toten, der Sage nach ein Fest, bei dem man vielleicht das Glück hatte, mit ihnen in Kontakt zu treten.
„Ich habe meinen Sohn vergangene Nacht nicht gesehen. Ich weiß, daß das kein Beweis dafür ist, daß er noch lebt. Vielleicht lag die ausbleibende Begegnung auch schlicht und ergreifend daran, daß ich mich seinem Zugang zu mir verwehrte, in dem ich alles dafür tat, ihm nicht zu begegnen. Ich blieb der Zeremonie fern. Vielleicht aus Angst davor, er könnte mir gegenüber schweigen“.
Yinnesell ergriff und umspielte die Hände der Freundin mit den Eigenen.
„Hierbei geht es nicht um Khaled, aber ich muss an ihn heran treten, wenn ich meinen Sohn wieder für mich gewinnen will. Ich muss das Opfer bringen,... jede Pein auf mich nehmen, um dann vielleicht irgendwann nach einer schweren Zeit wieder Eins mit meinem Sohn zu sein. Darin besteht die einzige Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit meinem Sohn,... meinem Ein und Alles,... dem Menschen, der mir alles bedeutet. Der Teil meines Lebens, der einen Sinn für mich hatte, wofür es sich lohnte zu leben. Und genau das habe ich verloren. Und ich glaube, daran zerbrechen zu müssen.
Aber ich habe auch Angst vor diesem Schritt, denn es kann sich für mich auch bewahrheiten, was ich längst befürchte... das es kein Zurück mehr gibt und ich meine Augen nur vor der Wirklichkeit verschließe.
Was soll ich tun?“, yinnesells Augen hatten sich längst mit Tränen gefüllt, die nun in Strömen liefen.
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Aniron drückte die weinende yinne an sich und wartete zunächst mit einer Antwort. Nach wenigen stillen Augenblicken, sprach sie:
"Selbst wenn dein Sohn noch lebt und bei Khaled sein sollte, was passiert, wenn du es herausgefunden hast? Wenn du weißt, dass er wirklich noch lebt? Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Mann dich mit seinem Sohn ziehen lassen wird. Und Frieden an Khaleds Seite wirst du nicht finden. Ich weiß nicht, ob, selbst wenn du ihn findest, es jemals so sein wird, dass du und dein Sohn glücklich werdet. Aber ich kann auch nicht sagen, ob es nicht so sein wird."
Sie strich der Freundin vorsichtig über das Haar.
"Du hast das Recht, natürlich, du sollst auch herausfinden, was mit deinem Kind geschehen ist. Du bist die Mutter und die Verbindung zwischen dir und deinem Kind kann niemand jemals trennen.
Wenn du bereit bist, dafür zu kämpfen, dann will ich dich nicht aufhalten. Aber ich bin mir nicht sicher, für was du kämpfst, ob es dein Glück sein wird oder dein Unglück."
Aniron nahm yinnes Gesicht in ihre Hände.
"Ich hoffe nur, dass du Glück finden wirst und vielleicht auch etwas anderes, für das es sich lohnt zu leben, das weder Khaled, noch ein anderer Mensch dir nehmen kann. Ich wünsch es mir so sehr für dich."
Ein kalter Wind fuhr durch die Stadt und riss einge gelbe und braune Blätter mit sich um sie tanzen zu lassen. Aniron fröstelte. Sie waren beide schon viel zu lang hier in der Kälte.
"Wann wirst du aufbrechen?" fragte sie. Die Dienerin Adanos' wollte die Freundin nicht aufhalten. Sie fühlte sich unbehaglich in dieser Stadt. Zumal sie sich ein neues Ziel gesetzt hatte, in das sie nun ihre Kraft legen sollte.
Aniron wollte sie nicht los werden, ganz im Gegenteil, sie fürchtete den erneuten Moment des Abschieds. Viel zu kurz waren sie zusammen gewesen, aber was sollte sie auch tun. Sie konnte ihre eignes Glück, welches yinnes Gesellschaft bedeutete, nicht über das der Freundin stellen und so musste sie sie ziehen lassen. Erneut mit dem Gewissen, sie vielleicht nie wieder zu sehen.
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Am Sildener Hafen
Der Winter kam schneller als gedacht über Silden. Zumindest für Garaia die wohl nicht mehr den Frühling erleben würde. Porgan hatte man einen Boten nachgeschickt, waren er und Arakos wieder losgezogen um für das nahende Thing noch etwas zu besorgen, was sie im einstigen Waldläuferdorf hüteten. Dorien war zugegen und alle anderen die sich auf das wirkliche heilen verstanden. Ornlu und die anderen druidischen Nicht-Heiler waren da mehr fehl am Platz. Sie sollten dem Alltag nachgehen, bis man mehr wusste. Garaias Tod wäre ein herber Schlag für die Druiden, war sie bisher das Gleichgewicht unter den Druiden. Die Waage die alles ausglich und Wogen glättete. Ornlu machte sich Gedanken dazu, wie so manch andere auch, doch sprach man nicht darüber. Nicht solange Hoffnung bestand und Porgan rechtzeitig kommen würde.
So galt tatsächlich für sie alle dem Alltag nachkommen, wobei Alltag? Wann taufte man sonst ein Schiff in Silden? An sich nie und damals bei der Scarlett war Ornlu zu jung gewesen, um selbst zu taufen.
Hatlod hatte darum gebeten und so sehr die Druiden in Gedanken bei Garaia waren, so sehr mussten sie Haltung bewahren und sich nach aussen hin stark zeigen. Sie als Zirkel standen für etwas, was die Menschen mit Silden mit magischen Nächten wie Samhain verbanden.
Die Delegation bestehend aus Ornlu, Faun und Runak verließ die Kavernen. Sie hatten sich auf die Schiffstaufe materiell vorbereitete, als auch ordentlich hergerichtet. Die Kleidung ausgebürstet oder gleich gewechselt, dazu führten alle ihre einzigartigen Druidenstäbe, als auch ihre Druidenschärpen zu ihrer unterschiedlichen Kleidung, die von typischer Druidenrobe bei Runak bis hin zu mehr einer Waldläuferkluft bei Ornlu aussahen.
Beobachtet wurden die drei Druiden die drei unterschiedlichen Generationen angehörten, als sie ankamen.
Die Druiden traten dann vor, dort wo die Mannschaft der Maera sie erwartete, doch wurden sie etwas seltsam beäugt. Weshalb ahnte noch keiner der drei. Yared und Hatlod traten hinzu.
"Bewahret, Freunde!", grüßte Ornlu.
"Wollen wir beginnen?", fragte der jüngste der anwesenden Druiden.
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Oparilames hatte nachgedacht, geweint, wieder nachgedacht, zeitweise hatte er sich einfach nur teilnahmslos der Umwelt ausgesetzt. So langsam, aber sicher hatte er eine wage vorstellung, wie er diese Bewegungslosigkeit besiegen konnte. Sein Plan war, dass man ihn erneut ausgrub, denn die Wurzeln saßen nicht sehr tief und auf einen Karren verlud oder ihn ins Wasser warf. <Untergehen kann ich ja eigentlich nicht und falls doch, müsste die Pflanze mich mit Luft und soetwas versorgen können, dass ich nicht ertrinke.> dachte er. Doch was würde es bringen, ihn ins Wasser zu werfen? Dadurch wurde auch nicht wirklich mobiler. Und ein Karren war auch sinnlos, denn irgendwie musste man den Karren ja bewegen...
Natürlich merkte er, dass die Pflanze langsam aber sicher die nötigen Vorbereitungen getroffen hatte, um sich physisch von ihm zu lösen. Vorbereitungen wie abbrechen der permanenten Entgiftungsfunktion, teilhafte Loslösung von äußerlichen Halterungsorganen (Armen und Beinen, wie er diese Organe seit jeher nannte) und andere, die er nicht verstand hatte die Pflanze schon begonnen, oder abgeschlossen.
Plötzlich bemerkte er ein vertrautes Gesicht. "Bärtchen! Entschuldige, ich meine Efilias." begrüßte er den alten Mann. Dieser war zwar weniger erfreut, über seine Namensverunglimpfung, hörte dann jedoch gespannt zu, als Oparilames langsam versuche seinen Gedankengang mit dem Wasser und den anderen mit dem Karren darzulegen. Doch schon während dem Gespräch vernahm Oparilames und wohl auf Efilias, dass die Sildener sich am Hafen trafen.
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Klingt wie 'vergiss Deinen Sohn und suche Dein Glück wo anders. Oder wie 'Du wirst Dein Glück erst finden können, wenn Du Deinen Sohn los gelassen hast. Klingt wie..., weitere Gedankengänge beendete die Hure, in dem sie sie mit einem lauten und langen Seufzen hinaus in die kalte Welt entlies.
Und so schob sie die Freundin sanft und ein kleines Stück von sich weg, daß sie mit wackligen Beinen in den Stand gelangen konnte.
„Danke für das heiße Gebräu und das Brot“, murmelte die Dunkelhäutige, einen Moment später die Speise in ihren Händen wiegend, doch der zunächst quälende Hunger schien wie fortgeblasen.
Ich werd nie wieder was essen, ein törichter Gedanke, der dem Verhalten eines trotzigen Kindes glich.
Wie spät es war, konnte yinnesell nicht wissen, doch sie vermutete bereits fortgeschrittene Stunden und es war wohl nicht klug, jetzt noch das Dorf zu verlassen. Und genauso wie sie Zweifel an dem Zeitpunkt hegte, wankte sie auch in der Entscheidung, sich von der Freundin abzuwenden. Vielleicht oder ganz sicher war sie im Moment alles, was sie hatte.
„Ich weiß nicht“, kam daher die Antwort einige Sekunden später.
„Heute wohl nicht mehr. Vielleicht sollte ich auch noch einige Nächte über eine Entscheidung schlafen, aber das geht hier nicht. Wann werdet Ihr wieder aufbrechen und wohin?“.
Vielleicht besaß die Dunkelhäutige wenigstens das Glück auf einen länger andauernden Aufenthalt der Freundin, daß auch sie die Chance besaß, an diesem Ort für Frieden zu sorgen, bevor es sie erneut wo anders hin treiben würde. Etwas, was in diesem Moment ebenso aussichtslos erschien, doch einen Versuch war es wert.
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Am Sildener Hafen
Na endlich, da waren die Abordnung der Druiden, dachte Yared erleichtert und eilte ihnen mit Hatlod entgegen, um Ornlus Gruß zu erwidern, dabei ließ der Lagermeister dem Werftleiter den Vortritt.
"Bewahret Ornlu, Meister Faun, Meister Runak. Es ist schön das ihr da seid, ... aber ...", Hatlod kam mit seiner Begrüßung ins Stocken und sah sich unsicher um.
Was war los mit dem Schiffsbauer? Dann bemerkte Yared es. Die Druiden hatten drei Männer geschickt.
Die Druiden schienen etwas perplex aufgrund der unangenehmen Stille.
"Verdammt ...", fluchte der Werftleiter.
"Was ist los Meister Hatlod?", fragte der ehrwürdige Druide Faun, erstaunt und etwas beleidigt, da man offensichtlich unerwünscht war.
"Wie soll ich das erklären ..."
Der Schiffsbauer hob entschuldigend die Hände und blickte Hilfe suchend zu Yared. Der seufzte.
"Meister Faun, mit Verlaub, das Problem ist Euer Geschlecht. Eine Schiffstaufe, die von einem Mann durchgeführt wird, ist für die Seefahrer ein böses Omen. Die Segnung, ja selbst die Rede kann von einem Mann gehalten werden, aber nicht die Taufe selbst."
Die Blicke der Druiden waren unterschiedlich und reichten von Ungläubigkeit bis zur Kränkung. Das war eine verdammt knifflige Situation.
"Ich weiß selbst, wie unsinnig solche Gedanken sind, aber wenn ihr dieses Schiff tauft, werde ich es alleine segeln müssen. Wir brauchen eine Frau. Sag Ornlu, habt ihr nicht vielleicht eine Novizin hier, die das Zerschellen lassen der Amphore für euch übernehmen kann?"
Die Menge am Kai wurde langsam ungeduldig und immer unruhiger.
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Am Sildener Hafen
"Eine Frau also? - Mensch hätte man uns sagen sollen, dann wäre Vivin oder Noreia mitgekommen.", überlegte Ornlu.
"Überleg nicht, Bruder Ornlu. Es findet sich schon eine Lösung und manchmal liegt auch in jedem Aberglauben ein Funken Wahrheit.", sprach Faun und sah in die Menge. Ornlu tat es ihm gleich und überlegte welches weibliche Wesen denn in Erwägung käme. Bevor er sie dann erblickte, erblickte sie schon Faun.
"Suzuran, mein Kind! Tritt hervor.", rief Faun. Nachdem es die Braunhaarige tat und Hatlod durchaus befand, dass sie weiblich genug war, hatte man auch den 'Segen' der Mannschaft erlangt.
"War ja klar, dass Faun eine der Hübschesten aussucht.", murmelte Ornlu neben Suzuran, während ihr erklärt wurde was sie gleich machen müsste. Als es dann soweit war und die Druiden sich verständigt hatten, bat man um Ruhe.
"Ein Schiff in Silden ankerte lange nicht mehr. Einst meine Kinder bauten hier die Menschen Schiffe die über die Welt segelten und so manche ursildener Familie hierher brachten. Heute ist ein großer Tag, denn wieder wird ein Schiff aus Silden über die Meere segeln. In Zeiten des Krieges, wird die Maera die Hoffnung und die Freiheit unseres Volkes auf den Meeren ausstrahlen. Möge sie unsere Botschaft des Respekts und der Gleichheit aller Geschöpfe Adanos der Welt verkünden!", sprach Runak in großen Worten und von vergangenen Zeiten.
Ornlu, Runak und Faun verteilten sich dann auf drei Punkten für alle gut sichtbar. Dann hoben sie alle die Arme samt Druidenstäben in die Luft und öffneten sich für die Magie. Die Druidenkristalle wurden wurden von den fließenden Mächten in den Druiden erhellt, bis dann Ornlu in der alten Sprache des Waldvolkes begann.
"Adanos und Mutter Natur..."
"...seht auf uns herab...", sprach Runak.
"...seht auf die Maera hinab...", sprach Faun.
"...wir bitten euch um euren Segen...", rief dann Ornlu dessen Augen schon vor Magie glühten.
"...auf dass die Natur auch in deinem Element Adanos...", rief Runak.
"...lebe und deine Kinder behüte so gut sie kann...", rief Faun, als es dann vor Magie nur so knisterte.
"...Maera echuio!...", riefen dann alle drei Druiden, als dann nicht nur ein grünlicher Schimmer das gesamte Schiff umfasste, sondern aus allen Wäldern rund um den See und insbesondere der heiligen Eiche, die Kräfte der Natur herkamen. Manche sahen sie wie Wolken aus glitzernden Regentropfen in allen Farben, andere als Schleier die in das Holz, in das gesamte Schiff eingingen und dem Schiff einen besonderen Segen erteilte. Was es war, würde die Zeit offenbaren und auch jene Seemänner immer an Silden und seine Wälder erinnern, auf das die Maera und Silden immer etwas teilten.
Der Segen verklang langsam und den Druiden war die große Anstrengung anzusehen und die nächste rede mochte anstehen.
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Am Sildener Hafen
Das war gerade nochmal gut gegangen. Nun mussten noch Hatlod und Yared ihre Reden halten. Mussten? Ja irgendwie war das ein Zwang, wahrscheinlich wieder einmal die Tradition, die sich ihrer Zeit ermächtigte.
Der Werftleiter trat vor die versammelte Menge.
"Auch in meinem langen Leben ist dies erst das zweite Schiff, das durch meine Hände geht. Wir als die Belegschaft der sildener Werft sehen es als eine Ehre an dem Waldvolk nach so vielen Jahrzehnten, jetzt im zweiten Versuch, endlich den Zugang zu fernen Ländern wiederzugeben, den der Krieg und die Besetzung Sildens durch die Orks uns genommen haben. Hiermit übergebe ich die Karavelle und das Wort an Yared, dem Eigner und Kapitän dieses Schmuckstücks."
Es folgte ein leichter Applaus.
Dann trat der Sappeur vor.
"Ich möchte mich zunächst ganz herzlich bei Hatlod und seinen Leuten bedanken, die mich so tatkräftig unterstützten."
Der Lagermeister schüttelte dem Schiffsbauer die Hand und wandte sich dann der Menschenmenge zu.
"Viele von euch, fragen sich wo über Nacht dieses Schiff herkommt. Um dies zu erklären möchte ich gerne etwas zurückgreifen in die Zeit der Besatzung Sildens. In dieser Zeit wurde dieses Schiff auf Kiel gelegt, von Sildenern, die sich in eine Höhlensystem oberhalb der nördlichen Wasserfälle geflüchtet hatten. Unter Führung einer längst ausgestorbenen Sippe, der Sippe der Ratten, wurde dieser ehrgeizige Plan zur Zurückeroberung der Meere durch die Bewahrer der Natur geschmiedet. Als nach Jahren der Besatzung das Waldvolk nach Silden zurückkehrte geriet dieser Plan in Vergessenheit bei all jenen die aus den Höhlen nach Silden strömten, nur wenige Angehörige der Rattensippe trieben das Projekt weiter voran, doch ihre Reihen wurden immer Dünner, bis schließlich mein Freund Benjen, eine ehemaliger Patrouillenführer übrig blieb, der mich und Tayon dazu brachte uns dieses Projekts anzunehmen. Zu gerne würde ich Benjen heute hier stolz das Ergebnis unserer Arbeit präsentieren, aber ist leider vor einigen Wochen von uns gegangen. Im Gedenken an ihn und die ganze Rattensippe, die dies ermöglicht hat, taufen wir nun dieses Schiff auf den Namen Maera, nach der geliebten Maels des Naturgeistes der Myrtanäischen See."
Yared trat zurück und gab den Platz frei damit Suzuran ihres Amtes walten konnte.
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Kavernen
Draußen die Schiffstaufe, die letzten Festlichkeiten, das Abendessen, ein letztes fröhliches Beisammensein, bevor die Gäste wieder ihre Heimreisen antreten würden. Doch für die Waldbruderschaft würde das Beisammensein noch weiter gehen, so hatte Gwydion gehört. Eine Versammlung war geplant, ein Kriegsrat, Gerichtstag, was auch immer, so genau hatte er das nicht mitbekommen. Er würde sich informieren müssen. Aber im Moment hatte er andere Dinge im Sinn.
Drinnen in den Kavernen war es relativ still. Die meisten waren draußen bei den Festlichkeiten. Mit gemächlichen Schritten ging der junge Druide die unterirdischen Gänge entlang, bis er zu der Kammer kam, die sein Ziel war. Er klopfte sacht an die Tür und wurde schließlich hinein gebeten. Auf einem Hocker neben einem Bett saß Noreia und musterte ihn. Die ehrwürdige Mutter Garaia lag scheinbar schlafend in ihrem Bett, die Haare ein wenig wirr auf dem Kopfkissen verteilt. Gwydion konnte den Kragen eines weißen Gewandes erkennen. Ein Krankengewand. Oder ein Totengewand.
Er verneigte sich vor Noreia und schloss so leise wie möglich die Tür hinter sich.
„Du warst lange weg…“, flüsterte Noreia ihm zu, als er ans Bett trat und auf die schlafende Druidin hinab blickte, „…du hast dich verändert.“
„Das ist Vivin auch schon aufgefallen…“, flüsterte Gwydion zurück und meinte in Noreias Blick kurz einen gewissen Unmut auf flackern zu sehen.
Schweigend betrachteten sie die Schlafende. Die bleiche Haut ihrer Hände, die auf der Bettdecke lagen, wirkte wächsern und dünn. Ihre Finger schienen unglaublich zerbrechlich. Die Augenblicke vergingen, bis Noreia schließlich zu ihm auf sah.
„Würdest du einen Augenblick bei ihr bleiben? Ich möchte ein wenig zu Abend essen.“, fragte die Druidin leise.
„Natürlich…“, erwiderte Gwydion und nahm bald darauf ihren Platz auf dem kleinen Hocker neben dem Bett ein, sobald Noreia die Kammer verlassen hatte.
Schweigend blickte er auf die alte Frau hinab. Er musste an Angharda denken. Ob jene vielleicht nicht schon viel älter war als Garaia? Und noch immer recht fit. Aber vielleicht wurde es für die alte Druidin, die hier lag, einfach Zeit…
Er bemerkte ein Flattern ihrer Augenlider. Langsam öffnete sie die Augen und sah ihn an. Sie lächelte sacht und er erwiderte das Lächeln. Vorsichtig nahm er ihre Hand in seine.
„Hast du deinen Weg wieder gefunden?“, fragte sie leise, mit schwacher Stimme.
„Ich denke schon.“
„Das ist gut…“, Garaia machte eine Pause, holte tief Luft, „…du wirst gebraucht. Vergiss das nie.“
„Was ist… was ist, wenn ich nicht bereit für diese Aufgabe bin?“
„Zweifelst du daran?“
„Ich… weiß nicht. Darf ich denn zweifeln? Ist es nicht mein… Schicksal?“
Garaia lächelte und versuchte seine Hand zu drücken. Der Druck war schwach, aber Gwydion verstand die Geste.
„Du hast immer… die Wahl.“
„Aber wenn ich entscheide, dass ich nicht bereit bin? Was würde passieren?“
„Gwydion… das was du bewachst… ist fast so alt… wie die Natur selbst. Es hat Zeit… so viel Zeit. Ein Menschenleben ist nur… ein kurzer Augenblick verglichen… mit seinem Alter. Es würde warten. Auf eine nächste Gelegenheit…“
„Dann… bin ich nicht wichtig dafür?“
„Das habe… ich nicht gesagt.“, wieder lächelte Garaia sanft, „Auch du, so jung… du noch bist… wirst eines Tages… den Kreis wieder beschreiten.“
Gwydion nickte. Er glaubte zu verstehen. Zumindest im Ansatz.
„Ihr auch?“
„Vielleicht…“
„Dann muss das kein Abschied für die Ewigkeiten sein.“
„Nein…“, Garaia lächelte, „…Feen war nicht beim Fest… ich hätte sie gerne… noch einmal gesehen.“
„Sie war nicht da. Ich weiß nicht wo sie ist…“, nachdenklich blickte Gwydion vor sich hin.
„Machst du dir… Sorgen um sie?“
„Sie ist ein großes Mädchen. Sie kann auf sich aufpassen, denke ich…“, der junge Druide blickte in Garaias Augen, „…es ist nur… Mutter Garaia, ich glaube ich habe ein Kind. Und sie ist nicht die Mutter. Ich frage mich… ob es in diesem Geflecht, dass aus unseren Leben gesponnen ist… ob es da irgendeine Bedeutung hat, ob sie meine Frau ist oder nicht. Ob es egal wäre, versteht Ihr. Ob es wichtig ist, dass sie bei mir ist. Ob es richtig ist…“
„Du weißt nicht… was Mutter Natur für sie… bereithält. Vielleicht wirst du… eines Tages erfahren… dass es durchaus… Bedeutung hat. Außerdem, Gwydion… du hast die Wahl… ob sie für dich wichtig ist. Das ist es… was wirklich Bedeutung… hat.“
„Ich danke Euch…“, meinte Gwydion leise, „…ich danke Euch für alles, was Ihr für mich getan habt, während ich in Silden war. Vielleicht… vielleicht sehen wir uns in diesem Leben nicht wieder, wenn ich diese Kammer verlasse… ich wünsche Euch eine gute Reise, Eure Seele wohl behütet von Mutter Natur.“
Garaia lächelte sanft und hob ihren schwachen Arm, um ein Geste des Segens zu machen und strich Gwydion dann sanft über die Wange.
„Danke, Gwydion. Mögest du deinen Weg… nicht verlieren. Mutter Natur segne dich… und jene, die du liebst.“
Der junge Druide lächelte und blickte zur Tür auf, als Noreia in die Kammer zurückkehrte. Vorsichtig bettete er Garaias Hand, die er immer noch in seiner eigenen hielt, wieder auf der Bettdecke und erhob sich vom Hocker. Noreia nickte ihm kurz zu, was er erwiderte und daraufhin die Kammer und die Kavernen verließ.
Die frische Luft draußen tat ihm gut. Tief atmete er ein. Garaia würde wohl sterben. Aber es war in Ordnung. Sie hatte keine Furcht. Denn in der Weisheit ihres Alters ahnte sie, wohin die letzte Reise gehen würde. Und dass es vielleicht keine letzte Reise war. Der junge Druide lächelte leicht. Vielleicht traf man sich eines fernen Tages in anderer Gestalt wieder. Wer konnte das schon genau sagen?
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Murmelnd wartete die Menschenansammlung auf den Beginn der Taufe unter ihnen war auch Suzuran, die wie jeder hier, gebannt in Richtung Schiff nach vorne blickte und das geheimnisvolle Treiben der Personen beobachtete, die tuschelnd in Planungen vertieft schienen und immer wieder die Blicke in die Menge schweifen ließen, als würden sie etwas wichtiges suchen.
Sie blickte von Person zu Person erkannte den einen oder anderen, es war zum Beispiel Ornlu oder Faun, den sie erst gestern das erste Mal gesehen hatte und auch Yared, der Lagermeister, der ganz vorne mit dabei stand.
Erst bemerkte die Braunhaarige nicht die fixierenden Blicke, hatte sich kurz zur Menge gewandt und sah erst dann die vier Augen, die auf ihr ruhten. Sie konnte nicht groß darüber nachdenken, fand sich nun direkt vor der Masse wieder neben den Druiden, nachdem ihr Name gerufen wurde und die Aufforderung folgte nach vorne zu kommen.
Unsicher blickte sie immer wieder in Richtung Volk und dann wieder zu den Druiden, die ihr flüsternd erklärten was ihre Aufgabe sein würde. Es war wieder etwas magisches, tauchte Silden in eine wunderbare Stimmung, nachdem die Druiden ihre Mächte geweckt hatten und das Schiff mitsamt Umgebung von strudelnden Schleiern umhüllt wurde, grün schimmernd Magie in jedes Teil kroch und den Moment zu etwas besonderem werden ließ. Das Ritual hatte beruhigend auf Suzuran gewirkt, während den Reden jedoch, hatte sie Zeit zum nachdenken und die Aufregung stieg. Sie wurde leicht zappelig, war sie sich doch bewusst, welch große Bedeutung das Ritual für den Kapitän des Schiffes haben musste.
Ihre Aufgabe war gekommen, sie hatte die beendenden Worte Yareds gehört, hatte ihm kurz zu genickt, sich noch ein ermutigendes Lächeln von Ornlu geholt und hatte sich dann der Amphore zugewandt, die sich ihr leicht im Wind schwingend entgegen streckte, als wollte sie zeigen, dass es an der Zeit war. Sacht hatte sie das kleine, mit Kräuterbier gefüllte, Tongefäß in die Hände genommen, hielt einen kurzen Moment inne, um die Spannung noch ein wenig zu steigern und schleuderte es dann mit einem festen Wurf in Richtung Schiffsrumpf.
Klirrend war die Amphore in mehrere kleine Teile zersprungen, die sich zusammen mit dem umher spritzenden Bier auf dem Boden verteilt hatten und einige nasse Spuren an Schiff und Suz hinterließ.
Sie hatte sich schnell von der Stelle des Geschehens entfernt und wartete nun auf das weitere Vorgehen des Kapitäns.
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Am Sildener Hafen
Es war ein Gefühl als würde eine Ära zu Ende gehen, eine Zeit des Wartens eine Zeit des Arbeitens, eine Zeit der Gemeinschaft. Wie der Gischt des Meeres schäumte das Bier am Bug der Maera, als abermals Applaus aufbrandete.
Das war sein Schiff, sein Teil von Silden, seine Freiheit zu segeln wohin immer er wollte.
Als er seine Hand gegen den Schiffsrumpf legte, meinte er ein leichtes Pulsieren, wie bei einem ganz schwachen Herzschlag zu fühlen.
War dies der Segen von Mutter Natur?
Es würde interessant werden zu sehen, wie er sich auswirken würde und wie sich die Maera auf See bewähren würde.
Nach dem er eine Weile seinen Gedanken nach gehangen hatte, wandte er sich wieder der Menge zu, die bereits dabei war sich zu zerstreuen.
Die Schiffstaufe war vollendet.
Yared bedankte sich noch einmal persönlich bei allen die ihm geholfen hatten und bei den Druiden und Suzuran, dann gingen er und seine Mannschaft daran, das Schiff von dem ganzen Grünzeugs und Firlefanz zu befreien.
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Am Sildener Hafen
"Wo die wohl hinfahren werden?", fragte sich Ornlu und fühlt sich noch schwach nach der großen Segnung. Suzuran hatte ihre Aufgabe natürlich vortrefflich gemacht. Selbst gestandene Sildener meinten, dass es schon lange nicht so eine professionelle Taufpatin gab - doch die konnten auch immer viel erzählen.
Der Druide sah dann zu wie die Maera schon beladen wurde und andernorts die Aufräumarbeiten durch Mandy voran schritten. Ja, Samhain war zu Ende und somit auch wieder ein denkwürdiges Fest. Der Alltag würde ab morgen wieder beginnen. Mit Pflichten, Sorgen, Ängsten, Glücksmomenten und dem streben nach Glück.
In Gedanken war Ornlu schon in diesen Tagen und überlegte was passieren könnte was sein würde und was ganz sicher zutreffen würde. Viel stand an und müde war Ornlu noch lange nicht. Er brauchte nur eine Verschnaufpause und dann würde es weiter gehen. Immer weiter, um etwas zu schaffen, was seine Wolfssippe nicht vermochte zu schaffen.
"Suzuran? Ich könnte etwas Entspannung gebrauchen. Denkst du auch an was ich denke?", fragte Ornlu grinsend, holte etwas aus seinem Beutel hervor, hob es vor Suzu und fuhr mit den Augenbrauen rauf und runter, während er sie ansah. Natürlich wollte sie...
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»Verdammt«, murrte der Krieger und blickte auf das Schwert, welches auf dem Tisch des kleinen Wachhauses lag. Es war schartig, schlecht gearbeitet. Eine Waffe wie sie in Massenproduktion hergestellt wurde und auf irgendeinem Wege in die Waffenkammer des Sippenkriegerhauses gelangt war. Man hatte sie Tavik in die Hand gedrückt in Ermangelung besserer Bewaffnung. Innerlich schalte sich der Hüne einen Narren.
»Idiot, was musst du auch immer wieder deine Waffen verlieren?«, fragte er sich und seufzte. Etwas Neues musste her, etwas womit sich kämpfen ließ. Eine Waffe, die zu ihm passte. Er wusste wo es so etwas gab.
»Ryu Hayabusa«, murmelte Tavik und sprang auf. Er pfiff auf die Schicht.
Ruhig aber entschlossen klopfte der Nordmann an der Tür der Hütte, die dem Schwertmeister Sildens gehörte. Ryu Hayabusa. Eine beeindruckende Persönlichkeit. Ein Mann, der sein Handwerk beherrschte, sei es nun im Schlachten seiner Feinde oder dem Fertigen von Waffen. Fast schon eine Sagengestalt bei der sildener Jugend. Und Tavik hatte schon gegen ihn antreten dürfen ... eine besondere Erfahrung war es gewesen.
Jemand öffnete die Tür, verschlafene Augen blinzelten ihn an.
»Beim Arsche Adanos', wie oft soll ich denn noch sagen, dass es keine Almosen für euch gibt?«, murmelte der Hayabusa verschlafen, was Tavik ein Lachen entfahren ließ. Böse blinzelte der Krieger ihn an.
»Entschuldige Ryu, die Bettler sind schon weitergezogen und versuchen es bei der Katzenlady. Ich wollte eigentlich nach etwas fragen ... Du bist doch Schmied, spezialisiert auf Waffen ... Wäre es möglich mir da was zu fertigen? Ach, scheiß der Hund drauf, lass mich erst einmal rein. Ich hab Hunger und Durst. Und mir friert der Arsch.«
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Tief durchatmend drehte sich Ryu um und ging wieder in seine Hütte. Die Türe hatte er für Tavik offen stehen lassen, damit dieser auch eintreten konnte. Gähnend legte der Hayabusa etwas Feuer an, ehe er aus einem Fass ein paar Fleischkeulen holte und diese auf die Pfanne warf, die am Herd stand. Schmatzend fügte er noch ein paar Gewürze dazu und ließ das ganze erstmal ein wenig braten. Nun widmete er sich Tavik zu, welcher sich schon auf der Eckbank niedergelassen hatte. Der Kerl hatte ganz schön Nerven dazu, Ryu zu stören. Aber es war wie es immer war: Einmal entschied sich der Schwertmeister dazu Nachts zu ruhen, statt zu trainieren, da wurde er gestört. Ob es nun von den fabelhaften Fünf war, von irgendwelchen prügelwütigen Liebhabern, die Ryu eine Lektion erteilen wollten, sich nicht mit deren Weibern einzulassen oder von eben diesem Nordmann, der hier so ungestüm saß.
"Na gut, dann lass mal hören, Tavik..." murmelte Ryu und setzte sich ihm gegenüber. Wo war der Kerl eigentlich in der letzten Zeit gewesen? Er hatte ihn schon seid Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Umso intressanter war die Tatsache, dass er nun in einem Stück und scheinbar unbeschadet vor ihm saß. Das einzige, was sich wohl an ihm geändert hatte, war diese seltsame Narbe an dessen Hals. Aber auch seine Stimme klang anders... So... Krähenartig. Was ihm wohl widerfahren war? Nun, vielleicht würde er es ja herausfinden.
"Du willst sicher eine Waffe, mit der du Blitzstrahlen aus dem Arsch schießen kannst, richtig?" sprach er grinsend und blickte kurz über seine Schulter zur Pfanne...
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Es war Abend, Samhain war vorbei, Irenir saß in der »Grünen Krähe« und half bei der Vernichtung von dem Zeug, das übrig geblieben war. Und das war leider so gut wie gar nichts.
Mit der Taufe des Schiffes war das Fest für dieses Jahr wohl beendet. Ein neues Jahr brach an, ein neuer Abschnitt seines Lebens. Und er wusste auch, wie er ihn verbringen sollte.
»Und, was hast du jetzt vor? Wirst du wieder zurück in die Wüste gehen?«, fragte Raban. Der wusste, dass er dort gelebt hatte, nicht jedoch, dass er in Al Shedim gewesen war und dort einige Bekanntheit genoss.
Irenir setzte die tasse ab und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Nein.«, sagte er. »Mit der Wüste hab ich abgeschlossen.«
Raban sah ihn fragend an. »Das heißt, du bleibst hier, in Myrtana? In Silden?«
Irenir nickte. »Ja, in Silden.«
»Das trifft sich gut, ich wollte auch hier bleiben. Hab hier ja immerhin ‘ne Hütte.«
»Wie jetzt?«, fragte Irenir erstaunt. »Du hast ein Haus? Hier, in Silden? Hättest du mir das nicht gestern sagen können?«
»Ich hatte den Eindruck, du fandest die Bank ganz gemütlich.«, grinste Raban. »Aber du kannst bei mir unterkommen. Das Haus wird eh noch eingerichtet, und ein Bett lässt sich schon noch irgendwo auftreiben.«
»Danke.«, sagte Irenir aufrichtig.
»Aber was willst du hier eigentlich? Sieh dich um, es ist ein kleines Fischerdorf. Nicht besonders spannend, oder?«, wollte Raban wissen.
»Vielleicht hast du recht. Aber… Naja, gestern bei diesem Feuer, da hab ich so ein komisches Kribbeln verspürt. Diese Druiden…« Irenir machte eine kleine Pause und überlegte, wie er es ausdrücken sollte. »Ich spiele mit dem Gedanken, mich dem Waldvolk anzuschließen.«, sagte er es schließlich gerade heraus.
Raban zog die augenbrauen hoch. »Du? Ein Krieger des Waldes?« Der Jäger lachte kurz auf.
»Hey, auch wenn du es nicht glaubst, das Schwert hängt nicht nur aus Spaß an meiner Seite. Und mit dem Bogen bin ich auch nicht schlecht. Ich war Nomade in Al Shedim und habe mich dort sehr bemüht. Adanos und so, verstehst? Gleichgewicht. Hier in Myrtana und auch in Varant ist einiges aus den Fugen geraten, und das kann so nicht weitergehen. Aber die Nomaden haben Pakte mit den Orks gemacht. Mit den Orks! Das ist kein Gleichgewicht! Aber ich glaube, hier im Waldvolk versteht man das. Leben im Einklang mit der Natur.«
»Du glaubst daran?«
»Ich weiß es nicht. Aber wegschauen werde ich bestimmt nicht. Es muss was getan werden, und ich werde nicht derjenige sein, der tatenlos herumsitzt und wartet, dass etwas geschieht.«
»Mh...« Sein Onkel kam ins Grübeln, rieb sich das stoppelige Kinn. »Wenn es dir wirklich so ernst ist…« Der Jäger beugte sich vor, hielt die Hand vor den Mund und flüsterte in Irenirs Ohr: »Ich hab da was von ein paar Waldläufern aufgeschnappt. Morgen soll so ne Versammlung sein bei den Wasserfällen. Wenn du wirklich bei den mitmachen willst, wäre das sicherlich die beste Gelegenheit.«
»Mhh… Ich denk drüber nach.«, meinte Irenir.
»Hey, es war nur ein Tipp. Ich weiß ja gar nicht, ob da normale Leute wie du und ich zugelassen sind.« raban grinste.
»Hey Aidar! Noch’n Bier bitte!«
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