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"Dann wünsch mir besser Glück ..."
Frosts Zungenspitze tastete über die Zähne, dann die Lippen. Es war Wahnsinn, und das wusste er. In seinem Leben hatte er eine Menge verrückter Dinge getan und wenn er lange genug nachdachte, würde er vielleicht ein oder zwei finden, die ähnlich verrückt gewesen waren.
Andererseits ... je länger er darüber nachdachte, desto weniger glaubte er daran.
Waffengurt, Tasche, Messer fielen zu Boden. Frost streckte die Arme zu den Seiten, ließ den Oberkörper locker pendeln, dehnte den Nacken, ließ schließlich die Arme ein paarmal kreisen. Er unterdrückte den Impuls, die Beine in die Hand zu nehmen und auf schnellstem Wege die Treppe wieder hinunterzustürmen. Immerhin war er doch nicht die ganze verdammte Klippe hinaufgeklettert, nur um dann so kurz vor dem Ziel den Schwanz einzuziehen. Kaum zu glauben, dass er überhaupt einen Gedanken daran verschwendete. Wo war er hin, der Mut des Orkbezwingers, des Unbesiegbaren, des Evarim?
Aber ... es war verrückt.
"Passt mir ja auf das Zeug auf", meinte er zu seinen Begleitern, während er den frischgewachsenen Wurzelstrang fixierte.
Eigentlich passte es ihm nicht, auch nur eine Minute ohne die Schwerter zu verbringen. Er konnte spüren, wie sich die Flammenschneide nach seinen Händen sehnte. Die Wölfe lagen schon wieder zu lange zurück und ihr Durst war ein Vulkan.
Frost sog tief Luft in seine Lungen, neigte den Körper leicht nach vorne, spannte jeden Muskel. Ein tiefes Grollen entwich in die Kälte, als ihn seine Schritte nach vorne trugen, auf die Kante zu -- und darüber hinaus.
Wind griff nach seinen Haaren. Festungsmauern und Klippe rasten auf ihn zu, während sein Schwung ihn weit in den Abgrund hinaus trug. Sein Magen genoss für einen Moment das Gefühl der Schwerelosigkeit, dann drückte es ihn schlagartig nach oben. Auf schlug ihm der Wind nicht mehr frontal entgegen, sondern von unten. Die Mauern begannen abzusacken und zu kippen, er streckte seine Hände aus, versuchte etwas zu greifen, betete, dass er irgendetwas finden würde, das er greifen konnte, fühlte Panik aufkommen--
Ein Ruck ging durch seine Schultern, als seine Finger den Ast packten. Auf einmal war die Welt ein Wirbel, seine Beine schwangen durch. Instinktiv zog er sich hoch. Zu seinem eigenem Erstaunen setzten seine Füße perfekt auf dem Ast auf, sodass er wie ein Affe in der Hocke darauf zum Sitzen kam. Und obwohl der Ast bedenklich nachzitterte, hielt er seinem Gewicht stand.
"Drecksglück", murmelte Frost atemlos.
Er gönnte sich eine kurze Atempause, bevor er sich mit den Kniekehlen am Ast einhakte und sich nach hinten kippen ließ.
"Komm schon!", rief er Candaal zu, die Hände herausfordernd ausgestreckt.
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In des Hetzers Hain
Schritte drückten knartschend den Schnee am Boden ein. Heißer Atem quoll aus Mund und Nase. Pfeifender Wind wehte und berührte das Gesicht, während die Augen halb offen nach vorne blickten und endlich die Steinformation erhaschten. Lange genug waren sie gar durch ein Höhlensystem gewandert, lange genug sich Gedanken gemacht ob die Häscher ihnen folgten, lange genug sorgenvoll jeden Schritt des Hetzers beobachtet und gehofft, dass er durchhält. Nun waren sie da. Nun würde das Schicksal Ornlus einen neuen Weg einschlagen. Ob der Feuerball am Firmament ein Zeichen dafür war? Der Druide wusste es nicht. Genug hörte er früher von jenen Erscheinungen. Mal waren sie Unglücksboten, mal der Beginn neuen Lebens - mal beides zugleich. Wahrlich - Letzteres spiegelte das wieder, was bevorstand.
Die Meute des Hetzers sammelte sich um den großen Steinkreis mitten im so düster wirkenden Hain, als wüssten sie was ihrem alten Herrn bevorstand. Der riesige Wolf selbst, schleppte sich in den Steinkreis und legte sich auf den steinernen Altar. Müde war er, die Wunde am Herzen wirkte schon zu lange, als dass man sie überstehen könnte. Der Naturgeist wusste, dass seine Zeit gekommen war. Die große Hatz nach ihm, führte sie alle an den Rand der großen Niederlage, doch nun konnten sie noch vieles retten.
Ornlus Gedanken waren bedrückt. Sein Förderer würde sie verlassen und es lag an ihnen, die Zukunft bis zu seiner Rückkehr allein zu formen. Schwere Zeiten standen bevor und Ornlu musste einmal mehr beweisen, wie stark er wirklich war.
"Wir sollten bald beginnen.", meinte Bogir, als er neben Ornlu trat. Ornlu blickte zu Bogir. Dieser hob einen Sumpfkrautstängel vor den jungen Druiden und lächelte.
"Wirst du für das Ritual brauchen, junger Druide. Entspann dich. Alles wird gut.", sprach der ältere Druide in seiner beruhigenden Art. Ob er selbst auch so eines Tages werden würde? Vielleicht, doch war es noch lange nicht so ein 'alter Wolf' wie Bogir. Der Jäger nahm den Stängel entgegen. Augenblicke später zog grünlicher Rauch auf, während Ornlus Blick gen Mond ging. Absteigend war er schon und doch sah er heute auf diesen Ort hinab, um Zeuge dieser Nacht zu werden. Der Stängel zischte im Schnee auf und erlosch, als Ornlus Bewusstsein genug erweitert war. Der Druide war bereit. Ornlu stand dort leicht zitternd im Lendenschurz und hatte den matten Wolfstein, der normal als Amulett getragen wurde, in der linken Hand und einen Dolch in der Rechten. Das uralte Ritual stand an. So wie es Ornlus Ahnen einst vor ewiger Zeit taten, lag es nun an ihm es ihnen gleich zu tun. Den Schnee unter seinen Füssen ignorierend, schritt er ruhig in den Steinkreis hinein. Vorbei an den massiven Findlingen, die viele Epochen erlebt hatten. Er und der Hetzer blickten sich an. Tiefe, sich verabschiedende Blicke waren es, da mit jedem Schritt die Bestimmung beider näher kam. Ornlu verbeugte noch einmal das Haupt vor dem Hetzer und kniete dann vor dem Altar, um das Ritual einzuleiten.
"Tîw en draug! Echuio! - (Zeichen des Wolfes! Erwachet!)", rief der Druide die beschwörende Formel in der Sprache des alten Waldvolkes. Der Boden begann leicht zu zittern, bevor einzelne, große, waldvölkische Runen an den neun großen Steinen des Steinkreises langsam sichtbar wurden. Eine uralte Kraft aus der Natur belebte sie und ließ den Steinkreis im grellen Licht aufhellen. Man spürte regelrecht, wie nach sehr langer Zeit etwas wieder begann zu erwachen. Der Druidenstein in Ornlus Hand begann langsam zu zittern. Alte Magie vergangener Rituale wurde frei, färbte das Licht aus den großen Runen mehr und mehr in ein dunkles Rot. In das Rot des Hetzers. Magische Ströme und Winde entfachten aus dem Steinkreis heraus, brachten Bäume leicht zum schwingen, wirbelten Schnee auf und hüllten den Hain immer mehr mit ihren rötlichen Schleiern. Es war wie damals, als Ornlu den Pakt mit den Wölfen einging und doch so viel stärker und intensiver. Die ganze Atmosphäre färbte sich in ein dunkles Rot. Selbst der Mond vom Hain des Hetzers aus, wirkte wie ein Blutmond, der auf sie hinab schaute. Wolfsgeheul ertönt rund herum, ob Winde oder die Meute des Hetzers, die diesen Augenblicken beiwohnte, sah Ornlu nicht. Er spürte und hörte lediglich das, was er sollte. Er wiederholte immer wieder die beschwörenden Worte >Tîw en draug! Echuio!< und verband sich auf magischer Ebene mit allem, was sich im Steinkreis befand. Die Luft knisterte magisch, Äste knackten sogar ab, bis das leichte Beben endete und der Sturm sich legte. Im Herzschlag der Natur, hellten die rötlich leuchtenden Runen an den Findlingen pulsierend auf, als ob die Natur oder gar der Schöpfer allen Lebens höchstpersönlich als weitere Zeugen dieses Ereignisses erschienen wären.
Doch waren sie nicht die einzigen Zeugen, die dazu kamen. Nein, der Feind, die Häscher, die nach der Macht des Hetzers lechzten und ihrem Meister bringen wollten, erschienen. Kämpfe begannen zu entfachen, die düstere, Unheil verkündende Musik der Spielfrau ertönte und irgendwo war auch Lupin, die Geißel der Wolfssippe.
Ornlu konnte nicht mehr warten, musste nicht mehr warten, denn die Zeit war reif. Der Druide erhob sich im vom roten, pulsierenden Licht erhellten Steinkreis. Hetzer und Druide blickten sich wieder an, ihre Seelen waren miteinander im reinen. Der riesige Wolf verzieh Ornlu für seine nächste Tat und der Druide nahm die schwere Bürde der Zukunft auf sich.
"Tíram men an aderthad, aran in gaurwaith. Namárie! – (Wir sehen uns wieder, König der Wölfe. Lebewohl!)", sprach Ornlu, des Hetzers Blut, bevor er dann den Dolch in des Hetzers Herz stieß. Ein Jaulen, wie es Ornlu seine Lebtage nicht vergessen würde ertönte durch den Hain. Es war der letzte Augenblick des Hetzers, ehe sein Haupt sich senkte und die Augen sich schlossen. Eine Ära ging zu Ende und eine neue Zeit würde beginnen, bis der Hetzer im Kreis des Lebens wiedergeboren werden würde.
Von außen vernahm man den entrüsteten Schrei Lupins. Er hatte versagt, seinem Meister nicht den Hetzer opfern können. Ornlus Onkel preschte vor, während sich Ornlu erhob.
"Ertho, dír tûr! – (Vereint euch, ihr Mächte!)", rief er, hob den Druidenstein des Wolfes und beschwor den letzten Akt im Ritus auf. Der Druidenstein begann aufzupulsieren wie die großen Runen rund um Ornlu. Der Geist des Hetzers erhob sich aus seinem toten Leib und stand dort mächtig und majestätisch. Der rote Geist erhob sein mächtiges Haupt und heulte auf. Heulte auf, als ob es die ganze Welt hören musste, dass der Hetzer, Adanos erster Wolf, diese Welt verließ und eines Tages wieder zurückkehren würde. Jegliche Kampfhandlungen verstummten, alle waren sie wie erstarrt vor Ehrfurcht oder gar purer Furcht. Der Wolfstein wurde mit dem Ruf des Hetzers mit neuer Macht beseelt. All seine irdische Macht floss in diesem Moment ein und manifestierte sich im Druidenstein. Die Kontur des Wolfskopfes auf dem Stein glühte wie das pure Leben auf, glühte wie die Augen eines Warges. Immense Kraft hielt Ornlu in seiner Hand. Er spürte den Hetzer im Wolfstein, spürte dass der Stein ihm bestimmt war. Er blickte die pulsierende Macht an und konnte die Augen nicht von ihr lassen. Es war eine Macht die den Hüter des Wolfsteines verführte. Ein Schatz, welchen er nun zu hüten hatte. Der Geist des Hetzers, der sich erhoben hatte, zerplatzte in unendlich viele Lichtpartikel und wurde eins mit der großen Natur.
"Ornlu! Nutze den Stein!", brüllte Bogir, als er den anstürmenden Lupin von der Seite anrempelte und angriff. Ja, da war der Kampf, überall wieder, gar diese Musik spielte wieder und erweckte wieder die toten Häscher. Er musste handeln, musste sie nun alle beschützen, denn nun war er jener der sie führte.
Er legte sich das Amulett mit dem Wolfstein an und spürte sogleich, wie seine Magie, kanalisiert durch den Druidenstein, in neuen Dimensionen entfesselt wurde. Es waren Kräfte die belebten. Kräfte die berauschten. Kräfte die alles bisher da gewesene in Ornlu enorm überstiegen. Kräfte die neue Mysterien in der Dunkelheit erhellten und sie dem Druiden offenbarten. Kräfte wie sie nur die großen Meister der Druidenmagie, Weltenwandler, besaßen - Meistermagie. Berauscht von diesen Eindrücken und angetrieben vom Bewusstsein, wurde es dunkel...
"Hier!"...schnaubende Geräusche ertönten..."Hier bin ich, Hetzer!"...ein Mark erzitterndes Knurren erklang...gelbe Augen auf Augenhöhe im blutroten Schatten schienen auf...sie starrten ihn an..."Komm her!"...forderte, zwang, befahl das Knurren und klang so deutlich wie seine eigene Stimme...ein großes Maul mit reißenden Zähnen drang leicht aus den blutroten Schatten..."Werde eins mit mir!"...eine lange, dunkle Klaue, mächtig genug um mit einem Hieb alles zu zerfetzen, winkte ihm zu sich..."Du bist der neue Hetzer"...seine Schritte näherten sich schwankend dem Schatten..."Hetzer, schau hinab!"...immer noch wankend, erblickte er Blut an seinen Händen - wohlriechendes, warmes Blut..."Riechst du es? Das Leben? Schmecke es!"...seine Zunge fuhr über die blutigen Hände - es mundete, es belebte, es weckte..."Sieh hinab!"...seine Hände, wurden zu den Klauen die er sah...seine Augen wurden zu Augen der Nacht, die Stimme aus den blutroten Schatten nahm Konturen an...sein Körper wuchs...seine Gestalt wandelte sich...neue Kräfte entfachten...das warme Blut - er hörte es fließen...der blutrote Schatten verschwand...ein Monstrum offenbarte sich ihm...stand nun aufrecht auf zwei Beinen und überragte ihn deutlich...doch spürte er ihre Gleichheit, ihre Brüderlichkeit, ihre wahre Natur...zwei Bestien blickten sich in die Augen...dicht ihr Fell, mörderisch die Fänge...ihre Blicke lechzten nach der Jagd, der großen Jagd - nach Blut, dem Blut das den unendlichen Durst stillte..."Erkenne dich selbst. Spüre die neuen Kräfte! Lebe den Pakt der Wölfe! Koste vom Blut der Beute! Entfache deinen Ruf!...eine Macht die er gefunden hatte und nun eins mit ihm wurde...eine Bestimmung die nur ihm gewährt war...er erwachte! Und sein Ruf erhallte um den ganzen Wald.
Vor dem Steinkreis stand eine Bestie. Enorm von Größe, überragte sie auf zwei Beinen stehend die Findlinge des Steinkreises, ehe sie auf alle Viere wieder aufsetzte. Die Klauen bohrten sich in den Boden, während die Bestie sich beschaute, die Zähne bleckte und schnaubte, um alle Gerüche in sich einzusaugen. Die Augen fingen einen zerfetzten Leib am Boden ein, die Nase verriet, dass das Blut an den Klauen, auch Blut jenen zerfetzten Torsos war. Die Bestie leckte sich die Klaue, ehe sie die Ohren spitzte und den verklingenden Kampflärm wahrnahm. Der große Brustkorb füllte sich mit Luft, die Augen sahen tote Wölfe, lebende Wölfe, Bogir, die dämonischen Häscher, die Spielfrau und Lupin, wie sie alle auf das Wesen blickten, dessen Ruf ertönt hatte. Ornlu erkannte sich. Er war die Bestie in Gestalt eines riesigen Wolfswesens, eines Wolfskönigs wie aus den Legenden seiner Sippe - einer Form die bisher nur der Hetzer annahm. Ornlu wandelte in Gestalt des Hetzers. Er war nun der Hetzer.
Schrecken lag in den Gesichtern der Häscher. Sie hatten gänzlich versagt und waren nun die Gejagten. Die Spielfrau verstummte schon längst, ergriff die Flucht, während im selben Moment alle die zur Meute des verstorbenen Hetzers gehörten, wieder mit dem kämpfen begannen. Lupin schaffte es Bogir umzustoßen und begann ebenso zu flüchten. Die Bestie erhob sich wieder auf zwei Beine, knurrte und brüllte auf, als ob sie beklagte dass die Gäste das Mahl frühzeitig verließen, ehe sie mit einem Satz auf einen der Findlinge sprang. Als dieser aufgrund des Gewichts drohte fast umzukippen, warf sich 'der Hetzer' von dort aus in den Kampf. Keine Gnade würde er walten lassen und so geschah es. Reißend, zerfetzend, beißend, erdrückend nahm er sich seiner Feinde an. Erlöste mit der Meute Häscher um Häscher, die sich jetzt wohl gewünscht hätten, dass ihr Meister ihnen niemals ein zweites Leben unter dieser dämonischen Knechtschaft und letztlich diesem Ende gegeben hätte.
Ornlu rief, als die letzten Häscher allesamt die Flucht ergriffen, zur großen Jagd in dieser Nacht. Eine neue Zeit brach an. Ornlu der Hetzer war geboren.
Geändert von Ornlu (19.12.2008 um 06:50 Uhr)
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Angst hatte sie, Angst vor dieser Bestie. Niemand hatte sie gewarnt, niemand ihr gesagt, was ihre Feinde für wahre Macht besitzen. Sie hatte nur eine Aufgabe gehabt. Sie sollte die Musik des Meisters spielen, alles andere tat er. Lupin, mit seinen bescheuerten Schergen, hatte sie als Geheimwaffe gedacht. Die Feinde sollten verzweifeln, wenn die Häscher zu neuen Leben erwachten. Aber das? Gegen das Ding konnte niemand ankommen - so dachte San, wie sie sich in Kurzform nannte und dumm war sie nicht. Sie warf die Flöte des Meisters weg und rannte als Allererste auf und davon. Sollten die anderen doch verrecken, sie war zu schön um zu sterben und ihren Auftrag konnte sie eh, seit diese Bestie aus diesen Druiden wurde, vergessen. Doch dieser Druide. Seit sie ihm vor Tagen zuvor gesehen hatte, hatte sie eine dumpfe Vorahnung. Es war ein Gefühl und wie Lupin, der ihr Onkel war und damals als kleines Mädchen zum Meister brachte, von diesen Kerl gesprochen oder mehr geflucht hatte - es musste ihr Bruder gewesen sein. Sie erinnerte sich nicht an diesen, doch waren es die gleichen Augen wie sie sie selbst hatte und ihr Bauchgefühl. Keine Bestätigung, aber die brauchten Gefühle nicht.
"Verdammt, Lupin! Du hättest es mir sagen sollen!", fluchte die Agentin und hatte Tränen in den Augen. Doch sie blickte nicht zurück, zu viel Angst hatte sie, als sie hinter sich irgendwo im Wald Schreie der Häscher und diese Bestie vernahm.
Sie...sie musste sich neu formieren, die Wunden sozusagen lecken und auf neue Anweisungen von Übersee warten. Ihr alter Mentor hatte sie auf vieles vorbereitet, doch sowas konnte sie nicht alleine schaffen. Konnte sie es denn überhaupt? Konnte sie weiter machen und ihrem Bruder Leid zufügen? Sie war nicht so bescheuert wie ihr Onkel, hatte ihren eigenen Kopf und doch.
"Nein, ich kann nicht. Lupin würde mich töten und er auch, wenn er erfährt wer ich bin.", dachte sie, was ihren Tränenfluss nicht minderte. Letztlich war auch sie seit je her eine Dienerin des Meisters, eine Geknechtete seitdem sie dessen Palast betrat. So war ihr Schicksal, so musste sie gehorchen. Sie war nicht frei und nun auf der Flucht vor jenen, die sie ewig hassen würden. - "Sanguine, du trauriges Mädchen...verlässt du dich auf andere, bist du verlassen.", seufzte sie in sich hinein, versteckte sich in einer alten Goblinhöhle, die die Häscher als Versteck genutzt hatten und gab sich ihren Tränen hin. Das hatte sie einfach nicht erwartet.
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In des Hetzers Hain
Feuer brannte seit dem Morgengrauen auf dem Altar im Steinkreis. Feuer, wie es sich für einen König gebührte. Man nahm Abschied vom Hetzer. Alle waren sie vor Ort gezeichnet von den letzten Wochen und doch trieb sie eine Kraft an weiter zu machen und die Sache abzuschließen.
Ornlu war auch zurück, hatte wieder menschliche Form angenommen und war sich sicher, in der Nacht so gut wie alle restlichen Häscher erwischt zu haben - bis auf die Spielfrau und Lupin. Doch ihre Zeit würde auch noch kommen. Das versprach er ihnen in Gedanken.
Es war einfach atemberaubend, welch Mächte er nun in sich spürte und welch Kräfte er in der Form des Wolfskönigs inne hatte. Als er durch die Nacht jagte, fühlte er sich wie das perfekte Raubtier, wie der perfekte Jäger und die Furcht in den Augen seiner Beute - alles war auf einer völlig neuen Ebene und Ornlu gespannt, welch Fähigkeiten noch in ihm erwachen würden.
Wie man den Druidenstein jedoch richtig nutzte, müsste er mit der Zeit lernen. Die Wandlung in der Nacht, war nicht nur sein Wirken - soweit war er sich sicher. Sein Blick schweifte zu Bogir rüber. Der Druide hatte im letzten Kampf etwas viel abbekommen, sich aber auch eine Ruhepause verdient. Ornlu für wahr auch. Ein gemütliches Bett, eine deftige Mahlzeit, einen Sumpfkrautstängel und Bier danach reingepfiffen und die Welt sah nicht mehr so bewölkt und schwer aus.
Des Hetzers Fangzähne - Jene würden laut Bogir im Feuer nicht zu Asche zerfallen. Sie würden die Erinnerungen an diese Zeit für beide Druiden werden. Ornlu umgriff den Wolfstein, der als Anhänger an seinem Hals hing und blickte wieder zu Bogir.
"Spürst du es auch? In Silden? Ich hab da ein ganz mieses Gefühl.", meinte der Druide. Zunächst wollte er Bogir etwas zum Wolfstein fragen, doch dafür blieb später Zeit.
"Ja, irgendwas stimmt dort nicht. Wir bleiben bis das Feuer erlischt. Danach geht es nach Silden.", meinte Bogir nickend. Dem stimmte Ornlu zu, ehe er wieder über das Feuer wachte.
Geändert von Ornlu (19.12.2008 um 10:22 Uhr)
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Wie ein Äffchen nach der herannahenden Banane streckte Frost die Arme nach Candaal aus. „Das kann ja heiter werden“, murmelte dieser vor sich her, während er aus der geliehenen Kleidung schlüpfte und sein ganzes Gepäck… einschliesslich des Goldes auf einen Haufen warf. Zuletzt zog er noch die Stilette aus den Stiefeln. Er machte ein paar Hüpfer um seine Muskeln wieder warm zu kriegen, doch an ein echtes Wärmegefühl war in seiner leichten Assassinenkluft in dieser eisigen Kälte gar nicht zu denken.
Um seine Nervosität etwas in den Griff zu kriegen, wandte er sich noch einmal vom winkenden Frost ab und atmete einige Male tief durch. Leyla meinte bereits, dass er sich beeilen solle, doch so dringend war ihm der Tod dann doch nicht. Er wollte vor seinem Ableben noch das eine oder andere Goldstück klauen oder beglücken… „Jetzt aber“, sprach er zu sich selbst und visierte den Punkt, welchen er erreichen wollte mit bestimmtem Blick an. Er machte noch einen Schritt zurück, dann folgten jedoch ein, zwei, drei schnelle nach vorne, ein langer und ein kurzer und er war in der Luft.
Er schaute nicht nach unten sondern nach vorne. Jetzt erst schossen ihm tausende Gedanken durch den Kopf und die Welt um ihn herum stand still. Den Blick noch mehr auf den Ast fokussierend gelang es ihm jedoch die meisten unangenehmen Gedanken zu verdrängen. Das Gefühl vom Fliegen erreichte ihn wieder und er flog direkt auf die gegenüberliegende Wand zu. Was war, wenn er abstürzte, konnte er sich schliesslich noch überlegen, wenn es definitiv war, dass er abstürzen würde.
Seine Linke griff nach einem stabil anmutenden Ast etwas über Frost. Er spürte wie seine Hand das Holz berührte, danach griff, doch im selben Moment schwand ihm der Ast unter den Fingern weg. Candaal stürzte, die Linke verzweifelt abermals nach Halt auswerfend. Er hatte schon beinahe mit sich abgerechnet, als eine sichere Hand sein Handgelenkt packte. Die Äste bogen sich und lösten sich gefährlich stark von der Felswand, doch oben schien das Gewächs noch fest verankert. Vor Schreck Blut keuchend klammerte der Ganove sich an die rankenartigen Äste und die Hand liess ihn los. Frost kletterte schnell und geschickt wie ein Eichhörnchen hoch. Candaal folgte ihm eher vorsichtig. Den Schreck hatte er noch nicht ganz verkraftet… Würde er wohl die nächsten Tage auch nicht so schnell.
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Knackende Äste unter den Stiefeln, bröckelnde Rinde unter den Fingern und etwas tiefer nichts weiter als zerklüftete Felsen und lange, lange Meter Fall. Wenn ihm hier ein Fehler unterlief, gab es nichts, was ihn retten konnte. Keine Rüstung der Welt schützte vor dem Aufschlag auf blanken Granit. Der einzige Unterschied bestand womöglich in der Größe des Blutflecks.
Der letzte Ast war erreicht, doch reichte er nicht halb so hoch, wie Frost erhofft hatte. Keine Chance, von hier aus auf das Torhaus zu kommen. Es sei denn ...
Die eisernen Ketten, an denen die Brücke hing, schienen unter der Last des Alters müde und nachlässig geworden zu sein. Seltsamerweise kein erkennbarer Rost, aber die Brücke lag nicht mehr unmittelbar am Tor an. Die Oberkante war breit genug, dass man darauf stehen konnte.
Sofern man den Sprung überlebte.
Langsam hatte Frost genug von der Hüpferei. Leider schien das nur niemanden zu interessieren und so ging er seufzend in die Hocke, überprüfte seinen Halt und begann vorsichtig zu wippen. Der Ast knarzte leise, aber er machte mit.
"Du bist verrückt", murmelte Frost, die Schwingung verstärkend, "Völlig durchgeknallt ..."
Dann, als der Ast wieder aufwärts federte, stieß er sich ab. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass der Absprung den Ast brechen würde, doch erwies er sich als robuster als erwartet.
Zu hoch. Oh Sch...
Das Torhaus sprang auf ihn zu. Er versuchte seine Füße in die richtige Position zu bringen, riss die Arme hoch, als ein einzelner Mauerstein auf einmal sein gesamtes Sichtfeld ausfüllte. Der Aufprall warf seinen Kopf zurück und ließ ihn Sterne sehen. Etwas rutschte unter seiner Sohle weg, er fühlte sich fallen, streckte den Arm -- und hing fest.
Benommen schüttelte Frost den Kopf. Da war Eisengeschmack in seinem Mund und eine Menge Schmerz in seiner Zunge. Vorsichtig öffnete er das Auge, spähte nach links, dann nach unten. Sein linkes Bein hing über die Oberkante der Brücke, das andere war in den Spalt zwischen Brücke und Tor gerutscht. Nicht sonderlich bequem ... aber er war noch am Leben.
Prüfend bewegte er das rechte Bein, stützte sich an der Mauer ab und zog es frei. Seine Unterarme pochten schmerzhaft.
Blaue Flecken für alle ...
Immerhin schien nichts gebrochen. Langsam tastete er mit den Stiefeln über die Kante, bevor er sich aufrichtete.
"Komm schon, Candaal. Es ist nicht ganz so wild, wie es aussieht ... nur fast."
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Ein neuer Tag war angebrochen und die beiden Männer marschierten weiter gen Silden. Es war ein recht idyllischer Tag, der mit seinen trockenen winterlichen Kälte und den hellen Sonnenstrahlen den Wanderern die Reise versüßte und ihnen Hoffnung und Mut bescherte.
Der riesige Komet war immer noch zu sehen, zog fortwegs seinen Schweif hinter sich her, doch war er weitergezogen und schien ein genaues Ziel vor Augen zu haben.
"Siehst du Jarvo, er hat Silden schon hinter sich gelassen. Deinen Brüdern und Schwestern droht also keine Gefahr. Kannst beruhigt sein." Odinson sprach, während er seine Arme mit lockeren Schwerthieben langsam aufwärmte. Jarvo tat es ihm nach.
"Beruhigt bin ich auf jeden Fall. Es scheint er zieht Richtung Faring. Vielleicht zerstört er diese Feste des Bösen ja ein für allemal und beschert uns Frieden hier in Myrtana. Zumindest soweit, dass sich die Menschen nur noch gegenseitig töten können, wie vor kurzem im Wolfclan. Warst du dabei, als die Banditen die Stadt in Beschlag genommen haben?"
„Nein, davon habe ich noch nicht gehört. Was war denn da los?“
„Nun, Sylvios hat mit seine Banditen den Wolfclan überfallen und für mehrere Wochen besetzt. Sein Ziel war es glaube ich General Lee zu töten. Ich bin mir da nicht sicher. Auf jeden Fall gab es am Ende eine große Schlacht, in der Lee Sylvio getötet hat. Ich und mein nordmarer Gefährte haben auch mitgefochten. Habe dort meine erste Kampferfahrung gesammelt und nebenbei auch bemerkt, dass ein Schild im Gefecht ganz nützlich sein kann.“
„Dann tue ich ja ganz gut daran dich auszubilden.“, sagte Odinson.
Er hielt an, fragte seinen Schüler ob er bereit und aufgewärmt sei und forderte ihn zu einem Trainingsduell auf. Jarvo nickte und stellte sich seinem Lehrer entgegen. Sie standen auf einer kleinen Lichtung abseits des Weges und waren von vielen kleinen, laublosen Bäumen umgeben, die der Umgebung einen unwirklichen Charakter verliehen. Der Schnee des Vortages war in der Sonne getaut und entblößte den immergrünen Grund unter den Füßen der beiden Kämpfer. Odinson griff als erster an und ließ seinen Schlag parieren, nur um gleich einen zweiten und dritten hinterher zusetzen. Jarvo wehrte jeden der Angriffe nach besten Fähigkeiten ab und setzte gelegentlich einen Konter, doch war er dieser Technik noch nicht so mächtig, wie er es gerne hätte. Er hatte noch Probleme bei schnellen Vorstürmen und dem gleichzeitigen Schützen seiner freien Seite mit dem Schild, welches im manchmal mehr im Weg stand, als es ihm nützte. Doch Odinson versicherte ihm, dass das ein gängiges Problem von Neulingen sei. Jarvo hatte das schon vermutet und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Da seine Finger kalt waren und ein wenig schmerzten, konnten sie den Schild nicht länger halten und er fiel zu Boden. Im gleichen Moment erbebte die Erde und ein tiefes Grollen war zu hören.
Die beiden sahen sich erschrocken um und konnten am fernen Horizont eine riesige schwarze Wolke gen Himmel steigen sehen.
„Das muss das Feuergeschoss sein. Es hat uns getroffen. Siehst du die Richtung? Das muss Faring sein.“
Odinson nickte lächelnd und verschränkte triumphierend die Arme vor der Brust.
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Genugtuung strömte durch seinen Körper wie ein warmer Tee. Innos war mit ihnen. Das war das Zeichen, auf das sie alle gewartet hatten. Deutlicher hätte es gar nicht sein können. Wilde Kampfeslust bäumte sich in seinen Herzen.
„Jarvo, mein Bester. Das ist ein schöner Tag!“
Und mit großen Schritten stapfte er voran. Jarvo musste genauso schnell laufen um Schritt zu halten. Was Jun wohl dazu sagte? Ob sie den Feuerball überhaupt gesehen hatten? Selten hatte Odinson in sich so ein Feuer gespürt. Zufall konnte das nicht sein. Nach allem was passiert war. Die Belagerung, das Abschlachten, die Zweifel. Dann das Abenteuer mit der Unterwasserkönigin und jetzt dieser Feuerball.
Nach einer Weile das Marsches, so konnte man es durchaus nennen, verlangte Jarvo nach einer Pause. Odinson gab sie bereitwillig. Er war gut drauf heute.
„Sag mal müssten wir nicht bald in Silden ankommen? Oder besser wie weit ist es denn noch?“ fragte der Nordmann, während sein Schüler sich Wasser in den Mund kippte. Dieser schaute sich um und orientierte sich. Ein Blick zum Himmel und um ihn herum.
„Ich denke nicht mehr lange!“
„Dann ist gut. Wird nämlich Zeit, dass wir weiter machen! Und weiter geht’s!“ Wieder marschierte er los und lies Jarvo ein Stück zurück, der mit der Flasche zu tun hatte, sie wieder richtig zu verstauen und hinter ihm her eilte.
Geändert von Odinson (19.12.2008 um 17:30 Uhr)
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„Nicht einmal in Ruhe sein Wasser trinken kann man hier. Wir haben doch keine Eile, wir sind recht schnell weit gekommen. Wozu also rennen?“
„Training!“, rief Odinson und eilte weiter voraus.
„Das konnte es nicht sein“, dachte sich Jarvo, während er die Flasche zustopfte und sie in seinem Lederbeutel verschwinden ließ. „Irgendetwas Bestimmtes möchte er in Silden. Es zieht ihn förmlich dort hin. War es der Komet, der ihn zu dieser Euphorie bewegte? Entweder das, oder eine Frau. Keine andere Sache vermag so große Wirkung zu erziehlen.“
Es wurde langsam dunkel und Jarvo konnte förmlich die Sekunden abzählen, in denen er auf Odinson treffen würde. Bei dieser Schwärze, die an jenem Abend durch dicke Wolken, die rasch aufgezogen waren bestimmt wurde, würden selbst scharfe Augen bald verzweifeln und nach dem Licht einer Fackel schreien.
Wie Jarvo vermutet hatte, stand Odinson kein Stück weit entfernt und wartete.
„Licht“, sagte er nur, wobei der Barde die Fackel schon in der Hand und den Feuerstein schon griffbereit hatte. Es dauerte nicht lange, da hatten seine erfahrenen Hände eine kleine Flamme entfacht, die gespenstisch in all diesen verworrenen, in der Dunkelheit verlorenen Pfaden wirkte.
Er entzündete die Fackel, wartete, bis sie gut brannte und gab sie Odinson, der nun ein deutlich langsameres Tempo anschlug. Unermüdlich waren die beiden seit dem Morgengrauen unterwegs gewesen und haben sich Stück für Stück näher an die geheimnisvolle Stadt der Waldmenschen herangebracht. Was die Nacht oder der nächste Tag für sie bringen würde, konnte noch keiner sagen. Doch Jarvo war darüber gewiss, dass er seinem Lehrer die Vorzüge und die Schönheit Sildens schnell näher bringen würde.
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Neuling
Es war die selbige Szenerie wie in der gestrigen Nacht, still und schweigend glitt das Schiff durch die Wellen, sowohl die Bauart, als auch der Antrieb des Bootes waren immer noch unbekannt, und nur die beiden regunglosen Gestalten waren an Deck zu sehen. Noch immer standen sie starr und unbeweglich auf dem Holz ihres Bootes und starrten in die Ferne, in Richtung Festland.
Worte waren untertags kaum gewechselt worden, keine belanglose Silbe war von Nöten gewesen, nur Gefühlszustände im Bezug auf ihre Mission wurden ausgetauscht, sonst passierte nichts.
Es war immer noch das Schweigen, das die Szenerie auszeichnete, das leise Heulen des Windes war zu hören, genauso wie das Klatschen des Wassers gegen das Boot und das Kreischen der Möwen, aber alles versank in der Monotonie und war nach einer Weile eigentlich nicht mehr vorhanden: Der Geist konnte frei und ungehindert dahinvegetieren.
Das Festland war bereits seit geraumer Zeit in Sicht, schwarz zeichnete es sich am westlichen Horizont vom dunkelblauen Spätabendhimmel ab, man sah entfernt die Berge, mehr aber auch nicht, dazu war es noch zu weit entfernt und die Lichtverhältnisse zu schlecht.
Aber die Zeit verging, die Erfüllung der Mission der beiden Männer stand bevor und nur ein kleiner Ruck erschütterte sie, als das Boot auf die sandige Küste Myrtanas auflief, man hörte das Kratzen des Sandes unter den Holzplanken, dann hüllte wieder das Schweigen alles ein. Plötzlich pfiff einer der beiden Männer, nicht laut oder melodiehaft, sondern gleichtönig und eher leise, denn er wusste, dass er sein Ziel auch so erreichen würde.
Und tatsächlich, eine der Möwen folgte augenblicklich diesem leisen Kommando, ging in den Sturzflug und landete auf der Schulter des Hühnen, bereit seine Aufgabe zu empfangen.
Die Mission des Tieres bestand aus einem Brief, einem Brief an die Gemeinschaft des Waldes, deren Abgesandten die Männer eigentlich erwartet, aber nicht vorgefunden hatten, deshalb galt es nun ihre Brüder im Geiste auf sie aufmerksam zu machen.
Brüder und Schwestern im Geiste,
wahrscheinlich habt ihr bereits eine Vorahnung, warum diese Nachricht euch erreicht, denn wir ahnen, dass auch euer Wahrzeichen befallen ist von der Seuche des Todes und des Verderbens. Der Wind flüsterte, dass auch ihr noch keine Lösung gefunden habt, was uns nicht weiter verwundert, denn wir wissen wohl, was der Grund für dieses Ungleichgewicht ist, doch dies soll nicht Inhalt dieses Briefes sein. Stattdessen bitten wir eure tapfersten und weisesten Männer zu uns zu gelangen, das Boot liegt bereit, dieser Vogel wird euch führen. In dieser Stunde unserer Schwäche brauchen wir eure Hilfe, um das Böse zu verhindern und der Natur wieder ihr Gleichgewicht zuzuführen. Versperrt euren Geist nicht, er wird euch sagen, dass dies keine Falle oder dergleichen ist, vertraut uns.
Im Glauben an das Gleichgewicht vereint,
der Nebelorden
Stand in schwarzer Tinte auf einem bräunlichen Stück Pergament, welches nun, da es mit dem Zeichen des Ordens versiegelt war, zusammengerollt an einem Bein der Möwe hing, welche noch einmal kreischte und sich dann abstieß, um so schnell wie möglich seine Mission zu erfüllen.
Zurück blieben die beiden Männer auf dem Boot, alleine und schweigend.
Dekker
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Was wollte der Junge denn. Sie waren doch nicht im Streichelzoo! Doch nun musste Odinson doch langsamer laufen und auch hinter seinem Schüler, denn er wusste wieder nicht wo er war. Oder besser jetzt wusste er gar nicht mehr wo lang. Die Dunkelheit war fast umfassend. Hier wo kein Licht durchbrach oder von einer fernen Stadt den Horizont erhellte.
„Du lass uns für heute aufhören. So kommen wir eh nicht schnell genug heran. Dann können wir morgen durchmarschieren und sind abends da, hoffe ich, was sagst du?“
Jarvo nickte zustimmend und gemeinsam suchten sie eine gute Stelle zum lagern. Sie fanden dann schließlich Unterschlupf unter einer großen Wurzel, eines uralten Baumes und ließen ihre Rucksäcke von ihren Schultern gleiten.
„So, als erstes suchen wir einen großen Haufen Holz zusammen und machen ein feines Knäckerlie, dann üben wir!“
Jarvo der sich gerade ächzend auf einen gemütlich, mit Moos überwachsenem Baumstumpf niedergelassen hatte, stöhnte auf.
„Jaja, nur keine falsche Müdigkeit vortäuschen. Zum Schlafen ist es ja noch eindeutig zu früh und das Abendessen möchte verdient werden. Auf auf mein Schüler!“ Er grinste ihn an. Langsam erhob sich Jarvo und schlurfte los.
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Feen sah sich gezwungen, in ihren Magieübungen zu stoppen und tatsächlich der Orkstadt Montera einen kleinen Besuch abzustatten. Eigentlich waren die Überlegungen dazu hirnrissig und lediglich Geistesgespinste gewesen, doch seit neulich die Erde so furchtbar gebebt hat und man inzwischen hier und da vom aufgewirbelten Sand kaum mehr etwas sehen konnte, erhoffte sie sich, von den Orks eine Aufklärung zu erfahren, wenngleich sie niemanden direkt danach fragen würde. Natürlich spielte die Angst mit, von den verwünschten Schöpfungen angegriffen zu werden, doch inzwischen fühlte sie sich als eine einigermaßen geübte Magierin und würde sich nicht so schnell irgendwo einsperren lassen.
Es war auch der Proviantbedarf, den sie nun, da das Flusswasser noch vom Staub dreckig war, unbedingt füllen musste. Und ein paar bessere Decken brauchte sie für ihre Haustiere und sich selbst. Es ging auf kurz oder lang kein Weg daran vorbei. Feen brauchte unbedingt Aufklärung, was in der Welt geschah.
So entschied sie sich also im Abend, vielleicht auch im Schutze der Nacht, sich der Orkstadt zu nähern und passierte natürlich zunächst das Gelände der Bauernhöfe. Ihr war es plötzlich, da sie den Wald verließ, als ob sie nicht halb so selbstsicher war, als sie zuvor annahm. So zweifelte sie natürlich auch gleich wieder an der ganzen Idee und suchte nach dem sichersten Weg. Sie fand ihn im Besuchen eines Bauernhofes. Vielleicht konnte sie dort ja erste Infos sammeln und dort direkt gegen eine Kostprobe ihrer Magie auch ein paar normale Nahrungsmittel ertauschen. Sie durfte nur kein allzu großes Aufsehen erregen.
Ihr erster Anlaufpunkt war ein leichter. Da saß doch tatsächlich ein großgewachsener Knecht auf einem brutal abgehackten Baumstamm und blickte gedankenversunken in die Nacht hinaus. Er schaute ziemlich kräftig aus, aber bei der Statur würde er Feen wohl nicht erwischen, wenn sie ihm nicht allzu nahe kam. So trat sie näher bis er sie sah und lange und mit wachen Augen beobachtete. Als er sich erhob, wurde Feen erst bewusst, wie groß er war, fast zwei Köpfe größer als sie und bestimmt doppelt so breit. Und dazu ein riesiges, prolliges Kinn. Der Kerl schaute wie ein menschliches Monster aus. Feen biss sich auf die Unterlippe, noch konnte sie wegrennen, doch wohin?
"Bewahret. Mein Name ist Feen. Ich komme von weit her und suche nach Wasser und Nahrungsmitteln. Könnt ihr mir da vielleicht weiterhelfen?"
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Mit der Fackel in der Hand machte sich Jarvo auf die Suche nach Feuerholz, was zu dieser Zeit kein einfaches Unterfangen war. Der Schnee der die vorigen Tag gefallen und auch wieder geschmolzen war, hatte alles aufgeweicht und für eine Benutzung unbrauchbar gemacht. Im Dickicht, durch das der Barde sich kämpfte, war der Boden voll von kleinen, glitschigen Ästen, die jeden Fehltritt mit einem Sturz bestrafen würden. Ein gutes Stück weiter im Waldesinnneren wurde Jarvo schließlich fündig und zog einige dicke Äste hervor, die in einem Holraum des Wurzelwerkes eines gigantischen Baumes versteckt hatten. Als Jarvo in die Öffnung hineinlangte, ertönte ein Knurren, welches der Sildener aber direkt als das eines kleinen Waldbewohners identifizieren konnte. Er holte den Ast heraus und konnte grade noch das davonhuschende Wesen erblicken, dessen Knurren mehr zum Selbstschutz als zur Warnung gedacht war.
Der Barde kehrte zu Odinson zurück, der geduldig und mit einem mulmigen Gefühl in der Dunkelheit gewartet hatte und sich die Zeit mit dem Pfeifen eines bekannten Liedes vertrieben hatte.
„Und, fündig geworden? Warum hast du so lange gebraucht?“
„Wenn du dich mal umschaust, wirst du nur feuchte Bäume erblicken. Genauso sieht es auch mit dem Geäst aus. Wir können froh sein, dass ich überhaupt etwas habe finden können, es hätte genauso gut sein können, dass wir diese Nacht ohne Feuer hätten verbringen müssen. Wenn ich dieses hier zum Brennen gebracht habe, müssen wir noch einmal los und weiteres Holz holen, welches wir nahe der Flammen zum Trocknen legen. Wirst dich noch wundern, wie schnell so ein großer Ast zu grauer Asche verbrennen wird.“
„Ich verlasse mich da ganz auf mich. Ich bin da eher der Stadtmensch. Ob das nun gut oder schlecht ist, wage ich nicht zu beurteilen.“
Odinson schaute gespannt zu, wie Jarvo allerlei Blätter zusammensuchte, es zu einem kleinen Haufen auftürmte und mit Hilfe von Feuerstein und Pyrit einen langlebigen Funken erzeugte, der sofort die trockenen Blätter als Nährquelle aufnahm und in ihnen ein schwaches Feuer entfachte. Der Barde pustete vorsichtig, gab noch mehr Blätter hinzu und stellte ein paar dünnere, kleine Äste dazu, die zügig aufloderten. Den großen Ast brachen die Männer entzwei und legten ein paar der Stücke vorsichtig in Pyramidenform über das Feuer, das langsam an Größe gewann und sich bald sogar zum Anbraten von Fleisch eignete.
Zusammen zogen die beiden los, sammelten weiteres Holz und legten es schließlich ringsherum die Flammen, die eine angenehme Wärme von sich gaben und nach oben hin zu einer grau-schwarzen Rauchsäule ausliefen.
Als dies erledigt war, zog Jarvo sein Schwert, nahm seinen Schild und nickte seinem Lehrmeister zu.
Selbst von weitem konnte man die beiden Gestalten ausmachen, die im Schein des Feuers ihre Körper und Sinne mit eisernem Willen trainierten und der Dunkelheit trotzten.
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Sein Schwert entflammte, sobald er es aus der Scheide zog. Ein leises Knistern begleitete die beiden Kämpfer bei ihren Übungen. Kein anderer Laut war zu hören. Gespenstische Stille hatte sich über den Wald gelegt. Diesen durchbrachen nun die Geräusche des Kampfes.
„Nun mein Lieber Jarvo, kannst du mal zeigen was du gelernt hast. Schlägst du dich gut können wir in die Endphase der ersten Stufe der Ausbildung übergehen.“
Jarvos Augen fingen an zu leuchten und das lag nicht nur an dem Feuer. Bis jetzt hatte Odinson sich zurück gehalten. Natürlich hatte er nicht absichtlich schlecht gekämpft aber der letzte Nachdruck hatte gefehlt. Ihm war durch aus bewusst, dass Jarvo ein sehr guter Schwertkämpfer war. Jedoch das Schild machte ihm noch mehr Probleme als Vorteile. Doch das konnte man am besten beheben, in dem man es musste.
Beide lauerten sie sich gegenüber. Odinson nahm Grundhaltung ein, genau wie Jarvo. Dann ein kurzes Warten und sie stürmten auf einander los. Der erste Schlag kam von Jarvo war aber gut zusehen gewesen. Odinson parierte ihn mit seinem Schild und griff sofort aus der Bewegung an. Sein Schüler parierte zwar mit etwas Mühe, aber gut. Denn er blieb auf beiden Füßen und schwankte nicht. Sie gingen noch einmal kurz auseinander und belauerten sich erneut. Jarvo war jedoch schon etwas aus der Puste. Doch das würde ihm heute nicht eine Schonung einbringen.
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Khali blickte auf das kleine Weib herab. Wo es nur herkam? Aus dem Wald gewiss, das hatte der Hüne beobachtet, aber was machte sie dort? Einen Korb zum Beerensammeln hatte sie nicht mit und besonders warm gekleidet war sie für diese Jahreszeit auch nicht, aber vielleicht irrte er sich da, diese Kutten konnten wärmer sein, als man annahm. Er jedenfalls fror wie eigentlich jeden Abend und dass gerade so eine Frau, die nichts zu Essen hatte so edle Kleider trug, wunderte ihn. Ob er sie ihr abnehmen sollte? Er entschied sich aus drei Gründen dagegen.
1. Er wusste nichts von ihr und ihrem Einfluss auf die Orks.
2. Sie könnte dieser Händler aus Geldern mit dem Kraut für seinen Bauern sein (nur wo hatte sie dann ihren Karren?)
3. Die Klamotten würden ihm viel zu klein sein und mehr als ein paar Fetzen blieben da nicht an seinem überproportionierten Körper übrig.
Also blickte er sie noch einmal durchdringend an. Gefährlich sah sie in keinster Weise aus, viel mehr zerbrechlich und einem Kind gleich, das sich in der großen, weiten Welt verirrt hatte.
Khali deutete mit ausgestrecktem Finger auf einen der Höfe und setzte sich wieder. Feen guckte dort hinüber, regte sich aber nicht. Sie hatte einen Stab dabei, den rammte sie in die weiche Erde. Die Hände vergrub sie dann in die tiefen Taschen, doch der Kälte wegen konnte sie die Füße nicht still halten. Ob sie Angst hatte, weiterzugehen? Angst vor den Söldnern? Es war ihr nicht zu verdenken. Khali war auch froh, heute nichts für sie machen zu müssen und doch Essen zu bekommen. Wie das? Es lag an diesem seltsamen Himmelskörper, der irgendwo im Norden runtergegangen war. Viele der Stadtbewohner hatten Angst, die meisten Orks hatten sich in die Burg zur Beratung zurückgezogen. Manche meinten, nun wäre der Krieg zwischen Orks und Rebellen beendet, andere behaupteten, die Orks würden nun endgültig gewinnen. Das Ganze würde noch eine interessante Entwicklung nehmen. Und dafür einen Tag faulenzen war sowieso gut.
Khali blickte auf. Feen stand immernoch vor ihm. Etwas deutlicher wies er nun zu dem Bauernhof rechterhand von ihm. Was sollte das? Wieso blieb sie nur stehen? War er vielleicht doch in Gefahr?
Geändert von Great Khali (19.12.2008 um 23:40 Uhr)
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Bergfestung
Ihr seid verrückt, wollte sie schreien, bekam es aber nicht aus sich raus. Irgendwie brauchte sie endlich wieder Wärme. Aber das war nicht normal. Und damit meinte sie nicht mal nur Frost und Candaal, sondern auch, dass sie sich so schwach fühlte. Eigentlich hatte Leyla immer das Gefühl gehabt, eine ganze Weile lang Kraft zu haben. Die letzten Tage waren zwar durchaus extrem anstrengend, aber danach war auch Zeit zur Erholung gewesen. Es musste also etwas anderes sein. Etwas, das sie sowohl auf körperlicher, als auch auf magischer Ebene schwächte. Stimmte etwa im magischen Gefüge etwas nicht?
Sie schüttelte den Kopf.
"Nein, das ist verrückt", sagte sie vor sich hin, "Ihr seid verrückt!"
Nun hatte sie es doch laut rausgeschrien. Aber wahrscheinlich wussten die beiden das auch sehr gut selber. Sofern Frost das noch hörte, er war bereits auf dem Torhaus. Oder besser hing er dort in einer etwas seltsamen Position. Nur Candaal war nun noch auf dem Geäst über ihr, viel mehr über dieser Schlucht, die sich da zwischen ihr und der Festung auftat, was allerdings recht unglücklich wirkte. Würde er wirklich springen? Sie schätzte ihn eigentlich längst nicht so agil ein, wie ein Frost es ohne Zweifel war. Er hatte es eben nicht umsonst bewiesen. Nein, Candaal würde wohl Hilfe brauchen, wenn er heil in der Festung ankommen wollte.
Plötzlich war sie wieder hellwach. Es war sicherlich die Aufregung, die ihren Kreislauf wieder etwas in Schwung brachte. Dennoch merkte sie weiterhin, dass irgendwas nicht stimmte.
Die Blonde fixierte den Felsen, dann das Geäst, das da heraus wuchs. Einfach würde das nicht werden. Für sie und für Candaal.
"Candaal?! Ich könnte euch etwas helfen! Allerdings müsst ihr dann exakt zum richtigen Zeitpunkt abspringen, sonst ist der Ast, auf dem ihr steht, abgebrochen! Wenn ihr das wollt, sagt es mir. Dann müsst ihr springen, sobald ich 'jetzt' rufe!"
Die Ovates hoffte, dass alles bei ihm angekommen war. Vor allem der gefährliche Teil ihres Plans. Sie wollte den Baum langsam aus dem Fels lösen, denn seine Wurzeln waren noch ein ziemliches Stück lang. Damit würde Candaal weiter an das Torhaus herankommen. Allerdings bedeutete es auch, dass der Ast, auf dem er sich befand, weiter nach unten rutschte und irgendwann abbrach. Es war ein Risiko, aber Höhe ließ sich ihrer Ansicht nach einfacher überwinden, als diese immense Entfernung.
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Was war das denn für ein grober Klotz? Kein Hallo, kein ich heiße soundso, nicht mal eine Regung im Gesicht, einfach nur das Handzeichen zum Bauernhof. Für einen Moment zweifelte Feen sogar daran, dass das überhaupt noch ein echter Mensch war. Er hatte so gar nichts von dem, was die Natur ihm im Kern hätte geben sollen - Menschlichkeit. Doch mit seiner zweiten Bewegung wurde er deutlicher, sie sollte gehen, dessen war sie sich nun bewusst. Wahrscheinlich war aus diesem Brösel nichts herauszubekommen. Wie auch immer...
Gerade wollte sie sich abwenden, da vernahm sie ein Rascheln aus den Büschen in der Nähe. Sogleich pochte ihr Herz schneller, sie drehte sich um und fasste ihre Stabkeule mit beiden Händen, wenngleich das unnütz war, aber sie wollte sich ja nicht sofort für jeden als Naturmagierin outen. Der Fremde dagegen sprang sogleich auf und sprintete wie ein Bekloppter auf das Gebüsch zu.
'Gut so...', dachte Feen noch in einem Moment, doch im nächsten wurden ihre Gefühle wie mit einem Rührer durchgemischt und sogleich saß ihr der Schock wieder im Nacken. Dort aus dem Gebüsch sprang ihr Ferkelchen Trüffel, irgendwie musste er ihr gefolgt sein.
"NEIN!", schrie sie wie im Affekt den Fremden an. Der war drauf und dran, sich das Schwein zu schnappen. Was ging nur in dem Kopf dieses Verrückten vor? Feen blieb nichts anderes übrig, sie beschwor einen Dornenstrauch um das arme Tier herum, sodass der Brösel in die spitzen Stachel griff. Und er schrie auf.
'Soso, doch nicht stumm', dachte sie überlegen, doch sogleich fing sie einen eisigen Blick des Kerles ein. Sie zuckte zusammen, griff den Stab fester falls er wirklich handgreiflich werden wollte. Der Kerl glich einem Ochsen, der kurz vor dem Wildwerden war...
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'Essen', das war dem Great Khali durch den Kopf geschossen. Und gleich darauf: 'Fleisch'. Er hatte gleich gerochen, dass es ein Schwein war, so oft wie er schon die Scheiße dieser kleinen Biester weggeschippt hatte. Und natürlich hatte er nicht gezögert, sein Verlangen nach Essen zu stillen, das bisschen Suppe, was er bekam, war ja wirklich nichts, was man einem Mann seiner Statur zum Sattwerden zumuten konnte. Also war es nur logisch, dass er aufsprang und sich das Viech schnappte. Vielleicht hätte er Feen ja auch was von seinem Festschmaus abgegeben, aber so wie sie jetzt blickte und so seltsam wie dieser Dornenstrauch plötzlich vor ihm auftauchte, konnte er ihr kein Vertrauen mehr schenken.
Stattdessen plusterte er sich auf wie ein Bär, der seine Dominanz über das Territorium beweisen wollte. Diese kleine Frau nahm das verängstigte Ferkel in die Arme, hielt aber ihren achso gefährlichen Stab nun nur noch mit einer Hand.
"Fleisch!", gröhlte er heraus und deutete auf das saftig rosa Tier. Das war wohl das erste Wort, das er seit mehreren Wochen von sich gegeben hatte.
Noch zwei Schritt ging er auf sie zu, um ihr ganz klar zu machen, wer hier wem lieber gehorchen sollte. Doch Feen machte gar keine Anstalten, das Ferkel loszulassen, stattdessen funkelte sie ihn finster an und stampfte den Schaft des Stabes in den Boden.
"Gib Khali Fleisch! Sofort!"
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'Du spinnst wohl!', sie hätte diese Worte fast ausgesprochen, es aber schließlich unterlassen, ihrer gutmütigen Ader zuliebe. Doch wenn der Klotz, Khali sein Name, so weitermachen würde, würde sie bald für nichts mehr garantieren können. Und wenn ihre Geduld erst einmal platzte, dann konnte wirklich einiges außer Kontrolle geraten. Der Kerl hatte keine Waffe bei sich. Das war wohl auch ausschlaggebend für die Willenskraft, mit der sie ihm begegnete.
"Ich denke gar nicht daran", sprach sie mit gezwungener Ruhe und starrte den Koloss weiter mit düsteren Blicken an, "Dieses Geschöpf ist nicht nur mein Haustier und Freund. Es ist eine Schöpfung des Herren Adanos und der Mutter Natur. Entschuldige dich sofort für deine sündhaften Gedanken, es zu schlachten!"
Damit war endgültig der Ochse los. Khali sprang einen Schritt voran, doch weiter kam er nicht. Feens Ranke packte ihn erst am rechten Fuß, doch ehe der Hüne nach vorn überfiel, packte ihn eine zweite Ranke blitzschnell an der Schulter und zog ihn zurück, sodass er hart auf dem Rücken landete. Er schrie auf, zerrte mit den muskelbepackten Armen an den Ranken, doch keine Chance. Innerhalb weniger Augenblicke war er einem Cocon gleich eingewickelt, lediglich der Kopf mit diesem furchtbaren Kinn blickte noch heraus. Natürlich schrie er. Wie lange würden sie hier noch ihre Ruhe haben? Feen sollte sie wohl nicht zu lange aufs Spiel setzen. Hier war alles schief gelaufen, heute würde sie sich wohl nicht mehr in Montera und Umgebung blicken lassen...
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'Hexe!', schoss es ihm durch den Kopf, doch aussprechen konnte er es nicht, wenngleich er einen starken Wunsch danach verspürte. Doch ihr verdammter Zauber schnürte ihm nicht nur den Blutdurchfluss ab, nein auch Luft bekam er kaum noch. Und dabei war seine Lunge schon genug geschadet. Er hatte dieses Weib völlig unterschätzt. Man kann gar nicht beschreiben, mit welcher Mischung von Verachtung, Scham und Angst er sich gegen den unerbärmlichen Griff der Ranken wehrte. Selbst seine Schreie verhallten bald, mehr als ein Röcheln blieb nicht übrig. Er blickte auf den Boden. Sein Blick verengte sich bereits, sah die Schwärze Überhand gewinnen.
"...nicht...bitte...", hauchte er und mit einem Mal fiel eine riesige Last von ihm. Die Ranken waren fort und er atmete schwer und schnell. Arme und Beine ausgestreckt lag der Koloss auf dem dreckigen Boden und blickte gen Himmel. Sie hatte ihn am Leben gelassen. Die Hexe war verschwunden. Und er musste gegen die Tränen kämpfen.
Irgendwann fing es dann auch an zu regnen. Wie ein Segen wusch er den Körper des Khali rein...
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