Ultras
Viele verbinden mit dem Begriff Ultrà leider immer noch das Klischee von pubertierenden, herumhampelnden und Krawall machenden Jugendlichen, die sich wichtig machen wollen. Bevor man jedoch vorschnell ein Urteil fällt, sollte man sich erst einmal mit der Materie beschäftigen. Da wir uns selbst als Ultras sehen und das Commando Cannstatt zu den ältesten Ultragruppen in Deutschland gehört, wollen wir hier einen kleinen Einblick darüber geben, was Ultras überhaupt sind, was ihre Ziele sind und wie die Bewegung im Mutterland der Ultras in Italien und später in Deutschland entstanden ist.
Ein "Ultra" wird oft als "fanatischer Fan" oder "extremer Fan" definiert. Im Wörterbuch findet man unter dem Begriff "ein Ultra" die Bezeichnung "Heißsporn" oder "Fanatiker". Für Außenstehende lässt sich der Begriff Ultras am besten folgendermaßen beschreiben: eine Vereinigung fanatischer Fußballfans, die all ihre Energie dafür aufbringen, ihren Verein zu allen Spielen zu begleiten und möglichst kreativ und lautstark zu unterstützen. Wikipedia findet folgende Definition: "Bei Ultras handelt es sich um fanatische Anhänger, deren Ziel es ist, ihre Mannschaft immer und überall bestmöglich zu unterstützen. Neben der akustischen Unterstützung, die sehr häufig von einem so genannten Capo (Vorsänger) koordiniert wird, legen Ultras auch viel Wert auf optische Hilfsmittel wie Konfettiregen, bengalische Feuer und gigantische Fahnenmeere. Außerdem kreieren, finanzieren und organisieren die Ultras farbenprächtige, einfallsreiche und meist schön anzusehende Choreografien." Doch wer meint, Ultra mit einzelnen Teilaspekten wie Support oder Choreos definieren zu können, liegt falsch. Ultra ist mehr, Ultra ist so vielschichtig, dass eine Definition unmöglich ist. Man muss die Sache Tag für Tag leben und die Mentalität dafür haben, um verstehen zu können, um was es bei Ultra geht. Auf das Thema Ultras und Gewalt wollen wir hier nicht näher eingehen, da hier im Internet auch die Polizei mitliest, die eh alles gegen uns auslegt.
Die Ultra-Bewegung hat ihre Wurzeln in Italien, wo es schon seit den 60er-Jahren Ultras gibt. Dort schlossen sich fußballverrückte Jugendliche in den Kurven zu Gruppen zusammen und markierten ihr Territorium mit Zaunfahnen, die den Namen und das Symbol ihrer Gruppe trugen. Zuerst waren es nur wenige Jugendliche, die sich mit Hilfe von Balkenschals und Trommeln sowie der Anwendung kreativer Stilmittel von anderen Fans unterschieden. Die Ultras entwickelten sofort eine Vielzahl von Charakteristiken, die sie zu einem Phänomen des italienischen Fußball werden ließ. Diese manifestieren sich in der Identifikation mit dem eigenem Territorium im Stadion bis hin zu einem paramilitärischen Look, der von extremistischen Organisationen übernommen wird, wie z.B. Parkamäntel, schwarze Kapuzenpullis, Tarnanzüge oder Militärjacken. Die Anfeuerung wurde als Teil der Strategie angesehen, um ein Spiel zu gewinnen. Außerdem fand der Einsatz von Pyroartikeln eine immer stärkere Verwendung, um die Kurven optisch zu verschönern. Parallel zur Organisationsstruktur der Ultragruppen entwickelte sich das Phänomen der Kurvenchoreografie. Die Choreografie wurde zum Aushängeschild des italienischen Stils. Riesige, fantasievolle, farbenfrohe, effektvolle Spektakel und Kurvenshows in großem Umfang verschönerten die Ränge. Die erste Gruppe, die sich den Namen "Ultras" gab, waren die "Ultras Tito Cucchiaroni" von Sampdoria Genua, die sich 1969 gründeten und bis heute eine der anerkanntesten Gruppen sind. Die 60er- und 70er-Jahre sahen die Bildung unzähliger Jugendgruppen, welche die Kurven der großen Vereine bevölkerten. Es gründeten sich die "Brigate Gialloblu" von Hellas Verona, der "Viola Club Vieusseux" (AC Fiorentina 1971), die Ultras des SSC Neapel (1972), die Forever Ultras Bologna (1974), die Fighters von Juventus Turin (1975), die Brigate Neroazzurre von Atalanta Bergamo 1976, die Eagles Supporters von Lazio Rom und das Commando Ultrà Curva Sud des AS Rom (1977). Wie man an den Beispielen der großen Vereine erkennen kann, ist die Verbreitung dieser Bewegung vor allem in Norditalien anzutreffen. Abgesehen von Neapel, Bari, Cagliari und Catanzaro konnten im Süden Italiens noch keine bedeutenden Szenen aufgebaut werden. In Palermo, Taranto, Foggia oder Cosenza fasste die Bewegung erst in den 80er-Jahren langsam Fuß. Mitte der 80er-Jahre befand sich die Ultrabewegung in Italien auf der Höhe ihrer Entwicklung. Die Gruppen zählten oft mehrere tausend, einige über zehntausend Mitglieder. So hatte die "Fossa dei Leoni" des AC Milan in der Saison 1987/88 15.000 Mitglieder. Manche Gruppen wie das "Commando Ultrá Curva B" des SSC Neapel haben eine Struktur, die fast an ein Unternehmen erinnert. Mitglieder werden in Datenbanken verwaltet und ein eigenes Fanmagazin sowie ein TV-Sender vertrieben.
Die Ultra-Bewegung breitete sich rasch aus und in ganz Europa bildeten sich entsprechende Gruppierungen. In der Saison 1996/97 auch in Deutschland. Einige Allesfahrer und Groundhopper haben sich bei ihren Besuchen in Italien inspirieren lassen und wollten den Ultragedanken nun auch in der Heimat umsetzen. Als die Bewegung nach Deutschland herüber schwappte, zählten unter anderem Frankfurt, Stuttgart und München zu den Vorreitern. Zwar gab es schon vorher als Vorläufer einige ultraorientierte Fanclubs wie z. B. die Fortuna Köln Eagles, aber erst die Umsetzung größerer Aktionen besagter Gruppen nach ihrer Gründung in der Saison 1996/97 beeinflussten die Fanlandschaft in Deutschland und weckten die Neugier auf Ultramanie auch bei Fans von anderen Vereinen. Mittlerweile gibt es bei fast jedem Verein von der Bundesliga bis hinunter in tiefere Ligen Ultras.