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    Post [Story] Zahlen

    Einleitung

    Kulturen kamen und gingen vom Anfang der Zeit, bis zu ihrem Ende. Besonders gilt dies jedoch für die Insel Khorinis, gelegen, weitab des Festlandes und doch der ganzen Welt nahe, welche seit jeher so viel Vielfalt bot, wie kaum ein anderer Fleck auf Erden. Gemeinschaften bildeten sich und verschwanden mit dem Tod ihres Gründers wieder, ohne Erwähnenswertes bewegt zu haben. Sie versuchten sich der Geschichte aufzudrängen und wurden von ihren Chronisten vergessen, dass ihre Leben sinnlos wurden, wie jene der niedersten Tiere auf Erden. So ging es auch dem Bund der Zahlen. Niemand weiß heute mehr, was sie genau getan hatten, kaum jemand weiß noch, dass sie überhaupt existiert hatten. Doch ihre Spuren sind immer noch präsent in Khorinis. Nummern stehen an Orten, die kaum ein Mensch zu betreten wagt und wenn er es doch tut, so vermag er sie nicht zu deuten. Das Mysteriöse war ihre Materie und zugleich der Grund, warum sie ohne Beachtung verschwanden. Lügengeschichten werden von manchen im Rausch des Alkohols weitergetragen, doch was genau geschah ist so unglaublich, dass man es nur zu gerne in das Reich dieser Mythen und Sagen verbannen möchte. Dies ist die einzig wahre Geschichte über den Bund, seine Anhänger und sein Gedankengut. Dies sind die Worte, die nie jemand gelesen und nie jemand gehört. Blut, Wissen, Verrat, Magie und eine Macht die stärker war als die Götter selbst prägen sie. Die Geschichte der Zahlen.
    Geändert von MiMo (30.03.2017 um 15:14 Uhr)

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    100 Geburt

    Kahek erwachte an jenem Morgen schweißgebadet aus seinem gefederten Himmelbett. Sein weißes Nachtkleid wies an einigen Stellen feuchte Flecken auf, sein Haupt war bleich wie Kreide und die Bettdecke hatte über die Nacht eine Drehung um 180 Grad vollzogen. Es schien, als hätten die schlimmsten Gesichten Beliars Besitz von seinen Träumen ergriffen gehabt, doch wäre diese Beschreibung jener Nacht nicht gerecht geworden, denn das Mysterium, welches sich ihm offenbarte, ging weit über die Bedeutung der Götter hinaus. Wissen konnte er dies natürlich nicht, doch ahnen tat er dies wohl. Denn jenes, was verwirrend aus der Dunkelheit heraustrat, war doch klarer als das Eis, das im Winter die Seen bedeckte. Die Welt hatte sich ihm den Hauch eines Momentes offenbart, um danach in ein schwarzes Loch der Leere gesogen zu werden, dem Kahek nur knapp hatte entrinnen können. „Wahnsinn, einfach nur Wahnsinn“, murmelte er leise vor sich hin, während er sich auf die Bettkante setzte. Sein Herz pulsierte immer noch und ließ seinen Brustkorb auf und ab schwellen. An der Tür hatte sich indes bereits sein Diener bereit gemacht, ihn anzukleiden, doch Kahek beachtete ihn zunächst nicht und als er, durch das Knarren der Dielen aufgeschreckt, dies nachholte, schickte er ihn sogleich mit einer Handbewegung wieder dorthin, woher er gekommen war. Der Diener folgte stumm und unterbrach sich in der Befolgung jenes Befehls lediglich in einem kurzen Moment, in dem er die Kleidung Kaheks sorgfältig ablegte. Kahek schaute ihm aufmerksam nach, bis das Schließen der Tür das Ende sinnvoller Beobachtungen markierte. Kahek wandte sich wieder sich selbst zu. Er dachte darüber nach, was er gesehen hatte, doch das Wissen schien bereits zum Selbstschutz in die verstecktesten Winkel seines Gehirns getragen zu werden, sodass alles, was er dachte, ihm währenddessen schon wieder entfloh. Er drückte seine Fingerkuppen an seine Stirn, doch der Kampf mit sich selbst war vergebens. Was blieb war einzig und allein, dass er wusste, dass er gewusst hatte. Und er sah Zahlen vor seinem inneren Auge, viele Zahlen, die keinen Sinn zu ergeben schienen und alles bedeuten mussten. Kahek wusste nicht mehr, was er tun sollte, das was er erfahren hatte, konnte er nicht für sich behalten, doch den Menschen konnte er nichts mehr erzählen, zumindest nicht ohne das für seinen Stand so wichtige Ansehen eminent zu gefährden. Er dachte eine Weile darüber nach, den Kopf dabei in der rechten Hand versunken. Vor der Tür hörte man, wie der Diener schon das Frühstück ablegte. Ein Dialog mit der Haushälterin, die das Bett machen wollte schloss sich dem an. „Ich sollte vielleicht mal aufstehen.“, dachte er sich, aufgeweckt durch diese störenden Laute. Unter dem Knarzen des Bettgestells, erhob er sich und wusch sich eilig mit dem Bergwasser aus der Waschschüssel. Danach zog er sich seine Kleidung über und nahm den Gehstock, den er wie immer direkt neben der Tür an der Wand angelehnt hatte. Er zog die Holztür auf, vor der noch immer seine Bediensteten standen. Der Diener griff hastig nach dem Tablett mit dem Frühstück, so als hätte er seine Pflicht vernachlässigt, doch Kahek, war an keinem Frühstück interessiert. „Ich bin auf Kundenbesuch bis Mittag.“, warf er ihm nur zu und ging dann auch schon von dannen, während die Haushälterin und der Diener ihm hinterher sahen. In ihren Köpfen mochten sie sich fragen, was diese überhastete Flucht für einen Sinn haben mochte, doch die Antwort darauf wusste nicht einmal Kahek. Dieser ging schnellen Schrittes aus seinem Haus auf den gepflasterten Platz des oberen Viertels. Die Luft war an jenem Morgen frisch, wie es für den Spätherbst normal war. Ein leichter Nieselregen benetzte dazu die wenigen Bürger, die sich aus ihren beheizten Stuben heraus getraut hatten. Kahek überlegte sich ebenfalls wieder zurückzukehren, doch er wollte kein Aufsehen erregen und seine ohnehin schlechte Lüge als solche zu erkennen geben, auch wenn er keine Erklärung hatte, warum er sie überhaupt erfunden hatte, denn er stand über seinen Kunden und den Dienern Rechenschaft abzulegen war überflüssig, wie etwa ein Schnupfen. So lief er also in Richtung des Tores zum Viertel der Handwerker, um sich die Beine zu vertreten und in Ruhe seinen Gedanken nachzugehen. Doch zu Zweiterem sollte er nicht kommen, denn in dem Moment, als er den Torbogen passierte, kehrte das Wissen wieder. Er sah Codes in der Wand, fast so, als würde sie nur von ihnen zusammengehalten werden. Er sah sich um, ob noch jemand das gleiche wie er sah, doch niemand war anwesend und als er seinen Kopf wieder zurück drehte, war es auch schon wieder vorbei. Vorsichtig legte er die Hand auf den Stein. Er fühlte sich an, wie er sich anfühlen sollte. Wie hypnotisiert entfernte sich Kahek einen Schritt. 300, fühlte er, auch wenn er nie zuvor Zahlen gefühlt hatte. Er trat wieder nach vorne und ritzte es mit dem blanken Fingernagel in die Backsteine.
    Geändert von Oblomow (13.11.2009 um 22:57 Uhr)

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    200 Luft

    Die überstehende Hornsubstanz war fast vollkommen abgelöst. Schmutz, der von den Flechten und Moosen herrührten war unter ihr zu sehen. Kaheks rechter Zeige-und Mittelfinger hingegen bluteten. Zu stark hatte er sie verwendet. An jedem anderen Tag, wären die Schmerzen für die Durchführung etwas derart Verrückten wohl zu stark gewesen. Doch Kahek empfand keinen Schmerz. Er sah auf die gekritzelte 300 und er fühlte pure Erfüllung, mehr als er je in seinem gesamten Leben empfunden hatte. Doch als ihm auffiel, wie krank er sein musste, dies getan zu haben, verflog dieser Zustand augenblicklich und wurde durch Angst ersetzt. Hatte ihn jemand gesehen? Und wenn ja, würde er es seinen Kunden verraten?, waren nun die Fragen, welche er sich stellte. Panisch sah er sich um. Noch immer regnete es um ihn herum und noch immer teilte niemand die Straße mit ihm. Erleichterung kam auf. Er sah seine Hände an. An seiner Rechten troff Blut hinab. „Niemand darf das sehen.“, kam es ihm augenblicklich in den Sinn. „Und wenn ich einen Verband trage, dann werden sie danach fragen.“, führte er seine Gedanken fort. Erneut sah er sich um. Erneut war niemand da. Kahek entschloss sich daraufhin kurzerhand den Wassermagier Nanex aufzusuchen, welcher nahe des Marktplatzes predigte. Seine Schuhe traten, während er seinem Ziel entgegen rannte in die, durch den Regen entstandenen, Pfützen und ließen das Wasser mit Gewalt zur Seite spritzen. Er lief vorbei an dem Geschäft des alten Fellhändlers Rospek, auf den Platz, an dem tagaus tagein die Botschaft Adanos’ gepredigt wurde. Auch hier war alles wie ausgestorben. Kahek hatte also offensichtlich Glück gehabt. Vor dem Unterstand Nanexs verlangsamte er wieder seinen Schritt und begann Haltung anzunehmen. Vor ihm stand nun der ehrenwerte Nanex. Mit seinen 60 Jahren einer der ältesten Menschen der Stadt und wohl auch einer der weisesten. Sein grauer Bart reichte ihm von seinem faltigen Gesicht bis etwa zum oberen Rand seines Bauches. Seine Robe war wie immer so blau, wie seine lebendigen Augen, die nun auf Kahek gerichtet waren. „Was eilst du dich so, mein Sohn?“, fragte er ihn väterlich, wobei er so viel Ruhe ausstrahlte, dass man sich gerne einen Teil davon mitnehmen wollte. Kahek lief jedoch nur etwas rot in seinem Gesicht an und verbeugte sich schnell. „Meister, ich habe mir eine Verletzung an der Hand zugezogen und wollte ihre magischen Heilkräfte in Anspruch nehmen.“, rechtfertigte sich Kahek und streckte ihm die rechte Hand zu. Interessiert nahm Nanex sie unter die Lupe und schaute danach wieder auf sein Gegenüber. „Einen Moment, ich mache das.“, beruhigte er ihn und zog eine Heilrune. Ein weißes Licht erschien und vermengte sich mit glänzendem Blau. Kahek sah auf seine Hand. Die Haut regenerierte sich in Sekundenbruchteilen unter seinen Augen. Selbst die Fingernägel wuchsen wieder etwas nach. „Ich danke Euch zutiefst.“, bedankte sich Kahek, als der Genesungsprozess abgeschlossen war und griff automatisch nach seinem Geldsäckchen um zur Entlohnung einige Goldmünzen zu spenden. Schließlich waren alle etwaigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen des seltsamen Vorfalls beseitigt worden. Doch Nanex winkte nur ab. „Ich will kein Geld von dir, sag mir lieber, was passiert ist.“, forderte Nanex ihn stattdessen auf. Kahek wurde unwohl. Nur ungern mochte er über solche Dinge reden. Ja, selbst die Beichte war für ihn nie Erleichterung gewesen, sondern stets das empfindliche Entblößen der eigenen Schwachstellen. Er konnte aber diesem Mann nichts verwehren. Er konnte ihn schließlich noch brauchen und ohnehin brauchte er wohl nicht zu befürchten, dass seine psychische Labilität durch ihn ans Licht getragen wurde. Nanex war vertrauenswürdig, wie kein anderer. Kahek räusperte sich und schielte etwas umher. „Wie verlassen ist es nur heute, als ob alles tot sei.“, dachte er sich dabei, denn noch immer war niemand da. „Ich...ich habe einen schweren Stein getragen und er ist mir abgerutscht.“, sagte Kahek dem Magier ins Gesicht. Er hatte sich doch nicht getraut zu sagen, was geschehen war. Doch die Gesichtszüge Nanexs verfinsterten sich auf diese Antwort hin. „Jeder hätte geschrieen vor Schmerz, bei etwas derartigem, doch du kamst hierher ohne eine Gefühlsregung, als seien deine Nerven an den Fingern nicht existent. Also was ist geschehen?“, reagierte der Wassermagier nun wütend. Kahek war in die Enge getrieben worden. Seine Lügen waren nicht gut genug für diesen weisen Mann, der ihm gegenüber stand. Und plötzlich konnte er nicht mehr anders. Er musste loswerden, was er zu sagen hatte. „Es waren Zahlen, die ich mit blanker Hand in Stein geritzt habe.“, schoss es aus ihm heraus. Und es war keine Scham, die aufkam, sondern das Gefühl von Befreiung.
    Geändert von Oblomow (07.02.2022 um 19:02 Uhr)

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    300 Erde

    Doch der Magier schien dafür nun an seiner Stelle um so betroffener. Eine ungesunde weißliche Färbung zeichnete sich im Gesicht des alten Mannes ab, welcher noch vor wenigen Augenblicken, gespickt mit Emotionen, das Leben selbst dargestellt hatte. „Zahlen sagst du?“, erkundigte sich Nanex zur Sicherheit erneut und Kahek, der die Zeichen des Magiers nicht deuten konnte, nickte bestätigend. „Bei den Göttern...“, murmelte Nanex in seinen Bart hinein und drehte sich ab von seinem Besucher, um sich scheinbar zur Stabilisation mit der rechten Hand an der Wand seines kleinen Tempels abzustützen. Sein Körper zitterte wie die Hand eines Parkinsonkranken und Kahek wollte schon zu ihm gehen, um zu helfen, doch Nanex brachte ihm mit seiner ausgestreckten inneren Handfläche davon ab und begann wieder zu sprechen. „Was war das für eine Zahl, die du geschrieben hast?“, erkundigte er sich, wobei seine Stimme nur noch einem leisen Hauch glich. Kahek verstand zunächst nicht einmal das Gesagte und als er es doch noch getan hatte, musste er sich anstrengen, die Erinnerung wieder zu beleben, wurde jedoch dabei vom Magier um so lauter unterbrochen. „Sag es endlich.“, brüllte der alte Mann so laut, dass es ganz Khorinis hören musste und Kahek vor Schreck zusammenzuckte. Doch war er wohl der einzige an jenem Morgen, niemand trat aus seinem Haus heraus und kein einziges Fenster wurde geöffnet um das Interesse eines alten Weibes zu befriedigen. Doch Kahek dachte darüber nicht nach. Er versuchte nur eiligst sich an die eine Zahl zu erinnern, um den Magier nicht noch weiter zu verärgern. Sein Kopf dröhnte und sein Kopf lief rot an. Mit aller Macht wollte er es aus sich herauspressen und konnte gar nicht mehr fassen, dass ein so einschneidendes Erlebnis ihm nun entfallen sein sollte. Und gerade, als er darum bitten wollte zurück laufen zu können, traf es ihn wie ein Blitz. „300, es war 300.“, antwortete er endlich auf die Frage des Magiers, der dabei noch blasser als zuvor wurde. Er schob sich an der Wand neben seiner rechten Hand empor. Langsam nahm er diese beiseite. Dahinter war etwas kleines, eingeritztes zu erkennen. Kahek bewegte sich auf die weiße Mauer zu und als er sah, was dort stand, stockte ihm beinahe der Atem. Eine kleine drei, gefolgt von zwei Nullen waren deutlich zu sehen. An ihren Rändern hatten sie ein blasses rot, das unwiderruflich an Blut erinnerte. „Sie haben es auch erlebt?“, fragte er den Magier fassungslos mit weit geöffneten Augen. „Ja“, antwortete dieser und bebte dabei noch stärker als zuvor. Kahek war erschrocken darüber, dass noch jemand das gleiche gefühlt haben konnte, aber zugleich froh, dass er nicht mehr verrückt war, sondern es vielmehr um ein Geheimnis ging, von unglaublich scheinender Macht. Er begann euphorisch darüber zu werden, was man mit dem Wissen um diese anfangen konnte und geriet in Wallungen. „Habt Ihr denn erforscht, was es damit auf sich hat?“, hakte er begierig nach, doch Nanex schüttelte nur seinen Kopf. „Ich habe die große Macht dieser Zahlen gespürt und war mir sofort im Klaren darüber, dass sie beinahe ins Unendliche reicht, ja, vielleicht nicht einmal die Götter noch über ihr stehen. Und wie sollte ein einfacher Mensch mit solch einer Kraft umgehen, wenn die Götter für ihn schon so unberechenbar sind? Nein, dies ist ein Geheimnis, das man nicht lüftet, zum eigenen Schutz. Und ich rate auch dir, versuche nicht weiter zu forschen, verdränge deine Erlebnisse bis in die hintersten Winkel. Die Götter haben dir ein Leben in Wohlstand geschenkt, versuche nicht, etwas zu erreichen, von dem du nicht weißt, was es ist. Es könnte dich vernichten, vielleicht sogar uns alle. Ich hoffe, dass du das nicht willst und auch nicht aufs Spiel setzen wirst“, sprach der Magier und man konnte in seiner Stimme hören, wie seine Erlebnisse ihn all die Jahre beschäftigt haben mochten, doch Kahek war nicht gewillt, den gleichen Schluss zu ziehen. „Wenn es über den Göttern steht, warum sollten wir diese Kraft nicht nutzen, sie nach unserem Willen zu kontrollieren? Beliar bringt Unglück und Tod über das Land, wir könnten ihn stoppen.“, wand er erregt ein, doch Nanex Augen verkleinerten sich dabei nur zu kleinen Schlitzen, was auch kaum verwunderlich war, gingen doch solcherlei Ideen gegen das Wesen eines Vertreter Adanos' „Wie töricht bist du, dass du dich über die Götter stellen willst? Du bist ein Geschöpf Innos und willst wissen, was das richtige Gleichgewicht, was gut und was schlecht für die Welt ist? Die Maus, die den Schattenläufer kontrolliert, wird versuchen ihre Feinde auszurotten und sie mag sich klug und mächtig dabei fühlen, doch fällt sie von dem Rücken der Bestie hinab, so wird auch sie zertreten, unabhängig davon ob der Schattenläufer es will oder nicht. Er wird sie nicht sehen und keine Rücksicht auf sie nehmen. Du magst mehr Wissen, als so manch anderer besitzen, aber der Dummheit bist du nicht entflohen. Ich sage es noch einmal, kehre ab von dem Gesehenen und lebe dein Leben, wie es bestimmt worden ist.“, konterte der Magier und fing erneut an zu Schreien, doch diesmal berührte Kahek dies nicht mehr. Er hatte sich bereits entschieden, wenn auch nicht zum Nutzen der Welt, so doch um sein Verlangen nach Antworten zu befriedigen, herauszufinden, was der Ursprung dessen war, was er mit seinen Sinnen erfahren hatte. „Ich werde Sie jetzt verlassen, einen angenehmen Tag wünsche ich euch noch, Meister Nanex.“, verabschiedete er sich trocken und wandte sich ab zum Gehen. Als er die Passage hinter dem Laden des Jägers passierte hörte er noch, wie er vom Magier als „Narr“ beschimpft wurde, doch er lief einfach weiter. Inzwischen hatte es angefangen, richtig zu Regnen.
    Geändert von Oblomow (07.02.2022 um 19:08 Uhr)

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    400 Licht

    Das Wetter entwickelte sich langsam zu dem, das man zum Abend der Welt erwartete, doch es war noch nicht einmal Mittag und Kahek war offiziell noch auf Kundenbesuch. Auch wenn offiziell in diesem Fall nur hieß, dass es seine Angestellten so erfahren hatten. Kahek hätte also durchaus wieder zurückgehen können. Schließlich waren es ja nicht etwa Freunde oder Verwandte, die auf ihn warteten, es waren niedere Bürger, die von seinem Geld ihr Leben bestritten und für das kritische Hinterfragen seiner Person nicht prädestiniert, noch befugt waren. Doch Kahek war das an jenem Morgen egal. Er wollte einfach nicht in sein Haus zurück, wollte sich keiner Peinlichkeit aussetzen. Vor Allem aber beherrschte ihn ein Gefühl des Aufbruchs, den er sicher nicht an seinem alten, geölten und polierten Schreibtisch beginnen konnte. Der Regen prasselte auf seinen Kopf, während er über seinen nächsten Schritt nachdachte. Er blieb so einige Sekunden stehen, bis er sich entschieden hatte. Er musste Menschen finden, die das Gleiche, wie er erlebt hatten. Er brauchte ihr Wissen, vielleicht auch ihr Können. Doch ob es eine Gabe war, das wagte er noch nicht zu sagen. Dass es noch Andere außer ihm und dem Magier gab, die die Zahlen gesehen hatten, das glaubte er zu wissen. Am besten, so dachte er sich, waren Flugblätter geeignet, also drehte er sich hin zum Stadttor, das nur wenige Schritte von ihm entfernt war und in dessen rechtem Turm in jenen Tagen, ein junger Schreiberling mit dem Namen Matteo sein Geschäft führte. Der Analphabetismus hatte zwar bereits seit Jahrzehnten abgenommen, aber längst nicht alle konnten auch in einer passablen und leserlichen Schrift schreiben, vor Allem aber nicht so viel, wie Matteo, der schreiben konnte, bis der Arm schon vom Zusehen begann zu schmerzen. Da Kahek sonst auch sehr beschäftigt war, war Matteo also der perfekte Ansprechpartner. Er lief über das Pflaster und klopfte dreimal an der Tür des Schreibers an, bevor er sie aufstieß und eintrat. Im Immeren des Turmes saß an einem kleinen Tisch Matteo im Schein einer Kerze, die wild umherflackerte und kritzelte auf dem Papier herum. Zu seiner Linken war ein Stapel unbeschriebenen Papieres auf einem kleinen Holzschemel. Auf seinem Tisch häufte sich das Gegenstück dazu. Der junge Schreiberling schaute von seiner Arbeit hoch, als Kahek den ersten Schritt im Raum machte und steckte die Feder in das Tintenfass. Schwarze, glänzende Augen sahen Kahek an. „Sie wünschen?“, fragte Matteo ihn freundlich, wenn auch leicht überrascht, wohl über die Kundschaft, die trotz des Weters zu ihm gekommen war. „Ich hätte einen Text zu diktieren, von dem ich danach gerne 50 Kopien in einer gut lesbaren Schrift hätte“, bat Kahek und der Schreiber legte sein Blatt auf die Erhöhung der fertigen Dokumente um an seiner Stelle ein neues auf das Holz zu legen. „Wie soll denn der Text lauten?“, fragte er Kahek, der sich kurz räusperte.

    „An alle Leser,

    sollten sie in ihrem Leben ein besonders herausragendes Ereignis im Zusammenhang mit Zahlen gehabt haben, so bitte ich sie nach der Lektüre dieser Schrift, sich bei meinem Haus im oberen Viertel zu einem regen Austausch der Geschehnisse zu melden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Kahek“,
    diktierte Kahek darauf und Matteo schrieb dies wortlos auf seinen Zettel, bevor er erneut aufblickte und sein Gegenüber mit skeptischem Blick musterte. „Sie wollen das auch so, Wort für Wort, 50-mal?“, vergewisserte er sich und Kahek nickte dazu. Matteo sah wieder ungläubig auf sein Blatt. „Das würde 100 Goldstücke machen, sie müssen mir aber 50 davon im Voraus bezahlen“, murmelte er schon fast, nicht wirklich glaubend, was er da schreiben sollte. Kahek holte jedoch nur seinen Geldbeutel hervor und warf die Münzen auf den Tisch. Matteo ließ dabei seine Zweifel dem Anschein nach auch wieder fallen, wohl des Geldes wegen und nahm dieses freudig entgegen, um anschließend seinen Kunden zu verabschieden. Mit guter Laune trennten die beiden sich wieder. Kahek wollte vor Glück aufspringen, als er das Haus verließ, so von Glück besselt war er, den Stein ins Rollen gebracht zu haben, doch als er einige Damen vorbeilaufen sah, verbat er sich dies. Es war immer nur noch Vormittag, doch der Regen hatte aufgehört und die Sonne strahlte, wie auch Kahek strahlte, als er so sorgenfrei wie selten in seinem Leben wieder zurück in sein Heim schlenderte, vorbei an den Menschen, die sich nun aus den Häusern wagten und höflich grüßten und vorbei an der Mauer, die er noch am Morgen mit seinen Fingern wie ein Irrer bearbeitet hatte. Als er schließlich vor der Tür seines Hauses angekommen war, hörte er von den oberen Zimmern das laute Stöhnen seiner Haushälterin und seines Butlers, das seine Laune mit einem Mal wegwusch. Ruckartig streckte er seine rechte Hand nach dem Türknauf aus, doch noch bevor er ihn erreicht hatte, begann er zu schwimmen. Er fiel nicht, er badete in einem Meer, das nur aus Ziffern bestand. Ein Meer aus 500 begab ihn mit einem Mal, das von Schlieren der 400 durchsetzt war. Und als er begann zu versuchen, sich in ihm zu aalen, traf er auf 300. Mit einem lauten Geräusch war Kahek auf den Boden gefallen und wie benebelt hörte er den Lärm von oben verstummen und seine entsetzte Haushälterin von oben aus dem Fenster auf ihn schauen.
    Geändert von Oblomow (30.07.2010 um 01:45 Uhr)

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    005 Asche

    Flirrende Hitze lag über den flachen Bodenwellen der vertrockneten Salzwüste. Kleine Partikel legten sich auf dem scheinbar harten Boden ab und stiegen, von seiner Wärme aufgeheizt, wieder nach oben in die Lungen schnürenden Lüfte. Kein Ton, kein Lebewesen, welches dafür gemacht worden wäre, an jenem Ort zu verweilen, so hätte man denken können. Doch von fern ließ bald ein mysteriöses Geflüster stattdessen jene Gedanken verstummen und der aufgeschreckte Boden ließ ein Erdbeben folgen.

    Kaheks Kopf brummte noch, als er aufwachte. Man hatte ihm einen wohl ursprünglich kühlen Lappen auf die Stirn gelegt, um dies zu mildern, in der Zwischenzeit war dieser allerdings unangenehm warm geworden. Stimmen waren zu vernehmen, doch Kahek erkannte nur Umrisse jener Gestalten, die sich am anderen Ende des abgedunkelten Raumes unterhielten. Für einen Moment war er sich nicht sicher, wo er gelandet war, doch bekannte Gefährten wie sein lackierter Nachttisch und der güldene Kerzenständer darauf, die zu seiner Linken standen, machten ihm klar, dass er wieder zuhause in seinem Schlafgemach angekommen sein musste. Ein Wassertropfen löste sich, während er sich umsah, aus dem Lappen und rann zwischen den Augen bis zum Nasenhöcker, wo er vorerst seine Ruhe fand. Kahek spannte seinen Arm an, in der Hoffnung, sich der feuchten Textilie auf seinem Haupt zu entledigen, doch bereits nach fünf Zentimetern ließ er sein schlaffes Fleisch wieder zurück auf den weißen Bettbezug klatschen.
    Die Stimmen verstummten. Zwei Füße schritten eilig von dannen, ein anderes Paar näherte sich langsam dem Bett. Staubwolken wurden aus den alten Dielen geklopft und regneten sich nur kaum später wieder aus. „Sind der Herr endlich aufgewacht?“ Kahek erschrak sich fast bei der Stimme seines Dieners. „Jaja, alles ist gut. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen“, gab er schnell zurück. Er wollte nicht reden, wollte noch einen Moment der Ruhe, um seine Gedanken zu ordnen, doch dass ihm dieser gegönnt werden sollte, war unwahrscheinlich. „Das ist gut. Sie können sich nicht vorstellen, welche Ängste wir ausstehen mussten, nachdem wir sie bewusstlos vorfanden. Nicht einmal der Arzt konnte die Ursachen feststellen“, bestätigte der Diener diesen Eindruck. Kahek startete einen neuen Versuch, seine Hand an sein Gesicht zu bringen, dieses Mal erfolgreich. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er in Ohnmacht gefallen war, nur, dass es auf dem Weg nach Hause passiert sein musste. „Wie lange habe ich denn geschlafen?“, erkundigte er sich zögerlich. „Von heute Vormittag an, bis jetzt, aber das ist ja auch schon genug“, klärte der Diener ihn auf. Kahek sah zum nächsten Fenster. Der Raum war doch nicht abgedunkelt worden, es war lediglich Nacht geworden.
    „Wenn Sie Hunger haben: Ich habe das Hausmädchen gebeten, eine leichte Hühnerbrühe aufzusetzen. Sie dürfte jeden Moment damit fertig sein“, sprach der Diener in mildem Ton weiter, dass Kahek ob dessen schon irritiert wurde. Doch weiterführende Gedanken wurden von seinem grummelnden Magen unterbrochen. Er hatte etwas zu Essen nötig. „Das ist gut“, murmelte Kahek leise und es wurde wieder still. Aus dem Arbeitszimmer war gedämpft das Ticken der der großen Schrankuhr zu vernehmen. Das Klappern von Geschirr gesellte sich von der Küche ausgehend dazu. Kahek ließ derweil den Lappen über die Augen hin zum Kinn wandern. Er wollte seine Erinnerungen zurückrufen, ahnte er doch, dass es wichtig sein konnte. Doch noch viel mehr wollte er endlich essen und auf Essen wartete man, eine alte Angewohnheit aus Zeiten, in denen der Hauslehrer zum Mittag hin mit ihm plötzlich keinerlei Erfolge mehr zu erzielen vermochte.

    Leichte Füße tippelten in Richtung des Schlafzimmers und der Dunst heißer Brühe mischte sich mit der trockenen Raumluft. „Stellen Sie sie hier ab“, wies Kahek das Hausmädchen an, während er mit der linken Hand einmal schwach auf den Nachttisch klopfte. Das silberne Tablett kam auf dem Holz zum liegen, das Hausmädchen verbeugte sich artig und ging wieder von dannen. Kahek griff nach dem Löffel. Ein Ächzen entfleuchte seinem Mund, während er sich auf die Seite drehte. Heißer Wasserdampf mit einem Hauch von Hühnchen stieg ihm in die Nase, als er den ersten Schluck zu sich nahm. Es war kein Hochgenuss, doch einer Brühe angemessen. „Gutes Mädchen“, bemerkte Kahek und genehmigte sich einen weiteren Löffel. „Da haben Sie Recht“, pflichtete ihm der Diener in schmachtendem Tonfall bei und mit einem Mal fand die Erinnerung zu Kahek zurück.
    Mit offenem Munde erstarrte er und konnte kaum fassen, wie ihm solch Unglaubliches hatte entfallen können. Der gefüllte Löffel fiel ihm aus der Hand während Zahlenreihen wie eine Schreibmaschine sein Gehirn anschlugen. „Herr, was ist mit Ihnen?“ Der Diener war aufgeschreckt und sah zu, wie Kahek in den Laken anfing wie ein Fisch an Land herumzuzucken. „Ich hole einen Arzt“, rief er ihm noch zu und hatte fast schon die Tür erreicht, ehe Kahek sich gerade noch fassen konnte. „Halt, du bleibst hier“, schrie er aufgeregt, seine braunen Pupillen weit offen. Der Diener ging unsicher ein paar Schritte zurück. „Ist auch wi...“ „Sicher, komm her“, schob Kahek die Skepsis seines Bediensteten zur Seite, der Platz auf der Bettkante nahm.

    „Ich schlage vor, dass wir beide, besonders aber du, Soban, diesen Vorfall vergessen und auch in Zukunft vergessen werden. Und damit meine ich, dass, wenn ich etwas in der Öffentlichkeit davon höre, ich dein restliches Leben zur Hölle machen werde“, drohte Kahek. Soban schluckte. „Aber Ihre Gesundheit, das...“, wollte er wieder zu reden beginnen und wurde ein weiteres Mal unterbrochen. „Du solltest dir weniger Sorgen um mich, als um dich machen, wenn ich veröffentlichen muss, dass du in meinem Haus Unzucht mit einem ledigen Weib vollziehst.“ Kaheks Stimme wurde bedrohlicher. Dem Diener stand das blanke Entsetzen in die Augen geschrieben. Er war ertappt worden. „Haben wir uns verstanden?“, hakte Kahek nach. Der Diener nickte stumm. „Gut, dann entferne dich, ich rufe dann, wenn ich etwas benötigen sollte.

    Er sah dem Diener hinterher, wie er das Zimmer verließ. Er hatte ihn noch einmal verschont, anstatt ihm dem Usus nach für sein Vergehen vor der Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen, denn er würde einen treuen Angestellten brauchen. Spätestens dann, wenn er von Zuckungen zu ernsthafter Forschung überging und nicht zuletzt hatte er ihn selbst auf diesem Weg möglicherweise ein gutes Stück nach vorne gebracht. In seinem Kopf gingen die Gedanken umher, was mit den erscheinenden Codes anzufangen war, im Zimmer hob seine Hand den Löffel vom Boden auf, um ihn nach einer Reinigung am Nachthemd wieder in die Hühnerbrühe zu tunken.
    Geändert von Oblomow (29.03.2012 um 21:23 Uhr)

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    Die Nacht verlief ereignislos, was Kahek einerseits nach den kräftezehrenden Erlebnissen des Vortages gelegen kam, doch zugleich auch enttäuschte, zügelte es doch seinen Wissensdurst in jener überirdischen Sache. Zur Morgenstunde hatte bereits die Tageswäsche bereit gelegen, Das Frühstück hatte zum Erwachen den Nachttisch geziert. Sein Diener war offenbar darauf bedacht gewesen ihm möglichst nicht unter die Augen zu treten. Etwas, das ihm Kahek natürlich auf Dauer nicht durchgehen lassen konnte. Noch saß er in seinem Arbeitszimmer tatenlos herum. Das Wetter war besser als tags zuvor. Die Sonne beleuchtete seinen Sekretär, an den er sich zwar gesetzt, aber an welchem er noch keinen Federstrich getan hatte. Die Buchhaltung war auch noch auf dem neuesten Stand, wenngleich mit etwas Überlegung auch abseits dieser es sicher noch genug zu tun gab. Doch er saß nur, Saß und wartete, dass etwas passieren mochte: Eine klare Erinnerung, eine neue Vision. Doch alles was sich tat war, dass die Bürgerinnen auf der Straße die aktuelle Mode zur schau stellten. Vielleicht auch jene der letzten Saison. Es dauerte seine Zeit, bis sich die Dinge vom Festland bis auf die Insel durchsprachen. Es schlug seine Standuhr schon fast zum Mittag, als es an die Zimmertüre klopfte. Kahek reagierte nicht, ehe sich das Klopfen ein zweites Mal hören ließ. Und ihn damit aus seiner Apathie riss. „Herein“, blaffte er laut und drehte sich um zu Soban, welcher zwischen Tür und Angel stand. „Entschuldigung, aber ich wollte nur Ihren Termin am Hafen ansprechen, den Sie geplant hatten“, meldete dieser sich zu Wort. „Was gehen dich meine Pläne an?“, knurrte Kahek im Gegenzug zurück, dass seine Verbitterung über den bislang so unproduktiven Tag hörbar wurde. „Herr, ich… Sie hatten mich vorgestern doch darum gebeten Sie daran zu erinnern.“ Kahek hielt inne. Tatsächlich hatte er das getan und tatsächlich war der Anlass kein unwichtiger. Ein ganzes Schiff voll mit Varanter Kriegsbeute war von seinen Quellen angekündigt. Kahek fuhr nach oben und trat gen Zimmerausgang. Vorbei an seinem Bediensteten stürmte er die Treppen herunter, um die Haustüre weit aufzuschlagen und nur einen Moment wieder zuzuziehen. „Herr, was ist?“, setzte Soban zum Reden an. „Eine Sänfte, bestell eine Sänfte“, ordnete Kahek wild gestikulierend an. Gerade noch rechtzeitig bevor er auf die Straße gestürmt wäre, war er sich des Risikos gewahr geworden mit mit einer weiteren Offenbarung wie eine Flunder auf dem Pflaster des Oberen Viertels zu zappeln. In irrwitzigem Tempo rannte sein Diener an ihm vorbei in die Stadt. Es schien lachhaft , aber er musste das Risiko solch eines Zwischenfalles möglichst gering halten, zumindest bis er der überwältigenden Kraft jener Zahlen standhalten konnte. Die kurze Wartepause gab ihm derweil Gelegenheit noch einmal seine Garderobe eines prüfenden Blickes unterziehen zu können. Neben seiner Vorsicht, hatte er für seinen Ausgang offenbar auch seinen Mantel und, noch gravierender, seinen Gehstock vergessen. Dinge, die er, beschämt von sich sich selbst, nun eilig an sich nahm und, im Falle des Mantels, sogleich überzog. Nur wenig später kam Soban mit Sänftenträgern und Sänften zurück, um sich vor ihm zu verbeugen. „Ich wünsche einen angenehmen Tag und erfolgreiche Geschäfte“, säuselte er etwas atemlos. Kahek stieg in die Sänfte. „Du kommst heute mit“, befahl er aus dem Fenster der Tragekabine und zog dessen Vorhänge zu. „Zum Hochseehafen“, tönte es nur noch abschließend durch den vorne in der Passagierkabine eingearbeiteten Schlitz für Kommandos an die Träger, die sich unmittelbar darauf ans Werk machten.
    Der Weg war nicht lang, die Transportart nicht so bequem, wie man für ihren Preis annehmen konnte. Die Kurven, Treppen und vieles mehr machten die Nutzung unattraktiv, aber Gäste vom Festland, oder von dort emigrierte Händler, schworen darauf. Kahek war keiner davon, ihn interessierten nur die Kabine und die Vorhänge. Ohne dass eine halbe Stunde vergangen war, wurde er am Hafen abgesetzt. Er konnte nicht behaupten, dass sich der Transport bezahlt gemacht hatte. Der Tag war weiterhin ereignislos geblieben, dass ihm schon Zweifel kamen, ob jene Erlebnisse ein einzigartiges Phänomen gewesen sein könnten. Allein die Erinnerung an die Panik des Wassermagiers gab ihm noch genug Versicherung, dass dies nur der Anfang eines Weges gewesen war. Er stieg aus. Die salzige Seeluft kroch in seine Nase, genau so wie der Muff von Schweiß, Exkrementen, Brackwasser und Mehr, das dem frisch angelegten Handelsschiff entstieg. Hinter der Reling arbeiteten noch ein paar zerzauste Seemänner, die sich offenbar noch nicht für den Landgang vorbereitete hatten. Für Kahek war dies ein gutes Zeichen. So hatte er wohl noch nicht zu viel Zeit mit Grübeleien in der Stube vertan. Stolzierend stieg er die Landungsbrücke nach oben, den Gehstock dabei demonstrativ deutlich gegen das Holz klopfend. Dieser Kniff brachte ihm schnell die Aufmerksamkeit eines etwas edleren Recken ein, welcher kurz zuvor noch Angelegenheiten, offenbar mit dem hiesigen Lagermeister, abgesprochen hatte. „Gibt es etwas, das man für Sie tun kann?“, kam er Kahek entgegen, der seinen Schritt, immer noch dem Herren entgegen, verlangsamte. „Ich bin einer der Händler aus dem oberen Viertel der Stadt und wollte mich kundig machen, was Varant so zu bieten hat“, säuselte er. Der Angesprochene geriet etwas in Verlegenheit. „Tut mir Leid, noch können wir keinen Handel betreiben, unser Obermaat ist gerade erst zur Anmeldung unserer Ankunft in Richtung der Hafenbehörde aufgebrochen. Wir müssen entsprechend noch verzollen, einige Waren sind auch gar nicht für den Handel sondern als direkte Lieferung zum hiesigen Kloster der heiligen Flamme Innos' vorgesehen. In zwei Tagen kann ich Ihnen aber sicher einige Angebote unterbreiten.“
    Kahek befriedigte diese Antwort nicht. Er hatte nicht umsonst seine Quellen, die ihm Schiffsankünfte so frühzeitig mitteilten. „Das muss ja einem Gespräch keinen Abbruch tun, vielleicht ließen sich ja zumindest einige Sachen vormerken“, warf er ein. Sein Gegenüber schüttelte sich kurz. „Ich kann und werde zu diesem Zeitpunkt nichts versprechen. Das sind einzigartige Stücke, die wir hier an Bord haben. Stücke, die ihren preis auch zum Teil erst finden müssen.“ Kahek schürzte die Lippen. „Aber wenn Sie denn darauf bestehen, kann ich Ihnen gerne sagen, was wir voraussichtlich zur Auktion geben werden. Die Kisten können wir erst zur Kontrolle öffnen, wie Sie sicher verstehen. Siegel, bei denen es ungünstig wäre sie jetzt zu brechen. Woran ist Ihnen denn gelegen?“ „Grob gesagt sind es Obskuritäten: Spezielle Trophäen, Kunsthandwerk, archäologische Fundstücke. Wenn man Dinge nirgends bekommt ist es meine Aufgabe sie zum Kauf anzubieten.“ „Das hätte ein Trödler nicht besser sagen können“, kommentierte der Überseehändler schnippisch. „Und doch kommt das Wort keinem in meinem Laden noch über die Lippen, wenn er erst einmal die Trollzahnschnitzerei Bendolaros beim Eintreten erblickt hat.“ Sein Gegenüber zog die Augenbrauen nach oben. Wenn ich mich vorstellen dürfte, Qwadryon mein Name, Überseehändler, Transportbeauftragter des myrtanischen Hofes.“ „Besser hätte es ein Erzschipper nicht sagen können“, revanchierte sich der Oberstädter witzelnd. „Kahek ist mein Name“, stellte er sich selbst vor. „Nun denn, da wir tatsächlich mit Erz vollgefüllt zurückkehren müssen, was weckt denn Ihr Interesse? Wir haben Grabbeilagen der Assassine, Grabbeilagen der Nomaden, Texttafeln der alten Völker, Felle der Wüstenschattenläufer, Besteckgarnituren aus Gold mit faszinierend filigranen Gravuren, aber auch verzierte Musikinstrumente, Gedichtbände und mehr. Die aufwendigsten Arbeiten aus dem Beliarkult sind nur leider eingeschmolzen, oder, wie Sie wohl vermutet haben dürften, explizit zur Neutralisierung oder Verschlusshaltung für das Kloster bestimmt.“ „Ein paar Stücke für das Bord über dem Kamin wären ganz nett. Haben Sie da ein paar kunstfertige Spezialstücke und wie groß sind diese Tafeln, über die Sie reden?“ Der Händler erklärte ausführlich sein Inventar. Kahek hörte aufmerksam zu. Einige der Objekte weckten sein gesteigertes Interesse, bei anderen ebbte jenes schnell wieder ab. Nachdem er sich doch ein Vorkaufsrecht für einige Artikel sichern konnte, stand er bereits kurz vor der Abreise, ehe ein kleiner Gedanke ihm wie zufällig in den Sinn kam. „Wegen der Bücher vielleicht noch: Befindet sich in Ihrem Fundus vielleicht etwas, das sich mit Zahlen beschäftigt?“ Qwadryon geriet kurz ins Grübeln. „Mathematik meinen Sie?“ Kahek schüttelte den Kopf. „Nein, es müsste eher etwas in Richtung Magie oder Esoterik sein.“ Der Seehändler verharrte scheinbar in Gedankenstarre, ehe er wieder zu Reden ansetzte. „Es gibt da ein Werk, das einmal als Verschlussgut behandelt wurde, aber von den Magiern aus Nordmar dann als wertlos abgetan wurde. Ich habe es als Kuriosum dennoch mitgenommen. Es sind darin einige Bezüge von Zahlen zu Elementen, aber auch transzendentalen Begriffen enthalten, aber vielleicht hat es wie gesagt nicht viel zu bedeuten und ist, so alt es auch zu sein scheint, nur esoterischer Unfug.“ Kalter Schweiß drückte sich aus Kaheks Poren. „ist Erde die 300?“, schoss es aus ihm heraus, während sein Körper zu zittern begann. Der Überseehändler schien überrascht. „Ja, in der Tat. Haben Sie etwa auch ein Exemplar davon in Ihrem Fundus?“ Kahek atmete nicht mehr, sondern schnaubte nur noch. „Wenn Sie sich vielleicht doch dazu überreden lassen könnten jetzt schon zu Verkaufen: Ich würde Ihnen sicher keinen zu geringen Preis für dieses Werk bieten!“

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