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11.01.2008 07:59
#42
Ich möchte mal darauf hinweisen, dass Geralt, wenn er Abigail vor dem Mob rettet (niemand, wie schuldig er auch sein mag, hat die Auslieferung an einen haßerfüllten Mob, der das rationale Denken schon längst einbestellt hat, verdient!) keineswegs von sich aus die Dorfgemeinde erschlägt.
Im Gegenteil - er fordert sie auf, einen Neuanfang zu wagen, sich ihre Fehler einzugestehen und daraus zu lernen. Geralt gibt ihnen also eine echte Chance.
Genaugenommen ist es daher *neutral*, wenn Geralt Abigail beschützt. Denn er erkennt beide Parteien für schuldig, und daher müssen beiden Parteien "ihre Strafe" bekommen (was im Falle der Auslieferung Abigails nicht funktionieren würde). Da sich Geralt aber nicht als Richter fühlt, gibt er entsprechend beiden Parteien eine zweite Chance: Abigail, indem er sie vor dem Mob rettet, dem Mob, indem er ihn verschont und an ihre Moral appelliert.
Das ist die einzige Entscheidung, die mMn tatsächlich der Neutralität nahe kommt. Daß die Dorfbewohner ihre Chance nicht zu nutzen wissen und sich in der Folge offen gegen Geralt wenden - und ihm daher keine andere Wahl bleibt, als sie in einem Akt der Selbverteidigung allesamt zu erschlagen (kampfunfähig hauen und gefangene nehmen geht ja im Spiel leider nicht,. wäre aber mMn eine sehr innovative Verbesserung).
Wie "neutral" ist dagegen die andere Entscheidung: Abigail dem Mob auszuliefern? Geralt *weiß* um die Schuld beider Parteien, aber er entscheidet hier *bewusst* im Sinne einer Partei. Der Mob bekommt, wonach es ihm verlangt - und kann damit seine eigenen Fehler und Sünden verschleiern, gewissermaßen "wegdelegieren". Daraus kann nichts besseres erwachsen, im Gegenteil: Geralt unterstützt bzw. deckt hier durch seine Passivität die Verfehlungen der Dorfbewohner, die mMn genaugenommen weit schwerer wiegen als die von Abigail. Und das soll Neutralität sein? Wer immer das als Neutralität bezeichnet, hat mMn nicht wirklich verstanden, was Neutralität an dieser Stelle eigentlich *bedeutet*!
Keineswegs bedeutet es, nichts zu tun und sich nicht einzumischen. Dadurch wird man *immer* indirekt eine Seite unterstützten. Neutralität bedeutet vielmehr, die Welt im Gleichgewicht zu halten, dafür zu sorgen, das nicht das eine Übel überhand nimmt - daher auch Geralt Hinweis, die Rettung Abigail sei das "kleinere Übel" gewesen. Und schon ist die Welt wieder ein bisschen im Gleichgewicht - was man nicht behaupten könnte, wenn Geralt dem Mob freie Hand lässt. Denn das "große Übel", dass von den Dorfbewohnern ausgeht, wird dadurch nicht eingedämmt, es enthält im gegenteil noch neue Nahrung und kann in der Folge wuchern und wachsen, ohne dass ihm jemand Einhalt gebietet. Gleichgewicht ade, und schon ist die Welt um ein Übel reicher...
Abigail - wie man im Verlaufe des Spiels erfahren wird - wird ihre Chance zu nutzen wissen. Auch wenn sie Abigail bleibt, und als solche die Dorfbewohner an der Nase herumführt: Sie hat ihre Lektion gelernt. Zumindest behauptet sie das, und ich als SPieler habe keinen Anlass, ihr das nicht zu glauben.
Die Dorfbewohner dagegen lernen *nicht*, sie wenden sich gegen Geralt. Ein fanatisierter Mob hat eben seine eigene Dynamik. Sie bleiben auch weiterhin ein Übel, und werden als solches ausgemerzt.
Fazit:
- Neutrale Entscheidung: Abigail "retten" und beiden Parteien ihre Chance zur Besserung einräumen. Dass sich der Mob nachträglich gegen Geralt wenden wird, kann dieser nicht wissen - er setzt hier auf Einschüchterung, die aber nur temporär ihre Wirkung hat.
- Pro Mob, contra Abigail Entscheidung: wissentlich das kleine Übel zugunsten des großen opfern. Geralt ergreift hier passiv die Partei des Mobs, indem er ihr Vorhaben indirekt unterstützt (Nichtstun oder wegschauen ist eine sehr unschöne Art der Unterstützung!), in der irrigen Annahme, das ginge ihn alles nichts an.
Übrigens: all die toten Dorfbewohner, wenn sich Geralt für Abigail entscheidet, gehen mMn auf das Konto der Bestie! Für deren Tod kann Geralt eher weniger - allerdings empfinde ich die Entscheidung der Designer, das gesamte Dorf umkommen zu lassen, wenn man Abigail hilft, als eher fragwürdig. Die dadurch vermittelte Botschaft ist in meinen Augen mehr als zweifelhaft...
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11.01.2008 10:10
#45
Zitat von jeandark
Pro Abigail = Contra Mob bzw.
Genau das sehe ich nicht so - eben deshalb, weil Geralt den Mob nicht selbst angreift, sondern später vom Mob attackiert wird. Der Mob mag zwar seinen Willen nicht bekommen, und daher *könnte* man bei oberflächlicher Betrachtung davon ausgehen, dass man sich hier "contra Mob" entschieden hätte.
Es sollte aber hinreichend bekannt sein, dass es gerade das Wesen der Hexer ist, den Menschen nicht das zu geben, was sie *wollen*, sondern das, was sie *brauchen*. Und die Chance, die Geralt den Dorfbewohnern gibt, könnten diese tatsächlich zu ihrem Vorteil ausnutzen, wenn sie denn wollten. Schliesslich tut es Abigail auch. Somit gibt er *beiden* eine durchaus gleichwertige Chance, also eine pro-pro Entscheidung. man sollte sich hier nicht von dem Eindruck täuschen lassen, sondern mal *hinter* die Dinge schauen.
Das allerdings ist richtig. Entscheidet man sich für den leichten Weg, ergreift man wahrhaftig Partei, den nun richtet sich die Entscheidung konkret gegen jemanden - nämlich gegen Abigail.
Die dritte Position fehlt hier;
Eine dritte Position ist mMn nicht sinnvoll, denn sie würde nur daraus bestehen könnne, sich aktiv gegen beide parteien zu wenden, und entsprechend ihrer Schuld allesamt dem eigenen Schwert zum Fressen zu geben.
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11.01.2008 12:03
#46
Zitat von buad
Genau das sehe ich nicht so - eben deshalb, weil Geralt den Mob nicht selbst angreift, sondern später vom Mob attackiert wird. Der Mob mag zwar seinen Willen nicht bekommen, und daher *könnte* man bei oberflächlicher Betrachtung davon ausgehen, dass man sich hier "contra Mob" entschieden hätte.
Es sollte aber hinreichend bekannt sein, dass es gerade das Wesen der Hexer ist, den Menschen nicht das zu geben, was sie *wollen*, sondern das, was sie *brauchen*. Und die Chance, die Geralt den Dorfbewohnern gibt, könnten diese tatsächlich zu ihrem Vorteil ausnutzen, wenn sie denn wollten. Schliesslich tut es Abigail auch. Somit gibt er *beiden* eine durchaus gleichwertige Chance, also eine pro-pro Entscheidung. man sollte sich hier nicht von dem Eindruck täuschen lassen, sondern mal *hinter* die Dinge schauen.
Das allerdings ist richtig. Entscheidet man sich für den leichten Weg, ergreift man wahrhaftig Partei, den nun richtet sich die Entscheidung konkret gegen jemanden - nämlich gegen Abigail.
Eine dritte Position ist mMn nicht sinnvoll, denn sie würde nur daraus bestehen könnne, sich aktiv gegen beide parteien zu wenden, und entsprechend ihrer Schuld allesamt dem eigenen Schwert zum Fressen zu geben.
Eine dritte Position ist allerdings nicht sinnvoll; darin gehen wohl alle überein.
Zu der Aussage
Pro Abigail = Contra Mob
kam ich, wegen des Kurzspots und Dialogs zwischen einem der Rädelsführer und Geralt (in der Pro-Abigail-Option).
Dort sagt Geralt sinngemäß, dass wer es wage Abigail anzugreifen sich mit dem Hexer selbst anlegen müsse und hält ihm das Schwert vor die Brust.
Dies ist m.E. schon der Beginn der Konfrontation! Der Mob wagt aber den Angriff erst später - wohl im irrtümlichen Glauben, dass Geralt nach dem Bosskampf gegen die Bestie geschwächt und leicht zu besiegen sei. Ein tödlicher Irrtum der Fanatiker.
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11.01.2008 12:40
#47
Ja, aber nach dieser Szene, in deren Verlauf der Pope flieht, fordert Geralt die Dorfbewohner zu einem Neuanfang auf. Er droht somit zwar mit Waffengewalt, jedoch ursächlich, um die Dorfbewohner vor sich selbst zu schützen. Er hat nicht vor, gegen den Mob mit Gewalt vorzugehen - solange dieser sein "Urteil" akzeptiert und ihn und Abigail in Frieden ziehen lässt. Er lässt ihnen die Wahl, sinngemäß: "Ihr könnt uns jetzt gehen lassen und dann einen Neuanfang wagen - oder ihr könnt Abigail töten wenn ich fort bin, aber dann werde ich zurückkommen und..."
Natürlich ist die Position *für* Abigail eindeutig, aber sie ist nicht automatisch auch gegen die Dorfbewohner gerichtet. In meinen Augen sucht Geralt für beide Partien die *beste* Lösung zu finden.
Dass die Dorfbewohner die ihnen eingeräumte Chance so leichtfertig vertun, ist zu diesem Punkt des Spiels nicht vorherzusehen. Manche lernen es eben einfach nicht...
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11.01.2008 13:52
#49
Zitat von buad
Ja, aber nach dieser Szene, in deren Verlauf der Pope flieht, fordert Geralt die Dorfbewohner zu einem Neuanfang auf. Er droht somit zwar mit Waffengewalt, jedoch ursächlich, um die Dorfbewohner vor sich selbst zu schützen. Er hat nicht vor, gegen den Mob mit Gewalt vorzugehen - solange dieser sein "Urteil" akzeptiert und ihn und Abigail in Frieden ziehen lässt. Er lässt ihnen die Wahl, sinngemäß: "Ihr könnt uns jetzt gehen lassen und dann einen Neuanfang wagen - oder ihr könnt Abigail töten wenn ich fort bin, aber dann werde ich zurückkommen und..."
Natürlich ist die Position *für* Abigail eindeutig, aber sie ist nicht automatisch auch gegen die Dorfbewohner gerichtet. In meinen Augen sucht Geralt für beide Partien die *beste* Lösung zu finden.
Dass die Dorfbewohner die ihnen eingeräumte Chance so leichtfertig vertun, ist zu diesem Punkt des Spiels nicht vorherzusehen. Manche lernen es eben einfach nicht...
Hmmm.
Das überzeugt mich.
Warum nutzen die Dorfbewohner ihre Chance nicht?
Abigail und Geralt haben von ungesühnten Verbrechen erfahren. Wollte Mob sie als unliebsame Zeugen beseitigen?
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11.01.2008 14:33
#50
Ich glaube, dass sie überhaupt nicht verstanden haben, dass ihnen Geralt eine Chance gegeben hat. In ihrerm bestreben, ihre eigenen Verfehlungen auszublenden bzw sie Abigail in die SChuhe zu schieben, haben sie offenbar den bezug zur realität verloren und waren nicht mehr in der Lage, rational zu denken. Aufgestachelt von dem Popen haben sie sich schlieslich wie die Lemminge in ihr endgültiges Verderben gestürzt. Viellecht ließe sich das damit begründen, dass es ja bei der Hexenjagd nicht um *ihr* Leben ging. Abigail stand mit einem Fuß auf dem Scheiterhaufen, und dessen war sie sich sehr wohl bewusst. Sie ist sich daher völlig klar darüber, dass sie mit einem blauen Auge davongekommen ist - und war daher in der lage, aus *ihren* Fehlern zu lernen.
Die Dorfbewohner dagegen sind durch die verpatze hexenverbrennung nicht von ihrer Schuld befreit worden. Im Gegenteil: Wo sie eben noch glaubten, sich von ihren Verfehlungen durch das Verbrennen der Hexe reinwaschen zu können, bleiben sie nun, durch Geralts EIngreifen, auch weiter auf ihren Sünden "sitzen". Sie sind also - oberflächlich gesehen - aus der Situation ohne Lösung herausgekommen. Dass die Verbrennung Abigails ihren Sünden nur noch eine weitere hinzugefügt hätte, ist ihnen gar nicht bewusst. Sie begreifen nicht, dass sie sich ihren "SÜnden" selber stellen müssen und - ganz im Sinne des SPiels - die Konsequenzen *ihrer* taten akzeptieren müssen. Sie können sie nicht "wegdelegieren". Um ihnen das klarzumachen, bräuchten sie jetzt einen bedächtigen Anführer. Mit dem Popen haben sie gerade diesen nicht und sind deswegen dem Untergang geweiht.
Daher greifen sie zu der einzigen Möglichkeit, die ihnen einfällt: der Heugabel, um sie dem Hexer und seiner Hexendirne ein weiteres mal in den Leib zu rammen... mit dem bekannten Ergebnis...
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12.01.2008 14:06
#55
Zitat von Zorro17
Kommt eben darauf an, wie sehr Du bei einem Rollenspiel eine Deinem Wesen eigentlich fremden Rolle ausfüllen willst/magst/kannst.
Es gibt ja Spiele, wo die "Arschloch"-Option klarer der "Gutmensch"-Option gegenüber steht, z.B. in der KOTOR-Reihe. Manche spielen mit Begeisterung die "dunkle Seite", weil sie so flexibel (oder vielleicht auch im wirklichen Leben so fies ) sind.
Ich vergleiche das immer mit den zwei Schauspieler-Typen, die es imho gibt: es gibt Schauspieler, die in jedem Film sich mehr oder weniger selbst spielen (James Dean, John Wayne etc.) oder aber sich wie eine Chimäre anpassen können (viele aus der Schule von Lee Strasberg wie Marlon Brando oder Robert De Niro).
Imho ist und bleibt ein RPG ein Spiel und daher sollte der individuelle Spaß im Vordergrund stehen. Wenn man sich bei einer Option nicht wohlfühlt, dann sollte man sie lassen.
Da kann ich nur voll und ganz zustimmmen.
Es ist ein Rollenspiel - folglich spielt dein "Held" die Rolle, die du ihm überträgst.
Eine Rolle gut auszufüllen, halte ich durchaus für eine hohe Kunst.
@Thaquanwyn
Aus all meinen Postings leuchtet (beinahe unvermeidlich) durch, dass mir moralische Prinzipien nicht fremd sind. So bin ich z.B. im RealLife ein entschiedener Gegner der Todesstrafe.
Im Übrigen sind auch unmoralische Entscheidungen moralische Entscheidungen.
Im Rollen-Spiel aber bin ich mal der Assassine oder der Dieb, ein andermal der Paladin. Gerne auch ein Magier, weniger gern ein Ork. Persönlich am liebsten spiele ich den Agenten oder Detektiv oder einen mit Psi-Kräften arbeitenden Magier.
Dies hat alles mit meiner tatsächlichen Tätigkeit im Leben wenig zu tun.
In TW war ich pro Abigail und pro Anderlinge; wie schon an anderer Stelle bemerkt. Eine kleine Weile spielte ich auch pro Mob, aber nur zur Probe.
Dass ich den Popen des Ewigen Feuers, Odo und andere abscheulich fand, ändert ja nichts an den grundsätzlichen Entscheidungsfreiheiten.
Ritter auf der Suche nach der verlorenen Zeit
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14.01.2008 16:16
#60
Zitat von buad
Das ist eine interessante Interpretation, die für mich den Begriff eines Rollenspiels erweitert.
Ich habe bisher unter "Rollenspiel" nur das umgedrehte verstanden: Die Rolle ist durch den Charakter vorgegeben und man versucht als *Spieler*, diese auszufüllen und ihr möglichst gerecht zu werden.
Hi, buad, diese zweite Art, wie du sie bislang verstanden hast, ist ebenfalls ein interessanter Spielansatz. Der Gamer versucht die Gestalt, die er spielt empathisch zu erfassen und so trefflich zu spielen, wie es eben geht.
Ich habe das mal bei Morrowind durchgezogen und dann in dem uralten Ubi-Forum (das glaube ich nicht mehr existiert) erörtert (--> "Zum Weiterleben verdammt"); gezeigt, dass der Weg des Strafgefangenen bis hin zum Fürsten Nerevar empathisch als "Klinge" oder "Schattenklinge" (= Geheimagent) gespielt, dem Gameauftrag vielleicht am ehesten entsprach.
Aber auch dort ist es nicht die einzig denkbare Rolle.
(Sonst wären alle anderen auch überflüssig. )
Ritter auf der Suche nach der verlorenen Zeit
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