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Ein breites Grinsen zog sich über Ryus Gesicht, während er sich mit Jun duellierte. Wahrlich, er wusste mit einem Schild umzugehen, doch kam der Hayabusa gut gegen dessen Attacken zurecht. Auch, als die "Walze" auf ihn zurollte und er eine schnelle Seitwärtsrolle durchführte, um, auf den Füßen aufgekommen zu einem Schlag in den Rücken des gefallenen Ritters zu setzen, welcher aber alsbald von dessen Klinge vereitelt wurde. Die Zeit, die Jun nun also zum Umdrehen nutzte verwendete der Hayabusa hingegen dafür, sich auf den Schwertarm seines Feindes zu konzentrieren. Zwei Schläge gegen die Klinge seines Kontrahenten fuhren mal von rechts, dann von oben herab, ehe dieser seinen Schild wieder in Abwerhaltung hatte. Ein gewisser Abstand machte sich zwischen beiden breit, während sie sich beobachteten.
Ryu fixierte seinen Gegner. Ruhig verharrend in Kampfposition beobachtete er jedes Muskelzucken des Colovianers. Jeden Atemzug konnte er vernehmen. Und auch die Nervosität roch er. Ob Jun eine Idee hatte, wie er mit Ryu umzugehen hatte? Der Hayabusa war schließlich kein Ork oder gar einer der verräterischen Söldner, die nur ihrer Gier wegen den Grünfellen dienten wie ekelhafte Speichellecker, deren Ausbildung keine ganze war. Er war ein Meister der Klinge. Und ein Schild würde ihm auch nichts anhaben...
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Donnerd schlug die Klinge Ryus gegen den Eisenschild. Jun spürte schon jetzt seinen Körper der immer noch geschwächt war. Wieder rummste es, diesmal gegen die Schildkante, weil der für wahr schnelle Krieger versuchte Jun zuzusetzen. Der Ritter hielt jedoch gegen und nahm die Wucht mit m eine drehenden Schlag zu vollführen, den der Hayabusa gekonnt knapp vor sich parierte und dann zuschlug. Nicht auf Jun, sondern auf dessen Schild weil der Kriegsveteran den Schild wie zum Faustschlag gen Ryu wuchtete. Funken sprühten leicht auf und der Schild wurde gestoppt. Der runde Eisenbeschlag kam in Mitleidenschaft und die halbe Klinge steckte im Holzkern des Schildes.
"Materialschwäche hat bei Schilden manch Vorteil.", keuchte Jun und setzte zum Angriff, den Ryu dank ungeheurer Athletik und Kraft zu kontern wusste. Er riss an seiner Klinge, zog Juns Schild nach und bremste so den Angriff ganz ab. Dann trat er gegen Juns Schild mit beiden Beinen und ließ den Qel-Dromâ zurücktaumeln. Doch Jun ließ sich nicht bremsen oder vorführen. Er setzte nach und jagte den Hayabsa, mit bedachten angriffen, um mit einer Finte zuzuschlagen. Statt mit der Klinge, griff er mit dem Schild an. Schwenkte wuchtig links und rechts um die Waffe des Sildeners weg zu wuchten und verpasste dann Ryu einen satten Tritt, obwohl seine Klinge schon ausgeholt war. Jun setzte zur Rammattacke nach. Das Schwert wäre hier nun zu gefährlich gewesen, sah er zumindest Ryu nun in vrlierender Position. Es musste nun auch klappen, denn Juns Kräfte hatten schon früh ihr Ende gefunden. Die Muskeln schmerzten und brannten regelrecht.
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Die Dunkelheit war schneller über die Wälder Myrtanas gekommen als Chiarah gedacht hätte, trotzdem hatte sie eine Höhle gefunden und scheinbar war es auch die richtige.
Es brannte offensichtlich ein Feuer, eine Gestalt konnte die Paladina auch sehen, allerdings nur schemenhaft. Das Schwert steckte noch in der Scheide, falls sie sich irren sollte, wollte sie niemanden zu einer Kampfhandlung provozieren.
Nach einigen Schritten aber sah das dann schon ganz anders aus. Chiarah hatte sich kaum genähert ging die Gestalt sofort auf sie los. Auf den ersten Blick wirkten die Bewegungen etwas behäbig. Der Angriff aber kam schnell und gezielt, in diesem Augenblick hatte sich Chiarah nur zu Seite werfen können. Sie hatte ja mit einem eventuellen Angriff gerechnet gehabt aber dieser kam dann doch schneller als gedacht.
Schnell stand sie aber wieder und hatte nun auch ihr Schwert in der Hand. Nun konnte sie die Gestalt auch erkennen, etwas so hässliches hatte sie selten gesehen, darüber konnte sie sich nun aber keine Gedanken machen. Der nächste Angriff kam schon und auch wenn der Schrat nur einen Knüppel hatte zweifelte Chiarah keinen Augenblick daran, dass sie dem zum Opfer fallen konnte.
Die Schläge wurden sehr kraftvoll ausgeführt, damit hatte die Paladina ja aber noch gerechnet gehabt, der Schrat war aber schneller als sie gedacht hatte und darauf musste sie sich erst einmal einstellen.
Den nächsten Angriff hatte sie noch abgewartet und war dem Schlag gekonnt ausgewichen, nun aber wollte sie den Anschluss nicht verlieren. Zusammen mit einem Schlag von rechts oben ging Chiarah schnell einen Schritt vor, sie hatte nicht vor den Schrat damit zu beeindrucken, das war wahrscheinlich gar nicht möglich aber Chiarah wollte den Kampf nach ihrem Sinn gestalten. Sie hatte nichts dagegen aus der Defensive heraus den Gegner zu beobachten, zu studieren aber in diesem Fall fühlte sich die Paladina so gar nicht wohl.
Der Schrat hatte Kraft, sicher würde der ihr mühelos den Schädel einschlagen können, er war auch recht schnell aber er kämpfte recht einseitig.
Die Paladina zögerte nun auch nicht länger, sie nutzte ihren kleinen momentanen Vorteil und griff den Schrat mit aller Kraft an.
Aus der Grundstellung hervor ging dann gleich ihr zweiter Angriff. dabei ging sie mit dem rechten Fuß einen Schritt vor, gleichzeitig drehte sie ihren Oberkörper ein wenig, so verstärkte so den Schwung. Von links oben ging ihr erster Schlag, der geblockt wurde aber damit hatte die Schülerin gerechnet.
Der Schrat holte zu einem Schlag aus, daraufhin sprang die Paladina nach hinten, zog dann die Klinge nach oben um sie gleich wieder herunter sausen zu lassen. Dabei drückte sie den Knüppel links an sich vorbei. Aus Intuition machte die Paladina gleich weiter, die Füße waren schnell in die richtige Position gebracht, das Schwert hielt sie diagonal in Hüfthöhe. Kraftvoll drehte sie sich aus der Hüfte heraus und stieß die Klinge nach vorne. Die Aktion selber hatte nichts gebracht aber so hatte sie die nächste Aktion vorbereiten können und wollte nun den Nutzen daraus ziehen.
Mit dem Rechten Bein stand Chiarah nun zu dem Schrat, mit einer Ausholbewegung, die eher einem halbherzigen Schlag glich, was ihr aber wieder zu gute kam, brachte sie ihre Klinge erneut in Position. Chiarah nutzte nun den Schwung und schlug wieder von links oben, diagonal nach rechts unten. Der Schrat hatte ausweichen können, nun aber hatte Chiarah etwas Distanz zwischen sich und ihrem Gegner.
Die Paladina machte sich so lang es ging und agierte aus dem Handgelenk heraus. Auf die Art wollte sie die Kreatur auf Distanz halten.
Ihre bisherige Taktik schien aufzugehen, auch wenn der Schrat keinerlei Zeichen von Ermüdung zeigte hatte sie sich doch in eine wirklich gute Position gebracht. Chiarah wusste nicht was in dem Kopf der Kreatur vorging, ob ein Schrat überhaupt denken konnte oder ob sie eher instinktiv handelten.
Das war ihr jetzt aber auch egal, sie war höchst motiviert, wollte dem Ganzen jetzt ein Ende setzen.
Den rechten Fuß setzte sie zuerst vor, schlug mit der Klinge von links oben, nach rechts unten. Gleich aber setzte Chiarah mit dem linken Fuß nach, schlug nun von links unten nach rechts oben.
Der rechte Fuß war nun vorne, das Schwert hielt sie diagonal vor den Körper, etwas auf Hüfthöhe. Kraftvoll drehte sie sich nun aus der Hüfte zu ihrem Gegner, gleichzeitig ding der rechte Fuß vor. Die Aktion hatte sie schon mal vergeblich gebracht, diesmal aber sah das schon ganz anders aus. Die Stichattacke sah genau so wie es sich die Paladina vorgestellt hatte. Die Klinge traf genau den Brustkorb oder was immer das sein sollte und durchbohrte den Körper.
Es hatte sich etwas schwierig gestaltet die Klinge wieder herauszuziehen aber Chiarah hatte das auch geschafft. Mit einem lauten Schrei schlug sie nun der knienden Kreatur den Kopf ab.
Der Torso sackte fast schon in sich zusammen und der Kopf rollte auf dem Boden etwas von ihr weg.
Chiarah musste sich kurz wieder fassen, der Kampf war anstrengend gewesen, die Paladina hatte nie an sich gezweifelt, allerdings war das ein Gegner gewesen, den man unmöglich hatte einschätzen können, der Kampf hätte genauso gut auch anders ausgehen können.
Langsam machte sie sich wieder auf den Weg zu ihrem Lehrmeister, erst hatte sie überlegt den Kopf mitzunehmen aber nachher würde der Gestank noch allerlei Tiere anziehen.
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Aus dem Schatten eines Baumes trat nun Thorald hervor, den ganzen Kampf über hatte er seiner Schülerin bei der Bewältigung der Aufgabe zu gesehen.
"Bravo, ich wusste doch, dass du´s schaffst. Ja, die Aufgabe war eine Prüfung, ich wollte sehen, wie sehr du dir meine Lektionen verinnerlicht hast und wie du gegen einen Gegner, dessen Angriffe du nicht vorhersehen kannst, abschneidest. Ich denke, wir können nun weiter ziehen, als erstes gehts in das Dorf Silden, und danach Richtung Trelis.
Für heute jedoch hast du dich genug abgeplagt, bei unserem Lager wartet ein Hase auf dich, den hast du dir verdient. Danach solltest du dich ausruhen und deine Wunden versorgen, nicht das du uns noch im weiteren Verlauf unserer Reise schlapp machst.
Und nun komm mit, nicht dass irgendein vorlautes Tier sich gerade an unserem Braten satt frisst."
Mit einem Zwinkern ging der Waffenschmied voraus, munter vor sich hin pfeifend und eine Schnapsflasche aus dem Mantel kramend.
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"Da läuft er!" rief Vareesa unbedacht ihrem Begleiter zu, welcher schon ein Stück vor ihr her rannte und den Wolf verfolgte, dem sie nun schon seid zwei Tagen auf der Spur waren. "Ruhe Mädchen! Du machst ihn nur noch schreckhafter!" mahnte ihn der greishafte Mann, der doch noch recht flink auf den Beinen zu sein schien. So war er doch verdammt athletisch unterwegs, trotz seines übermäßigen Alkoholkonsumes und seinem etwas wackeligen Ganges. Irgendetwas stimmte mit dem ergrauten Manne nicht. Etwas schien er ihr die ganze Zeit zu verschweigen. Von seiner seltsam abweisenden Art mal abgesehen. Dieser Mann war kein simpler Fischer. Aber auch kein Waldläufer. Während sie rannte, überlegte sie. Mehr als dass sie schaute, wohin Brad lief oder gar der Wolf. Und dann, schließlich... Stand sie alleine da.
Wo war sie nur gelandet? Eine große Lichtung war es, die vom Mondlicht, welches durch die hohen Baumwipfel schien. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen in ihrem Leben. Was war dies bloß für ein Ort? Überall flogen Glühwürmchen umher und führten, als wäre sie die einzige Anwesend ihren Tanz nur für sie auf. Doch wo war Brad? Und wo war der Wolf? Völlig außer Atem schaute sie über die große Quelle, die sich dort vor ihr erstreckte.
Man konnte sicher darin schwimmen, wenn man tiefer hineinging. Doch etwas seltsames ließ sie vor Erfurcht davor halt machen. Etwas... Schier magisches. Wie damals, als sie mit Suzuran bei dem Hain gewesen war... Nur dieses mal... Es war alles noch stärker... So etwas hatte sie nie zuvor gespürt. Dieses unglaubliche Gefühl von Freiheit und Geborgenheit, wie es schon lange nicht mehr der Fall war. Einerseits wollte sie gerne wissen, was es mit der Insel hatte, die sich inmitten der Quelle befand und auf der ein riesiger, schier uralter Baum sein Antlitz zur Schau bot, aber andererseits...
Sie wollte die Quelle nicht durchschreiten. Doch... Etwas trinken... Das würde sich jetzt sehr anbieten, da sie doch ziemlich durstig war nach dieser Verfolgungsjagd durch den Wald. Wie sie dann Brad und den Wolf finden würde. Nun, darüber würde sie später nachdenken. Doch nun wollte sie erst einmal diesen Ort und seine Wirkung genießen...
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Bei allen fliegenden Schafsdämonen, die Ryu je in betrunkenem Zustand erlebt hatte! Jun kämpfte wahrlich mit der Überzeugung und Wildheit eines Wahnsinnigen. Intressant und zugleich motvierend für den Hayabusa, ein wenig tiefer in die Trickkiste zu greifen. So hatte er den Schild seines Kontrahenten doch recht gut verbeult und es war ihm sogar gelungen, seine Klinge darin festzufahren. Doch auch der Tritt, der ihn ein paar Schritte nach hinten taumeln ließ hielt den Hayabusa nicht davon ab, weiterzukämpfen. Im Gegenteil. Es spornte ihn weiterhin an. Und auch, wenn der Kampf wohl gleich zu Ende war, so musste Ryu doch grinsen. Seine Kräfte vollends anspannend holte der Hayabusa aus. Sowohl mit seiner Rechten in der sich Ryu-Ken befand, wie auch seiner Linken, die geballt zu einer Faust war. Mit einem Schrei, der eher ein Lachen war, ließ er schließlich die Faust auf den Stahl niederfahren, welcher sogleich mit dem Schildarm des Colovianers zur Seite steuerte. Wie gut, dass dies nur ein Übungsschild war und dementsprechend auch nicht die Härte eines Normalen besaß. So wurde Ryus Hand bis auf die leicht aufgeplatzten Fingerknöchel doch verschont und er selbst musste keinen Bruch befürchten. Kurz darauf setzte er dann mit seiner ausgeholten Klinge nach und ließ diese bis kurz vor den Kopf des Colovianers heruntersausen, welcher dann doch etwas überrascht von der Kraft des Schwertmeisters schien. Ja, der Kampf war nun zu Ende. Doch hatte der Hayabusa gewonnen.
"Tja... Es muss wohl nicht immer der Schild im Vorteil sein, nicht wahr?" sprach er grinsend und steckte seine Klinge wieder auf den Rücken, während er mit seiner blutigen Linken ein wenig herumwedelte, um sie durch den Luftzug zu kühlen. "Aber man merkt, dass du noch nicht voll bei Kräften bist. Ansonsten hätte ich den Kampf gerne noch weiterhin fortgeführt. Vielleicht in der Zukunft, hm? Aber nun komm, lass uns erstmal etwas trinken und dann weiterreden..."
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Das Wasser stillte den Durst und befeuchtete die Kehle. Jun merkte immer noch seinen Körper. Lange würde er nicht wieder so fit wie vor der Verwundung werden.
"Mit gutem Schild und alter Stärke mache ich es euch nicht so leicht.", meinte Jun und beäugte Ryus Faust und dann die Delle im Eisenschild.
Was war es? War Ryu nur so irr um sowas zu machen oder war Jun so sehr ermüdet, dass er dachte ein Ork hätte gegen das Schild geschlagen? An etwas anderes dachte der Colovaner nicht. Unnatürliche Kräfte - niemals.
"Aber wollt ihr mir nicht helfen alte Stärke zu finden und neue aufzubauen? Ein Krieger ist nur so gut, wie sei Wissen um die Kampfformen. Ich habe mich vielleicht ein wenig über die Kunst im führen des Zweihänders geirrt. Ich möchte sie studieren und jene Waffen zu führen wissen. Zeit habe ich und für meinen Weg, wird sich jede Kampftechnik als notwendig erweisen.", sprach der Colovianer offen aus und blickte auf seinen Becher, um auf eine Antwort von Ryu zu warten.
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Jun schien doch etwas überrascht von den Kräften zu sein, die Ryu an den Tag legte. Es war immer wieder lustig mit anzusehen, wie sich Personen über den Geist des Waldes Gedanken zu machen schienen. Andererseits war der Hayabusa erfreut über die Bitte Juns, ob er ihm nicht helfen könnte wieder auf die Beine zu kommen. Natürlich kämpferisch. Es war immer gut, wenn Leute etwas über den Kampf lernen wollten. Auch wenn die Gefahr bestand, dass der Krieg dadurch wohl nie enden würde. Kämpferische Naturen gab es immer. Und wenn auch nur eine von ihnen darüber nachdachte, weiter ihren "Trieben" nachzugehen, so würde dies immer einen Kampf bedeuten. Mit einem leichten Seufzen leerte Ryu den Krug voll Wasser, welchen er dann mit einem leisen "klock" wieder auf dem Tisch absetzte.
"Ich werde dir helfen, Jun. Doch gibt es da einige Bedingungen, die du beachten solltest. Doch dazu werde ich dir beizeiten mehr sagen. Ruh dich zuerst einmal aus in den nächsten Tagen und komm zu Kräften. Für den Anfang sollteste du dich wieder auf deinen alten Stand bringen. Alles weitere, Neue werde ich dir dann zu gegebener Zeit zeigen. Wenn ich sehe, dass du bereit bist und dich bewiesen hast. Achja und sag bescheid, falls du Hunger oder Durst hast. Ich werde wohl noch etwas kochen..."
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Es würde sicher gut tun, etwas zu trinken. Seltsam guter Dinge und noch immer mit diesem Gefühl des absoluten Gleichgewichtes in ihr lief die noch immer verschwitzte "Neujägerin" auf das Ufer der Quelle zu. Begleitet von einem erleichterten Seufzen ließ sie sich dann schließlich nieder, während sie ihre warmen Hände in das kühle Wasser eintauchte und ihre Finger darin etwas bewegte. Ein kurzes Zucken ging von ihr aus, als ihre Hände in das Wasser eintauchten. Doch war es umso angenehmer, als sie sich langsam an die Temperatur des Wasser gewöhnte. Eine leichte Gänsehaut machte sich bei ihr breit, als sie sich schließlich ein wenig des Wassers ins Gesicht spritzte und dabei kurz zusammenzuckte. Was sie jedoch nicht bemerkte war, wie sich etwas näherte. Etwas Unscheinbares. Etwas Seltsames. Ein Schatten, der sich durch das Wasser schlängelte. Auf direktem Wege zu ihr hin.
Nichts Böses ahnend formte Vareesa ihre Hände schließlich zu einem "Förmchen", mit dem sie etwas Wasser aufnahm. Doch gerade, als sie ihre Lippen an das Wasser heranbewegte, konnte sie nur noch ein lautes Zischen vernehmen und kurz darauf fühlte sie ihn. Diesen brennenden, unbeschreiblichen Schmerz in ihrer linken Schulter.
Laut aufschreiend und reflexartig packte sie sich daran und bemerkte, wie sich etwas an ihr festgebissen hatte. Vor lauter Schreck fiel die junge Frau aus Vengard rückwärts um, ehe sie völlig histerisch begann dieses längliche Ding zu packen und von sich loszureißen. Gerade noch so schaffte sie es, dieses Ding von sich abzubringen, welches mit einem erneuten Zischen versuchte nach ihr zu schnappen. Doch diesmal beförderte sie es einige Meter von sich fort, ins Mondlicht, wo sie nun erst erkannte, was es war. Noch nie in ihrem Leben hatte die verängstigte Frau so etwas gesehen. Eine Schlange, wie es den Anschein hatte. Doch sah sie nicht "normal" aus. Ihr Schuppenkleid setzte sich aus einem silbrig-blauen Ton heraus, zwischen dem immer wieder ein paar einzelne Schuppen gift-grün herausstachen.
Und dann wurde das Gefühl schlimmer. Ihr Atem begann immer mehr zu stocken, während sie selbst auf ihre Knie sank und die Schlange weiterhin beobachtete. Leise zischend baute sie sich auf und ließ immer wieder ihre gespaltene Zunge ausfahren. Fast schon spöttisch, so kam es Vareesa vor. Doch was war das? Warum formte die Schlange sich zu einem silbrig-blaufarbenen Tänzer mit grünen Augen? Ihre Sicht verschwamm langsam, wie auch ihr Kopf dröhnte. Das Zischen hallte förmlich in ihren Ohren, während sich alles begann zu drehen. Völlig verstört und ihrer Sinne nicht mehr Herrin wandte sie sich um und kroch auf die sich drehende Quelle zu. Sie musste etwas trinken... Von ihren Kräften verlassen schaffte sie sich hin zum kleinen Ufer. Ihre Lippen mit großer Anstrengung hin ans Wasser führend. Einem Hunde gleich, nahm sie soviel Wasser auf, wie sie nur konnte, ehe sie zurückschreckte und sich krampfhaft den Magen hielt und zusammenzog. Diese plötzlichen Magenschmerzen! Es war, als zerriss es sie förmlich! Was war nur geschehen? Weinend, mit unbeschreiblichen Schmerzen, einem Übelkeitsgefühl und einem Körper, der sich vom einen Moment anfühlte, als verbrenne er jeden Moment und im anderen, als erfriere sie gleich presste sie immer wieder ihre Augen zusammen. In der Hoffnung, dies würde aufhören. Doch es half nichts. Selbst der schattenhafte Tänzer verzerrte sich immer weiter zu einer Gestalt aus mehreren Strängen dunkler Adern, die immer wieder silbrig-blau und dann im einen Moment giftgrün aufleuchteten. Was war das nur!? Warum? Warum musste sie so leiden? Was hatte sie getan!? Die Schmerzen waren so stark... Würde sie nun sterben? Wollte sie es denn schon? Diese Zeiten waren doch vorbei... Aber... Warum jetzt? Warum jetzt, wo ihr neues Leben doch erst angefangen hatte? Vor Schmerzen schreiend und weinend krümmte sie sich zusammen... Es durfte nicht vorbei sein... Doch jeder Wille war eines Tages gebrochen. Und so spürte sie langsam immer mehr, wie der Schmerz sie in die Ohnmacht trieb, in der sie sich noch immer herumwandt und schon bald mit ihren ersten Fieberträumen kämpfen musste...
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Dekker hatte sogar davon geträumt. Es war ein schöner Traum gewesen, einer seiner seltenen schönen Träume, wo man morgens mit einem Lächeln im Gesicht aufwacht.
Wieder und wieder war er auf Ivram galoppiert, hatte ein Gespür für sein Pferd, wie sonst nie, beugte sich von seinem Pferd, fing den Ball ohne zu stürzen und versenkte ihn dann mit einem gepfefferten Wurf im Fass.
Bhôr hatte ihm gratuliert, gestern Abend, wie auch im Traum, denn Dekker hatte wirklich großes geleistet. Acht seiner letzten zwölf Versuche hatte er versenkt und er war stolz darauf.
Die ganze Entwicklung der letzten beiden Wochen bildete sich langsam ab, er konnte blind reiten, er konnte andere Dinge tun, während dem Reiten und er konnte sich jetzt auch endgültig auf einen komplexen anderen Vorgang konzentrieren.
'Ich will, dass du heute mit dieser Keule trainierst.', gab Bhôr ihm heute als Aufgabe mit, 'Es geht beim Kampf zu Pferde mit dem Schwert vor allem um Wucht, du musst deinen Gegner voll treffen, jede Verteidigung zerschlagen und ihn eigentlich direkt tödlich verwunden! Die Keule ist speziell von Faun gehärtet, sie ist nicht unzerstörbar, aber es ist schwer, sie wirklich zu beschädigen.
Du wirst auf mich zugaloppieren und ich werde einen Gegenstand von mir wegstrecken, den du mit der Keule treffen sollst. So hart, wie nur irgendwie möglich!'
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Zuckend und japsend lag sie im Wald. Die Schmerzen... Sie hielten immernoch an, während der schwarze Tänzer, der zu so vielen Strängen geworden war sie mit tausenden von Augen betrachtete. Gierig und lüstern. Aber auch starr und ausdruckslos. Jedes Auge hatte seinen anderen Blick. Das eine geprägt vom Wahn. Das andere wütend. Wieder eines traurig. Und das nächste... Hänselnd, wie auch eines verschmähend... Und das nächste? Lachte es sie an? Konnte ein Auge so etwas? Und warum lag ein Skelett auf ihr, welches sie liebkoste, ohne dass sie sich bewegen konnte? Laut wollte sie schreien, während die knochige Gestalt immer fleischiger wurde. Immer mehr seines Leibes setzte sich aus dem Dreck um sie an das Skelett und verformte sich zu blutigem Fleisch, welches verbrannt anmutete und auch zwei alte Steine setzten sich in die brennenden Augenhöhlen des Knochengestellst, welches langsam ein die verbrannte Visage ihres Vaters bildete, kurz bevor er verbrannte.
Schreiend und doch tonlos wollte sie sich losreißen. Doch es half nichts. Sie spürte, wie er über sie herfiel. Und im nächsten Moment... Ruhe... Alles verschwand und sie schloss die Augen. Im nächsten Moment, als sie wieder zu sich kam stand sie auf der Wiese von der sie so oft geträumt hatte. Doch dieses mal nicht etwa in einem weißen Kleid aus Samt, sondern in einer großtesken Abbildung ihrer Selbst in der ihre Haut überging in ein Kleid aus giftgrünen Schuppen, welches sich von ihren Oberschenkeln bis hin zu ihren Schultern zog. Und auch das Gras zu ihren Füßen, welches sich so im Wind wog wies nicht die normalen "Eigenschaften" ebenjenem auf. Stattdessen fing das Gras unheimlich an zu zischen und sich gegen jedwede Windrichtung zu wiegen.
Als sie heruntersah, waren es schließlich tausende von kleinen Schlangen, die sich um ihre Knöchel winden wollten und zu ihr nach oben zischelten. Als wäre sie eine Königin! Schreien wollte sie! Doch das einzige, was sie herausbrachte war ein lautes, erhabenes Zischen! Verstört schaute sie auf ihre spitz zulaufenden Fingernägel, welche einen leichten grünen Ton annahmen und auch ihr Spiegelbild in dem sich auftuenden Sees wirkte grotesk und abnormal. Schuppen, die sich ihren Hals entlangzogen und diese schlangenartigen Augen die sie anstarrten. Das giftgrüne Haar mit den silbrigen Strähnen...
Wann sollte dieser Alptraum nur jemals enden!? Wann sollten die Schmerzen nachlassen!? Dicke Tränen, die schimmerten wie das Gift einer Schlange rannen ihre Wangen herunter, ehe sie sich wieder woanders wiederfand. Die Schlangen waren verschwunden. Ihr Aussehen... Sie war die Alte... Doch wo war sie? Alles um sie herum war schwarz... Doch dann tauchte es wieder auf in ihren Ohren... Dieses Zischeln... Der Alptraum ging also weiter...
Geändert von Vareesa (28.09.2009 um 21:20 Uhr)
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Laut klirrend fielen sie in den Abgrund, Tropfen, die am Boden des Kochtopfes angekommen waren, verteilten sich großflächig, ließen eine klebrige Oberfläche entstehen. Brandgeruch durchströmte den Raum, Honig, gemischt mit dem süßlichen Geruch frischer Erdbeeren, die die junge Frau auf die leicht angebrannte Masse fallen ließ. Das schweinetrogähnliche Behältnis füllte sie danach zum Verdünnen, mit Wasser, es war das beste Rezept, das ihr in Erinnerung war eines der Wenigen, das in ihrer Familie weitergegeben wurde.
Das ganze Haus duftete nach Fleischwanzenragout mit der speziellen Note des Honigs und der Erdbeeren, ein atemberaubender Duft, ein Geschmackserlebnis auf das sich die junge Köchin freute als sie den Löffel zum Mund führte.
Gierig wie immer verbrannte sie sich den Mund an der heißen Masse, zuckte zurück…
…wachte auf und saß kerzengerade im Bett.
Kreisend bewegte sie ihren Nacken hin und her, blinzelte ein wenig und schaute sich um, bevor sie sich vom Bett erhob.
„Welch merkwürdiger Traum, diesmal ohne ihn…“, murmelnd zog sie sich an, machte sich fertig, um sich in die Dunkelheit hinaus zu wagen.
Gedankenversunken ging Suz durch die Straßen des herbstlichen Sildens, es würde ihr erster Herbst hier sein, den Sommer hatte sie gut überstanden, den Winter würde sie noch kennenlernen und danach dem Frühling mit seiner Farbenpracht das erste Mal entgegenfiebern können.
Die Straßen waren um diese Tageszeit fast ausgestorben, einige Hunde bewachten schwanzwedelnd Hauseingänge, ein paar Kerzen in den Fenstern ließen noch auf nächtliches Treiben schließen, ein paar Blicke wagte das Nachtwesen immer gerne auf ihren Streifzügen in die Häuser der Bewohner. Vorsichtig streckte sie meist den Kopf ein wenig über den Fenstersims, mit den Augen vORN ,LUgte sie zwischen Vorhängen hindurch, erblickte die, noch vom Nachmittag stehenden Schokoladentorten und Kaffesatzentsorgende Hausmütterchen, die alles wieder ins Reine brachten oder am Abend daraus lasen.
Ihr Weg führte sie gen Westen, irgendwo in den Wald hinein, etwas Suchen oder sich Finden lassen vielleicht. Den Grund für das Alles suchen, für sein Auftauchen, das doch irgendeinen Sinn haben musste. Was nur hatte er ihr mit seinen Worten sagen wollen, war es Realität oder wurde sie nach und nach, aus Gründen, die ihr bisher verborgen blieben, verrückt? Die Vergangenheit, holte sie die Vergangenheit ein? Wurde langsam ein Netz um ihre Seele gespannt, vermummte sie sich selbst in eine Hülle, die sie nicht mehr freilassen würde? Sie verstand sich selbst nicht mehr, fühlte sich unverstanden, hatte doch niemanden der sie verstehen würde, am ehesten vielleicht Sanguine. San sprach in jenen Rätseln, die gerade ihre Fäden im Kopf der Braunhaarigen gespannt hatten, undurchlässig und undurchdringbar.
Gedanken versunken hatten sie ihre Füße zum Hain getragen, waren den Weg gegangen, den sie am ehesten mit den Gefühlen verband, die derzeit in ihr herrschten. Mystisch anmutend lag der Hain vor ihr, hier herrschte eine Atmosphäre, vergleichbar mit der ihrer Träume, ein Ort der in der Realität lag, sie aber am ehesten gedanklich in ihre Traumwelt bringen konnte.
Sie lauschte, stand in mitten ihrer Gefühle, hörte seine Worte deutlich, Welle an Welle schwappten sie, durch die Luft getragen und unhörbar für Andere, an ihre Ohren.
„Schließ die Augen. Lausche in dich hinein. Ruf nach dem Tier das du tief in dir bist. Lauter und lauter...bis du seinen Ruf hörst..."
Die Augen geschlossen stand sie in Mitten des Hains, das Himmelsgewölbe über ihr, sich auf die Umgebung konzentrierend, wie sie es viele Male bei ihren Schussübungen machte.
Nach und nach gaben ihre Knie nach, ihr Körper sank hinab, konzentriert dachte sie an die prägnanten Details ihres Traumes, die Steine überall am Boden, das Strahlen das von diesem Ort ausging, ein Strahlen das in schwächere Intensität auch von diesem Ort ausging, nicht zu sehen, aber in der Finsternis doch zu spüren. Wie ein Luftzug, der sich umher schlängelnd um den Körper legt, wie Sonnenstrahlen, die umhüllen, die unbeschreibliches Fühlen lassen, Gefühle die das Jetzt, nicht von einem Traum unterscheiden lassen oder denken lassen, dass man träumt, obwohl man wacht.
Sie fand sich unter bunten Baumkronen wieder, träumend oder wachend? Sie wusste es nicht, war vielleicht eingeschlafen, wirkte doch alles so real wie in ihren letzten Nächten. Vorsichtig berührten ihre Finger die Oberfläche des Steines vor ihr, eingeritzte Zeichen, die sie nicht verstand nicht deuten konnte, nicht einmal wusste was sie waren, nur das Wort Runen, gehört von ihrer Freundin vor längerer Zeit, im Kopf. Ihre Augen huschten umher, folgten den Geräuschen, blickten gen Himmel, wo sich der Herbst zeigte, Zugvögel sich auf ihre Reise begaben.
Den Blick schweifend, einer Ratte folgend, die sich Schutzsuchend, raschelnd unter einem Eichenblatt verkroch, als hätte es die Stärke einer Drachenschuppe und würde das zarte Wesen vor Unheil und Gefahr schützen.
Sie nahm ihn beim Wort, das war vielleicht nicht der richtige Weg, nicht das was er mit seinen Worten aussagen wollte, aber sie würde alles versuchen, nur um herausfinden zu können, was es war und wer er war, was mit ihr Geschehen war und wieso.
Tief Luft holend, als wollte sie ein markerschütterndes Erdbeben damit auslösen, hob sich ihre Brust, bevor sie mit aller Kraft und Stärke die sie besaß, zu Schreien begann.
„aaaaaaaaaaaaard esssc ioooooooooooooooooooooooooooooooon aaaaa…“
Blinzelnd nach Luft japsend, schaute sie sich um, folgte der Veränderung, beobachtete die Verwandlung der Umgebung, die sie nicht verstand, sich nicht erklären konnte.
Die Bäume vor ihr schüttelten ihre Blätter ab, der Wald wurde mit einem Male trostlos, hatte sein Blätterkleid abgelegt. Umher fallende Boten des Herbstes wandelten sich in Wassertropfen um, es hatte begonnen zu Regnen. Tropfengeräusche ertönten in der Stille des Waldes, sie wurden größer, der Himmel hatte seine Pforten geöffnet, er glich einem Wasserfall.
Sie hatte die Hände ausgebreitet, als wollte er Antworten, als wolle er ihr etwas sagen, aber sie konnte seine Sprache nicht verstehen, konnte dieses Zeichen, wenn es denn eines war, nicht deuten.
Geändert von Suzuran (30.09.2009 um 14:45 Uhr)
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Schwitzend kam Thimo zum stehen. Anstatt stehen zu bleiben, ging er langsam. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass ihm das besser bekam, als wenn er sofort stehenblieb. Er sog gierig die Luft ein, durch die Nase in seine brennenden Lungen, durch den Mund hinaus. Herbstluft. Nasses Laub, nasse Erde. Der morgendliche Regen hatte die Wälder angefeuchtet, und der Geruch des nassen Waldes, sowie den Pilzen ließ in ihm dieses typische Herbstgefühl aufkommen. Er sehnte sich nach einem Kaminfeuer. Doch erst einmal nach Hause.
Obwohl Dekker es bald aufgegeben hatte, ihn zu trainieren, wohl auch, weil Thimo nicht im mindesten die Anforderungen erfüllte, die der Waldläufer hatte, so hatte er doch das Training nicht ganz aufgegeben. Er hatte angefangen, regelmäßig zu laufen, zunächst nur eine halbe Runde um den See, dann eine ganze. Dann lief er auch durch den Wald, aber nur in ziemlicher Nähe zu Silden, Dekkers Warnung steht's im Hinterkopf. Erst lief er des Trainings willens, inzwischen aber hatte er Spaß daran gewonnen, und er genoß das Gefühl, dass er jedes Mal schneller wurde beziehungsweise weniger erschöpfte. Inzwischen trug er auch kleine Gewichte, aber nur an Sonnigen Tagen, und wenn er in guter Verfassung war. Heute allerdings war er ohne so laufen gegangen, denn das Wetter war nicht sehr einladend.
Nachdem der Läufer sich ein wenig erholt hatte, ging er nach Hause. Dort entzündete er sein Kaminfeuer, und wärmte sich. Und während er dort saß, kam ihm eine Idee. Eine absurde Idee, die eigentlich völlig unmöglich war. Die keine Chance auf Umsetzung hatte. Eigentlich eine jener Ideen, die man sofort in die Schublade "Schwachsinn" wirft. Diese hier war eine davon. Doch der Instrumentenbauer behielt sie. Sicher, es würde schwer werden, und er würde Hilfe brauchen, aber er konnte es schaffen. Eilig stand er von seinem Kamin auf und ging in die Werkstatt, und notierte sich die Idee, machte erste Skizzen. Kein Funken Müdigkeit mehr, nur noch Arbeitseifer. Ein kreatives Feuer hatte ihn gepackt.
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Am Horizont konnte Samarus schon einen kleinen Teil des riesigen Dorfes Silden sehen. Als eine Stadt wollte er Silden nicht bezeichenen, der Grünäugige fand, der Begriff Stadt passte einfach nicht zu Silden. Es war eher ein übergroßes Dorf, mit seinen vielen Hütten und der Mühle direkt am See. Silden war wunderschön. Der See, die kleinen und großen Wälder rund um das Dorf, einfach ein perfekter, um zu leben, zumindest für einen naturverbundenen Menschen wie Samarus.
Er nahm wieder den selben Weg, den er auch genommen hatte, als er aus Faring gekommen war. Obwohl ihm doch ein wenig mulmig zumute war, als er den Wald betrat, in dem ihn beim letzten Mal ein junger Schattenläufer angefallen hatte, war er sich sicher, dass der Kampf diesmal gänzlich anders verlaufen würde. Auch wenn er erst wenig Erfahrung im Stabkampf gesammelt hatte, wusste er sich doch gegen Gegner zu wehren.
Er schlenderte durch den kleinen Wald und genoss den Geruch, die Geräusche und den leichten Wind, der seine Haare zersauste. Ein Schwarm Vögel flog nahe an dem Gesicht des Jungdruiden vorbei und ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Hier fühlte er sich wohl, hier wollte er sich eine Hütte bauen, in die er sich zurückziehen konnte, wenn er es wollte.
Ein Liedchen pfeifend, dass sein Vater ihm früher immer zum Einschlafen vorgesungen hatte, spazierte der Stabkämpfer gemütlich durch den Wald.
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Ein kühler Wind jaulte durch die Lichtung und streichelte ihr über die Haut. Die Schmerzen waren nicht mehr so stark wie anfangs... Etwa ein Gefühl der Gewöhnung? Noch immer zuckte die Frau, welche vor der Quelle lag und schüttelte sich. Noch immer verkrampft und ihren Fieberträumen hilflos ausgeliefert. Im Kampf mit dem zischenden Tode, welcher sich langsam in ihrem Körper ausgebreitet hatte und nun versuchte, ihr auf langsame und schmerzvolle Weise seine kalte Umarmung zu schenken und sie in das Reich von Beliar, dem Gott des Todes zu führen. Doch war die Gespielin des Todes nicht willig. Ihr Körper wehrte sich. Wie auch ihr Geist.
Noch immer stand sie in der Dunkelheit. Immer wieder hatte er sich um sie herumgeschlängelt. Ihr verführerische Dinge ins Ohr geflüstert, wenn sie nur mit ihm käme. All die Schmerzen. Vorbei. All die Versprechungen von einer wohlhabenen Existenz im Reiche der Toten, zu Diensten des "Meisters"... Verlockend. Allen vorran für eine labile Seele wie Vareesa, welche ihm Leben sowieso nie viel Gutes erlebt hatte. Stumm und starr stand sie da. Ihren trüben Bick in die unendliche Schwärze gerichtet. Es war die pure Ausdruckslosigkeit, die ihr im Gesicht stand. Sie könnte all dem ein Ende setzen und von nun an ein ruhiges Leben führen. Doch sprach der schlangenhafte Todesbote die Wahrheit? Waren seine gezischelten Worte nicht genau das, was sie hören wollte? Eine Aussicht auf Besserung? Der Schweiß brach auf ihrer Stirn aus. Ohne einen Moment ihren Blick abzuwenden fiel sie auf die Knie. Ihre Lippen bebten, wie auch ihr ganzer Körper darauf. Sie wollte nicht sterben. Und all die Dinge verpassen, die sich ihr in der Welt der Lebenden noch boten.
"Hör... Hör auf... Hör auf zu lügen... Hör auf mir Dinge zu versprechen, die nicht stimmen..." brachte sie leise hervor. Auch wenn ihre Stimme mit jedem Wort immer fester wurde, so ließ sich nicht verleumden, welche Angst in ihr saß. Und dann hörte sie es wieder. Das Zischen von allen Seiten. Sie spürte, wie sie über ihren Körper krochen. Viele von ihnen, die vorher ruhig waren und nur darauf gewartet hatten, sich über den Fremdkörper bewegen zu dürfen. Immer mehr zitterte die junge Frau, während ihr der Angstschweiß über den gesamten Körper lief. "Bitte... Mach... Dass es aufhört... Ich möchte doch nur..."
Sie konnte nicht weitersprechen. Die Last war so stark, weshalb sie nur Tränen hervorbrachte. Tränen, die mit jedem Aufschlag auf den schwarzen Boden wie ein kleines, silbernes Licht aufhellten und dann wieder abschwächten. Immer heller. Träne für Träne. Und doch konnte sie jede einzelne hören, wie sie sich auf der Oberfläche niederließ und dieses seltsam vertraute Geräusch hinterließ, welches durch die Dunkelheit hallte. War sie nun verloren? Alles vorbei, wofür ihre Mutter gestorben war und wofür sie alles aufgegeben hatte? Verzweifelt beugte sie sich nach vorne. Immer mehr Tränen tröpfelten auf die scheinbar ebenso nasse Oberfläche und tauchten den Punkt den sie trafen immer weiter ein in dieses silbrige Licht. Ein seltsames Gefühl durchfuhr Vareesa. Mehr und mehr verschwanden die Schlangen, die sich vorher noch so wohlig auf ihr breit gemacht hatten von ihrem Körper. Sie wollte nicht so einfach vergehen. Mitten im Wald. Nun, da doch alles erst angefangen hatte.
"Ich will... Leben!"
Ein leises Flüstern aus ihrem Munde, welches die silbrige Pfütze nun hell erstrahlen ließ. Ein Hoffnungsschimmer inmitten der ewigen Dunkelheit. Immer leiser wurde das Zischen. Und immer mehr konnte sie inmitten der Pfütze etwas erkennen. Mondlicht... Und einen riesigen Baum, inmitten einer Quelle. Vielleicht nun... Vielleicht war diese Quelle die Wahrheit, im Gegensatz zu den Worten der Schlange. Tief holte Vareesa Luft... Und, was bisher nicht funktioniert hatte, hatte funktioniert. Sie konnte tief durchatmen, wo ihre Kehle zuvor noch wie zugeschnürrt war. Auch konnte sie leise vor sich hin sprechen. Hatte sie sich nun endlich befreit? Sie blickte in die Pfütze. Es musste der Ausweg sein. Es musste einfach! Ein letzter Blickt über ihre Schulter ließ sie die tanzende Gestalt erkennen. Statt ein groteskes Zerrbild ihrer selbst schien sie die körperliche Form eines Menschen anzunehmen. Jedoch ohne Gesicht, wie auch ohne merkbare Emotionen. Lediglich das Nicken dieses Wesens gab ihr Bestätigung. Ohne weiteres Zögern setzte sie also den rechten Fuß in das kühle, erholsame Nass, welches eigentlich gar nichtmal nass war... Heller wurde das Licht. Immer heller, bis sie schließlich nichts mehr sehen konnte und dann...
"Wach auf, mein Kind... Wach auf Vareesa..."
Diese Stimme... Doch war hier niemand...
Vareesa öffnete blitzartig die die tränenverschmierten Augen, während sie gleichzeitig japste, wie sie noch nie zuvor nach Luft gejapst hatte. Zwei ungewöhnlich große Glühwürmchen erhoben sie von ihren Wangen und flogen über ihr herum. Eiskalte Abendluft füllte ihre Lungen. Ihr Herz pochte. Schweißgebadet blickte sie in den sternenbedeckten Himmel. Als wäre sie von Nordmar bis Varant und zurück gerannt schnappte sie nach Luft. Wo war sie? War dies... Der Quell? Der Ort, an dem sie von der Schlange gebissen wurde? Und welche Stimme sprach dort?
"Sorge dich nicht, Menschenfrau... Sorge dich nicht, Vareesa..."
Benommen richtete sie sich auf. War sie nicht woanders ohnmächtig geworden? Dort, am anderen Seite des Ufers? Aber... Dieses urplötzliche Gefühl der Erkenntnis... Vareesa schaute noch einmal hinauf. Über ihr erstreckte sich die riesige Baumkrone des alten Baumes, der inmitten der Insel stand, welche sich auf der Quelle befand. Ehrfürchtig, vom Abendwinde gefröstelt und noch immer verschwitzt stand sie, wenn auch sehr wackelig auf und schaute an dem Koloss von Naturwunder hinauf. Fantastisch. Ein anderes Wort würde sich hier wohl nicht finden lassen.
"Du tatest Verbotenes, Kind. Kein Mensch darf dieser Quelle Wasser entnehmen. Nur die Tiere. Die Pflanzen. Wir Kinder der Natur. Doch du..."
Plötzlich kroch etwas unter einer Öffnung des Baumes heraus. Schnell und wendig schlängelte sich das Wesen auf sie zu, ehe es sich direkt vor ihr aufbaute. Vareesa staunte, wie groß diese Schlange war. Nicht einmal ganz aufgestellt befand sich das Wesen, welches fast einen größeren Durchmesser als ihr Oberschenkel hatte direkt auf Augenhöhe mit ihr. Sie verächtlich musternd und immer wieder zischelnd.
"Du... Hasssst diessseeen Hain entweiiiiht... Doch du hassssst deine Sssstrafeeee überlebt... Ssssoooo ssssagt esss zumindessst die Mutteeerrr...." zischte das Wesen. Scheinbar nicht sehr erfreut. Eher das Gegenteil. Zornig und hasserfüllt. "Sssssieeee ssssaaaagt, du ssssollsssst erwählt ssssseiiiin zum Dieeeneeen... Alssssooo... Dieeneee der Naturrr... Sssssonsssst wird das Gifffft... Dassss Giffft in deinem Körperrrr dich... Zersssetzeeeen..."
Vareesa schaute, fast schon mit hypnotisiertem, hingezogenen Blick direkt in die Augen der Schlange, ehe diese Stimme sie wieder aus ihrer Trance riss und in ihre Gedanken eindrang.
"Vareesa... Ich bin der Baum der Schlange... Aus mir entstanden die Geschöpfe, die sich lautlos und wachend durch den Wald bewegen. Jeder Zweig, den ich fallen ließ wurde zu einer Schlange... Sie sind meine Wächter. Meine Hüter. Mein Fleisch und Blut. Mein Harz und Holz... Sie sind ich. Und sie verteidigen sich... Mich... Du hast meinen Hain entweiht, indem du trinken wolltest... Und deine Strafe ereilte dich. Doch du hast überlebt... Etwas, das noch kein Sterblicher bei solch einem Vergehen geschafft hatte... Drum erhälst du eine zweite Chance. Eine Chance zu dienen. Deinen Frevel wieder gut zu machen und in Zukunft ein Mitglied der Natur. Unserer Natur zu sein. Doch sei dir gewiss, dass das Gift in deinem Körper von nun an dein ständiger Begleiter sein wird. Enttäusche uns also nicht... Und nun geh... Schreite über die Oberfläche der Quelle zurück dorthin, wo du herkamst... Du wirst nicht ins Wasser fallen..."
Völlig sprachlos und überfordert blickte Vareesa von dem Baum zur Schlange. Die Stimme war verklungen und nur die Schlange drängelte zischelnd auf das Verlassen ihrerseits. Doch so hatte sie noch Fragen... Wie sollte sie dienen? Wie sollte sie am Leben bleiben mit diesem Gift in ihrem Körper? Langsam öffnete sie ihren Mund, doch, was sich für sie wie normale Sprache anhörte war nur ein leises Zischen. Wie das einer Schlange.
"Warum ich? Ich wusste nicht... Ich... Bitte... Schenkt mir Gnade..."
Doch die Schlange schien ihre Worte nicht wilkommen zu heißen. Wütend zischend baute sie sich noch weiter vor ihr auf und wandte sich um sie.
"Duuuu hasssst deine Chaccceeee... Und nun verschwiiiindeee... Mensch..."
Sie hatte keine andere Wahl... Noch immer fröstelnd und völlig verstört ging sie auf die Wasseroberfläche zu. Vorsichtig tastete sie mit einem Fuß, ob sie wirklich darüber gehen konnte, wie der Baum es ihr gesagt hatte. Auch, wenn ihre Gedanken eine völlige Ruine waren... Und, zu ihrer Überraschung... Es klappte... Doch wo sollte sie nun hingehen? Vielleicht zurück nach Silden... Vielleicht kannte sich dort jemand mit den Träumen und ihrer eben erlebten Situation aus... Es musste einfach jemand...
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Der Jäger kam abends oft an diese Stelle am Sildener See. Hier holte er Wasser, wusch sich das Gesicht, ja verdreckte sogar manchmal die Natur mit seinen Exkrementen. Und hier war er ganz allein, zumindest brachten die Augen diese trügerische Sicherheit. Feen musste also, wenn sie ihm ganz allein begegnen wollte, darauf achten, dass die nahezu unsichtbaren Waldläufer nicht gerade einen aufmerksamen Wachgang tätigten. Ihre Freunde aus der Natur, ihre tausend Augen, brachten ihr die Infos und die Sicherheit, denn wenn jemand noch mehr in die Materie der Natur einkehren konnte, als ein Waldläufer, dann war es ein Druide. Und dass man die Natur ehren sollte, dass würde dieser rücksichtslose Jungspund heute bei eigenem Leibe erfahren, so wahr sie hier stehe, versteckt hinter einem Baum und auf den jungen Mann wartend...
Es vergingen nicht viele Augenblicke, da hatte ihr ein Vögelchen gezwitschert, dass besagter Jäger gerade in diese Richtung unterwegs war und sicher gleich kommen würde. Das war für Feen das Zeichen zum Handeln. Aber dieser Schritt erforderte unglaubliche Konzentration, sie war sich im Vornherein nicht sicher, ob sie diese mit der gleichzeitigen Nervosität aufbringen konnte. Aber sie musste es versuchen; das war sie der Natur schuldig.
Sie schloss die Augen und ließ sich von den Wellen der Magie, die aus allen Bäumen und Tieren, jedem Grashalm und jedem Insekt strömten, umgarnen. Vor ihrem inneren Auge erschien das Bild des Wesens, das die letzten Wochen ihre ungeteilite Aufmerksamkeit erfahren hatte und ihr dann so rüde genommen wurde. Notwehr, so etwas lächerliches! Niemals wäre das nötig gewesen, niemals. Eine wunderschöne Seele war von der Welt geschieden, und was blieb, war das Abbild in Feens Kopf und die Form, die der Körper der Magierin allmählich annahm, während sich die Verwandlung vollzog. Ihr Hals wurde wesentlich länger und kräftiger, doch gleichzeitig schrumpfte ihr gesamter Körper ein bisschen. Während sich die Zähne ins Fleisch zurückzogen, sprossen der Magierin am ganzen Körper mit einem Gänsehaut erregendem Pricken Federn.
Goldene Federn.
Ihre Beine wurden lang und dürr, sie konnte eben noch erkennen, wie sich ihre Zehen weiter aufteilten, spreizten und die Nägel hart wie Horn wurden. Ebenso verhärteten sich ihre Lippen; Mund und Nase wuchsen zu einem überdimensionalem Schnabel zusammen und ihre Augen wurden scharf wie die eines Adlers. Ihre Arme verwandelten sich zu flugunfähigen, aber dennoch kräftigen Flügeln und auf ihrem Haupt spross ein langer, purpurroter Federschopf. Sie hatte die Verwandlung lebend überstanden; sie war nun im Herzen der goldene Scavanger. Doch ihre Seele würde die des armen Wesens nie zurück holen können.
Der Jäger näherte sich und Feen zuckte zusammen. So schnell hatte sie doch nicht mit ihm gerechnet, schließlich war sie die Fortbewegung in diesem alten, neuen Körper nicht gewohnt. Aber ihr blieb nichts übrig, so leise wie möglich setzte sie einen Fuß, also eine Klaue vor die andere und schlich sich über den dichten Moosboden hinüber zu dem jungen Waldläufer, der laut im Wasser plätscherte. Mit ihren scharfen Augen erblickte Feen den Bogen des Mannes, der unachtsam weggelegt worden war. Das war ihre Chance. Sie stieß also rasant hervor und stieß den Burschen vorwärts direkt ins kalte Wasser. Thriumphierend bäumte sich der Scavanger über dem Bogen des Mannes auf, während dieser entsetzt Wasser spuckte und sich panisch nach seinen Waffen umschaute.
Bis zu diesem Moment war alles wie nach Plan gelaufen, alles war gut. Doch nun war sie soweit, sich zurückzuverwandeln, immerhin hatte der Kerl einen ordentlichen Schrecken erlebt und würde diesen sicher nicht so schnell vergessen. Nun war es aber so, dass sie in diesem still stehenden Moment keine Bezug zur Magie fand, ihren Körper nicht entkrampfen konnte und sich so nicht zurück verwandelte. Aber was sollte sie tun? Langsam stieg Panik in ihr auf. Sollte sie rennen?
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Eigentlich hatte er sich nur etwas frisch machen wollen und etwas Wasser holen. Mit dem was dann aber geschah hatte Yngvar so ganz und gar nicht gerechnet gehabt.
Wie aus dem Nichts hatte er von hinten einen Stoß bekommen, Tausend Gedanken gingen ihm in diesem Augenblick durch den Kopf aber Wut dominierte deutlich.
Nachdem er sich dann endlich hatte umdrehen können sah er einen goldenen Scavanger. Sofort kam ihm die vergangene Woche in sein Gedächtnis zurück.
Die Wut hatte sich daraufhin aber noch weiter gesteigert. So schnell es nur ging krabbelte er wieder an das Ufer zurück.
Einen kurzen Augenblick hatte er wirklich den Eindruck gehabt, der Aasfresser wüsste nicht was er nun machen sollte.
Der Wächter wusste es aber ganz genau und der Scavanger hatte die Flucht ergriffen. Ein unerwartetes Verhalten, die Biester waren normal äußerst Angriffslustig und gingen sofort auf einen los, wenn man nur in ihre Nähe kam. Hier handelte es sich allerdings um einen Einzigen, vielleicht lag es daran.
Yngvar war es egal, er schnappte sich seinen Bogen und rannte so schnell er konnte hinter dem Biest her.
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Das war nicht gut, gar nicht gut. Bei Adanos, was geschah hier nur?
So schnell sie ihre kräftigen, aber noch etwas ungeschickt wirkenden Beine tragen konnten, rannte Feen durch die Finsternis des Waldes, davon, nur davon. Die Bäume und allerlei Geäst sausten nur so an ihr vorbei, aber das war immerhin ein Vorteil ihres neuen Körpers. Sie war kleiner, konnte sich besser durch das Gebüsch schlagen und Hindernisse dank ihres scharfen Blicks schneller ausmachen. Aber auf all dies würde sie auch liebend gern verzichten, wenn sie doch nur in ihren alten Körper wiederkehren konnte. Doch wie sollte das bei solch einer Panik klappen? Sie musste Abstand gewinnen, Sicherheit.
Ein Surren, dann ein Knallen im Baum keine zwei Fuß neben ihr. Der Pfeil hatte sie nur knapp verfehlt. Ihr Herz pochte ohrenbetäubend in ihrem langen Hals und sie rannte was ihre Beine nur hergaben ohne Ziel, einfach nur fort. Das Gestrüpp wurde inzwischen immer dichter und die Chancen, ordentlich zu zielen, schlechter. Sie konnte nur hoffen, dass dem Kerl bald mal die Puste ausging, er die Spur verlor oder irgendetwas anderes ihn aufhielt. Aber unter ihren eigenen, lauten Schritten konnte sie ihn kaum vernehmen. Also musste sie einmal pausieren, sie war ohnehin völlig außer Atem. Dann hob sie den Kopf, blickte sich um und lauschte.
Nichts.
Er war fort. Und sie allein, mutterseelenallein im stockfinsteren Wald. Aber sie war völlig aus der Puste, wo sollte sie die Kraft einer Rückverwandlung hernehmen? Darum drehten sich ihre letzten Gedanken, doch ihr wurde schon schwarz vor Augen. Anscheinend holte sie die Müdigkeit nun doch ein, das war ein gutes Zeichen, meist ist sie dann wieder in ihrem menschlichen Körper aufgewacht. Leichtsinnig gab sie sich der Müdigkeit hin, ließ sich fallen, begann zu träumen. Sie träumte von einer großen, saftigen Wiese voller Heuschrecken...
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Von dem sanft kitzelndem Morgenlicht und dem Krähen der Hähne in der Ferne geweckt, öffnete Feen leicht blinzelnd die Augen und fand sich überraschender Weise auf einem Bett aus Moos und Nadelstreu wieder. Schlaftrunken hob sie ihren Kopf und versuchte sich zu orientieren. Sie befand sich noch immer im Wald, aber der war bei Weitem nicht so finster und gruselig wie noch am gestrigen Abend. Was war geschehen?
Ihr Mund klapperte, als sie versuchte, sich mit der Zunge über die trockenen Lippen zu fahren. Da erspähte sie mit ihrem verzerrten Sichtbild, die Augen waren schließlich seitlich am Kopf, den großen Schnabel, der ihr noch immer anhaftete. Panisch schreckte sie daraufhin hoch und blickte an sich herab. Flügel, Schwanzfedern, Krallen. Sie hatte sich gar nicht im Schlaf zurück verwandelt; sie befand noch immer in verwandelter Form, sie war noch immer der goldene Scavanger. Aber wie konnte das sein? Sie war doch vollends entspannt und gab sich keine Mühen, den Zauber aufrecht zu erhalten.
Ihr Herz hämmerte wieder in der gefiederten Brust und ihr Magen begann, sich umzudrehen. Ohne den Versuch, es zu verdrücken, schied sie eine kleckerige, weiße Pampe aus. Vogelschiss. So langsam wurde ihr der Zustand zunehmends unangenehm. Sie musste sich schleunigst zurückverwandeln. Also lief Feen ein paar Schritt bis sie am Hain im Sonnenlicht stand und versuchte, sich zu beruhigen. Sie musste doch einfach alle Energien fahren lassen, sich in einen meditativen Zustand versetzen. Langsam setzte sie sich wieder hin und schloss die Augen, versuchte, die gesamte Welt ringsum zu vergessen, doch nichts regte sich. Nur ihr Magen, denn der knurrte wieder. Wahrscheinlich musste sie etwas Essen, denn im Essen steckte schließlich alle Energie; auf einen leeren Magen ließ sich nicht gut zaubern. Das Gras ringsum erschien ihr plötzlich verführerisch lecker, ihre Gedanken wandten sich ab vom Zauber hin zu den Grillen, die im hüfthohen Gras lautstark zirpten. Für einen Moment legte sich ein Gefühl von Abscheu und Ekel wie ein kalter Schauer um sie. Aber dann erkannte sie auch, dass es keine andere Möglichkeit gab, sie musste sich den tierischen Instinkten hingeben, damit sie sich gesättigt wieder zurückverwandeln konnte...
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Wieder galoppierte er auf Bhôr zu, er beugte sich nach links unten, die Keule verlängerte seinen Arm, er führte sie wie ein Schwert. Endlich hob der Waldläufer das diesmalige Ziel: Einen Kürbis.
Er hielt ihn tiefer als sonst, Dekker musste ein Stück weiter nach unten, um das Objekt optimal zu treffen.
Sein Körper spannte sich an, seine Schenkel hielten ihn auf dem Pferderücken, sein Rumpf stützte seinen Körper und sein Arm bereitete sich auf den Aufprall vor.
Krachend bohrte sich die Keule in die orangene Frucht, Saft, Schlieren, Kerne und Fruchtfleisch flogen durch die Luft, als der Kürbis zerbarst.
Bhôr bekam einen ganzen Schwung davon an den Hinterkopf, denn bereits provisorisch hatte er sein Anlitz abgewandt.
Aber schon war es passiert. Dekkers rechtes Bein verlor seine Spannung, ebenso krachend wie der zerberstende Kürbis landete Dekker nun auf dem grasigen Boden und rollte sich ab.
'Verdammt...', fluchte der Jäger, als er aufstand und die Keule wieder aufnahm.
'Wo war der Fehler?', hakte Bhôr ein, ohne sich um die Kürbissprenkler zu kümmern, die ihn überzogen.
'Keine Ahnung, sonst hätte ich ihn nicht gemacht.'
'Seit wir die Übungen mit Waffe machen, passiert es dir andauernd! Du kommst zu weit nach hinten im Schlag, du kommst in Rücklage, dein Rumpf überstreckt sich, weil dein Arm nicht mitkommt, sondern beim Objekt zurückbleibt, und wenn sich alles an deinem Körper überstreckt, dann verlierst du die Spannung in den Beinen und fällst!'
'Tja, und was kann ich dagegen tun?'
'Du machst es bislang so, du streckst deinen Arm samt Waffe aus und zielst auf das Objekt, triffst es und hältst die Spannung, aber du musst gleichzeitig schlagen! Es ist nicht ein durchziehen deines Schwertes, sondern immer noch ein Schlag!
Dein Treffpunkt ist oft auch viel zu weit hinten!
Du hast das Schwert hinten, als würdest du ausholen, aber schlägst dann nicht zu, sondern ziehst es einfach durch!
Du musst ausholen und dann mit aller Kraft nach vorne schwingen, dass du das Objekt ein wenig vor deinem Körper triffst! Und dann mit aller Kraft das Schwert nach vorne holen, dass du nicht stürzt!
Los, jetzt setzt dich wieder aufs Pferd, du musst trainieren, aber ich hab nicht mehr allzu viele Kürbisse, ab jetzt gibt es Sturzverbot für dich!'
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