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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Eben noch war Dumak durch Gartenland, freie Flächen, wenig bebaute Gegenden gekommen. Doch kaum war er durch das Tor, begannen wieder Häuser dicht an dicht zu stehen. Die Straße, eben noch breit, wurde zusehends schmaler und verwandelte sich in eine wirr umhertrudelnde Gasse ohne klare Richtung. Die Wände der Häuser beiderseits der Straße rückten bedrohlich näher, dazu war es nun schon recht dämmrig – oder lag das an den drohend aufragenden Hausgiebeln, deren Obergeschosse noch auf die Straße vorkragten und kaum Licht in die schmale Gasse ließen? Die Bewohner konnten sich wahrscheinlich in den oberen Geschossen über die Gasse hinweg mit Handschlag begrüßen. Schwarzes Fachwerk, die mit Lehm gefüllten Zwischenräume einst hell getüncht, die Balken der Hausgerippe verbreiteten jedenfalls keinen heimeligen Eindruck, wie sie so schwarz aufragten, dicht nebeneinander, wie Orgelpfeifen, das nächste Geschoß tragend, untereinander zu einem engen, komplizierten Gitterwerk verbunden. Hinter den wenigen Fensterluken, an denen Dumak vorbei kam, war es dunkel. Nun war er auch alleine auf der Gasse. Eben noch war es eine breite Straße gewesen, doch, nun nur noch dieser schmale Schlupf. Und das ganze Volk, das sich mit ihm zusammen durch das Tor der inneren Stadt nach außen gedrängt hatte, hatte sich auch in alle Winde verlaufen, so daß nun seine Schritte die einzigen waren, die von den Hauswänden widerhallten. Oder war da noch etwas anderes? Der Barde blieb stehen und drehte sich um. Niemand zu sehen. Er setzte seinen Weg fort. Wieder hörte es sich an, als ob in gewissem Abstand hinter ihm jemand lief. Dumak lief langsamer – die Schritte wurden langsamer.
    Wieder drehte er sich um – und sah nichts. Es war fast nachtdunkel, die schmale Straße ließ kaum etwas von dem wenigen Licht, das noch vorhanden war, in die Häuserschlucht hinein. Nichts war zu sehen. Dumak lauschte, auch zu hören war nichts. Schulterzuckend wollte er seinen Weg fortsetzen, drehte sich wieder zurück, um weiterzugehen und bekam eine Faust ins Gesicht. Benommen torkelte er zur Seite, streckte schon instinktiv die Arme aus, um den Fall in den nassen Straßendreck abzubremsen, wurde jedoch in diesem Moment gepackt und nach oben gezerrt. So hoch, daß die Füße in der Luft baumelten. Ehe er die situation erfassen konnte, wurde es plötzlich schwarz. Ein Sack oder etwas ähnliches wurde dem Barden über den Kopf gestülpt. Es roch nach Mehl. Finsternis breitete sich aus. Jetzt waren die Ohren auf sich gestellt. Dumak mußte niesen. Hustenreiz schloß sich an. Dafür bekam er eine Faust wie ein Stein in die Magengrube gerammt, daß ihm die Luft wegblieb. Dadurch war auch der husten beendet. Lautlos japste Dumak unter dem Sack nach Luft und war klurz davor, zu krepieren. Hilflos zappelte er mit den Beinen, erreichte jedoch nichts dadurch, Panik breitete sich aus. Er versuchte, sich zu konzentrieren, nur nicht den Kopf verlieren jetzt, er war doch schon aus ganz anderen Situationen herausgekommen. Damals, als er in einem Fass saß, um darin in das Grundstück des Hersen von Kathora zu gelangen und jemand versehentlich den Deckel zunagelte, da war er doch auch wieder heil herausgekommen.
    »Und wohin jetzt mit ihm?«, fragte eine tiefe Brummstimme, die von hoch oben zu kommen schien. Ein wahrer Riese mußte ihn scheinbar festhalten.
    »Hierlang!« Eine zweite Stimme, näher an der Straße, höher vom Tonfall und ziemlich befehlsgewohnt, sagte dies. Der Riese schwang sich Dumak wie ein Gepäckstück über die Schulter und stapfte los. Bei jedem Schritt rammte sich die Schulter des Trägers in den Magen des Barden. Zu Glück erwies sich der Weg nicht als weit. Eine Tür klappte, die Männer traten ein und die selbe Tür fiel hinter ihnen mit einem weiteren Klappern wieder zu. Ein Riegel wurde leicht quietschend vorgeschoben. Dumak wurde grob abgeworfen und landete hilflos auf dem Boden. Zum Glück lag jede Menge Stroh darauf, so daß der Sturz nicht sonderlich hart war.
    »Soll ich ihn bearbeiten?«, fragte nun wieder die dunkle Stimme des Riesen. Es klang fast wie eine Bitte.
    »Nein, erst wenn er nicht antwortet«, meinte der andere. Dann wurde dem Barden plötzlich der Sack vom Kopf gezogen. Instinktiv holte er tief Luft, füllte die Lunge damit, wälzte sich auf den Rücken und wurde im gleichen Moment von dem kleineren der beiden Männer am Kragen gepackt und unsanft auf das Stroh gepresst. Der Raum war nicht groß, es standen nur ein halb zerstörtes Regal darin und eine verschlossene Truhe. Und auf dem Boden lag Stroh. Eine Treppe führte ins nächste Stockwerk.
    »Pass auf, Freundchen!«, zischte der Mann. Er kam Dumak bekannt vor. Irgendwo hatte er ihn doch kürzlich schonmal gesehen. Vielleicht eins der Gesichter in der Menge auf dem Marktplatz? »Ich versuchs zuerst mal auf die freundliche Art. Gendor schüttelt zwar immer den Kopf, wenn ich so anfange, aber...«
    »He, du hast meinen Namen verraten«, meldete sich der Bass zu Wort.
    »Na und? Wer interessiert sich schon für deinen Namen. Also weiter. Und unterbrich mich nicht nochmal. Kommen wir zum Punkt. Wo ist die Formel!«
    Dumak glotzte den Typen blöd an. Was denn zum Beliar für eine Formel? »Hä? Was denn für eine Formel? Ich hab überhaupt keine Formel!«
    »Hehe, Meister, er will die harte Tour«, meldete sich der Riese wieder zu Wort. Daß er seinen Kompagnon nicht unterbrechen sollte, hatte er wohl vor lauter Vorfreude darüber, daß seine Fähigkeiten zum Einsatz kommen sollten, völlig vergessen.
    »Schnauze! He, und du hör mir mal genau zu!« Das spitznasige Gesicht des Mannes landete fast in Dumaks eigenem. »Du spielst hier nur ne ganz kleine Rolle. Du hattest die Formel nur für ganz kurze Zeit. Sozusagen als Übergangslösung. Und wenn du deinen weiteren Lebensweg nicht verdammt unglücklich und außerdem noch überaus kurz gestalten willst, dann rück das Ding raus und zwar bald, ehe der hier« - er zeigte auf den Riesen Gendor - »die Geduld verliert. Der Letzte, bei dem er die Geduld verloren hat, wurde aus dem Fluß gefischt. Von Leuten aus fünf verschiedenen Stadtvierteln, wenn du verstehst, was ich meine.« Ein heiseres Lachen aus der Kehle schloß sich an. Ein Schwall warmer, verbrauchter Luft streifte Dumaks Gesicht.
    Jetzt endlich wußte er auch, wer der Kerl war. Der Mann auf der Brücke im Hafen. Die Formel – das Säckchen. Jetzt hieß es, Zeit schinden.
    »Ich hab das Säckchen nicht mehr, es ist ins Wasser ge...«
    »Wage es nicht, mir irgendwelche Lügen aufzutischen«, unterbrach ihn der Mann. »Ich habe dich genau beobachtet, wie du das Säckchen hast unter deinem Mantel verschwinden lassen. Also wo ist es!« Bei den letzten Worten wurde er laut.
    »In Ordnung, ich hab es nicht bei mir. Es schien mir zu wertvoll, um es mit mir herumzutragen.«
    Der Druck des Knies auf Dumaks Brustkorb ließ nach. Ah, es klappte also. Der Mann war am Haken.
    »Ich habe es in einem sicheren Versteck untergebracht.«
    Jetzt wußte Dumak nicht mehr weiter. Verflucht, wenn er nur irgendeinen Namen in Gorthar wußte. »Es.. äh.. es ist bei.. äh...« stotterte er herum.
    »Nun sag schon, oder willst du Gendor Spaß bereiten?«
    In diesem Moment erhob sich Lärm von der Straße. Jemand drosch gegen die Tür, der Riegel flog mit einem plong in den Raum, was aber total unter ging, denn im gleichen Moment wurde die Tür aufgestoßen und drosch mit großer Wucht am ende ihres Öffnungswinkels gegen die Wand. Putz bröckelte, von der Decke rieselte es.
    »Na, hat Harlok wieder die Kaution für dich nichtsnutzigen Stümper gezahlt? Sonst würdest du doch in den Zellen auf der untersten Ebene des Hafenkastells verrotten. Aber Harlok hat sich schon immer mit Idioten abgegeben. Aber damit ist jetzt Schluß.«
    Der Kerl, der diese worte in spöttischem tonfall sagte, war nun eingetreten. Er steckte in einer knarksender Lederrüstung. Die Rüstung war neu. Leider war er nicht alleine, weswegen den beiden Männern, die bis eben Dumak bearbeitet hatten, auch das Lachen im Hals stecken blieb. Hinter dem Lederrüstungstypen schälten sich noch zwei, drei, fünf andere hervor.
    »Gendor, auf sie!«, brüllte der spitznasige. Gendor tat, wie ihm geheißen. Aber wohl vor allem, weil ihm sowas Spaß machte. Der Spitznasige gab Fersengeld und sprintete die steile Treppe hinauf.
    »Hinterher!« Der Anführer und seine Männer wollten los stürtzen, wurden aber fast alle von dem Riesen Gendor daran gehindert. Der einfach die Arme ausbreitete und vier der sechs Männer daran abtropfen ließ. Die anderen beiden kamen ungeschoren davon und nahmen die Verfolgung auf. Dumak zog sich blitzschnell in eine Ecke des Raumes zurück. Die vier Männer wurden weiterhin von Gendor beschäftigt, der seine Arbeit wirklich mit Hingabe erledigte. Vielleicht hatte er kein Feingefühl, aber dafür zwei Arme wie Baumstämme und zwei Fäuste wie Schmiedehämmer.
    Die anderen beiden Männer hechteten die Treppe hinauf, von oben war lautes Poltern zu hören. Irgendwelche Möbelstücke wurden wohl gerade umgeworfen. Dies war der Moment für Dumak, die Beine in die Hand zu nehmen. Nur schnell weg hier. Er setzte mit einem weiten Sprung über das Knäuel der mit Gendor beschäftigten Schläger hinweg und schoß aus der Tür in die beginnende Nacht hinaus. Atemlos lief der Barde mehrere Straßen, bog ohne nachzudenken ab, verfolgte wirre Wege, suchte sich den Ausweg aus diesem Viertel voller Halunken und Halsabschneider, die sich gegenseitig an die Gurgel gingen.

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
    Dumak ist offline
    Mittlerweile war es schon stockduster geworden. Feuer flackerten auf, an denen sich Gruppen von Menschen zusammenfanden, um der Kälte der sternenklaren Nacht zu entkommen. Auch Dumak zog seinen Umhang fester um sich. Wenn er nicht noch in der Nacht weiterhin umherirren wollte, musste er bald einen ruhigen, sicheren und vor allem warmen Platz finden. So streifte er durch die Bruchbuden, welche die Vorstadt bildeten. Wild durcheinandergebaut ragten sie vor ihm auf, keine gerade Straße gab es hier, hinter jeder Ecke sah es anders aus. Und dann fiel ihm noch etwas auf: Es gab Ruinen, abgebrannte, zerstörte Häuser, deren nackte Mauern in Resten noch emporragten. Durch leere Fensterlöcher schlichen sich die letzten Strahlen der roten Sonne, ehe sie sich für heute verabschiedete, um am nächsten Tag erst wieder diese Welt zu bescheinen. Dumak bemerkte in einer der Ruinen einen Feuerschein. Abseits von den restlichen Feuern hatte hier jemand ein Lager aufgeschlagen. Es war eine ganze Gruppe, Dumak zählte viele Köpfe. Und abseits waren Kisten und Körbe aufgestapelt. Etwa eine Handelsgesellschaft, gekommen, um auf dem großen Markt von Gorthar ihre Waren zu verkaufen? Dumak lugte vorsichtig hinter einer halb eingestürzten Säule hervor. Die Männer waren von Kopf bis Fuß eingehüllt in lange Stofftücher. Und selbst der Kopf war mit Tüchern umwunden, so dass kaum etwas vom Gesicht zu sehen war. Das flackernde Licht des Feuers erhellte die verhüllten Gesichter der Männer. Nur die Augen blitzten hell daraus hervor.
    Hinter der Gruppe stapelten sich ihre Waren auf. Sie zogen den Dieb magisch an, lockten ihn, ließen ihn nicht mehr los. Fast schon konnte er hören, wie sie ihm zuredeten: »Komm doch, schau uns an, bewundere uns, nimm dir, was dir gefällt. Wie liegen hier nur so herum...« Dumak suchte sich seinen Weg über die andere Seite der Ruine, bis er das Warenlager erreicht hatte. Ganz in der Nähe bemerkte er die Silhouette eines Wächters, der mit einer langen Hellebarde oder Lanze ganz ruhig da saß. Ob er schlief? Dumak wollte es nicht herausfinden. Leise und unauffällig schlich er im Schatten einer Mauer entlang, um sich die Kostbarkeiten, die hier wohl versteckt waren, anzuschauen. Doch als er an dem Wächter vorbei in das Warenlager, das ebenso wie die Lagerstätte der Männer in einer alten Hausruine errichtet worden war, gelangte, bemerkte er, dass es sich ein ganzes Stück hinzog. Das war schon ein ganzes Lagerhaus hier – oder besser, eine Lagerruine. Leise drang der Dieb tiefer in das Wirrwarr aus Körben, Kisten und Ballen ein. Weiter hinten fand er große Ballen mit seltsamen Flocken, weiß wie Wolle und aus weichen Fasern bestehend. Wohlig ließ er sich hineinsinken. Sie wärmten schön. Jetzt fiel ihm auch der Wein wieder ein. Mit einem zufriedenen Lächeln kramte der Dieb die Flasche hervor und entkorkte sie leise. Süß und süffig rann ihm der Wein durch die Kehle, während er sich tiefer in diese warmen, seltsamen Flocken hineindrückte. Die Nacht war gerettet.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Nienor ist offline
    Es war schon später Nachmittag, als Nienor endlich die ›Abschüssige Straße‹ erreicht hatte. Sie hatte das Gefühl, mehrmals im Kreis gegangen zu sein. Ein paar mal hatte sie das Kreischen der Möwen im Hafen zu hören geglaubt, dann wieder war sie durch Gegenden mit einfachen, fast ärmlichen Häusern gekommen. Und die Stadtmauer hatte sie auch ein mehrere Male gesehen. Doch die Leute, die sie nach dem Weg fragte, hatten immer nur genickt und sie weitergeschickt. Also schien ja alles in Ordnung zu sein. Und dann war sie an Treppen gekommen. Beiderseits der Treppen standen Häuser, alte, schiefe und krumme Häuser. Das war die ›Abschüssige Straße‹. Hoch aufragend aus Fachwerk gebaut waren die Bauten auf beiden Seiten. Die Giebel wölbten sich hoch über der Straße und versuchten, sich mit aller Macht zu berühren. An einigen Stellen gelang ihnen das sogar fast. Die Kommandantin betrat die Treppen und hoffte, hier das Haus dieses Dakasto zu finden.
    Zwei spielende Kinder drückten sich scheu an die Mauer eines Hauses, als die Kommandantin auf sie zu kam, um sie nach dem Heiler zu fragen. Stumm wiesen sie abwärts auf ein Haus, das seltsam unpassend erschien in dieser Straße. Als Nienors Blick den ausgestreckten Fingern der beiden Kinder folgte, bemerkte sie, dass das Haus anders war, als die anderen. Nicht aus dem üblichen Fachwerk erbaut, sondern steinern. Doch machte es deswegen keinen besonders stabilen Eindruck. Wie unter der Last der Jahre war es gebeugt und in sich zusammengesunken. Das schiefe Dach war mit verrutschten Schindeln gedeckt und in das Mauerwerk hatte die Zeit ihre Zeichen eingekerbt, Risse, die sich durch Wand zogen, Falten gleich auf dem Gesicht eines Greises. Moos wuchs dort, wo bei Regen das Wasser vom Dach rann und aus Mauerritzen wachsende Grashalme schwankten fröhlich im Windzug, der durch die Straße fegte so als wollten sie dem Besucher zuwinken und rufen »Schau mal, wo wir uns noch festklammern können!« Kleine Fenster wirkten wie müde geschlossene Augen.
    Nienor trat heran und griff nach dem Türklopfer, ein phantasievoll geformter Drachenkopf aus Bronze, der in einem Ring endete. Sie ließ den Klopfer gegen die Türe fallen und ein dumpfes Pochen erklang. Stille. Dann, nach einer kleinen Ewigkeit, Nienor wollte schon wieder nach dem Drachen greifen, schepperte etwas im Haus. Jemand war zu Hause. Holz knarrte, wie Treppenstufen, die belastet wurden durch jemanden, der hinauf oder hinab ging. Jemand drehte einen Schlüssel und ein Schloss klackte. Dann öffnete sich die Tür mit einem leisen Knarren.
    »Verschwindet, Lausebande!« Der Türspalt schloss sich wieder.
    »Halt, wartet! Seid Ihr Meister Dakasto?«
    Der Spalt hörte auf, seine Größe zu verringern. »Wer will das wissen?«
    »Mein Name ist Nienor. Ich weiß nicht, wen Ihr erwartet habt, aber ich suche Heilung.«
    »Oh, verzeiht, ich dachte nur... Die Jungen aus der Umgebung machen sich manchmal einen Spaß daraus, mich zu ärgern. Was sie nicht kennen, weckt ihre Neugier. Doch kommt herein.«
    Die Tür öffnete sich so weit, dass Nienor hineinschlüpfen konnte. Im Haus war es halbdunkel. Ein kleines rundes Fenster von oberhalb der Tür entließ etwas Licht in eine Art Treppenhaus. Kahle Wände wurden nur unterbrochen von einigen Türen, die in die einzelnen Zimmer des Hauses führten. Eine Treppe führte in das obere Stockwerk.
    »Folgt mir.« Dakasto forderte die Besucherin auf, ihm zu folgen. Er erstieg die knarrende Treppe und hielt sich schnaufend am Handlauf fest, das weite Gewand mit der rechten Hand zusammenraffend, um nicht über den Saum zu stolpern. Nienor folgte ihm in gebührendem Abstand nach oben. Als er endlich am Ende der Treppe angelangt war, drehte er sich um und verschnaufte erst einmal. Jetzt konnte Nienor sich ein Bild des Mannes machen: Er war eher klein, um die Mitte herum etwas korpulent, wie es alte Männer manchmal sind, das Haar war weiß, dünn und hing in wirren Strähnen vom kahlen Schädel herab. Sein Gesicht jedoch wirkte noch äußerst lebhaft und die Augen wuselten unentwegt hin und her, wie um ja nichts zu verpassen und auf alles einen Blick zu haben. Die Kleidung erinnerte entfernt an eine Robe, war aber vollkommen schmucklos und abgetragen.
    »Entschuldigt die unfreundliche Begrüßung«, wandte sich Dakasto an seine Besucherin.
    Nienor winkte ab. »Schon gut. Macht Euch keine Gedanken deswegen.«
    Meister Dakasto nickte. »Gut, gut. Dann folgt mir hier in dieses Zimmer. Dies ist mein augenblicklicher Lieblingsraum. Ihr müsst wissen, ich habe je nach Befindlichkeit einen anderen Lieblingsraum. Das ist nämlich wichtig, dass man auf die innere Befindlichkeit horcht.«
    Nienor verstand kein Wort.
    »Ihr seht nicht aus, als ob ihr von hier kämt, richtig?«
    Für einen alten Mann, der nur in seinen vier Wänden hockte, schien der Heiler bemerkenswert viel zu wissen.
    »Wieso nehmt Ihr das an?«
    »Nun... aus Gorthar kommen nicht sehr viele Leute zu mir. Es wird viel Unsinn über mich erzählt. Aber es ist in Ordnung so. Ich habe meine Ruhe. Wenn nur die Kinder nicht wären.« Er seufzte kurz.
    Dann räumte er einige Blätter und Bücher von einem Stuhl, dessen Sitzfläche ihm wohl als erweiterter Schreibtisch gedient hatte und bot Nienor daraufhin diesen Platz an. Er selber setzte sich in einen abgewetzten gepolsterten Lehnstuhl. Nienor sah sich möglichst unauffällig um im Raum. Die meisten Wände waren verdeckt von hohen Schränken, breiten Truhen und vollgestopften Regalen. Alles sah recht durcheinander aus. Selbst auf dem Boden stapelten sich Bücher. In einigen Teilen des Zimmers standen Fläschchen und Krüge auf den Dielen und auf allem anderen, was sich in der Nähe befand.
    »Nun, womit kann Euch Meister Dakasto dienen?«, fragte der alte Mann mit fast vergnügtem Tonfall. Anscheinend genoss er es, Besuch zu haben.
    »Mir wurde gesagt, Ihr kennt Euch mit der Heilerei aus«, begann Nienor etwas unsicher.
    »Ja, das ist wahr. Aber ich beschäftige mich nicht damit, die Produkte von unbedachten Nächten zu entfernen. Da muss ich Euch enttäuschen.«
    »Wie bitte?« Wieder verstand Nienor nichts von dem, was der Mann erzählte.
    »Mhm, ich muss mich wohl etwas deutlicher ausdrücken. Ich meinte, dass von Zeit zu Zeit junge Frauen mein Haus aufsuchen in der Hoffung, gewisse Dinge ungeschehen machen lassen. Doch da muss ich sie enttäuschen. Für so was müssen diese jungen Mädchen zur alten Gumbeke gehen, die macht das mit ihren...«
    Jetzt verstand Nienor. Sie errötete kurz, fasste sich jedoch sofort wieder und unterbrach den Meister. »Also hört mal! Ich... Nein, deswegen komme ich ganz gewiss nicht. Meine Frage zielte auf etwas anderes ab.«
    »Achso, gut gut. Das freut mich. Dann fahrt fort.« Freundlich strahlte sie der Alte an.
    »Ich komme zu Euch wegen meiner Schmerzen im Kopf. Sie bereiten mir Albträume des Nachts, so schlimm, dass ich nicht schlafen kann. Ich habe mittlerweile schon Angst, nachts einzuschlafen, da ich dann doch keine Erholung finde, wie sie allen anderen vergönnt ist, wenn sie ihr Haupt zur Ruhe betten. Ich hingegen werde von diesen Träumen gequält, Nacht für Nacht.
    Deswegen bin ich hier. Ich hoffte, Ihr könntet mir ein Mittel dagegen verkaufen, irgendein Pülverchen, das mich des Nachts ruhig schlafen lässt. Denn irgendwann werden diese Träume doch wieder nachlassen. Nur bis dahin benötige ich Eure Hilfe. Euer Mittel.«
    Der Heiler schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Ich muss wissen, welcher Art Eure Träume sind. Wie wirken sie, wie oft bedrücken sie Euch und seit wann habt Ihr sie? Das sind alles Dinge, die beachtet werden müssen«, belehrte er sie.
    Und so fing Nienor an, zu erzählen...

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Dumak ist offline
    Was für ein leckerer Tropfen. Berne hortete da wirklich einen ganz ausgezeichneten Wein. Nicht so eine dünne Brühe, wie sie der Wirt in der Taverne ausschenkte, nein, das war richtiger Wein. Gierig ließ er den süffigen Traubensaft durch die Kehle rinnen, beinahe verschluckte er sich vor lauter Hast.
    »He, Moment, ich hab doch alle Zeit der Welt.«
    Von da ab trank er langsamer, genoss jeden Schluck. Ließ ihn um die Zunge kreisen, damit ihm auch ja keine Nuance des Gesöffs entging und schluckte den Wein dann ganz bedächtig hinunter. Nebenbei dachte er an bessere, vergangene Tage. Vielleicht ließ sich ja hier in Gorthar etwas ähnliches aufziehen. Man müsste nur ein paar Kontakte knüpfen und alles erforderliche in die Wege leiten, um eine Gilde aufzubauen. Ach, alles Hirngespinste. Was hier in Gorthar abging, hatte er ja eben erst am eigenen Leib erfahren. Selbst in einem Dreckloch wie Khorinis gab es eine organisierte Bande, die sich hochtrabend Gilde nannte. Na ja, warum auch nicht, Halsabschneider waren die Handwerkergilden auch nur. Sie taten es nur öffentlich, mit Billigung der Leute.
    Der Wein war wirklich gut. Der Abend war perfekt. Ein Stückchen weiter vorne, dort, von wo aus niemand bis zu Dumaks Versteck sehen konnte, drangen das Prasseln des Feuers und die Gespräche der Männer, die sich um eben dieses gruppiert hatten, herüber. Die kehligen Laute der fremden Sprache klangen in Dumaks Ohren wie ein monotoner, einschläfernder Singsang. Hin und wieder knackte ein Holzscheit im Feuer und steuerte so den nötigen Paukenschlag zur Geräuschkulisse bei. Nur manchmal wurden mittlerweile die schon vertraut erscheinenden Geräusche von einem seltsamen feuchten Röcheln unterbrochen. Es klang, wie das Blöcken eines heiseren Schafes aus weiter Ferne. Dann war es wieder verschwunden und ein erneutes Zerplatzen eines Astes lenkte die Aufmerksamkeit von Dumaks Ohren wieder auf die Männer, die um ihr Feuer saßen und sich irgendetwas erzählten.
    Und der Singsang ging weiter, der Wein stieg zu Kopf und vernebelte die Gedanken des Diebes, der sich in wirren Wunschträumen verlor, in denen er durch Schatzkammern voller Gold und Edelsteine streifte und als er wieder herauskam, warteten Scharen leichtgeschürzter Mädchen auf ihn, um ihm um den Hals zu fallen. Warum sie das taten, war dabei vollkommen unwichtig. Dumak schmiss mit Geschmeide und Ringen um sich. Glutvolle Augen senkten sich auf sein Gesicht herab. Wollten ihm zeigen, wie weit Bewunderung gehen konnte. Rote, süße Lippen berührten die seinen. Süß wie Wein... Dumak kicherte glücklich bei dem Gedanken.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Nienor ist offline
    »Ich fürchte, ich kann Euch nicht helfen, ehrenwerte Nienor«, sagte der alte Heiler mit einer Geste des Bedauerns. Nachdem ihm Nienor mehr über ihre fiebrigen Albträume erzählt hatte, die sie Nacht für Nacht quälten und um den Schlaf brachten.
    »Aber wenn es keine Hilfe gibt... wie soll ich es nur aushalten? Ihr wart meine Hoffnung, Gorthar war meine Hoffnung.« Tonlos kamen die Worte über Nienors blasse Lippen, während ihre Augen mit glasigem Blick in unwirkliche Fernen starrten.
    Doch der Heiler wirkte plötzlich ärgerlich. »So hört mir doch zu! Ich sagte nicht, es gäbe keine Heilung. Ich bin der festen Überzeugung, dass es für alles Übel auf der Welt Heilung gibt. Nur kann ich Euch sie nicht bringen. Doch ich kann Euch einen Rat geben.«
    Nienor sprang auf und drang mit Worten auf den alten Heiler ein: »Ich bitte darum. Wenn es nur eine Möglichkeit gibt, die Heilung oder auch nur Linderung verspricht, sagt es mir. Ich bitte Euch inständig!«
    Der alte Mann wehrte ab. »Keine Sorge, ich werde Euch nicht unwissend fortschicken. Ich werde Euch berichten, was ich weiß, oder vielmehr, was ich zu wissen glaube. So hört denn.«
    Nienor, die erregt aufgestanden war, um ihrer Verzweiflung Ausdruck zu geben und dasbei den Hocker, auf dem sie gesessen hatte, umgeworfen hatte, stellte diesen wieder auf und setzte sich, nun wieder etwas beruhigt, wieder hin.
    »Also hört denn: Heiler gibt es in jedem Volke. Nicht nur hier in Gorthar. Und überall ist das Wissen anders...«
    »Ich soll also woanders suchen, Ihr schickt mich einfach fort?«, unterbrach Nienor den Meister.
    »Ja, das tue ich, aber nicht irgendwohin, nur um Euch los zu sein. Unterbrecht mich nicht wieder, und ich werde Euch berichten, was ich weiß.«
    »Verzeiht.« Nienor senkte leicht den Kopf, nur um ihn sofort wieder zu heben. »Aber es ist sehr wichtig für mich.«
    »Weit südlich von Gorthar, und wenn ich sage weit, dann meine ich so weit, dass Ihr viele Wochen oder gar Monde reisen müsst, um dorthin zu gelangen, lebt ein Volk, das sich ’Garsi ech elgar nennt. Dort, wo es seine Wohnsitze aufgeschlagen hat, soll es brütend heiß sein und der Boden bestünde dort angeblich nur aus Sand. Innos selbst geißele mit seinen Waffen das Land, weil es eine uralte Schuld auf sich geladen habe. Doch dies sind Legenden. Wie sie dort leben können, weiß ich nicht. In der Luft sollen sich die Geister ihrer Ahnen zeigen, flimmernd und verschwommen, so dass nur ihre Priester sie verstehen können. Dort soll auch der Graben zwischen dem Diesseits und anderen, verborgenen Welten flacher als anderswo sein. Nicht viel wird hier erzählt über dieses seltsame Volk, weil es hier im von dort so fernen Gorthar fast gänzlich unbekannt ist. Doch ich habe im Laufe der Jahre das eine oder andere in Erfahrung bringen können. Vielleicht handelt es sich bei diesen Ahnengeistern um Dämonen, die man dort sieht. Jedenfalls wurde mir von diesem Volk von sicherer Quelle zugetragen, dass sie sich auf die Kunst der Geisterheilerei verstehen. Und nachdem ich Eure Geschichte gehört habe, bin ich fast der Meinung, dass Ihr von einem fremden Wesen beeinflusst werdet. Ich bin jedoch nur Heiler, kein Kundiger in den metaphysischen Erscheinungen dieser Welt. Deshalb kann ich Euch auch nicht wirklich helfen. Doch dieses Volk, das seine Heiler als hohe Priester und weise Männer betrachtet, ist seit alters her mit dergleichen vertraut.«
    »Und wie soll ich dorthin finden, wenn es so sehr weit weg ist? Wie lange soll ich es noch aushalten? Ihr sagtet, es dauere Wochen oder sogar Monate, um bis dorthin vorzudringen.« Nienor wirkte verzweifelt. Zuerst hatte ihr die Rede des Alten neue Hoffnung eingeflößt, doch als er seinen Vortrag beendet hatte, war sich die junge Frau nicht mehr so sicher, ob das, was er sagte, wirklich hilfreich für sie war.
    »Ich kann Euch etwas mitgeben, das die Schmerzen lindert. Doch es ist nicht ungefährlich, es kann Euch verlockend einfach erscheinen, es anzuwenden, so dass Ihr nach einiger Zeit überhaupt nicht mehr darauf verzichten wollt. Darum dosiert es mit Bedacht und nehmt lieber etwas weniger, als zu viel. Es mag befremdlich kojngen, aber es ist besser, den Schmerz zu spüren und so ständig an ihn erinnert zu werden, als ihn ganz abzutöten und sich trügerischer Sicherheit hinzugeben. Denn Schmerz gehört zum Leben und nur der Tod ist schmerzlos. Wenn ihr also zu viel des Mittels nehmt und so den Schmerz, die Albträume, für immer verbannt, seid ihr nicht geheilt, sondern eher näher an der Schwelle des Todes. Darum wendet es mit Bedacht an!« Der Meister zog die Augenbrauen zusammen.
    »Das ist alles, was ich für Euch tun kann. Und schon dies ist nicht ungefährlich.« Er wandte sich ab, um - so sagte er – das Mittelchen herzustellen, das er Nienor geben wollte und begann damit, an einem Tisch voller Fläschchen und Schüsselchen herumzukramen.
    »Könnt Ihr mir noch einen Rat geben, wie ich dorthin gelange? Es scheint sehr weit zu sein und ich habe nichts, außer Eure Worte, das es im Süden liegen solle.«
    Der Alte drehte sich um. »Ja richtig, das hätte ich beinahe vergessen. Es gibt tatsächlich etwas, das Euch helfen kann. In der Stadt müsste sich jetzt eine Handels-Karawane von weit im Süden befinden. Sie kommen aus einer Wüstengegend, wenn man den Gerüchten glauben schenken darf. Ein- oder zweimal im Jahr schicken sie eine Karawane, um ihre seltsame Wolle zu verkaufen?«
    »Karawane? Seltsame Wolle? Was hat das zu bedeuten?«, fragte Nienor verwundert. Davon hatte sie noch nie etwas gehört.
    »Es scheint mir, spätestens jetzt hätte ich mitbekommen, dass ihr wirklich nicht aus der Gegend stammt. Karawanen nennt man die langen Reihen ihrer Tragetiere, auf die sie ihre Waren binden. Mit diesen Tieren ziehen sie von ihren Wohnsitzen weit im Süden bis hinauf nach Gorthar, das ihrer Ansicht nach sicher sehr weit im Norden liegen muss. Auf dem Rücken der Tiere sind die riesigen Ballen mit den Wollfasern befestigt. Sie ziehen in langsamem, aber stetigem Tempo auf den Straßen dahin, alle Tiere in einer Reihe, viele hundert Fuß lang ist die Reihe und viele Männer begleiten den Zug, um ihre Waren zu schützen. Es ist jedes Mal ein seltsamer Anblick, wenn man ihre Ankunft beobachtet. Früher, als ich noch jünger war, bin ich auch oft hinausgelaufen, vor das Südtor, um sie zu begaffen und hab mich dabei unter das übrige Volk gemischt...«
    Er blieb versonnen stehen und schaute irgendwo durch die Zimmerwand hindurch in weite Fernen, die nur in seinen Gedanken existierten.
    »Und was hat es mit dieser Wolle auf sich?«, hakte Nienor nach.
    »Ja richtig, die Wolle... Es ist ein gar seltsamer Stoff, daraus wird eine Art Leinwand gewebt, doch feiner als diese, nicht so schwer und rau. Gewänder aus der Wüstenwolle sind leicht und schmiegen sich weich an den Körper. Deswegen wird der Stoff auch gern von reichen Damen getragen. Denn er ist ob seiner Seltenheit teuer. Denn nur einmal im Jahr kommen die Thur’garsi, um ihn hier in Gorthar zu verhandeln. Und nur wenige können sich größere Mengen davon leisten. Diese Wolle und der Preis, den sie dafür erzielen, sind der Grund, weswegen sie hierher kommen.«
    »Ihr meint also, ich kann sie irgendwo am südlichen Tor finden?«
    »Ganz recht, ganz recht. Sobald der Markt beendet ist, werden sie wieder aufbrechen und nach Süden, in ihre Heimat ziehen.« Er wandte sich wieder dem Schlafmittel zu, das er zuzubereiten gedachte.
    Interessiert aber vorsichtig und unauffällig schaute Nienor ihm von ihrem Platz aus zu. Zwar verdeckte der Rücken des Heilers fast alles, doch vernahm sie ein leises Blubbern, das nur von einer über einer Flamme köchelnden Flüssigkeit herrühren konnte. Doch als sie vor kurzem das Zimmer betreten hatte, war ihr keine Feuerstelle aufgefallen. Eine plötzliche Verpuffung ließ sie zurückschrecken.
    »Meister! Habt Ihr Euch etwas getan?« Schnell war sie aufgesprungen und wollte zu dem Heiler eilen, doch der winkte nur ab.
    »Keine Sorge, das muss so sein.« Die Reste einer schwarzen Rauchwolke verflüchtigten sich in Richtung Decke und suchten sich dort ein gemütliches Plätzchen, von dem aus dich einzelne Rauchfäden tastend durch das Zimmer zogen. Der kurze Augenblick, in dem Nienor den seltsamen Rauch in seinen Bewegungen beobachtete, hatte dem Heiler genügt, um sein Mittelchen anscheinend fertig zu stellen, denn plötzlich hielt er der jungen Kriegerin eine Phiole entgegen.
    »Fertig. Hier habt Ihr die Grundlage für Euer Schlafmittel.«
    Nienor wollte zugreifen, doch der Alte zog es blitzschnell fort.
    »Noch ist es nicht fertiggestellt, es handelt sich nur um die Grundlage, das Bett. Fertig wird es erst morgen in der Frühe. Gut Ding will Weile haben.«
    »Dann will ich Euch für heute nicht weiter stören. Ich muß mich auf die Suche nach einem Nachtquartier machen. Leider scheinen alle Herbergen überfüllt zu sein.«
    Der Alte horchte auf. »Ja, kein Wunder, es ist großer Markt. Und von überall her strömen die Leute in die Stadt. Nächtigt bei mir, ich habe Gästezimmer.«
    Nienor überlegte. Einfacher kam sie nicht an ein Bett für die Nacht und der Alte schien ihr freundlich und harmlos, so dass sie nach kurzem überlegen zusagte. Der Heiler führte sie in ein Zimmer im Obergeschoss, das er ihr für diese Nacht überlies. Kurze Zeit später kam er mit einem Aufguss wieder, den er ihr zu trinken empfahl. Nienor tat, wie ihr geheißen. Zusätzlich hatte ihr Gastgeber noch einige Kleinigkeiten zusammengesucht, die seine Vorratskammer hergab. So kaute die Kriegerin noch etwas auf Brot herum und löffelte einen Teller Hirsesuppe aus, ehe sie sich mit ungutem Gefühl zur Nachtruhe begab.

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    Doch entgegen ihren Befürchtungen schlief sie diese Nacht tief und traumlos und wachte erholt am nächsten Morgen auf.
    Der Alte kam ihr auf der Treppe entgegen und schwenkte fröhlich die Phiole von gestern. »Es ist vollbracht. Denkt daran, was ich Euch gesagt habe: Nehmt es nicht zu oft und vor allem nehmt nicht zu viel! Denn sonst fallt Ihr womöglich noch in den finiten Schlaf.«
    Nienor sah ihn fragend an.
    »Den Todesschlaf, den Schlaf, den alles Lebendige eines Tages kennen lernt und dem es sich nicht entziehen kann, wenn seine Zeit gekommen ist. Aber Ihr habt, so deucht es mir, noch viel Zeit bis Ihr an diese Schwelle kommt.«
    Und damit hielt er ihr den kleinen mit einem filigran anmutenden Glasstöpsel verschlossenen Flakon hin und diesmal schlossen sich Nienors Finger um ihn und hielten ihn fest.
    »Was bin ich Euch dafür und für das Nachtlager schuldig?«
    Der alte Heiler ließ das Fläschchen los und machte mit der Hand eine vieldeutige Bewegung.
    »Nichts, Ihr habt mir schon etwas gegeben.«
    Nienor verstand nicht. »Ihr müsst Euch irren, kein Goldstück verließ meinen Geldbeutel, seit ich bei Euch zu Gast bin.«
    »Man kann auch anders als mit Gold zahlen – und das habt Ihr. Mit Eurer Anwesenheit. Manchmal ist es eine nette Abwechslung, Besuch zu haben. Und wenn er dann noch so artig wie Ihr meinen Geschwätzigkeiten folgt, bin ich mehr als entschädigt.«
    Nienor lächelte. »Jetzt verstehe ich. Doch seid beruhigt, es war kein Geschwätz. Ihr habt mir sehr weitergeholfen.
    Und nachdem die beiden diese letzten Höflichkeiten ausgetauscht hatten, verabschiedete sich Nienor, um dem Rat des Heilers zu folgen und die Händler aus dem Süden aufzusuchen.

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    Schnell war die Richtung erfragt, doch lange dauerte es, ehe die junge Kiegerin die südlichen Bereiche der Stadt erreichte. Zuerst verließ sie die Viertel der reichen oder zumindest wohlhabenden Bürger, dann durchschritt sie diejenigen, in denen die Tagelöhner, Gelegenheitsarbeiter und Klipphandwerker wohnten und arbeiteten. Die letzteren waren freie Handwerker, die keiner der Gilden angehörten und nur auf eigene Rechnung arbeiteten. Da die Gilden den Markt unter sich aufgeteilt hatten, blieben für sie nur noch die Bröckchen vom Geschäft übrig. Dementsprechend hausten sie auch in ärmlichen Verhältnissen, in halbzerfallenen, niedrigen, sich aneinander lehnenden, geduckten Katen, strohgedeckt und windschief. Vor den Häusern spielten einfach gekleidete Kinder, ließen Holzstücke zu Wasser und bauten so ganze Flotten auf, hüpften die auf den Boden mit Kreide aufgemalten Kästchen des Innos-Beliar-Spiels ab oder jagten mit viel Lärm durch die Gassen.
    Endlich stand Nienor vor der großen Mauer, die die Stadt nach Süden abschloß. Frohen Schrittes ging sie in Richtung des nahen Tors, nur um feststellen zu müssen, daß sich danach eine weitere Stadt anschloß, eine Vorstadt. Doch ach, diese mußte vor nicht langer Zeit einem großen Brand zum Opfer gefallen sein. Viele Häuser reckten ihre kahlen Mauern als rußbedeckte Ruinen dem Himmel entgegen. Verkohlte Balken spreizten sich wie der mit Gewalt geöffnete Brustkorb eines riesig großen Schattenläufers in die Höhe. Gerümpel und Unrat bedeckte verlassene Ecken und Gassen.
    Doch hier und da war auch ein intaktes Gebäude zu erkennen. Wieder aufgebaut aus dem Schutt und zu neuem Leben erwacht durch seine Bewohner. Die jedoch schienen eher zwielichtige Gestalten zu sein. Ein krasser Gegensatz zu den sauber gekleideten, arbeitssam erscheinenden Menschen in der eigentlichen Stadt. Diese Vorstadt zog dagegen allerlei vagabundierendes Volk an, Spieler, Diebe, freie Söldner, Banditen, Dirnen und Hehler. Hier also sollten sich diese Thur’garsi aufhalten? Nienor kam sich verloren vor in dem bunten Haufen an Menschen, die um sie herum standen, liefen, sich stritten, unterhielten, herumbrüllten, hier- und dorthin rannten. Langsam schritt sie die Straße, die vom Tor herab kam, weiter in diese halb zerstörte Vorstadt hinab. Plötzlich öffnete sich die Tür im Haus neben ihr und lautes Gebrüll drang heraus, untermalt vom Gefiedel eines Musikus, der dort drin wohl seine Kunst zum Besten gab. Das mußte eine Schänke sein. Drei Gestalten torkelten heraus, eine hielt noch einen Krug in der Hand und schwenkte ihn übermütig hin und her, während er sich bei seinem Nebenmann einhakte.
    Nienor lief weiter und die Straße wurde ruhiger. Hier und da standen grell geschminkte Frauen an Gasseneingängen, meist übertünchte die dicke Schicht Schminke ihr verbrauchtes Gesicht, ihren faltigen Hals nur unvollkommen, doch ihr tiefes Dekolleté ließ viele Männer dies wohl gnädig übersehen. Die Kriegerin wandte sich ab. Und lief die Straße weiter hinunter. Jetzt war ein weiteres Tor zu sehen, niedriger, nicht so prachtvoll wie das, welches sie eben erst hinter sich gelassen hatte. Dies schien dann wirklich das Ende von Gorthar zu sein. Die Mauer war – wie die Stadt – halb zerfallen und nicht besetzt. Es lohnte wohl nach Meinung der momentanen Stadtherrscher nicht, dieses verruchte Viertel zu verteidigen. Der linke Torflügel hing schief in den Angeln und der rechte lehnte ausgehangen neben dem Tor, unten war das Holz vom Regen angefault und grünbemoost. Der Torbogen hatte die ersten Steine verloren, die, einmal herausgebrochen, irgendwohin geschafft worden waren, womöglich, um sie als Baumaterial an anderer Stelle zu verwenden.

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    Hinter dem Tor befanden sich entgegen Nienors Vermutung doch noch einige Häuser, niedrig nur und wenige. Sie bildeten wirklich die letzten Ausläufer dieser großen Stadt. Und zwischen diesen Häusern sah sie Seltsames. Große, urtümlich anmutende Tiere auf zwei Beinen, mit recht massigem Leib, langem Hals und kleinem Kopf, am andern Ende einem unruhig hin- und herpeitschenden Schwanz. Auf dem Rücken ragten schräg zwei Panzerplatten empor, sie wirkten wie Stummelflügel und gaben den Tieren etwas leicht lächerliches, tolpatschiges, denn mit ihrem runden, walzenförmigen Körper hätten sie sich niemals in die Lüfte erheben können. Doch das seltsamste war, daß diese Tiere allesamt Zaumzeug umgelegt hatten. Wie zufällig verstreut standen sie im Lager und fraßen aus Futterbeuteln, die man ihnen umgehängt hatte oder zupften an den durch die Sommersonne schon halb verdorrten Grashalmen herum. Mit einem heiseren Blöken, ähnlich dem von Schafen, nur tiefer im Tonfall beschwerten sie sich, wenn ein Treiber mit einer Gerte kam, um sie irgendwohin zu zerren, doch ließen sie sich dann doch gutwillig wegführen.
    Und nun fiel Nienor auch auf, daß sich jede Menge Menschen bei diesen Tieren befanden. Eingehüllt in lange Mäntel, die sie um die Schultern geschlungen hatten, auf dem Kopf eine aus kunstvoll gedrehtem und gewickelten Stoff bestehende Kopfbedeckung, an deren Seiten Kettenpanzer herab hing und Ohren, Hals und Nacken bedeckten. Ein Stück Stoff war über das Gesicht gespannt und ließ nur die Augen frei. Lange Speere hielten einige von ihnen, andere hatten Bögen auf dem Rücken. Waren das die Thur’garsi und ihre Karawane? Sicher, es mußte so sein, wenn sie der Beschreibung glauben durfte. Mit einer Mischung aus Neugier und Beklommenheit trat Nienor heran, um einen von ihnen anzusprechen. Doch wie? Wahrscheinlich verstand er sie ja gar nicht. Sie nickte dem Mann zu, der auf sie aufmerksam geworden war und deutete eine Verbeugung an. Dann sagte sie langsam und deutlich »Mein Name ist Nienor de Brethil. Ich möchte mich gerne Eurer Karawane nach Süden anschließen«, und hoffte, daß wenigstens ein wenig davon verstanden worden war. Der Mann reagierte ungewöhnlich: Er lief weg.
    Verdattert stand Nienor da und schaute ihm hinterher, wie er hinter einer Hausecke verschwand. Sollte sie ihm hinterherlaufen? Doch noch ehe sie sich entscheiden konnte, was nun am Besten wäre, kam er wieder zum Vorschein. Mit ihm ein weiterer Mann. Der erste zeigte auf Nienor, schien irgendetwas zu sagen und nickte dann, woraufhin der zweite in ihre Richtung ging. Womöglich war dieser der Sprachkundige. Gemessenen Schrittes kam er auf die junge Frau zu, blieb dann vor ihr stehen und betrachtete sie einige Augenblicke schweigend. Dann öffnete er seinen Gesichtsschutz und Nienor konnte ein Gesicht voller seltsamer Narben erkennen. Diese Narben mußten künstlichen Ursprungs sein, denn sie bildeten Muster auf der Haut. Kampfspuren sahen so nicht aus. Sicher war es trotzdem schmerzhaft gewesen, sie zu erhalten. Ob es zu irgendeinem fremdartigen Ritual gehörte, sie zu bekommen? Doch noch ehe Nienor weitere Überlegungen anstellen konnte, sprach er. Akzentfrei, klar und deutlich und mit angenehmer Betonung in der Stimme.
    »Was ist Euer Begehr? Wiederholt Eure Bitte, denn mein Freund«, er wies mit dem Arm in die Richtung des anderen Mannes, der immernoch ein Stück entfernt stand, »beherrscht Eure Sprache nicht sonderlich.«
    »Mein Name ist Nienor de Brethil und ich möchte mich Eurer Karawane in den Süden anschließen.«
    »In den Süden?« Verwunderung sprach aus der Stimme des Mannes.
    »Ja, man sagte mir, Ihr würdet südlich von Gorthar Eure Wohnsitze haben und dorthin zurückkehren.«
    »Dann hab ich Euch missverstanden. Wir pflegen es einfach nur Besb’tha zu nennen, die Arme von Besbia in Eurer Sprache. Wenn wir von Süden sprechen, meinen wir die Länder weit südlich von Besb’tha.«
    »Dann nehme ich an, das dieses Besb’tha Eure Heimat ist, in die Ihr zurückkehrt? Ich würde Euch gerne dorthin begleiten, denn ich muß dorthin gelangen.«
    »Ihr wollte nach Besb’tha, oh Kriegerin, obwohl Ihr eben erst davon gehört habt?« Verwunderung sprach aus seinen Worten. »Seltsam sind die Wünsche der blassen Nordländer und waren es schon immer.« Doch er lächelte, also konnte er es nicht böse gemeint haben.
    »Nun, nehmt Ihr mich mit?«, fragte Nienor mit leicht forderndem Tonfall. »Ich werde auch für die Reise bezahlen. Und«, sie holte ihren größten Trumpf aus dem Ärmel, »ich bin erfahren im Schwertkampf und erst recht im Kampf mit dem Bogen.«
    Der Mann lächelte wissend und entblößte dabei eine Reihe weißer, ebenmäßiger Zähne in seinem dunklen Gesicht. »Das habe ich mir fast gedacht. Wozu sonst seit Ihr in Eisen gekleidet, mit einem Schwert an der Seite und einem Bogen auf dem Rücken. Ich werde Euer Anliegen dem Rat unterbreiten, er wird entscheiden. Wartet hier.«

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    Und damit verließ er Nienor und ging davon. Neben ihr hatte es sich der große schwarze Hund bequem gemacht. »Na, hats dir bei Dumak nicht mehr gefallen?«, fragte sie ihn im Spaß.
    Der Hund schaute sie mit aus dem Maul heraushängender Zunge aus klugen Augen an.
    Die Kriegerin schaute sich um. Tatsächlich waren die Thur’garsi gerade dabei, ihren Aufbruch vorzubereiten. Sie war also keinen Moment zu spät gekommen. Einige Leute mühten sich, die schwerfällig erscheinenden großen Tiere mit riesigen Ballen zu beladen. Drei, vier Männer hievten sie seitlich an den Tieren hoch, während zwei andere sie mit Seilen an den aus dem Rücken ragenden Panzerplatten befestigten. Andere löschten die Lagerfeuer, wieder andere verteilten Waffen und manche standen nur in kleinen Gruppen zusammen und diskutierten mehr odr weniger leise. Frauen oder Kinder sah Nienor keine. Alles zusammen mußten es über fünfzig Mann sein, die hier lagerten. Und nun kamen auch von überall her die Lasttiere, die in Unterständen, zerfallenen Hütten oder unter aufgespannten Zeltplanen gestanden hatten. Widerkäuend am letzten Heu traten sie, an Zügeln herangezogen von ihren Führern, ins Freie, um sich nach und nach zu einer langen Reihe aufzustellen und beladen zu werden. Nienor staunte beim Anblick der vielen Tiere, die mit dumpfen Lauten widerwillig ihre Plätze einnahmen, wobei sie ihre kleinen Köpfe an ihren langen Hälsen sanft nach unten beugten, um auf gleicher Höhe mit den Treibern zu sein, die sie mit leichten Stockschlägen dirigierten. Doch letztendlich fügten sie sich und eine Mauer aus lebendigen Kolossen entstand.
    Nienor war noch ganz begeistert von dem Anblick, als plötzlich die Straße, die vom Tor herkam, eine Schar Reiter heranpreschte. Die Menschen spritzten auseinander, denn die Reiter nahmen keine Rücksicht auf Passanten. Rasend schnell hatten sie die Straße hinter sich gelassen und das kaputte Tor passiert, so daß sie am Lager der Thur’garsi vorbeigaloppierten. Ein Reiter, der an der Spitze wandte seinen Kopf und schaute in Richtung des Lagers. Sein Blick traf zufällig Nienor. Die Kriegerin schreckte zurück. Diese Augen, der stechende Blick... sie kannte ihn. Ein eiskalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter und ihr blieb das Herz fast stehen. Doch dann waren die berittenen Krieger auch schon vorbei, bogen um eine Straßenkurve und waren verschwunden. Ihr Hufschlag erstarb. Und jetzt fiel es ihr wieder ein. Natürlich, das waren die Leute, die sie in Gorthar in der Taverne gesehen hatte. Schon da hatte sie ein unangenehmes Gefühl beim Anblick des Anführers gehabt. Wo er wohl hinwollte? Irgendein Dorf überfallen? Irgendeinen Privatkrieg seines Herren führen? Irgendwo Unschuldige niedermetzeln?
    Doch ehe Nienor noch länger darüber nachdenken konnte, kam plötzlich der Thur’gaur von vorhin wieder. Als er sie erreicht hatte, sagte er ohne Umschweife: »Ihr könnt mit uns kommen, aber Euer Essen werdet Ihr bezahlen müssen. Oder Ihr kümmert Euch selbst darum.«
    Das war Nienor recht. Geld hatte sie und jagen konnte sie auch. Sofern die Gebiete, durch die die Karawane zog, jagbares zu bieten hatte. Der Thur’gaur führte die junge Frau zu einem der Tiere, weit hinten im Zug. Auf ihrem Weg dorthin konnte Nienor beobachten, wie die letzten Zelte abgebaut und eingepackt wurden.
    Die meisten Tiere waren nicht schwer beladen. Nur bei einigen hingen riesige Ballen links und rechts an den Seiten. Was da wohl drin war? Fast am Ende der langen Reihe aus den geduldig hintereinander stehenden, seltsamen Tieren angekommen, wies sie ihr Führer an, auf das Tier, nebem dem er stehengeblieben war, zu steigen, indem er ihr mit der Hand zeigte, wo sie hinzusteigen hatte, um auf den Rücken des Tieres, neun Fuß über ihr zu gelangen.
    »Wie heißen diese Tiere?«, fragte Nienor.
    »Bei uns«, und damit meinte er wohl in seiner Sprache, »heißen sie Rukhori, die Menschen hier nennen sie entweder Walzen-Snapper oder Gras-Snapper. Ich kenne Snapper. Die Rukhori sind nicht mit den Snappern verwandt. Sie fressen nur Gras und Blätter. Snapper fressen nur Fleisch. Das macht sie aggressiv. Die Rukhori sind sehr gutmütig. Und viel größer, als gewöhnliche Snapper.«
    Und dann stieg Nienor, den Anweisungen ihres Begleiters folgend zuerst auf die Ferse des Tieres, dann auf das Knie und von da aus zog sie sich auf den hohen Rücken des Tieres. Dort oben war zwischen den beiden Panzerplatten eine Art Sattel aufgeschnallt, in dem es sich sehr bequem saß. Die Beine ließ sie nach vorne um den dicken Halsansatz baumeln. Sechs Fuß vor ihr schwankte der Kopf des Rukhoa hin und her. Die Enden von langen Zügeln waren um den Sattelknauf vor ihr gewickelt. Fasziniert beugte sie sich vor und strich sie über die rauhe Haut des Tieres am Hals. Ein heiseres Blöken, leise und dumpf war die Antwort.
    »Na, gefällt dir das?«
    Nienor ritt zum ersten mal. Doch da der Rücken des Tieres so überaus breit war und ihr Sitz von den zwei flügelartigen Panzerplatten gesäumt wurde, fühlte sie sich sicher, trotz der großen Höhe, die sie einen überraschend guten Überblick über das Lager der Thur’garsi gewinnen ließ.
    Und plötzlich ging es los, die Karawane begann ihre Reise, nach Hause in den Süden. So kam es, daß Nienor de Brethil, Tochter ehrbarer Eltern, ehemalige Gefangene der Barriere, freie Kriegerin und Stadtkommandantin im kleinen Flecken Drakia sich auf die Reise in den so fernen, ihr gänzlich unbekannten Süden machte, um dort Hilfe zu finden in einer Angelegenheit, die ihr so wichtig war, dass sie sogar ohne zu Zögern auf diesem seltsamen Gras-Snapper ins Unbekannte ritt.
    Neben ihr trabte Dumaks Hund. Anfangs hatte er diese Rukhori angebellt und war an ihnen hochgesprungen, als Nienor auf ihr Reittier gestiegen war. Die Rukhori hatten jedoch nur mit einem heiseren Blöken geantwortet. Als ihnen der kläffende Hund lästig wurde, hatte eines der Tiere nach ihm getreten. Knapp war der Hund ausgewichen und seitdem war er ruhig, trabte schweigend mit hängender Zunge neben der Karawane her, schnüffelte hier und dort einmal, wenn er etwas Interessantes am Wegrand fand und kam doch immer wieder zu Nienor zurück.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Stundenlang waren sie geritten, mit dem langsamen, wankenden Schritt der Rukhori durch das Herzogtum Gorthar, hatten zuerst die Stadt entgültig verlassen, denn es war keine weitere Vorstadt gefolgt, nur noch einige Einzene häuser an der Straße, ein paar Gehöfte, einst im Schutz der Hauptstadt erbaut und mit dem Vorteil des kurzen Weges zum Markt. Vielleicht waren aus auch Landgüter der wohlhabenden Handelsherren, die so unter Umgehung des Marktes ihre Versorgung selbst regelten. Für diese Annahme sprach, daß die meisten dieser Anwesen groß und robust wirkten, nicht wie alte, krumme Bauernkaten. Viele waren von einer Mauer umgeben, manchmal waren selbst die Häuser aus Stein. Doch nach ein paar Stunden lagen diese Güter hinter ihnen, waren zuerst immer seltener geworden und hörten zum Schluß ganz auf. Nun kam lange Zeit nichts, nur Ödnis, seit langem unbestellte Felder und hier und da eine Ruine, mal halb überwuchert, mal noch recht frisch. Die Karawane war jedoch unbeirrt den ganzen Tag weitergezogen, Nienor hatte von ihrem hohen Sitz mehrere verlassene Dörfer und unzählige verdorrte Felder gesehen. Verwüstete Gegenden, berührt vom vernichtenden Atem der Bestie Krieg. Nienor saß allein mit sich selbst auf dem Rücken ihres Rukhoa und hing ihren Gedanken nach. Fremd fühlte sie sich zwischen all den Thur’garsi, entfernt von der sie umgebenden Welt, weil hoch über ihr. Und doch erfüllte sie eine freudige Neugier, so wie sie einen befällt, wenn man einem lang ersehnten, gleichwohl noch unbekannten Ziel entgegen läuft.
    Die sommerlichen Felder, die leeren Furchen bedeckt höchstens von kriechendem Unkraut, die Kuppen getrocknet von den Strahlen der Sonne lagen nach Stunden des eintönigen und doch neuartigen und deshalb für Nienor aufregenden Rittes hinter ihnen. Dies war der Gürtel aus Dörfern und Feldern, rund um Gorthar. Hier hatten die Bauern gelebt, die die Hauptstadt mit Nahrung versorgt hatten. Doch nun waren viele von ihnen getötet worden in den unsicheren Zeiten seit dem Fall des Herzogs. Wer nicht getötet worden war, der war geflohen, in die Stadt, hinter ihre Mauern. Und wer dennoch geblieben war, der lebte in Armut und Angst, daß das Wenige, was er noch besaß, Diebe und Mörder anlockte.
    Die Landschaft wurde immer hügeliger, die Ebene lag hinter der Karawane. Es war bald Mittag vorbei und die Thur’garsi machten keine Anstalten, zu rasten. Zum Glück hatte Nienor noch genug bei sich, so dass sie während des Reitens, das ihr eher vorkam, als würde sie in einer Sänfte sitzen, essen konnte. Zumindest hatte sie es sich immer so vorgestellt, in einer Sänfte. Der Hund war am Anfang wild durch den Wald aud Beinen gejagt, hatte die Rukhori angebellt und war mal an der Spitze des Zuges, mal an seinem Ende aufgetaucht. Nun trabte er mit gleichförmigen Bewegungen neben Nienor her.
    Plötzlich stockte die Karawane, weiter vorne kam Lärm auf, einige Leute riefen irgendetwas in ihrer fremdartigen Sprache und schwangen ihre Speere. Etwa ein Überfall? Bisher waren sie ja von Räuberbanden verschont geblieben, wohl weil sie sich noch zu nah an der Stadt befanden. Nienor nahm den Bogen vom Rücken. Der Hund verschwand nach vorne, an die Spitze des Zuges.

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    »Mhm... nicht so stürmisch, meine Honigschnu... Hey! Du sabberst mich ja voll.« Dumak schlug die Augen auf und was er sah, ließ ihn schreien. Eine große haarige Schnauze direkt vor seinem Kopf und eine feuchte Zunge voller schleimigem Rotz, die über sein Gesicht fuhr.
    »Aaaaaaahhhhhhhhhh, friss mich nicht. Hilfe!«
    Der Boden schien zu schwanken, mühsam raffte sich der Barde auf und versuchte, aus dem Haufen dieses weichen Wollzeugs, in den er sich gestern Abend gelegt hatte, zu entkommen.
    Mit dem Ergebnis, dass er vier Fuß tief fiel und neben dem Bein eines Rukhoa auf dem harten Boden aufkam.
    »Au!«
    Er rappelte sich wieder auf. »Verdammt, was ist hier los? Wo bin ich?«
    Die Rufe wurden von lauten Schreien beantwortet, vermummte Krieger in langen Gewändern umringten ihn. Die Spitzen ihrer Speere zeigten auf ihn. Der eine oder andere stieß damit drohend nach vorne, um sich dann wieder zurückzuziehen und schrie ihm irgendetwas ins Gesicht. Das sah echt ungemütlich aus. Die hielten ihn wohl für gefährlich?
    »He, halt mal. Ich hab hier nur ein Nickerchen gemacht. Kein Grund, gleich ungemütlich zu werden.« Dumak hob abwehrend die Arme, was nur einen neuen Aufschrei der Männer um ihn provozierte.
    Ein Mann kam heran, der Kreis der Krieger teilte sich und er trat hindurch, auf Dumak zu. Ein Hund bellte.
    »Wer bist du und was suchst du in unserer unverkauften Wolle?«
    Endlich jemand, mit dem man reden konnte. »Ich hab hier nur meinen Rausch ausgeschlafen. Hatte nämlich einen guten Tropfen bei mir. Hähä. Und als ich aufwache, befinde ich mich in einer Kiepe auf dem Rücken dieses Monsters.« Er zeigte auf den Rukhoa, der langsam, gelangweilt und vollkommen unbeteiligt auf etwas Gras, das er soeben gefunden hatte, herumkaute.
    Der Mann wandte sich an die anderen und erklärte ihnen in abgehackten, mit Kehllauten durchsetzten Worten anscheinend die Lage. Die anderen Männer hoben ihre Speere an und der Kreis um Dumak löste sich auf, als alle wieder zu ihren Reittieren eilten. Dann wandte er sich wieder an Dumak.
    »Sie haben dich für einen bösen Dämon gehalten. Aber du bist wohl eher ein harmloser Trunkenbold. Mosalla sagt nicht umsonst, dass Ad’hos den Alkohol nicht liebt und diejenigen, die ihm zu sehr zusprechen, nicht die Freuden des Paradieses erleben werden.«
    »Aha.« Dumak kannte weder einen Mosalla, noch diesen Ad’hos, daher war ihm, was die beiden sagten, auch piepegal.
    »Verrate uns noch deinen Namen, oh Weinseliger.«
    »Ähm, Dumak.«
    »Wir lassen dich nun deines Weges ziehen, Ähm-Dumak, doch gib acht, dass du nicht wieder aus Versehen von einer anderen Gruppe Reisenden in deren Gepäck mitgenommen wirst. Am Ende verirrst du dich noch in der Welt.«
    Jemand kicherte bei diesen Worten. Es war Nienor. Dumaks Hund saß neben ihr und schaute vorwurfsvoll auf den Barden. Wenn das überhaupt ging.
    »Was machst du denn hier? Haben sie dich auch in ihren Waren gefunden?« Dumak war sehr verwundert, Nienor hier zu sehen. Und plötzlich raste sein Hund auf ihn zu, um ihn abzuschlecken. Mit wild hin- und herwedelndem Schwanz begrüßte er den Barden winselnd.
    »Nein, ich habe mich auf ganz normalem Wege ihnen angeschlossen. Indem ich gefragt habe«, antwortete Nienor auf Dumaks Frage.
    »Aber wieso?« Dumak schob den Hund mit sanfter Gewalt beiseite. Heute war er schon genug beleckt worden.
    »Weil man das so macht.«
    »Quatsch, ich meine, warum du mit ihnen ziehst. Wohin überhaupt?«
    »Nach Süden. Ich... ich habe dort etwas zu erledigen.« Was ging es Dumak an, was Nienor zu dieser Reise trieb?

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    »Nach Süden...«, wiederholte Dumak versonnen Nienors Zielangabe und sein Blick glitt an einen Punkt, den nur er sah, weit hinter den Horizont. Dann straffte sich seine Gestalt und er hob den Kopf. »Weißt du was? Ich komme mit!«
    Jetzt mischte sich der Thurg'aur wieder ein. »Ihr kennt diesen Mann? Könnt Ihr für ihn bürgen? Sehr vertrauenerweckend scheint er mir nicht zu sein.«
    Und wirklich bot Dumak einen seltsamen Anblick. Die Haare nach dem Schlaf wirr am Kopf und im Gesicht klebend, die Augen rot umrandet und das Gesicht etwas aufgedunsen von zu viel Wein. Die Kleidung verrutscht und voller Flusen.
    »Naja, das stimmt wohl auch«, gab Nienor unumwunden zu, »aber er kann auch keinen Schaden machen, hier zwischen all den Kriegern. Nehmt ihn ruhig mit, ich werde auf ihn aufpassen.«
    »Hey, ich kann auf mich alleine aufpassen.« Dumak war empört darüber, dass hier über ihn bestimmt wurde, wie über ein Stück Vieh.
    »Er wird für alle Kosten der Reise selber aufkommen müssen«, mischte sich der Thurg'aur unbeeindruckt wieder ein. »Nehmt ihn mit nach hinten, er soll einen Rukhoa besteigen und dann reisen wir weiter.« Und schon war er verschwunden, wieder an die Spitze des Zuges gehend. Er hatte eindeutig wichtigeres zu tun, als sich um einen verwirrten Trunkenbold zu kümmern. Diese seltsamen Nordländer, neigten immer zu irgendwelchem Unsinn. Aber sie zahlten gut für die Wolle...
    Nienor, die sich schon wieder abgewandt hatte, um zu ihrem Reittier zurück zu laufen, drehte sich abrupt um. »Achja? Wie kommt es dann, dass du dich hier inmitten einer dir fremden Karawane wiederfindest, wenn du so gut auf dich aufpassen kannst? Sei froh, dass ich ein gutes Wort für dich eingelegt habe. Und jetzt komm mit. Dich wird man ja doch nicht los.« Und damit drehte sie sich um und ging davon.
    Dumak stand kurz still, bis er die Worte verarbeitet hatte. »He, Moment mal. Das hätte ja wohl jedem passieren können. Und überhaupt, wer sagt dir, dass ich das nicht alles hier gut vorbereitet habe? Vielleicht ist das ja ein gut durchdachter Plan von mir.« Er rannte hinter Nienor her, doch die beachtete ihn nicht weiter. Nach kurzer Zeit waren sie am Rukhoa Nienors angekommen. Da erst wandte die junge Frau das Wort wieder an Dumak.
    »So, pass auf, was ich dir zu sagen habe. Hier sind wir allein: Wage es nicht, irgendetwas in deine Finger zu bekommen, was dir nicht gehört oder bei Innos, ich benutze mein Schwert, um dein Diebesgut wieder von dir zu trennen. Du reitest auf dem Rukhoa vor mir.«
    »He, du würdest mich doch nicht wirklich mit deinem großen Brotmesser verletzen, oder?«, fragte der Barde und setzte dabei einen Hundeblick auf.
    Als Antwort klirrte es kurz und die Spitze von Nienors Schwert befand sich urplötzlich am Hals Dumaks. »Ach nein? Nenn mir einen Grund, warum ich das nicht tun sollte!«
    »Ähm...« Der Dieb stand mittlerweile auf den Zehenspitzen und bog den Kopf seltsam nach hinten, um von der unangenehmen Schwertspitze wegzukommen. Leider ragte hinter ihm sein zukünftiges Reittier auf, so daß er bald mit dem Rücken gegen den Unterschenkel des Rukhoa gepresst da stand. »Weil ich noch nichts geklaut habe?«, vermutete er messerscharf. (Vielleicht half die Spitze dabei etwas nach.)
    »Richtig! Und ich hoffe, es bleibt auch dabei.« Nienor steckte ihr Schwert wieder weg.

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Dumak schwieg. Nienor hatte sich immer gleich so... so zickig. Er hatte überhaupt nicht vor, irgendetwas an sich zu nehmen. Aber er hatte nicht den Eindruck, als hätte es irgendeinen Sinn, etwas dazu zu sagen. Als sie fertig war, fragte er daher nur: »Wie komme ich hoch auf dieses Ruk-Dingsda? Gibt’s ne Leiter oder so?«
    »Stell dich mit dem linken Fuß dort drauf, halt dich dort fest, zieh dich dann am Bein hoch und klettere dann von hinten auf den Rücken.« Gesten begleiteten ihre Worte. Der Barde tat, wie ihm geheißen und mit etwas Hilfe seitens Nienor gelang es ihm dann auch, auf dem Rücken des Tieres zu landen. Gar nicht mal so übel hier oben. Der Wind pfiff ein wenig um die Nase, aber dafür saß man schön über allen Dingen und blickte auf alles gelassen herab. Eine völlig neue Perspektive.
    Die Reise ging nun weiter, die Kolonne lief an, Tier für Tier. Nach Süden, hatte Nienor gesagt. Was es wohl dort gäbe, im Süden? In Dumak erwachte ganz plötzlich und unerwartet das Fernweh und er verspürte eine wohltuend prickelnde Vorfreude auf etwas, was er überhaupt noch nicht kannte. Doch für Verwunderung war kein Platz im Moment. Viel zu sehr war damit beschäftigt, dieses neue Gefühl zu genießen. Lachend drehte er sich zu Nienor um, als die Karawane sich wieder in Gang gesetzt hatte und er mit dem langsamen Schaukeln durch die weitausholenden Tritte des Rukhoa unter ihm wie auf einem Schiff schwankte.
    »Es ist phantastisch!«

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Doch Nienor antwortete nicht. Sie war wieder in Gedanken versunken. Irgendwo im Süden sollte sie die Heiler finden. Doch wo? Was, wenn die Thurg’arsi ganz woanders hin wollten? Was, wenn es am Ende gar nicht solche Geisterheiler gab? Der Alte in Gorthar konnte sich ja auch irren. Sie würde mit den Anführern der Karawane sprechen müssen, um mehr zu erfahren. Doch vor dem Abend machten sie sicher nicht halt.
    Weiter ging es durch endlos erscheinendes Hügelland. Dies alles gehörte noch zu Gorthar. Und auch die nächsten Tage würden sie noch durch das Herzogtum reisen. Was danach kam, wußte Nienor nicht. Sie hatte nur von einem Gebirge an der Grenze gehört, mehr nicht. Doch noch war, trotz der Hügel, über die sie hinwegzogen, nichts von einem Gebirge zu sehen.
    Immer mehr Wald war nun in die Landschaft eingestreut, die Felder wurden weniger und irgendwann hörten die Dörfer, die ja doch zu großen Teilen zerstört waren, ganz auf. Jetzt befanden sie sich in unbewohnten Gegenden. Vor ihnen zog sich die Straße in leichten Bögen hin, umging steile Hänge, durchzog breite Täler und lief in weiten Windungen über Hügelkämme. Immer, wenn Nienor gerade den Gipfel eines Hügels erreichte, sah sie vor sich die lange Reihe der Tiere, die Spitze der Karawane meist schon hinter der nächsten Biegung verschwunden. Hinter ihr liefen nur noch wenige, vielleicht acht Rukhori, dann war der Zug zu Ende. Und noch etwas sah sie. Die unzähligen Hügel, die sich bis zum Horizont hinzogen, alle bestanden mit Bäumen, die einen dichten Wald bildeten, der sich wohl einige Tagesmärsche weit hinzog. Was mochte danach kommen? Nienor wußte es nicht.
    So verging der erste Tag auf dem Rücken des seltsamen Reittiers, doch sie hatte sich schon an das einförmig gleichmäßige, einlullende Schaukeln des Ganges gewöhnt. Anfangs war es ihr unglaublich schön erschienen, wie sie hoch oben, eine Menschengröße über allem trohnte und sich die Landschaft ansah, wie sie langsam vorüberzog. Wo in den fast verlassenen Dörfern und Gehöften noch Menschen lebten, kamnen sie angelaufen, allen voran die Kinder und staunten, standen stumm am Straßenrand und schauten der Karawane nach. Diesen Anblick hatte man nicht alle Tage und an den langen Winterabenden gab es sowieso nicht viel zu erzählen, so daß jede Abwechslung hoch willkommen waren. Die mutigsten Knaben sprangen unter den Rukhori hindurch und feuerten sich gegenseitig an, bis sie die Lust verloren und zu ihrem Dorf zurücktrotteten.
    Doch nun war auch das vorbei. Das bewaldete Hügelland schien menschenleer, kein Feld durchbrach den lichten Wald, schüttere Zweige knorriger Bäume streckten sich in phantastischen Windungen in alle Richtungen. Auf dem Boden lag die die Laubschicht des vergangenen Jahres und würde bald zu Erde werden. War der Wald Anfangs noch hell und licht, so wurden die Bäume zusehends größer, mächtiger, älter und auch knorriger. Bald reckten sich die Baumriesen in unglaubliche Höhen und dann plötzlich schloß sich das Dach ihrer Zweige über der Straße und Nienor konnte selbst auf den Hügelkuppen, die die Straße zuweilen erklomm, nicht mehr erkennen, was in weiter Ferne lag. Doch die Karawane setzte unbeirrt ihren Weg fort. Die Thurg’arsi würden den Weg ja sicher kennen. Und einen anderen gab es nun auch gar nicht mehr. Keine Kreuzung, keine Abzweigung, nicht einmal ein Pfad, der in die Straße mündete, war Nienor aufgefallen. Eine wirklich menschenleere Gegend.
    Und so verging der erste Tag der Reise. Die fruchtbaren, bewohnten und ehemals dicht bevölkerten Gegenden rund um die große Stadt Gorthar lagen hinter ihnen und sie waren in die ersten Ausläufer des großen Waldgebietes eingeritten, das Gorthar von seinem südlichen Nachbarn, Haruthar, trennte. Doch davon wusste Nienor noch nichts. In einigen Tagen würde das Niemandsland zwischen den zwei Reichen beginnen. Bis dahin würden sie vielleicht noch ein paar einzelne Siedlungen passieren, jedoch kein Bauernland mehr. Dies hier war das Gebiet der Jäger und Fallensteller, der Pelzhändler, der Holzfäller und Köhler. Einzelgänger und zurückgezogene Gesellen. Meist jedoch bedingte ihre Arbeit ihre Lebensart, Arbeit, die sie fern von den Dörfern und Städten des Landes verrichteten.
    Doch manchmal waren auch diese Gesellen der Einsamkeit überdrüssig und dann suchten sie einen Gasthof auf, der am Anfang des großen Waldgebietes lag, das sich hinter seinen Mauern als geschlossenes Waldland auszubreiten begann. Dieser Gasthof, das letzte Haus vor tagelangem Ritt durch Niemandsland, war das Ziel des heutigen Tages. Und endlich bog die Spitze der Karawane um die letzte Biegung der Straße, die man hier kaum noch Straße nennen konnte und das Gasthaus war erreicht. Denn der breite, gut befestigte Weg, der er am Anfang, als sie am Morgen durch das Tor von Gorthar gezogen waren, gewesen war, hatten sie schon längst hinter sich gelassen. Furchen, zuerst flach, doch später immer tiefer und in abenteuerlichen Schlaufen verlaufend, hatten sich in den Weg gegraben und nun war von der ehedem breiten Straße nur ein etwas größerer Waldweg übrig geblieben, der jedoch erstaunlicherweise noch genug Platz für die breiten, walzenförmigen Körper der Rukhori und sogar die breiten Lastkörbe, die an einigen der tiere hingen, besaß. Hin und wieder scherte ein Hals aus der langen Reihe der ruhig aber unermüdlich dahintrottenden Tiere aus und zupfte sich etwas Grün von den Zweigen der Bäume, um es auf dem weiteren Weg widerzukäuen. Wenn einer der Treiber, die auf den Rücken der Tiere saßen und sie lenkten, die Gerte benutzte, um die Laufrichtung zu korrigieren, ertönte ein heiseres Blöken, dann war wieder Ruhe. Manchmal steuerte ein Treiber drei oder sogar bis zu fünf Tiere vor ihm. Alleine über lange Zügel, die von dem ersten zu steuernden Rukhoa über die Zaumzeuge der weiteren drei oder vier Tiere lief, bis sie in der Hand des Treibers, der auf dem vierten oder fünften Walzensnapper saß, endete, wurde das jeweilige Führungstier gesteuert. Alle anderen folgten jeweils, ohne daß es jemals zu Problemen kam. Wald wechselte mit Buschland und gänzlich freien Flächen. Immer wenn die Bäume zurücktraten, sah man, daß das Land sich hügelig bis zum Horizont fortpflanzte. Und dann wieder ein Waldstück, meist lichter Birkenwald, Sonnendurchflutet und der Boden mit langen, wippenden Gräsern bedeckt. Eichhörnchen huschten von Baum zu Baum, Spechte hieben ihr schnelles Stakato in irgendwelche bäume, das es nur so durch den Wald hallte, hin und wieder röhrte einer der Rokhori in der langen Reihe der Karawane. Und dann kam wieder eine Wiesenfläche, die Sonne schien strahlend auf die Köpfe der Reisenden herab. Merkten die Thurg’arsi überhaupt etwas davon? Ihre dicken um den Kopf gewundenen Stoffbahnen ließen sicher keinerlei Sonne hindurch. Und die Kettenpanzerhauben, die im Nacken noch zusätzlich bei den meisten mit Stoff überhangen waren, schotteten den Hals auch gleich noch mit ab. Die Gesichter der Männer waren ja sowieso bis auf die Augen verhüllt.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Doch nun endlich wurden die Zügel angezogen und mit beruhigenden Schnalzlauten kam die Karawane zum Stehen. Das Gasthaus war erreicht. Die Treiber stiegen ab und führten ihre Tiere, die ihnen gutmütig folgten, auf eine Wiese, etwas abseits der Gebäude, die den Gasthof bildeten. Da stand das große Hauptgebäude, eine mächtig breite Taverne mit alles überwölbendem Walmdach, daß die Mauern fast zu erdrücken schien. Das Haus war aus dem Baustoff der Gegend gemacht: Holz. Das Dach war mit Schindeln gedeckt, zahlreiche Dachgauben lugten wie viele neugierige Augen aus der abfallenden Dachfläche. Vermutlich befanden sich unter dem Dach noch jede Menge Zimmer. Das Erdgeschoß würde vermutlich von der großen Gaststube eingenommen werden. Ein dicker Kaminschlot schien an eine der beiden Giebelseiten gekleistert worden zu sein. Gemauert aus Feldsteinen, die mit Lehm verbunden und verfugt waren, ragte er bis über das Dach hinaus. Dicke Rauchwolken entströmten der rußigen Öffnung der Esse. An Nebengebäuden gab es einen scheunenartigen Bau, die Wände aus Brettern und das Dach leicht und spitz, so daß möglichst viel darunter passte. Daneben stand ein niedriges, langgestrecktes Gebäude, wohl die Stallungen. Und dann gab es noch eine Art überdachten Unterstand oder vielleicht beschrieb es sich besser als eine Art Haus, dem einfach eine Wand fehlte. Dort konnte man Boxen für Reittiere sehen, Streu lag auf dem Boden und Heuballen waren in einer Ecke aufgestapelt.
    Doch die Thurg’arsi machten keine Anstalten, den Gasthof zu betreten. Stattdessen bauten sie ihr eigenes Lager auf. Schließlich waren sie einerseits genug Leute, um sich selbst zu versorgen und es durch ihre langen Reisen auch nicht anders gewohnt, andererseits waren Ausgaben für Gasthöfe wohl das Letzte, wofür sie ihren so mühselig erworbenen Gewinn hergeben würden. Feuer flammten auf und die Männer sammelten sich um sie herum. Doch zuvor hatten sie ihre Tiere versorgt, so wie es sich gehörte. Die Walzensnapper waren zu einem Kreis zusammengetrieben worden und jeder bekam einen dicken Futterbeutel umgehangen. Das alles ging so ruhig und reibungslos vonstatten, daß ein fremder Beobachter nur staunen konnte. Auch Nienors Rukhoa wurde von einem stummen und verhülltem Manne weggetrieben. Bald waren die Tiere versorgt und auf den Feuern der Thurg’arsi köchelten die Mahlzeiten der hungrigen Männer, die den ganzen Tag über nichts gegessen hatten. Nun wurde es auch schnell dunkel, denn die Abenddämmerung war schon weit fortgeschritten. Nienor erinnerte sich beim Anblick der zahlreichen kleinen Feuer mit den darüber hängenden Töpfen jedoch daran, daß sie selbst für ihre Verpflegung zuständig war.
    »Ich gehe in die Taverne, etwas essen. Und du kommst am besten mit«, sagte sie zu Dumak, der ebenso wie sie die Männer beim Bau des Lagers beobachtet hatte. Anscheinend wurden die Kriegerin und der Barde von ihnen nicht für voll genommen, denn sie wurden regelrecht links liegen gelassen. Was konnte man den Nordländern auch zutrauen? Weder waren sie mit den Tieren vertraut, noch verstanden sie ein Wort von dem, was die Thurg'arsi sagten. Erst recht blieben ihnen ihre Beweggründe, ihre Wünsche und Gedanken verschlossen. Es waren zwei fremde Welten, die aufeinander prallten.

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    Dumak wunderte sich über das Angebot. »War das eine Einladung?«
    »Nein, natürlich nicht! Ich werde ganz sicher kein Geld für dich ausgeben, nun, wo ich dich auf dem Hals hab.« Nienor machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen den Barden. Für sie war er eine Last, die sie zwar pflichtbewußt, wie es sich für eine ehrenvolle Kriegerin gehörte, aber deswegen keienswegs freudig übernahm. »Ich will dich lediglich im Auge behalten, damit du mir keinen Ärger machst.«
    Also war das überhaupt kein Angebot gewesen. »Jaja, schon gut. Ich kann durchaus für mich selbst sorgen«, antwortete der Barde daher patzig. »Das ist nämlich eine gute Gelegenheit, etwas durch meine Bardenkünste zu verdienen«, befand Dumak. »Nebenbei bekommst du dann vielleicht eine etwas bessere Meinung von mir«, hoffte er laut.
    Nienor ging nicht darauf ein. Stattdessen fragte die Kriegerin leicht verwundert: »Sagtest du nicht, daß einem Barden niemand etwas gibt und du deswegen bettelarm wärest?«
    »Schon, aber ich hab das gute Gefühl, daß ich hier doch zu ein wenig Geld kommen könnte. Die hinterwäldlerischen Waldbewohner sind sicher ganz erpicht darauf, endlich mal etwas hohe Kunst zu hören«, entgegnete Dumak im Brustton der Überzeugung. »Ein Barde muß auch immer an das Gute glauben. Bei jeder Gelegenheit«, verkündete Dumak.
    Nienor schüttelte nur den Kopf. Dumaks Worte konnte man auch anders deuten. Zu Geld kommen... Hinterwäldler... Die junge Kriegerin befand im Stillen für sich, immer ein Auge auf den Tunichtgut neben ihr zu haben.
    Und damit betraten sie die Gaststube. Wie in allen Gaststuben überall auf der Welt schlug ihnen beim Öffnen der Tür die heiße, mit vielfältigen Gerüchen geschwängerte Luft aus dem Inneren entgegen. Der übliche Mischung aus Alkohol, Schweiß, Essensgerüchen wie Bratenduft und in Wasserdampf gelöstem Fett war hier noch eine eigene Note hinzugefügt. Der Ruß der Köhler und der Harzduft der Waldarbeiter gab dem Tavernenduft ein besonderes Gepräge, wie man es wohl nur in diesem einen Gasthof fand. Besonders viel war zwar nicht los, aber ganz leer war es auch nicht. Vermutlich in etwa der Normalzustand. In einer Ecke saßen ein paar finster aussehende Typen mit Fellmützen und Felljacken. An der Wand hinter ihnen lehnten ihre Bögen. Das waren wohl Jäger. Zwei vierschrötige Männer, hoch und breit, mit schwarzem Haar und ebenso schwarzem Rauschebart, dicke, schwarz befleckte Lederschürzen umgebunden, waren somit als Köhler zu erkennen. Einige Schritte weiter beugten sich ein paar kräftige Gestalten über die grobe Tischplatte. Sie hatten einfache, robuste Kleidung an: aus grobem Stoff geschneiderte Hosen und Hemden, deren Ärmel hochgekrempelt waren. Vielleicht waren es Holzfäller. Wie Nienor und Dumak nicht wissen konnten, wurde hier der Großteil des Holzes für die Erzminen in den Luzkanzacken gefällt. Wenn auch nicht mehr viel im Lande Gorthar, in dem Räuberbanden und Banditen die Herrschaft übernommen hatten, funktionierte, so wurde doch zumindest in den Erzminen immer noch gearbeitet und es wurde Holz für die Stempel und Deckenstützen der minen gebraucht und Holzkohle für die Eisenhütten.
    An manchen Tischen saßen ebenfalls noch einige Gäste, die meisten schwerer einzuschätzen, aber fast alle in der einfachen Kleidung der arbeitenden Bevölkerung. Hervor stach ein etwas besser gekleideter Mann mit gepflegtem Bart und eine Gruppe Männer in Lederrüstungen, die sich in eine weit entfernte Ecke der Gaststube zurückgezogen hatte. Der erstere wohl ein reisender Händler und die letztere vielleicht eine Söldnertruppe mit Auftrag. Leise unterhielten sich die einzelnen Gruppen. Die Tische waren im ganzen Raum verteilt, der nur durch ein paar Stützen, die das nächste Geschoß trugen, unterteilt war. An einer Wand stieg eine hölzerne Treppe nach oben. Von den Deckenbalken hingen irgendwelche Kräuterbüschel herab. Sie sollten wohl für angenehmen Geruch sorgen, mußten aber schon lange vor der Übermacht des Geruchschaos’ kapitulieren. Schwerwiegend dabei wog wohl auch, daß in der Taverne geraucht wurde. Das Aroma von Sumpfkraut lag in der Luft, vermischt mit irgendetwas anderem. Wer weiß, was die Waldleute für verrückte Sachen darunter mischten. Im Wald wuchsen viele Pflanzen und sie kannten sie. Leider machten sie auch mächtig Rauch. Was der dicke Kaminofen, der weit in den Raum hineinragte und sowohl als Koch- wie als Heizgelegenheit diente, nicht zu schwärzen vermochte, wurde im ewigen Dunst der unzähligen unter den Deckenbalken gepafften Pfeifen im Rauch konserviert. Daher glänzten die Deckenbalken an vielen Stellen fettig.
    Nienor hatte schnell Platz auf einer Bank an einem der Tisch in der Nähe des Eingangs genommen, den Rücken zur Wand. Dumak schaute sich noch um. Ein langer, hagerer Kerl entpuppte sich als der Wirt und wohl auch Besitzer dieses Ladens, denn er werkelte an dem großen, am Giebel stehenden Herd und stocherte gerade mit einem langen Schürhaken in der Glut, die sich funkenstiebend gegen den Eingriff wehrte. Dumak ging geradewegs auf den Wirt zu.
    »Einen schönen Abend wünsch ich, guter Mann. Mein Name ist Dumak, ich bin Barde und...«, begann er ohne Umschweife, als der Wirt ihn unterbrach.
    »Schöner Abend? Hör mir bloß damit auf. Leute wie dich will hier keiner. Den letzten Jauler haben wir in den Wald gejagt. Also zieh Leine und erwähne nie wieder in diesem Haus, daß du Barde bist.«
    Oha, das waren ja gute Aussichten. »Keine Angst, das Risiko nehme ich auf mich«, startete Dumak den nächsten Versuch.
    Der Wirt stellte den Schürhaken weg und richtete sich auf. Er war einen Kopf größer als Dumak und schaute auf ihn herab. »Nun hör mal, ich hab dir doch eben freundlich gesagt, daß du dich verzischen sollst. Trink ein Bier und halt ansonsten deine Schnauze, wir mögen hier keine Lärmmacher. Das Gesinge von irgendwelchen toten Helden, die deren Namen nur ein paar adeligen Nichtstuern in der Hauptstadt etwas sagen, gefällt den Gästen nunmal nicht, verstehst du?!«
    »Oha, aber für diesen Fall bin ich gewappnet«, versuchte der Barde, zu beschwichtigen. »Keine Zeile über unwichtige alte Helden wird meine Lippen verlassen.«
    »Und wir wollen auch nichts anderes hören. Das hochtrabende Geklimper von irgendwelchen Weicheiern und Gecken will hier keiner. Wir sind hier ein ehrliches Gasthaus.«
    Doch Dumak gab nicht so leicht auf. Ein ehrliches Gasthaus also. Wohl eher ein einfältiges Gasthaus. Aber das behielt er für sich. »Verstehe, du hast Angst, daß ich mit meiner Kunst mehr verdiene, als du mit deinen Speisen«, meinte er stattdessen. »Und das in deinem eigenen Haus. Wär mir auch nicht recht an deiner Stelle«, lockte Dumak den Wirt aufs Glatteis.
    »He, jetzt pass mal auf.« Der Lange hatte sich nun richtiggehend vor dem Barden aufgebaut und blitzte ihn zornig an. Doch dann überlegte er es sich anders. » Ach was solls. Du hast es nicht anders gewollt.«
    Und laut rief er in die Gaststube hinein: »He, Leute, hört mal. Der Typ hier«, er zeigte auf den neben ihm stehenden Dumak, »will tatsächlich hier in diesem Haus was singen. Was sagt ihr denn dazu?«
    Die Jäger in der Ecke lachten bloß. Einer der beiden Köhler rief: »Der soll bloß die Fresse halten«, während der andere sich umdrehte und meinte: »Wieso nicht, hab schon lange keinen Idioten mehr windelweich geprügelt.«
    Irgendwer klatschte. Ob das jetzt dem tapferen Barden galt oder dem Vorschlag des Köhlers, diesen durchzuprügeln, blieb unklar. Letztendlich nahm Dumak die Sache selbst in die Hand.
    »Ich sehe, alle sind schon sehr gespannt auf mein Können. Darum will ich euch auch gar nicht lange warten lassen, liebe Leute und sofort mit meinem Vortrage beginnen.«
    Der Barde zog seine alte, schäbige Laute vom Rücken (sie mußte wahrlich robust sein, wenn man daran dachte, was sie nicht schon alles überstanden hatte) und schon glitten seine Finger eifrig über die gespannten Saiten und entlockten ihr einige sanfte Töne.
    Doch brach er gleich wieder ab. »Mein Name ist Dumak«, sagte er laut und prüfte damit gleich die Eignung des Platzes, an dem er stand. Das Ergebnis war zufriedenstellend, laut und klar hallte die Stimme durch die gesamte Gaststube. Es konnte beginnen. Der Barde stimmte eine Melodie an, summte ein wenig vor sich hin und begann dann, das Lied zu singen. Bei jeder zweiten Strophe variierte er die Melodie ganz leicht, die daraufhin einen melancholischen Anstrich bekam:

    »Die Trauerweide

    Auf der kahlen Heide,
    da steht ein alter Baum,
    eine Trauerweide,
    erstarrt in einem Traum.


    Bei einem alten Weibe,
    da darbte eine Maid,
    ihr geschah am Leibe
    einst ein großes Leid.

    Der Wind in ihren Zweigen
    bringt leise sie zum Spiel
    und in der Blätter Reigen
    findet er sein Ziel.


    Sie wollte hin zum Tanze
    mit einem Burschen gehn
    und flocht sich einen Kranze
    sie war so wunderschön.

    So rauschen denn die Blätter
    ohne Unterlass,
    im stürmisch Regenwetter
    glänzen sie ganz nass.


    Das Weibe aber sagte:
    ›Er wird nicht kommen her.‹
    Denn der Neid, der nagte
    an ihrem Herzen sehr.

    Am Tage scheint die Sonne
    auf ihr grünes Dach
    und Wandrer voller Wonne
    im Schatten liegen wach.


    Das Mädchen jedoch lachte
    und wollte hören nicht:
    ›Geschenke er mir machte,
    mein Herz er mir nicht bricht.‹

    Des Nachts die Sterne schimmern
    durch ihr lichtes Blatt
    und an dem silbern Flimmern
    sieht man sich nie satt.


    ›Zu Holz will ich erstarren,
    wenn er mich vergisst,
    ich werde seiner harren,
    auch wenn du gram mir bist.‹

    Im Frühjahr Weidenkätzchen
    mit ihrem Duft betör’n,
    man kann an manchem Plätzchen
    die Bienen summen hör’n.


    ›Wenn dies ist dein Wille,
    so möge er geschehn.
    Als Baume sollst du stille
    auf der Heide stehn.‹

    Im Sommer spendet Schatten
    die weitgespannte Kron,
    viel Wandrer an dem glatten
    Stamme lehnten schon.


    Der Alten düst’ren Worte
    das Mädchen hörte nicht,
    es dacht’ an and’re Orte,
    ein Lächeln im Gesicht.

    Und wenn die Blätter fallen,
    von Herbstes Hauch gefärbt,
    wird von des Windes Krallen
    der Weidenbaum gegerbt.


    Die alte Hexe schickte
    einen Zauber aus,
    den Burschen er umstrickte
    mit tiefem Schlaf zu Haus.

    Auf die silbrig Rinde
    im Winter schneit es weiß,
    in dem kalten Winde
    die Zweige rascheln leis.


    Des Abendrotes Schimmer
    der Nacht hat Platz gemacht,
    der Bursche, der kam nimmer,
    die Maid umsonst gewacht.

    Am Morgen auf der Heide
    beugen sich verzagt
    die Zweige einer Weide,
    wie’s voraus gesagt.
    «

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    Nienor hatte sich an einen Tisch, etwas abseits gesetzt und still das Geplänkel zwischen Dumak und dem Wirt beobachtet. Noch als sie die Reaktionen der Gäste auf die Frage des Wirtes, was sie wohl zu einem Barden sagen würden, beobachtete, fielen ihr ein paar still bleibende Leute auf. Jedoch achtete sie nicht weiter darauf, denn es mochten ja Fremde sein, die nicht mit dem üblichen Schlagabtausch zwischen Wirt und Gästen vertraut waren oder vielleicht eine Minderheit, die einem Barden gar nicht so ablehnend gegenüberstand, jedoch lieber den Mund hielt, um keinen Ärger zu bekommen.
    Doch ehe sich die junge Kriegerin noch weitere Gedanken um die Gäste und ihre Einstellung Sangeskünstlern gegenüber machen konnte, begann Dumak mit seinem Vortrag. Und wider Erwarten wurde es nicht laut, sondern still im Raum und jeder hörte zu, wie Dumak sein Lied von der Trauerweide sang. Und auch Nienor wurde still und stiller und hörte nur noch zu und sah, daß Dumak nicht zu viel gesagt hatte, als er behauptete, ein Barde zu sein.
    Als Dumak zum Ende gekommen war, blieb es still, keiner stand auf und machte Lärm oder wollte den Barden gar rausschmeißen. Und erst darin zeigte sich sein wahres Talent. Lieder und das Spielen eines Instrumentes lernen konnte jeder, aber um die Zuhörer richtig einzuschätzen und ihnen das zu geben, was sie hörten wollten, dazu bedurfte es Talent. Das Dumak unzweifelhaft hatte. Vermutlich hatte er diese Eigenschaft als Dieb, Betrüger und Hehler schon immer gut trainiert und als Barde setzte er sie einfach weiterhin ein. Doch ehe Nienor noch weiter über den Menschen hinter der Laute nachgrübeln konnte, stand plötzlich einer der Tavernengäste vor ihr und bat, sich zu ihr setzen zu dürfen. Verwundert bot ihm die Kriegerin einen Platz am ansonsten leeren Tisch an.
    »Bitte, setzt Euch. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß ich Euch mit irgendetwas dienen kann«, lud Nienor ihn ein.
    Der Mann setzte sich. Er wirkte nicht unbedingt wie ein Händler und wie einer der einheimischen Holzarbeiter sah er erst recht nicht aus. Er hatte zwar eine lederne Rüstung an, doch wie ein Krieger kam er Nienor auch nicht vor.
    »Keine Sorge, Ihr könnt mir schon helfen. Ich bin nur alleine und auf der Durchreise und mir ist etwas Bange vor diesen dunklen Gestalten dort in der Ecke. Ihr müßt wissen, ich habe einige waren von Wert bei mir und bin deshalb etwas nervös.« Er zeigte auf die finsteren Jäger in ihrer Ecke, denen allerdings nach Dumaks traurigem Vortrag auch nicht mehr zu lachen zu Mute war. Wie alle waren sie recht beeindruckt von der Interpretation des Barden über die im Wind schwankende Weide.
    »Diese Jäger dort?«, fragte Nienor denn auch ungläubig? »Die sind doch vollkommen harmlos.«
    »Wie kommt Ihr zu diesem Schluß?«, fragte der Reisende verwundert.
    »Ganz einfach, sie haben gute Geschäfte gemacht und alle ihre Felle verkauft. Deshalb sind ihre geldbeutel, die sie auf dem Tisch gelegt haben, auch recht gefüllt und sie begießen ihren Handel mit etwas Bier hier in der Taverne. Außerdem haben sie allesamt kein Schwertrt bei siuch, nur ihre Bögen. Wie sollten sie Euch damit aus der Nähe bedrohen können?« Das klang alels recht logisch. »Was mich viel mehr verwundert ist, wieso Ihr glaubt, daß ausgerechnet ich vertrauenswürdiger sei.« Die junge Frau konnte ihre Verwunderung nicht verbergen.
    »Oh, das ist einfach.« Glücklich, etwas aufklären zu können, lächelte der oberflächlich harmlos erscheinende Mann Nienor an. »Ihr seht aus wie eine Kriegerin von Ehre, mit glänzender Rüstung und all dem. Und da dachte ich, daß Ihr wißt, wie man...« Er beendete den Satz nicht.
    Ein seltsamer Mensch. Gab sich als reisender Händler aus, aber schloß in höchstem Maße naiv von ihrer blinkenden rüstung auf ihre ehre. Normalerweise waren gerade Händler und Kaufleute mißtrauische Gesellen, die sich nicht von Äußerlichkeiten blenden ließen. Mit vorsichtigem Mißtrauen beschloß Nienor, ihren Gegenüber etwas auszuhorchen. Und verlor dabei Dumak völlig aus den Augen.

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    »He du, jetzt versuch nur nicht, dich rauszuwinden. Oder ich probier aus, wie gut dein Bauch als Scheide für meinen Dolch geeignet ist!« Die Stimme, die dies sagte, klang nicht danach, als würde der Mann, dem sie gehörte, davor zurückschrecken, seine worte in die Tat umzusetzen. Dumak spürte den Dolch an der Seite. Seine scharfe Spitze piekte dem Barden tief in die Seite des Bauches.
    »Jaja, schon gut.« Auch wenn es im Moment nicht besonders gut für Dumak aussah, so versuchte er trotzdem, nicht die Fassung zu verlieren. Verdammt! Wo blieb Nienor, wenn man sie einmal brauchte? Dumak hatte nur noch aus den Augenwinkeln gesehen, wie sie sich mit irgendeinem Fremden unterhielt. Und auf ihn hatte sie gar nicht mehr geachtet. Aber der Spitznasige hatte mit seinem Dolch unmißverständlich klar gemacht, was er von lauten Rufen oder auch von hastigen Bewegungen hielt. Nämlich gar nichts. So war der Barde innerlich seufzend mit ihm aus der Taverne herausgetreten und nun schlugen sie den Weg in Richtung des Karawanenlagers ein.
    »Wie geht’s eigentlich Gendor?«, versuchte der Barde, ein wenig Lockerheit in die etwas verhärtete Situation zu bekommen.
    »Ach, der...«, meinte der Spitznasige gedehnt. »Der liegt vermutlich im gleichen Flußabschnitt, in dem er seine Kunden immer entsorgt hat. Werd mich wohl nach nem neuen Partner fürs Grobe umsehen müssen.«
    Mittlerweile waren sie in der Nähe des Lagereingangs angekommen. Der Mond war hinter einigen Wolken verschwunden und die um den Gasthof und die anschließenden Wiesen stehenden Bäume, die tagsüber Schatten warfen, waren nun selbst nur als dunkle Schatten in der Nacht auszumachen. Über den Gasthof selber erhob sich eine riesige Esche, die wohl schon seit einigen Jahrhunderten dort stand. Ein paar Grillen zirpten irgendwo zwischen den Grashalmen der Wiesen, die wie alles andere auch im Dunkeln lagen.
    »Und wie sollen wir dort rein kommen?«, versuchte Dumak Unsicherheit in die Reihen der Gegner zu säen, als sie kurz vor dem Lagereingang waren.
    Aber er stieß auf Granit. »Ich bin sicher, meine Klinge hilft dir dabei, einen Weg zu finden.«
    Dumak seufzte, nun hörbar. »Hör zu. Wir laufen am Außenbereich des Lagers entlang. Dort hinten die Feuer«, Dumak zeigte nach vorne, wo einige helle Punkte flimmerten, »die werden wir nach Möglichkeit vermeiden. Dort sitzen auch die meisten der Männer. Jetzt müssen wir uns nur noch um die Wachen sorgen. Ich schlage vor, daß wir zuerst in das Wäldchen dort links gehen und von dort aus versuchen, ins Lager zu gelangen. An dieser Stelle liegt auch das Bündel der Kriegerin, mit der ich reise und in dem deine dir so wertvolle Formel steckt. Da hab ich sie untergebracht und dort wird sie auch noch sein.«
    Das Spitzgesicht hatte keine Einwände. Vorsichtig dirigierte der sein Opfer in den kleinen Wald, um von dort aus ins Lager der Thurg’ausi zu gelangen. Wider Erwarten gelang das Unterfangen besser, als gedacht. Nienors und Dumaks Habseligkeiten lagen noch immer an der gleichen Stelle. Die Thurg’arsi meinten es ernst mit dem Gastrecht für ihre Mitreisenden und niemand vergriff sich an ihren Dingen. Oder vielleicht hatte der Hund ja auch die Sachen bewacht. Nur wo der jetzt war, wußte Dumak nicht. Ins Gasthaus war er nicht mitgenommen worden. Wahrscheinlich streifte er durch die Waldlandschaft, um am nächsten Morgen wieder bei der Karawane aufzutauchen.
    Dumak flüsterte nun ganz leise. »Da vorne muß es sein, dort sind wir von unseren Reittieren gestiegen und haben unsere Bündel liegen gelassen.«
    Dumak lief möglichst normal – soweit es das Messer des anderen zuließ – über die in der Dunkelheit liegende Wiese, abseits der Lagerfeuer der Männer, um möglichst keine Aufmerksamkeit zu erwwecken. Er hoffte einfach darauf, daß ihn hier keine mißtrauische wache über den Weg lief, die sich nur zu Recht wundern würde, was für einen unbekannten Begleiter er bei dich hätte.
    »Da liegt es«, sagte der Barde und blieb stehen. »Und jetzt hol dir, was du willst und verschwinde möglichst schnell. Ich hoffe, daß ich dich danach nie wieder sehe.« Dieser Wunsch kam aus tiefstem Herzen. So hartnäclig war selten jemand gewesen, wenn es darum ging, Dumak zu verfolgen. Und deshalb war ihm dieser Kerl auch sehr unheimlich. Nicht nur, daß er ihn einmal im Gewirr von Gorthars Straßen wiedergefunden hatte, selbst hier, in einem Gasthof weitab der Stadt hatte er ihn scheinbar ohne jede Mühe aufgespürt. Das ließ für den Barden nur zwei Schlüsse zu. Entweder, es stand eine große Organisation hinter dem Spitzgesichtigen oder der Kerl war eine unglaubliche Spürnase. Beides gefiel Dumak nicht sonderlich und so wollte er ihn möglichst schnell und vor allem entgültig loswerden. Und dies schaffte er schneller, als er dachte, alelrdings auf vollkommen andere, jedoch sehr entgültige Weise.

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    Schwertmeister Avatar von Nienor
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    »Finger weg von diesen Sachen.« Eine Frauenstimme gab diesen Befehl. Denn wie ein Befehl klang es, so als ob ganz klar war, daß er auf jeden Fall zur Ausführung kam. Nienor trat aus dem Schatten eines Baumes, an dessen Stamm sie gelehnt hatte. Leider wußte das Spitzgesicht nichts über den Befehlston Nienors.
    »Hehe, was willst du denn? Etwa Spaß?«, zischte der hartnäckige Verfolger Dumaks leise. »Kannst du haben. Allerdings erst nachher. Warte einfach im Gasthof auf mich.«
    Daß er Nienor nicht sonderlich ernst nahm, war sein Fehler. Ohne weitere Warnung zog diese ihr Schwert. Sirrend glitt es aus der Scheide und glänzte, als die Klinge den richtigen Winkel für eine Reflexion hatte, kurz im Mondlicht . Das Geräusch in Verbindung mit dem kurzen blitzartigen Lichtschein warnte den Unbekannten vor der Gefahr. Schnell sprang er auf und stach mit dem Dolch in die richtung der Kriegerin, die jedoch ebenso schnell wie geschmeidig auswich und den Schwung der Bewegung dazu ausnutzte, ihre Waffe zu heben, um den ersten Schlag zu führen, der mit lautem Klirren gegen den langen Dolch des Angreifers fuhr und ihn so von ihrem Körper wegführte. Klinge glitt an Klinge, bis die Griffangel erreicht war und das Geräusch verstummte. Aus Nienors Augen blitzte es.
    »Wage es nicht noch einmal, mein Horn anzufassen«, zischte sie dem Unbekannten zu, stieß dann mit einem letztzen Schwung seine waffe von sich fort und befreite so ihr Schwert aus der Umklammerung der beiden Waffen. Sofort war sie zu einem neuen Schlagabtausch bereit. Doch der Dieb dachte anders, als sie, die ehrenhafte Kriegerin. Mit einem Hechtsprung schnappte er sich wieder Dumak, der eben noch in Vorahnung des kommenden Kampfes schnell zur Seite gespritzt war, als Nienor ihr Schwert gezogen hatte. Doch nicht weit genug weg. Das Spitzgesicht erreichte ihn, fuhr mit dem Arm um Dumaks Hals und zog ihn halb an sich und halb sich zu Dumak hin. Beinahe wäre er bei diesem Manöver gestolpert, fing sich aber noch. Mit der freien, anderen Hand stach er wieder in Nienors Richtung, die jedoch geistesgegenwärtig auswich und ihr Schwert zum Schlag erhob. Sie hatte dank der größeren Waffe auch die größere Reichweite. Instinktiv, so wie sie es in zahllosen Kämpfen gelernt und verinnerlicht hatte, holte sie seitlich aus. Und während der Dolch des Gegners nach vorne fuhr und Nienor sich mit den Hüften nach hinten wegbog, um der Spitze der Waffe auszuweichen, schwang ihr erhobener Schwertarm von der Seite nach vorne und drang tief in den Hals des Diebes ein. Dumak schrie auf. Oder war es der Spitznasige? Oder beide? Alles ging sehr schnell, lief in Bruchteilen eines Augenblicks ab. Eine Blutfontäne spritzte aus dem halb durchtrennten Hals, in den sich das scharfe Schwert der Kämpferin dank des Schwunges erbarmungslos eingegraben hatte. Gleichzeitig lockerte sich der Druck der Umklammerung um Dumaks eigenen Hals und der Barde entschlüpfte, entsetzt darüber, daß er scheinbar geradeso dem Tod von der Schippe gesprungen war. Der Unbekannte fiel auf die Knie, gab noch ein paar gurgelnde Laute von sich, während er sich mit den Händen an den Hals griff. Das Messer lag neben ihm im Gras, man sah die helle Klinge. Dann fiel er vorne über und blieb still und regungslos liegen. Er war tot. Nur das Blut lief noch in Schüben aus seiner Wunde und versickerte im Boden, nachdem die Grashalme mit der Flüssigkeit besudelt waren.
    Jetzt hatte sich Dumak wieder gefasst. »Bist du wahnsinnig?«, schrie er Nienor an, die jedoch kaum reagierte, nur auf den Toten starrte. »Um ein Haar hättest du mich auch erledigt. Wenn dein Schwert nur einen fingerbreit tiefer in seinen Hals eingedrungen wäre, hättest du meinen auch gleich noch mit durchtrennt. Du mußt verrückt sein!«
    Nienor atmete schwer. Der Kampf hatte nur wenige Augenblicke gedauert, aber trotzdem war die Aufregung, die er verursacht hatte, so gealtig gewesen, daß sie vollkommen außer Atem gekommen war. Der Dieb hatte ihr Horn stehlen wolln. Anders konnte es nicht sein. Sie hatte es gewußt, ihr wertvolles Horn, von dem sie sich niemals trennen wollte. Sie hatte es gewußt! Warum nur hatte sie es im Lager liegen gelassen! Nienor schalt sich innerlich für ihre Dummheit. Alle ihre Gedanken kreisten um diese Jagdtrophäe, die sie niemals hergeben würde, die nie jemand anders berühren durfte. Rasselnd ging ihr Atem und hasserfüllt waren ihre Worte, als sie sagte. »Er hätte sich eben vorher überlegen sollen, was er tut.«

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    Archipoeta Avatar von Dumak
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    Dumak war vollkommen perplex. »Was? Ich werde von dir fast geköpft und alles, was du dann sagst ist ›Oh, er hätte eben aufpassen müssen‹? Was ist eigentlich in dich gefahren?«, fuhr er Nienor an.
    Mittlerweile waren einige der Thurg’arsi zu der Kampfstätte gerannt, denn der Lärm war nicht unbemerkt geblieben. Nienor jedoch säuberte ihr Schwert stillschweigend mit einem herausgerissenem Grasbüschel und steckte es danach wieder in die Scheide. Dann sagte sie: »Niemand vergreift sich an meinem Gepäck.« Sie hatte sich mittlerweile wieder gefasst. Der Racherausch, der sie mit aller Macht überkommen hatte bei dem Gedanken, daß ihr jemand das von ihr innig geliebte Horn des Seeungeheuers zu stehlen, war verflogen und nun sah sie mittlerweile wieder klar.
    »Er wollte mich bestehlen. Und sogar noch, als er von mir dabei auf frischer Tat ertappt wurde, war das anscheinend kein Grund für ihn, aufzuhören. Außerdem hat er dich gewaltsam festgehalten.«
    Dumak fiel ihr ins Wort. »Ja, genau, er hat mich gewaltsam festgehalten. Und was machst du? Du schlägst ihm einfach mal so den Kopf ab. Es hätte auch sehr wohl mich treffen können. Mein Hals war direkt daneben.«
    »Nein, hätte es nicht, der Schlag war gut gezielt.«
    Beide hatten vollkommen ihr Umfeld vergessen während ihres Streitgespräches. Standen doch mittlerweile gut und gerne fünfzehn Männer um sie herum, untersuchten ihrer seits diskutierend den Leichnam und verstanden von dem erregten Gespräch der beiden nicht ein Wort. Endlich schälte sich auch die Gestalt des Dolmetschers, der Nienor als Mitreisende in die Karawane aufgenommen hatte, aus der Dunkelheit. Er wollte wissen, was passiert sei. Nienor berichtete ihm von dem Diebstahlversuch, von dem Kampf und seinem Ausgang. Fast klang es trotzig. So als ob sie erwartete, für den Tod des Eindringlings getadelt zu werden. Dumak erklärte, auf welchem Wege er mit dem Toten ins Lager gekommen war. Was der in Wirklichkeit wollte, verschwieg er. Solange Nienor glauben wollte, er wolle ihr komisches Horn, das aus dem Bündel herausragte, sollte sie bei diesem Glauben bleiben. Blieb nur noch eins zu klären. Wieso stand Nienor plötzlich unter dem Baum.
    »Ganz einfach. Du warst plötzlich aus der Taverne verschwunden. Den Kerl, der mir in der Gaststube ein Gespräch aufdrängen wollte, hab ich abgefertigt und mich dann aus dem Haus zurückgezogen. Ich dachte, du seiest wieder ins Lager zurückgekehrt, um irgendetwas zu stehlen. Zu deinem Glück warst du diesmal nur das Opfer eines andere, gierigeren Diebs geworden.«
    Dumak schnappte nach Luft. »Also...« Jetzt fehlten selbst ihm die Worte. »Ich stehle hier ganz sicher nichts. Langsam wäre es mal angebracht, daß du deine Meinung über mich ein wenig änderst. Immerhin hab ich ja wohl bewiesen, daß ich als Barde etwas tauge. Die Männer in der Gaststube haben mich jedenfalls nicht hinausgeprügelt, wie sie es wohl für gewöhnlich mit Barden machen!«
    Dem Thurg’aur waren diese Dinge jedoch egal, so daß er Dumaks Redefluß unterbrach und nur wissen wollte, wo genau die beiden ins Lager gekommen waren. Dumak zeigte es ihm und daraufhin wurden auch an dieser Stelle einige Wachen postiert. Die restlichen Männer verliefen sich nun wieder. Nur der Dolmetscher blieb.

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