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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Plötzlich wurde Dumak vn Nienor gepackt und weggerissen. Sie stieß den Barden an sich vorbei, weiter in den Gang hinein. Schreckgeweitete Augen sahen ihn an.
    »Was... wieso...«. stammelte er, dann blies ein starker Lufthauch fast die Fackel aus, die immernoch zu Füßen Nienors lag. Der Barde fiel und im Fallen drehte er sich und sah zurück. Und er sah, warum Nienor ihn fortgerissen hatte, wovon sie ihn fortgerissen hatte. Hinter ihnen war der Gang ausgefüllt von einem Wesen, einer Bestie, einem Monster. So schrecklich war ihr Aussehen, daß man sich nicht traute, den Blick schweifen zu lassen. Gefesselt an einen Fleck starrte der Barde das Wesen an. Ein riesenhaftes Maul, halb geschlossen, nur eine dicke, fleischige Zunge, am Ende gespalten, bedeckt über und über mit Warzen und eitrigen Geschwüren, ragte heraus, eingesperrt von einem schrecklichen Zaun weißer, nein gelber, schmutzigweißer, schwarzer Zähne, schief und unregelmäßig. Gesplittert, hochaufragend, spitz und schmal, breit und zackig, wild zusammengestellt zu einem Panoptium des Schreckens. Wenn dieses Maul sich öffnete und wieder zuschnappte...
    Unfähig, sich zu rühren, aufzustehen und wegzurennen, wie es der Instinkt doch eigentlich befahl, lag oder vielmehr saß Dumak auf dem feuchten Boden des Ganges, abgestützt durch die Hände, zitternd und doch wie festgenagelt.
    Große gelbe, tückisch blickende Augen durchbohrten ihn, ließen ihn wie gelähmt zurück. Die Pupillen wie brennende Wagenräder umgeben von lodernden Flammenrändern fraßen sich in seine Gedanken, ließen ihn innerlich aufschreien. Jetzt endlich raffte er sich wieder auf, kam auf die Beine und rannte panisch davon, weiter in den dunklen Gang hinein, ohne Licht und ohne nachzudenken. Einen spitzen Schrei ausstoßend floh er, die pure Angst im Nacken, durch den Gang.
    »Lauf, Dumak, lauf!«, hallte es ihm noch in den Ohren. Dann nur noch ein grausames Brüllen.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    »Lauf, Dumak, lauf!«, hatte sie gebrüllt, als der Barde endlich aus seiner Starre aufgewacht war und sich aufrappelnd zur Flucht wandte. Sie selber hatte die Fackel wieder aufgenommen, in die rechte Hand gewechselt und griff mit der Linken nach ihrem Schwert.
    Die Bestie füllte den Gang komplett aus. Mit weitem Schwung zog Nienor die Fackel vor, während sie noch damit beschäftigt war, das Schwert aus der Scheide zu ziehen. Mit einem Kreischen sprang das Untier zurück, bewegte sich trotz seiner Größe und Unförmigkeit behende. Denn es überragte die Kämpferin um doppelte Haupteslänge und käme, wenn es sich streckte, sicher an die Decke des Ganges. Sein Körper war nur teilweise von einem schmutziggrauen Fell – jedenfalls soweit das die Fackel erhellen konnte – bedeckt, der Rest bestand aus kahler, schwarzbrauner, ledriger Haut, unter der sich gewaltige Muskeln spannten.
    Gestank hüllte Nienor ein, das Fell hatte Feuer gefangen durch den Fackelstoß, wild wischte sich das Monster mit der linken Vorderpranke über die Schnauze, versuchte, das Feuer zu ersticken. Dicke Rauchfahnen zogen fort, ließen den Geruch verbrannten Horns zurück. Jetzt hatte Nienor ihr Schwert in der Linken, zog die Fackel zurück und stieß mit der Waffe nach vorne. Die Bestie wich wieder zurück, brüllte dann laut, daß es schauerlich im Gang widerhallte und Nienor fast das Trommelfell zerplatzen ließ und sprang auf den kleinen frechen Mensch zu, um ihm den Kopf abzubeißen.
    Doch die gewaltigen Kiefern schlossen sich – um Luft. Nienor hatte sich geduckt, war seitlich ausgewichen und versuchte nun, ihr Schwert in die Seite des Halses zu stechen und tief darin zu versenken. Doch das struppige Fell ließ sich nicht durchdringen, wie ein stumpfer Stock drückte das Schwert gegen das Monster, verletzte es jedoch nicht. Nienor sprang zurück und holte erneut aus, schwang das Schwert über dem Kopf und landete einen Treffer, nachdem es mit voller Wucht geschwungen wurde, alle Kraft in den Schlag hineingelegt wurde.
    Blut troff aus der Wunde, von der Schnauze des Monsters, schmerzerfüllt brüllte es auf. Rasende Wut sprach aus den großen Augen und nun wurde das Maul weit aufgerissen, die eklige Zunge zuckte darinnen und ein Schwall verbrauchter, stinkender Luft drang Nienor entgegen. Wild entschlossen stieß sie ein weiteres Mal mit dem Schwert vor, durchbohrte den Rachen des Untiers, hob dabei den rechten Arm mit der Fackel wieder an, so daß die Flamme während der Bewegung fast verlosch und danach aufloderte und sich gierig in das stumpfe Fell des Gegners fraß.
    Das Maul schnappte zu, keinen Augenblick zu früh zog die Kämpferin ihr Schwert wieder zurück, das Monster richtete sich auf, schlug mit den Vorderpranken wild um sich, erregt in höchster Wut, angestachelt vom Schmerz. Nienor wurde getroffen, nach hinten geschleudert, gegen eine Wand, die ihren Flug stoppte. Mit scheppernder Rüstung erreichte sie den Boden, stöhnend vor Schmerz. Hatte ihr der Prankenhieb ein paar Rippen gebrochen? Sie atmete schwer. Jedesmal, wenn sich die Lungen füllten, verspürte sie einen stechenden Schmerz im Brustkorb. Doch blieb keine Zeit, sich an die Schmerzen zu gewöhnen. Tapfer richtete sich Nienor auf, hob erneut das Schert, ließ es kreisen, bückte sich unvermittelt, hob dabei die auf dem Bode liegende und glücklicherweise immernoch brennende Fackel auf, um diese erneut in das Fell zu stoßen.
    Doch was war das? So als ob in einen Teich, auf dessen Oberfläche sich das Antlitz spiegelte, ein Stein geworfen würde und die daraus entstehenden Wellen das Bild zerfließen ließen, so zerfloß auch der Gegner vor ihren Augen, als sie die Fackel erneut gegen die Bestie schwang. Sie schien sich aufzulösen, zurückzuweichen, nichts passierte. Erstaunt ließ Nienor die Fackel sinken, als der Gegner sich wieder klar zeigte. Das Monster hob die dicke, krallenbewehrte Pranke und schlug von oben zu. Reflexartig hob die Kriegerin ihr Schwert und deckte sich damit, duckte sich darunter. Die Pranke traf auf die Schwertspitze, fuhr tief, weil mit voller Wucht niedersausend, darin ein, die Schwertspitze auf der Oberseite wieder heraustreten lassend. Ohrenbetäubendes Schmerzgebrüll begleitete diesen Vorgang.
    War das Tier eben noch unverwundbar, nebelhaft, so war es zu diesem Zeitpunkt wieder vollends real gewesen. Und so auch verwundbar. Das Wesen zog sich zurück, jedoch nicht auf normalem Wege, sondern wiederum veränderte es seine Form und wie eine Art Flüssigkeit wurden alle Körperteile nacheinander in die Dunkelheit abgezogen.
    Stille.
    Nienor atmete schwer, wurde wieder des Schmerzes gewahr, den ihr die gebrochenen Rippen bescherten. Keuchend wollte sie wieder aufstehen, sich auf ihr Schwert stützend, da schoß auf einmal urplötzlich ein Arm, einer Tentakel gleich aus der Dunkelheit und packte sie, umschlang ihren Körper und hob sie hoch. Klirrend fiel das Schwert zu Boden. Im ersten Moment vollkommen überrumpelt, zog die junge Frau dann jedoch ihren Dolch und stach mit der spitzen Klinge auf den Tentakelarm ein. Jetzt erhellte die flackernde Fackel mehr von der Szenerie, denn ihre Flamme hellte sich auf, während Nienor sie unwillkürlich hin und her schwenkte, selber wild durch die Luft geschleudert durch die Tentakel. Noch mehr dieser langen Fangarme füllten den Gang aus, klammerten sich an die Steine der Wände, hielten sich in den Kanten, wo Wände auf Decke oder Boden stießen, fest. Und alle führten sie zu einem großen, schnabelartigen Maul, das wild zuckend und schnappend in ihrer Mitte saß. Nur Tentakeln und diese Mundöffnung, für mehr war kein Platz. Wild stieß Nienor auf den sie umklammert haltenden Fangarm ein, wieder und wieder. Blut spritzte, Haut, Fleisch und Sehnen zuckten, doch noch wurde sie nicht losgelassen. Für Angst war keine Zeit. Für Schmerz ebensowenig. Die Kriegerin faßte die Fackel fester, nahm sie zu Hilfe, stieß sie fest in die offene Wunde. Da endlich wurde ihr Körper freigegeben. Schwer fiel sie auf den harten Boden, spürte wieder die gebrochenen Rippen, ebenso den Hals, dessen Haut brannte. Abschürfungen?
    Wieder stieß der Arm vor, begleitet von ein paar weiteren Tentakeln. Diesmal schien es kein Entkommen zu geben, obwohl die Kriegerin ihr Schwert wieder in der Hand hatte, aufgelesen vom Boden des Ganges. Von allen Seiten drangen die Arme plötzlich auf die ein, wild schwang sie ihre Klinge, um sich einen freien Raum zu schaffen, doch wo sie ein, zwei Arme abhieb oder wenigstens so traf, daß sich diese zurückzogen, drangen woanders fünf andere Tentakeln nach. Es schien aussichtslos.
    Doch in der größten Not hielten die Angreifer inne, zogen sich plötzlich zurück und ballten sich um den Schnabel zusammen. Aus der Ferne wurde der Klang einer Melodie, gespielt auf einer Laute, herangetragen.

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Dumak war gerannt, panisch, ohne nachzudenken, gehetzt. Immer wieder stieß er gegen die Wände des Ganges, tastete sich in stockfinsterer Nacht an den Wänden entlang, stolperte, stand wieder auf. Die Fingernägel brachen ab, als er sich die Fingerkuppen an der rauhen Wand stieß, egal, weiter, nur weg von hier. Panische Angst stieg in ihm auf, griff mit ihrer Klauenhand um das Herz, presste die Lunge wie ein Schraubstock zusammen, legte sich auf eine abstoßend schmeichelnde Art sanft um seinen Hals und schnürte ihm die zuletzt die Luft ab. Doch er rannte weiter, weg, nur weg. Völlig außer Atem war er zuletzt in einen Raum, erfüllt mit Dämmerlicht, gestolpert. Das blasse Licht des Mondes, der als dünne Sichel am Himmel stand, erhellte die Szenerie nur wenig. Es fiel durch große Löcher in der Decke. Dumak sank zusammen. Von hier führte kein Weg weiter. Er war in einer Sackgasse gelandet. Es war zu Ende. Ohne Hoffung ließ er sich fallen, lehnte seinen bebenden Körper gegen die rissige Wand.
    Doch was hatte er nur getan? Nienor alleine gelassen mit einem schrecklichen Gegner. Er dachte mit Schaudern an das mit Zähnen gespickte Maul der Bestie, aus dem stinkender Speichel troff und schlug in einer verzweifelten Geste die Hände vor’s Gesicht.
    Doch durch die Lücke zwischen Ring- und Mittelfinger glänzte etwas. Das Mondlicht beschien einen Gegenstand, der auf einem Sockel lag. Neugierig stand Dumak auf und kam näher. Der Sockel war von Schutt eingehüllt, an seinen Wänden stapelten sich kleine Halden aus herausgebrochenen Steinen, Stuck, Putz, Mörtel. Die Kanten des Sockels waren rissig und unregelmäßig. Doch auf ihm lag, als ob sie eben noch benutzt wurden wäre, eine Harfe. Kein Staub schmälerte den Glanz der Verzierungen, keine der vielen Saiten war gerissen. Zwischen all den Ruinen lag dieses Instrument rein und unberührt. Ein Rätsel war es, daß über dem Sockel die Decke eingebrochen war und doch nichts von dem Schutt der heruntergekommenen Steine direkt unter diesem Loch lag.
    Fasziniert und gebannt von dem, was er gefunden hatte, streckte Dumak die Hand aus und berührte die Harfe vorsichtig mit dem Finger. Sie war real, kein Trugbild. Und in einem Anflug von Verwegenheit griff er letztendlich entschlossen mit der einen Hand nach dem Instrument und fuhr mit der anderen über die Saiten. Ein wunderbarer Klang erfüllte den halb zerstörten Raum. Dumak wußte nicht, was er spielte, er wußte nicht, was für eine Melodie ihm da von den Fingern sprang, er berührte einfach die verschiedenen Saiten in einer Reihenfolge, daß es eine wunderbare Melodie ergab, die weithin hallte, durch den Raum und in den Gang, aus dem er gekommen war. Überallhin drang die Melodie, sie erhob sich über die alten, halb zerfallenen Gemäuer und wanderte über den Wald, der den Berg umgab. In jeden Winkel flog sie, überall wurde sie vernommen. Alles hüllte sie ein mit ihrem sanften, fremdartigen und doch so melancholisch-vertrautem Klange. Wie eine feine Decke aus leichter Gaze, aus glänzender Seide legte sie sich über jeden Boden, schmiegte sich an jede Mauer, vergaß auch nicht den kleinsten Grashalm, hüllte alles ein und - berührte es, wie man sich vom Atem der Gefährtin, die des Nachts neben einem lag, berührt fühlte. Die Melodie berührte die Seele eines jeden Dinges.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Und auch den Feind, gegen den Nienor verzweifelt kämpfte, berührte sie. Schrill kreischte das Monster auf, die Tentakeln breiteten sich noch einmal aus, zogen sich dann zusammen, die Gestalt des Wesens änderte sich erneut, aus dem vielarmigen Ungeheuer wurde in Windeseile eine riesige Raubkatze, die sich jedoch sofort wieder in einen gefiederten Greif verwandelte. Der peitschende Schwanz und die im für ihn viel zu engen Gang eingequetschten Flügel verschwanden jedoch sofort wieder und wurden durch einen geschuppten Schlangenkörper ersetzt. Die Schlange wand sich hin und her und mit Entsetzten verfolgte Nienor, was geschah, rutschte rückwärts gegen die nächste Wand und presste sich mit weit geöffneten Augen dagegen.
    Die Schlange jedoch war schon wieder Vergangenheit, jetzt wurden die Wechsel immer schneller, Pranken, Schnauzen, Zähne, Ohren, Flügel, Schwänze, Gefieder, Fell, nackte Haut, Schuppen, alles wechselte sich immer schneller ab. Wie in einem Zeitraffer veränderte sich die Gestalt immer wieder. Doch wurden die Wechsel immer unvollständiger, bis nur noch hin und wieder das Aufflackern einer anderen Form blieb. Am Ende des sehr seltsamen Vorganges lag der Körper eines Menschen, eines alter Mannes leblos vor ihr, nackt, mit weißem Haar. Er zerfiel im selben Augenblick zu Staub und Asche und nur ein weißes Häufchen blieb von ihm übrig, die Konturen seines auf dem Boden liegenden Körpers nachahmend.
    Atemlos hatte Nienor dem ungewöhnlichen Schauspiel zugeschaut. Doch jetzt erhob sie sich seufzend, bei jedem Atemzug den Schmerz in ihrer Brust spürend. Sie nahm die Fackel, die wieder auf dem Boden lag, auf und schleppte sich den Gang weiter, auf der Suche nach Dumak und der Quelle der Melodie, die jedoch gerade wieder verstummt war. Nach einer Weile trat sie, wie vor ihr schon der Barde, in den Raum mit dem Sockel. An einer Wand lehnte der Barde und neben ihm lag eine zerbrochene Harfe.
    »Hast du die Melodie gespielt?«
    Der Barde antwortete nicht. Er saß mit in unbekannte Fernen schweifende Augen gegen eine Wand gelehnt und schien vollkommen abwesend.
    »Du hast mir... uns gerade das Leben gerettet«, sprach Nienor mit Mühe weiter. In ihre Lunge bohrte sich bei jedem Atemzug eine imaginäre glühende eisenspitze. »Die schreckliche Bestie, gegen die ich gekämpft habe, ist tot. Sie wurde von der Melodie, die du auf der Harfe da gespielt hast, getötet.« Sie verstummte, bemerkend, daß das, was sie eben gesagt hatte, äußerst seltsam klingen mußte. Aber Dumak würde schon wissen, was sie meinte.
    Sie ließ sich nieder. Die glühende Spitze erkaltete und der Schmerz ließ nach. »Warum ist sie kaputt?«

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    Jetzt endlich rührte sich Dumak und sah Nienor an.
    »Was ist? Oh.« Er brauchte eine Weile, um alles zu verarbeiten, was ihm Nienor gerade erzählt hatte.
    »Du bist verletzt. Dein Hals ist ganz rot vom Blut.«
    Doch die Kämpferin winkte nur ab. »Ist nicht tief. Nur ein Ritz.«
    Dann zeigte sie stumm auf die Reste der Harfe.
    »Ja, die Harfe«, begann Dumak ganz langsam, so als müßte er sich an etwas erinnern, was lange Zeit zurücklag. »Ich... ich habe sie gefunden... und dann hab ich auf ihr gespielt. Ich weiß nicht, was es war, es kam einfach über mich.«
    Und dann sprudelte es aus ihm heraus: »Ich meine, es war nicht so, als hätte mich jemand dazu gezwungen, ich wollte es, es war so, als würde ich genau diese Melodie schon immer spielen wollen, nur als sei sie mir erst jetzt eingefallen. Ich selbst führte die Finger, nach meinem Willen. Und doch war es nicht meine Idee, nicht meine Melodie. Es war das, was jeder einmal gerne erreichen möchte, jedoch weiß, daß er es nie schaffen wird. Sein ganzes Leben lang nicht. Und ich habs geschafft. Aber vielleicht war ich es auch gar nicht, sondern irgendetwas anderes. Ich... ich weiß es nicht. Es war die Melodie der Melodien. Es klingt albern, ich weiß.«
    Nienor schüttelte mit dem an die Wand gelehnten Kopf. Sie saß direkt neben Dumak. »Nein, es klingt nicht albern, nur seltsam. Weißt du, ich hatte keine Hoffnung, den Kampf zu gewinnen. Und dann strich deine Melodie durch die Gänge und es war, als sei das Böse tödlich getroffen und verwundet. Als sei dies die ultimative Waffe gegen das Schlechte, nicht ein Schwert, nur eine einfache Melodie. So als seien alle Kämpfe, die je mit Schwertern, Lanzen und Bögen ausgetragen wurden, nicht wirklich, als seien sie unnütz, ohne Bedeutung. Diese Melodie hat alles klar und einfach erscheinen lassen. Es hat die Kreatur vergehen lassen. Seltsame Verwandlungen hat sie durchgemacht, sich in die schrecklichsten Bestien verwandelt, doch nichts hat geholfen. Am Ende war sie ein alter Mann, dessen Staub der Luftzug weggetragen hat.«
    Der Schmerz in ihrer Lunge hatte fast ganz nachgelassen.
    »Jetzt ist sie zerbrochen«, bedauerte Dumak, der still zugehört hatte, als Nienor vom Ende des so plötzlich aufgetauchten Monstrums berichtet hatte und meinte die Harfe.
    »Ich hätte vielleicht noch mehr solche wunderbaren Melodien darauf spielen können.« Er machte eine kurze Pause. »Aber vielleicht war sie auch nur für diesen einen Zweck gemacht. Und nun, wo sie ihn erfüllt hat, ist sie vergangen, wie alles hier in dieser Ruine. Die Bestie und die Harfe, die letzten Überbleibsel aus einer rätselhaften Vergangenheit. Ich glaube, mein Traum hat sich erfüllt.«
    Dann schwiegen beide lange Zeit.
    »Sollten wir nicht wieder zurückgehen? Die Thurg'arsi werden nicht ewig warten.«
    »Sie werden überhaupt nicht warten. Und wenn wir uns ihnen nicht bald als nützlich erweisen, werden sie das auch nicht bereuen.«
    Nienor ahnte nicht, wie schnell sie Gelegenheit bekam, ihre Worte in die Tat umzusetzen.

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    Schnell war der Raum verlassen und der Gang durchschritten. Es gab nichts mehr, was die beiden von hier hätten mitnehmen können. Selbst von der Bestie gab es keine Überreste. Die ruine der Burg lag wie immer in ihrem tiefen Dornröschenschlaf, Wind ließ die Gräser nicken und wetzte seine Stimme an den scharfen Kanten der Mauerreste.
    »Komm, verschwinden wir von hier. Dort vorn ist schon der Abstieg.« Nienor zeigte auf das Ende des Kaminartigen Felsspaltes, durch den sie hier hinaufgelangt waren. Und ebdnso, wie sie vor kurzem nach oben gelangten, so stiegen sie nun wieder herab. Unten erwartete sie schon der schwarze Hund Dumaks, der hier anscheinend die ganze Zeit ungeduldig auf sie gewartet hatte. Ohne sich noch durch irgendetwas aufhalten zu lassen, begannen sie den Rückweg, liefen schnell den Hang hinunter, rannten fast. Der Hund überholte sie mit großen Sätzen und war beinahe im kahlen Unterholz verschwunden, ehe er stehenblieb und den Kopf hob, wie um Ausschau zu halten oder Witerung aufzunehmen. so wartete er, bis die beiden langsameren Menschen ihn eingeholt hatten, schaute sich dann nocheinmal zur Bestätigung kurz um und jachterte wieder davon. Nienor und Dumak eilten ihm hinterher. So schnell wie möglich versuchten sie, den langen Weg, den sie in den letzten Tagen quer durch diesen unheimlichen Wald zurückgelegt hatten, wieder hinter sich zu bringen, um nicht die Karawane der Thurg'arsi zu verpassen.
    Schritt um Schritt setzten sie, sprangen über kleine Senken und Gräben, überwanden gefallene Baumriesen sprangen von Stein zu Stein. Stumm legten sie so Meile um Meile zurück. Keiner sagte auch nur ein Wort, wohl weil beide noch mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt waren. Als es zu dunkle zum weitergehen war, rasteten Dumak und Nienor im Windschatten eines erst kürzlich umgefallenen Baumriesens. Der nächste Tag verlief ähnlich, bis sie am frühen Nachmittag, die Sonne hatte gerade ihren höchsten Stand überschritten, endlich den Weg, den die Karawane von Gorthar nach Süden genommen hatte, wiederfanden. Die Spuren der großen Grassnapper waren noch deutlich zu sehen, weder hatte sie ein Regen weggewischt, noch wurde sie von anderen Spuren überlagert. Woher sollten diese auch kommen? Der Verkehr zwischen Gorthar und Haruthar war nur sehr gering, zumal diesem Wald hier keiner traute und jede Menge Schauergeschichten im Umlauf waren. Kein Wunder, bei einem Wald, der tot aussah, aber schon seit Jahrhunderten stand, ohne endlich zu vermodern. worauf wartete er noch?
    Die Kriegerin und der Barde jedoch warteten nicht, sie setzten ihren Marsch nun auf dem halbwegs ebenen Weg fort, der sich durch Wald nach Süden zog. Über ihnen war ab und zu ein Stück vom Himmel zu sehen, immer dann, wenn sich die Straße so weit verbreiterte, daß es die Bäume an ihrem Rande nicht mehr schafften, sich über ihr zu schließen. Graue Wolkenfetzen zogen eilig über den Himmel, so als hätten sie heute noch irgendwo eine Verabredung zu einem wichtigen Regen. Die Reise ging nun gut voran, beide liefen im leichten Dauerlauf, Nienors Wunde, die sie in der Burg noch gespürt hatte, war seit dem gestrigen Tag ganz verschwunden.
    »Wenn wir nicht bald wieder auf die Thurg'arsi treffen, müssen wir wieder im Wald nach etwas Essbarem suchen. Und verlieren dadurch nur noch mehr Zeit.«
    »Nein danke, aus diesem Wald ess ich nichts mehr, wer weiß, was sonst noch mit mir passiert«, lehnte Dumak zwischen zwei keuchenden Atemzügen ab. Er hielt sich wacker den ganzen Weg über und hatte nicht einmal um eine Pause oder eine langsamere Gangart gebeten. Seine Laute, die ihm über dem Rücken hing, klatschte in ihrem Lederbeutel bei jedem Schritt gegen seine Hüfte. Plötzlich blieb Nienor stehen und brachte mit einer Armbewegung auch den Barden zum stillstand. Das Geräusch der klatschenden Laute verstummte.
    »Hörst du das?«, flüsterte die Kriegerin dem Barden zu.

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    Dumak lauschte angestrengt. Zuerst drang nur das Rauschen des Windes hoch oben in den Wipfeln der kahlen Bäume an sein Ohr. Hier unten auf der Straße war es fast windstill. Doch dann war ihm, als hätte eben ein Horn geschmettert. Und kurz danach ein heller Klang, so wie er entsteht, wenn zwei Schwerter aufeinanderprallen.
    »Ein Kampf. Laß uns nachschauen!«
    Nienor nickte kurz und nahm dann ihren bogen in die Hand, um vorbereitet zu sein. Dumak tastete nach seinen Messern. Bogen oder Schwert besaß er nicht, seine Fähigkeiten im Führen größerer Waffen waren auch nicht wirklich bemerkenswert, er hatte sich immer auf anderes verlassen, Täuschung, Überraschung, Glück oder das andere für ihn kämpften. Dumak pfiff leise nach seinem Hund und dieser fand sich tatsächlich hinter seinem Herrn ein, was Nienor insgeheim wunderte, ließ der Barde ihm doch sonst keinerlei Erziehung angedeien und überließ es dem hund immer, ob er auf irgendeinen Befehl hören sollte oder nicht. Aber eigentlich gab der Barde dem schwarzen Kläffer nie irgendeinen Befehl. Er folgte freiwillig. Eine ganz seltsame Beziehung zwischen den beiden.
    Schnell wurden die Geräusche lauter, denn mit jedem Schritt kamen die Dumak und Nienor näher an die Kampfstelle heran. Plötzlich lichtete sich der Wald und zwischen den Stämmen hindurch konnte man eine große, glatte Ebene erkennen. War der Wald etwa zu Ende? Oder handelte es sich nur um eine große Lichtung? Als beide noch etwas weiter gelaufen waren, erkannten sie ihren Irrtum, das war keine Lichtung, sondern ein großer See und der Weg verschwand seltsamerweise weiter vorne darin. Er führte, nachdem er eine Weile parallel zum Ufer entlang lief, und dabei einige Kurven und Schlingen unter den kahlen, grauen Bäumen beschrieb, einfach hinein.
    Und weiter vorne, kurz vor der Stelle, wo der Weg aufhörte, glitzerten die Waffen und Rüstungen der Thurg'arsi. Dumpfes Blöken der Rukhori bildete die Untermalung für das helle Scheppern der Schwerter und Lanzen. Bögen wurden abgefeuert, Menschen schrien und Äste im Unterholz des Waldes brachen.
    »Das ist ein Überfall«, erkannte der Barde.
    »Schnell, sie brauchen unsere Hilfe. Es ist das eingetreten, was Sechab befürchtet hatte: Banditen.« Und sie rannte, die Deckung der Bäume suchend los, um so schnell wie möglich die Entfernung zu überbrücken, die sie daran hinderte, mit dem Bogen anzugreifen. Dumak rannte hinter ihr her, bog dann jedoch wieder in den Wald ab und begann, sich gedeckt von den knorrigen Baumstämmen und den zwischen ihnen gewachsenen und nun verdorrt in die Luft stechenden Büschen, an den Kampfplatz heranzuschleichen, vorsichtig jeden trockenen Ast vermeidend. Bald war Dumak so nahe heran, daß er die einzelnen Kämpfenden gut unterscheiden konnte. Eine Gruppe wilder Gesellen, teilweise eingehüllt in Lumpen, teilweise gerüstet mit Harnischen, Brustpanzern oder Kettenhemden hatte die Karawane - oder zumindest einen Teil von ihr - angegriffen und kämpfte erbittert mit den Thurg'arsi. Säbel und Schwerter wurden wild geschwungen und prallten auf die Lanzen der Südländer. Direkt vor dem Barden kämpfte ein finsterer Hüne gegen einen der Thurg'arsi-Krieger, dessen gewickelte Kopfbedeckung sich schon etwas aufgelöst hatte. Das Tuch wedelte im Takt des vor und zurückspringenden Oberkörpers, hinderte seinen Träger jedoch nicht, als der Krieger die Angriffe des Riesen parierte. Scheinbar kam er ganz gut zurecht mit seinem übergroßen Gegner. Doch da gewahrte Dumak einen zweiten sich von der Seite nährenden Räuber, der seinen Kumpanen offensichtlich unterstützen wollte. Dem Angriff zweier kampfesdurstiger Männer wäre der Thurg'arsi wohl nicht lange gewachsen. Es war Zeit, daß Dumak eingriff. Mit geübter, weil unzählige male durchgeführter Bewegung, griff er nach dem versteckten Messer. Berühren, greifen, ziehen, ausholen, zielen und werfen waren eins. Nur einen Wimpernschlag später brach der Angreifer tödlich in den Hals getroffen zusammen. Dumak sah es jedoch nicht mehr, denn er hatte sich schon wieder Deckung suchend hinter einen Baumstamm gepresst. Der Thurg'arsi nahm den vereitelten Angriff nicht wahr, er war viel zu beschäftigt mit seinem derzeitigen Gegner. Nachdem aus dem Kampfeslärm keine Schreckensrufe drangen, war sich der Dieb soweit sicher, daß er seine Nasenspitze wieder hinter dem Stamm vorlugen ließ. Keiner hatte im allgemeinen Kampfgewirr auf den so schnöde mit dem Messer gefällten Mann geachtet und so war er inmitten der fechtenden Männer vollkommen allein uns einsam gestorben. Er war nicht der erste, der, sein Leben lassend, auf dem Boden lag. Scheinbar stritten die Thurg'arsi schon geraume Zeit wider die Angreifer. Dumak tastete nach dem nächsten Messer und seine Augen wanderten hektisch von einem Kampf zum nächsten, um sich den nächsten Gegner, den er gefahrlos aus dem Hinterhalt treffen konnte, auszusuchen. Da: zwei der Banditen drangen auf einen weiteren Thurg'arsi ein, der sich, mit seiner langen Lanze ausholend, den beiden mehr schlecht als recht zur Wehr setzte. Die Lanze endete in einer Art kurzem Krummschwert mit einer klinge und Dorn auf der anderen Seite. Blut tropfte von den Flügeln, in denen die Lanzenspitze in den Schaft überging. Mit einem unverständloichen Kampfschrei stürmte der Thurg'arsi nach vorn und überraschte einen der beiden Angreifer. Dieser wurde am Bauch getroffen, versuchte noch auszuweichen, doch scheinbar gelang es ihm nicht vollends, denn gleichzeitig stieß er einen Schmerzensschrei aus, der durch Mark und Bein ging. Sein Kumpan hingegen beantwortete die Verletzung seines Freundes mit einem Wutschrei und stürzte sich mit neuer Kraft auf den Thurg'arsi, der gerade noch schnell genug seine Lanze wieder zurückziehen konnte, um sie zwischen sich und den auf ihn eindringenden Angreifer zu bringen.
    Doch wo blieb Nienor?

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Nienor ist offline
    Die Kriegerin hetzte am Waldrand entlang, den Bogen schußbereit vor sich haltend, einen Pfeil eingelegt. Als sie näher kam, änderte sie ihre Taktik und sprang direkt auf den Weg, damit ihre Gegner sie sehen sollten und so von den Thurg'arsi abgelenkt waren. Die Absicht gelang. Die ersten Räuber wandten sich der neuen Gefahr zu und einige von ihnen lösten sich von der kämpfenden Gruppe, um dem einzelnen Feind, den sie angesichts der eigenen Übermacht als ungefährlich einstuften, entgegen zu laufen. Was konnte schon ein einzelner Bogenschütze ausrichten? Noch dazu eine Frau, wie man beim Näherkommen erkannte. Was hatte die denn hierher verschlagen?
    Doch Nienor ließ den Banditen nicht viel Zeit, sich zu wundern. Im Lauf noch spannte sie den Bogen und im nächsten Augenblick surrte die Sehne und mit dem für Tränenbringer typischen Geräusch, einer Mischung aus einem durchdringenden Schrei und einem hellen Pfeifen schnellte einer ihrer schwarzen Pfeile von der Sehne, um mit unaufhaltsamer Macht seinem Ziel entgegenzurasen.
    Die Zeit hatte sich scheinbar verlangsamt, als die Kriegerin den Pfeil auf die Sehne legte und den Bogen in einer schnellen Bewegung spannte, jedenfalls schien es ihr so. In dem Moment, wo sie das Ziel anvisierte, erstarrte alles in seiner Bewegung. Eben noch hatte einer der Räuber seine gewaltige Axt gehoben und mit weit aufgerissenen Augen und glühendem Blick, der fest auf seinen Gegner, einen der Thurg'arsi gerichtet war, damit begonnen, die schwere Waffe herumzuwuchten und die Axtklinge zu beschleunigen. Der Wüstennomade hob instinktiv sein wurmbuntes Schwert mit der geschwungenen Klinge. Die Sonne, die tief über der weiten Wasserfläche des angeschwollenen Flusses stand, spiegelte sich für einen Moment darin wider. Gerade dann, als der Krieger vor Schrecken oder Anstrengung den Mund öffnete und möglicherweise erkannte, daß seine eher filigrane Waffe dem wuchtigen Schlag der Schweren Axt nicht standhalten würde. In diesem Augenblick, als der Thurg'arsi den Augenblick des Todes erkannte, verlangsamte sich für Nienor für einen Moment die Zeit. Der Pfeil verließ die Sehne und ein dumpfes Rauschen drang an ihr Ohr - in Wirklichkeit das helle Pfeifen des davonschnellenden Pfeils - unendlich langsam entfernte er sich, Minuten dauerte es, bis die Kämpferin einen Lidschlag ausgeführt hatte - und plötzlich, plötzlich war alles wieder wie immer. Der Lärm des Kampfes brandete in einer großen Woge auf sie ein und schlug über ihr zusammen. Im selben Augenblick brach der Krieger mit der Axt in sich zusammen, aus seinem Hals ragte ein schwarzer Pfeil. Ein Schwall von Blut spritzte aus seiner Halswunde und der Thurg'arsi konnte geradenoch rechtzeitig beiseitespringen, um nicht von dem fallenden Hünen begraben zu werden. Nur der nun dem Getroffenen aus den Händen gleitenden Axt konnte er nicht vollständig ausweichen. Sie traf ihn mit der stumpfen Seite am Bein, so daß er durch die Wucht des Stoßes umknickte.
    Gerade rechtzeitig wendete sich durch die Waffe, die ihn nnun auf eine Art getroffen hatte, wie es nicht beabsichtigt war, sein Schicksal, denn im selben Augenblick, als er fiel, wurde ein schwerer Zweihänder durch die Luft gewirbelt. An seinem Griff zwei Hände, Arme, die an breiten Schultern endeten und dazwischen ein Kopf mit grimmigem Gesicht. So schaute nur jemand, der nichts zu verlieren hatte. Der Schlag ging ins Leere. Beinahe wäre der Führer der Waffe, mitgerissen durch die Kraft seines Hiebes, vorneüber gestolptert. Doch ein schnelelr Schritt nach vorne hielt ihn noch im Gleichgewicht.
    Jetzt war Nienor heran, den Bogen mußte sie eben fortgeworfen haben, sie erinnerte sich nicht daran. Im Kampf siegten die Instinkte über planmäßiges denken. Heiß stieg die Wut in ihr auf. dieselbe Wut, die sie gefühlt hatte, als der dieb im Lager am Gasthaus in ihren Sachen gewühlt hatte, die gleiche wut, mit der sie damals beinahe Dumak umgebracht hatte. Diese unerbittliche, nichts als Hindernis geltenlassende Wut, die sie erst seitdem verspürte, seit sie das Horn der Seeschlange als Trophäe in ihrem Besitz hatte. Sie wollten ihr ihren Besitzt streitig machen, ja nur deswegen lauerten diese Bestien ihr auf. Bestien, keine Menschen sah sie, unter einem roten Schatten undeutlich verschwommen, hieben sie mit langen Krallen nach ihr, geiferten, lachten sie aus, zischten ihr ihre Flüche und Verwünschungen ins Ohr. Sie mußte sie besiegen, vertreiben, wegscheuchen. Es war ihr Besitz, ihrer, ganz allein.
    Der Krieger mit dem Zweihänder hatte sich wieder neu positioniert, die Waffe wie zum Schutz vorgestreckt, so daß ein weniger geübter Angreifer in die spitze gelaufen wäre und sich selbst aufgespießt hätte. Nienor jedoch glitt anmutig zur Seite, ließ die Klinge weiter ins Leere starren und zog dabei mit der Linken ihr Schwert, das an der rechten Seite der Hüfte am Waffengurt baumelte. Noch während sie es von der Scheide befreite, holte sie aus und nutzte den Schwung für einen ersten Hieb, der von rechts unten nach links oben zog. Klirrend glitt die Klinge über den Arm des Angreifers, zerschnitt Leder und Stoff und ließ ein Panzerhemd durchschimmern. Doch der Hals und der Kopf waren nicht geschützt. Weiter, in Sekundenbruchteilen nur, fuhr das Schwert nach oben, als der Hieb vollendet wurde. Die Klinge schnitt tief in den Hals und trennte eine Gesichtshälfte des Räubers auf. Schreiend und blutspritzend knickte dieser ein und fiel hintenüber. Der schwere Zweihänder entglitt seinen Händen und fiel klirrend auf die Axt des eben durch Nienors Pfeil gefällten Hünen.
    Nienor hörte es nicht, aber sie schrie. In rasender Wut stürzte sie sich wie eine der Erynnien auf die Gegner, offenen Auges blind, dorthin strebend, wo das Kampfgetümmel am dichtesten war. Doch plötzlich ein Stöhnen, nicht von einem der Kämpfenden, kein Verletzter oder zu Tode Getroffener. Das Geräusch, tief und wimmernd erst, dann an Kraft gewinnend und lauter werdend kam aus dem Wald, der sie alle umgab. Wie eine geheimnisvolle Entladung von Magie, die einen Hauch in einer Welle aus einem Ursprungspunkt ringsum überallhin sandte, so als ob ein hoffnungsvolles Licht verloschen sei und die Welt selbst aufstöhnte, drang aus dem toten Wald ein Geräusch. Und dann knackten Äste, nicht einer oder ein paar. Es knackten alle Äste an allen Bäumen. Der Wald streckte sich, der gesamte Wald. Und plötzlich schossen Triebe aus all den toten und seid Jahrhunderten doch nicht verwesenden Bäumen heraus. So als wäre es ein Thriumph des Willens über die Wirklichkeit. Des Willens, nicht zu gehen, nicht zu sterben sondern doch noch auf einen Frühling zu warten. Jetzt trat er ein. Mit der Macht von vielen zurückgehaltenen Jahrhunderten wandelte sich der Wald und die Macht auf der Erde, die niemand entgültig zurückhalten konnte, die Macht der Natur kam zum Vorschein. In Sekundenschnelle begrünten sich die kahlen Kronen der Bäume, es sprossen Büsche und Schößlinge aus dem Boden, Kräuter blühten auf und vergingen wieder, aus Sämlingen wurden neue Pflanzen und aus keimenden Bäumen neue Baumreisen, die sich unaufhaltsam zum Himmelschoben, ältere Bäume verdrängten, die kahl und morsch in sich zusammenfielen.
    Schreiend liefen die Räuber auseinander, die ganze Bande. Doch wohin? Überall stiegen neue Bäume auf und fielen wiederum alte um, das Wachstum all der Jahrhunderte, in denen der Wald still gestanden hatte, kam nun mit einem mal zum Ausbruch. Sie wurden von fallenden Baumriesen getroffen, von wachsenden Bäumen emporgehoben und fielen von dort wieder in den Tod hinunter. Die Thurg'arsi hatten sich in einem engen Kreis aufgestellt, still schauten sie dem zu, was ihre augen ihnen zeigten, zweifeld, ob sie richtig sahen. Nienors Wut indes verblasste, der rote Schleier ließ nach und das sanfte, grüne Licht, das durch die belaubten Baumkronen schien, ließ sie die Wirklichkeit sehen. Der Rest der Angreifer hatte sich zerstreut, der größte Teil war gefallen, ein paar durch die Thurg'arsi, die weitaus meisten durch den Wald selbst. Staunend standen die Nomadenkrieger auf einer kleinen Lichtung, rings umgeben vom schönsten Wald, den sie je gesehen hatten. Majestätisch erhoben sich die Baumriesen in schwindelerregende Höhe und wie Lanzen aus Licht, die schräg auf den Boden trafen, bahnte sich die Sonne den Weg durch den Wald. Nicht mehr düster war er, nicht mehr tot. Die Natur hatte sich befreit. Die Natur war befreit.
    Nienor suchte nach ihrem Gepäckbündel. Dann sah sie Dumak. Mit einem Schrei stürzte sie sich auf ihn, ihr Schwert wieder aus der Scheide ziehend, in der es eben schon fast ganz versenkt worden war.

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    Der Dieb hatte die Verwirrung ausgenutzt, die durch das nie gesehene Geschehen entstanden war. Während die Reste der Räuberbande schreiend die Flucht ergriffen und die Thurg'arsi seltsam still und dicht zusammengedrängt an einem Fleck standen und zusahen, wie neben ihnen die Bäume in die Höhe schossen, alte, sterbende Stämme umknickten und schon im Fallen vermodernd auf den Boden stürzten und all dies von einem unaufhörlichen Schneien vergilbter, bunter Herbstblätter begleitet wurde, die auf dem Boden eine dicke, weiche Schicht aus braunen, roten und gelben Sprenkeln bildeten, hatte er sich schnell wieder gefasst und war zu Nienors Gepäck gestürzt. Die Kämpferin selbst war noch mit den fliehenden Räubern beschäftigt. Jetzt war die Gelegenheit, sich die Formel aus Nienors Gepäck zu besorgen.
    Verdammt, wo steckte das kleine Säckchen mit dem Pergamentstreifen? Es mußte doch irgendwo in dem Bündel sein. Dumak wühlte in Nienors Sachen herum, alle Vorsicht außer acht lassend, nur noch auf die Formel fixiert. Er durfte sie nicht länger bei Nienor lassen, zu gefährlich und zu wertvoll war sie. Wer weiß, was passieren würde, wenn sie den Fluß und damit die Grenze überschreiten würden. Würde man sie alle durchsuchen? Über die Grenzgepflogenheiten Haruthars wußte er nicht bescheid, aber gerade deswegen wollte er jedes unnötige Risiko vermeiden. Und ging in diesem Moment ein viel größeres ein.
    Im letzten Moment bemerkte er instinktiv den Schatten, der sich ihm näherte, drehte sich um und glitt mit einem Entsetzensschrei beiseite, als sich das Schwert Nienors nur einen Fingerbreit von ihm tief in den Waldboden bohrte. Der helle Glanz der Klinge blendete fast seine schreckgeweiteten Augen, da war das Schwert auch schon wieder verschwunden. Und erst dann ein Rauschen von der eben pfeilschnell durch die Luft gesausten Klinge. Keine Zeit blieb, um sich über die falsche Reihenfolge der von den Sinnen wahrgenommenen Eindrücke zu wundern und darüber nachzugrübeln. Durch den unablässig fallenden Schleiervorhang der rotgoldenen Herbstblätter, die das Produkt vieler verpasster Jahreszeiten waren, sah er nur schemenhaft die Gestalt der Kriegerin. Wieder teilte sich der Blättervorhang und die schwarz-silberne Rüstung Nienors füllte das Blickfeld. Dumak entwich geschmeidig beiseite, doch ein scharfer Schmerz durchzuckte sein rechtes Bein. Er war getroffen. Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte der Dieb, seiner Verfolgerin zu entkommen. Es war einfach zu irreal. Warum nur griff sie ihn an wie einen Feind? So kämpfte nur jemand, der töten wollte. Nicht ein Laut war von Nienors Lippen gekommen, seit sie mit einem kurzen Entsetzendschrei auf ihn losgestürzt war. Stumm hatte sie, nachdem sie das Schwert gezogen hatte - oder hatte sie es nach dem letzten Kampf noch gar nicht beiseite gelegt? - und ihn damit anging.
    Doch jetzt, Dumak war kurz davor, in Panik zu geraten, verwundet und an der Sicht gehindert durch die hier gerade besonders dicht herabfallenden Blätter wußte er nicht, wo vorn und wo hinten war, drangen Laute an sein Ohr, Die Thurg'arsi griffen ein und stürtzten sich auf Nienor, überwältigten sie mit ihrer schieren Masse und dadurch, daß die Kämpferin sich nur auf eins konzenteriert hatte: Darauf, Dumak zur Strecke zu bringen.
    Ein Wildes Stimmengewirr hatte sich erhoben und schließlich, die fallenden Blätter ließen gnädig einen Blick darauf zu, sah man, wie sich ein Berg aus Leibern gebildet hatte, unter dem die scheinbar irre gewordene Kriegerin lag und vergeblich gegen die Last auf ihr ankämpfte. Jemand von den Thurg'arsi-Kriegern reif etwas und ein Mann kam herangelaufen. Er hielt einen Beutel in der Hand, aus dem er etwas herausholte. Es war der Kräuterkundige und Viehheiler, den die Gruppe bei sich hatte. Mit Gewalt wurde Nienor etwas davon eingeflößt und ihre Glieder erschlafften, der Widerstand war vorbei.
    Dumak traute sich nun endlich näher und fragte Sechab, den Durghari »Was geht hier vor. Ich meine, was ist mit ihr.«
    Der Durghari schaute ihn ernst an. »Ich weiß es nicht. Aber ich denke, sie ist krank. Eine Krankheit, die wohl keiner von uns heilen kann. Unser Heiler gab ihr etwas, daß sie schlafen läßt.«
    Der Mann machte eine kurze Pause, ehe er weitersprach. »Als sie losstürzte, schrie sie noch ›Mein Horn‹. Ich vermute, sie meinte dieses gewundene, verdrehte Ding, das aus ihrem Bündel herausragt. Ich weiß nicht, warum sie es überhaupt mit sich schleppt.«
    Dumak tastete sein Bein ab, während er mit nachdenklichem Blick zuhörte. Als der Thurg'aur geendet hatte, meinte er »Sie war schon vor dem wald so komisch, an dem Abend am Gasthof, wo der Dieb ins Lager kam. Da war sie auch nicht zu bremsen und hat fast ein Blutbad angerichtet. Und sie redete auch von ihrem Horn. Es ist, als habe sie eine seltsame, gefährliche Beziehung zu ihm. Wahrscheinlich dachte sie, ich will es stehlen.«
    »Wolltet Ihr das?«
    Dumak schaute auf. Eine kurze, präzise Frage.
    Doch er konnte ehrlich antworten: »Nein, es interessiert mich nicht.« er seufzte. »Ich werde wohl die Karten auf den tisch legen müssen«, befand er dann.
    Sechab war verwirrt. »Die Karten? Welche Karten?«
    Dumak lachte, trotz der Schmerzen, die die Beinwunde verursachte. sie war nicht tief, nicht mehr als eine Fleischwunde, doch es sickerte immernoch Blut heraus.
    »Das ist nur eine Redensart. Ich meine, ich werde wohl nicht drumherum kommen, die Wahrheit zu sagen, vorher laßt Ihr mich nicht in Ruhe.«
    Der Thurg'aur lächelte und ließ eine Reihe weißer Zähne blitzen, ehe sich seine Lippen wieder schlossen. »Ja, das müßt Ihr«, bestätigte er dann.
    »Also«, begann Dumak. »Ich bin in Gorthar an eine Formel gelangt. Sie scheint irgendetwas Wichtiges zu enthalten. Ich kann sie nicht lesen, so daß ich nicht weiß, was es ist. Da ich sie nicht bei mir haben wollte, falls jemand danach sucht, habe ich sie im Gepäck von Nienor versteckt. Jetzt, da wir bald die Grenze nach Haruthar überschreiten, wollte ich sie wieder an mich nehmen. Wer weiß, wie genau die Grenzposten unser Gepäck durchsuchen werden...«
    »Eine Formel also.« Sechab überlegte.
    »Ich entscheide wie folgt: Ihr gebt Nienor, sobald sie wieder erwacht, die Formel, denn ihretwegen war sie in Gefahr seit wir Gorthar verlassen haben. Ob Ihr und die Kriegerin«, er deutete auf die bewußtlose Nienor, »uns auch noch weiterhin begleitet, entscheiden die drei Ältesten. Immerhin muß euch zugute gehalten werden, daß ihr für uns gekämpft habt, als wir in Not waren.«
    Dumak hatte diese Entscheidung schweigend mit angehört. Niedergeschlagen fügte er sich in sein Schicksal. Aus der Traum von der meistbietend versteigerten Formel, aus der Traum von einem Leben in Reichtum - oder zumindest ein paar angenehmen Monaten.
    Er nickte und verließ dann den Thurg'aur. Mißmutig humpelte er mehr aus Selbstmitleid, als aus echtem Schmerz zum Gepäck nienors, sammelte alles ein und brachte es dann zu der jungen Frau, die noch immer bewußtlos war. Oder zumindest in einen tiefen Schlaf gefallen war. Jetzt suchte er auch in Ruhe das Gepäck durch und fand das Stück Pergament in einem kleinen Ledersäckchen. Dann setzte er sich ein paar Schritte von Nienor entfernt auf einen Baumstumpf, verband endlich die Wunde und holte danach die Laute hervor. Der Blätterregen hatte vor einer Weile - ziemlich genau am Ende des Kampfes - aufgehört und nun stand der Wald in einem grünen Kleid, schweigend, so als sei es schon immer so und nie anders gewesen. Auf der anderen Seite des Lagerplatzes befand sich der breite, über die Ufer getretene Fluß.
    Dumak stimmte eine traurige Melodie an und sang dazu:

    »Reichtum scheffeln ist vergebens,
    nutzlos ist der Zweck solch Strebens,
    zu schnell verrinnt der Rausch der Gier,
    arm waren, sind und bleiben wir.
    So gib mir schnell noch einen Stengel
    und schon bald werd ich die Engel,
    die ins Paradies mich tragen,
    hören, wie sie leise sagen:
    Seliger, oh freudetrunken
    darnieder bist du nun gesunken,
    um zu umarmen all dies Glück,
    nie wieder willst du mehr zurück.
    Nach einem Zug vom süßen Dunst
    wähn ich mich in des Glückes Gunst.
    Oh nimm mich mit, weit mit dir fort
    Von diesem düstren, schwarzen Ort.«

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    »Hey, warum so traurig?«, unterbrach in plötzlich Nienor. Sie war wieder erwacht.
    »Warum schaust du mich so entgeistert an?«
    »Erinnerst du dich nicht? Du hast mich angegriffen.«
    »Ich hab was... oh...« Und dann war die Erinnerung wieder da. sofort schlug die junge Frau die augen nieder.
    »Ich... ich bin wohl wirklich krank«, sagte sie tonlos, von der wucht der Erinnerung an die letzten Stunden überwältigt. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber der Gedanke an die Trophäe, die ich der riesigen Seeschlange vor einiger Zeit abgerungen habe, dem schrecklichen Lindwurm, der das Meer unsicher machte, seitdem habe ich mich verändert. Und ich fürchte, nicht zum Guten.«
    »Ja, das habe ich bemerkt«, meinte der Barde und es schwang nichteinmal ein sarkastischer Unterton in seinen Worten mit.
    »Ich weiß auch nicht, was in diesen Momenten mit mir passiert. Fast scheint es, als nehme eine andere, fremde Macht Besitz von mir. Und doch bin ich es selber, fühle es, sehe es, will es und führe es aus. Ich bin es, der das Schwert schwingt, um es einzusetzen. Und dabei lasse ich die Klinge gegen Freunde antreten.«
    Dumak horchte auf. Das war das erste Mal, daß Nienor ihn einen Freund nannte, wenn auch nur indirekt. Es zählte trotzdem, beschloß er still für sich. Und mußte unwillkürlich lächeln. Er war ihr also doch nicht ganz egal. Nicht, daß er auf irgendwelche tieferen Gefühle hinaus wollte. Nienor war keine Frau für ihn, nein, das wahrlich nicht, zu hart, zu bestimmt, zu sehr nur sich selbst verpflichtet. Und auch viel zu tugendhaft und durch und durch gut. Manchmal fragte Dumak sich, wieso sie eigentlich nicht bei den Paladinen war. Aber wenn er sich dann wieder in Erinenrung rief, daß diese königliche Armee aus mehr oder weniger frommen Streitern Innos' eigentlich auch nur aus ganz gewöhnlichen Halunken bestand - Halunken mit Adelstitel - war er sich fast sicher, daß die Kriegerin nicht dorthin gehörte. Es war wohl ihr Los, alleine zu sein, alleine für sich. Doch daß sie ihn als Freund bezeichnet hatte, wärmte sein Herz. So war er also doch nicht nur eine Last für sie. Oft genug hatte sie es durchblicken lassen, ihn abfällig behandelt oder angesehen.
    »Ja, normal ist das jedenfalls nicht. Irgendetwas steckt in dir und läßt dich Dinge tun, vor denen andere erschrecken.«
    Nienor lachte bitter. »... vor denen andere erschrecken... So kann man es natürlich auch umschreiben. Ihr Barden habt schon eine geschmeidige Zunge. Ich töte, ohne fähig zu sein, nachzudenken. Ich töte aus Wut, aus Haß, aus ganz schlimmen Gefühlen, von denen ich nicht weiß, woher sie stammen. Es sind nicht meine Gefühle. Es ist, als ob sie in mich hineingepflanzt worden seien. Ich sehe mich manchmal, wie aus der Ferne und erschaudere. Und gleichzeitig bin ich hier, in mir drin und tue diese Dinge und finde nichts dabei in dem Moment, an dem sie geschehen. Dann lasse ich mich treiben von einem wölfischen Instinkt, den ich nicht kannte früher. Was soll nur werden?«
    Mutlos klang sie, verzweifelt. Dumak fühlte sich genötigt, ihr etwas aufmunterndes zu sagen.
    »Der Heiler der Südländer hat dir etwas gegeben, daß dich beruhigt. Du solltest also in der nächsten Zeit nicht diesen Zwang, alles umzubringen - oder was auch immer es ist - verspüren. Außerdem hab ich dir noch was wichtiges zu sagen.«
    Nienor sah auf, Verwunderung in ihren augen. Was kam jetzt?
    »Also ich bin da in Gorthar in etwas hineingeraten. Eigentlich nur durch Zufall.« Besonders glaubwürdig klang das eben nicht. Nienor zweifelte, ob sie dem, was nun folgen würde, allzuviel Glauben schenken sollte.
    »Ich bin an eine geheime Formel gelangt«, fuhr der Barde fort. »Sie scheint sehr wertvoll zu sein, denn es waren jede Menge Leute hinter ihr her. In Gorthar selbst bin ich einmal nur knapp dem Tod entronnen und selbst in dem Gasthaus vor dem großen Wald war der Dieb, der mit meiner Hilfe ins Lager kam, nur hinter dieser Formel her. Ob die Banditen, die uns heute überfallen haben, dies auch deswegen taten, weiß ich nicht.«
    Er nestelte an seinem Wams und zog den kleinen Lederbeutel aus einer Tasche.
    »Hier ist sie.« Mit diesen Worten überreichte er Nienor den Beutel. Sie nahm ihn und schnürte ihn neugierig auf. Was mochte das wohl für eine Formel sein, wegen der Menschen töteten? Ein Stück dunkles, zusammengerolltes Pergament verließ das Säckchen und wurde von ihren hellen Fingern geglättet. Sie beugte sich etwas herunter, um die Zeichen, mit denen es beschrieben war, zu entziffern und zog die Stirn dabei kraus.
    »Diese Schriftzeichen sind mir nicht geläufig«, erkannte sie enttäuscht. So würde das Geheimnis der formel wohl weiterhin ein Geheimnis bleiben. Sie ließ die Hand mit dem Pergament sinken und schaute wieder auf, sah Dumak an.
    »Warum hast du mir das gegeben? Ich kann es leider auch nicht lesen.«
    Dumak druckste etwas herum. »Weil... nun... ich hatte diese Formel in deinem Gepäck versteckt. Ich dachte, da ist sie sicherer, falls sie jemand bei mir suchen würde. Deshalb waren auch alle immer auf dein Gepäck scharf. Und du bist jedesmal gleich mit dem Schwert auf jeden losgegangen, der nur in dessen Nähe kam. Und auf mich eben auch, als ich die Formel wieder an mich nehmen wollte. Sechab hat verfügt, daß ich dir die formel geben muß, da durch sie seiest du in Gefahr gewesen. Sie ist nun also dein.«
    »Und was geschieht mit uns?«
    »Die Ältesten beraten, ob wir weiterhin mit den Thurg'arsi ziehen dürfen. Sechab meinte, immerhin hätten wir ja tapfer für sie gekämpft, was sie vielleicht milde stimmen könnte. Wir können also nur warten, bis sie zu ihrem Entschluß gekommen sind, aber ich glaube, daß wird nicht allzulange dauern. Schließlich wollen die Thurg'arsi bald über den Fluß übersetzen und nicht lange genug warten, bis sich die Räuber wieder gesammelt und womöglich Verstärkung geholt haben.«
    Und als ob Dumak es geahnt hätte, kam in diesem Moment der Durghari auf die beiden zu, um , wie sie richtig vermuteten, den beiden Reisenden Entschluß der drei Ältesten zu übermitteln.

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    Was in Badajoz geschah
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    Sechab ir Khufs baute sich schweigend vor den beiden auf. Erst nach einer ganzen Weile begann er, zu sprechen. »Die Ältesten haben ihre entscheidung gefällt. Ihr dürft weiterhin mit den Thurg'arsi reisen.«
    Erleichtert wollte Dumak aufspringen, doch der strenge Blick des Durghari hinderte ihn augenblicklich daran.
    »Und weiter?«, fragte Nienor, die begriffen hatte, daß dies nicht alles sein konnte.
    »Ihr gebt eure Waffen ab. Euer Schwert und Euren Bogen. Diese werden von einem unserer Männer bewacht, der in Eurer Nähe reitet, falls ihr sie bei einem weiteren Angriff benötigt. Ansonsten werdet Ihr von nun an ohne Eure Waffen auskommen müssen.«
    »Ich verstehe... Es... es ist in Ordnung«, antwortete die junge Frau langsam. »Am wichtigsten ist, daß ich weiter nach Süden reisen kann. Ich weiß, daß ich vielleicht Schlimmes getan hätte, wäre ich nicht von Euren Männern daran gehindert worden. Ich danke Euch für Eure Geduld und Euren Großmut.«
    Siue schwieg kurz, blickte Sechab dann jedoch fest ins Gesicht und sagte: »Darf ich fragen, weshalb die Ältesten so entschieden haben.«
    Sechabs Augen blitzten »Das ist nicht Euer Belang. Nur soviel: Ihr habt tapfer gekämpft und uns ohne Zögern verteidigt. Und... der Wald war vielleicht ein Zeichen.«
    »Ein Zeichen?«, fragte Dumak dazwischen. »Was denn für ein Zeichen?«
    »Das weiß ich nicht. Aber der Wald war seid Jahrhunderten tot. Daß er ausgerechnet heute wieder zum Leben erwacht ist, ist sicher kein Zufall. Die Ältesten haben den Seher befragt und seinen durch das Orakel erhaltenen Spruch befolgt.«
    »Was war das für ein Spruch?«, fragte die Kriegerin.
    »Das darf ich Euch nicht mitteilen«, antwortete Sechab kurz und bestimmt.
    Nienor nickte stumm und meinte dann »So habe ich dieses günstige Urteil also den Vorhersehungen eines weisen Mannes zu verdanken. Ich glaube, das ist ein Grund zur Hoffnung. Ich werde es als günstiges Zerichen nehmen.«
    »Nehmt es, als was Ihr es wollt«, antwortete Sechab bedächtig, jedoch nicht unfreundlich, »doch macht Euch bereit zur Weiterreise. Die Männer haben damit begonnen, aus gestürzten Bäumen Flöße zu bauen, die die Karawane über den Strom bringen sollen.«
    Und in der Tat sahen sie, wie einige der Grassnapper vor zwischen den Stämmen liegende Baumriesen gespannt waren und diese zum Uferbereich schleppten, wo sie von geschickten Händen mit Hilfe grober Seile zu mächtigen flößen zusammengebunden wurden. In den Spalten zwischen den Stämmen verkeilte Äste bildeten das Grundgerüst für Pferche, in denen je Floß einige der Rukhori Platz fanden. Lange Stangen dienten als Ruder und Steuer gleichzeitig. Alles deutete darauf hin, daß die Thurg'arsi solche Flöße nicht zum ersten mal bauten.
    Innerhalb weniger Stunden war so eine große anzahl Flöße zusammengezimmert worden. Dank des aus seiner Todesstarre erwachten Waldes und des Wachstums von vielen hundert Jahren, daß er in wenigen Augenblicken nachgeholt hatte, gab es auf dem Waldboden liegende Stämme in Hülle und Fülle. Mit Hilfe zweier Umlenkrollen, die an dicke, alte Stümpfe, die direkt aus dem Wasser am Ufer ragten, befestigt wurden, wurden die Flöße ins Wasser gezogen. An den Enden der dicken Taue zogen, angetrieben von einigen der Krieger, je drei Rukhori. Bald lagen die Flöße im Wasser und die Karawane teilte saich auf. Jedes Floß wurde von fünf bis zehn der behäbigen Tiere bestiegen, die in die vorbereiteten Pferche in der Mitte der Flöße getrieben wurden. Die Männer stießen mit den langen Ruderstangen die urtümlichen Konstruktionen vom Ufer ab und drehten sie in die Strömung.
    Nienor und Dumak standen mit Sechab ir Khufs auf einem der Flöße und hielten sich an den Stangen, die das Tiergatter bildeten, fest.
    »Ist es gut, wenn wir weit mit der Strömung treiben?«, fragte der Barde. So einen breiten Fluß hatte er noch nie gesehen, geschweige denn überquert.
    »Nein«, erwiderte der Thurg'arsi kurz.
    In der Ferne am Horizont erkannte man die Uferlinie der anderen Seite.
    »Was ist das für ein weißes Blitzen zwischen den Bäumen dort?« Dumak wies mit der Hand auf eine Stelle am gegenüberliegenden Ufer.
    »Das ist die Zollstelle von Haruthar. Wir werden sie um mehr als zehn Meilen verpassen, da uns die Strömung ein Stück flußabwärts treiben wird.«
    »Und ist das schlecht? Immerhin spart ihr doch dann sicher den Zoll.«
    Sechab schaute Dumak an, wie jemanden, der gerade vom Mond herabgefallen war.
    »Du weißt nicht viel über Haruthar, oder?«
    »Ähm... nein, wieso? Muß man denn viel wissen? Die Menschen sind ja doch überall gleich.«
    Sechab lächelte schmal, was man jedoch unter dem Tuch, das sein Gesicht verbarg und nur die Augen frei ließ, nur erkennen konnte, weil eine Windböe es in diesem Moment leicht anhob.
    »Ja, das mag sein. Aber es ist auch der Grund, weswegen wir unbedingt diese Zollstelle erreichen müssen. Die Menschen sind überall gleich, was Mißtrauen Fremden gegenüber betrifft. Und sie sind auch überall gleich, was Habgier angeht«, antwortete der Dhurgari vieldeutig.
    »Und das heißt was...?«
    »Das heißt, daß jeder Fremde, der ohne Paisza aufgegriffen wird, sein Eigentum und seine Freiheit verliert. Und eine Paisza bekommt man nur an einer Zollstelle. Du siehst also, mein neugieriger Freund, Mißtrauen und Habgier sind hier einen festen Bund eingegangen. Wir werden die Karawane, sobald wir am gegenüberliegenden Ufer angelangt sind, direkt am Ufer entlang zur Zollstelle zurückführen, die ganze Strecke, die wir jetzt abtreiben. Wenn wir Glück haben müssen wir nur eine Strafgebühr bezahlen.«
    »Nennt man hier so Bestechungsgeld?«, fragte Dumak verschmitzt.
    Sechab schien wieder zu lächeln. Jedenfalls erschienen in seinen Augenwinkeln diese Lachfältchen, die eben schon einmal zu sehen gewesen waren.
    »Du lernst schnell. In Haruthar will man gerne über alles Bescheid wissen. Deshalb muß sich jeder, der ins Land einreisen will, an den Zollstellen melden. Natürlich gibt es auch genug Leute, die das Risiko eingehen und die Grenzen passieren, ohne sich registrieren zu lassen. Sie umgehen die sogenannten Zollgebühren. Aber wenn sie zufällig irgendwo aufgegriffen werden, ist ihre Bestrafung hart. Die ›Leuchtende Sonne‹ nimmt sich ihrer an.«
    »Leuchtende Sonne? Was ist das denn?« Dumak hatte noch nie davon gehört. Nienor ebenfalls nicht. Alles, was südlich von Gorthar lag, war ihr unbekannt und mit jedem Schritt nach Süden erreichte sie Gegenden, die ihr völlig neu waren, während die Thurg'arsi gleichzeitig ihrer Heimat immer näher kamen. Während sie dem Gespräch zwischen Dumak und Sechab zuhörte, bemerkte sie, wie sie verstohlende Blicke streiften. Einige der Thurg'arsi sahen sie scheu an und schauten sofort wieder weg, wenn sie zurücksah oder auch nur den Kopf hob. Nienor führte das auf die Ereignisse vor einigen Stunden zurück. Sie fühlte sich unendlich einsam.
    Und während die junge Frau stumm in das braune, schlammige, durch die Bewegungen des Ruders aufgewühlte und am Floß entlangglucksende Wasser des weit über das Ufer getretenen Flusses starrte, erzählte Sechab dem an anderen Gegenden immer interessierten Dumak indes einiges über die Leuchtende Sonne, wie der Priesterorden in Haruthar hieß. Es waren die Magier und Priester des Innos, die die Macht inne hatten. Sie stellten die Berater des Königs und in ihren Händen lag die Verwaltung des Landes. Und der Gott, den sie anbeteten, war der einzig zugelassene. Der Glaube an jeden anderen Gott wurde als Ketzerei angesehen und unbarmherzig verfolgt. Es zahlte sich also aus, ein möglichst unauffälliges Leben zu führen in Haruthar, oder Südgorthar, wie es früher geheißen hatte, nachdem sich Gorthar und Haruthar vor vielen Jahrhunderten getrennt hatten und seitdem der träge dahinfließende Gelab, über dessen Fluten sie gerade fuhren, die gemeinsame Grenze zwischen den Reichen bildete.

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    Wirbelnd quirlte das Wasser um die langen Ruderstangen, als der Thurg'arsi, der das Floß, auf dem sich auch Dumak und nienor befanden, lenkte, sich damit abmühte, es näher ans Ufer zu bekommen, ohne allzuweit von den anderen abzutreiben. Die Tiere, die in ihrem Pferch in der Mitte des Gefährts standen, wurden zunehmend unruhig. Die ganze Fahrt über hatten sie ruhig ausgeharrt, dicht gedrängt rieben ihre Körper aneinander und manche ragten mit ihren Köpfen über den breiten Rücken eines anderen Rukhoa.
    Im Gesicht des Mannes, der sich noch immer mit dem Steuern abmühte, glänzten Schweißperlen. Mittlerweile waren ihm zwei andere zu Hilfe gekommen und halfen ihm, die lange Stange in den schlammigen Grund des über die Ufer getretenen Flusses zu rammen, um das große floß ans Ufer zu bringen. endlich, nach vielen gemeinsamen Antrengungen erzitterte das Gefährt ein letztes mal und saß dann fest. Es hatte sich im Schlamm und Gestrüpp des Ufers verkeilt, nicht allzuweit von den meisten anderen Flößen. Die Thurg'arsi kümmerten sich darum, ihre Tiere vom Floß zu führen und wieder zu beladen. die Gepäckballen hatten die Überfahrt unbeschadet überstanden, indem sie außen an die Einfriedungen des Pferches gebunden worden waren. Wasser war nicht eingedrungen. Es hätte die Ballen mit der Baumwolle zu schwer zum Transport gemacht, die erst wieder hätten trocknen müssen. Doch so ging das Beladen schnell voran. Geübte Hände vollbrachten das gleiche, wie an jedem Morgen nach dem Nachtlager auch.
    Der Durghari hatte das Kommando über dieses Floß und die Gruppe. Er befahl, nachdem sich alle bei ihren beladenen Tieren gesammelt hatten, den Aufbruch flußaufwärts. Die meisten Flöße waren in nur geringer Entfernung ans Ufer gegangen, so daß man wohl recht bald auf die anderen Gruppen stoßen würde und die Karawane sich somit wieder zusammenfinden würde. Sechab bahnte sich mit einigen anderen an der Spitze des kurzen Zuges den Weg durch das Uferdickicht, bis sie nach ein paar Minuten auf die nächste Gruppe stießen und sich mit ihr vereinigten. Bis zum Abend dieses Tages waren alle Mitglieder der großen Karawane wieder beisammen. Die letzten, die eintrafen, gehörten zu einem Floß, daß besonders weit abgetrieben war. Doch glücklicherweise war niemandem etwas passiert und sowohl die Männer, als auch die Tiere waren vollzählig. Als es schon dämmerte, erreichte man die flußaufwärts auf einer sanft gewellten Anhöhe gelegene Zollstation, ein weißes Gebäude aus Kalkstein, umgeben von verfallenen Mauern, die darauf hindeuteten, daß dieses Gebäude einst zu einer größeren Einheit gehört hatte. Und tatsächlich war dies einst der Fall gewesen. Vor hunderten von Jahren war dies eine der Grenzfestungen gegen das damals feindliche Gorthar, von wo aus immer wieder kriegerische Überfälle verübt worden waren. Doch diese Zeiten waren längst vorbei. Irgendwann hatten die Überfälle aufgehört und Gorthar war mit eigenen Problemen beschäftigt gewesen. Möglicherweise war daran die überlegene Diplomatie Haruthars, der es gelungen war, erfolgreich Zwietracht innerhalb Gorthars zu sähen, nicht ganz unschuldig. Doch nun, seitdem durch den Tod des Herzogs vor ein paar Jahren Gorthar im Chaos versunken war, wilde Magie über gemiedene Schlachtfelder streifte und der Name des größenwahnsinnigen Magiers, der dies alles zu verantworten hatte, die Münder der Menschen nur noch als Teil eines Fluches verließ, nun wurde man sich wieder der alten Funktion der Zollstation als Grenzkastell bewußt. Denn Räuberbanden aus dem in Dunkelheit und Chaos versinkenden Gorthar machten nun auch die nördlichen Gebiete des Königreiches Haruthar unsicher, namentlich die Provinz Badajoz. Baumaterial, Steine, zu großen Haufen aufgeschüttet, Baumstämme und Balken in Stapeln ließen keinen Zweifel daran, daß das Kastell wieder stärker befestigt werden sollte.
    Die Karawanenspitze wandte sich nun vom Ufer des Flusses ab, an dem entlang sie gezogen war und hielt auf das hell in der Abendsonne leuchtende Gebäude zu. Die weißen Wände erglühten rot, beleuchtet vom Licht des untergehenden Sterns. Eine ganze Schar Wächter in blitzenden Rüstungen trat heraus, bewaffnet mit langen Spießen und Hellebarden, an denen Wimpel in den Farben Haruthars flatterten.
    Nienor ließ sich von ihrem Reittier gleiten und lief mit schnellen Schritten nach vorne, um der Unterhaltung des Durghari beizuwohnen, der sicher mit den Wachen verhandeln würde. Sie kam keinen Augenblick zu spät. Sechab ir Khufs antwortete anscheinend gerade auf die Frage des Wachoffiziers.
    »Wie jedes Jahr um diese Zeit, oh ehrwürdiger Kentarch«, und deutete eine höfliche Verbeugung an.
    Der als Kentarch - wohl eine militärische Rangbezeichnung - Betitelte ließ keine Regung erkennen. Sein wie versteinert wirkendes Gesicht drückte Mißbilligung, Arroganz, Kälte und eine Spur Ekel aus.
    »Scheinbar hält euch Händlervolk nicht einmal ein Hochwasser von euren Geschäften ab.« Das Wort Geschäfte sprach er dabei mit der größtmöglichen Abscheu aus, so als ob die Thurg'arsi irgendetwas moralisch Verwerfliches taten. Anscheinend waren Fremde wirklich nicht gut gelitten in Haruthar. Nienor sah sich um. Die Garnision war recht groß. Sicher mehr als eine Hundertschaft, die hier unter Waffen stand. Etwas zu viel für eine unbedeutende Zollstation. Oder war dies dem Mißtrauen geschuldet, mit dem die Harutharer laut den Worten Sechabs alle Fremden beäugten?
    Während Nienor sich ihre Gedanken machte, antwortete Sechab ruhig »Wir schätzten die Gefahren, die die Überfahrt über den Strom barg, für geringer ein, als diejenige, die von den Räuberbanden am jenseitigen Ufer, Ad'hos möge sie betrafen, ausging.«
    Der Kentarch hob die Augenbraue. »Euer Ad'hos ist nur ein falscher Götze, untersteh dich, seinen Namen in Haruthar laut zu nennen. Vor Innos' Antlitz verblassen alle. Nur er besitzt die Macht, Schicksale zu wenden.«
    Sechab verneigte sich stumm.
    »Da ihr mit eurem Vieh«, er sagte tatsächlich abfällig Vieh zu den Transporttieren der Thurg'arsi, »nicht an der vorgesehenen Stelle an Land gegangen seid, werdet ihr eine Strafgebühr von zweihundert Farsi an die königliche Kasse entrichten.«
    Wahrscheinlich wurde Sechab nun blass, doch da sein Gesicht von einem tuch verhüllt war und er überdies eine recht dunkle Hautfarbe besaß, konnte man dies nicht erkennen.
    Spontan mischte sich Nienor ins Gespräch ein.
    »Verzeiht, edler Kentarch, möge Innos' Licht noch lange über Euch scheinen. Mein Name ist Nienor de Brethil, ich komme aus Myrtana und begleite diese Karawane nach Süden.«
    Der Offizier beäufte die Kriegerin mißtrauisch. Wie eine der Thurg'arsi sah sie wirklich nicht aus. »Myrtana? Das ist weit im Norden, wenn ich mich recht erinnere? Das Reich steht doch im Kampf mit den Armeen der Orks?«
    »Das ist richtig, aber König Rhobar hofft auf die Hilfe Innos'. Er und das gesamte Volk ist rechtgläubig und so wird es uns letztendlich gelingen, den Feind zu besiegen. Denn Innos wird es nicht zulassen, daß die seinen der Finsternis zum Opfer fallen.« Eigentlich hatte sie nie sonderlich viel von Innos gehalten, aber hier konnten derartige Worte von Nutzen sein.
    »Das ist zweifellos richtig. Weshalb, wenn nicht durch den festen Glauben an ihn und seine Macht hat Haruthar es geschafft, so viele Jahrhunderte zu wachsen und zu gedeien. Was wollt Ihr also, Nienor de Brethil?«
    »Ich möchte Euch berichten, was der Durghari in seiner Bescheidenheit vergaß, zu erwähnen: Am anderen Ufer überraschten wir eine Bande von wilden Kriegern und Halsabschneidern, sie zählte viele Köpfe. Diese Räuber waren zweifellos kurz davor, zu einem Überfall auf Haruthar über den Fluß zu setzen. Ich sehe hier eine tapfere Garnision, die sicherlich mit dieser Bande fertig geworden wäre. Doch nur nach hartem Kampf, denn ihre Anzahl war hoch. Die tapferen Männer, die Ihr hier seht«, sie zeigte auf die Thurg'arsi, die sich schweigend hinter ihr aufgestellt hatten, »haben sie jedoch besiegt und in den Wald zurückgetrieben. Doch damit nicht genug. Um Euch so schnell wie möglich zu warnen vor diesen Banden, sind wir unverzüglich nach diesem Kampf ungeachtet der Gefahren, die uns durch den Fluß drohten, über den wilden Strom gesetzt und haben Euch aufgesucht. Wäre es angesichts dieser Umstände nicht in Innos' Sinn, die Betrafung für das verspätete Aufsuchen der Zollstelle zu reduzieren?«
    Der Kentarch schaute die Kriegerin aus ausdruckslosen Augen an. »Nun... vielleicht... ja. Ich setze die Strafe hiermit auf fünfzig Farsi neu fest.«
    »Ich danke euch.« Nienor verbeugte sich galant, die Hand am leeren Gürtel, dort wo sonst der Schwertgriff der am Waffengürtel befestigten Waffe zu finden war. Schmerzlich wurde ihr für einen Augenblick bewußt, daß sie waffenlos war.
    »Eine Frage noch«, wagte sie sich noch einmal an den Kentarch zu wenden. »Was sind dies dort für Menschen? Von Euren tapfren Männern gefangen genommene Räuber?«
    Der Kentarch drehte sich um und schaute in die Richtung, in die Nienor deutete. Eine Gruppe von Leuten saß oder stand hinter einem Holzgitter wie Gefangene. Scheinbar sollte so sichergestellt werden, daß keiner von ihnen irgendwie verschwand. Es war ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Neben zerlumpten Gestalten fanden sich auch einige besser gekleidete Herren, die mehr oder weniger erfolgreich versuchten, sich vom Rest abzusondern. Stumpfes Erdulden der momentanen Lage sprach aus ihren Gesichtern. Jedenfalls aus denen der armselig gekleideten. Sie kannten es vielleicht nicht anders. Die Mimik der anderen verriet Ärger und Ungeduld. Nienor beobachtete, wie ein Korb mit Brot und Fleisch für einige münzen den Besitzer wechselte. Der Soldat, der ihn gebracht hatte, ging zufriedenen Schrittes wieder zturück ins Zollgebäude. Wer Geld hatte, hielt es wohl auch im Arrest ganz gut aus. Er verpasste eben nur seine Geschäfte.
    »Nein, das sind Personen, die Haruthar verlassen wollen. Doch momentan verläßt niemand das Land und solange bleiben alle an den Grenzen Aufgegriffenen im Gewahrsam der königlichen Armee.«
    »Ich verstehe. Sicher gibt es einen wichtigen Grund dafür?«, bohrte Nienor nach.
    Der Offizier ließ sich zu weiteren Informationen hinreißen.
    »Eine Formel wurde gestohlen, eine sehr wichtige Formel. Eine Formel, die die Magier zur Herstellung des magischen Eisens für die Waffen und Rüstungen der königlichen Armee benötigen. Natürlich haben sie Abschriften davon. Die Ausrüstung der glorreichen Armee ist also nicht gefährdet, falls das der Dieb damit bezweckt hat. Den Bastarden in Gorthar würde das ähnlich sehen. Aber diese Formel hat bisher niemals die Grenzen dieses Reiches verlassen und so Innos will, wird sie das auch jetzt, wo sie gestohlen wurde, nicht. Zum Glück ist sie in einer geheimen Art und Weise geschrieben, wie sie nur die Magier der Leuchtenden Sonne benutzen, so daß sie für alle anderen Menschen nutzlos ist. Doch man kann nie wissen... Bis sie nicht wieder auftaucht, darf keiner die Grenzen Haruthars nach außen überschreiten. Auch die Wüstenkrämer, mit denen Ihr Euch abgebt, nicht. Spätestens an der südlichen Reichsgrenze werden sie von den Grenzgrafen am Überschreiten derselben gehindert werden, sofern diese nicht bis dahin ihre Pflichten dem König gegenüber ganz vergessen haben.«
    Den letzten Satz stieß er in ärgerlichem Tonfall aus. Von den Grenzgrafen des Südens schien der Mann nicht viel zu halten. Vermutlich war es vor Kurzem dort zu irgendwelchen Problemen gekommen. »Aber die Grenzübertritte der Wüstenkrämer im Süden sind nicht mein Problem. Die stinkenden Snappertreiber werden schon sehen, was sie davon haben, Haruthar zu betreten.«
    Hochmütig klang es, fast wie eine Drohung. Nienor verzichtete auf weitere Fragen. Am Ende erhöhte der Kentarch die Strafe bloß wieder. So verabschiedete sie sich mit einem stummen Nicken, lächelte den verblüfften Sechab kurz an und verschwand wieder nach hinten in die Karawane. Der Durghari indes bezahlte die verlangten 50 Farsi und die Karawane beeilte sich, schnell von diesem Ort mit dem feindseligen Kentarchen und seiner Garnision fortzukommen.
    Die Provinz Badajoz lag vor ihnen. Weite Ebenen sanft gewellten Hügellandes mit fruchtbaren Böden, klaren, langsam dahinfließenden Bächen und Flüssen, kleinen Dörfern und der Provinzhauptstadt gleichen Namens, auf die sie nun zustrebten.

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    Nienor war zu ihrem Reittier zurückgekehrt, wo sie Dumak schon erwartete.
    »Und? Gibt es irgendwelche Probleme?« Instinktiv hielt er sich, was offizielle Stellen anging, zurück. Mit dem registriert, angemeldet und eingeschrieben werden, dem geprüft und ausgefragt werden hatte es Dumak nicht so sehr.
    »Nein, keine nennenswerten«, meinte Nienor nur und kletterte geübt an ihrem Rukhoa herauf. Mittlerweile besaßen sowohl sie als auch Dumak genug Erfahrung, um ohne fremde Hilfe auf die großen und gutmütigen Tiere zu gelangen.
    Von dem Gespräch über die Formel erzählte sie dem Barden nichts. Sie hatte zwar einen ganz bestimmten Verdacht, daß es sich bei der Formel, die sie nun besaß, um eben diese gesuchte handelte, doch Dumak gegenüber war ihr Vertrauen nicht allzugroß. Sie hatte andere Pläne.
    Stattdessen sagte sie: »In diesem Land gilt Innos als der einzige Gott. Beliar und selbst Adanos gelten als mindere Götzen, jeder andere Gott, an den Menschen glauben mögen, ebenfalls. Also gib acht, was du sagst und wessen Namen du im Mund führst.«
    »Oh, das ist kein Problem. Ich habe da einen ganz entzückenden kleinen Lobeshymnus in meinem Gedächtnis, den ich zuletzt vor der Paladingarnision in Khorinis gespielt habe. Die waren hellauf begeistert und wollten mich gleich zum Hofdichter machen, bis ihnen einfiel, daß sich der Hof des Königs ja gar nicht in Khorinis befindet.«
    »Ja, natürlich...«, antwortete Nienor geistesabwesend. Sie überlegte, was sie mit der Formel machen sollte, während Dumak den bunten Faden seines Geschwätzes weitersponn.
    »Ich hätte sowieso dankend abgelehnt, denn was hat man schon davon, Hofpoet zu sein?«, behauptete er gerade. »Immer nur diese langweiligen Lobgesänge auf den König, wie weise er ist und wie gütig und wie erfolgreich er die Feinde aufs Haupt schlägt und so weiter.«
    Er machte eine kurze Pause, während der er überlegte.
    »Obwohl, der letzte Punkt wäre schon eine Herausforderung. Wenn man an die ganzen verlorenen Schlachten im Orkkrieg denkt... Wer weiß, wie es in Myrtana aussieht.«
    »Sicher nicht gut. Es kamen seit Ewigkeiten keine Meldungen mehr aus dem Reich«, meinte Nienor schlicht.
    »Ja, du magst recht haben. Seien wir froh, daß wir weit weg sind von den gräßlichen Orks.«
    Nienor antwortete nicht. Sie dachte an ihre Heimat. Das Herrenhaus, in dem sie ihre Kindheit und frühe Jugend verbracht hatte und das sicher schon längst in Schutt und Asche gefallen war. Wie würde es wohl jetzt dort aussehen? Dumak indes sprach unbekümmert weiter - ihn band ja auch nichts an Myrtana, an das Festland. Zumindest keine guten Erinnerungen. Unter Dieben, wo nur der Erfolgreichste etwas galt, aufgewachsen, ständig mit der Gefahr, erwischt und aufgeknüpft zu werden, konfrontiert. Kein Leben, an das man gerne zurückdachte.

    »Innos’ Licht erleuchtet · mir den langen Tag
    jeder sieht mit Staunen, · was seine Macht vermag.
    Alles auf der Erde, · was hier kreucht und fleucht,
    kommt durch seinen Segen, · allmächtig er mir deucht«,

    intonierte er und klimperte dazu auf seiner Laute.
    »Reichlich einfältig, dieser Text. Ist der etwa von dir?«, zog ihn Nienor auf.
    Aber Dumak war keineswegs beleidigt. Er war nicht der Typ von Barde, der glaubte, seinen Zuschauern große Kunst zu bieten. Er wollte sie lediglich unterhalten, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Das Publikum wollte naive Balladen? Es bekam naive Balladen. Für Dumak kein Problem. Wenigstens mußte er sich so nicht mehr durch Betrügereien durch Leben schlagen. Obwohl solche Liedlein - waren sie etwas anderes als Betrug? Gaukelten den Leuten irgendetwas vor und lullten sie ein.
    »Na klar ist der von mir. Erkennst du denn in diesen prächtigen Versen nicht meine herausragenden Künste als Worteschmied?«
    Nienor lachte lauthals. Einer der ganz seltenen Momente, in denen sie wirklich befreit lachen konnte. »Du hättest vielleicht Hofpoet werden können, doch als Spaßmacher wärst du wohl noch um vieles erfolgreicher«, meinte sie dann.
    »Pah, wie wärs damit:« - es klang belustigt, nicht beleidigt. Dumak war gutmütig, was diese Wortgefechte mit der Kriegerin mit der spitzen Zunge anging. Und er stimmte ein neues Lied mit einer eingängigen Melodie an.

    »Durch stillen Wald und weite Flur,
    durch steiler Schluchten dunklen Grund,
    fand ich den Weg durch Zufall nur,
    sah mich schon fall’n in tiefen Schlund.

    Ich stand vor Bergen hoch und schroff,
    erstieg das höchste Felsenhorn,
    von mancher kahlen Bergwand troff
    mit leisem Klang ein kühler Born.

    Weit über Ackerrain und Feld
    führt über ausgetret’nen Steg,
    vorbei an Feldern, frisch bestellt,
    der einst von mir gewählte Weg.

    Selbst übers Meere fuhr ich hin,
    getrieben von unstetig Wind.
    Du fragst nach meiner Reise Sinn?
    Ich suchte, was wohl nie ich find’.

    Den wahren Held, zu aller Schand’,
    fand ich niemals auf meiner Jagd.
    Ich hab gesucht im ganzen Land
    Und dann am Ende doch verzagt.«

    »Das gefällt mir«, meinte Nienor dann. »Auch wenn du mich damit wohl ärgern wolltest, aber ich fühle mich nicht angesprochen, denn ich bin kein Held und ich werde es auch nie sein. Ich bin nur eine einfache Kriegerin auf der Suche nach... ja nach was eigentlich? Ich weiß es nicht. Wonach suchst du, Dumak?«
    Dumak zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Ich suche eine warme Mahlzeit und ein Dach überm Kopf. Ich finde, es bringt nur Kummer, wenn man sich zu weite und hohe Ziele steckt. Warum nicht den jetzigen Tag genießen?«
    »Weil Menschen, die sich nur um die nächste Mahlzeit und die nächste Nacht kümmern, noch nie irgendetwas verändert haben.«
    Dumak horchte auf. »Was willst du denn verändern?«
    Doch Nienor antwortete nicht. Und die Karawane zog weiter, ihrem heutigen Nachtlager entgegen, das wohl bald erreicht sein würde. Die Sonne hatte schon vor einiger Zeit den ersten Sternen Platz gemacht, die unregelmäßig flackerten, wenn man sie genau beobachtete. Doch noch nie war es Dumak gelungen, einen zu entdecken, der tatsächlich ausgeknipst wurde. Scheinbar waren sie wirklich so ewig und unverrückbar am Himmel befestigt, wie die gelehrten Magier behaupteten.

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    Als am Rand der Landstraße ein lichtes Wäldchen auftauchte, hielt die Karawane endlich an und das Nachtlager wurde aufgeschlagen. Die Männer zeigten wie immer, daß die die Handgriffe kannten, die nötig waren, um das Lager zu errichten. In wenigen Minuten waren die Tiere abgeladen, in einen schnell errichteten Pferch getrieben, Zelte aufgebaut und einige Feuer flammten auf.
    Nun kam auch Sechab wieder auf Nienor zu. Sie hatte beim Zusammentreiben der Tiere geholfen. Das Entladen und den Aufbau der Zelte überließ sie lieber den Händlern. Jetzt lehnte sie an einem der Pfosten des Tiergatters und hielt Ausschau nach Dumak, der sich wie immer rechtzeitig davongemacht hatte, als es nach Arbeit roch.
    Der Durghari deutete eine Verbeugung an. »Ich möchte Euch danken. Ihr habt der Karawane eine Menge Kosten erspart.«
    »Ich nehme an, das hat die Ältesten erfreut«, antwortete die junge Frau mit einem Funkeln in den Augen.
    »Ja, und vor allem sind sie in der Achtung der Karawanenteilnehmer gestiegen, denn es hat sich als weise Entscheidung herausgestellt, Euch weiterhin zu erlauben, uns zu begleiten.«
    »Und was das Ansehen der Führer steigen läßt, ist in jedem Fall gut«, bemerkte Nienor trocken.
    Sechab wechselte das Thema. »Wir werden in zwei Tagen die Hauptstadt dieser Provinz, Badajoz, erreichen. Dieses Land ist friedlich und gut bewacht. Deshalb werden wir gut voran kommen. In Badajoz werden wir wieder unsere Wolle verkaufen. Nach weiteren zwei Tagen, denn einen Tag werden wir warten müssen, weil dies kein Markttag ist, werden wir von dort aufbrechen und weiter nach Süden ziehen, dem glänzenden Coimbra entgegen.«
    »Dem glänzenden Coimbra?« Der Name klang verheißungsvoll und irgendwie besonders. »Weshalb wird es das ›glänzende‹ genannt?«
    »Das werdet Ihr sehen, sobald es in der Ferne auftauchen wird. Es ist jedesmal ein gleichwohl erhebender wie warnender Anblick. Schön und ehrfuchtgebietend. Das Reich Haruthar ist mächtig und es zeigt dies auch.«
    Nienor drehte sich um, sie hatte den Blick eines Beobachter auf ihr ruhend gespührt.
    »Warum schauen mich die Thurg'arsi seit kurzem so an?« Es gefiel ihr nicht, auch wenn jeder sich bemühte, nicht aufdringlich mit seinen blicken zu erscheinen.
    Sechab schwieg kurz, ehe er antwortete. Er hatte wohl überlegt, ob er überhaupt etwas sagen wollte. Eine Geste, die Nienor nur noch ungeduldiger machte. »Was? Sagt es mir!«, forderte sie.
    »Es ist nichts«, versuchte der Dolmetscher sie zu beschwichtigen. »Nur der Wald am anderen Ufer, er war tot, solange sich die Thurg'arsi daran erinnern können, Reisen in den fernen Norden zu unternehmen. Nur in manchen unserer ältesten Erzählungen heißt es, daß er enst grün und lebendig war. Und nun, auf der Reise in diesem Jahr, wo Ihr mit dabei seid, erwacht er plötzlich zum Leben auf eine Art, wie sie nur ein großer Zauber vollbringen kann. Ein Zauber oder göttliche Kraft.«
    »Aber was hat das mit mir zu tun?« Nienor verstand nicht.
    »Die Männer halten Euch für den Grund seines Erwachens.«
    »Aber... ich bin es nicht. Das habt Ihr ihnen doch sicher gesagt?«, wies Nienor diese Vermutung von sich.
    Sechab lächelte unter seinem Gesichtstuch, seine Augen verrieten es. »Ich kann ihnen nicht befehlen, was sie denken sollen. Die Gedanken sind frei wie der Wüstenwind.«
    »Aber...« Nienor wußte nicht, ob sie wütend oder belustigt reagieren sollte.
    »Einige glauben sogar noch mehr, doch darüber werde ich Euch jetzt nichts erzählen«, fuhr Sechab fort.
    Nienor blickte schweigend über die Zelte hinweg, die das Lager der Händler bildeten. In einem der Zelteingänge erschein, beleuchtet vom Feuer, das vor dem Zelt brannte, einer der Karawanenführer. Es war Chatab jub Hamsad, Nienor erkannte ihn an seinem weißen Bart. Er war derjenige, der drei Ältesten Gewesen, der im Gegensatz zu den anderen keine Miene verzogen hatte bei ihrer Begrüßung vor einigen Tagen - oder war es schon Wochen her? In der Karawane, die jeden Tag aufs neue im gleichen Schritt nach Süden zog, verlief ein Tag so gleichförmig wie der nächste, so daß man das Gefühl für die Zeit schnell verlor.
    Hamsad war ihr unheimlich. Seine Augen hatten einen wissenden Ausdruck und sein Gesicht war, da wo es nicht vom weißen Bart bedeckt war, etwas asketisches, strenges. Die flackernden Flammen des Feuers vor ihm erhöhten durch das Spiel aus sich ständig veränderndem Licht und Schatten noch diesen Eindruck. Die anderen beiden Karawanenführer, ben Farsi und Hagura hatten leutseliger gewirkt.
    Der Durghari sagte noch »Setzt Euch an dieses Feuer dort, für Essen ist gesorgt«, dann entfernte er sich mit einer abschließenden Verbeugung, um der stummen Aufforderung des Ältesten zu folgen und verschwand mit diesem im Zelt. Nienor tat, wie ihr geheißen und setze sich ans Feuer, wo die Männer stumm auseinanderrückten, um ihr Platz zu machen. Einer reichte ihr mit stiller Scheu, die für einen stolzen Krieger, wie es diese Händler sein mußten, um ihre Waren verteidigen zu können, wirklich seltsam wirkte, eine kleine Schüssel mit gekochtem Fleisch. Doch die Männer waren alle von dieser Scheu befallen. Erst nach einer ganzen Weile versuchte einer der Thurg'arsi, mit Nienor Kontakt aufzunehmen, indem er ihr mit Handbewegungen zu Verstehen gab, daß das Fleisch gut sei. Nienor stimmte ihm ebenfalls in Zeichensprache zwischen zwei Bissen zu und hoffte, daß er sie verstand. Der Mann nickte nur und entblößte eine Reihe weißer Zähne, als er seiner Freude darüber durch ein Lachen Ausdruck gab. Alle Männer am Feuer hatten ihren Gesichtsschutz abgenommen, um beim Essen nicht behindert zu werden.
    Von Dumak war nichts zu sehen. Wo mochte er sich wieder herumtreiben?

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    Der Wald auf der anderen Seite der Landstraße lag hinter ihm. Er war weder besonders groß, noch besonders dicht gewesen. Es war vielmehr nur ein Wäldchen. Dahinter begannen Felder, die nur noch ihre Stoppeln trugen. Wie das Gesicht eines unrasierten Riesens... Das abgemähte Getreide war zu Hocken zusammengestellt, jeweils neun Garben, also neun Schwünge mit der Sense bildeten eine von ihnen. Obendrauf kam eine zehnte zum Abdecken. So standen die Halme wie stumme Wächter, die plötzlich aus dem Schatten der beginnenden Nacht auftauchten. Fast wäre Dumak zurückgeschreckt vor dem plötzlich erscheinendem Schatten, als er erkannte, um was es sich handelte.
    Wo es Felder gab, die abgeerntet wurden, waren auch Menschen nicht weit. Sicher würde es in der Nähe eine Siedlung geben, ein Dorf, einen Weiler oder wenigstens einen einsamen Hof. Dort gäbe es sicher auch etwas zu essen.
    Plötzlich ein Geräusch, eine Stimme, gar nicht mal weit entfernt. Dumak huschte schnell hinter eine der Hocken, als er das Flüstern vernahm. Mindestens zwei Leute bewegten sich über das Feld auf ihn zu. War er gesehen worden? Aber er hatte doch gar kein Licht bei sich. Die Dunkelheit bot doch sonst auch immer eine perfekte Tarnung.
    Doch auch diesmal hatte sie nicht versagt. Die Leute, die übers Feld liefen, hatten Dumak nicht bemerkt. Ihre Aufmerksamkeit galt anderen Dingen.
    »Wir nehmen jede fünfzehnte Hocke, wie abgesprochen«, ließ sich eine Männerstimme vernehmen.
    »In Ordnung, wo fangen wir an?«, kam die zustimmende Antwort, die gleichzeitig eine Frage war von einem anderen der nächtlichen Besucher.
    Der Barde erschauerte. Mit seiner Hocke wollten sie anfangen? Es waren Diebe! Stahlen das Getreide noch vom Feld. Was für ein Land war das hier nur...
    »Helmir, so laß dich doch umstimmen«, erklang da auf einmal eine Frauenstimme. »Wenn die Priester davon erfahren...«
    Es klang flehend. Doch auch das konnte die Männer anscheinend nicht umstimmen.
    »Wenn alle zusammenhalten und keiner etwas sagt, dann erfahren sie auch nicht. Auch du darfst nichts sagen«, schärfte die Männerstimme der besorgten Frau ein.
    »Wir versündigen uns gegen Innos. Und Innos sieht alles.« Die Frau war weiterhin ängstlich.
    »Auch ein Innos kann seine augen nicht überall haben. Nur seine Priester durchschnüffeln jeden Winkel, nicht er selbst.«
    Eine andere Männerstimme begann mit dem Zählen. Dumak hielt den Atem an. Er war mittlerweile fast vollständig in die gegeneinandergestellten Getreidehalme hineingeschlüpft und konnte im Dunkeln ganz sicher nicht gesehen werden.
    »Eins.«
    Das war ein ganzes Stückchen rechts von ihm.
    »Zwei.«
    Die Stimme kam näher.
    »Drei.«
    »Mann! Versündige dich nicht!« Die Frauenstimme blieb flehend.
    »Vier.«
    »Sei ruhig, Weib.«
    »Fünf.«
    »Ich sage dir, es ist nicht Innos, der dieses Getreide fordert, es sind nur seine habgierigen Priester, die sich an allem bedienen«, rechtfertigte er sich.
    »Sechs.«
    »Was sollte Innos wohl mit unserer Ernte anfangen? Wo in seinem Himmel alles vor rotem Feuer glüht, wenn es stimmt, was uns Vater Korbinian erzählt.«
    »Sieben.«
    »Warum sollte es denn nicht stimmen?«, antwortete die Frauenstimme wieder.
    »Acht.«
    »Na also, alles, was wir an Zehnten abgeben von unserer Ernte, von unserem Eigentum dient nur dazu, die Priesterschaft durchzufüttern. Sie nehmen uns aus und...«
    »Neun.«
    »... leben in ihren Klöstern von unserer Arbeit, von unserem Schweiß. Was wir erschaffen, wandert in ihre Vorratslager. Ist das etwa gerecht, Frau?«
    »Zehn.«
    Dumak verstand. Diese Leute waren gar keine Diebe. Sie hatten nur vor, einen Teil ihrer Ernte zu verstecken, damit sie nicht den Innospriestern in die Hände fiel.
    »Elf.«
    »Von unserem korn nehmen sie den Zehnten, von unserem Vieh jedes Jahr von jedem Hof drei Jungtiere, von unseren Eiern jedes Jahr fünf Schock, von unserer Milch, von unserem Käse...«
    »Zwölf.«
    »...Frondienste müssen wir leisten, Spanndienste, als Bauknechte dienen, wenn einer der Äbte wieder mal die Kirche zu Innos' Ruhm vergrößern will, Wege und Brücken müssen wir auf unsere kosten bauen, die Liste ist endlos...«
    »Wir werden alle Beliar anheim fallen«, flüsterte die Frau tonlos.
    »Dreizehn.«
    »Sorge dich nicht, Weib«, versuchte ihr Mann sie zu beschwichtigen. »Innos benötigt kein irdisches Gut. Das benötigen nur die Priester.«
    Die Stimme des Zählers kam immer näher.
    »Innos ist gerecht. Er straft nur die, die ihn verleugnen. Und das tun wir nicht.«
    »Vierzehn.«
    »Für das Korn, das wir dadurch sparen, können wir und genug Winterfutter für eine weitere Kuh kaufen. Wo doch im letzten Winter drei Kühe eingegangen sind.«
    Jetzt kam es.
    »Fünfzehn.«
    Dumak hielt die Luft an. Oder hatte er es schon die ganze Zeit getan?
    Es raschelte neben ihm und ein Mann sagte »Das wäre die erste Garbe.«
    »Leg sie auf den Ochsenkarren. Wir schaffen sie, sobald wir das Feld ganz durchgegangen sind, zur Grube im Wald.«
    »Eins.«
    Es erklang nur eine Armlänge von Dumaks Gesicht, direkt vor ihm. Er atmete aus.
    »Und stellt die anderen Garben so hin, daß keine Unregelmäßigkeiten zu erkennen sind. Wenn der Garbenzähler morgen kommt, darf ihm nichts auffallen.«
    »Zwei.«
    »Wir versündigen uns alle.«
    »Hör endlich auf, Frau. Die Dorfgemeinschaft hat es beschlossen und so führen wir es durch.«
    »Drei.«
    Die Stimme des Zählers entfernte sich nach links von Dumak.
    »Was ist, wenn sie Vater Ungoliant schicken? Er kennt alle Kniffe.«
    »Auch er wird nichts bemerken, wenn wir nichts Auffälliges zurücklassen.«
    »Vier.«
    »Vielleicht schicken sie dieses Jahr ja auch den jungen Bruder Anselm. Wer weiß das schon...«
    »Fünf.«
    »Einer ein Schmarotzer unter Innos' Licht wie der andere...«, meinte eine andere Männerstimme.
    Die Frau holte empört Luft. »Du bist ein Lästermaul, Perior, und kommst als erster wegen deiner losen Zunge zu Beliar.«
    »Sechs.«
    Die Stimmen wurden immer leiser. Irgendwann waren sie kaum noch zu hören. Der Barde beschloß, jetzt zu verschwinden, ehe die Bauern zurückkamen, um die nächste Reihe durchzuzählen. Diese Nacht hielt er es wohl auch ohne Abendessen aus.
    Was für ein Land war das hier nur...

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    Tage waren vergangen. Die Karawane war durch das weite Land gezogen, hatte Dörfer passiert, kleine Siedlungen mit windschiefen Hütten, aus denen verhärmte Gesichter schauten. Mißtrauisch wurden die Händler aus dem Süden auf ihren großen, langsam dahinstapfenden Tieren mit den langen Hälsen beäugt. Die Sonne brannte heiß und unbarmherzig auf die Erde hernieder, so als wolle Innos das Land für seinen festen Glauben besonders innig umarmen - und ließ es dabei verglühen. An einem Abend hatten sich am Horizont des ansonsten wolkenlosen Himmels dicke, graue Wolken aufgetürmt, bis hoch in den Himmel in der typischen Amboss-Form von Gewitterwolken.
    »Dort hinten in weiter Ferne regnet es sicher jetzt.« Doch das war nur eine Vermutung, die Wolken waren so weit weg, daß man weder Blitze sah, noch Donner hörte. Am nächsten Morgen waren auch diese Wolken verschwunden und das Land stöhnte weiter unter der Hitze. Die Äcker waren abgeerntet und hier und da lag das Vieh träge unter einigen Bäumen, die spärlichen Schatten spendeten. Die endlos lange Karawane der Thurg'arsi hinterließ auf dem ausgetretenen Weg durch die Ebene eine Staubfahne, ausgelöst durch den ersten Rukhoa an der spitze und verstärkt durch jeden weiteren. Ein Beobachter in der Ferne würde eine Art Dreieck aus Staub sehen, von dessen Spitze aus sich die Wolke immer weiter erhob und erst nach langer Zeit wieder zur Ruhe kam, verweht vom fast unmerklich schwachen Wind, der keine Kühlung brachte, da er genuso erhitzt war, wie die Luft.
    Die Thrug'arsi schützten sich vor dem Staub durch ihre Tücher, die von ihren kopfbedeckungen herabhingen und die sie über Mund und Nase spannten, so daß nur noch die hellen Augen, umrahmt von dunkler Haut hervorblitzten. Sie waren an Staub, Wind, Sand und Trockenheit perfekt angepasst, so daß sie die für diesen Landstrich ungewöhnliche Hitze nicht weiter anfocht. Dumak hatte es sich auf seinem Rukhoa irgendwo im hinteren Bereich kurz vor dem Ende der Karawane bequem gemacht. Er hatte sich umgedreht, so daß der Rücken und der Kopf gegen den Hals seines Reittieres lehnte, die Beine hatte er hochgelegt und übereinander geschlagen. So hatte er die hinter ihm reitende Nienor im Blickfeld.
    »Wenn nur endlich diese langweilige Ebene vorrüber wäre«, klagte er ihr gerade sein Leid.
    »Schreib doch ein Lied darüber, du bist doch Barde«, neckte ihn Nienor.
    »Ha! Was soll ich denn da schon großartig singen? Ein Lied über diese Ebene mit ihrer Hitze und ihrem Staub wäre ja genauso langweilig, wie diese Ebene selbst. Da rennen mir doch die Leute weg - wenn sie nicht vorher einschlafen.
    Ich glaube fast, diese Landschaft hier ist endlos, wir werden bis ans Ende unserer Tage an kleinen Feldern und Wäldern vorbei auf staubigen Wegen entlangziehen, kein Berg und keine Abwechslung in Sicht, kein Fluß, erst recht kein Meer. Ja wahrscheinlich nicht einmal eine Stadt, in der ich ein bisschen was verdienen kann.«
    Dumak seufzte laut.
    »Ich glaube, wir werden sehr bald eine Stadt erreichen«, meinte Nienor in orakelndem Tonfall. »Sie wird von hohen Mauern umgeben sein. Darüber hinweg ragen nur die hohen Türme der Kirchen, die zur Lobpreisung Innos' erbaut wurden.«
    »Ach? Hat dich die Hitze jetzt des Verstandes beraubt? Hab ja gleich gesagt, du solltest einen hut tragen, um dich zu schützen. Oder bist du jetzt unter die Seherinnen gegangen?«
    Nienor lachte. »Ja, so kann man es auch nennen, ich bin eine Seherin und ich sehe diese eben beschriebene Stadt. Direkt vor mir aus dem Hitzedunst aufsteigen.«
    »Klingt nach einer Fata Morgana oder wie das hieß, wovon uns Sechab berichtet hat«, brummte der Barde. »Du weißt schon, diese Sachen, die gar nicht wirklich da sind.«
    Doch Nienor schüttelte den Kopf. »Ich halte diese Stadt für sehr wirklichkeitsnah. Ich sehe sie nämlich ganz genau. Ich denke, heute Abend werden wir dort sein.«
    »Wie? Was?«
    Jetzt endlich kapierte Dumak. Er richtete sich auf und drehte sich um, so daß auch er wieder nach vorn, in Richtung des Karawanenzuges sah. Und tatsächlich, an den vielen, vielen Hälsen der Rukhori vorbei erkannte er in der dunstigen und flimmernden Luft die grauen Mauern einer großen Stadt.
    »Das muß Badajoz sein!«, jauchzte er auf. »Endlich!«
    Er fiel fast von seinem Reittier vor lauter freudiger Rumzappelei. »Stell dir vor: Endlich wieder eine Badestube besuchen, endlich wieder eine Taverne mit ihren unvergleichlichen und mir nun honigsüß erscheinenden Gerüchen nach Schweiß und Bier betreten. Und endlich wieder... Ja, eine Stadt.« Was er als Drittes endlich wieder zu tun gedachte, behielt er für sich.
    »Siehst du: Ich bin eine echte Seherin, ich habe Dinge gesehen, die dir noch verborgen waren«, meinte die junge Frau mit schelmischem Grinsen.
    Aber Dumak war in freudiger Erwartung völlig in Gedanken versunken und nahm, ihre Worte gar nicht mehr wahr. Um die hohen Beine seines Reittieres lief schwanzwedelnd sein Hund umher und stellte hin und wieder freudig den Kopf auf, so als hätte er auch mitbekommen, daß eine Abwechslung in der Eintönigkeit der letzten Tage bevorstand.
    Auch die Rukhori schienen die nahe Stadt zu spüren, denn plötzlich schien es, als stapften sie ein wenig schneller dem Ziel entgegen. Badajoz war einer der Orte, in denen die Thurg'arsi ihre Baumwolle zum Verkauf feilbieten durften. hier würden sie einige wenige Tage Rast machen.

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    Fanfaren ertönten und aus ihren schlanken, in der Sonne glänzenden Leibern schmetterten helle Signaltöne.
    ›Aha‹, dachte Dumak, ›endlich mal ein gebührender Empfang.‹ Doch ertäuschte sich. Oder zumindest hatte er sich etwas anderes unter gebührend vorgestellt, als die Wächter des Stadttores. diese schlossen auf das Signal hin die hohen, schweren Stadttore. Mit dumpfem Knall fielen die Torflügel ins Schloß und man hörte noch, wie von innen ein Balken vorgeschoben wurde. War das etwa der übliche empfang für die Händler aus dem Süden? Erstaunt griff Dumak um den Hals seiner alten Laute und kletterte leichtfüßig von seinem Reittier herab. Mittlerweile beherrschte er das Auf- und Absteigen genauso gut, wie die Thurg'arsi.
    »He, wieso verschließen sie die Tore vor uns? Sehen wir so furchterregend aus?«, wandte er sich an Sechab, der seinen Weg kreutzte und gerade einige Anweisungen gab, nach denen die Karawanenmitglieder das Lager vor den Mauern der Stadt aufschlugen.
    »Wir dürfen die Stadt nicht betreten, wie jede andere Stadt auch in diesem Reich, mein vergesslicher Freund«, erklärte dieser kurz.
    Achja richtig, die Thurg'arsi durften ihren Handel immer nur vor den Stadttoren betreiben. aber Dumak war keiner von den Thurg'arsi, ebenso wie Nienor.
    »Hey, Kriegerin, gehen wir in die Stadt? Ich brauche dringend ein Bad. Die Wüstensöhne hier mögen sich mit Staub und Sand waschen, ich jedoch benötige wasser. Und danach ein Bier... oder auch ein paar mehr«, drang er auf Nienor ein, die ihren Rukhoa gerade in eine eilig aufgestellte Koppel führen wollte - im Gegensatz zu Dumak, dessen Reittier mittlerweile völlig verloren herumstand, da sich niemand darum kümmerte. Für sein Reittier war jeder Reiter selbst verantwortlich. Und für alle Tiere, die mit Zügeln an seinem festgemacht waren.
    »Bring dein Tier zur Herde und dann gehen wir«, antwortete Nienor dann auch.
    Gesagt, getan. Wenige Augenblicke später machten sich die beiden Reisenden in Richtung des Stadttores auf. Im rechten Torflügel war eine Pforte für Fußgänger eingelassen, diese war geöffnet worden und der Verkehr floß nun dort hindurch. Wagen, Reiter und anderes, was ein breiteres Tor gefordert hätte, war nicht in Sicht. Einige Menschen liefen zum tor hinaus und in Richtung des Thurg'arsi-Lagers. womöglich hatten sie kleinere Tauschgeschäfte vor. Barfüßige, in einfache Leinenkittel gekleidete Kinder boten sich an, für einige wenige Münzen als Wasserträger für die Versorgung der Rukhori zu arbeiten.
    »He, ihr da, könnt ihr euch ausweisen?«, rief eine brummige Stimme. Ein Wächter war auf Nienor und Dumak aufmerksam geworden, als sie durch die Pforte schlüpfen wollten, rasselte ein bisschen mit seiner Hellebarde und stellte sich dann demonstrativ vor die beiden.
    »Ausweisen? Warum soll ich mich denn ausweisen? Ich will doch gar nicht hinaus, ich will hinein in diese Stadt«, antwortete Dumak verwundert.
    »He, mein Freundchen, ich sag dir mal kurz, wie das hier läuft. Wer hier mit dummen Sprüchen ankommt, bleibt draußen.«
    Oha, da hatte wohl jemand gute Laune. »Ich habe gar keine dummen Sprüche bei mir. Ich hab nur diese alte Laute hier. Ich bin nämlich Barde. Und möchte mir die Stadt ansehen«, behauptete Dumak mit treuherzigem Blick.
    »Kommt ihr nicht von den Thurg'arsi? Thurg'arsi haben hier keinen Zutritt.«
    »Sehen wir denn wie Thurg'arsi aus? Wir haben uns ihnen nur angeschlossen, um nicht alleine reisen zu müssen«, schaltete sich nun Nienor ein. »Wir beide sind unterwegs nach Süden und die Karawane der Händler geht diesen Weg ebenfalls, also reisen wir zusammen. Und nun laßt uns bitte ein.«
    »Nicht so schnell. Zuerst eure Namen«, entschied die Wache.
    »Diese kühne Kämpferin in blinkender Rüstung ist Nienor de Brethil aus Myrtana, eine große Kriegerin, die schon unzähligen Gefahren getrotzt hat.« Die Rüstung blinkte allerdings überhaupt nicht, da Nienor sie gar nicht angelegt hatte - wozu auch, es war kein Kampf zu erwarten. Außerdem wollte Nienor ihre Rüstung zur Reparatur schaffen und hatte sie zu einem Bündel zusammengeschnürt. Auch Dumak bemerkte nun die Diskrepanz zwischen seinen blumigen Worten und der Wirklichkeit.
    »Nun, zumindest kann ich Euch glaubhaft versichern, daß sie eine blinkende Rüstung besitzt. Ganz im Gegensatz zu mir. Denn ich halte mich aus Kämpfen jeglicher Art heraus. Ich bin sozusagen sehr friedliebend. Mein Name ist Dumak, Dumak der Barde. Und damit ist auch gleich gesagt, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene. Wenn ich nicht eines der unglaublichen Abenteuer der Heldin Nienor de Brethil in ein unvergleichliches Epos verwandle, schenke ich meine Künste jedem, der sie hören will, sprich, ich trete als Straßenkünstler auf. Doch ich hafte nicht für Verstopfungen der Straße, wenn sich die Menschen zu einem großen Pulk ansammeln, nur, um mich zu hören.«
    An dieser Stelle legte Nienor iihm die Hand auf den Arm und Dumak verstummte endlich,
    »Oh man... macht bloß, daß ihr reinkommt, dieses Gesülze ist ja schon nicht mehr gesund!«, befand der Wächter und fast hätte er die beiden durchs Tor gescheucht. Mittlerweile hatten sich auch schon andere Fußgänger an der Pforte gestaut.
    Nienor und Dumak waren in der Stadt.
    »Also ich weiß ja nicht, was du so vor hast«, begann der Barde, »aber ich suche mir ein Badehaus und danach eine Taverne.«
    »Ja, mach nur, aber denk daran, daß die Karawane übermorgen weiterziehen wird, also verspäte dich nicht. Und laß dich nicht wieder in üble Abenteuer so wie in Gorthar verwickeln.«
    »Ha! Du hast leicht reden, um dich macht der Ärger ja auch ständig einen Bogen.«
    Nienor wußte es besser. Sie tastete nach dem Röhrchen mit dem Schlafmittel, das sie ständig bei sich trug. Doch sie sagte nichts. Beide gingen in verschiedene Richtungen davon.

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    Während Dumak sich wohl wie von ihm verkündet, eine Taverne suchte – möglichst mit Badehaus -, schritt Nienor in eine andere Richtung durch die Straßen. Sie hatte einen der Passanten nach den Werkstätten der Rüstungsschmiede gefragt. Der Mann gab ihr bereitwillig Auskunft. »Folgt dieser Straße da«, er zeigte nach links, »und an deren Ende kommt Ihr an einen kleinen Platz. Nehmt dann die zweite Gasse rechterhand.«
    Und schon war er weitergeeilt, um seinen eigenen Geschäften nachzugehen, die anscheinend keinen Aufschub duldeten. Oder wollte er nicht gerne im Gespräch mit einer Fremden gesehen werden? Vieles an Haruthar erschien der jungen Frau bisher rätselhaft. Zwar hatte sie vor kurzem an der Zollstelle den richtigen Ton getroffen in der Verhandlung mit dem Kentarchen, doch hatte sie aus seinem Gebahren auch die deutliche Ablehnung herausgelesen, die allem Fremden in Haruthar zuteil wurde.
    Nienor folgte dem bezeichneten Weg durch die Straße, die von weiß getünchten Häusern gesäumt war. Nur wenige Fensteröffnungen wiesen in Richtung Straße und so wirkten die Gebäude seltsam abweisend trotz den freundlichen Weiß, das sie mehr oder minder hell erstrahlen ließ. In den Obergeschossen befanden sich bei den meisten Häusern Erker und Altane mit üppig verzierten schmiedeeisernen Fenstergittern, hinter denen ein imaginärer Beobachter ungesehen die Straße beobachten konnte. Nach nicht allzulangem Fußmarsch war Nienor auf dem kleinen Platz angekommen. Gerade wollte sie in die zweite Gasse rechterhand einbiegen, als ein Ausrufer ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
    »Hört Leute, hört! Wie seine hochheilige Majestät, König Pedro IV. überall im ganzen Reich bekanntgeben läßt, wurde die Belohnung für die Wiederbeschaffung der gestohlenen Formel heraufgesetzt. Demjenigen, der sie unbeschadet zurück in die Hauptstadt, das glänzende Coïmbra, bringt, wird nun nicht nur ein Wunsch – so er im Ermessen des Königs liegt – erfüllt, sondern er wird auch zum Ritter des Reiches geschlagen, sei er aus hohem oder niedrigem Stande.
    Lang lebe König Pedro IV.!«
    Der Herold verließ das improvisierte Podest, das aus einem umgekippten Karren bestand und verschwand in der Menge der Zuhöher, die sich angesammelt hatte.
    »Was sich der Finder wohl wünschen wird?«, fragte ein junger Kerl, wohl ein Lehrling irgendeines Handwerkers.
    »Na wahrscheinlich viel Geld, ein Haus und teure Kleider«, vermutete ein anderer kleiner Dicker, der neben ihm stand.
    Beide drehten sich um, um wieder ihrer Arbeit nachzugehen.
    »Also ich würde mir wünschen, daß...«
    Was sich der lange Schlacks wünschen würde, höhrte Nienor nicht mehr, denn sie war, versunken in eigene Gedanken, schon in die nächste Gasse eingebogen. Was würde sie sich wünschen? Sie wußte es nicht. Auf keinen Fall viel Geld und dergleichen. Mit einem energischen Kopfschütteln vertrieb sie die Gedanken an eine mögliche Belohung. Hier in dieser Gasse also sollten die Harnischmacher zu finden sein. Und tatsächlich hörte sie bald darauf das Geräusch von Hämmern, die auf Ambosse niederfielen.
    Nienor trat in die erstbeste Tür, aus der ihr das Hämmern entgegenschallte.
    »Innos zum Gruße«, hallte es ihr entgegen, denn sofort als Nienors Gestalt die offene Tür ausfüllte und so das Licht im Raum teilweise verschwand, hatte ein bärtiger Mann aufgeschaut und sie bemerkt. Weitere Männer arbeiteten weiter. Sie dengelten gerade einen Brustpanzer. Während einer das Stück mit einer Zange hielt, hämmerte der andere geschickt mit einem schmalen Hammer und trieb das Metall so in die vorgesehene Form. Ganz nach Augenmaß.
    Nienor erwiderte den Gruß.
    »Was führt Euch zu mir? Markttag ist erst morgen, bis dahin verkaufe ich nur Rüstzeug an Ritter des Königs.«
    »Nein, nein«, beeilte sich Nienor, zu versichern, »Ich benötige nur eine kleine Reparatur, ich will nichts kaufen.«
    »Ah, so... Zeigt her, worum handelt es sich.«
    Die Kriegerin wickelte ihr Bündel aus und erklärte, daß eine der Schnallen zum Befestigen des Schulterpanzers aufgebrochen war.
    »Muß wohl ein mächtiger Schwerthieb gewesen sein. Die Rüstung sieht mir nämlich vortrefflich aus. So wie die Teile ineinandergreifen. Und so leicht... Wo habt Ihr sie fertigen lassen, wenn ich fragen darf.«
    »Ich habe sie in Gorthar gefunden. Dort gibt – gab«, berichtigte sie sich, »es einen Berg, der sich Götterspitze nannte. Darunter befanden sich die Ruinen eines uralten Volkes. Dort fand ich die Rüstung. Zurückgelassen.«
    »Sie ist wirklich außergewöhnlich«, lobte der Schmied.
    »Ja, trotzdem hat sie der Hieb eines Banditen an der Grenze zwischen Gorthar und Haruthar beschädigt.«
    »Was hattet Ihr denn dort zu suchen? Gefährliches Pflaster, die Region am Gelab.«
    »Ich reise von Khorinis in den tiefen Süden und habe mich dazu einer Karawane von Wüstenhändlern angeschlossen.«
    »Ach, Ihr meint die Thurg’arsi? Na ob das die richtigen Reisegefährten sind?« Scheinbar war die Ablehnung von Fremden allgegenwärtig hier. »Khorinis... liegt das nicht irgendwo westlich von Gorthar?«, vermutete der Schmied. Anscheinend war das für ihn so weit weg, daß er kaum den Namen zuordnen konnte.
    »Nein, direkt nördlich«, berichtigte Nienor.
    »Achso. Aber wenn Ihr in den Süden reist, kommt Ihr auch durch einige der Grenzgrafschaften.« Der Schmied war in Gedanken schon wieder beim nächsten Thema.
    »In Sabugal arbeitet mein Bruder in den großen Erzhütten. Dort wird nämlich das von Innos gesegnete Erz abgebaut, mit dem die immerscharfen Schwerter unserer Ritter geschmiedet werden. Jedenfalls, wenn wir die geheime Formel dazu wieder haben«, setzte er hinzu. »Man sollte eigentlich meinen, daß es davon Abschriften gibt, aber die Leuchtende Sonne wird schon wissen, wozu sie nun genau diese Formel wieder braucht.« Er zuckte desinteressiert mit den Schultern. »Also grüßt mir meinen Bruder. Er heißt Brodgar. Und ich bin Meister Tankred. Und wenn Ihr so freundlich wäret, ein Geschenk von mir an ihn mitzunehmen... Dann repariere ich Eure Rüstung unentgeltlich.«
    »Gerne werde ich Eure Botschaft ausrichten. Meister Tankred. Und Euer Geschenk an ihn ebenfalls. Nienor de Brethil dankt für diese Großzügigkeit.«
    »Oh, das habe ich gern getan. Denn seht, es ist keine große Sache. Ich wechsele einfach diesen Niet aus und befestige den Lederriemen mit der Schnalle neu. Das sind nur wenige Hammerschläge.»
    Nienor ließ sich die Vorgehensweise erklären, doch waren ihre Gedanken schon wieder woanders. »Erzählt mir über diese Grenzgrafschaften«, bat sie. Immerhin würde sie in einiger Zeit durch diese ziehen.
    »Ist ein unruhiges Gebiet«, brummte Meister Tankred, während er sich an die Reparatur machte. »Die Grenzgrafen fordern mehr Unabhängigkeit. Es geht wohl vor allem darum, wer die Steuern erhält und daß sie meinen, auf sich allein gestellt zu sein im Kampf gegen die Angreifer aus der südlichen Wildnis. Und sie wollen mehr vom magischen Erz haben. Das geht alles in die Hauptstadt, anstatt zu den Truppen an der Grenze, die es ihrer Meinung nach viel besser gebrauchen könnten. Doch König Pedro kann das alles natürlich nicht zulassen. Die Einheit des Reiches muß gewahrt bleiben. Außerdem sind die Erzminen und die großen Schmelzereien unverzichtbar fürs Reich. Und so schlägt er jeden der Grenzgrafen, der sich gegen ihn zu erheben wagt, mächtig aufs Haupt. Vor ungefähr neun Jahren hats der letzte versucht. Romald von Zamora. Seine Burg wurde eingenommen, er abgesetzt und ein neuer Graf in Zamora eingesetzt. Unser Pedro kreuzte mit großem Heer bei ihm auf. Vor allem, um seine Macht zu zeigen. Selbst einen der Kriegsdrachen hatte er mit dabei. Seitdem hat niemand wieder etwas von Romald gehört. Es heißt, er sitze irgendwo ganz tief in den Verliesen von Coïmbra und verrotte dort.«
    »Kriegsdrachen?«, fragte Nienor verwundert. Sie kannte Drachen nur als schreckliche Feinde, die einsam in irgendwelchen Berghöhlen lauerten und Schätze anhäuften.
    »Ja, die gibt es nur bei uns in Haruthar«, erwiderte der Schmied stolz. »Sie machen einen Teil der Macht unseres Reiches aus. Es sind halbwegs gezähmte Drachen. Ihre Flügel sind gestutzt. Sie werden von vielen Männern an schweren Ketten aus magischem Stahl gehalten und von besonders ausgebildeten Magiern gesteuert. Man sagt, sie übernehmen den Drachen durch Gedankenkontrolle. Aber genaues weiß natürlich keiner darüber. Nur eins ist gewiß: Wo ein Kriegsdrache sein Feuer hinspuckt, da schmelzen selbst die dicksten Steinmauern. Nur magisches Eisen hält Drachenfeuer aus. Doch das dürfen nur die Ritterorden des Reiches benutzen. Also die Ritter Innos’, die Brüderschaft der Lichtgeweihten, die Streiter des alten Tempels von Coïmbra, die Brüder des reinigenden Feuers und wie die Orden noch alle heißen. Und die sind unter Kontrolle des Königs. Oder naja, unter Kontrolle der leuchtenden Sonne wohl eher. Es heißt, jede Generation, die einen Kriegsdracheneinsatz miterlebt, ist eine besondere, so selten werden diese Kreaturen in den Kampf geschickt.«
    Nienor hörte schweigend zu, während ihr Tankred die Welt von Haruthar näher brachte.
    »Was für Angreifer sind das, die die Grenzgrafen abzuwehren haben? Die aus der Wildnis«, fragte sie dann weiter.
    »Ach, meistens irgendwelche Bestien, Felswürmer, Vierscherer und anderes übles Zeug. Seid froh, wenn Ihr die nicht kennenlernt auf Eurer Reise in den Süden. Denn die Wüstenkrämer schneiden die Wildnis auch kurz an auf ihrem Weg. Und dann gibt’s natürlich noch die Orkclans. Dreckige Wilde, die in Höhlen hausen und sich dann und wann zu großen Armeen zusammenrotten und die Grafschaften angreifen, um Vieh, Korn und Menschen zu entführen, da sie selbst sowas nicht haben. Harte Kämpfe. Ich frag mich echt, was Brodgar da unten so dolles findet. Ich bleib jedenfalls lieber hier im Norden.«
    »Was sind Vierscherer?« Der Name kam Nienor seltsam vor.
    »Ach, das sind Scorpione. Die Wildnis ist reichlich trocken und felsig. Da fühlen die sich wohl. Nur manchmal greifen sie die Viehherden und gleich noch die Hirten mit an. Sie haben vier Scheren, daher der Name. Einen ungepanzerten Menschen zerschneiden sie mit einem schnipp glatt in zwei Stücke. Einem Gepanzerten drücken sie dagegen die Rüstung zusammen, so daß der Unglückliche inwendig ganz zerquetscht wird.«
    »Laßt mich raten: Rüstungen aus magischem Erz halten jedoch stand?«, vermutete Nienor.
    »Das ist richtig. Ich sehe, Ihr seid nicht auf den Kopf gefallen«, freute sich Meister Tankred.
    »So, fertig!« Er begutachtete sein Werk noch einmal, fuhr mit den Fingern darüber und bewunderte die schöne Rüstung noch einmal. »Hier, wieder wie neu.«
    »Ich danke Euch!« Nienor begann, die Rüstung wieder einzupacken. »Und Euer Geschenk an Euren Bruder?«
    »Ja, richtig. Vor lauter Schwatzen hab ich das doch glatt vergessen.« Tankred wühlte in der Schublade eines Schrankes. »Es ist dieser Ring. Brodgar will nämlich bald heiraten. Und das ist der Brautring.«
    Er steckte ihn in ein kleines Ledersäckchen und gab ihn der jungen Frau.
    »Er wird sein Ziel sicher erreichen«, versprach diese und es war nicht klar, ob sie damit den Ring oder Brodgars Brautwerbung meinte.
    »Innos zum Gruße und einen erfolgreichen Markttag wünsche ich«, verabschiedete sich Nienor und trat nachdenklich durch die Tür wieder nach draußen. Was sie eben über die südlicheren Gegenden des Reiches gehört hatte, klang nicht sonderlich beruhigend. Doch sie mußte auf die Erfahrung der Thurg’arsi beim Durchqueren dieser Landstriche vertrauen.
    Drinnen dengelten die Gesellen noch immer am Brustharnisch. Draußen machte sich die Sonne daran, ihre Tagesbahn zu vollenden. Der Abend brach bald an.

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    Dumak hingegen folgte einfach seiner Nase. Merkwürdige Gerüche zogen ihn in seinen Bann und er folgte ihnen neugierig, als ob sie seine Nase am Haken hätten und nun die Kette einholten. Die Kette führte ihn in die Straße der Gewürzhändler, die unweit des Tores, durch das Nienor und er die Stadt betreten hatten, lag. Doch da heute kein Markttag war, verloren sich die Gerüche in den wenigen Fenstern der weißen Häuser, die wie ungeordnete riesige Steinquader die unregelmäßig verlaufende Straße säumten. Einige Häuser lagen im Schatten großer Platanen, doch kühlte sich in ihrem Schatten niemand von der Hitze des Sommers ab. Dumak ging alleine durch diese Gegend.
    Über breite Stufen führte der Weg langsam hinauf ins nächste Viertel. Hier war ein wenig mehr los. Frauen mit Wassereimern und Tragejochen auf den Schultern eilten von einem Brunnen, der sich irgendwo in der Nähe befinden mußte, zu ihren Häusern oder beschirrten den umgekehrten Weg. Hier und da rumpelte ein von einem Esel gezogener niedriger Karren über das holperige Pflaster, Hühner wichen gackernd aus, hatten im nächsten Moment die Störung schon wieder vergessen und pickten wieder eifrig nach Körnern oder stritten sich um einen Wurm. Unmerklich geriet Dumak in einen noch dünnen Strom von Menschen, die alle eine bestimmte Richtung anzustreben schienen. Erst nur vereinzelt, dann, einige Straßen weiter, waren es immer mehr, die zu einem bestimmen Ziel drängten, daß irgendwo in der Stadt liegen mußte. Dumak folgte ihnen, wich Haustieren aus, Schweinen, die mit ihrer Rüsselschnauze den Straßendreck umpflügten, Straßenkötern, die sich von den Abfallhaufen ernährten. Einmal wurde er von einem Karren fast überfahren und sprang im letzten Moment beiseite.
    ›Was mag hier wohl los sein. Sollte nicht morgen erst Markttag sein?‹, fragte sich der Barde in Gedanken. Außerdem war es für einen Markt schon zu spät, denn der Tag war schon fortgeschritten. Mittag war längst vorüber. Vielleicht strömten die Menschen aber auch jetzt erst auf die Straße, weil sie den heißesten Teil des Tages in ihren Häusern verbracht hatten? Der Menschenstrom quoll auf einen großen Platz, der von hohen und prachtvollen Gebäuden umsäumt war. Am aufsehenerregendsten war für Dumak ein hohes, tempelartiges Gebäude mit himmelwärts ragenden Säulen, einem hohen Portal mit komplizierten Steinmetzarbeiten und einem alles überragendem Turm: Die Innoskathedrale von Badajoz. Die anderen, den Platz einfassenden Gebäude waren wohl Bürgerhäuser. Viele besaßen Arkadengänge, in deren Schatten es sich verschiedene Leute bequem gemacht hatten. Das kühle Pflaster unter den Bögen lud zum Verweilen ein. Dumak bemerkte einen noch recht freien Platz unter einem der Gewölbe. Kurz vorher hatte ein fliegender Händler seinen Stand aufgebaut und pries nun lauthals kandierte Datteln und andere Süßigkeiten an. Ein paar Kinder in einfachen, ausgeblichenen Kitteln klebten an seinen Auslagen. Kaufen konnten sie sich nichts. Ein paar Gewölbebögen weiter hatte es sich ein alter Mann bequem gemacht. Er hockte im Schneidersitz auf einem abgewetzten Kissen mit Fransen und Troddeln. Seinen Rufen nach handelte es sich um einen Geschichtenerzähler. Eine Schar Neugieriger fand sich sogleich um ihn ein, doch blieb noch der eben erwähnte Platz, den sich Dumak nun aussuchte.
    Er wußte zwar nicht, was hier stattfinden sollte, denn auf irgendwas wartete die Menge gespannt, doch er hatte nicht vor, sich die Gelegenheit zum Geld verdienen entgehen zu lassen.
    »Heda, guter Mann, ich bin heute erst in der Stadt angekommen. Was führt diese Menschenmenge hier auf diesem Platz zusammen?«, wandte er sich an den Süßigkeitenhändler, der wie ein Luchs auf seine Waren aufpasste. Er hatte wohl Angst, daß den Augen der Kinder ihre Finger folgen würden. Er wandte deshalb auch nur kurz den Blick von ihnen, um Dumak zu mustern. Der schien ihm mit seinen schwarzen Haaren und den dunklen Bartstoppeln – Merkmale, die ihm dem hier lebenden Volksschlag ähnlich machten - nicht als fremdländisch aufzufallen und so meinte er nur: »Kerkerleerung. Sie geben ein paar Verbrechern Gelegenheit, sich durch Gottesurteil selbst freizusprechen.«
    Es klang nicht sonderlich aufgeregt. Anscheinend kam es öfter zu solch einem Spektakel.
    »Ah. Und wie läuft sowas ab?«, wollte Dumak wissen.
    Der Händler wurde ein wenig mißtrauisch. »Du bist wohl nicht aus Badajoz?« - er meinte die gleichnamige Provinz, in deren Hauptstadt man sich befand - »Oder vielleicht nichtmal aus Haruthar?«
    »Nein, ich komme aus Myrtana«, gab Dumak zu.
    »Myrtana? Nie gehört«, brummte der Händler und entschloß sich dann doch noch zu einer Antwort. Es war sowieso gerade weit und breit kein Kunde zu sehen. Warum also nicht einen kleinen Schwatz halten? »In der Mitte des Marktplatzes befindet sich eine Vertiefung. Das ist die Arena. Kannst du vion hier aus nicht sehen, weil die ganzen Leute davor stehen. Dort werden einmal im Monat einige Gefangene reingeschickt. Die haben sich freiwillig gemeldet. Sie bekommen ein Schwert und kämpfen dann gegeneinander. Wer am Ende überlebt, hat das Gottesgericht gewonnen. Denn Innos hat ihm beigestanden. Und wem Innos hilft, der kann nicht schuldig sein. Er wird also freigelassen. Gott steht über den Menschen. Innos’ Wille ist also höher als der Wille der Richter.«
    »Ah, verstehe«, nickte Dumak. »Sag mal, kann ich mich hier neben dich stellen und meine Bardenkunst versuchen?«
    »Jaja, mach nu... He! Finger weg!«, rief er da plötzlich mitten im Satz. »Denkst wohl, ich pass nicht auf, Lausejunge!«, drohte der Händler einem der Kinder.
    Eben hatte nämlich einer der Bengel versucht, ein Stück Zuckerstange zu stibitzen, denn der Händler hatte kurz weggeschaut, um zu sehen, wohin sich der Barde stellen wollte.
    »Hilf lieber den Priestern, die Kathedrale zu fegen, wie das andere in deinem Alter machen.«
    Der Junge verzog das Gesicht. »Die wollen mich dort nicht, Eltern zu arm«, meinte er und trollte sich dann schleunigst.
    Dumak hingegen holte seine alte Laute aus ihrer Tasche und probierte die Akustik des Gewölbes aus. Zufriedenstellend, fand er. Er drapierte den ledernen Schutzüberzug der Laute als Geldtasche vor seine Füße, ließ ein paar wertlose Münzen als Anreiz für andere hineingleiten und fing an, loszuklimpern.
    »Hört, ihr Leute, ein Barde aus fernen Landen ist in der Stadt, ein Sänger, der weit herumgekommen. Manche Mär hab ich zu berichten und sowohl erschröckliche als auch verwunderliche Zeitung zu bezeugen. Kommt heran und hört, was ich euch zu erzählen habe.«
    Er machte eine kleine Pause, um abzuwarten, ob sich einige Zuschauer fanden. Und tatsächlich fanden sich einige ein, wenn wohl teilweise auch nur, weil es hier noch so schönen schattigen platz hab. Den krakeelenden Barden nahm man dann eben in Kauf. Leider lockte er auch die Truppe von jugendlichen Taugenichtsen vom Karren des Süßwarenhändlers fort. Der erleichtert aufatmete. Dafür schielten sie nun auf Dumaks Tasche mit den Münzen.
    Aber Dumak war nicht auf den Kopf gefallen. »Greift zu liebe Leute, labt euch an den erquicklichen Spezereien meines Freundes rechterhand. Mit etwas Knabberzeug läßt sich die beste Unterhaltung noch versüßen.«
    Und schon waren die Jungen wieder da, wo sie herkamen.
    Dumak fing an, auf seiner Laute eine getragene Melodie zu spielen.
    »Doch kauft nicht zu lange, denn ich werde nun mit meinem Vortrage beginnen. Es wird euch sicher alle freuen, zu hören, daß auch anderswo die Menschen rechtgläubig sind und sich an der Macht Innos’ erfreuen. Darum zuerst folgendes Lied:

    Innos’ Licht

    Innos’ Licht erleuchtet · mir den langen Tag
    jeder sieht mit Staunen, · was seine Macht vermag.
    Alles auf der Erde, · was hier kreucht und fleucht,
    kommt durch seinen Segen, · allmächtig er mir deucht.

    Ihre göttlich Hitze · läßt die Sonne hell
    von dem weitgespannten · blauen Himmelszelt
    auf die Erde scheinen · Innos’ Sorge ist’s,
    daß das Leben sprieße, · ganz gewiß ihr wißt’s.

    Von dem kleinsten Käfer · bis zum größten Tier,
    von den Frühlingsblumen · zu den Bäumen hier,
    beseelt von seinen Kräften · ist die ganze Welt,
    seine Macht umspannt das · ganze Himmelszelt.

    Daß wir ihn verehren · ist gerechter Lohn.
    Für die vielen Gaben · hast gedankt ihm schon?
    Ohne seine Güte · wärest du nicht hier,
    gäb es keine Menschen, · Pflanzen und Getier.

    In dem ew’gen Kampfe · mit dem bleichen Tod
    gibt er einen Funken · uns in unsrer Not
    seines göttlich Atems, · er haucht ihn uns ein,
    ohne diesen Funken · könnten wir nicht sein.

    Wenn die Lebensspanne · sich dem Ende neigt,
    dann ein letztes Mal noch · sich seine Größe zeigt
    und der Götteratem · kehrt zu ihm zurück,
    wahrhaftig von Innos · hatten wir ein Stück.

    Nimmermüder Streiter · für des Lebens Kraft
    Was vor dir noch keiner, · das hast du geschafft:
    Schönem Bahn zu brechen, · gegen Schmerz und Leid
    wagst die Stirn zu bieten · Todeseinsamkeit.«

    Zustimmendes Murmeln erhob sich, als das Lied geendet hatte. Ja, das klappte doch immer, man mußte nur das singen, was den Leuten ohnehin eingetrichtert wurde. Jetzt mußten die Zuhörer ihre zustimmung nur noch in klingender Münze kundgeben. Aber ach, nur ein einziges Geldstück landete auf dem fast leeren, als Geldsammler benutzen, Leder.
    »Ich sehe, ich habe hier eine anspruchsvolle Zuhörerschaft«, kommentierte Dumak galant und erntete fröhliches Gelächter.
    »Aber ich will nicht so sein und mich nicht lange bitten lassen. Außerdem wollt ihr euch sicher nicht von dem bald beginnenden Gottesurteil abhalten lassen. Also flugs und ohne großes Herumreden ein zweites Lied hinterher.
    Ich will euch zeigen, daß ich ein wahrhaft weit gereister und gelehrter Magister bin. Denn ich habe selbst mit einigen Männern den Bau der Welt erforscht. Wir sind zusammen losgezogen und in alle Himmelsrichtungen gesegelt.«
    Lachen erscholl in der ganzen Gruppe.
    »Natürlich nicht auf einmal, sondern nacheinander, versteht sich«, meinte der Barde verschmitzt.
    Unterdessen hatten sich noch einige mehr eingefunden und lauschten belustigt den Späßen des Barden.
    »Was denn? Ihr glaubt mir nicht?«
    Kopfschütteln bei einigen. Dumak bearbeitete erneut die Saiten seiner Laute und bald fügten sich die Töne zu einer geheimnisvollen Melodie.
    »Soso. Was sagt man dazu«, tat er entrüstet. »So höret denn meinen Tatsachenbericht und ich versichere euch, ich habe alles genauso oder zumindest ganz ähnlich erlebt.

    Vom Bau der Welt

    Einstmals kühne Männer waren,
    die vor ungezählten Jahren
    wollten auf die Seefahrt gehen,
    sich den Bau der Welt besehen.
    Und so sind sie losgezogen
    Damit ich hier ungelogen
    diese Kunde kann verbreiten
    aus schon längst vergangnen Zeiten.

    In den Ebenen im Süden
    Zeichnen sich der Wand’rer müden
    Fußspur’n ab im Wüstensande
    Quer durch unbekannte Lande.
    Sonne brennt dir heiß im Nacken
    Will dich braun und knusprig backen
    Mit erbarmungslosen Strahlen
    Schickt sie wahre Höllenqualen.

    Seltsam Völker lang schon wohnen
    In den ausgedörrten Zonen
    Gog und Magog ist ihr Name,
    klingt für uns ganz wundersame.
    Schwingen kreischend ihre Waffen,
    woll’n den Erdkreis an sich raffen.
    Wir vom Lande dort hernieden
    Sind durch Gottes Macht geschieden.

    Breite Meere, Ozeane
    halten fern von ihrem Wahne
    uns’re glücklichen Gefilde
    wo die Sonne scheint so milde.
    Weiter geht die seltsam Reise
    und der Wind bläst still und leise
    in die Segel, die sich blähen.
    Launenhaft die Lüfte wehen.

    In den Bergen hoch im Norden
    stark behaarte dunkle Horden
    dort in Felsenhöhlen hausen,
    ungewaschene Banausen.
    Winters Kälte schlägt sich nieder
    an den Klüften immer wieder.
    Schnee begräbt die Täler alle,
    mancher Weg wird so zur Falle.

    Innos nie gesehen haben
    alle dort und seine Gaben
    wie die Wärme seiner Sonne
    nie gespürt dort ward mit Wonne.
    Zitternd sitzen in der Kälte
    dort die Menschen, als obs gälte
    zähneklappernd Takt zu schlagen,
    allen so ihr Leid zu klagen.

    Doch die Fahrt kann keiner stoppen,
    auch wenn Meeresgeister foppen
    die entsetzten mutig Forscher.
    Schiffes Planken werden morscher,
    denn erreicht ist jetzt das Meere
    der gehörnten Würmerheere,
    die sich endlos um sich schlingen,
    durch das Holz des Schiffes dringen.

    Weit im Westen leben Wesen
    manche haben von gelesen:
    Canophyten, Ichtyophagen
    hör ich die Gelehrten klagen,
    fressen Menschen zum Vergnügen,
    jeder muß sich ihnen fügen.
    Kochen sich im Topf ihr Fleische,
    bis es schmackhaft ist und weiche.

    Schnell sich aus dem Kochtopf ziehen
    alle und dann hurtig fliehen,
    sie zum Schiffe, ankerlichten,
    bleiben wollen sie mitnichten.
    Weiter geht die Fahrt nach Osten,
    um nun auch vom Glück zu kosten,
    denn an diesem fernen Orte
    liegt des endlos Segens Horte.

    Wie schon schrieben manche Weisen,
    soll’n am Ende alle Reisen
    in den selig Osten gehen
    wo die Sonn’ wir aufgeh’n sehen.
    Dort, so sagt man, liegt die Insel,
    wo selbst jeder Einfaltspinsel
    zum Gelehrten könne werden.
    Hier ist’s Paradies auf Erden.

    Dieses Land mit Götter Segen,
    wo die freundlich warmen Regen
    honigsüß vom Himmel fallen
    und Schalmeien laut erschallen,
    heißt Elysia in Sagen,
    niemand muß sich dort abplagen.
    Hier die Menschen glücklich leben,
    keine Angst läßt sie erbeben.

    Wenn du dort vorbeigezogen
    Auf des Meeres hohen Wogen
    Findest du die steilen Wände,
    die markier’n das Weltenende.
    Donnernd in den Schlund ergießen
    Sich die schaumbewachs’nen Wiesen,
    all der Meere endlos Flächen
    fließen ab in zahllos’ Bächen.

    Mächtig sprüht die Gischt hernieder.
    Ohne Pause. Immer wieder.
    Und ein großer Regenbogen
    glitzert leuchtend von hoch droben.
    Wenn der Sog dich will erfassen
    und nie wieder von sich lassen,
    will dich in den Abgrund ziehen,
    solltest du mit Eile fliehen.

    Kraftvoll bläst der Wind ins Segel
    und schon bald des Meeres Pegel –
    und das ist ein gutes Zeichen –
    ihren alten Stand erreichen.
    Ob die Wasser sich verlaufen
    oder Ungeheuer saufen
    all die riesig Wassermassen?
    Welcher Magen könnt’ das fassen?

    Nein, die großen Wassermengen
    später dann am Himmel hängen.
    Über’n Rand der Welt gefallen
    Wolken sich zusammenballen.
    Innos selbst schickt sanft gelinde
    wolkenschiebend günstig Winde.
    Und so fall’n die Wasser wieder
    regnend auf die Erde nieder.

    Meine Reise ist zu Ende,
    darum trete ich behende
    auf bekannten Boden wieder,
    bette meine müden Glieder
    auf der Heimat weiche Erde,
    von der mich auch hundert Pferde
    stampfend Hufes nicht vertreiben,
    hier werd ich für immer bleiben.«

    Gerade noch so gelang es dem flinken Barden, in der vorletzten Strophe aus Adanos Innos zu machen. Denn hier galt nur Innos als anbetungswürdig.
    Jetzt endlich fanden einige kleinere Münzen ihren Weg an die vorbereitete Stelle und der Barde bedankte sich artig bei seinem Publikum.
    »Wie ich sehe und wie meine Ohren am wunderschönen Klimpern der Münzen hören können, hat euch meine kleine Weltreise den Geldbeutel doch noch etwas gelockert. Und um mich dafür zu bedanken, gebe ich noch ein weiteres Lied zum besten.«
    Er schlug erneut seine Laute an, um die Melodie des nächsten Liedes zu finden. Doch weiter kam er nicht, denn in diesem Moment ertönten Fanfaren auf den Stufen der Innoskathedrale und ein Zug von Männern in tiefroten Kutten erschien durch das Portal. Mehr konnte Dumak leider nicht sehen, da einer der Pfeiler, die die Arkaden stützten, unter denen sich der Barde befand, ihm die Sicht nahm. Letztendlich verschwanden die Priester unter weiteren Fanfarenklängen inmitten der Menschenmenge auf dem Platz. Um mehr zu sehen, hätte es eiens besseren Standplatzes bedurft. Doch Dumak war fürs Erste damit zufrieden, die ihm von seinen Zuhörern überlassenen Münzen einzusammeln und zu zählen. Er wußte zwar nicht mit der hiesigen Währung umzugehen, aber da einerseits die leichtesten Münzen immer die wertlosesten waren und andererseits Gold am wertvollsten und Kupfer am wertlosesten war, konnte er schon einschätzen, daß es sich nur um Kleingeld handelte, daß ihm gegeben worden war, denn es handelte sich fast ausschließlich um leichte Kupferprägungen mit der Sonnenscheibe darauf. ›Aber immerhin‹, dachte sich der Barde, ›für einen Tavernenbesuch wird es schon reichen.‹ Und da wohl alle hier auf dem Platz zum Gaffen gelaufen sind, wird es sicher auch genug freie Plätze in den Wirtshäusern der Stadt geben. Und er wandte sich ab. Das Spektakel interessierte ihn nicht sonderlich.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Nienor ist offline
    Jemand anders hatte im Gegensatz zu Dumak einen guten Platz. Es war Nienor. Doch sie war eher aus Zufall dazu gekommen. Als sie die Werkstatt Tankreds verlassen hatte, wandte sie sich wieder in Richtung des Weges, der sie dorthin gebracht hatte, um die reparierte Rüstung ins Lager der Wüstenhändler zu bringen. Doch irgendwie mußte sie die falsche Abzweigung genommen haben, denn anstatt zum Stadttor zurück zu gelangen, lief sie imemr tiefer in die stadt hinein. Bald hatte sie sich im Gewirr der Gassen und Gässchen hoffnungslos verlaufen. Da erschien ihr plötzlich unverhofft ein bekanntes Gesicht.
    »Entschuldigt, Ihr seid einer der Gesellen Meister Tankreds, nicht wahr?«, fragte sie einen bärtigen Mann, der ihren Weg kreuzte. »Ich fürchte, ich habe mich etwas verlaufen. Ich suche den Weg zum nördlichen Tor.«
    Der Bärtige erkannte Nienor wieder. »Ah, die Kundin mit der kaputten Rüstung, die so viel über die südlichen Provinzen erfahren wollte«, nickte er.
    »Ich kann Euch nachher dorthin bringen, doch möchte ich vorher den heutigen Schaukampf nicht verpassen. Kommt doch einfach mit«, schlug der Mann daher vor.
    Nienor wußte nicht so recht, ob das zu den Sachen gehörte, die sie wirklich sehen wollte und zögerte daher. Der Geselle Meister Tankreds bemerkte ihre Zweifel.
    »Oh, macht euch keine Sorgen, alle kämpfen freiwillig und das ist eine öffentliche Veranstaltung. Die Kämpfe werden sogar von den Priestern Innos’ in ihrer Eigenschaft als Richter unterstützt«, versuchte er sie zu überzeugen.
    Nienors Zweifel schwanden zwar, aber irgendetwas sagte ihr, daß es nicht unbedingt Gutes zu bedeuten hatte, wenn ausgerechnet die Priester des einzig zugelassenen Gottes das Spektakel förderten. Zumal sie anscheinend auch noch über Recht und Unrecht selbst bestimmten. Trotzdem nickte sie und gab dem Gesellen zu verstehen, daß sie sich ihm anschließen würde, um den Schaukampf zu sehen. Schweigend gingen sie durch die Stadt zum großen Marktplatz.
    Dort erreichten sie bald die in dessen Mitte eingelassene Arena. Einige Reihen steinerner Bänke umgaben das Areal aufsteigend, so daß eine gewisse Anzahl Zuschauer Platz fand. Dahinter sammelten sich immer mehr Zuschauer an, die stehend den Marktplatz füllten. Für den Bärtigen und Nienor fanden sich noch zwei Plätze in der letzten Reihe der Sitzbänke.
    Kurze Zeit später erschollen schon die Fanfaren und einige rotgewandete Priester traten aus dem Portal der Kathedrale am Rand des Platzes. Nun endlich erzählte der Geselle auf Bitten Nienors mehr über das bevorstehende Spektakel und Nienors Gesicht verdüsterte sich anfangs dabei immer mehr. Schaukämpfe auf Leben und Tod waren ihr zuwider. Doch sagte sie nichts und hörte seinen Ausführungen schweigend zu.
    »Hier können einige Glückliche ihre Unschuld durch das Gottesgericht zu beweisen versuchen. Wer den Kampf eindeutig gewinnt, gilt als unschuldig und ist ein freier Mann. Wer den Kampf überlebt und nicht gewinnt, wird zurück ins Verlies gebracht. Da es sich meist um Leute handelt, die wegen eines schweren Verbrechens angeklagt wurden, jedoch klare Beweise für Schuld oder Unschuld fehlen, droht allen von ihnen vielleicht aufgrund einer winzigen Nichtigkeit, die den Ausschlag für einen Richterspruch geben kann, ein grausamer Tod oder Strafen am Leib wie Verlust der Hand, des Augenlichtes oder der Zunge. Für manche von ihnen erscheint es darum wünschenswerter, ihre Unschuld im Gottesgericht zu beweisen oder, wenn sie schon nicht gewinnen, im Kampf zu fallen und einer qualvollen Hinrichtung zu entgehen. Vielleicht noch wegen eines Vergehens, das sie nicht begangen haben und was zu beweisen ihnen die Gelegenheit fehlte. Es werden daher vorher oft Versprechen untereinander abgenommen, den anderen nicht zu verschonen, obwohl die Gefangenenwärter im Auftrag der Priester das zu verhindern suchen, da es nicht wirklich gestattet ist, den Kampf auf die Art zu beeinflussen. Es soll nur Innos sprechen durch den Kampf, kein Mensch. Die Anzahl der Kämpfer wird immer durch die Priester festgelegt. Wenn sie ungerade ist, wird es ein schneller Kampf, ist sie gerade, dauert er länger«, erklärte er.
    »Wieso das?«, unterbrach ihn Nienor, nun trotz ihres Ärgers doch etwas neugierig geworden.
    »Nun, weil sich bei Kampfbeginn immer zwei Gruppen bilden, die gegeneinander kämpfen. Denn es macht mehr Sinn, die Gegner als Gruppe zu bekämpfen. Das verspricht mehr Erfolg. Sobald eine Gruppe besiegt ist, spaltet sich die überlegene und bekämpft sich gegenseitig. Und so weiter bis zum Ende. Wenn aber die Anzahl der Kämpfer ungleich ist, ist auch eine Gruppe schwächer als die andere. Dadurch ist sie im Nachteil und wird schneller besiegt. So Innos ihr nicht hilft«, beeilte er sich, hinzuzufügen. Schließlich war das ja hier ein Gottesgericht und kein Schaukampf bezahlter Söldner.
    Die Erklärung leuchtete ein.
    »Am längsten dauern demnach die Kämpfe, wenn die Anzahl der Kämpfenden ein Vielfaches von zwei ist.«
    »Richtig, doch das ist nur sehr selten der Fall.«
    Am Fuß der Arena öffnete sich ein zweiflügeliges Tur und zeitgleich mit den auf besonders abgeschotteten und von Bewaffneten bewachten Bänken platznehmenden Priestern aus der Kathedrale strömten die Freiwilligen auf den Kampfplatz.
    Nienor überlegte. Waren es nicht alles Freiwillige? Wurde denn einer gezwungen, zu kämpfen? Wenn dann ausschießlich durch die Umstände, in die er sich gebracht hatte. Und trotzdem erhielt er noch die Gelegenheit, sich selbst daraus zu befreien. Andererseits wurden ausschließlich Verbrecher dazu benutzt, die Macht der Innospriester zu stärken. Sie dienten der Unterhaltung des Volkes und die angebliche Gottesgunst des Siegers band die Zuschauer an ihren Glauben. Und was, wenn es nur irgendwelche armen Gestalten waren, die wegen einem losen Mundwerk oder falscher Anschuldigungen in die Verliese gelangt waren und nun um Leben und Tod kämpften? Nienor wußte nicht, was in Haruthar als schweres Verbrechen gakt. Vielleicht schon ein unbedachtes Wort gegen den hier allgegenwärtigen Innos? Letztendlich waren die Kämpfer trotz ihrer Freiwilligkeit doch nur Teil eines Systems, dem hier keiner entkommen konnte. So schwankend in ihrem Urteil über die richtige Einordnung dieser Kämpfe schaute die weißblonde Kriegerin mit einer Mischung aus Abscheu und Interesse zu, wie die Freiwilligen Aufstellung nahmen.

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