Das süße Leben / La dolce vita
Start: 1960
Genre: Drama, Satire
Regie: Federico Fellini
Schauspieler: Marcello Mastroianni, Anita Ekberg
Kritik:
"La dolce Vita" ist wohl so ziemlich der bekannteste Film, der in Italien enstanden ist, viele seiner Szenen - wie die Brunnenszene mit Anita Ekberg - gehören mit zu den bekanntesten der Filmgeschichte überhaupt.
Nachdem ich diesen Film seit langer Zeit wieder einmal gesehen habe (diesmal auf Blu-Ray in ganz neuer Qualität) möchte ich meine Eindrücke niederschreiben, was diesen Film so großartig macht und hoffentlich all jenen, die ihn noch nicht gesehen haben sollten, Lust darauf machen, ihn zu sehen.
"La dolce vita" zeigt das Leben eines Klatschmagazin-Journalisten in Rom, der in episodischen Begebenheiten Begegnungen mit Religion, Frauen, Filmstars, Freunden oder auch seinem Vater hat. Dabei profitiert der Film unheimlich von Rom als Schauplatz, wodurch in Kombination mit einer sehr guten Regie und Kameraführung zahlreiche ikonische Szenen enstanden sind. Obwohl es ungefähr 10 Jahre her ist, dass ich ihn das letzte mal gesehen hatte, war ein Großteil des Films gut in meinem Gedächtnis geblieben.
Natürlich geht dieser Film wenig mit modernen Blockbustersehgewohnheiten zusammen, sondern er lässt sich Zeit, die aber auch notwendig ist. Wer ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit mitbringt, wird mit einem ziemlich reichen Werk belohnt, das unter anderem von der Suche der von einer oberflächlichen Umgebung zermürbten Hauptfigur nach Erfüllung handelt (dazu später mehr).
Für ein Werk von 1960 ist der Film weder thematisch noch ästhetisch belanglos geworden, auch wenn einige Aspekte der Satire oder der offene Umgang mit z.B. Prostitution oder Homosexualität heutzutage wenig neu sind. Es ist faszinierend, den Hauptdarsteller vor allem in seinen Nächten zu begleiten, wie z.B. als er sich Nachts ganz alleine mit einem Filmstar (gespielt von Anita Ekberg) auf den Straßen Roms bewegt. Verantwortlich sind neben den sehr guten Darstellern - insbesondere Marcello Mastroianni ist großartig - auch die guten Dialoge und die kreativen Handlungen. Vor allem aber ist es die großartige Machart des Filmes. Diesbezüglich ist La Dolce Vita der entscheidende Film im Werk Fellinis und die Brücke zu seinem nächsten Film 8 1/2 und den Folgenden. Während sein Werk bis dort hin noch bedauerlicherweise Elemente des Neorealismus aufweist, entfernt er sich mit "La dolce vita" eindeutig von diesem - was ihn schon alleine deswegen zu Fellinis bis dahin besten macht. Obwohl Fellini viele Motive von seinem vorherigen "Die Nächte der Cabiria" übernimmt - die Satire katholischen Irrsinns oder die Schwierigkeit des Vertrauens in Beziehungen - sind Pseudorealismus und emotionale Manipulation weitgehend verschwunden und weichen stilisierten Bildern und emotionalen und intellektuellen Ambivalenzen (das Motiv Steiners, der Fisch, das Mädchen).
Achtung - ab jetzt bis zum Fazit Spoiler!
Das Hauptmotiv ist die Suche der Hauptfigur nach Erfüllung.
Religion ist zur Farce verkommen.
In Besitz wie seinem Auto findet er sie nicht - seine Wohnung ist leer, mit frisch angestrichenen Wänden.
In seinem Beruf, oberflächliche Texte zu schreiben, findet er sie ebensowenig.
Auch in zwischenmenschlichen Beziehungen bleibt ihm Erfüllung verwehrt. So sehr er versucht eine Beziehung zu seinem Vater aufzubauen konfrontiert sie ihn letztendlich doch nur mit seiner Sterblichkeit.
Auch Frauen - obwohl von ihnen fasziniert - können ihm diese Erfüllung nicht geben, weder durch Sex, aufopfernde Liebe oder Kameradschaft:
- Sex mit Ekberg bleibt ihm verwehrt.
- Die obsessive, aufopfernde, emotional erpressende Liebe seiner Freundin widert ihn verständlicherweise an.
- Die Frau, der er Ehrlichkeit und Freundschaft anbietet, verhöhnt seine Naivität.
Er glaubt die Leere, die in ihm (wie in uns allen) ist, jenseits der Oberflächlichkeiten füllen zu können: Sein alter Freund Steiner, dessen Haus ihm bei seinem Besuch wie eine Oase erscheint und an seine früheren Ambitionen erinnert (und diese auch repräsentiert): Steiner und seine Frau haben Kinder, der Freundeszirkel ist intellektuell, er scheint Erfüllung in der Kunst zu finden.
Doch auch seine neu erweckten künstlerischen Ambitionen scheitern und die Handlung Steiners nimmt ihm jede Illusion, jemals Erfüllung finden zu können. So bleibt ihm nur noch Betäubung durch Alkohol, Drogen und die Demütigung anderer Menschen: Er wird zum oberflächlichsten aller, zu einer totenhaften Maske.
Um noch etwas abzuschweifen: Die Beschäftigung mit dieser Existenziellen Leere, Sehnsucht nach Transzendenz oder wie immer wir sie auch nennen wollen ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil von Kunst und dementsprechend auch der Filmkunst: Tarkovsky trickst Spiritualität herbei, bei Robert Bresson begeht Charles in "Der Teufel möglicherweise" Selbstmord (sinngemäß: "Gott lässt sich nicht in der Mittelmäßigkeit finden"), bei Josef von Sternberg versuchen die Charaktere Erfüllung im sexuellen Fetisch zu finden (im Christentum ist der "Opfertod" ja durchaus auch entsprechend konnotiert), während bei Kubrick vielleicht die der Akzeptanz der Leere innewohnenden Ästhetik das höchste darstellt, was Menschen erreichen können.
Fazit:
Eigentlich gibt es so ziemlich keine Entschuldigung, diesen Film nicht gesehen zu haben. La dolce vita ist ein großartiger Klassiker.
Amazon (Blu-Ray)
IMDb
Darsteller: 8/10 (insbesondere Marcello Mastroianni ist großartig)
Plot: 5/10 (nicht wirklich der Punkt)
Effekte: 9/10 (großartige Kamera, sehr ikonische Bilder)
Anspruch: 8/10 (durchaus anspruchsvoll)
Gesamteindruck: 9/10 (großartiger Film)