Shin Angyo Onshi - kor. Manhwa
[Bild: 9339_onshi6.jpg]
Genre: Seinen, Fantasy, Historisch, Action
Besonderheit: Ist zwar ein koreanisches Werk, aber für ein primär japanisches Publikum gezeichnet. Deshalb verschwimmt hier die Grenze Manga/Manhwa. Die Zeichnungen wirken ein bisschen atypisch für koreanische Manhwa und die Geschichte wird (wie übrigens auch der Manhwa the Breaker) von rechts nach links gelesen.
Handlung
Angyo Onshi, das waren mal Helden für das Volk. Die elitären und handverlesenen Geheimagenten des mächtigen Königreichs Jushin durchkämmten inkognito das weite Reich und merzten, wo immer sie sie fanden, Korruption und Unrecht bei Herrschern wie auch Dienern aus.
Doch nun ist Jushin nicht mehr und mit dem Niedergang des Reichs sind auch die Angyo Onshi Geschichte. Alle, bis auf einen. Und dieser sinnt auf Rache für die Zerstörung seiner geliebten Heimat.
Hauptcharaktere :
Munsu - Der letzte Angyo Onshi. Ist ein cleverer, verschlagener Typ, der Feinde durch Taktik und List überwindet. Er sinnt auf Rache für die Zerstörung seiner Heimat
Aji Tae - Munsus erklärter Erzfeind. Munsu macht ihn verantwortlich für den Fall von Jushin.
Kritik
Shin Angyo Onshi ist eine der Perlen unter den koreanischen Manhwas.
Die Geschichte beginnt bereits in den ersten 2-3 Kapitel ziemlich unkonventionell und wartet mit einer pfiffigen Pointe auf, die zugleich enthüllt, dass der Manhwa zum einen Stoff für ein reiferes Publikum ist und zum anderen der Protagonist kein klassischer Held ist, sondern eher das Gegenteil : Ein ruppiger, dickköpfiger Egoman, der über Leichen geht und absolut berechnend handelt.
Die Grundidee des Autors Youn In-Wan, die er besonders in der ersten Hälfte des Manhwa stark verfolgt, ist das Beleben und Bekanntmachen von populären koreanischen Märchen. So kommen in den kleinen Arcs (die sich über 4-9Kapitel à 30-60 Seiten erstrecken) oft Märchengestalten wie Nongae, die Yojin oder Pyeonggang vor, die der Autor in verstrickte Plots einbaut. Die Arcs sind sogesehen eigenständige Geschichten des Autors, orientieren sich aber an den bekannten Gestalten, bauen diese ein und erhalten in gewisser Weise auch die "Moral der Geschichte" aus den echten Märchen. Am Ende jedes Arcs findet sich zudem eine Seite, in der der Autor dem Leser im nachhinein erklärt, welche Figuren aus Märchen und Sagen stammen und worum es in diesen Märchen tatsächlich geht. So hat man neben einem spannenden Manga/Manhwa auch noch ein Stück koreanischer Kultur gelernt, wenn man fertig mit einem Arc ist.
Obwohl die erste Hälfte des Manhwas wie gesagt nun viele solcher kleiner Geschichten erzählt, wird dennoch eine größere Handlung aufgesponnen, die sich mit Fortschreiten der Geschichte immer mehr in den Vordergrund bringt und letztendes das Finale einleitet. Schön ist hier besonders, dass der Leser die gesamte Vorgeschichte um den Fall Jushins und genaue Vorgänge nur Stück für Stück erfährt und der Protagonist deswegen lange Zeit ein Mysterium ist, das sich erst langsam klärt. So ist man stets am Grübeln und hat es schwerer, seine Handlungen einzuschätzen. Das bringt nebenbei auch einige weitere kluge Pointen im Lauf der Geschichte.
An dieser Stelle sollte aber auch nochmal erwähnt werden, dass Shin Angyo Onshi tatsächlich auf gleich 2 Ebenen ein klassischer Seinen ist : Er geizt zunächst nicht mit Gewalt und expliziten Gore&Pulp-Elementen. Zwar noch nicht so sehr, dass wir uns im Horrorgenre bewegen, aber einige Szenen kommen den düsteren Momenten aus Berserk doch ziemlich nahe.
Zum anderen ist Shin Angyo Onshi ziemlich komplex. Er verbindet viele verschiedene Handlungsstränge ineinander und die Motivationen der Figuren sind teilweise recht vielschichtig. Kriegstraumata, Verrat, Dreiecksbeziehung, viele Lügen und Betrügereien, Intrigen, eine Menge Surreales und die wiederkehrende Frage nach dem Menschsein (oder mehr) spielen häufig ineinander und erfordern viel Aufmerksamkeit. Manche Dinge sind zudem nicht eindeutig gelöst, sodass man selber ein Stück weit interpretieren muss/kann.
Zeichnerisch hat der Mangaka Yang Kyung-Il hier ganze Arbeit geleistet. Die Figuren und Landschaften in ruhigen Momenten sind wirklich schick geraten und bringen den Prunk und Pathos mit den man in einem Fantasy-Manga erwartet. Glänzende Rüstungen, verwegene Gestalten, düstere Gegner, Zauberei, riesige Monster.. hier werden alle Register gezogen. Das ist an einigen Stellen wohl ziemlich klischeehaft und auch ein wenig kitschig, aber handwerklich kaum zu bemängeln. In Kämpfen und Schlachten (besonders den größeren) ist der Stil manchmal etwas unübersichtlich und die Panels teils etwas überladen. Zudem - was nicht bloß Schuld des Zeichners ist - artet der Manga gegen Ende etwas aus, was die Kräfte mancher Figuren angeht und trägt ziemlich dick auf.
Kämpfe.. nunja auch einen Punkt wert, da es viele gibt. idR sind diese zwar clever dargestellt und auf actionreich aber keineswegs so, dass ich sie mit Mangas messen wollte, die Martial Arts (zB Holyland oder Tough) oder generell übernatürliche Kämpfe (Dragonball, Bleach, Naruto) ganz zentral thematisieren. Die Kämpfe sind bei Shin Angyo Onshi zwar bildgewaltig, aber meistens recht kurz und dienen oft mehr dem Vorantreiben der Handlung und um etwas über die Figuren zu erzählen. Schön finde ich, dass Munsu selbst kein Vertreter ist, der im Lauf der Geschichte "Supersaiyajin 3 wird, Gear 2 einsetzt oder das Bankai entdeckt", sondern eher geerdet mit seinen Mitteln umgeht und taktiert. Die übernatürliche Fraktion gibt es aber (natürlich) auch, mit Magie und Ki-Schwert etc.
Shin Angyo Onshi ist in 75 überdurchschnittlich langen Kapiteln abgeschlossen.
Ich kann diese Geschichte jedem empfehlen, der erwachsenere Plots mag, etwas für Berserk übrighat, etwas über Koreas Kultur lernen mag uuuund jedem, der mal einen wirklich raffiniert und detailliert dargestellten Hauptcharaktere erleben mag, der bis zum Schluss noch Überraschungen parat hält.
Zeichenstil 09/10 In großen Actionszenen überladen und auch sonst ab und an unsortiert. Ansonsten ein absoluter Augenschmaus, der sich mit den besten des Genres messen kann
Plot 09/10 Variiert das Thema, hält den Grundton, mit seltenem Humor und viel Spielraum für Nebenschauplätze. Außerdem stimmt der Dramaturgie-Bogen und das stückweise Enthüllen von Munsus Vergangenheit ist ein cleverer Kniff
Charaktere 08/10 Der Manga nimmt sich viel Zeit, um nach und nach die Kumpanen und auch Feinde aufzubauen und ihnen Tiefe zu verleihen. Fast alle haben irgendwie plotrelevante Probleme und (rel.) glaubhafte Motivationen. Dumm, dass Munsus Bodyguard, trotz wichtiger Rolle, ziemlich eindimensionaler Fanservice bleibt.
Action 08/10 Saubere handfeste Action mit einigen Pulp-Elementen und einer Prise Taktik im Hintergrund. Magie, Schwertkampf usw. haben alle mal ihr Screenplay. Schon in der oberen Riege angesiedelt, aber kein Meilenstein
Anspruch 07/10 Butter bei die Fische - Durch die ersten Kapitel kann man einiges an koreanischer Folklore lernen und auch die Geschehnisse um Jushins Fall sind vielschichtig. Da hört es aber auch auf, was den "Anspruch" anbelangt.
Weil der Manga gegen Ende etwas zu dick aufträgt, einer der Hauptcharaktere in seiner Charakterzeichnung total abfällt und zur absoluten Legende in den meisten Bereichen ein Quentchen fehlt, gebe ich
9/10
Anisearch-Score 4,14/5