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    Auserwählter Avatar von regorn
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    regorn ist offline

    Post [Story]Die Tage des Jägers oder: "Wenn Zwei sich streiten..."


    oder: "Wenn Zwei sich streiten..."



    „Verdammt, es wird Zeit, dass ich die Dinger endlich los werde“, dachte Regorn, als sich mal wieder eines der Schattenläuferhörner, die er in einem Sack über den Rücken trug, in seine Seite bohrte. Von 2 Wochen erfolgreicher Jagd, und ziemlich ausgelaugt, schleppte sich der Jäger aus den östlichen Wäldern in Richtung Khorinis. Die Wölfe, Wildschweine und Schattenläufer schienen in der letzten Zeit förmlich darum zu betteln erschossen zu werden. So wenige Pfeile hatte er noch nie für so viele Felle und Trophäen verbraucht. Doch die unangenehme Tatsache, dass ihm ab und an mal wieder eine Patrouille Orks, über den Weg gelaufen war, machte die Jagd dennoch zu einem anstrengenden Unterfangen, denn Regorns Stärke war nicht ein starker Arm im Nahkampf, sondern die geschickte Pirsch und erschreckende Treffgenauigkeit seiner Pfeile. So musste er häufig einen Bogen um die Orks machen, um unerkannt zu bleiben und sie aus dem Hinterhalt, einen nach dem anderen auszuschalten. „Wie dem auch sei, es hat sich gelohnt“, sagte er zu sich selbst, und spürte die Last von etlichen Wolfsfellen, Hörnern, Klauen und Zähnen auf dem Rücken. Es war ein schöner Tag. Die Sonne fiel in Millionen Streifen durch die dicht aneinander stehenden Bäume und die Vögel sangen, als ob es tausend Jahre nicht mehr so einen herrlichen Sommer gegeben hätte. Regorn freute sich auf seinen wohlverdienten Lohn und einen Besuch in Coragons Kneipe, wo er regelmäßig einkehrte, wenn er in der Stadt war, um sich an dem köstlichen Bier und dem vortrefflich zubereiteten Schinken Seele und Leib zu erfrischen. An diesem Tag war die Vorfreude besonders groß, denn er wusste, dass seine Beute diesmal so viel einbringen würde, dass er, nachdem er sich satt gegessen hatte, noch eine von diesen Wasserpfeifen rauchen konnte, die die Menschen aus dem Süden immer anboten. Und schließlich würde er sich bei Hanna, der Hotelbesitzerin, ein Zimmer nehmen und seit 2 Wochen mal wieder richtig lange schlafen. So verträumt ging Regorn seines Weges und nichts schien seiner guten Laune an diesem Tag einen Abbruch zu tun. Bis auf diese vermaledeiten Hörner! „Ach bei Adanos, schon wieder so ein verfluchtes Ding! Da erschießt man die Tiere schon so, dass es kurz und schmerzlos ist, und trotzdem lassen sie einen im Tod noch immer nicht in Frieden!“ Aber nun gut, es war ja eigentlich doch nur ein geringes Übel und bald hatte er ja auch die Stadt Khorinis erreicht. In der Ferne konnte man schon den ersten Wachturm erkennen. Kurze Zeit später sah Regorn dann die Stadtmauern mit dem gewaltigen Tor und ein zufriedenes Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück. Die Stadt sah ruhig und friedlich aus an diesem Tag. Nichts schien die Ruhe stören zu können. Die Torwache erkannte ihn bereits von weitem und hob grüßend die Hand, als Regorn mit Sack und Pack in die Stadt marschieren wollte. „Sei gegrüßt, Hatlod! Wunderschöner Tag heute, nicht wahr?!“ Und schon stand Regorn vor der Hütte von Bosper, dem Jäger und Händler für alle nur denkbaren Jagdtrophäen und Utensilien. „Regorn, ich sehe du hast mir einiges mitgebracht. Die Jagd war wohl erfolgreich, was?!“ „Aber ja doch! Autsch!
    Geändert von regorn (19.01.2007 um 22:41 Uhr)

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    Ritter Avatar von Jibril
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    Jibril ist offline
    >>Jeden Tag eine gute Tat!<<
    So oder so ähnlich lautete doch dieser Spruch, den der Adanospriester immer zum Besten gab. Jibril hielt sich natürlich daran, nie würde ihr etwas anderes in den Sinn kommen. So hatte sie heute nicht nur eine, sondern gleich fünf gute Taten auf einmal begangen. Allerdings nicht ganz alleine, den Löwenanteil hatte ja Kirie geleistet. Drei Fische hatte sie vom Stand des Fischhändlers gemopst, vollkommen unbeachtet von der staunenden Menge. Ein einfaches Rad, ein doppelter Salto mit Anlauf und ein kleiner Überschlag hatten gereicht, um die Menge voll und ganz von ihrem eigentlichen Vorhaben abzulenken. Da daß Ganze aber auch etwas Kraft kostete, bediente sich die junge Frau ganz ungeniert am Stand des Bauern Lobart, den man genau wie seine Kunden mit ein paar gedehnten Beinen aus der Fassung bringen konnte.

    Sie grinste frech, als sie darüber nachdachte, denn wirklich astrein waren die Aktionen ja nicht. Ihr schlechtes Gewissen löste sich aber schnell auf, als ihr Magen wieder bedenklich anfing zu knurren. Es wäre wohl ein Leichtes gewesen sich die Mahlzeit auf Umwegen zu beschaffen, aber Jibril hatte – auch wenn man es ihr nicht auf den ersten Blick ansah – genug von den lustig aussehenden, runden Dingern in der Tasche, die die Menschen nur Münzen nannten und die so schön in der Sonne glitzerten, wenn man sie ordentlich schrubbte. Sie bekam sie so oft, dass sie gar nicht wusste, wohin mit dem ganzen Zeug, so dass sie die meisten gar nicht mitnahm und einfach liegen ließ. Mal fanden sie sich bei Spaziergängen, mal warf man sie ihr zu, wenn sie wieder ein paar ihre Kunststückchen aufführte, die die Menschen noch immer in Erstaunen versetzten und mal lagen sie auch einfach in Häusern rum. Gut… vielleicht sollten gerade diese Exemplare auch nicht wirklich für sie bestimmt sein, doch eine Diebin war sie nicht, jedenfalls nicht wirklich. Sie würde jedenfalls nie das Gesetz brechen wollen, schließlich hörte man überall von des Königs grauenhaften Strafen, die sogar noch schlimmer werden sollten, des drohenden Krieges wegen. Sie hatte davon gehört, aber kein Interesse daran. Überhaupt, was hieß schon erwischen…

    Die Sonne stand schon ziemlich tief, was ein eindeutiges Zeichen dafür war, endlich eine warme Suppe in den Magen zu bekommen und auch Kirie würde eine Schale frischer Milch zu schätzen wissen. So ließ sie noch ein letztes Mal ihren Blick über den großen Platz vorm Tor schweifen, immer im Wissen darüber, dass nur die Vögel und der Leuchtturmwächter einen besseren Blick hatten als sie, auf dem Dach der Kaserne sitzend. Alles ging seinen üblichen Gang. Die Händler handelten, die Wächter wachten, der Priester predigte und die Bürger… liefen sinnlos rum. Jedenfalls konnte man das denken, wenn man sie von dort droben so sah. Schon kurz vor dem Absprung fiel ihr aber doch noch etwas auf. Ein Mann kam durch das Tor, grüßend zwar, aber verdammt bucklig gehend. Auf seinem Rücken ein ganzes Heer von Toten, jedenfalls was von ihnen übrig blieb. Kirie schnurrte andächtig und die junge Frau stimmte ihr sanft nickend zu.
    >>Ein Jägersmann, direkt aus dem Wald gekommen. Reiche Beute Kirie, aber dich kriegt er nicht, nicht wahr?<<

    Und schon war sie wieder am Boden, mit einem einfachen Sprung auf die Kasernenmauer und einem Seitwärtssalto auf die Treppe. Unspektakulär war anders, aber Jibril musste im Training bleiben, außerdem war sie schon so daran gewöhnt, dass es für sie fast normal war. Normal und absolut unauffällig ging sie dann auch zu Coragons oller Kneipe, dort bekam man immer das, was sie jetzt brauchte…

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    Auserwählter Avatar von regorn
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    regorn ist offline
    Bosper begutachtete die üppige Lieferung, die Regorn ihm da aus den Wäldern mitgebracht hatte und war sichtlich vergnügt. „So viele Schattenläufer hast du sicher selten vor den Bogen bekommen, oder?!“, lachte er und ordnete die Felle der Tiere auf einer Leine und die anderen Trophäen in kleinen Kisten aus Holz. Sorgfältig notierte er jeden einzelnen Zahn und jede einzelne Klaue, die er aus dem Sack des Waldläufers hervorholte. Regorn saß neben ihm auf einem Hocker und schaute sich das Ganze an, damit Bosper auch ja kein Fehler unterläuft.
    Als Bosper fertig war, überschlug er im Kopf, was er Regorn schuldig war. Das Ergebnis war durchaus zufrieden stellend. Nicht weniger als 1500 Goldmünzen übergab der Händler dankend an den fleißigen Jäger, welcher sich seinerseits für den guten Handel bedankte. Auf die Frage, was er an diesem Tag noch so anstellen wolle, antwortete Regorn: „Das Übliche eben. Du weißt ja: Bier und Schinken von Coragon sind meine Leidenschaft.“ Bosper lachte und wünschte einen guten Appetit und noch einen schönen Tag. Regorn dankte erneut für den Handel und verließ Bospers Hütte nach rechts in Richtung Kneipe. Auf dem Weg kam er beim Handwerksmeister Thorben vorbei, der ihn prompt für den nächsten Tag zum Gebet einlud, was Regorn aus Höflichkeit natürlich annahm. Von links, aus dem Hafenviertel, hörte man schon wieder den irren Fellan hämmern. Wie er dieses Geräusch vermisst hatte, dachte Regorn bei sich. In der Kneipe angekommen setzte er sich an einen Tisch nahe der Theke. Coragon sah ihn und kam lächelnd auf ihn zu. „Schön dich mal wieder hier zu sehen, Regorn! Das Übliche, nehme ich an?“ „Aber natürlich, Coragon! Ein kühles Bier und etwas von deinem weltberühmten Schinken.“ Coragon verschwand wieder hinter der Theke und kam kurze zeit später mit einem Krug seines Spezialbieres zurück. „Wohl bekomms!“, wünschte er und verschwand in der Küche. Regorn lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck. Hach, wie gut das tat! „Nach der Jagd schmeckt das Bier doch immer noch am Besten!“, stellte er zufrieden fest.
    Das Mädchen, das fröhlich pfeifend hinein gehüpft kam und sich zwei Tische weiter niederließ, bemerkte er gar nicht.
    Geändert von regorn (19.01.2007 um 22:04 Uhr)

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    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Alles machte den Mann nachdenklich. Der Wind, die gesamte Umgebung. Nachdenklich über die eine Frage. Sie ließ ihn nicht los, würde nicht zulassen, dass er über die Vergangenheit hinwegkam. Sie auszusprechen war schwer, darüber nachzudenken ebenso. „Warum?“, stieß er in die kühle Nachtluft. Ein bitterer Nachgeschmack bildete sich in seinem trockenen Mund. Es war jedes Mal dasselbe. Die Welt und all deren Bewohner in Gedanken verfluchend bemerkte er seinen Begleiter nicht. Das faulende Dunkel des Kriegs verdeckte seine Augen wie ein undurchdringbarer Schleier. Viele Winter waren über die Insel gezogen, seitdem der Mann zuletzt einen Menschen gesehen hatte. Diese Rasse erinnerte ihn zu sehr an sich selbst. Er wollte vergessen, was er war und was er auf Ewig sein würde: ein Mensch. Menschen begannen Kriege, plünderten, brandschatzten, mordeten, vergewaltigten. Die Krone der Schöpfung? Nein, in seinen Augen nun wirklich nicht.

    Seine Schritte hallten durch die Gassen der Stadt Khorinis. Wann war er zuletzt hier? Die Erinnerungen waren zu verschwommen, um etwas von ihnen ableiten zu können. Folglich musste es aber auch schon eine lange Zeit her sein. Der Andere war immer noch hinter ihm, folgte ihm auf Schritt und Tritt. Wollte er den dunkelhaarigen Mann umbringen? Kaum, hätte er doch die besten Gelegenheiten schon vor den Toren der Hafenstadt gehabt. Ein anderer Grund trieb ihn hierher. Womöglich kannten die beiden sich sogar. Wusste er es denn? Konnte man überhaupt behaupten, jemanden zu kennen? Verächtlich ob dieser jämmerlichen Gedanken schnaubte der Mann auf, schlug die Türe der Taverne Rücksichtslos auf. Der Geruch von Brandwein, Braten und Erbrochenem schlug ihm sofort entgegen. Angewidert rümpfte er die vernarbte Nase. Die Menschen waren nicht nur brutal, sondern ließen sich auch von vergänglichen Dingen locken. Sein Hass wurde noch mehr geschürt, auch deshalb, weil er sich selbst in einigen der gescheiterten Existenzen wiedererkannte. Er war weder Alkoholiker, noch glotzte er leicht bekleideten Frauen hinterher. Er war nur einfach des Lebens müde.

    Weder für die anderen Gäste, noch für den Wirt hatte der Fremde einen Blick übrig. Hinter ihm öffnete sich die Türe erneut, der Größe nach zu urteilen trat nun auch sein ewiger, unbekannter Begleiter ein. Gleichgültig übermittelte er dem Wirt mit einer eindeutigen Gestik seine Bestellung. Er brauchte Bier, wollte vergessen. Beliar soll es sich holen, dieses Zeug. Aber es ist gut, um zu vergessen. Und ich muss vergessen.
    Geändert von Ritley (19.01.2007 um 22:47 Uhr)

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    Legende Avatar von Waylander
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    Waylander ist offline
    Der Schaum quoll über die blecherne Maserung des Humpens, den er soeben auf den Tisch knallte. Der frivole Gerstensaft hüpfte über die Kante des Trinkgefässes auf den hölzernen Tisch. Wohl nicht der erste Tropfen, der hier verschüttet wurde, prägte sich Waylander ein. Der alte Krieger saß an einem Tisch, und er wünschte bei allen Göttern, dass er allein geblieben wäre, doch das war er nicht.

    „Schnaps“, brüllte der große Mann zum Wirt. Dieser blickte ihn unverholen an, aus zusammen gekniffenen Augen. Waylanders Hände fuhren über Selbige. Wie lange war es her? Zwei, drei Jahre. Er hatte sich nie gut Zeiten einprägen können. Adanaos, er würde sich verfluchen, wenn es nur ein lausiges Jahr her war, dass er den Dienst quittieren musste, und er gezwungen war, sich einen neuen Lebensunterhalt zu suchen. Sein Verständnis für die Worte war in den Grundfesten erschüttert, und er musste nachdenken, wenn er die Worte „Lebensunterhalt verdienen“ in den Mund nahm. Doch bisher hatte sich niemand beschweren können. Er, der Hauptmann einer einst gloriosen Kriegerelite, war dahingesiecht, vegetiert vor den Ufern der Wahrheit.

    „Schnaps“, brüllte er erneut. Dann stand er auf. „Krieg ich hier bald was zu trinken oder muss ich dir erst das Hirn aus der Hirse hauen?“, stänkerte er weiter. Der Wirt guckte komisch, dann setzte er sich in Marsch.

    Waylanders Tischnachbar hatte das Geschehen mit Argwohn beobachtet. Er war ihm hinterher gelaufen, so als folgte er ihm. Doch dem war nicht so. Waylander folgte niemandem mehr. Er würde sich eher die Zunge abbeißen, doch offenbar hatte der Fremde den gleichen Weg und Waylander hatte ein ungutes Gefühl, wenn er den Mann anblickte. Ein Gefühl, das er nicht einordnen konnte. Er versuchte es, setzte sich mit dem Becher Schnaps, den er vom Wirt bekommen hatte, wieder dem Fremden gegenüber. Er erhob den Becher und flüsterte „Semper fi.“ Er hatte diese Worte nicht mehr gesprochen, seit der Schlacht am Pass. Erinnerungen überfielen ihn, doch zumindest würde die Losung der Löwen Varrants einen Eindruck auf sein Gegenüber machen. Vielleicht kannte er sie?
    Geändert von Waylander (19.01.2007 um 23:18 Uhr)

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    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Soll mich doch Beliar verfluchen, stöhnte der Mann innerlich auf. Seinem Herz wurde ein Stich versetzt. In seinem Kopf bildete sich die schützende Leere, die ihm vor den wirren Gedanken retten wollte. Was hat er gerade gesagt? Unmöglich, entweder ich habe mich verhört, oder der Kerl weiß nicht, was er da gerade gesagt hat. Letzteren Punkt hielt der Mann für kaum denkbar. Jemand, der diese Worte in den Mund nahm, es tatsächlich wagte, wusste meist auch um deren Bedeutung. Dem äußeren Schein nach passte er nicht in die Rolle eines mächtigen Befehlhabers. Was war er also dann? Ein einfacher Soldat? Oder doch nur ein Unwissender?

    Veilef sah ein, dass es nur eine Möglichkeit gab, zu Gewissheit zu gelangen. Mürrisch bestellte er sich einen Schnaps beim Wirt. Der Mann am anderen Tisch hatte den dicklich-rundlichen Wirt scheinbar richtig behandelt. Überall auf dieser verfluchten Insel würde man seinen Schaps schneller bekommen als in diesem Laden. Dem wieder zum Tresen schreitenden Wirt einen missbilligenden Blick nachwerfend nahm er den kleinen Becher in die Hand, schaute zum Mann am anderen Tisch. „Semper Fi.“, antwortete Veleif dem Mann am anderen Tisch. Beim Sprechen der Wort spürte er die Schmerzen von vielen, hunderten, abertausenden kleinen Stichen in seiner Brust. Die Worte hatten einen bitteren Nachgeschmack. Die vergangenen Jahre hatte alles einen bitteren Nachgeschmack, dass ihn an sein früheres Leben erinnerte. So auch dies.

    Was will er jetzt von mir?, fragte sich der Mann. Er war müde. Nicht, dass es spät in der Nacht war. Normalerweise streifte er um diese Zeit noch durch die Wälder, auf der Suche nach dem Frieden, den er niemals finden konnte. Aberwitzig, diese Tatsache, aber dennoch von unglaublicher Bedeutsamkeit. Vor allem wenn sich, wie in diesem Moment, die Selbstvorwürfe wieder aus der hintersten Region seines Kopfes hervorwagten, hasste der Mann sein Leben. Das Leben, welches er zu durchschreiten verdammt war. „Auf der Suche nach Antworten, oder auf der Suche nach Fragen?“, fragte Veleif den Mann, noch beim unaufgeforderten Hinsetzen auf einen freistehenden Stuhl an seinem Tisch.

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    Ritter Avatar von Jibril
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    Jibril ist offline
    In diesem verfluchten Gasthaus, oder sollte man es eher Kneipe nennen, gab es alles, was es nicht geben sollte. Zumindest wenn man eine sensible Nase hatte, was dummerweise zu Jibrils Eigentümern gehörte. Aber sie war ja nicht zum ersten Mal in Coragons ollem Schuppen und war inzwischen abgehärtet gegen diese Form der penetranten Belästigung des Riechorgans. Irgendwie schien der olle Coragon, der eigentlich ein ganz feiner Kerl war und bloß ne ziemlich raue Schale hatte, das junge Ding zu mögen, jedenfalls konnte sie ihm hin und wieder ein Lächeln entlocken und irgendwie schien sich der Wirt immer zu freuen, wenn sie mal wieder reinschneite, was beim großen Rest nicht so der Fall war, jedenfalls verwandelte sich Coragon dann meistens in einem grimmigen Nachfahren eines Bären, der gerade im tiefsten Winter in seiner Ruhe gestört wurde… übel konnte man da nur sagen.

    Jibril hatte es sich an der Theke bequem gemacht und achtete streng darauf, daß Kirie nicht zu viel von der Milch auf einmal trank, denn das verdarb ihr immer so schnell den Magen und dann… roch es wirklich übel in der Taverne und selbst Coragon konnte nicht mehr lachen. Die Suppe, oder nein, es war mehr verdickte Suppe mit Kraut, Kartoffeln und Rübenfleisch, also eher ein Eintopf, schmeckte hervorragend, Verbindungen musste man einfach besitzen und diese besaß Jibril, zwar selber keine Ahnung welcher Baum und welche Pflanze nun welchen Namen hatte und wohl noch eher sich selbst vergiften als Glück haben und einen Treffer landen, kannte sie doch den alten Constantino und erfüllte ihm den ein oder anderen Botendienst und sei es nur als Gefährtin und Zuhörerin auf einem seiner zahlreichen Spaziergänge. Von ihm hatte sie zwei kleine Phiolen bekommen, in denen sich fein zermahlende Kräuter befanden, die er in der Umgebung gesammelt und getrocknet hatte. Mit ihnen konnte man jeden Eintopf zum Erlebnis werden lassen, aber das verriet sie natürlich niemandem, am Ende würde man ihr noch mehr von den komischen, runden Dingern zuwerfen, außerdem gab es dafür ganz andere Mittel und Wege.

    Nachdem sie mit dem Essen fertig war, satt und zufrieden dreinblickend, stellte sie nach einigen Minuten in vollster Glückseligkeit fest, dass in der Kneipe heute irgendwie nix los war. Lauter triste Gesellen fanden sich hier ein, gut, dass waren auch nur die, die sonst auch jeden Abend da waren, mit Ausnahme von fünf Gestalten, die sie nicht kannte, aber einen hatte sie schon einmal gesehen. Der Jägersmann war da und schien sich nicht an dem Gestank und der Trübseligkeit zu stören, alles was zählte schien sein Bier und sein Schinken. Jibril lachte kurz, es wäre ein Spaß gewesen ihm den Schinken zu stibitzen, oder den Krug, oder gar beides, nur um es kurz darauf wieder an den Stützbalken auftauchen zu lassen. Doch ihr Gedanke wurde jäh unterbrochen durch das Geschrei von zwei anderen Fremden, die so aussahen, als ob sie direkt von irgendeiner Frontlinie kamen. Der arme Coragon, sie scheuchten ihn richtig rum. Doch viel interessanter waren für sie die zwei Kapuzenträger, die wild gestikulierten und doch kein Wort sprachen. Sehr komisch. Die beiden sahen wirklich lustig aus und Jibril versuchte ihre Bewegungen nachzumachen, um so ihre Deutung zu verstehen, ehe sie Coragon daran hinderte und darauf hinwies, die Gäste nicht nachzuäffen. Doofer Coragon! So wieder beschäftigungslos schnappte sie sich Kirie und sprang vor zum blinden Thomas, der wie fast jeden Abend wieder einsam mit seiner Laute ein paar Takte zum Besten gab, um das gemeine Volk zu unterhalten und für reichlich Bierabsatz zu sorgen.

    Jibril – von Natur aus gesegnet mit einer beneidenswerten Stimme – flüsterte dem Blinden ein paar Worte zu und dieser war sofort aus seiner Lethargie herausgelöst und fing an, seine Laute schneller zu spielen. Endlich kam etwas Stimmung in die karge Hütte, die einem schon fast den Gestank vergessen ließen…

  8. Beiträge anzeigen #8
    Auserwählter Avatar von regorn
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    regorn ist offline
    Als er mit dem Schinken fertig war lehnte sich Regorn satt und zufrieden auf seinem Stuhl zurück. Er war beim Genießen kurzfristig von dem Herumgeschreie zweier Kriegsveteranen, wie ihm schien, gestört worden. Doch die beiden verstummten schnell wieder und Regorn konnte sich seinem Festmahl widmen. Nun, da alles aufgegessen war, schaute er sich etwas in der Kneipe um. Seitdem er sich das letzte Mal bewusst umgeschaut hatte, war Coragons Taverne beträchtlich voller geworden. Jetzt bemerkte er auch das hübsche Mädchen, das zu den wie immer so schiefen Tönen von Thomas’ Laute mit einer sagenhaft schönen Stimme fröhliche Lieder sang, während eine kleine Katze ihr immerzu zwischen den Beinen herhuschte. Die beiden Veteranen saßen einander gegenüber und sprachen über irgendetwas, das Regorn nicht verstehen konnte. Er sah nur ihre vom Krieg gezeichneten und ausgezehrten Gesichter und dachte sich, dass er so niemals enden wolle. Außer dem Mädchen und den Veteranen, fielen ihm noch zwei andere Gestalten auf. Sie trugen dunkle Roben, deren Kapuzen ihre Gesichter verbargen. Regorn kannte ein paar Magier, die in Khorinis ansässig waren, oder ab und zu an seiner Hütte im Wald vorbeikamen. Er hatte großen Respekt vor ihrem Wissen und ihrer Macht, doch fürchten musste er sie ganz und gar nicht. Allerdings gab es bei diesen beiden irgendetwas, was ihm nicht ganz geheuer war. Er vermochte nicht zu sagen, was es war, doch er hatte ein sehr ungutes Gefühl bei ihrem Anblick. Aber sollte er sich wirklich weiter darüber den Kopf zerbrechen? Vielleicht war er einfach nur erschöpft von der Jagd und deshalb ein wenig ängstlich. Und außerdem hatte er gerade eben einen wunderbaren Schinken verspeist und sich sein drittes Bier bestellt, was, das musste er nochmals feststellen, an diesem Abend ganz besonders gut schmeckte. Er entschloss sich also die Magier nicht weiter zu beachten, sondern lieber den Rest des Abends zu genießen und dem Mädchen bei ihrem Versuch, die Gäste zum Tanzen zu animieren, zuzuschauen. Sie hatte irgendetwas an sich, das ihm gefiel. Diese Unbeschwertheit und Lebensfreude brachten ihn zum Träumen. Wie hatte er damals mit seiner Liebsten getanzt und gelacht?! Sie hatten getan, was ihnen gefiel, hatten die Natur als gemeinsamen Freund und gingen zusammen jagen. Sie war der wunderbarste Mensch, den er je gekannt hatte. Doch eines Tages wurde sie ihm einfach genommen. Ganz plötzlich im alter von gerade einmal 19 Jahren. Er versuchte den Gedanken so weit wie möglich von sich wegzuschieben. „Amüsier dich gefälligst!“, sagte er zu sich selbst. Doch er konnte sich nicht mehr amüsieren. Dafür schossen ihm die beiden Magier wieder in den Kopf. Sie machten ihn irgendwie unruhig, das konnte er nicht leugnen und auch nicht unterdrücken, so gerne er es auch getan hätte. Er stand auf, ging zu Coragon hinüber und setzte sich an die Theke. Das Mädchen stand jetzt genau neben ihm und er erkannte erst jetzt, wie schön ihr goldenes Haar wirklich war. Die Katze des Mädchens strich um Regorns Beine und setzte sich vor ihn hin. Sie hob die Pfote und umkurvte abermals sein rechtes, dann sein linkes Bein. „Na meine kleine?! Du bist wohl ähnlich unruhig wie ich, was?!“, sagte er zu dem Tier, welches einen Buckel machte und sich an sein Bein lehnte.

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    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Veleif fuhr sich durch das verfilzte Haar. Die haben auch mal wieder eine Wäsche nötig... wie der Rest des Körpers. Den ihm gegenübersitzenden Mann musternd kippte er sich einen weiteren Schnaps die Kehle hinunter. Das Brennen ließ ihn manchmal vergessen. Immer dann, wenn der Schnaps stark genug war. Er hatte hier also einen Veteranen am Tisch sitzen, einen Löwen Varants. Der alternde Mann hatte nicht geglaubt, diese Losung jemals wieder zu hören, wurde allerdings eines Besseren belehrt. „Der Orkkrieg?“, stellte er ihm die Frage. Die einzigen Wörter, die gesprochen wurden. Der Mann nickte, warf die Frage mit einem bedeutenden Blick zurück. Auch Veleif nickte. Wieder herrschte Stille zwischen den beiden.

    Die Atmosphäre in der Taverne hatte sich währenddessen gewandelt. Zuerst war hier nur der Treffpunkt von saufenden, alten Männern gewesen. Doch dann erklang eine tief melodiöse Musik, die den Mann beinahe schon berührte. Innerlich fluchend versuchte er, sie zu ignorieren. Wenn ihn etwas berührte, wurde er gleichsam auch verletzt. Und er wollte nicht mehr verletzt werden. Zu viele Narben zeichneten ihn als Krieger aus, die nicht nur äußerlich waren. Ein hübsches Mädchen schwebten nahezu durch den Raum, auf einen Waldsmann zu. Sie war von durchaus schöner Natur, auch wenn ihm die Haare etwas zu lang erschienen. Besonders war sie nicht nur allein ob ihrer Schönheit oder des musikalischen Könnens, sondern auch der Katze, die um ihre Beine streifte.

    Wo er nun schon den Blick von seinem Schnaps erhoben hatte, konnte er sich auch gleich den restlichen Raum ansehen. Früher... Früher hatte er einen Raum und dessen Insassen schon kurz nach dem Betreten im Gedächtnis abgespeichert gehabt und auf mögliche Gefahren oder Fluchtmöglichkeiten hin untersucht. Einige Zeit war seitdem vergangen und der Schnaps trübte ihm die Sinne. Zwei in Mäntel gekleidete Gestalten fielen ihm in die Augen. Irgendetwas meldete sich in ihm, riet zur Vorsicht. Alle Alarmsignale schrillten. Ein weiterer Schnaps ließ sie langsam verklingen. Sein Schwertknauf stach ihm in die Seite, als er sich wieder zu seinem Tischpartner umdrehte. Das Schwert symbolisierte alles Schlechte in seinem Leben. Oft schon war er an einer Klippe gestanden, war kurz davor, es hinabzuwerfen. Aber er konnte es nicht. Das Schwert war ein Teil von ihm, ein verfluchter Teil seiner verdammten Existenz.

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    Legende Avatar von Waylander
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    Waylander ist offline
    Er hätte schwören können, dass der Becher mit dem rubinroten Hochprozentigen vor zwei Augenblicken noch nicht leer gewesen war. Irgendwer soff seinen Schnaps. Mürrisch warf er den Blick in die Runde, beobachtete die Hände und Gesten der Gäste. Nichts, keine verdächtige Bewegung. Ohja, Waylander konnte einiges vertragen, aber auf keinen Fall, dass jemand seinen Schnaps soff. „Wo kommen wir denn da hin“, rülpste er, „wenn hier jeder dem anderen seine Schnäpse säuft“. Er stand auf, hatte leider Mühe sich unter Kontrolle zu halten. Er griff an seine rechte Seite, doch erreichte seine Waffe nicht. Nach einigen Sekunden unbeholfenen Hantierens, gab er sein Unternehmen wieder auf. Er setzte sich auf den hölzernen Schemel und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ich blute“, grunzte er, als er sich den Handrücken ansah. Dann grinste er, für einen flüchtigen Augenblick hob sich der Schleier aus Alkohol von seinen Augen und gab den Blick auf die Wirklichkeit frei. Dann bestellte er wieder einen Schnaps.

    Er hatte mittlerweile mehr geladen, als gut für in war. Das kurze Gespräch zwischen ihm und dem anderen Mann hatte Waylander verdrängt, doch dann schoss es ihm wieder durch den Kopf. Langsam ging sein Blick nach oben und erreichte den Horizont des Bierkruges. Über dessen Rand blickte der Veteran seinem Gegenüber fest in die Augen. Und er sah. Er kannte diesen Blick, allzu oft hatte er ihn gesehen. Der zerbrochene Wille, die Lethargie der Legionäre, die Müdigkeit des Kriegers – es gab viele Ausdrücke für fehlende Leidenschaft im Blick, doch eines war klar. Er saß hier einem Mann gegenüber, der getötet, der viel Leid gesehen und erlebt hatte. Dass er die Losung der Löwen kannte überraschte den Veteranen nicht sonderlich. Zunächst hielt er es für ein weiteres Anzeichen einer bröckelnden Legende. Er konnte nicht glauben, dass einer der Elitekrieger die Formel verraten hätte. Aber irgendwie kam immer etwas zum Vorschein, und von den Löwen selbst gab es nur noch Geschichten auf längst vergilbtem Pergament.

    Die Tatsache allerdings, dass dieser Mann in Waylanders Alter war und die Losung kannte, machte ihn stutzig. Umso mehr, da er diesen Ausdruck in den Augen hatte, den Waylander bereits gesehen hatte. Es stand für den ehemaligen Offizier außer Frage: Der Mann war einst ein Löwe. Hätten die Dinge anders gestanden, die Alarmglocken in seinem Inneren müssten nun schlagen. Doch das kleine Männchen, das sonst den Knüppel gegen den Gong schlug, lag sturzbetrunken neben seinem Instrument. Waylander würde seinen Namen nicht nennen, das machte er nie. Er würde einen erfinden müssen und in dieser Art von Denkspielen war er nicht besonders gut. Der Blick seines Gegenüber schweifte in dem Moment aber durch den Raum, ehe Waylander das Wort an ihn richten konnte.

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    Es kam Stimmung in die Bude der Trinker, Einsamen und Trostlosen. Es dauerte keine paar Augenblicke, bis sie die Blicke der meisten Tavernenbesucher auf sich gezogen hatte. Nur noch wenige konnten es sich leisten ihre Blicke in ihre Bierkrüge zu vergraben oder den Gesang zu ignorieren. Auch in Khorinis und in Coragons Kneipe gab es ein paar lustige Gesellen und so tanzten schon bald ein paar lustige Männer und Frauen, die sicher auch nicht mehr ganz so nüchtern waren, zu den Klängen von Thomas Laute und ihrem Gesang. Kein Vergleich zum Hafen zwar, wo an so manchem Abend die Post abging und mehr gegrölt, gesungen, geschlagen und zerbrochen wurde als hier in einem ganzen Zehntag, doch die Stimmung stimmte und Jibril war durchaus zufrieden mit dem von ihr angerichteten Ergebnis. Coragon war sicherlich dankbar, nicht nur wegen des Gesangs, sondern auch aufgrund des reißenden Bierabsatzes, schließlich blieb so mancher Gast länger als gedacht.

    Sie stimmte gerade in ein von ihr selbst erdachtes Trinklied ein, als sie sah, wie Kirie sich an den Beinen eines Fremden vergnügte. Es war der Jägersmann, der ihr heute schon verdächtig oft über den Weg gelaufen war. Scheinbar war er seine Ware gut losgeworden, denn jetzt sah sein Rücken nicht mehr ganz so bucklig aus und an das Unsichtbarmachen von Gegenständen glaubte sie nicht. Er kraulte ihren Liebling, so wie es die meisten taten, wenn sie die Katze mit dem pechschwarzen Fell und dem bestechenden, fettigen Glanz sahen. Jibril lächelte dem Fremden zu und ließ ihn gewähren, wohl wissend, daß er seine Beute bald nur noch mit vier Fingern jagen müsste, sollte er etwas Gemeines mit Kirie vorhaben, denn diese war erstaunlich bissig wenn es darum ging, sich zu verteidigen. Außerdem war sie ein noch grazileres Wesen als es Jibril selbst war und wand sich schneller um den eigenen Körper als sie es jemals können würde.

    Konzentration war weniger wichtig bei diesem Trinklied und die große Mehrheit hatte auch so genug Spaß, selbst wenn der ein oder andere Ton nicht so getroffen wurde, worauf Jibril in der Regel größten Wert legte, schließlich war sie immer darauf bedacht das Beste aus ihren Aktionen zu machen. Aber heute kümmerte sie sich nicht so darum, denn das Geschehen in der Taverne war interessanter. Die zwei alten Krieger waren immer noch sehr still und ließen sich von der Stimmung, die nun herrschte, nicht anstecken. Sie versuchten weiterhin möglichst viel Hochprozentigen in ihre Kehlen zu schütten und Coragon herumzuscheuchen. Doch irgendwie spürte Jibril, daß die beiden nicht ganz zufällig hier waren. Irgendwie würde man sie noch weiter beobachten müssen.

    Doch ihre Aufmerksamkeit wurde schnell wieder auf einen anderen Punkt gelenkt, denn die zwei lustigen Vermummten, die sie vorhin mit ihren Gesten versuchte zu imitieren, sorgten nun für zusätzlichen Tumult in der Taverne. Stimmung mal ganz anders. Zunächst sah es aus wie ein normaler Zwist zwischen zwei Streithähnen, doch das änderte sich schlagartig. Waren sie zunächst noch vollkommen wortlos, als ob sie sich nur mit ihren Händen oder gar ihren Gedanken unterhalten würden, brach es nun lautstark aus den beiden raus. Jibril stockte. Hatten sie sich anfangs noch „normal“ angeschrieen, wurden ihre Stimmen nun immer lauter und bedrohlicher. Kirie huschte zu Jibril und war aufgeschreckt. Auch die junge Frau spürte die Anspannung, die von den beiden ausging. Waren die meisten Besucher der Taverne anfangs noch uninteressiert an dem Zwist der zwei Fremden, blickten nun fast alle auf sie.

    Coragon sah den Frieden in seiner Taverne gefährdet und wollte einschreiten und meinte nur:
    >>Wenn ihr Stunk sucht, sucht euch eine andere Kneipe, aber nicht in meinem Haus!<<
    Doch die zwei Fremden schienen ihn nicht einmal wahrzunehmen, im Gegenteil. Die Bedrohlichkeit in ihren Worten, die einen seltsamen Akzent beinhalteten, nahm gröbere Züge an und auf einmal stand der eine von ihnen auf, nahm seinen Stuhl und schlug ihn direkt und mit voller Wucht an den Kopf von seinem Pendant.
    Die Menschen waren gespalten. Die einen schrieen, liefen aus der Taverne oder suchten Deckung vor den in alle Richtungen fliegenden Splittern, die anderen jubelten lautstark und grölten Parolen zu den beiden, als ob sie sich nichts Spannenderes vorstellen konnten als eine zünftige Schlägerei, die man sonst nur vom Hafen her kannte. Erstaunlich war die Reaktion des Getroffenen. Er blieb regungslos stehen als ob ihm der schwere Treffer überhaupt nichts ausmachte. Langsam griff er nur zu seiner Kapuze, als ob er sie von seinem getroffenen Kopf stülpen wollte…

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    Auserwählter Avatar von regorn
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    Die schwarze Katze huschte wieder hinüber zu ihrer Besitzerin, die mittlerweile aufgehört hatte zu singen. Auch der blinde Thomas spielte nicht mehr auf seiner Laute, denn seine Musik wurde von den beiden Magiern, die sich heftig anfingen anzuschreien, jäh unterbrochen. Die ganze Taverne verstummte für einen Augenblick und beobachtete die Streithähne. Als dann der erste Stuhl flog, lebte die Stimmung wieder auf und es erklangen Anfeuerungsrufe. Regorn aber hielt sich zurück. Er beobachtete mit Argwohn die nun aufkommende Schlägerei. Warum hatte dem einen der Schlag mit dem Stuhl nichts ausgemacht? Es schien so, als hätte diese Attacke nur seinen Zorn geschürt, denn er sank ein kleines Stückchen in sich zusammen und förderte einen Eiszauber hervor, den er blitzschnell in Richtung seines Gegners zischen ließ. Dieser jedoch sprang genau so schnell zur Seite, sodass der Eisblock nicht ihn traf, sondern den Krug des einen Veteranen, der sich daraufhin zu einem Eisklumpen verwandelte, was dem alten Krieger gar nicht zu gefallen schien.
    Coragon hatte sich, von der Eisattacke fürchterlich erschreckt, unter die Theke geduckt und betete nur noch zu Innos, dass er seine schöne Kneipe verschonen möge. Auch einige andere Kneipenbesucher, die eben noch herumgegrölt und die Streitenden angefeuert hatten, erkannten nun, dass dies keine gewöhnliche Kneipenschlägerei werden würde, und ergriffen die Flucht. Andere blieben wie versteinert, mit offenen Mündern sitzen und starrten die beiden Kämpfenden an.
    Als nächstes packte sich der am Boden liegende Magier ein auf dem Tisch liegendes Messer und warf es nach seinem Kontrahenten. Es verfehlte jedoch sein Ziel und blieb schnurrend in der Türzarge stecken. Nun ergriffen zwei ziemlich betrunkene Bauern Partei für den scheinbar Unterlegenen und zückten ihre Sicheln, um auf den anderen Magier zuzustürmen. Der eine schaffte es gerade einen Meter weit, krachte mit dem Kopf gegen die Ecke eines Tisches und sah nur noch Sternchen. Der andere schaffte es zwar, sich auf den Beinen zu halten, jedoch traf ihn, noch bevor er in der Nähe des Magiers war, ein von diesem abgegebener Blitzschlag und er sank zitternd zu Boden.
    „Verdammt, was ist hier heute los?!“, fluchte Regorn und sprang mit einem geschickten Satz hinter die Theke, um sich vor den Geschossen der Magier in Sicherheit zu bringen. Diese bekriegten sich munter weiter. Der eine rollte sich am Boden von Tisch zu Tisch, während der andere mit Blitzen nach ihm warf, aber immer nur Coragons Einrichtung traf. So ging es für einen Moment lang weiter, bis der Angreifer plötzlich inne hielt. Regorn atmete tief. Die Luft in der Kneipe schien zu stehen und alles wartete auf einen erneuten Angriff des Magiers. Plötzlich zischte ein Dolch direkt an Regorns Ohr vorbei und landete in der Wand hinter ihm. Das war zu viel! Regorn duckte sich, griff seinen Bogen und nahm einen Pfeil aus dem Köcher...
    Geändert von regorn (20.01.2007 um 13:51 Uhr)

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    Mythos Avatar von Ritley
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    Es war alles schnell gegangen, sehr schnell. Und dennoch konnte Veleif es voraussehen. Seine vom Alkohol getrübten Sinne klärten sich für einen kurzen Moment auf, fanden wieder zum Glanz vergangener Tage. Bis der Wirt mit zwei neuen Krügen Schnaps am Tisch der beiden Männer stand. Keiner von ihnen lehnte ab, kippte das brennende Gesöff eifrig die Kehle hinunter. Er war nicht gut, nicht einmal annähernd, doch er brannte und ließ sie auf andere Gedanken kommen. Für sie war dies mehr wert als der beste Wein des ganzen Reiches. Die aufbrausende Auseinandersetzung interessierte den Mann genau so wenig wie das hübsche Fräulein, deren Stimme durch den ganzen Raum schwebte. Zumindest bis sein Krug umgeworfen wurde.

    Dann überschlugen sich die Ereignisse förmlich. Zuerst war es nur ein Eisblock, den einer der Zauberer auf den anderen schleuderte, dann wurden es Blitze. Veleif hatte noch nie ein Gespür für die Magie gehabt, war im Wirken dieser unbegabt. Viele Schlachten gegen übermenschliche Kräfte jedoch verbanden ihn mit den Magiern. Seite an Seite kämpften und starben sie. Der Alternde hatte viele kommen und gehen, so manchen begabten jungen Kerl zusammenbrechen sehen. Doch die beiden Männer verstanden ihre Künste.

    Selbst der Löwe hatte sich nun aufgerichtet und schaute sich mit trübem Blick um. Seine Hand wanderte an seiner Seite entlang, suchte vermutlich das Schwert. Bedenklich wankend bahnte er sich nun seinen Weg durch den Raum, stieg über umgeworfene Tische und Stühle, während dem Treiben der Magier immer noch nicht Einhalt geboten wurde. Veleif seinerseits rührte sich nicht. Eine solche Situation war ihm nicht fremd. Die Magier konnten vermutlich das ganze Haus, wenn nicht sogar das ganze Viertel zerstören. Also sollte man etwas gegen sie unternehmen. Aber wer? Sein Blick gleitete seine Hüfte entlang, blieb am an seiner Hüfte hängend Schwert stehen. Die aufkommenden Gedanken mit einem heftigen Schütteln des Kopfes vertreiben wollend warf er einen Stuhl durch den Raum. Nein!

  14. Beiträge anzeigen #14
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    Rums! Das hatte gesessen. Ohne zu zögern ließen die Magier es krachen und kannten kein Pardon mehr, wie zwei wilde Kinder oder zwei unversöhnte Buhler schienen sie aufeinander loszugehen, niemand wollte nachgeben oder sich gar unterwürfig zeigen, niemand wollte dem Ganzen Einhalt gebieten und für Frieden sorgen. Jibril sah sich um, doch hier fanden sich anscheinend keine Helden, die eine solche Schlägerei stoppen konnten. Die meisten waren Bauern aus dem Umland oder Bürger des Handwerker- und Marktplatzviertels. Eine Wache der khorinischen Stadtwache war auch nicht in Sicht, obwohl diese ab und an auch in Coragons Taverne vorbeischauten. Einzig die zwei fremden Krieger schienen dazu in der Lage zu sein, doch diese blickten nur gleichgültig und müde zum Geschehen und sehnten sich nur nach mehr Alkohol. Und der Jäger? Auch er wartete lieber ab.

    Doch die zwei Vermummten hatten nun eine neue Dimension der Gewalt erreicht und ließen ihren Künsten freien Lauf. Zunächst raste ein Eispfeil auf die beiden Krieger, traf einen Krug und vereiste diesen binnen Sekunden. Die beiden Krieger schreckten auf und wollten nun anscheinend in den Zwist eingreifen, für welche Partei auch immer, doch noch bevor man überblicken konnte, was sie damit erreichten, hatten die Magier eine neue Welle an Gewalt ausgelöst und man konnte kaum mehr überblicken, von wem nun die ganzen Dolche, Eispfeile und Messer kamen. Auch einige stark Betrunkene mischten sich jetzt in den Kampf ein oder wollten es zumindest versuchen, andere wollten nur noch raus, mussten aber erst mal vorbeikommen.

    Plötzlich zischte ein Dolch direkt am Ohr des Jägers vorbei und verfehlte dieses nur knapp. Für Jibril, die nur knapp daneben stand, wurde die Situation jetzt zu heiß. Sie sprang zur Seite und sammelte sich im hinteren Eck, nahe dem Kamin und suchte Kirie, die sie im Getümmel kurz aus den Augen verloren hatte. Endlich hatte sie sie wieder gefunden und in ihre Tasche gepackt. Sie wollte sie jetzt nicht hier im Raum laufen sehen. Jibril sah, wie Coragon hinter seiner Theke kniete, die Hände gefaltet hatte und zu Innos betete. Man konnte die Angst förmlich riechen, die sich nun im ganzen Raum breit machte. Doch eine Pause legten die beiden noch immer nicht ein. Weiterhin flogen Dolche und Messer, Eispfeile und Blitze durch den jetzt immer enger werdenden Raum.

    Plötzlich flog ein Stuhl wild durch den Raum, scheinbar ziellos kam er aus der Ecke der beiden Krieger und Jibrils Gefühl schien sich zu bestätigen, dass diese beiden doch nicht zufällig hier waren. Doch auch der Jägersmann blieb nicht untätig. Nicht geschockt von dem Dolch, der sein Ohr nur knapp verfehlte, sondern eher wütend, griff er nach seinem Bogen und schoss einen Pfeil ab.
    Ob gezielt oder nicht, wer kann das in so einem Chaos schon genau sagen, traf das Geschoss direkt die linke Schulter des Einen und durchbohrte sie glatt. Doch kein Schmerzensschrei drang an ihr Ohr. Wie schon bei dem Stuhl, der den Anderen getroffen hatte, schien das Ganze absolut wirkungslos geblieben zu sein. Aber ganz wirkungslos war es nun nicht. Der getroffene Magier ließ für einen Moment von seinem Zauber ab, ließ seine Kapuze fallen und schnaubte wütend:
    >>Uuuaaarrgggh. Verdammt, das tut weh!<< Er zog den Pfeil wie Spielzeug aus der Schulter, die kein bisschen zu bluten schien und warf ihn weg. >>Das werde ich noch Wochen spüren Mal’Shak, nur wegen diesem blöden Streit, den du angefangen hast!<<
    Die Worte des nun nicht mehr Vermummten schienen sich bis tief in Jibrils Kopf zu bohren und auch wie er den Anderen nannte, schien nicht von dieser Stadt und Region zu stammen. Doch noch blieb keine Zeit nachzudenken, denn nach einem wütenden Blick zu jenem Mal’Shak drehte sich der Magier wieder um und erschaffte einen riesigen Feuerball in seiner linken Hand, die er sogleich in die Richtung des Jägers schickte.

    Das glühende Ding flog nicht lange, war der Weg doch sehr kurz und schlug mit lautem Knall in die Theke ein. Gerade noch rechtzeitig hatte sich der Jäger retten können und auch Coragon – unter der Theke kauernd – schien noch zu leben, doch die Flammen sprangen nun von der Theke zur Wand und zu umgefallenen Tischen und Stühlen und fraßen sich wie kleine Würmer durch das Holz.

    Die Menge schrie ein weiteres Mal und attackierte die Magier nun vereint, doch die entledigten sich meistens mit einem einfachen Hieb der Leute, die mit ihren Stichen selbst an Hals und Kopf keine Wunden reißen konnten. Schließlich wurde es dem, der Mal’Shak genannt wurde, zu bunt.
    >>Mal’Dun, du verdammte Kröte, sieh nur, wohin du uns wieder gebracht hast. Die Leute hassen dich und deine Ausraster!<<
    >>Mich? Du hast doch angefangen mich zu beleidigen! Ich stopf dir dein Maul!<<
    Des Magiers Kopf lief knallrot an und er formte – nun beidhändig – einen noch größeren Feuerball, der zudem noch einen blauen Schimmer enthielt, doch noch bevor er ihn auf den Anderen schleudern konnte, hob dieser die Hand und schrie wütend:
    >>GENUG! Du hast schon genug heiße Luft verbreitet! Ich werde diese Sache nun zu Ende bringen!<< und auch er bediente sich seiner Hände, doch führte er sie nur zu Boden und ließ so die Erde erzittern. In jenem Moment war für Jibril klar, daß sie hier raus musste, so schnell wie nur irgendwie möglich…

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    regorn ist offline
    Der Boden erzitterte und niemand konnte sich mehr auf den Beinen halten. Auch der Magier verlor das Gleichgewicht und schleuderte den riesigen Feuerball unkontrolliert in den Raum. In der Ecke standen 3 Fässer mit hochprozentigem Schnaps und mit einem ohrenbetäubenden Knall zerbarsten sie und setzten eine Flammenflut frei, wie sie Regorn sein Leben nicht gesehen hatte. Durch die gewaltige Explosion wurde alles durch die Luft geschleudert, was sich nicht hinter irgendetwas Schützendem verborgen hatte. Alles brannte lichterloh und nur die beiden Magier, die Veteranen und Regorn selbst waren noch halbwegs bei Sinnen. „Hey ihr Zwei da! Raus hier verdammt! Helft mir mit dem Wirt und Thomas! Sie leben noch!“, schrie Regorn den beiden Kriegern zu. Er schmiss Coragon über seine Schulter und versuchte so schnell wie möglich den Ausgang zu erreichen. Einer der beiden Krieger hievte den reglosen Körper von Thomas dem blinden Barden hoch und folgte Regorn. Der andere schien sich noch einmal zu überlegen, ob er die Magier nicht doch noch angreifen sollte.
    Kurz vor dem Ausgang krachte direkt vor Regorns Nase ein brennender Balken von der Decke hinunter. Er stöhnte und bedeutete den Veteranen ihm zu helfen. Mit einem kräftigen Hieb war der Balken entzwei geschlagen und die Drei konnten mit Coragen und Thomas die Flucht nach draußen ergreifen.
    Drinnen tobten die Magier, scheinbar unbeeindruckt von dem Feuer weiter. Doch als eine Flamme die Robe des einen ergriff und dieser nicht vermochte sie auszutreten, ergriffen sie auch die Flucht nach draußen auf den Platz vor der Taverne. Im Innern ließen sie Tod und Zerstörung zurück...

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    Mythos Avatar von Ritley
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    Veleif schaffte es im letzten Augenblick, aus der Taverne zu hechten. Hinter ihnen krachte es nur noch, Lichtblitze zuckten durch den Raum. Diese beiden verfluchten Magier waren vollkommen ausgerastet, nicht mehr bei Sinnen. Am liebsten hätte er ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Doch als er dieses Gefühl, dieses Bedürfnis realisierte, stockte ihm der Atem. Der Alkohol war wie weggeflogen, die vielen Schnäpse machten sich nicht mehr bemerkbar. Das Adrenalin hatte den Alkohol aus dem Blut gedrängt, der ihm nun in Form von Schweiß aus allen Poren drang. Der Krieger, mit dem er kurz zuvor noch am Tisch saß, schlug einen Holzbalken entzwei, als bestünde er Wachs. Veleif hatte tatsächlich einen Löwen vor sich, wollte es gar nicht wahr haben. Hatte man ihn geschickt, um ihn zu finden? Musste er sich nun doch noch seiner Strafe unterziehen? Nein, der Mann unterschied sich zumindest vom trüben Blick nicht merklich von ihm selbst. Womöglich hatte er es hier mit einer zweiten gescheiterten Existenz zu tun. Aber war das überhaupt wichtig?

    Trüb war sein Blick schon lange nicht mehr, doch immer noch gleichgültig. Er konnte aus dieser Stadt gehen und würde wahrscheinlich nie wieder etwas hiervon hören. Dann hatte er keine Probleme, konnte in Frieden weiterleben. Doch genau hier lag das Problem. Er würde nicht in Frieden leben können. Seine Zukunft holte ihn überall ein, egal wo er war oder in wessen Umfeld. Dieser konnte Veleif nicht entkommen. Sich umblickend sah er den anderen Mann, der mit in die Seiten gestemmten Armen dastand, die junge Frau mit der schönen Stimme und den blinden Thomas, der vorhin auf der Laute gespielt hatte. Außerdem noch etliche andere Bürger, die alle in Panik aus der Taverne geflohen waren. Das Beben war zwischenzeitlich nicht abgeschwächt, hatte sogar an Stärke gewonnen.

    Der Mann richtete sich auf, verschränkte die Arme vor der Brust und musste husten. Er bemerkte das Alter auf vielerlei Wege und es machte ihm zu schaffen, dass es nicht aufzuhalten war. Wo kann man hier wohl sonst noch einen vernünftigen Schnaps bekommen?, fragte er sich, während die versammelten Leute von ihm gemustert wurden.

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    Legende Avatar von Waylander
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    „Gehörte das zum Animationsprogramm?“, fragte der hünenhafte Krieger, als er sich zusammen mit dem anderen Mann und vielen weiteren Gästen aus der Taverne auf die Straßen der Stadt geflüchtet hatte. Die frische Luft klärte seine Gedanken, und er fragte sich, wie die Situation in der Kneipe so hatte eskalieren können. Er erkannte keinen Grund.

    In einer seiner verfilzten Taschen versteckte sich noch ein Stängel Kraut vor seinem Feuertod. Der Krieger kramte in der Tasche und förderte einen weißen Stängel an die Oberfläche. Es wehte ein kalter Wind und er hatte einiges an Mühe, sich den Stängel anzuzünden. Letztlich blies er aber die erste Rauchschwade in den Nachthimmel. „Das ist eine gute Frage“, brummte jemand im Dunkeln. Waylander war erschrocken. Er hatte bis vor wenigen Minuten keinen dieser Menschen zuvor gesehen. Zumindest hatte er sie nicht bewusst wahrgenommen. Er fluchte und wandte sich an den anderen Krieger, an dessen Gesicht er sich wenigstens erinnern konnte. „Wo kriegen wir jetzt was zu Trinken her“, raunte er. Der alte Mann zuckte mit den Schultern. Waylander schnippte den Krautstängel weg, sodass er in einem hohen Bogen über die Straße flog. „Wie ist dein Name, Löwe“, fragte ihn der Mann schließlich.

    Da war er wieder, der Moment, der jedes Mal aufs Neue ein tiefes Grummeln und Krämpfe in seinem Magen hervorrief. Jeder kannte Waylander den Schlächter. Er war eine Legende, eine der traurigsten und nüchternsten Legenden. Dieser Name würde so schnell nicht über seine Lippen kommen. „Man nennt mich Caradoras“, entgegnete er knapp. Benutzt hatte er diesen Namen noch nicht, daher war er selbst verwundert, wie unkompliziert es gewesen war. Die Gruppe vor der Taverne hatte sich erneut vergrößert. Waylander blickte in die Gesichter der Wartenden. Die unterschiedlichsten Stimmungen spiegelten sich dort wider. Mal war es Aufregung, dann Müdigkeit, Entsetzen. Waylander hatte sich noch nicht zu einer Stimmung durchringen können. Er war durstig, vielleicht war das auch eine Stimmung.

  18. Beiträge anzeigen #18
    Ritter Avatar von Jibril
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    Jibril ist offline
    Was für ein unglaubliches Spektakel, das hatte Khorinis noch nicht gesehen. Irgendetwas musste bei der finalen Auseinandersetzung der zwei Magier mächtig schief gegangen sein, doch alles ging so schnell, dass man nur erahnen konnte, was passiert war, nachdem der Eine die Erde zum zittern gebracht hatte. Die Taverne von Coragon war jedenfalls einmal, dort wo bis eben noch das stolze Gebäude stand, blieb nur noch eine qualmende Ruine. Einzeln flammten noch immer Feuer auf, die von der zerstörten Einrichtung prächtig genährt wurden, aber anscheinend nicht überzugreifen schienen.

    Jibril hatte sich in einer blitzschnellen Aktion verabschiedet, war durch ein offenes Fenster gehechtet und von dort aus auf das Dach eines nahe stehenden Hauses gesprungen, ein Ort, der vermeintliche Sicherheit vor der drohenden Katastrophe garantierte.
    Konnte die Stadtwache bislang den Streit noch überhören, so war dies kaum mehr möglich, nach dem Erdstoß und der irrsinnig lauten Explosion und dem quasi Verschwinden eines ganzen Hauses, dazu noch die hell auflodernden Flammen. Von überall her strömten die Menschen nun, selbst vom Hafen eilte sich die Menschentraube.
    Lautes Kommandieren war von der Kaserne zu hören und Jibril – mit, wie immer, bestem Blick vom Häuserdach ausgestattet - erkannte wie sich mehrere Milizen im Eiltempo auf dem Weg machten. Doch auch die Oberstadt ließ das Geschehen nicht kalt und so hörte man auch von dort eilig trampelnde Schritte, die sich rasch näherten. Einigen Neuankömmlingen stockte jedoch der Atem, als sie es an den Ort des Geschehens geschafft hatten, denn es roch nach verbranntem Fleisch, kein Zweifel, einige hatten es nicht geschafft und verbrannten nun in dem Feuerinferno, das teilweise noch immer dort tobte, wo einst die beiden Magier gestanden hatten, als ob es sich in den Boden gebrannt hätte.

    Die Szenerie war seltsam und auch Jibril sah mit großen Augen um sie herum, mit offenem Mund, der sich irgendwie nicht schließen wollte, bemerkte sie die Tragik der Situation und das Leid, das immer mehr einen Kanal fand. Tränen, Schreie, Hilferufe. Aber auch Lethargie und Hoffnungslosigkeit oder schlichtweg Ignoranz war zu beobachten unter denen, die dort standen. Doch trotz allem überwiegte bei den meisten die Freude, es überstanden zu haben, denn schließlich konnte ihnen ja jetzt nichts mehr passieren… aber war dem wirklich so?

    Plötzlich gab es ein erneutes Beben, das aber nur für einen winzigen Augenblick anhielt und wieder ging, doch dieser kleine Augenblick reichte aus, um ein neues Gefühl der Panik auszulösen. Gerade trafen die Milizen ein, als ein zweites Mal eine Art Stampfen zu hören war, dessen Ursprung in Coragons Taverne zu liegen schien. Schließlich sah man, wie etwas die Trümmer zur Seite schaffte und dort, wo das Feuer am hellsten brannte, ein dunkler Schatten aufkam. War es Zufall, dass es genau an jenem Ort war, wo die Magier standen?

    Nein! Erst drang ein markerschütternder Schrei durch sämtliche Ohren, dann hörte man wieder die vertrauten Stimmen der Magier… sie waren nicht tot, aber wie?
    >>Sieh nur was du angerichtet hast, du vermaledeiter Idiot! Meine Zunge ist verbrannt, ich werde Wochen nichts mehr spüren, das ist alles deine Schuld!<<

    Doch die Stimme ließ sich nicht lange bitten, aus dem – selbst für sie unangenehmen Feuer herauszukommen – doch was sahen da die Augen der inzwischen groß gewordenen Menge? Mit trägen, wenn auch großen Schritten stampfte eine Art Monster aus den Trümmern und zertrampelte dabei – ohne es scheinbar wirklich zu merken – einen zu nahe stehenden Soldaten. Diese Kreatur hatte kaum mehr etwas mit den Magiern gemein, die noch vor weniger als ein paar Augenblicken dort gekämpft hatten, es war nahezu doppelt so groß und es hatte zwei Köpfe! Noch immer nahmen die Streitigkeiten kein Ende und nun bekriegten sie sich sogar mit ihren Zähnen und versuchten jeweils den anderen zu beißen. Doch auch nur solange, bis sich der Kommandant der Milizwache von seinem Schock erholt hatte und das Monster angreifen ließ, das immer weiter Richtung Marktplatz „schlenderte“.

  19. Beiträge anzeigen #19
    Auserwählter Avatar von regorn
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    regorn ist offline
    Regorn legte Coragon auf eine Bank, die ein kleines Stück entfernt stand und wo er vor den Flammen sicher war. Der alte Krieger legte Thomas direkt daneben und verschwand wortlos wieder, um sich nach dem anderen umzusehen. Regorn versuchte indes Coragon und Thomas aus ihrer Ohnmacht zu wecken. Die beiden waren entweder von dem beißenden Rauch bewusstlos geworden, oder irgendetwas war ihnen auf den Kopf gefallen. Coragon zuckte, richtete sich blitzartig auf und übergab sich fürchterlich direkt über Thomas’ Gesicht, der ihm nachteilhaft zu Füßen lag, wovon eben dieser erwachte und mit einem Schrei des Entsetzens zur Seite hechtete. Er konnte zwar nicht sehen, was sich da über ihn ergoss, aber seine Nase war ein derart filigranes und genaues Sinnesorgan, dass er jede Einzelheit von Coragons erbrochenem Brei hätte aufzählen können, wenn ihn jemand danach gefragt hätte. Angewidert und völlig Orientierungslos stolperte Thomas hoch zur Schmiede und steckte seinen Kopf in ein Fass voll Wasser. Regorn wunderte sich über die Treffgenauigkeit des Barden, der sich offensichtlich an jedem Fleck der Stadt auskannte, wie in seiner Westentasche.

    Coragon hustete und wollte sich gerade bei Regorn dafür bedanken, dass er ihm sein Leben gerettet hatte, als ihm der Atem stockte und er noch bleicher wurde, als er ohnehin schon war. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen hob er langsam den Arm und bedeutete Regorn sich umzudrehen. Der Waldläufer drehte sich und machte im selben Augenblick einen erschreckten Satz nach hinten, als er das zweiköpfige Monster sah, dass da gerade aus den Trümmern hervorstapfte. Die Stadtwache, die unter dem Fuß der Kreatur zerquetscht wurde wie eine Fliege, hatte sich scheinbar nicht mehr in Sicherheit bringen können. Groß wie ein Haus war das Vieh und während die beiden Köpfe sich gegenseitig versuchten zu zerfleischen, stapfte es unwirsch in Richtung Marktplatz. Die hilflosen Milizwachen, die versuchten dem Monster mit ihren Schwertern und Armbrüsten beizukommen, prallten ab wie Hagelkörner auf der Hauswand oder wurden mit einer lässigen Fußbewegung weggeschleudert.

    Als Regorn die Lähmung durch den ersten Schock von sich abgeschüttelt hatte, rannte er zu einem Baum, schwang sich auf einen dicken Ast und zog seinen Bogen. Er versuchte nun die beiden verwandelten Magier mit seinen Pfeilen am Kopf zu treffen, was sich aber als schwierig herausstellte, da sich die Köpfe ständig umwunden und gegenseitig wegstießen. Der dritte Pfeil saß perfekt, nachdem die ersten beiden an dem zähen Vieh geradezu abgeprallt waren, im Auge des einen Kopfes. Laut aufheulend wankte das Monster nach links und riss dabei den Bierstand auf dem Marktplatz mit sich. Eine Wache wurde von einem herumfliegenden Holzbalken erschlagen, eine andere krachte vom Bein des Monsters getroffen gegen die steinerne Wand der Kaserne und brach sich das Genick. Schnell jedoch fing sich die Kreatur Beliars wieder und versuchte, nun nur noch mit drei Augen, den Angreifer auszumachen. Regorn hatte jedoch den Augenblick genutzt und war wieder von dem Ast hinunter gesprungen, um die Flanke zu wechseln und das Biest weiter mit Pfeilen zu beschießen. Doch komischerweise hatte der Beschuss nicht den erhofften Erfolg, weshalb Regorn fluchend den Bogen wieder wegsteckte und nach den beiden Kriegern suchte. Vielleicht war ja ein starker Nahkämpfer mit scharfer Klinge ein geeigneteres Mittel gegen diese Ausgeburt des Bösen.
    Geändert von regorn (21.01.2007 um 17:51 Uhr)

  20. Homepage besuchen Beiträge anzeigen #20
    Mythos Avatar von Ritley
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    Ritley ist offline
    Die Augen des Mannes waren nun nicht mehr zu Schlitzen verengt, wie in den meisten Situationen, die ihm bedrohlich erschienen. Vor langer Zeit einmal hatte er es geschafft, besonnen und richtig zu reagieren, obwohl er nicht einmal wusste, was das Richtige war. Der Alkohol hatte ihm diese Fähigkeit gründlich ausgetrieben. „Was bei Beliar sind diese verdammten Dinger?“, fluchte er lauthals los. Das waren die einzigen artikulierten Laute, seitdem er den Mann nach seinem Namen fragte. Ob er stimmte oder nicht, war ihm gleich. Es war ein Name, so gut, wie jeder beliebig andere auch.

    Nun jedoch stand Veleif vor einem ganz anderen Problem. Dieses Etwas bewegte sich schneller als man es von seiner Größe schließen wollte in Richtung des Marktplatzes zu. Höchstwahrscheinlich würde es auf dem Weg dorthin noch mehr Menschlein zertrampeln. Plötzlich jedoch, verbunden mit den Schmerzens- und Todesschreien der Menschen, regten sich in ihm Gefühle, an die er nicht einmal mehr denken mochte. Wut flammte auf, grenzenlose, zerstörerische Wut. Nein!, schrie er innerlich auf, wollte sich selbst daran hindern, wohl wissend, was nun kommen würde. Es geschah wieder genau wie damals, im Krieg, am Schauplatz des schlimmsten Verbrechens, das jemals an Menschen begannen wurde. Bilder der Schlacht tauchten wieder vor seinem inneren Auge auf, raubten ihm den Atem, beschwerten seine Brust wie mit einem zentnerschweren Gewicht. Eine eiserne Kette legte sich eng um seinen Hals, raubte ihm die Freiheit, von der er glaubte, sie schon lange nicht mehr zu besitzen.

    Langsam nur wanderte seine rechte Hand hinunter zum Schwertknauf. Der große Zweihänder, das Bastardschwert. Es erschien Veleif wie eine Ewigkeit, dass er es nicht mehr in Händen hielt. Die meisterlich gefertigte Klinge, das mit Erz verstärkte Schwertheft, der blanke, glatte Stahl. Es wog schwerer in seinen Händen, als es sein durfte. Das Eigengewicht des Schwerstes schien von Mal zu Mal mehr zu wiegen. Es wehrte sich ganz offensichtlich, benutzt zu werden. Es wollte nicht als Instrument des Todes dienen. Und dennoch kam es in diesem Moment nicht darum. Mit einem starken, atemraubenden Stechen im Herzen schritt er langsam auf die Kreatur zu, die er in keine Schublade ordnen konnte. Was ist das für eine verfluchte Ausgeburt der Hölle? Scheinbar hatte auch der andere Mann nun ein Schwert in seinen Händen. Ein Löwe, wie Veleif einst einer war. Zwei Löwen an einem Ort. Das erste Mal seit Jahren musste er schmunzeln, als er sich an die Geschichten erinnerte, die man sich über die Löwen erzählte. Eine davon handelte von zweien, die sich aus reinem Zufall begegnete. Sie wurden Zeugen eines Meuchelmordes. Beinahe fünfzehn Mann stellten sich ihnen entgegen. Alle wurden getötet, jeder von ihnen durch ihre Schwerter in das Reich Beliars geschickt. Die jungen Leute taten es als bloße Lügenmärchen ab, die Löwen selbst jedoch wussten es besser. Tanzten sie einmal den Tanz des Löwen, stand nichts mehr dort, wo es hingehörte.

    Mit geschlossenen Augen nahm er die Figur des hungrigen Schakals ein. Sie passte wie die Faust aufs Auge. Er war der hungrige Schakal. Hungrig auf den Tod.
    Geändert von Ritley (21.01.2007 um 18:14 Uhr)

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