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    Mythos Avatar von Gothic Girlie
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    Die dunkle Rüstung

    Gero stand im knietiefen Wasser und versuchte zu erkunden, wo es abfloss. So hatte er sich von den Wasserfällen fort zu einer der Felswände bewegt. Sie war mit einem moosartigen Bewuchs bedeckt und kleine Krebse liefen über seine Hand, als er sich dort abstützte, um nach dem Ablauf zu tasten. Die Strömung war nicht stark. Wahrscheinlich gab es nicht nur ein Loch im Boden, worin das Wasser verschwand. Die Luft roch nach der See, nicht mehr nach der Kachla-Königin.
    Er kniete sich nieder, um dem kalten Wasser mit der Hand ein Stück in eine viereckige Öffnung zu folgen, die er gefunden hatte. Das fühlte sich fast wie eine Tür an - nur, dass sie halb von Sand gefüllt und ganz unter Wasser gesunken war. Doch war das eigentliche Hindernis nur mauerdick. Es war wahrscheinlich möglich, auf die andere Seite zu tauchen.

    Er zog den Arm zurück, und versuchte, sich zu überwinden. Was ihn wohl auf der anderen Seite erwartete? Nur Wasser? Kachla? Ein weiteres Verlies ohne Ausgang? Der Tod? Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt vor einer Aufgabe so gezögert hatte. Gestand sich ein, dass er Angst hatte, zähe, verzweifelte Angst vor der feuchten Enge, Angst, nicht genug Atemluft jenseits des Bekannten zu finden, Angst vor dem Sterben in dieser Einsamkeit.
    Er machte sich klar, dass nichts besser wurde durch sein Warten. Die Kälte zehrte an seiner Kraft und ebenso an seiner inneren Stärke.

    Er sortierte seine Rüstung und Kleidung neu. Schwimmen musste er nicht, es reichte wahrscheinlich, kurz unterzutauchen und auf der anderen Seite wieder aufzustehen. Wichtiger war, dass er nicht hängen blieb - und dort gleich kampfbereit war. Er bereitete seinen Körper mit tiefen, ruhigen Atemzügen vor. Das erste Mal seit lange Zeit dachte er an den Segenswunsch der Innosmagier: "Licht auf Deinem Weg".
    "Licht auf meinem Weg." murmelte er, und ließ sich in das kalte Wasser sinken, bis es über seinem Kopf zusammenschlug und ihm vom Nacken den Rücken entlang unter den ledernen Waffenrock strömte.

    - - -

    Jaru war am Ende des schmalen Schachtes angekommen und ließ sich durch eine Öffnung in einen größeren Gang hinab. Sein Glimmzauber zeigte ihm viereckige, behauene Gangecken und eine glitschige, feuchte Treppe. Dort war ihm unbekanntes fleischiges braunes Kraut gewachsen und niemand hatte es gestört. Diese Treppe war seit sehr langer Zeit kein Mensch mehr gegangen. Als er sie hinabschritt, knackten unter seinen Füßen bei jedem Schritt kleine Muscheln und Krebse. Er hinterließ eine Spur des Todes. Der Schamane in ihm erschauderte. Er zog ein Stück Braten aus einer seiner Taschen und legte es auf einen Sims, auf dem eine seltsame Pflanze wuchs. Die Pflanze neigte einen Stengel mit einer bleichen Blüte und nahm das Fleisch wie ein Hund einen Knochen. Jaru hob eine Hand und murmelte einen beschwörenden Segen.
    Dann registrierte er, dass ihn hier niemand sehen konnte, und schüttelte von der Orkmagie ab, was seine Tatkraft lähmte. Er horchte und zog die feuchte Luft ein. Am Fuß der Treppe entschied er sich für den rechten zweier Gänge. In ihm war das fette braune Kraut zu schaumigem Schleim zertreten. Jaru sah eine Fackelhalterung. Die Fackel war nur halb abgebrannt und rauchte noch. Das Brausen der Brandung wurde lauter.

    - - -

    Als Gero auftauchte, erschienen ihm die Geräusche, die er dabei machte, sehr laut. Er befand sich in einem großen quadratischen Saal. Wasser floss von seiner Rüstung und plätscherte in den kleinen Kanal, durch den das Wasser entlang einer der Wände abfloss. Das Geräusch hallte durch den Raum wie das Klingeln eines Glöckleins. Ein bleiches blaues Licht kam aus Wandnischen, die alle paar Schritte wie Muscheln das düstere Gemäuer durchbrachen. Dort wuchs etwas: Bleiche Blüten neigten sich ihm zu, als sei er die Sonne oder ein Gott.
    Er sog die kalte Luft tief ein. Wie hatte er befürchten können, es gäbe auf dieser Seite nicht genug Luft? Stünde in diesem Raum das Wasser höher, hätte er auch in der Höhle, aus der er kam, nicht mehr im Wasser gehen können. Er strengte die Augen an, das Dämmerlicht im Saal ganz zu durchdringen. An der gegenüberliegenden Seite standen steinerne Särge, dort brannten sogar Fackeln.
    Er blieb regungslos stehen und beruhigte sein Herz, das raste, als befände er sich in unmittelbarer, tödlicher Gefahr.

    Und dann sah er, dass es so war. Eine Reihe Skelette, Wächter der Sarkophage, hatte sein Eindringen bemerkt. Sie kamen auf ihn zu, eine wirbelnde Wand aus bleichen Knochen und rostendem Eisen. Gero brüllte und zog sein Schwert. In den feuchten Hallen, in denen lange Zeit das Gluckern des Stroms im Kanal und einzelne fallende Tropfen das lauteste gewesen war, das die Ewigkeit für die Toten bereithielt, erklang sein Gebrüll wie ein Signal zum Tanz. Er lief zur Seite, damit die Knochenmänner nicht alle gleichzeitig auf ihn träfen und köpfte die ersten zwei, als seinen sie Mohnblumen auf dem Feld.
    Knochen spritzten zur Seite und die Schädel klapperten, als sie fort rollten. Gero lief hinter die Reihe der verblichenen Krieger und holte wieder aus. Er schrie und rannte, er schlug um sich und verteilte Knochensplitter um sich herum wie Saatgetreide, er brüllte und trat um sich, sprang über Särge und kickte Schädel an die Decke, schlug mit er eisern bewehrten Faust in leere Augenhöhlen und sah aus dem Augenwinkel, was die bleichen Blüten mit den Knochen taten, die in ihrer Nähe nieder regneten...
    Und plötzlich begann der Rubin von Inngolf zu glühen. Mit einem Mal war das Licht in der kalten Halle nicht mehr bleich oder das dunkle Glühen schlechter Fackeldochte. Der edle Stein erstrahlte in einem hellen roten Licht und Gero erschien es, als seien vor ihm die fahlen Gebeine schon durchsichtig, bevor er sie durchschlug. Ohne es zu merken, stimmte Gero ein altes Lied über die Sonne an, und sein Atem wurde ruhig und die letzten Skelette fielen fast ordentlich in Reihe und Glied zu seinen Füßen. Gero war beinahe enttäuscht, als es zu Ende war.
    Der Rubin verglühte wie Abendrot und Gero senkte sein Schwert. In einem steinernen Tor, das plötzlich nach zwei Seiten aufschwang, stand Jaru, eine Faust glühend, das Gesicht entschlossen.
    "Du kommst zu spät." grinste Gero. Das Herz wurde ihm weit, als er Jaru stehen sah.

    Jaru zögerte, sah die Menge an Knochen auf dem schmutzigen Boden.
    "Das waren verdammt viele..." seine Stimme klang rau, und er sah Gero nicht an.

    - - -

    Sie plünderten die steinernen Särge. Gero fand in dem größten eine fremdartige Rüstung aus demselben mattgrauen Metall, wie der Helm, den er von Etharia empfangen hatte. Außerdem einige Ringe mit großen Edelsteinen, von denen Jaru wusste, dass sie magisch waren, Schriftstücke, einige sehr schön verzierte Dolche und ein kleines goldenes Schiff.

    Gero gab Jaru die Runen, die er bei Nerols Knochen gefunden hatte, und fragte ihn um Rat bei der Phiole. Jaru roch daran, ließ einen Tropfen auf einen der Knochen fallen, und es erhob sich eine kleine, übel riechende Rauchfahne.
    "Das war wahrscheinlich der Grund, warum uns Nerol nicht als Lebender gegenüber getreten ist." meinte Jaru. "Am besten, du lässt das hier. Es sei denn, Du willst ein ganzes Dorf vernichten."
    "Könnte es eine magische Bewandtnis mit diesem Trank haben?" wollte Gero wissen.
    "Sicher keine gute. Gero, je mehr ich über Magie lerne, desto sicherer werde ich darin, bestimmte ihrer Errungenschaften zurück zu weisen."
    "Ist das weise, im Krieg?"
    "Es ist weise zu allen Zeiten, Dingen, die das Böse in sich tragen, keine Macht einzuräumen."
    "Kannst Du das Böse immer erkennen?"
    "Ich erkenne es in diesem Trank."
    "Was ist mit der Kachla-Königin? Vielleicht können wir sie damit besiegen?"
    "Willst Du gegen eine untote Kachla-Königin kämpfen? Lass das hier, Gero."
    Gero zögerte. Er war noch voll der Euphorie des Kampfes, der reinen Lust an dem glühenden Rubin in seiner Waffe und an seinem Sieg.

    "Ich kann die Phiole später immer noch wegwerfen." beschloss Gero schließlich und packte sie wieder in Palissas Karte.

    - - -

    Sie gingen den zweiten Gang weiter, den linken, den mit dickem braunem Kraut bewachsenen, glitschigen, der so voll dem fremden Leben war, über das sie sich hinweg setzten. Gero hätte Jaru gern zu dem glühenden Rubin befragt, aber ihm fehlten die Worte, seine Gefühle zu beschreiben und er befürchtete, dass sein Bericht wie Angabe klingen könnte.

    Sie fanden vermoderte Zellen voller halb und ganz verwester Leichen und zuletzt, in einer der hintersten, fanden sie den Feuermagier Martos.

    Gothic Girlie
    Geändert von Gothic Girlie (01.11.2011 um 14:17 Uhr)

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    Die Königin

    Er hatte sich geweigert, mit den anderen Feuermagiern an Bord der Schiffe zu gehen. "Wir hörten, dass Faid einen der hiesigen Paladine überwältigt habe und ich fürchtete, sie könnten Dich gefangen haben." Martos erhob sich von der verrotteten Pritsche und bewegte seine Schultern. "Seit Du mit mir gesprochen hattest, kamen mir Zweifel, und ich versuchte, die anderen davon abzubringen, mit Tizgar und Milten zu kooperieren. Aber letzten Endes wählten die meisten Brüder den einfachen, ungefährlichen Weg. Nur ich blieb zurück, und Cortez. Aber Cortez... nun, Ihr werdet sehen, wenn wir ihn finden."
    "Wo ist er?" fragte Gero. "Unwahrscheinlich, dass der Weg der anderen einfach und ungefährlich ist. Wieso haben sie Euch getrennt?"
    "Die letzten, die ich sah, waren Milten und Lester. Lester wirkte einen Schlaf-Zauber auf mich. Als ich wieder erwachte, war ich nicht mehr gefesselt, sie hatten mir sogar Spruchrollen da gelassen. Doch ich beging einen Fehler, und stürzte in diese tiefere Ebene ab. Cortez ist weiter oben, wo die normalen Zellen sind."
    "Was ist dann das hier?"
    "Siehst Du das Loch in der Decke? Dort bin ich hindurch gefallen. Dieses ganze untere Stockwerk - ich denke, es war ihnen völlig unbekannt. Obwohl sie es gesucht haben. Sie waren überzeugt davon, dass es in dieser Feste ein Geheimnis zu entdecken gibt. Tizgar fragte nach einer Gruft, und ein anderes Mal wollte er wissen, woher die Kachla gekommen sind."

    Sie erzählten ihm kurz von der Kachla-Königin, und dass der Weg durch den Verließ-Turm nicht mehr begehbar war.
    "Wenn dieses Stockwerk genauso aufgebaut ist, wie das darüber, dann müsste dort hinten eine Wendeltreppe sein. Ich konnte nicht dorthin gelangen, weil die abgestürzten Deckenbalken die Zellentür blockiert haben. Ohne Euch wäre ich verhungert."
    Gero wunderte sich etwas, warum Martos nicht die Bretter aus der Pritsche verwendet hatte, um über die Gitter in eine andere Zelle zu klettern, deren Tür offen stand. Nicht zum ersten Mal erschienen ihm die Feuermagier seltsam initiativlos und... wie ausgebrannt. Jaru fragte sich, wie das Versagen ihrer Kampfrunen die Innosmagier so hilflos zurücklassen konnte. Weder Marlan noch Pangarius oder Grompel waren hilflos geworden nach der bedeutsamen Wandlung.

    Im oberen Stockwerk stießen sie auf ein paar der kämpfenden Skelette und auf den erwähnten Cortez. "Bemannt die Bastionen, fahrt auf die Glaubenslosen herab wie das Richtschwert auf den Hals der Verbrecher!" röhrte ihnen eine heisere Stimme entgegen, als sie noch gegen einen der Skelettkrieger kämpften. "Die Flotte zum Horizont, trotzt den Stürmen, die Welt gehört den Entschlossenen!" brüllte Cortez Jaru an, als der seine Fesseln öffnete. Er war ein hagerer, wirrhaariger Greis, der nach Weingeist roch wie ein ganzes Alchemielabor.
    Gero bemerkte, dass Jaru denselben eleganten Öffnungszauber beherrschte, wie Milten. Er bedauerte, zu einer Zeit Paladin geworden zu sein, als ihre eigene Magie besiegt und jede andere Magie verpönt war bei seiner Truppe.
    Cortez fiel ihm um den Hals, als er eigentlich aus der Zelle an ihm vorbei gehen sollte. Aber Cortez schwankte und hakte einen seiner harten dürren Arme um Geros Schulterstück. Er fühlte gleichzeitig eine leichte Bewegung an der Hüfte, und als er nach einem seiner Beutel griff, war er fort.
    Gero packte Cortez an der Kehle, drückte ihn gegen die Wand und holte sich sein Eigentum zurück. "Kümmer' Dich um ihn." wies er Martos unfreundlich an. Das fehlte gerade noch, dass ihn diese berauschte Wurst beraubte! "Lass uns von hier verschwinden, bevor mir Stacheln wachsen." murmelte Gero zu Jaru. "Von hier aus finden wir sicher einen zweiten Ausgang."

    - - -

    Die Suche nach einem zweiten Ausgang gestaltete sich jedoch langwierig und schwierig. Eine Luke, durch die Martos und Cortez in einem eisernen Korb in den Kerker hinab gelassen worden waren, prangte verschlossen hoch über ihren Köpfen. Jaru sah keine Möglichkeit, wo er nach dem Kletterzauber kurz hätte innehalten können, um die Luke zu öffnen. Von unten war die Distanz zu weit.
    Sie durchkämmten das obere Geschoss und das untere, in dem sie Martos gefunden hatten, doch auch mit Jarus Zauber zum Sichtbarmachen verborgener Schlösser, fanden sie nichts als stinkende Zellen voller Gerümpel und Toter. Cortez heulte auf, als er in einer der Zellen eine Weinflasche sah, und später trank er Zeug, gierig, verzweifelt, dass ihm der alte bräunliche Wein das Kinn hinunterlief. Jaru bot ihm ein Stück Brot dazu an, und erstaunlicherweise war es diese Geste, die ihm die unverrückbare Zuneigung des sonderbaren Alten einbrachte. Gero senkte den Kopf und klopfte zum wiederholten Mal an einer hölzernen Wand herum, hinter der er einen Geheimgang vermutete.

    Jaru gab nicht auf. "Wir müssen noch weiter runter. Dort unten war Brandung zu hören. Im schlimmsten Fall bleibt uns, zu schwimmen."
    Martos riss die Augen auf und verschluckte sich fast an seiner eigenen Spucke. Cortez brüllte: "Die Segel im Sturm hoch, auf dem Kamm an den Feind ran!"
    "Bist Du zur See gefahren?" fragte ihn Gero.
    "Was willst Du denn, Blecheimer?" blaffte Cortez zurück.

    Sie durchkämmten noch einmal die unbeleuchteten, feuchten Gänge, gingen in die Gruft zurück, in der Gero gegen die Skelette gekämpft hatte. Martos blickte um sich wie ein erschrockenes Kind. "Blitz und Hagel!" knurrte Cortez und warf seine leere Flasche zwischen den Sarkophagen an die Wand.
    Sie musste auf sie gewartet haben. Gero vermutete später, dass sie aus einer anderen Öffnung unter Wasser gekrochen war, als er. Trotzdem blieb unbegreiflich, wie sie ihre riesige, von glashartem Panzer geschützte Masse in den schmalen Kanal gezwängt haben konnte. Oder hatte schon beim Durchschreiten des Portals der vier Männer an der fernen Wand ihre reglose Form verharrt?
    Als Cortez' Flasche zerstob, schien es, als sei auch ihre Geduld zerbrochen. Die Kachla-Königin raste auf sie zu, und in ihren vielen, zu einem Ring angeordneten Unterkörpern begann sich eine tödliche Glut aufzustauen.
    Erstaunlicherweise war es Cortez, der sich als erster fing. Er schleuderte einen Feuerball auf die riesige Meeresspinne, der einen ganzen Körperknoten von ihr rußig verbrannt und dunkel abgestorben zurückließ. Sie sprang in die Luft, um sich auf ihn zu werfen.

    Doch nun waren Jaru und Gero aus ihrer Erstarrung erwacht. Jaru schickte wieder einen seinen Sumpfkrieger los, und ihr erster gleißender Feuerstrahl führte zu nichts, als zu einem grünlichen und übel riechendem Bodennebel. Gero sprang vor, und hackte eines ihrer Scheren-bewehrten Beine ab. Als sie weiter in Cortez' Richtung rannte, schleuderte er sein Jagdmesser in eins ihrer großen, aus Facetten bestehenden Insektenaugen. Cortez sprang irre kichernd auf einen der steinernen Särge, und schoss einen weiteren Feuerball auf sie. Da erwachte auch Martos aus seiner Starre. Er zog ein kleines Blasrohr aus dem Kuttenärmel, doch sein kaum zu sehendes Geschoss bewirkte, dass sich auf der glatten Oberfläche der Kachla eine trübe Beule hob und mit schweflig riechender Rauchfahne zerplatzte. Blassblauer Schleim troff auf den Boden voller Knochen.

    Gero, der sich an die unendlichen Mühen erinnerte, mit der er gegen jede einzelne seiner kleineren "Keshak" gekämpft hatte, machte es Freude zu sehen, wie das riesige Monster eine ganze Weile keinen seiner vier Kampfgefährten verletzen konnte. Als wären sie schon seit vielen Jahren aufeinander eingespielt, griffen sie immer dort an, wo die Aufmerksamkeit des riesigen Spinnentiers erlahmte. Jaru warf Cortiz Manatränke zu, und der Alte fing sie, als habe noch kein Tropfen Alkohol je seine Lippen passiert. Umgekehrt hatte Gero noch nie vorher einen ganzen Trank so schnell in einer Person verschwinden sehen.
    "Wo hat der Alte das gelernt?" fragte sich Martos neidisch. "Das hat er doch monatelang vor uns geheimgehalten!"
    "Gar nicht dumm, Kleiner." schrie Cortez. "Alchemie, hols der Geierhai. Das Zeug taugt zum Kämpfen wie zum Saufen."
    Gero warf sich nach vorne und hackte ein weiteres Bein ab. Als ein Sarg zwischen ihm und der Kachla stand, verpasste er ihr ein paar Pfeile, die aus dieser Distanz durch sie hindurch gingen wie durch Eier. Jaru warf einen weißlichen Trank auf die verwundete Stelle, der sich selbst entzündete. Die Kachla-Königin begann schwarz rauchend zu brennen, und ihre Bewegungen wurden abgehackt.
    Üblerweise wurde sie dadurch völlig unberechenbar. Zuerst erwischte sie Gero, der ihr immer am nächsten kam, wenn er ihr einen Streich verpasste. Er hörte ein furchtbares Kreischen, dann spürte einen kräftigen Schlag vor die Brust, der ihn weit über die Bodenquader an die Wand warf. Ein brennender Schmerz blühte auf seiner Brust auf, da sah er, dass die Kachla mit einem Treffer ihrer peitschenden Scheren Rüstung und Gambeson aufgerissen und ihm einen tiefen Schnitt über Brust und Bauch zugefügt hatte. Er richtete sich auf, doch seine Beine fühlten sich an wie Grütze. Ihm wurde kalt, und um ein Haar hätte er das Schwert verloren. Ein zweiter Treffer fegte ihn wieder von den Füßen und schleuderte ihn an die Kante eines der Särge. Diesmal schrie er verzweifelt auf. Der gesprungene Stahlrand der Rüstung bog sich um und drang ihm weit ins Fleisch. Der Hohlraum der Platte war nun viel zu eng und ließ ihn kaum noch atmen. Er hörte Jaru brüllen und sah, wie er sich auf die Orkaxt stürzte, die Gero verloren hatte. Dann traf die ringförmige Krebskönigin ein drittes Mal, und Gero versank in den eisigen Fluten des Kanals. "Ich muss rauskriegen, wo oben und unten ist." war sein letzter klarer Gedanke. Er hatte völlig die Orientierung verloren. Später konzentrierte er sich nur noch darauf, die Luft anzuhalten, doch er fühlte sich, als läge er auf Watte, und als ob es auf seinen Atem garnicht mehr ankäme.

    Als Jaru Gero fallen sah, vergaß er alle Taktik und Klugheit. Er war wieder nackt im Wald, vor ihm der Schattenläufer und in seiner Hand nichts als ein Feuersteinmesser. Er packte die Orkaxt, und griff die Kachla-Älteste an, bis ihre Bewegungen hilflos wurden und ihr blauer Schleim sich über ihn legte wie Regen. Von der anderen Seite kamen Feuerbälle heran. Die Kachla stank und kochte innerlich. Hieb um Hieb teilte Jaru aus, und ihr Panzer brach, ihre Augen trübten ein, ihr Feuer floss innen zwischen ihre Krallen und kam nicht mehr bis zu ihren Feinden. Martos neben ihm schmetterte nun mit bloßer Hand die vergifteten Pfeile in ihr offen liegendes Fleisch, bis sie auch ihn erwischte und zwischen die bleichen Blüten schleuderte.

    Und dann war es vorbei. Sie brach zu einem Berg aus Panzerplatten, Schaum und verschmortem Gewebe zusammen, und Blasen platzen vor ihm auf und verteilten winzige Kachlas über den Steinboden und die Särge. Er überließ es den beiden Magiern, so viele, wie sie konnten, zu erschlagen und warf sich in den Kanal, wo Gero mit dem Gesicht nach unten trieb. Mit einem einzigen Schwung hob er ihn heraus und beugte sich über ihn.

    Gero hustete. Er blutete stark, und die Wunde sah aus, als habe sie ihm von oben bis unten den Bauch aufgeschlitzt. Doch dann fing sich Jaru, und schloss die Wunde mit dem Orkzauber. Sie war nicht tief. Leider konnte er die verbogene Rüstung nicht lösen. Der von den Paladinen geschmiedete Stahl widersetzte sich seiner Magie.
    Gero lehnte an einem der Särge und kämpfte gegen Schmerz und Übelkeit. Er bekam immer noch nicht richtig Luft. Jeru hatte ihm noch einen Heiltrank in die Hand gedrückt, dann hatte er den Magiern geholfen, die Kachla-Jungen zu jagen. Doch längst waren die meisten im Kanal und in Gesteinsspalten und Mauerritzen verschwunden.
    Gero erinnerte sich an den Heilzauber, daran, wie er fühlte, dass Jarus Hände flogen. Diese verdammte Kachla-Königin hätte sie beinahe alle erwischt. Er versuchte, aufzustehen. Verflixt, das verdammte Blech in seinem Brustkorb verhinderte, dass er sich richtig aufrichten konnte. Martos bemerkte seinen Kampf und half ihm hoch. Geros Knie zitterten. Er hustete. Martos brachte ihm sein Schwert und den Bogen, den er verloren hatte.

    Jaru und Cortez waren inzwischen daran gegangen, die Kachla-Königin auszunehmen. "Er hofft wahrscheinlich auf eine Rum-Buddel." dachte Gero. Doch der alte Feuermagier war in seiner Achtung gestiegen. Jedes seiner riesigen Geschosse hatte am richtigen Ort getroffen. "Der erste Feuermagier, den ich treffe, der Marlan im Kampf ebenbürtig sein könnte." dachte er.

    Als sie später aufbrachen, musste Jaru ihn stützen. Er bekam einfach nicht genug Luft. Dafür fanden sie in einem der Mägen der Kachla einen Schlüssel und standen kurze Zeit später erschöpft aber glücklich auf einem kleinen Kiesstrand zu Füßen der Nordfeste. Jaru signalisierte zur "Alca" in bester Küstenwachen-Manier.

    Gothic Girlie
    Geändert von Gothic Girlie (18.01.2012 um 22:51 Uhr)

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    Vor der Überfahrt

    Jörg, der Schmied der Alca, hatte sich in der Schmiede der Jägersiedlung breit gemacht. Seine Werkzeuge ausgebreitet auf dem dicken hölzernen Tisch mit den tiefen Kerben, stand er selbst am Amboss, und die speckige Lederschürze schlug Falten an den Seiten seines Bauches. Er leitete einen Jungen aus Cor-dal-Pesch an, der einen Blasebalg trat.
    Dort hatten sich eine Menge Männer versammelt, Paladine von den Schiffen, Kämpfer aus Cor-dal-Pesch, ein paar Jäger, die plötzlich wieder aus den Wäldern auftauchten wie Hirsche am Waldrand.
    Die Schmiede war hier, wo es keine Kneipe und keine Frauen mehr gab, ein natürlicher Treffpunkt.
    Dorthin brachten sie Gero, der immer noch kaum gehen und stehen konnte.


    "Die Rüstung ist hin." Jörg untersuchte Geros stählerne Hülle, während Gero sich am Türsturz der Schmiede festhalten musste. Geros Gesicht war rot vor Anstrengung, und je länger er nur so wenig atmen konnte, desto schwindliger wurde ihm.
    "Fang endlich an." presste Gero hervor. "Oder denkst Du, ich steh hier aus Spaß so krumm."
    "Das wird weh tun."
    "Hau weg den Schrott."
    Jörg zögerte, ließ die Hand über die verschiedenen Hämmer auf dem Arbeitstisch gleiten, suchte dann im Stapel vor der Tür ein Holzscheit in der richtigen Länge. Mit einem Ruck schob er Gero gegen den Türrahmen, presste seine Schulter gegen Geros, zog die gegenüberliegende Rüstungsplatte von ihm fort und zwängte das Scheit neben Geros Seite als Abstandhalter zwischen die Rüstungsteile. Das Scheit trieb den elastischen Stahl auseinander. Gero konnte mit einem Mal um ein weniges tiefer atmen.
    "Für den Rest muss die Esse heißer werden. Willst Du Dich setzen?"
    Gero schüttelte den Kopf. Es ging schon besser so.

    Natürlich konnte Jörg nicht die Rüstung an Geros Körper in die Glut halten. Ihm war etwas anderes eingefallen. Er erhitzte eine plattgeklopfte Stange bis sie rot glühte, legte sie an die Rüstungsplatte, bis diese bräunlich glomm. Dann schlug er wenige Male mit einem Meißel auf Punkte entlang einer Linie. Das Scheit verhinderte, dass die Rüstungsplatten sich dabei zubogen. Danach presste er Eis an diese Punkte, dass es laut zischte und das Schmelzwasser eine Pfütze um Geros Füße bildete. Diese Prozedur wiederholte er viele Male.
    "Woher sie hier Eis aufgetrieben haben?" wunderte sich Gero. Das Gambeson wurde wieder feucht, schützte ihn aber vor der Glut.
    Die Männer umstanden den Schmied und kommentierten Geros Befreiung.

    Sie fragten Gero nach den Katakomben unter der Feste und den Untoten. Als sie von der Kachla-Königin hörten, veränderten sich die Sprüche, es ging um die Hitze der ersten Nacht. Gero war froh um die Ablenkung, auch wenn seine Antworten angesichts seiner Atemlosigkeit einsilbig ausfielen und ihm das Lachen mehr Schmerzen bereitete als alles andere. Cortez hatte ihm Schnaps gebracht, und Gero trank, ohne dass es den Schmerz wirklich linderte. Es war mehr so, dass ihm sein Zustand egal wurde.

    Irgendwann tauchte Tasso auf, was dazu führte, dass sich ein Teil der Männer verdrückte. Ab diesem Zeitpunkt bekam das zusammenhanglose Geplänkel einen größeren Ernst und eine Richtung. Er untersuchte die Rüstung, die Gero gefunden und die Jörg auf einer der Arbeitsflächen ausgelegt hatte, wollte genau erfahren, was es für Kellerebenen und Ausgänge der Feste gab und Gero bemerkte, dass er sich auch dafür interessierte, welchen Beitrag Jaru und die beiden Feuermagier bei der Befreiung der Feste und dem Kampf gegen die Kachla-Königin geleistete hatten.
    Hin und wieder machte er eine freundliche Bemerkung und goss Gero Schnaps nach.
    Gero verwechselte seine Leutseligkeit nicht mit einem Gespräch unter Freunden. "Wo ist Jaru?" dachte er. Das Sprechen fiel ihm aufgrund der Schmerzen und des Schnapses immer schwerer. "Die füllen mich hier ab, verfluchter Krabbendreck, und hinterher ist dann alles klar für Tasso, nur, dass ich im richtigen Moment nicht mehr denken konnte."

    Plötzlich gab es bei Jörgs klingenden Hammerschlägen ein lautes Krachen, und die Reste der Rüstung fielen in zwei Scherben zu Geros Füßen. Gero stöhnte, richtete sich auf, streckte sich und füllte seine Lungen endlich wieder voller Luft. Verdammt, tat das gut, den Schmerz und die gezwungene Haltung loszulassen. Er verlor das Gleichgewicht, um ein Haar wäre er Tasso um den Hals gefallen, wie ihm in der Feste Cortez.
    Mit dem Wegfallen des Drucks auf seiner Brust kam die Wirkung des Alkohols plötzlich bei Gero an wie ein Brecher. "Einz...ssischa. Ohn'ne Jaru... wärch da unndn verreggd." brummte er und sank auf den Holzstoss neben der Schmiede.
    Tasso sah auf ihn herunter, auf das blutige, zerfetzte Gambeson, die frisch verheilte Haut daneben, die dunkelpurpurne Verfärbung, wo ihn die Rüstung eingeklemmt hatte, die Brandblasen an Geros Händen und den blauen Schleim, der ihn immer noch bedeckte, wo das Eiswasser ihn nicht fortgespült hatte.
    "Lass ihn auf die "Alca" bringen. Pass ihm die neue Rüstung an. Wenn Du hier fertig bist, stechen wir in See." befahl Tasso dem Schmied.

    - - -

    Tasso stellte die Nordfeste unter das Kommando von Jeanbert und gab ihm fünf weitere seiner Männer, Martos und Cortez blieben ebenfalls zurück. Er hatte erst erwogen, die Magier mitzunehmen, doch während er sie nach dem Kampf gegen die Kachla befragte, brüllte Cortez etwas von den Gottlosen und aktivierte plötzlich einen seiner riesigen Feuerbälle. Martos trat schnell einen halben Schritt hinter seinen Magier-Bruder, die anwesenden Paladine sprangen in Deckung, nur Jaru hatte sich keine Haaresbreite bewegt.
    Tasso ließ die Szene einen Moment auf sich wirken, dann bat er die Magier, seine wenigen Männer in der Nordfeste zu unterstützen.
    Seine Augen ruhten auf Jaru, der in entspannter Haltung vor ihm stand und mit einem der alten Dolche einen Apfel zerteilte. Weiß war seine Robe nun nicht mehr, aber er hatte sich rasiert, und auch seine Augen und Haut strahlten Frische aus, obwohl er genau wie Gero und die beiden Magier keinen Schlaf gefunden hatte. Am Gürtel trug er Nerols Helm mit dem Mäanderband der Nordfeste und Geros Ork-Axt, und an seiner Hand blitzte in einem der magischen Ringe ein prächtiger, orange-farbener Stein.
    "Ich brauche einen fähigen Magier auf meinem Schiff. Einer meiner Männer, Gero, hat Dich empfohlen."
    "Solange wir nicht gegen Orks kämpfen, werde ich Wissen und Kraft für Euch einsetzen."
    "Ich hörte, Du bist auch gut im Heilen..."
    Jaru wartete nur, den Blick auf Tasso gerichtet.
    "Hier hast Du Gold. Kauf bei den Jägern oder Zandur aus Cor-dal-Pesch, was Du für nötig hältst. Ein Alchemielabor haben wir an Bord. Wir laufen in Kürze aus. Begleite mich zu einem Treffen mit den Orkkapitänen."

    - - -

    Im Wasserfort vor Grauben wurden sie erwartet. "Die Brieftauben!" dachte Gero. Er stand seine erste Wache an Bord.
    Neugierig beobachtete er, wie sich zwei Feuer-Magierinnen und Arohep auf einer der beiden Ork-Galeeren einschifften, die sie begleiten würden. Eine der Magierinnen war kräftig und rothaarig und mit einem Stab bewaffnet, an dem ein Sensenblatt angebracht war, das rotieren konnte. Die andere Magierin war die Dunkelhaarige mit der Hellebarde.

    Drei andere Galeeren, auf einer von ihnen Grompel, hatten garnicht erst angelegt, sondern waren mit den Fischern unterwegs an die Südküste.
    Ombhau´ kam mit fünf Männern der Küstenwache an Bord und begrüßte ihn.
    "Was gibt's Neues von Marik?" wollte Gero wissen.
    Ombhau´s Stirn bewölkte sich. Er wartete, bis seine Männer an Bord gegangen waren, stellte sich dann neben Gero und sprach sehr leise. "Marik ist merkwürdig geworden seit seiner Verwundung. Die Leute in Grauben reden über ihn. Einige seiner Kämpfer sind in die Stadt gezogen, wollen bei Etharias Stadtwache anheuern. Andere haben sich den Orkwaldleuten angeschlossen, die ihr altes Dorf im Orkwald wieder aufbauen, oder melden sich freiwillig für jeden Auftrag, der sie von Grauben wegbringt. Du hast ja die fünf gesehen, die mit mir gekommen sind. Die Schwarzmagier haben Grauben verlassen, bis auf Sallah. Sie bauen Sumpfkraut an, auf dem alten Gelände der Rotmühle."
    "Was ist mit Dir?"
    "Hast Du den Paladinen von mir erzählt?" kam die Gegenfrage.
    "Das habe ich. Sie suchten Leute, die bereits einmal auf Suiurrá gewesen sind."
    "Suiurrá ist unser Ziel? Dann bin ich hier richtig. Aber das wird kein Spaziergang. Die Insel ist löchrig wie ein Käse, und wenn Du dort auf einen Strom triffst, dann fließt geschmolzener Fels darin. Wäre nicht schlecht, wenn wir mehr Magier hätten. Da gibt es Dinge..."

    Gothic Girlie
    Geändert von Gothic Girlie (18.01.2012 um 23:04 Uhr)

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    Suiurrá

    Gero ließen die schlechten Neuigkeiten von Marik keine Ruhe. Marik war zwei Jahre lang so etwas wie sein Vater gewesen, wenn er je einen gehabt hatte. Nela und ihm war es gut gegangen auf Mariks Hof.
    Und später, in der Küchenwache, fand Gero, dass diese Truppe, und die Art, wie Marik sie aufgebaut hatte, neben der "Alca" zum Besten dieser Insel gehörte. Er überlegte, ob Marik bei seiner Verwundung vielleicht ähnlich angegriffen worden war, wie er selbst, als er mit Galaro auf der Mauernkrone stand, und am liebsten wäre er nach Grauben aufgebrochen, um Marik zu sehen. Aber er konnte seinen Posten nicht verlassen, und Tasso würde bald in See stechen wollen, sobald er vom Fort zurückkehrte.
    Er sprach Jaru darauf an, als er vorbeikam. "Wenn ich Marlan einen Brief schreiben könnte... Sie ist nicht nur fähig, zu erkennen, ob er besessen ist, sie kann ihn heilen, falls das tatsächlich der Fall ist. Aber ich habe keine Erlaubnis, von Bord zu gehen."
    "Ich bin unterwegs auf die Galeeren, um mit den Kapitänen zu sprechen. Ich frage die Magierinnen dort, ob sie eine Idee haben, wie wir mit Marlan schnell Kontakt aufnehmen können."

    Später sah Gero, wie die Dunkelhaarige das Schiff der Orks verließ und kurze Zeit später eine andere Magierin an Bord ging.

    - - -

    Vor Einbruch der Dämmerung waren sie so weit auf See, dass die Insel hinter ihnen mit dem Horizont verschmolz.
    Tasso hatte Wikko die Freiheit zurückgegeben, und er stand gerüstet am Bug und blickte in den trüben Himmel.
    Gero ging seine Sachen durch, verkaufte bei Sirkor, dem Zeugwart der "Alca", alles, was er nicht benötigte, und deckte sich mit Heiltränken ein. Dabei fand er das Amulett mit dem beschädigten Edelstein, das Jaru für das "Auge Innos'" hielt. Das hatte er völlig vergessen! Aber er wusste eh nicht, welche Pläne Tasso auf der Vulkaninsel verfolgte.

    Wollte er den König von Myrtana schlagen? Dafür waren sie zu wenige. Gero hielt es für unwahrscheinlich, dass Nela Tasso in ihre Pläne eingeweiht hatte. Selbst ihm hatte sie nichts erzählt, aus dem er sich eine Vorstellung davon machen konnte, wo sie sich jetzt auf der Insel befand und was sie genau vorhatte. Warum also segelten sie nach Suiurrá? Jaru war schon seit Stunden mit Tasso, Ingmar und Ombhau` in der Kajüte des Kapitäns. Gero kam es merkwürdig vor, dass er jetzt, vor dem entscheidenden Kampf, überhaupt nichts erfuhr, nicht gefragt wurde, dümmer gehalten wurde als an seinem ersten Tag bei Marik in Grauben.
    Er legte sorgfältig die neue Rüstung an, baute Pfeile, schärfte sein Schwert. Dabei sah er öfter nach Süden, in den Nebel, wo irgendwann die Feuerinsel auftauchte musste. Doch der Tag war grau und diesig, und er sah nichts außer der See.
    Die beiden Orkgaleeren folgten der "Alca", doch die Orks schlugen keine Trommel.

    Sie kreuzten die ganze Nacht. Jaru kam spät aus der Kajüte des Kapitäns, und legte sich ohne ein Wort in die Hängematte neben Gero. Er schlief sofort ein. Es war das erste Mal seit der Kachla-Königin, dass er Ruhe fand. Gero ließ ihn schlafen.

    Vor Morgengrauen weckten sie Gero für seine Wache. Die "Alca" kreuzte. Die Schiffe der Orks ruderten den direkten Weg und waren weit vor ihr. Kurz nach Sonnenaufgang sah Gero kurz einen hellroten Punkt am Horizont im Süden, dann hüllten graue Schwaden die drei Schiffe ein und es wurde mitten am Tag dunkel. Der Wind blies aus Südosten, Südsüdosten. Obwohl die "Alca" über die Wellen schnitt, als sei sie dem Meereselement gar nicht untertan, kamen sie auf dem Weg zur Insel nur wenig voran.
    Es gab Pfannkuchen mit Äpfeln und Rosinen für die Männer, einen seltenen Leckerbissen, an denen der Koch den ganzen Morgen buk, später Rum für jeden.
    Als Jaru erwachte, schickten sie ihn in den Ausguck.

    - - -

    Am Abend kam der Wind direkt aus der Richtung, in die sie gelangen wollten, und sie waren immer noch weit von ihrem Ziel entfernt. Die Galeeren tauchten plötzlich vor ihnen auf, mit nur wenigen Orks an den Rudern warteten sie auf das Schiff der Paladine. Ingmar ließ Leinen zu ihnen hinüber schießen.
    Die Orkschiffe schleppten die "Alca" durch eine Nacht ohne Sterne.

    Eine der Magierinnen kletterte geschickt wie eine Gauklerin am straff gespannten Seil zur "Alca" herüber. Sie nannte ihren Namen, Ganjouk, und verlangte Tasso zu sprechen. Gero und Jaru brachten sie in die Kajüte des Kapitäns. Ingmar und Ombhau` folgten ihnen. Gero hätte schwören können, dass sich die Magierin und der schwarze Paladin kannten.

    Sie überbrachte Tasso einen langen Bericht von Marlan, dem der Brief der Schwarzmagierin beigelegt war. Über die Flut von Varant, die Verstrickung des fremden Königs in die Magie der Götter, über Nelas Absicht, das alte Band zu lösen. Und von der falschen Karte, die sie Thorus untergeschoben hatte, und wohin darum die fremde Flotte vermutlich unterwegs war.

    Gero erzählte vom 'Auge Innos'.
    Jaru entwickelte die Idee, Pangarius zu befreien, dem 'Auge' seine Kraft wiederzugeben und Nela damit zu schützen. Ganjouk berichtete von einer Frau, die gar keine Magierin war, die sich jedoch den Fremden gestellt hatte und so tat, als sei sie Nela.

    Und Tasso wollte Wikko dazu benutzen, die Khorinis-Flotte auf seine Seite zu ziehen.
    Er musste das schon länger geplant haben. Er sprach von Schürfrechten, Handelsprivilegien, Frachtkapazitäten und von einer Zeit, in der die "Alca" nicht das letzte Schiff einer untergegangenen Flotte wäre, sondern der Prototyp einer neuen Armada. Es war sein Ziel, Khorinis den Orks zu entreißen und in einen neuen Innos-Bund zu führen, ohne das renegate Myrtana.
    Wikko sollte ein Treffen zwischen den Khorinis-Paladinen, Ingmar und Tasso herbeiführen.

    Den Orks sollte die Aufgabe zufallen, die myrtanische Streitmacht durch einen Scheinangriff abzulenken. Wenn Gero, Jaru und die Magierinnen in der Zwischenzeit das Durcheinander im feindlichen Lager dazu nutzen wollten, Gefangene zu befreien, gab es dagegen nichts einzuwenden. Doch warum nur Pangarius und die Frau, die sie für Nela hielten? Im Lager der Feinde waren zwei Dutzend gefangene Feuermagier, Verschleppte von ihrer Heimatinsel. Mit deren Hilfe sollte es sogar möglich sein, die ganze feindliche Flotte zu erobern. Lasst die Fremden auf Suiurrá zurück, dann haben sie Zeit, zu überlegen, ob sie ihre zukünftigen Unternehmungen vielleicht etwas friedlicher gestalten möchten.
    Man würde sich um sie kümmern, mit der Zeit... wenn die neuen Verträge geschlossen waren.

    Ombhau` berichtete von Höhlen in den Flanken des Feuerberges, in den denen Tempel alter Gottheiten, Schätze, aber auch gespenstische Kreaturen zu finden waren. Und es existierte sogar die alte Vermutung, dass Drachen...
    Doch niemand hörte ihm zu. Es war die Zukunft, die jetzt zählte.

    - - -

    Und so gingen sie an verschieden Stellen an Land, mit Karten der Insel, Signalen und einem sorgfältig ausgearbeiten Zeitplan im Kopf. Gero und Jaru hatten eine Weile mit den Orks verhandelt. Solange sie einen sicheren Ort fanden, ihre Schiffe zu verstecken... Sie brannten darauf, ihre Trauer über die toten Schiffswachen und die Schande der Sklaverei mit Blut abzuwaschen. Gnade dem Dummkopf, der jetzt noch in einer Sklavenwachenrüstung auftrat. Doch es gelang trotz allem, sie zu einem gemeinsamen Vorgehen zu überzeugen, in dem auch so etwas wie taktischer Rückzug vorkam. Einer ihrer Kapitäne, Gorr'Tershak, kannte die Feuerinsel. Er entwarf die Provokation, die Finte und die Falle.

    - - -

    Doch, wie immer, wenn der Mensch glaubt, planen zu können, kam alles ganz anders.

    Er sah sich plötzlich auf einem steinigen Weg stehen, vor sich die rauen grauen Asche-Hänge eines Feuerbergs. Er überquerte eine Kuppe, und sah in einer Mulde eine Stein-gefasste Quelle. Die dunklen Quader aus Vulkangestein um das kleine helle Rinnsal zeigten Gravuren von Runen und einem Drachen. Auf dem Boden davor lag eine Feuermagier-Robe, ein Bogen und ein Schwert. Es war leicht geschwungen, mit einem Handschutz wie eine eiserne Blüte.

    Hinter ihm schloss eine Streitmacht auf.


    Jaru folgte mit Gero, Ganjouk, Nergali und zwei jungen Orks, die er ausgewählt hatte, einem steinigen Weg ins Landesinnere, vor sich die rauen Asche-Hänge des Vulkans. Plötzlich erkannte er die Landschaft aus seiner Vision. Dort, hinter dieser Kuppe, musste die Mulde mit der Quelle auftauchen. Er ging schneller.
    In einer Vertiefung die Stein-gefasste Quelle. Die dunklen Quader aus Vulkangestein um das kleine helle Rinnsal zeigten Gravuren von Runen und einem Drachen. Auf dem Boden davor lag eine Feuermagier-Robe, ein Bogen und ein Schwert. Es war leicht geschwungen, mit einem Handschutz wie eine eiserne Blüte.

    Er sah zurück, zu seiner kleinen Truppe. Es kam ihm unendlich langsam vor, wie Gero die Quelle erblickte, wie er zu ihm hinsah, wie er in die Kuhle hinunter rannte, die Sachen im Staub davor erkannte, wie er den Kopf in den Nacken warf und aufschrie.
    Sie waren leise auf ihrem heimlichen Weg ins Innere der Insel gewesen, überzeugt, dass die myrtanischen Truppen weit entfernt in einem Kampf mit den Orks verwickelt waren, doch unverhofft tauchte das Heer des Königs von Myrtana zu ihrer Rechten vor ihnen auf. Und die Krieger kämpften bereits, gegen Gorr'Tershaks Orks und Tassos Seepaladine. Was immer dort schief gegangen war... der Verrat mit der Karte war aufgeflogen.

    - - -

    Gorn hatte Ireg gefällt. Gero wusste es instinktiv, als er im Kampfgetümmel plötzlich vor ihm stand. Und warum auch nicht? Gorn war nur treu seinem König, genauso wie Ireg.

    Und Nela, warum glaubte sie, ihr Sohn werde davonkommen, nur weil sie alles aufgab, um einen alten Pakt zu brechen? Hatte sie Blut vergossen, die Götter durch die Gabe fremden Lebens gebunden, hatte sie jemals um etwas gebeten, als um die Klarheit, zu wissen, was zu tun war? Und hatte Innos ihr etwas versprochen, dass sie so sicher in den Tod ging?

    Die Kämpfer prallten aufeinander. Und die von der südlichen Insel, die gesehen hatten, wie sich hinter dem fremden König der krallenbewehrte, schuppige Drachen erhob, wähnten sich im ewigen Recht: Jaru, seine Orks und Gero, und Tasso, Ingmar und Ombhau´ mit den See-Paladinen an ihrer Seite.
    Und die anderen, in deren Rücken die Echse Feuer spie, sie sahen nur den anderen Drachen auf sich zurasen, und packen ihre Waffen fester, um ihren Mut zu finden - wie je ein Krieger, der auf sich hielt: Lee und die Paladine von Vengard, Gorn mit seinen Leuten aus Gotha, zwischen ihnen Milten, der einäugige Thorus mit den letzten Sklavenlagerwachen der Insel und Tizgar. Thorus, der immer die Seite des Stärkeren wählte, und der nie begriff, warum er genau deshalb immer verlor.

    Gero hob sein Schwert mit dem roten Rubin von Inngolf, aber das Schwert schmeckte kein Menschenblut an diesem Tag. Als die Drachen aufeinander prallten - der eine graue, der den ersten ins Meer zu ziehen versuchte, und der andere, rote, der das Feuer aus der Erde gerufen hatte – barst ein Teil der Insel und stürzte mit den Drachen ins kochende Meer.
    Der größere Teil der myrtanischen Armee wurde von der Erde verschlungen, Gorn war plötzlich nicht mehr zu sehen, und Gero stürzte in eine Spalte, die vor seinen Füßen aufriss. Jaru und seine Orks waren fast augenblicklich bei ihm und warfen ihre Waffen zur Seite, um ihn auszugraben, aber der Boden gab nach und sie fielen mit ihm in eine Höhle.

    Milten hatte die restlichen Krieger auf seiner Seite vom Kampf zurückgehalten, und er brachte sie dazu, sich zurückzuziehen an das Ufer, wo sie vielleicht ihre Schiffe finden würden, vielleicht aber auch nicht.
    Lediglich Thorus und die Sklavenlagerwachen lieferten sich ein wildes Gefecht mit Tasso und den See-Paladinen.

    - - -

    Marlan im Boot sah sich mit einem Mal auf der Klippe über der Grotte mit dem grauen Sand stehen. Die Sonne blendete sie, und plötzlich erschien es ihr, als habe ihr jemand versprochen, wenn sie nur einen Schritt nach vorne trete, sei sie für immer mit Gero vereint. Aber sie weinte, und blieb im Boot, bis sie ihren Platz erreichte.
    Ajanna bewegte das Boot weiter, bis zu dem Ort, den sie für sie errechnet hatten.

    Beide Frauen standen auf Felsen im Meer, genauso groß, wie ihre Füße. Sie hatten lange mit Nela beraten, und mit der Wächterin, und sie glaubten zu wissen, was geschehen würde: ein Erdbeben, eine Flutwelle. Und nichts würde auf ihrer Insel so sein, wie vorher.
    Aber sie waren Magierinnen, und nicht wie andere Sterbliche hilflos den Elementen preisgegeben. Sie würden ein Gegen-Unwetter beschwören, die schlimmsten Stürme, die sie je gesehen hatten, und im offenen Meer würden die beiden Flutriesen aufeinander krachen, weit vor der Insel.
    Sie standen beide aufrecht, konzentriert, und blickten auf den feurigen Gipfel der fremden Insel. Plötzlich war der Gipfel fort, und sie wussten, der Moment war nah.
    Zuerst fühlte es Marlan. Sie sprach ihren Zauber. All ihr Mana, das stärkste ihrer Insel, entlud sich in einem gigantischen Wetter, das Meer hob sich, und Abertonnen von Seewasser und fetzender Wind setzten sich in Marsch. Sie trank schnell ihre Manatränke, wiederholte alles, trank einen letzten Trank: eine Blutfliege hob sich von dem kleinen Felslein und flog dicht über die aufgepeitschte See zu ihrem Frauen-Kloster, das jetzt und für immer auf der Südspitze ihrer Heimatinsel stehen würde.

    Ajanna fühlte es etwas später, und sie tat dasselbe. Aber nach der zweiten Sturmentfesselung spürte sie plötzlich, dass es nicht reichen würde, und sie trank ein drittes Mal Manatränke und beschwor die wilde See. Ihre Kraft reichte gerade, aber dann war es zu spät für den Blutfliegentrank, und die eiskalten Wogen hoben sie von ihrem Felsen fort und ihre nasse Robe zog sie unter Wasser.
    Sie zerschnitt die Robe mit einem scharfen Zahn, den sie seit ihrer Kindheit um den Hals trug, und dann schwamm sie die ganze Nacht, versuchte an nichts anderes zu denken, als dass ihre Arme und Beine sich bewegten und ihr Atem regelmäßig ging. Das Wasser um sie herum wurde irgendwann warm, da fiel es ihr leichter.
    Im Morgengrauen erreichte sie die Grotte mit dem grauen Sand. Sie kroch ein paar Schritte von der Brandung fort, lag lange im staubfeinen Sand, und versuchte nichts zu spüren als die Sonnenwärme, die langsam stärker wurde. Sie stand auf und schleppte sich zum Brunnen, wo der Eingang war. Und die zeitlose Wächterin, die von Marlans Geist und von Nelas wilder Kraft nur bezwungen war, beugte von sich aus ihr Knie vor Ajanna und bot ihr alle ihre Macht an und erkor sie zu ihrer Herrin.
    Aber Ajanna sah Marlans Traum, der auch ihrer war, die Mädchen, die ins Kloster kommen sollten, um hier zu lernen, und sagte der Wächterin: „Du bist frei. Du kannst gehen, wohin Du willst.“
    Und die Wächterin zerbrach ihre Ketten und flog in die Sonne, wo erst das Licht durch sie durch schien, und dann ihre Knochen zu feinem Staub zerfielen.

    - - -

    Ajanna wusch sich am Brunnen und ging dann in ihren Raum, wo sie ihr altes Schnitterinnen-Gewand anzog. Marlan erwartete sie auf der Klippe über der Grotte mit dem grauen Sand. Sie stand wie im Traum, und ihr Gesicht war verzweifelt. „Ich fühle, dass Gero tot ist.“ sagte sie leise, dann weinte sie hemmungslos.

    Gothic Girlie
    Geändert von Gothic Girlie (03.11.2011 um 19:20 Uhr)

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    "Murdra trifft Nela" endet hier.

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    Ab hier beginnen ein paar alternative Wendungen

    Der Bote nach Grauben

    Zuerst war da nur Durst. Aber aus irgendeinem Grund konnte Gero nicht aufwachen, um sich etwas zu trinken zu holen. Der Strohsack des Bettes, auf dem er lag, war zu weich. Immer wenn Gero Muskeln anspannte, um sich zu bewegen, sank er weg, als sei er dadurch schwerer geworden, und sah die Kante des Bettrandes wie einen Kasten über sich. Dann atmete er etwas, und sein Körper schwebte wieder nach oben, bis er wieder normal auf dem Bett lag. Schließlich gab er es auf, nach Wasser aufstehen zu wollen. Der Durst wurde unerträglich und er hörte sich selbst, wie ein Krächzen aus seiner Kehle drang.
    Jemand im Raum außerhalb seines Gesichtskreises bewegte sich, es wurde etwas dunkler. Dann sah Gero das Gesicht des dicken Kochs über sich. Er hielt ihm einen Becher an die Lippen. Gero trank. Sofort bemerkte er mehrere Wirkungen. Der Strohsack wurde fester, eigentlich war er sogar ziemlich dünn, und darunter spürte er die Bretter des Bettes. Er fühlte neue Kraft im Körper und in den Beinen, aber nur in einem Arm. Erschrocken fasste er sich an den anderen. Er war kalt, nasse Tücher lagen darauf, aber er konnte die Berührung wahrnehmen, und jetzt begann dort ein unangenehmes Ziehen. Und sein Kopf wurde wieder klar, er erinnerte sich, wo er sich befand und dass er auf der Hut sein musste.
    „Willst du noch mehr? Wenn du diesen Krug ganz geleert hättest, könnte ich wieder runter gehen.“
    Gero nickte. Der Koch kam mit einem weiteren Becher, aber diesmal nahm ihm Gero ihn aus der Hand, und bediente sich selber. Dann setzte er sich auf. Da er seiner Stimme noch nicht vertraute, winkte er mit dem Becher. Der Koch goss ihm auch den Rest noch ein.
    „... Elko, ja?“ krächzte Gero. Der Koch nickte, zwinkerte ihm zu.
    „Ich geh dann mal wieder Palissa ärgern.“
    Palissa musste die Köchin sein. Elko verließ den Raum. Gero hörte ihn auf der Treppe poltern und etwas rufen.
    Gero machte Bestandsaufnahme. Er fühlte sich ungewöhnlich steif, zum Beispiel konnte er den Kopf kaum drehen, um sich den verletzten Arm anzusehen. Der Arm war voll beweglich, fing aber durch die Bewegungen schnell stark zu schmerzen an. Sie hatten eine Kräuterpaste auf die Wunde aufgetragen, und darüber einen lockeren Verband aus feuchten Tüchern angelegt. Er selbst war nackt, trug nur das Amulett, das er im Turm des Palasts gefunden hatte, und war mit einem Laken und einer Decke bedeckt.
    Seine Sachen hingen über einem Stuhl, seine Waffen waren im Waffenständer aufgereiht, auf dem Tisch lag offen das Päckchen mit den Nadelzähnen und einige leere seiner Heiltrankflaschen – und eine dunkle Flasche, die nicht von ihm war.
    Er konnte sich gar nicht erinnern, wann er davon getrunken hatte. In dem Krug eben war höchstens ein Heiltrank gewesen, verdünnt mit Wasser. Es war nachmittags. Sein Gesicht juckte.
    Beim Kratzen erlebte er eine Überraschung: er trug so viel mehr Bart als am Tag seiner Ankunft, dass seit dem mindestens drei Tage vergangen sein mussten, vielleicht noch mehr. Er überlegte, aufzustehen. Aber sein Körper reagierte auf den Vorschlag mit bleierner Müdigkeit, und so ließ er sich einfach zurück sinken und schlief wieder ein.

    - - -

    Als er das nächste Mal aufwachte, waren Elko und Torrek im Raum. Es war Abend, sie waren in Hemdsärmeln, auf dem Tisch standen Reste einer Mahlzeit und eine Lampe. Torrek schnitzte Federn zurecht für Pfeile, Elko säuberte eine Reihe Messer vor sich – und Gero war sich sicher, dass sie nicht zum Einsatz in der Küche bestimmt waren. Er bewegte sich etwas, und sie sahen auf.
    „Du lebst ja wieder.“ grinste Torrek.
    „Ihr Jäger seid wie Unkraut.“ steuerte Elko bei.
    Gero mußte lachen. Er fühlte sich gut, sein Kopf war klar, und er konnte seinen Arm spüren. „Ihr wolltet es ja nicht anders.“
    Torrek wurde ernst. „Der Wächter ist kein Scherz, Benn. Du hättest nicht dort sein dürfen.“
    „Ich wusste doch nicht, was mich erwartet! Ich hoffte auf ein paar fette Molerats!“
    „Und eine davon hieß zufällig Torrek? Verarsch mich nicht, Benn. Du hast bei den Wachen nach mir gefragt.“
    Verdammt. Gero runzelte die Stirn, und sah verlegen nach unten. Das wurde kritisch.
    Torrek erlöste ihn jedoch, erstaunlicherweise. „Du bist neugierig, Benn. Aber zufällig bist du auch ein verdammt guter Jäger. Ich bin dieses Mal für dich eingestanden, aber wenn du ein weiteres Mal erwischt wirst, wenn du rumschleichst, wo du nichts zu suchen hast, reiß ich dir persönlich den Arsch auf. Und glaub mir, dann wirst du dir wünschen, dass dich der Wächter an der Gurgel gepackt hätte.“
    „Ich habs verstanden. Danke.“ Und er meinte es, am meisten den letzten Teil.
    Die Spannung im Raum verflog etwas. Gero versuchte, aufzustehen. Es ging besser als er erhofft hätte. „Meint ihr, ich krieg hier noch was zu essen?“
    „Wenn, dann bei Palissa. Hier ist Brot, falls sie die Küche schon zugesperrt hat.“

    Gero zog sich an, steckte alles in die Taschen, und nahm auch seine Waffen an sich. „Was habt ihr gemacht, um mich zu heilen? War das Gift, was mich umgeschmissen hat?“
    „Ja, ein ziemlich fieses. Du kannst froh sein, dass Tizgar hier ist, der hat mir das Gegengift verkauft.“
    „Was schulde ich dir?“
    „Mehr Achtsamkeit. Das Gold zieh ich dir vom nächsten Lohn ab. Du kannst weiter hier wohnen, wenn du willst.“
    „Danke für alles.“
    „Pass auf dich auf.“

    - - -

    Palissa war noch in der Küche am Aufräumen. Gero grüßte sie, und fragte sie nach etwas zu essen. Sie gab ihm ein Stück kalten Braten, einen Teller Gemüsemus und Brot. „Aber nur, weil du so viel Fleisch besorgt hast.“ maulte sie ihn an. Er aß es in der Küche, die immer noch warm war vom Kochfeuer. Palissa rumorte unter der Falltür.
    Plötzlich zuckte er zusammen. Faid lief durch den Flur, und er steuerte geradewegs auf den Kücheneingang zu! Zum Glück rief er etwas über seine Schulter und sah nicht nach vorne. Gero zögerte keinen Moment und glitt zur Falltür.
    „Ich helfe dir, Palissa.“ Sie war dabei, eine größere Menge Bier in schwere Steingutkrüge zu zapfen. Er sprang zu ihr hinunter. „Ich heb sie dir hoch, nimm sie oben an.“ schlug er vor, lächelte und schob sie zu dem kleinen Treppchen, mit dem man wieder ans Tageslicht gelangte. Sie war zu erstaunt, um zu schimpfen. Gero reichte ihr die ersten Krüge hoch. Er hörte Faid in der Küche sprechen. Palissa antwortete.
    Dann kamen noch andere Männer in die Küche. Gero erkannte Silvios und Angasts Stimmen, andere konnte er nicht zuordnen. Faid hielt eine Ansprache. Die Situation sei schwierig, aber ein Ende der Probleme sei abzusehen. Die Tag- und Nachtgleiche werde alles entscheiden. Bis dahin müsse eben jeder seinen Teil dazu beitragen. Er werde keine Störung mehr dulden. Ja, die Situation in Grauben sei unklar. Aber soweit er wisse, gäbe es dort noch Schwarzmagier, die nur auf ein Zeichen warteten. Ach was, die Orks seien kein neues Bündnis eingegangen, wer das behaupte, sei nicht ganz richtig im Kopf. Bald käme auch noch ein weiteres Orkschiff mit einer bewährten Mannschaft aus Myrtana. Nein, keine von diesen Waldorks, erprobte Kämpfer unter einem schwarzen Feldherrn. Er werde heute Abend noch einen Boten nach Grauben losschicken.
    Gero stand etwa sechs Schritt von Faids Füßen entfernt, reichte Palissa Bier um Bier hoch. Bald musste er nachzapfen. Das Treffen in der Küche klang aus. Jemand biederte sich bei einem anderen Mann an, der offenbar eine Sklavenlagerwache war, erhielt aber eine Absage: „Vergiss es, Faid vertraut Euch Jägern nicht mehr. Ihr müsst jetzt einen extra Test bestehen, bevor er Euch bei den Wachen aufnimmt.“
    Gero konnte sich den Test vorstellen. Er involvierte ein Seil. Aber eins musste man Faid lassen: er wusste, wann er verloren hatte, und versuchte, daraus zu lernen.
    Irgendwann war alles ruhig, und er machte Anstalten, die Treppe heraufzuklettern. Aber Palissa knallte ihm wortlos einen Eimer und Lappen vor die Brust. Er wischte um das Fass herum auf.
    Als er nach oben kam, schaute sie ihn an, ohne Worte, aber er sah, dass sie Angst hatte.

    - - -

    Gero stand vor der Siedlung in der lauen Abendluft und sog sie tief in seine Lungen. Er schüttelte innerlich Palissas Blick ab, fühlte das Leben in sich und den Wind in den Haaren.
    Morgen würde er endlich Kordhems Leuten ihren Schnaps bringen. Und dabei Jaru eine Nachricht in der Höhle hinterlassen. Aber noch gab es wenig zu berichten...
    Ab jetzt musste er, bei allem was er tat, auch noch Torreks, Palissas und Elkos Sicherheit bedenken.

    - - -

    Und dann bemerkte er, wie ein Mann aus dem Tor der Palisade trat, in einer Hand eine Pergamentrolle. Er nahm Gero nicht wahr. Gero stand halb hinter ihm, das Licht kam von der anderen Seite. Der Bote nestelte an seiner Kleidung, verstaute den Brief dort. Dann lief er zum Wald hoch. Gero folgte ihm mit Abstand. Der Mann sah sich nicht um.
    Je näher der Wald kam, desto drängender wurde eine Entscheidung. Unter den Bäumen würde er ihn entweder verlieren, oder er musste so dicht aufschließen, dass die Gefahr bestand, dass der Bote ihn hörte.
    Gero überlegte. Der Mann lief nicht zum Weg, den er selbst vor einigen Tagen vom Pass gekommen war. Trotzdem wäre der Weg vielleicht keine schlechte Wahl: er selbst käme dort schneller vorwärts, und wenn er den Boten "zufällig" träfe, hatte er ja noch Silvios Auftrag, Kordhem und sein Lager mit Fleisch und Schnaps zu versorgen. Leise rannte er los, der Weg schimmerte bald grau zwischen den dunklen Bäumen. Gero war noch nicht lange bergauf gelaufen, als er zornige Schreie und wildes Wolfsheulen hörte. Es kam von einer Lichtung etwas unterhalb des Weges, und tatsächlich sah er dort im Mondlicht den Boten gegen ein Rudel Wölfe kämpfen. Ein seltsam aufrechter Wolf mit roten Augen führte sie an.
    Gero überlegte nicht lange, er spannte den Bogen und half dem Unbekannten, sich gegen die wilden Bestien zu verteidigen. Doch es wurde ein harter Kampf, besonders der wilde Anführer des Rudels schien zuerst unverwundbar zu sein gegen seine Pfeile, und bis das knurrende, beißende Pack endlich besiegt im staubigen Laub des Vorjahres lag, waren Gero und der Bote blutig und zerbissen und beide keuchten. Zuletzt köpfte Gero den Leitwolf und fiel fast auf ihn, weil so viel Schwung in seinem Schwertstreich gelegen hatte.

    Schließlich richtete er sich schwer atmend auf und sah nach dem fremden Mann. Der kauerte am Boden, und hielt sich stöhnend das linke Knie: er war ein schmaler, dunkelhaariger Mann mit einem dünnen spitzen Bart und einem Ohrring. Jetzt war eine seiner blassen Wangen verschrammt, und Blut lief ihm von dort den Hals hinunter. Als er zu Gero aufsah, erkannte Gero, dass er einer Ohnmacht nahe war. Trotzdem rang er sich ein schwaches Grinsen ab: "Den Mistviechern haben wir 's gegeben, was? Von denen sieht keins das Morgengrauen!"
    "Sieht so aus. Was ist mir dir? Kannst du aufstehen?"
    "Bist du Torreks neuer Jäger?"
    "M-hm. Was ist jetzt?" Gero hielt ihm die Hand hin, aber der Bote blieb im Laub sitzen.
    "Für mich war 's das. Ich bin doch nicht lebensmüde! Noch mal versuche ich nicht, im Dunkeln den Pass zu finden! Soll Faid doch selbst seinen Arsch riskieren!"
    "Worum geht 's denn? Ich muss sowieso zu Kordhem und seinen Jungs. Wenn du willst, begleite ich dich."
    "Vergiss es. Mich kriegt heute niemand mehr auch nur einen Schritt weiter in die Berge. Soll doch morgen Faid einen anderen Dummen schicken, ich hab das Kroppzeug satt. So viel Lohn kann Faid mir gar nicht zahlen..."
    "Wieviel zahlt Faid denn?" wollte Gero wissen.
    "Überlegst du wirklich..."
    "Ja. Wenn ich' s doch sage!"
    "Na gut, pass auf. Ich hab einen Brief dabei, der muss auf die andere Inselseite. Aber darum musst du dich nicht kümmern. Du musst ihn bloß rauf zu Jobis bringen. Der erledigt den Rest. Es gibt ein Lager da oben..."
    "Ich weiß, ich kenne Jobis. Was ist jetzt mit dem Lohn?"
    "Äh, da fragst du am besten..."
    "Nichts da. Ich gehe jetzt da rauf. Also bezahlst du mich auch jetzt."
    "Also, wie wär 's mit dreißig Goldstücken?" Der Bote schickte ein kleines freches Lächeln zu Gero und ließ sich endlich von ihm hochziehen. Dabei kam es Gero so vor, als ob er ihm näher käme, als es das Aufstehen erforderte. Verflucht! Gero hielt unauffällig seine Börse fest.
    "Siebzig. Habt ihr ein Losungswort ausgemacht?"
    "Vierzig. Und ich gebe dir von dem Gegengift, gegen diesen Wurm, der dich fast erledigt hätte."
    Gero war froh um die Dunkelheit, die verhinderte, dass der Bote sah, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. "Ich frag dich wahrscheinlich besser nicht, wo du das her hast."
    "Hehehe. Und ich will auch garnicht wissen, wofür du es brauchst, wo du doch jagen gehst. Es gibt in der Feste so blaue Kristalle, für die zahlen die Magier ein Vermögen. Die muss man allerdings erst von so Spinnenviechern abkratzen und ich hab 's nicht so mit diesem Krabbelzeug. Deshalb interessiert mich die Sache nicht. Aber du, als Jäger... Der ganze Untergrund dort ist löchrig wie ein Käse. Es soll sich lohnen, sich da mal umzusehen, die Schwarzmagier vermuten alte Gräber dort, Gold und Rüstungen."
    Gero verschlug es die Sprache. Da war er ja an ein Früchtchen geraten. "Und morgen früh rennt er wahrscheinlich zu Faid und verkauft ihm den Tipp, dass ich daran interessiert war, mir die Feste noch mal anzusehen," dachte Gero. "Gib mir einfach die siebzig Goldstücke!" knurrte er.
    "Ich habe nur vierzig und diesen Trank. Nimm es, oder lass es."
    "Na gut. Her damit. Und was sage ich Jobis?"
    Der Bote gab ihm das Gold und den Trank. "Grüße von Tucker." Und damit flitzte er bergab zur Jägersiedlung, als seien wieder Wölfe hinter ihm her. Erst als Gero einen Schritt in dieselbe Richtung machte und dort etwas raschelte, sah er den Brief im Laub liegen.

    Gero wartete noch einen Moment, bis er das Rascheln und Ästeknacken des Boten nicht mehr hörte. Dann zündete er eine Fackel an und betrachtete das Schreiben. Die Perga•ment•rolle war nicht mit Siegelwachs verklebt, sondern mit einem sehr dünnen, faserigen Stück einer Baumrinde oder eines Blattes. Als er sie vorsichtig an einer Ecke versuchte, abzuziehen, löste sich das Gewebe in einzelne Fusseln auf. Den Brief heimlich zu lesen, schied wohl aus. Oder vielleicht... er dachte an Bromor. Vielleicht wusste der einen Rat. Als ehemaliger Wirt einer Hafenkneipe hatte er vielleicht Erfahrung mit Briefen, die von mehr Personen gelesen wurden, als der Sender geplant hatte. Oder seine Kirsche Nadja... mit der er allerdings noch nicht hatte reden können.
    Er nahm die Wölfe aus und machte sich auf den Weg zum Lager in der Felswand.

    Kordhems Leute waren froh über das Fleisch und den Schnaps, und gaben ihm einiges an Erz mit. Gero kam nicht dazu, mit Bromor zu sprechen. Die Wachen standen zu zweit um ihn herum und quetschten ihn über den Schlüssel aus. Aber er stritt alles ab: "Ich hab das Ding nicht - bin ich denn der Lagerverwalter von diesem Silvio? Dann wäre aber der Schnaps nicht so oft alle, das sage ich Euch... Was, aufgehoben? Nein! Lasst mir die Ruhe, ich heb hier garnichts auf, außer euren verdammten Erzbrocken."

    Gero nahm seine Sachen und verließ das Lager wieder. Es wurde gerade erst richtig hell. Er erinnerte sich an das Treffen mit Jaru, weiter Richtung Pass, wo die Diebswichte gewesen waren. Sollte er den Brief nach Grauben einfach unterschlagen? Er musste einfach wissen, was darin stand. Deshalb war er hier, nicht, um diesen Banditen ihren Kram hin- und herzutragen. Er sah sich sorgsam auf dem Weg um, dann verließ er ihn und bog zu der Höhle ab, in der er seine Rüstung verborgen hatte. Dort öffnete er den Brief vorsichtig. Trotzdem sah man deutlich an den Fusseln, dass dies nicht der ursprüngliche Zustand des Briefes war. Und, als wolle sein Schicksal ihm noch zusätzlich eine lange Nase drehen, war der Brief auch noch in der alten Sprache, die er nicht verstand. Gero fluchte ausgiebig. Dann kramte er einen leeren Pergamentbogen aus seinen Sachen und schrieb den Brief sorgfältig Buchstabe um Buchstabe ab. Es gab Worte, die er kannte, das Wort für "Magier", "Feuer" oder "Paladin", aber der ganze Sinn erschloss sich ihm nicht. Nur den Adressaten, einen Lord Nuage, konnte er entschlüsseln. Und, dass Venuto erwähnt wurde, ein gewisser Sallah und ein Nerol.
    Er schrieb einige Zeilen auf die Rückseite, dann ließ den abgeschriebenen Brief in dem Versteck zurück, wie er es mit Jaru besprochen hatte. Auch das Erz legte er dort ab, es war zu schwer, es bis auf den Pass hinauf zu schleppen. Falls die Orkwaldleute es inzwischen an sich nehmen würden, war das eben so. Wenn sie erst nach seiner Rückkehr kämen, würde er es zu Sivio bringen und seinen Lohn dafür abholen.

    Den Brief von Tucker schliff er an der fusseligen Stelle sorgsam mit dem Messer glatt, dann band er eine Schnur darum und erhitzte Siegelwachs an einem kleinen Ast, den er angezündet hatte. Zuletzt drückte er den Telepoststein mit der Schiffszeichnung darauf. Beides hatte er ja bei den Wichten erbeutet. Auf den ersten Blick wirkte die Botschaft nun intakt, aber ob Jobis und dieser Lord Nuage auch darauf hereinfallen würden, diese Ungewissheit war ein Risiko, das er eingehen musste.

    Er brach zum Pass auf und las dabei noch einmal diesen Brief, den er an der Westküste gefunden hatte, an Silvio von diesem Victorio, und beschloss, Jobis nach Victorio zu fragen. Er traf auf weitere Wölfsrudel, ein paar Wildschweine, und sah von weitem den Adler. Es wurde Mittag, bis er die Hütte der Banditen im Wald auftauchen sah. Jobis drehte einen Bratenspieß am Lagerfeuer. Eine Sklavenlagerwache und ein Bandit nahmen ein Wildschwein aus und tranken Schnaps. Und in der Hütte sah Gero einen Verletzten liegen, dessen Verband um die Brust blutig war, und der fieberte.
    "Das muss der sein, den ich damals angeschossen habe, als ich über den Pass kam." dachte Gero, und es tat ihm leid, dass er keine Heiltränke bei sich hatte. Er rauchte wieder von dem harzigen Kraut, und wandte sicherheitshalber wieder Galaros Rune auf die drei am Feuer an, bevor er sich ihnen näherte.
    Jobis sah zu ihm hoch und hob eine Braue: "Ich habe schon gehört, dass du bei den Wichten heftigst aufgeräumt hast." Gero schwieg, denn Kordhem hatte er berichtet, dass ein Paladin und eine Küstenwache dort gewesen waren, um das Fehlen des Erzes zu erklären, das Jaru mitgenommen hatte.
    "Ich schicke euch Grüße von Tucker, und einen Brief, der nach Grauben muss. Tucker meinte, du wüsstest Bescheid."
    "Endlich bewegt sich hier was! Gib her!" Jobis sprang auf und strahlte.

    "Kennt ihr auch einen Victorio? Silvio hat mir Gold für ihn mitgegeben." improvisierte Gero.
    "Der ist in eines der Orksklavenlager versetzt worden. Braunwacker. Das findest du von hier nicht, da musst du zur Küste zurück." brummte einer der beiden anderen.
    "Kannst du mir den Weg beschreiben?"
    "Nein. Ich war nie dort. Und ich will da auch nicht hin. Dort gehen merkwürdige Dinge vor sich. Einer der Orks dort redet mit einem Amulett, das er um den Hals trägt, und alle kuschen vor ihm, weil sie glauben, dass er über geheime Kräfte verfügt. Es heißt, wen er verflucht, stirbt innerhalb eines Tages. Unheimlich, so etwas. Da stehe ich nicht drauf."
    "Was ist mit ihm?" Gero nickte mit dem Kinn zu dem Verwundeten in der Hütte.
    "Rolf. Dem geht es richtig dreckig. Unsere ganzen Heiltränke hat er schon ausgesoffen, aber nichts hilft. So ein Innos-Blechkaspar hat ihn angeschossen, als er über den Pass kam. Wenn du Faid triffst, kannst du ihm Bescheid sagen, jemand müsste sich mal um Rolf kümmern."
    "Mach ich," sagte Gero und kreuzte zwei Finger hinter seinem Rücken.

    - - -

    Auf dem Rückweg ließ Gero sich Zeit. Er fand unterwegs Pilze für Palissa – falls die noch
    mal mit ihm redete. Er erinnerte sich, dass Nela Wolfsfleisch einzulegen pflegte, in Essig, mit schwarzen Würzbeeren und Kräutern... Er sah sich um und fand tatsächlich die stacheligen Büsche mit den harzig schmeckenden Früchten, und harte Wildkräuter, die man normalerweise zu einer anderen Jahreszeit erntete, bevor sie verholzten, die aber immer noch ihren charakteristischen Geruch verströmten. Er schnitt eine ausreichende Menge ab, holte das Erz aus der Höhle, schrieb auf den Brief eine weitere Zeile über das Sklavenlager Braunwacker und trollte sich, hinunter zur Küste.
    Im Palisaden-Dorf angekommen, brachte er zuerst dem Lagermeister das Erz.
    „Du hättest Jerkha schicken sollen. Der faule Bengel frisst sich hier durch und schafft den ganzen Tag nichts!“ schimpfte Silvio. Gero schwieg dazu, nahm das Gold, das Silvio ihm zum Lohn gab, und fragte: „Brauchst du sonst noch irgend etwas?“
    „Nein. Frag mal Torrek, Faid, Tizgar oder Palissa.“
    „Wo finde ich Tizgar?“
    „Im Steinhaus. Eine Treppe hoch.“
    „Und Faid?“
    „Keine Ahnung! Der ist überall und nirgends.“

    Als nächstes ging er zu Palissa. „Ich habe Pilze für dich.“
    Palissa sah ihn müde an. Sie sah aus, als habe sie schlecht geschlafen. Als sie die Pilze sah, lächelte sie etwas, konnte ihn aber kaum anblicken. Gero wäre es lieber gewesen, sie wäre wieder so brummig gewesen, wie am Tag vorher. Wortlos legte er die Beeren und Kräuter auf den Tisch und wandte sich zur Tür. „Benn...“ Er sah sie an.
    „Ich kann dir kein Gold geben für die Besorgungen. Nur das.“ Sie legte eine Pastete auf den Tisch. „Komm aber nicht mehr in die Küche.“
    „Gut.“ Er verließ die Küche mit einem Kloß im Hals.

    Vor der Schmiede traf er Tucker, der dort ein Bein auf den Amboss gestellt hatte und gelangweilt einen Apfel aß.
    "Dein Brief ist mit Jobis unterwegs." berichtete Gero ihm - überflüssigerweise, wie er dachte, als er Tuckers Reaktion sah. Tucker schien die Begegnung im Wald bereits vergessen zu haben. Er winkte ab, mit einer Geste zwischen gutmütigem Spott und leichter Herablassung für Kerle, die solche Aufträge richtig ernst nahmen. "Alles klar da oben?" fragte er nachlässig.
    "Nein." Gero schüttelte den Kopf. "Sie haben einen Verletzten, Rolf. Faid sollte mal nach ihm sehen."
    "Dann muss ich doch zum Boss." Tucker warf den Rest des Apfels hinter sich, und ging zur Anlegestelle hinunter.

    Gero traf Torrek am Brunnen und verkaufte ihm das Fleisch und die Felle. Torrek war reserviert. Er zog ihm wie angekündigt Gold für das Gegengift ab, und nachdem Gero auch noch Pfeilspitzen erstanden hatte, blieb ihm kein Gewinn von seinen Besorgungen.
    „Kann ich sonst noch was tun?“ wollte Gero wissen.
    „Faid hat sich nach dir erkundigt.“ murmelte Torrek, so leise, dass Gero ihn kaum verstand.
    „Und, hast du deinen besten Jäger gelobt?“ fragte Gero forscher, als ihm zumute war.
    „Benn, er hat nicht nach einem guten Jäger gefragt. Sondern nach einem hochge•wach•senen jungen Mann mit grauen Augen, der spricht, wie einer von Khorinis, und der den kleinen Eingang zur Feste gesucht hat.“
    „Wahrscheinlich wusste er meinen Namen nicht.“
    Torrek hatte die ganze Zeit in Geros Gesicht geblickt, zweifelnd und angespannt. „Solange du ihn weißt. Der Mann, den Faid sucht, heißt Gero. Ich soll ihn zu ihm bringen, lebend oder tot.“
    Gero erschrak. Er sah sich unauffällig um. Zwischen ihm und dem Tor standen mindestens zehn Männer, und die Hälfte davon waren gute Bogenschützen. Falls Torrek Alarm auslösen würde... Er brauchte ein paar Atemzüge, bis er wieder ruhig wurde. Er musste hier weg, so viel war klar. Aber er konnte nicht einfach so losrennen, sonst hätte er mehr Verfolger, als eine Kuh Fliegen am Arsch. Und er wollte vorher versuchen, mit Torrek zu reden. Der stand doch nicht auf Seiten der Invasion, das hatte er ihm doch schon bei ihrem ersten Treffen zu verstehen gegeben.
    "Ich muss mit dir reden. Aber nicht hier," sagte Gero leise. Gleichzeitig dachte er: "Ich muss verrückt sein. Torrek muss verrückt sein, wenn er sich darauf einlässt. Das war genau genommen ein Eingeständnis."
    Torrek sah ihn lange an. Auch er musterte unauffällig ihre Umgebung. "Die Dame Melandra will dich sprechen."

    Gothic Girlie

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    Die Dame Melandra

    Zusammen gingen sie ins Steinhaus. Torrek winkte im Treppenhaus Gero, dass er vor ihm her ginge. Im ersten Stock des Hauses öffnete sich ein Flur mit schimmernden Holzdielen vor ihnen, auf denen ein langer Teppich lag. Vor einer der drei Türen stand ein Knie-hohes, verziertes Messing-Tischchen mit einem wunderbar filigran gearbeiteten Wasser•spender – ein Assassinen-Krieger mit einer effektvollen Hellebarde wachte davor. Doch Torrek zeigte auf die Tür gegenüber.
    Gero trat in ein großes dunkles Gemach. Nichts hatte ihn auf solche Pracht vorbereitet, wie er dort vorfand. An der Stirnseite, es musste der Ort über der Küche sein, wurde die Wand bis zur dunklen Kasettendecke von einem mit Steinmetzarbeiten in weißem Sandstein eingefassten, Schulter-hohen Kamin einge•nommen. Er sah dort zwei Wappen, von dem er eines als das von Inngolf erkannte. Darunter kämpften zwei steinerne Streiter, ein Paladin mit kantigem, vernarbten Gesicht und ein Wesen, dass trotz seiner klobigen Rüstung und seinem aufrechten Gang eher eine Echse zu sein schien, als ein Mensch. Direkt über der Feuerstelle verlief ein Sims, auf dem Bücher standen, die auf einer Seite von einer sitzenden Eule und einem steinernen Raben, und auf der anderen von einem metallenen Adler und dem Abbild einer hockenden, geflügelten nackten Frau gehalten wurden. Vor dem Kamin glänzte das Abendlicht auf einem eisernen Ständer für Holzscheite und einem kleinen Tisch mit einem silbernem Tablett, auf dem eine große Obstschale und eine gläserne Weinkaraffe standen.
    An der rechten Wand verdeckte ein prächtiger dunkelroter Baldachin ein großes Bett und brachte das Licht im Raum rot zum Glühen. Davor schimmerte ein dichtes weißes Fell. Links ragte ein dunkel gerahmter geschliffener Spiegel bis zu einem Sims, wo einer der Dachbalken auflag, empor. Mehrere schwere aufwändig geschnitzte und bemalte Truhen säumten die Wände. Die Dame Melandra saß an einem kleinen Tisch vor dem einzigen Fenster im Raum neben dem Bett und war gerade dabei, einen Brief zu schreiben. Als die beiden Männer den Raum betraten, stand sie auf.
    Sie war hochgewachsen und schlank und hielt sich aufrecht. Ein sehr gut geschnittenes schwarzes Samtkleid betonte ihre blasse Haut und ihre schmale Taille. Das silberne Haar trug sie hochgesteckt. Gero bemerkte einen reich verzierten Dolch an einem edlen silbernen Gürtel und mehrere prächtige Ringe an Fingern, die sehnig waren und aussahen, als könnte die Dame auch mal ordentlich zupacken. Aber das auffallendste waren ihre Augen. Sie waren so intensiv blau wie Bergseen, und die dunkle Schminke um ihre Lider ließ sie strahlen wie das Licht eines Leuchtturms. Herrisch winkte sie Torrek, die Tür zu schließen, und schritt triumpfierend auf Gero zu. "Sieh an, der rätselhafte Fremde ist wieder aufgetaucht. Der Bogenschütze aus Khorinis, der immer dort erscheint, wo Faid gerade gegangen ist."
    Ihre Stimme war kultiviert, und sie lächelte, doch es war keine Freundlichkeit in ihr. Gero ahnte einen eisernen Willen unter ihrer höfischen Oberfläche und begriff, dass er dieses Treffen nicht ihrer Opposition gegen die Invasion verdankte, sondern der Tatsache, dass sie eigene Intrigen spann, unabhängig von Faid.
    Er hatte nicht geringste Ahnung, wie man sich einer Dame wie ihr gegenüber verhielt, und so blieb er einfach stehen und sah zu ihr hinunter. Ihre Augen trafen sich, und einen Moment fühlte er ihren Willen körperlich, wie eine Fessel. Dann wandte sie sich mit einem eleganten Schwung ab und zog an einem Seilzug neben ihrem Bett, den Gero noch nicht bemerkt hatte. Eine Glocke erklang und die Dame wich zum Fenster zurück. Mit einem Mal war die Stimmung im Raum verändert, offen feindlich. Gero wandte sich zu Torrek. Doch dieser hielt seinen Bogen gespannt und die Spitze seines Pfeils zeigte direkt auf Geros Kehle.
    "Leg deine Waffen ab, Benn. Oder Gero. Oder wer immer du bist."
    Die Tür öffnete sich, und der elegante Schwertkämpfer in der schwarz-lila Lederrüstung trat ein, den Gero am ersten Tag im Gefolge mit Faid und dem spitzbärtigen Schwarz•magier gesehen hatte. Hinter ihm kamen seine beiden Schatten, die Assassinen. Sie umstellten Gero, dabei verursachten ihre Bewegungen nur ein leises Rascheln von Stoff.
    "Sieh an, der Vater des reichlichen Wildbrets und Sohn der Neugierde... ich habe dich schon gesehen, doch da warst du... weit fort. In dir.“ Die Stimme des Schwertmeisters war wie Samt.
    "Was wollt ihr von mir?" fragte Gero. Er zeigte seine offenen Hände, aber seine Waffen hatte er nicht abgelegt. Doch einer der Assassinen nahm ihm den Bogen ab, und der andere zog ihm das Schwert aus der Scheide. Ihr Chef, von dem Gero vermutete, dass es dieser Tizgar war, von dem Torrek das Gegengift gekauft hatte, gestikulierte knapp mit dem Kinn, und sie verließen den Raum wieder lautlos und nahmen seine Waffen mit. Torrek senkte den Bogen. "Und, bist du nun Gero?" wollte er wissen.
    Gero sah wenig Sinn darin, es zu leugnen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie Faid holten, damit er ihn sich ansähe. Aber vielleicht konnte er dies verhindern.
    Er nickte. "Ich bin mit Faid in seiner Mine aneinander geraten. Er wollte einen Freund von mir hängen."
    "Und du hast Paladine zur Mine geführt?" die Stimme der Dame kam aus seinem Rücken. Sie standen so um ihn herum, dass er nur zwei von ihnen ansehen konnte.
    Er drehte sich zu ihr um. "Faid hat Schiffsbrüchige versklavt. Und einmal hat er den falschen erwischt. Ich bin auch ein Schiffsbrüchiger gewesen. Faid ist nicht mein Freund."
    "Was machst du hier? Einen weiten Weg bist du gegangen, um jemand zu treffen, der nicht dein Freund ist." Tizgars Stimme vibrierte vor kaum unterdrücktem Lachen. Wieder musste Gero sich umwenden.
    "Ich habe von einem geheimnisvollen Amulett gehört, das einer der Orks in Braunwacker haben soll. Das wollte ich mir mal ansehen." Es schien Gero, als sei die Temperatur im Raum gestiegen. Torrek wurde sogar rot, die Dame biss sich auf die Unterlippe. Alle drei sahen ihn schweigend an, die Paladine waren vergessen. Gerade wollte Gero sich freuen, dass ihm so ein guter Zufallstreffer gelungen war, da traf ihn ein harter Schlag am unteren Nacken und er fühlte nur noch vage, dass er fiel.

    - - -

    Bevor er richtig aufwachte, hörte er ein leises Plätschern und registrierte, dass die Luft um seine Nase kühl und feucht war. Durch geschlossene Augenlieder nahm er einen schwachen Lichtschein wahr.
    "Mach die Augen endlich auf, Gero, ich weiß, dass du wach bist." Torreks Stimme kam aus einigen Schritten Entfernung, aber er sprach sehr leise, als wolle er von jemandem nicht gehört werden. Gero tat ihm den Gefallen, und fand sich auf einem Strohlager in einem kleinen Kellerraum wieder, von dem die Hälfte durch ein Gitter abgetrennt war. An einer Stelle rann ein kleines grünes Rinnsal die rechte Wand hinunter. Das Gitter war jedoch nicht rostig, und es gab eine schmale Tür, mit einem geschmiedeten Mäander-Musterband. Die Tür war noch nicht mal abgesperrt, aber seine Handgelenke waren in lange Ketten geschlossen, die zu einem Ring in der Decke führten. Der Rest der Kette war an einem Wandhaken eingehängt, an der Wand außerhalb des Gitters.
    Torrek saß auf der anderen Seite des Gitters auf einem Hocker und schnitzte an einem Pfeilschaft. Als er sah, dass Geros Augen offen waren, wies er mit einem Kopfnicken auf einen Becher und einen Teller mit Brot auf dem Boden. Gero trank durstig von dem klaren Wasser, aber das Brot steckte er ein. Ihm war etwas schwindelig, und er war wütend auf sich, dass er seine Tarnung so schnell hatte aufgeben müssen.
    "Das war ziemlich dumm von dir, Tizgar's Nase auf dieses verdammte Orkamulett zu stoßen. Der Mann kreist um alles magische wie eine verdammte Grabmotte um eine Blutlache, und er hat sich schon einen Plan ausgedacht, wie er mit deiner Hilfe an das verfluchte Stück kommt. Über deinen Einsatz - oder deine Leiche, du Held, du."
    "Heißt das, ich verpasse Faids spezielle Aufmerksamkeit, für den Moment jedenfalls? Dafür nehme ich in Kauf, dass ich gegen einen Ork gewinnen muss. Kann nicht so viel schwerer sein, als Venuto oder Tigral zu überlisten."
    "Du hast Glück, dass Faid gerade zum Pass aufgebrochen ist. Nur damit du's weißt, was dir blüht: Wir schicken dich als Gefangenen nach Braunwacker, und wenn die merken, dass du das Amulett suchst, ist dein Leben dort keinen Strohhalm mehr wert. Die Orks werden dich platt machen bis du nicht mehr krabbeln kannst, und die Wachen werden zuschauen und dir hinterher auf den Kopf pissen."
    "Lange Rede, Torrek. Und was will Tizgar von mir?"
    "Er will, dass du ihm das Amulett bringst. Wenn du es ihm übergibst, lässt er dich laufen. Er wird dir einen Teleport geben, dass du jederzeit zu ihm kommen kannst. Aber glaub nicht, dass das ein Spaziergang wird. Der Wächter war handzahm dagegen. In der Mine und an den Schmelzen von Braunwacker sterben mehr Orks als vorher in den Orkkriegen. Und das sind Kerle wie Baumstämme. Du bist ja von Khorinis, da muss ich dir nichts erzählen davon, was ein Orkelite ist. Und alle kuschen sie vor Horr'gocht, ihrem Boss. Es gibt Geschichten, dass sie so verrückt sind vor Furcht vor ihm, dass sie sich eher in den Abgrund stürzen, als dass sie sich von seinem Fluch treffen lassen."
    "Und warum erzählst du mir das alles?"
    "Damit du nicht unnütz drauf gehst. Du musst unbedingt geheim halten, warum du dort bist. Verrate es niemandem, du kannst dort keinem trauen. Und hör' hier auf, den Unnahbaren zu mimen, und nimm die Hilfe an, die du kriegen kannst. Es ist deine einzige Chance."
    "Welche Hilfe soll das sein?"
    "Sie werden dich durchsuchen, und dir alles nehmen, was du bei dir hast. Das einzige, was sie dir nicht klauen können, ist das, was du hier trägst..." Torrek tippte sich an die Stirn, "oder wie du kämpfst. Ich kann dir zeigen, wie du dort in den Minen noch was zu beißen findest und wie du merkst, wann dich die Grubenkolme auf dem Kieker haben. Und Tizgar hat noch ein paar andere Tricks auf Lager. Aber du musst ihn beeindrucken, damit er denkt, dass es sich lohnt, dass er dir was beibringt."
    "Und was willst du von mir?"
    "Das wenige Gold und andere Zeugs, das du bei dir hattest, habe ich schon. Deinen Bogen und die Pfeiltasche kannst du dir hinterher wieder bei mir abholen, falls du es geschafft hast. Aber was ich eigentlich von dir will, ist etwas anderes..."
    Gero sah ihn an, ohne zu zwinkern. Torreks Stimme hatte zuletzt besorgt geklungen, und er konnte sich kaum vorstellen, wie der Oberjäger der Invasoren dazu kam, sich um einen zu sorgen, der auf Faids Abschussliste stand. Andererseits hatte er ihm auch schon das Leben gerettet, als er verwundet und vergiftet zusammen gebrochen war, und er selbst fand Torrek sympathisch. "Warum sollte ich dir trauen, Torrek? Du hast mich in diese Lage gebracht, schon vergessen?"
    "Ich wollte nicht, dass die Dame Tizgar dazu ruft. Alles hat sich dadurch geändert..."
    "Was willst du?"
    Torrek zog einen kleinen goldenen Gegenstand aus der Tasche. Es war Geros goldener Paladinring, der mit der Sonnengravur. Gero hatte ihn an einem Lederband um den Hals getragen. Innerlich fluchte er. "Was ist damit?"
    "Das, und dein Schwert..." "Und?" "Wir haben es ein bisschen ausgewickelt und die Dame Melandra hat es erkannt. Du bist entweder ein Dieb, ein Mörder oder ein Paladin."

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    Karten und so

    [Bild: Gero_Jaru.jpg]

    Gero und Jaru, wie Irla sie malen würde

    Karte des Sklavenlagers

    Lagerkarte.jpg

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    Die Insel

    Marlans_Insel.jpg

    Wobei der Maßstab nicht ganz stimmt, weil der Teil zwischen Mine und Südfeste eigentlich etwas langgestreckter sein sollte.

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    Ein paar Kurzgeschichten: http://forum.worldofplayers.de/forum...lypsen-Varants

    Wettbewerb-Beitrag für den Risen-Storywettbewerb: http://forum.worldofplayers.de/forum...ry-Die-Scheibe

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    Entscheidungen – Alternative Entwicklungen in „Murdra triff Nela“

    (die folgenden Gedanken habe ich mir z. T. während des Schreibens gemacht, aber nicht hier gepostet.)



    A. Entscheidungspunkt: Gero trinkt mit Oleg
    A. 1. Oleg merkt, dass Gero nüchtern bleibt und lässt ihn festnehmen; weiter bei E. 1.
    A. 2. Oleg merkt nicht, dass Gero nüchtern bleibt und Gero versucht, dafür sorgen, dass Jaru mehr Essen bekommt (Bestechung Kravid funktioniert nicht). Weiter bei E. 1.
    A. 3. Oleg merkt nicht, dass Gero nüchtern bleibt und Gero kann dafür sorgen, dass Jaru mehr Essen bekommt (Bestechung Kravid funktioniert). Weiter bei B.


    B. Entscheidungspunkt: Gero klettert am Seil zu Jaru
    B. 1. Gero wird entdeckt. Weiter bei E. 1.
    B. 2. Gero wird nicht entdeckt. Weiter bei C.


    C. Entscheidungspunkt: Gero klettert zu den Schmiedbrüdern
    C. 1. Gero wird entdeckt und kann fliehen. Weiter bei D. 1.
    C. 2. Gero wird entdeckt und kann nicht fliehen. Weiter bei E.1
    C. 3. Gero wird nicht entdeckt. Weiter bei D.


    D. Entscheidungspunkt: Gero wird von Faid dazu ausgewählt, beim Exempel-Statuieren („...Wurm zappeln sehen..“) zu assistieren.
    D. 1. Gero wird von der feixenden Wache (Kravid) enttarnt. Weiter bei D. 3. oder E. 1.
    D. 2. Gero versucht, Kravid zu überwältigen und wird dabei geschnappt. Weiter bei E. 1
    D. 3. Gero tötet die Wache schnell. Weiter bei E. 2 oder E.3.


    E. Entscheidungspunkt: Faid will Jaru hängen
    E. 1. Gero war zu langsam, zu ungeschickt etc. und wurde festgenommen. Er soll nun ebenfalls gehängt werden. Weiter bei G.
    E. 2. Gero kann die Bremse am Kran lösen, aber Jaru gelingt die Flucht nicht. Weiter bei G.
    E. 3. Gero kann die Bremse am Kran lösen und dadurch Jaru die Flucht ermöglichen. Weiter bei F.


    F. Entscheidungspunkt: Jarus Flucht
    F. 1. Faid durchschaut Gero früh und lässt ihn festnehmen. Weiter bei G.
    F. 2. Faid durchschaut Gero früh, lässt ihn festnehmen und fängt auch Jaru wieder ein. Weiter bei G.
    F. 3. Faid durchschaut Gero anfangs nicht und Jaru kann entkommen. Weiter bei I.
    F. 4. Faid durchschaut Gero überhaupt nicht und er kann Jaru später treffen, ohne dass sie verfolgt werden. Sie können den Fluss erreichen und sich von dort nach Grauben durchschlagen. Sie treffen Marlan und Nela erst sehr viel später. (Weiter: mit neuem, noch nicht erzähltem Strang.)


    G. Entscheidungspunkt: Aufstand der Gefangenen
    G. 1. Der Hass der Gefangenen führt zu einem Aufstand, in dessen Verlauf das Tor aufgebrochen wird. Alle Gefangenen entkommen. Weiter bei H. Aber keine Befreiungsaktion der Paladine später.
    G. 2. Der Hass der Gefangenen führt zu einem Aufstand, in dessen Verlauf das Tor aufgebrochen wird. Viele Gefangene entkommen, aber Gero und Jaru nicht. Ein Gefangener gelangt in die Stadt, und löst die Befreiungsaktion der Paladine aus. Gero und Jaru werden dann entweder befreit, wenn sie noch im Lager sind, oder weiter bei G. 3, wenn das zu lange dauert.
    G. 3. Der Aufstand scheitert. Gero und Jaru werden als Rädelsführer nach Braunwacker verlegt. Dieses Lager ist eine Erzmine, die von einer Selbstverwaltung der Khorinis-Orks mafiös geführt wird.
    G. 4. Gero wird als Spion nach Braunwacker eingeschleust. Er soll dort für die Dame Melandra über die Verhältnisse berichten und für Tizgar ein Amulett mit Verbindung zum Schläfer stehlen.


    H. Entscheidungspunkt: Kollektive Flucht
    H. 1. Die Schmiede führen die Flucht an und erreichen mit den anderen Gefangenen das Dorf am Orkwald, als die Orks dort angreifen. Die Orks werden zurückgeschlagen. Es herrscht danach Krieg zwischen Menschen und Orks, weil das Orkjunge nicht befreit wird. Weiter komplett anders als in der Geschichte erzählt.
    H. 2. Die Schmiede führen die Flucht an, und es gelingt, die verfolgenden Sklavenlagerwachen zu töten. Weiter wie nach der Befreiung durch die Paladine.
    H. 3. Die Sklavenlagerwachen töten viele Gefangenen und fangen Gero und Jaru wieder ein. Weiter bei G. 3.


    I. Entscheidungspunkt: Jarus gelungene Flucht
    I. 1. Jaru entkommt und schlägt sich durch bis in die Stadt. Gero entkommt nicht. Weiter mit Befreiungsaktion der Paladine. Falls das zu lange dauert: G. 3. für Gero.
    I. 2. Jaru und Gero entkommen (wie in der Geschichte erzählt), weiter mit Befreiungsaktion der Paladine.





    Später, wenn Gero für die Königin in den Nordteil der Insel geht:


    J. Entscheidungspunkt: Wird Gero als Spion enttarnt?
    J. 1. Gero wird beim Umschleichen des Jägerlagers oder beim Überfall auf den Briefboten von Faid erkannt/ ertappt. Weiter mit G. 3.
    J. 2. Gero wird zwar von Torrek enttarnt und an Tizgar und die Dame Melandra verraten, aber nicht an Faid. Weiter mit G. 4.
    J. 3. Gero lehnt J. 2. ab. Er wird nach Sandmeile verlegt, wie in der Geschichte erzählt, aber sehr lange weiß niemand, wo er ist. Die Sklaven werden nicht beim Aufstand unterstützt und stattdessen von den Vengardern als Galeerensklaven nach Suiurrá verschleppt. Sie wollen den gescheiterten Feldzug durch das Plündern der Bodenschätze finanzieren. Es gibt keinen Vulkanausbruch, aber Minen, in den die Orks und Gero malochen müssen.
    Dort bricht Gero ein, wie in „Danach“, aber die anderen beiden Orks leben. Sie müssen erst wieder zu dritt - wie in „Danach“ Jaru – zur Hauptinsel zurückkehren, bevor der Krieg entschieden wird. Nela wird von den Vengardern gefangen genommen und nach Nordmar gebracht, in den Eistempel, wo alles begann. Dort findet auch das Finale statt. Die Feuermagier bleiben auf der Haupt- Insel und kehren in ihr Kloster zurück. Die Magierinnen müssen fliehen und Gero und Marlan bringen sie nach Suiurrá und dort gründen sie ihr Kloster.
    Ohne Gero bleibt Jaru für immer bei den Orks. Faid findet die Krone von Ethorn und stellt die Königin vor eine Wahl, die sie sie nicht ablehnen kann. Zusammen führen sie die Insel in ein dunkles, gestriges Zeitalter der Orkkriege. Jaru wird sein Gegenspieler auf der Orkseite. Tasso wird exiliert und nimmt die Alca mit. Eines Tages soll er Irletia nach Vengard bringen…
    Ombhau‘ bleibt bei der Küstenwache, aber Faid kann ihn nicht leiden und schickt ihn an die Front, wo er sich zwischen dem sicheren Tod und dem Überlaufen zu den Orks entscheiden muss. Aber vielleicht trifft er auch vorher auf die Alca...

    Geändert von Ajanna (07.09.2021 um 21:16 Uhr)

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