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Fort Nemora
Die Luft knisterte vor Anspannung, als die beiden Gruppen sich erneut gegenüberstanden. Jaleel, dessen Herz wie ein gefangener Vogel gegen seine Rippen hämmerte, versuchte, sich auf Robas' Ratschläge zu konzentrieren.
„Nah am Körper, so wenig Bewegung wie möglich.“
Er umklammerte den Holzschild, dessen raue Oberfläche sich in seine Handflächen grub, und versuchte, seinen Atem zu beruhigen. Die andere Gruppe, eine bunte Mischung aus abgehärteten Kriminellen und verwirrten Bauern, spiegelte seine eigene angespannte Erwartung wider.
Dann kam das Signal. Ein gutturales Gebrüll von Bill, und die Welt explodierte in einer Kakophonie aus Rufen und dem Zusammenprall von Holz und Stahl. Jal spannte sich an, als ein schwerer Schlag seinen Schild traf. Der Aufprall sandte einen Schmerzstoß seinen Arm hinauf, seine Muskeln zitterten als Reaktion. Er stolperte zurück, desorientiert, schaffte es aber, sein Gleichgewicht wiederzufinden, seinen Schild instinktiv erhoben, um ihn zu schützen.
Der Kampf war chaotisch. Schilde prallten aufeinander, Schwerter blitzten, und die Luft war dick vom Geruch von Schweiß und Angst. Der Varanter, überwältigt von der Plötzlichkeit des Angriffs, verspürte eine Welle der Panik. Er versuchte, sich an Robas' Anweisungen zu erinnern, aber sein Verstand raste, seine Gedanken ein Durcheinander widersprüchlicher Befehle.
Vorwärts bewegen... stillstehen... dich schützen... angreifen...
Er sah Amalie, ihr Gesicht zu einer Maske der Wut verzerrt, die einen Gegner angriff. Aber ihr Angriff war ungeschickt, leicht pariert, und sie stolperte zurück, aus dem Gleichgewicht. Die Schildmauer schwankte, eine Welle der Verwundbarkeit breitete sich durch die Reihe der Gegner aus.
Jaleel verspürte einen Adrenalinstoß. Er musste etwas tun. Aber was? Er schaute zu Robas auf, suchte Führung, aber der ältere Mann war in einen heftigen Kampf mit zwei Gegnern verwickelt, sein Gesicht grimmig, seine Augen verengt.
Dann verschob sich etwas in Jaleel. Ein Urinstinkt, tief in ihm vergraben, erwachte. Er hörte auf zu denken, hörte auf zu versuchen, die Situation zu analysieren. Er reagierte einfach. Er stieß vorwärts, sein Schild ein Rammbock, der den Feind zurücktrieb. Er spürte das Gewicht von Robas, das gegen ihn drückte, eine stille Anerkennung ihres gemeinsamen Ziels.
Der Kampf wurde zu einem verschwommenen Bild der Bewegung. Er spürte ein Schwert knapp an seiner Schulter vorbeigehen, den erschütternden Aufprall seines Schildes gegen einen anderen. Er sah Esram, sein Gesicht blass, aber entschlossen, mit einer Wildheit kämpfen, die seine schmächtige Gestalt Lügen strafte. Er sah Kayla, ihre Augen verengt zu Schlitzen, die sich bemühte, sich gegen einen größeren Gegner zu verteidigen.
Er wusste nicht, wie lange sie kämpften. Die Zeit schien in dem Chaos jede Bedeutung zu verlieren. Er spürte, wie seine Kräfte schwanden, seine Arme schwer wurden, sein Atem in zerrissenen Atemzügen kam. Aber er weigerte sich, aufzugeben. Er drängte weiter, angetrieben von einem hartnäckigen Willen zu überleben, die Menschen um ihn herum zu schützen.
Schließlich ließ der Kampf nach. Die Luft hing schwer vom Geruch von Blut und Schweiß. Jaleel sank auf die Knie, nach Luft schnappend, sein Körper zitterte vor Erschöpfung. Er blickte sich um, sah seine Mitkämpfer, deren Gesichter von einer Mischung aus Erleichterung und Erschöpfung gezeichnet waren. Einige waren verletzt, ihre Körper mit Prellungen und Schnitten gezeichnet. Andere standen schweigend da, ihre Augen auf den Boden gerichtet, scheinbar in ihrer eigenen privaten Hölle verloren.
Bill, sein Gesicht grimmig, überblickte die Szene.
„Noch einmal“, bellte er, seine Stimme heiser, „Und diesmal schneller. Aggressiver. Ihr müsst lernen, zu antizipieren, zu reagieren. Das ist kein Spiel.“
Jaleel, dessen Körper schmerzte, wusste, dass Bill Recht hatte. Das war kein Spiel. Es war eine brutale, unversöhnliche Realität. Eine Realität, in der das Überleben von Stärke, Geschwindigkeit und einem unerschütterlichen Lebenswillen abhing.
Als er mühsam aufstand, verspürte er eine seltsame Klarheit. Die Angst, die ihn zu Beginn der Übung ergriffen hatte, war gewichen und hatte einer kalten, harten Entschlossenheit Platz gemacht. Er wusste, dass er kein Krieger war, noch nicht. Aber er lernte. Er lernte zu kämpfen, zu überleben, auszuharren.
Eine weitere Runde folgte und die eben geglaubte Klarheit erlangt zu haben, verschwand beim neuerlichen Anblick des Schildwalls, der sich vor ihm befand. Würde es jedes Mal so sein, wenn er kämpfen musste? Diese Angst davor verletzt oder gar getötet zu werden? Die Sorge selbst Leben nehmen zu müssen, selbst wenn es in dieser Trainingsumgebung nicht dazu kommen sollte? Bisher hatte er jede Runde bis zum Schluss kämpfen können, war nicht getroffen worden, doch im Schildwall ging alles viel zu schnell und der eigene Verstand kam kaum jeder Bewegung hinterher, die um einen herum geschah.
Dies stellte sich als die vorerst letzte Runde heraus und hier war es auch, dass Jal einen Treffer gegen seine Schulter einstecken musste. Ein Kratzer, doch er war herausgezogen worden.
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Er war ganz zufrieden. Hier und da nickte er sogar, als er die Rekruten bemaß. Sie wurden besser. Gut waren sie natürlich immer noch nicht, aber vielleicht langsam als Futter für die Frontlinie brauchbar. Erneut war er gütig gewesen. Wie der Vater der sich um seine Kinder sorgt. Er hatte Ihnen Zeit und Nahrung zugestanden, auf dass sie sich erholen konnten. Denn was nun folgte, folgen musste, war die vorerst größte Herausforderung.
»Bleibt sitzen«, sprach er väterlich. Sie ahnten schon, dass es kein gutes Ende nehmen würde. »Jetzt erfahrt ihr, warum sie mich Blutstahl nennen«. Er ging durch die Reihen und klopfte dem ein oder anderen auf die Schulter. »Es war tiefste Nacht als ich mein erstes Leben nehmen musste. Ich stand am Waldesrand von Reddock und pisste gegen eine der Eichen«. Lucan stellte sich in eine bestimmte Pose. Manche lachten. »Mein Schwert lag angelehnt an den gleichen Baum. Ich hatte es gerade erst erhalten. Als Auszeichnung. Oh Innos’ wie stolz ich war.«. Er lies seinen Blick schweifen und legte eine Hand auf die Brust. »Während ich beschäftigt war hörte ich es knacken hinter mir. Ich fuhr herum, in Angst es könnte ein Ork sein, doch ich blickte in die Fratze eines Wanderers. Dunkle Kleidung, fettige Haare, ein Bart von deutlich mehr als Wochen. Die Auszehrung im Gesicht. Gib mir alles was du hast, sagte er. Bevor du nachher im Staub vor mir liegst«. Der Streiter ging wieder ein paar Schritte. Und klopfte dann auf einen Tisch, bevor er sich auf den Tisch setzte. »Ich zog meine Hose hoch und fuhr zur meiner Waffe. In dem Moment wo ich sie griff schlug er sie mir aus der Hand. Ah ah, hatte er gesagt. Sei nicht zu mutig du kleines Ferkel, sprach er. Mir schlotterten die Knie. Doch beugen kam für mich nicht in Frage«. Für einen Moment schien es, dass er selbst schlotterte, als er darüber nachdachte. »Ich wollte zum Schwert er rammte mir seine rostige Klinge in die Schulter. Ich fiel und die Klinge brach. Ich lag dort einen unendlichen Moment. Einen Moment in dem ich mich entscheiden musste. Will ich leben oh Innos’ oder will ich zu Beliar fahren? Leben oder Tod?«. Lucan stand wieder auf und ging durch die Reihen so als wollte er die Frage an die Sitzenden verteilen.
»Leben!«, donnerte er kurz danach. »Ich stand auf zog die Klinge aus meiner Schulter, schaute in die miese Fratze und rammte...« Er atmete spürbar ein und aus. Keuchte und schluckte. »Es brauchte noch einen Hieb von meinem Langschwert. Dann war es vorbei. Als ich wieder ins Lager kam und sie mein Blut überströmtes Angesicht sahen, meine Schulter und meine Hände, mit denen ich die rostige Klinge festhielt, da nannten sie mich BLUTSTAHL«. Er zog seine Klinge. »Jetzt werden wir eine Übung machen die auch schaut aus welchem Holz ihr seid. Der Knabe der nicht knien wollte kommt zu mir. Mann gegen Mann. Die anderen werden mit meinen engsten Brüdern Vorlieb nehmen. Wir werden alles aus euch herausholen. KEINE GNADE«
Draco
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Fort Nemora
“Das ist also seine Geschichte…”, murmelte Danzo neben ihr und blickte zu jenen, die sie auf ein Neues prüfen würden. Naira indes versuchte mit der Zunge ein Stück…was auch immer…zwischen zwei Backenzähnen weg zu pulen. Es störte sie und bestimmte Wurzeln, um sich die Zähne zu putzen, kannten die Myrtaner nicht.
“Denkt dran, dass sie genau hinschauen, wer was kann und nicht. Sie sortieren sicher bald aus.”, mahnte Robas an, der auf ihre Fragen in der Pause nicht eingegangen war. Wo er zu kämpfen gelernt hatte und wieso er nicht bei denen war. Er wollte darüber nicht sprechen. Einzig klar war, dass er selbst einmal ein Rebell war und für ein freies Myrtana kämpfte. Nur wo? Scheinbar erkannten ihn die Soldaten hier nicht. Nicht beim Namen und nicht beim Gesicht.
“Verdammte Hundesöhne.", knurrte Esram, der sich zwar als flink, aber weniger talentiert mit dem Schwert bisher gezeigt hatte. Diesesmal hatten seine Emotionen mehr Gewicht als sein Akzent. Ein Jaleel sprach, weil er in Varant so aufgewachsen war. Völlig typisch. Esram hingegen…wechselte nicht zum ersten Mal in einen Akzent den man wesentlich besser verstand. Naira merkte sich das und sah zu, wie Esram nach vorne ging. Er durfte gleich ran und das gegen Darquan. Barik hingegen gegen Bill und Danzo gegen Troy. Gallhadan nahm es mit Amelie auf, die einen Verband um ihre Kampfarm hatte und auch Gardist Finley war heute dabei. Der, der ihnen damals die erste Lektion in Sachen Grundstellung beibrachte. Er bekam Amelies Mann als Gegner. Der Rest wartete wie Naira selbst.
“Egal wen du bekommst. Du bist flink genug für alle. Teil nicht zu sehr aus, das macht es ihnen leichter. Du wirst sie auch nicht müde bekommen. Das sind Soldaten und keine Milizen. Sei einen Schritt voraus und du wirst deine Gelegenheit bekommen.”, sagte Robas und sah sich um. Es war, als würde er sich wenig für seinen nahenden Kampf interessieren. Vielmehr sah er sich um, als eine Kompanie Soldaten vorbei marschierte, die ein eigenes Banner bei sich hatte. Er musterte jedes Gesicht dort und schüttelte dann kaum sichtbar den Kopf. Wen suchte er?
“Danke, Robas. Du…”, sagte sie, doch Robas winkte ab und deutete auf die Kämpfe. Darauf sollte sie sich konzentrieren.
Amelie sah wegen ihrer Verletzung ziemlich alt gegen Gallhadan aus. Sie parierte wenige Male das Säbel, versuchte dann körperlich und mit wilden Attacken nach vorne zu preschen und hatte dann ihren Platz auf dem Boden gefunden. Gallhadan hatte mit Mühen die Attacken abgewehrt und den Moment genutzt, um ihr ein Bein zu stellen, da sie viel zu ungestüm vorging.
Esram war mit Darquans ersten Hieb schon entwaffnet worden und musste sich Sorgen machen.
Danzo hatte es tatsächlich geschafft ganz gut gegen Troy auszuschauen, da er seine Fähigkeiten und Athletik nutzte, um Troy ins Gesicht zu schlagen und den Schild fast aus seinen Händen zu reißen. Gleichzeitig hatte er wohl bewusst sich dann besiegen lassen, als Troy wütend konterte und Danzo selbst eine verpasste.
Gardist Hakon und Sir Eyck hatten sich als Zuschauer dazu gesellt und dies wohl gesehen oder richtig gedeutet. Sie unterhielten sich auf jeden Fall über Danzo.
Barik gegen Bill war hingegen eine Materialprüfung sondergleichen. Der bärenhafte Mann machte das gut gegen Bills Langschwert. Er hielt die Distanz und schlug wütend mit seinem Kurzschwert zu. Hätte er einen Zweihänder, wäre Bill gut beschäftigt gegen die urige Kraft des Baribal. So aber fand Bill die Lücke. Sorgte dazu, dass Barik einen leichten Schnitt am Bein und Bauch bekam und erwischte Barik sprichwörtlich auf den falschen Fuss, als dieser zurück setzte. Der Hüne stolperte und da wo noch ein Hieb im liegen möglich war, da nutzte Bill die Gelegenheit um mit seiner Klinge zuzustechen und wenige Zentimeter neben Bariks linken Ohr die Klinge im Boden zu versenken. Zwei Tritte für eine Schart im Langschwert inklusive.
Zuletzt war es Amelies Mann Nohr, der gegen Finley keine Chance hatte. Finley war mit der Beste, wenn Naira das schon beurteilen konnte. Die Bewegung, Konzentration und Körpersprache sprachen für einen erfahrenen Kämpfer mit dem Schwert oder besser Duellanten. Was ihr auffiel, war dass er nicht diese Grundaggressivität und Zorn seinem Gegner gegenüber trug, wie die anderen. Er hatte Spaß am Duell, lehrte fast schon Amelies Mann etwas dazu und besiegte ihn ohne große Umschweife, als sich ihre Klingen kreuzten und Finley in einer wohl oft geübten und umgesetzten Bewegung Nohr einfach entwaffnete, indem er dessen Klinge mit seiner Klinge aushebelte.
Blendete man die äußeren Umstände aus und dass einige der Gardisten einfach nur Schweine und Drecksäcke waren, dann konnte man vom bloßen Zusehen schon dazu lernen. Naira hätte gerne auch Jaleel gegen Blutstahl gesehen, doch sie war selbst dran.
So wie auch Robas und andere der blauen Gruppe.
Naira bekam es mit Bill zu tun und hätte darauf wetten sollen, dass er ihr eine neue Lektion beibringen wollte. Es wäre zu einfach gewesen, dass sie gegen Finley antritt und was dazu lernt. Gegen Bill konnte man manches erwarten - jedoch nichts Gutes.
“Zuerst der dumme Bär. Jetzt die kleine Waldschlampe. Du wirst im Hurenhaus enden, wenn ich dich gleich in den Staub schicke. Dann kommen Troy, Stallion und ich dich besuchen. Keine schwarze Reila, die dich schützt. ”, grüßte er sie auf seine charmante Art.
Naira war versucht zu kontern, hatte den passenden Spruch parat, aber ließ es sein. Nicht heute und nicht vor ihrem Kampf. Sie blickte kurz zu Robas, der gegen Darquan antreten durfte und dann zu Bill.
“Bereit.”, sagte sie kurz und der Kampf begann.
Bill zeigte wie Stallion vor ein paar Tagen wer den Kampf dominieren würde. Er ließ Naira kaum Gelegenheit eigenen Akzente zu setzen und jagte sie regelrecht mit Stichattacken und Hieben. Sie indes machte finke Schritte. Oft drei Schritte, während Bill da behäbiger in seinem Stil wirkte und es vielleicht auf zwei Schritt, eher einen Schritt schaffte. So kam er ihr aber nicht hinterher, da konnte das Schwert noch so lang sein. Naira zog Kreise, bewegte sich zick-zack nach hinten oder entwischte Bill, indem sie seitlich an ihm vorbei huschte, wenn seine Attacke ins Leere ging und er mit seinem Waffenarm nicht nach ihr grabschen konnte.
Natürlich musste sie in bestimmten Momenten auch einen Angriff abwehren. Dabei parierte sie die Klinge mit ihrem Kurzschwert nur zweimal und ließ es dann möglichst, denn er schmerzte ungemein in den Armen so eine Wucht, die vom Langschwert aus ging zu blocken. Vielmehr wandte sie Gelerntes oder ihr klar Gewordenes an.
Sie deutete eine Parade an, zog dann zurück und ließ Bill ins Leere schlagen, um dann mit ihrer Klinge gegen Bills Langschwert zu schlagen. So konnte er keine Kombination ausführen und musste erst einmal seine Waffe wieder kontrollieren. Das gab in den seltenen Fällen dann Raum, um mehr zu wagen und zu erhoffen, als nur auszuweichen.
So schlug sie zum dritten mal mit Erfolg gegen Bills Klinge die einen seitlichen Hieb beschrieb und jagte dann direkt mit ihrem Kurzschwert nach Bill, indem sie zum Stich ansetzte. Der machte einen Schritt zurück, zog seine Waffe an sich um zu verteidigen. Naira setzte nach, indem sie von der Stichattacke, einen schnellen Schlag von links kommend gegen Bill setzte, dann direkt von rechts kommend und dieser seine Klinge beidhändig führen musste, um beide Attacken zu parieren und zu kontern.
Naira wagte es dann zuzustechen und hatte Bill beinahe. Musste aber lernen, dass ein Stich ins Gesicht einfacher abgewehrt werden konnte, wie eine Attacke in den Oberschenkel. Bill reagierte mit seiner ganzen Erfahrung, lenkte die Waffe zur Seite und schlug mit dem Knauf nach Naira.
Naira kniete flink ab, machte sich auf der Hand abstützend eine halbe Drehung zur Seite und wusste, dass sie sich schnell weg bewegen musste, da schon Bill weiter angriff. Sein Tritt verpasste sie, die Klinge jagte ihr nach und dasselbe Spiel entstand. Sie hielt Abstand und er lockte sie, da er ihr Spiel endlich durchschaute.
Was also tun? Sie wollte nicht erwischt werden und Bill hatte in diesem Moment einzig allein diese Absicht.
In Freiheit wäre sie nun davon gelaufen, weil es das klügste war. Hier wollte sie es nicht hinauszögern. Sie änderte ihren Stil von einem auf den anderen Moment - falls man das überhaupt konnte mit ihrer Erfahrung. Sie stürmte auf Bill, blockte beidhändig das Langschwert mit ihrem Kurzschwert und drückte mit ihrem Tempo und den Händen am Kurzschwert gegen Bills einhändig geführte Waffe.
Natürlich reagierte er mit Widerstand darauf, doch erst in jenem Moment, da Naira schon drei kurze Schritte nach vorn getan hatte.
Sie löste die Blockade der sich kreuzenden Klingen und versuchte es Danzo gleich zu machen. Sie sprang und trat mit beiden Beinen nach Bill.
Leider traf sie nicht so effektiv wie es Danzo konnte und es war lächerlich, dass sie versuchte den stämmigen Bill am Oberschenkel zu erwischen, während er in gebeugter Kampfhaltung da stand.
Er musste einen Schritt zurück machen und nutzte den Moment um ihr mit der Handrückseite eine zu scheuern und zu Boden zu schlagen. Dann hielt er ihr die Klinge an den Hals und sie war besiegt. Es war womöglich der längste Kampf bisher. Gleichzeitig aber gab es stets nur einen kurzen, seltenen Schlagabtausch.
Sie hatte das getan, was ihr momentan möglich war und würde wohl mit einen dicken blauen Fleck am Jochbein damit bezahlen, während Bill sie auslachte, ausspucken und sie aufforderte gefälligst aufzustehen.
“Im Hurenhaus bekommst du ein ganz besonderes Zimmer. Wir werden dich allen empfehlen. Da kannst du noch so viel herumspringen und versuchen zu entkommen. Da wird es für dich enden, Waldbanditin.”, versprach ihr Bill nicht hörbar für seine Vorgesetzten, aber jene die nah genug waren.
“Noch bevor es für mich endet…wird es für jemand anderen ein Ende geben.”, sagte sie wütend und sah Bill nicht direkt an. So war es keine offene Drohung. Naira erhob sich, rieb sich die Wange und hob dann ihr Schwert auf. Ihr Kampf war vorbei.
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Fort Nemora
Schild und Schwert ohne Spannung gen Boden gerichtet, trat Jaleel vor Blutstahl, der ihn mit einem absonderlich väterlichen Gesichtsausdruck begutachtete. So viel älter als der Chronist konnte der Mann nicht sein, doch seinem Gebaren nach schien er den Unterschied an Erfahrung, die sie hatten, als ausreichend zu empfinden, um sich erhaben zu fühlen. Und gewiss war er ihm bei Weitem überlegen. Jal war nicht einfältig oder naiv genug zu glauben, dass wenige Wochen rigorosen Trainings ausreichten, um einem selbsternannten Kriegshelden des Orkkriegs etwas entgegensetzen zu können. Es war in seinen Augen nur eine weitere Möglichkeit die Sträflinge vorzuführen. Ihnen vor Augen zu halten, wie weit unter den Myrtanern sie standen.
„Mach dich bereit, Junge“, lächelte Lucan ihn unheilvoll an und ließ das gut gepflegte und dennoch geschichtenreiche Langschwert kreisen.
Den Schild dicht am Körper haltend, hob er seine eigene Übungswaffe. Wäre dies ein Kampf in der Arena, würden sich die beiden zunächst ein wenig abtasten, ausladende Bewegungen du viel Getänzel, um den größtmöglichen Schaueffekt zu erzielen. Doch der ehemalige Sklave ahnte, dass es nicht so verlaufen würde. Blutstahl würde ihn bis auf die Knochen testen und seinen Worten getreu keine Gnade zeigen. Für Jaleel bedeutete dies, dass er nur hoffen konnte, nicht zu schwer verletzt zu werden.
Trotz allem neigte der Sohn der Wüste das Haupt. Respekt hatte Blutstahl zwar nicht verdient, doch zumindest dem Kampf selbst galt es jenen zu zollen. Die Grundhaltung einnehmend, schob er sich dann Schrittweise dem Ritter entgegen. Seine beste Chance bestand darin, die Entfernung gering zu halten, damit das Langschwert nicht seine volle Kraft entfalten konnte.
„Ja, kriech deinem Schicksal entgegen. Lass dich von Innos‘ Glanz umhüllen und die Stärke seiner Streiter spüren!“, rief Blutstahl und ging nun seinerseits auf den unfreiwilligen Rekruten zu.
Ein dumpfer Ton hallte in Jals Ohren wider, als der kräftige Stahl sich in das Holz des Schildes grub. Die Wucht des Aufpralls warf ihn beinahe einen Schritt zurück, doch er hielt stand und drückte dagegen an. Sein Ziel war es die Klinge näher an des Trägers Körper zu bekommen, doch dieser riss das Schwert mit einem starken Ruck wieder heraus und brachte sich in eine für ihn günstige Position.
„Siehe die Stärke, mit der unser Herr Innos mich beschenkte!“, rief Lucan und sonnte sich einen Augenblick in der Herrlichkeit seiner Vorstellung.
Der Varanter versuchte die Worte des Ritters auszublenden, sich einen Vorteil zu verschaffen, indem er an seinem Plan festhielt. Unerwartet machte er zwei schnelle Schritte nach vorn und wollte sich mit dem Schild voran gegen Blutstahl werfen, doch dieser machte einen eleganten Schritt zur Seite.
„Ah-ah-ah“, tadelte er ihn und schnalzte abwertend mit der Zunge, „Niemals dem Gegner den Rücken zudrehen.“
Mit den letzten Worten trat er Jaleel in den Rücken und schickte ihn strauchelnd zu Boden.
„Steh auf, Unreiner! Du hast noch nicht genug gesehen“, forderte er großspurig und der Rekrut rappelte sich wieder auf.
Ein dumpfes Gefühl der Wut brodelte in seinem Magen, doch er wollte dem nicht nachgeben. Starke Gefühle waren ihm nicht geheuer, denn sie trübten sein Urteilsvermögen. Vielleicht aber war es auch die Flamme Innos‘, von der der Magier gesprochen hatte, die ihn ihm brannte. Ein weiterer Grund dem Brennen nicht nachzugeben.
Stattdessen versuchte er es mit einem neuerlichen Ansturm, aber bemessener, sodass er das zweite Ausweichmanöver antizipieren konnte. Blutstahl wich bewusst in die Richtung des Schildarms aus, sodass der Chronist nicht mit dem Schwert nachsetzen konnte.
Gezwungen sich in die Richtung des Ritters zu drehen, um einen Treffer zu landen, war der Bogen, den seine Waffe zurücklegte, zu ausladend und wurde mit einer Einfachheit pariert, die an göttliche Fügung grenzte.
„Siehst du? Innos lässt dich mich nicht treffen! Er lenkt die Schwerter meiner Feinde von mir ab und führt das meine zu seinem Ziel!“
Wie, um seine Worte zu unterstreichen, stach er knapp an dem Schild Jaleels vorbei und ritzte ihm die Schulter auf. Ein Zischen vor Schmerz entwich dem Varanter, doch er klammerte sich an den Schild und zog ihn nach oben, um eine Blöße bei Blutstahl zu erzwingen.
Die Klinge wurde nach oben gelenkt und er setzte einen neuerlichen Hieb gegen den Oberkörper Lucans an. Mit seinem gepanzerten Handschuh lenkte er die Klinge jedoch ab, wobei das Metall kreischte.
„Ein guter Versuch, aber ein schwächlicher Arm“, spottete er und brachte einen Schritt mehr Abstand zwischen sie.
Dann entschied der Ritter wohl, dass es genug der Vorführung war, den seine Miene versteinerte und er ging in die Offensive. Schlag und Schlag führte er aus, die Jal alle mit dem Schild abwehrte. Sein Arm schmerzte immer mehr unter dem Stakkato an Hieben und er bekam mehr und mehr Schwierigkeiten mitzuhalten. Doch sein Glück endete, als Blutstahl das Langschwert beidhändig griff, einer Axt gleich von oben zuschlug und den dünnen Metallrahmen des Schildes durchschlug. Mit einem kräftigen Ruck riss seine Waffe samt Schild zurück.
Der Varanter wurde nach vorn gezogen, weil sein Arm in der Schlaufe des Schildes hing. Sein Schwertarm ruckte zur Seite und offenbarte einen Weg für Blutstahl Knie, welches sich in seinen Magen grub.
Keuchend und Spuckend sackte Jaleel auf die Knie. Sein Schildarm hing taub an seiner Seite und sein Schwert steckte ihm erdigen Boden, hielt ihn aufrecht.
„Das war eine schändliche Darbietung“, bewertete Blutstahl den kurzen Kampf, „Mach Platz für einen der anderen.“
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Er ging auf und ab und fuhr sich über den Schädel. »Hmm hmm hmm«, machte Lucan so als müsste er wirklich tief nachdenken. »Hmm hmm hmm«, machte er wieder als würde ihm ein Gedanken wie Wasser durch die Finger gleiten. »Hmm hmm hmm«, ein drittes Mal. Dann blieb er wie angewurzelt stehen. »Es können nicht alle bestehen!«, verkündete er. Erst etwas leiser. Dann schrie er es noch einmal. »Es können nicht alle bestehen!!!«. Er zog sein Schwert und stürmte auf die Rekruten zog. Fanatismus glänzte wie Rubine in seinen Augen. Das innere Feuer war erwacht. Sie wussten nun wer er war und jetzt würden sie herausfinden wer sie sein wollten.
»Ihr werdet gegeneinander antreten! Ihr alle!«, verkündete er. »Dann werden wir sehen welche von euch noch weiter geschliffen werden müssen und welche in die Minen wandern müssen«, drohte er. »Es wird ein Turnier geben und wir die Ausbilder werden entscheiden, wer sich gut genug schlägt, um weiter die Erlaubnis zu erhalten zu lernen.«. Blutstahl bellte einige Befehle in Richtung der anderen Ausbilder und es wurde hastig dafür gesorgt, dass immer zwei Rekruten sich gegenüber standen. »Wählt selbst eure Waffen und schaut eurem Gegenüber ins Angesicht. Nur einer kommt in die nächste Runde. Und nach diesem Kampf wieder nur einer. Bis zwei übrig bleiben. Ich werde das Spektakel genießen. Darauf könnt ihr euch verlassen«. Lucan rammte seine Waffe in den Boden und klatschte in die Hände. »Aber erst Morgen«, sagte er dann, als er gegen den Himmel schaute. »Eine Nacht schenke ich euch noch, bevor ihr euch vor der strahlenden Sonne verantworten müsst«. Er seufzte tief und atmete ein und aus. »Wegtreten!«
»Du willst sie bis an ihre Grenzen bringen?«, fragte Sir Eyck, als er sich neben den alten Streiter setzte. »Darüber hinaus. Im Orkkrieg hat uns auch Niemand gefragt«. Der Kommandant klopfte Lucan auf die Schulter. »Der Krieg ist nie vorbei nicht wahr?«. »Niemals«, knurrte Blutstahl grimmig. »Niemals. Sie werden es Morgen lernen.«
Draco
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Fort Nemora - Erste Runde
Ein Hieb von rechts, dann von links auf Augenhöhe. So hatte Naira ihren Kampf begonnen und wurde zweimal von der Klinge des anderen abgewehrt. Es war einer der Myrtaner. Einer von denen, die wirklich wie Verbrecher wirkten und schon diesen Blick hatten. Er wurde Mog genannt und war einen Kopf größer als Naira. Jedoch im Vergleich zu den anderen Männern recht hager. Was nicht hieß, dass er nichts konnte oder unfähig war.
Nein, der Kerl hatte sicher schon manche Kämpfe auf der Straße bestanden. Nicht mit Schwert, aber dafür mit Dolch und Tricks.
Naira parierte seinen Angriff, der nur leicht ausgeführt worden war, um dann Abstand zu schaffen.
Klar, dass er etwas austestete und sogleich wieder attackierte. Nun schneller mit einer Stichattacke. Naira schlug beidhändig die hervor schnellende Klinge weg und ging in den Gegenangriff über, indem sie selbst zustach und ihr Kontrahent die Gelegenheit nutzte, um nach hinten auszuweichen und sein Schwert mit drei kräftigen Hieben nach vorne zu bringen. Naira wich zurück, parierte den zweiten Hieb und lenkte den dritten Hieb mit einem Gegenschlag zur Seite.
Sie griff mit ihrem Körper an, wollte den Kerl umrempeln und bekam Trick 17 des Straßenkampfes zu spüren. Sie wurde am Haar gepackt und verlor das Momentum, das sie sich mit dem Gegenschlag erarbeitet hatte. Fast bekam sie den Knauf ins Gesicht, doch sie hatte im Waldvolk selbst Tricks gelernt.
Sie griff nach dem Knauf mit der Linken, stoppte den Angriff halbwegs und fuchtelte aus dem Handgelenk mit ihrem Kurzschwert nach Mogs Gesicht. Der versuchte zurück zu weichen und trat nach Nairas Beinen, während sie - noch am Hinterkopf am Haar fest gehalten - sich einfach fallen ließ, sich ein paar Haare ausreißen lassen musste und freie Bahn mit ihrer Klinge hatte, als sie mit dem Hintern auf dem Boden landete. Mog schrie erschrocken auf, ließ sich nach hinten fallen und verhinderte so, dass Naira ihm den Unterschenkel aufschlitzte.
Sie sprang auf, schüttelte sich und griff sofort an. Mog - selbst am aufstehen - wehrte ihren Hieb von links kommend ab, stolperte nach hinten um ihren Stich zu entkommen und schrie wieder auf, als Naira furios und sicher nicht elegant, ihre Klinge beidhändig griff und mit einem gesprungenen Überkopfschlag Mogs Kopf als Ziel hatte.
Die Klingen schepperten laut auf und Mog schaffte es, im Liegen Nairas Hieb mit der Parierstange abzufangen. Sie drückte, er mühte sich ab. Naira positionierte sich und versuchte aus festen Stand Mogs Lage auszunutzen - und dann gewann sie.
Mog krümmte sich vor Schmerz und selbst Bill lachte auf, denn Naira hatte genau richtig zugetreten. Nicht zu fest, aber so dass Mog die Waffe fallen ließ und sie ihre Waffe zurückzog.
“Das war für meine Haare!”, zischte sie und wischte sich über ihr Gesicht, das natürlich einen blauen Fleck noch von gestern am Jochbein hatte.
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Fort Nemora
Das nasskalte Wetter war perfekt für die grimmige Stimmung, die im Fort herrschte. Jaleel war an der Reihe sich im Zweikampf zu messen. Es erinnerte ihn an seine Zeit in der Arena, doch die einstudierten Choreographien würden ihm hier nicht viel nützen.
Seinen Schild an den Arm geschnallt und das Schwert in der Hand stand er seinem Kontrahenten Gegenüber. Er wusste den Namen des Mannes nicht nur, dass er aus Gruppe Zwei war und offenbar keinen Schild tragen wollte.
Der erste Schlag war ein Test, eine flüchtige Bewegung, die viel mehr über ihren Kampfgeist aussagte, als über die eigentliche Technik. Jals Schwert prallte ab und der metallene Klang hallte über den Übungsplatz und zwischen den behelfsmäßigen Hütten und Zelten hindurch. Sie gingen auf Distanz, bewegten sich im Kreis, wie zwei Raubtiere, die sich noch nicht sicher waren, ob der andere wirklich eine Bedrohung darstellte. Raubtiere waren sie wohl ohnehin nicht, viel mehr Welpen, die sich austesteten.
Der Sohn der Wüste konnte fühlen, wie seine Muskeln sich verkrampften. Die Unebenheit des Bodens und sein eigener unerfahrener Griff machten jeden Schritt zu einer Herausforderung. Doch dann geschah es. Sein Gegner führte einen geschickten Hieb aus, einen, den Jaleel nur knapp mit dem Schild blockieren konnte. Das Gewicht des Schlages durchdrang seine Knochen, und sein Arm begann zu zittern. Aber in diesem Moment verstand er es. Der Schild war nicht nur eine Verteidigung – er war ein Vorteil.
Je länger der Kampf dauerte, desto mehr geriet sein Gegner in die Defensive. Jaleel nutzte den Schild, um Angriffe abzulenken, Abstand zu schaffen und schließlich seine eigene Schlagkraft zu verstärken. Der andere Kämpfer, der keine Deckung hatte, begann müde zu wirken, seine Bewegungen ungenauer, sein Griff lockerer.
Mit einem letzten Ausfall – ein kräftiger Tritt – brachte Jaleel ihn zu Boden. Sein Schwert landete an der Kehle seines Gegners, während Staub sich in der Luft aufwirbelte. Der Atem des anderen war schwer und rau, doch er rührte sich nicht.
Jaleel hielt inne, blickte in die Augen seines Gegners und erkannte darin etwas Unerwartetes: Respekt. Dies war kein Sieg durch rohe Kraft gewesen, sondern durch das Verstehen von Gelegenheit und Taktik. Er senkte das Schwert langsam, senkte das Haupt und half dem besiegten Mann wieder auf die Beine.
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Fort Nemora - Zweite Runde
Nairas zweite Kampf stand an und der hatte es in sich. Von den zwanzig Rekruten, waren sie nur noch Zehn, die mehr oder minder nun zufällig ihren Gegner bekamen. Bill zerrte Naira mit einem gewissen Hintergedanken direkt zu Robas. Der Bauer hatte seinen Kampf mühelos gewonnen und Bill schien ihn für den Besten der Rekruten zu halten. Das hatten sicher schon einige andere Ausbilder auch erkannt. Und sie? Sie sollte wohl jämmerlich verlieren, damit Bill und Stallion ihr ihren neuen Arbeitsplatz im Hurenhaus vorstellen konnten? Vielleicht war das so. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Bill so sehr an sie glaubte, dass er auf sie setzte. Das war Blödsinn.
Robas nickte Naira zu, sie nickte zurück und blickte dann kurz zu den anderen vier Kämpfen. Jaleel war dabei und auch Barik und Danzo. Ob sie gegeneinander antreten müssten?
Aus den fünf Kämpfen, kämen fünf Sieger hervor und dann? Sie wusste es nicht ganz und beides war jetzt nicht wichtig. Sie wollte Bill nicht die Genugtuung geben und auch hier alles geben, auch wenn sie selbst wusste, Robas Erfahrung nichts entgegensetzen zu können. Sie war sprichwörtlich grün hinter den Schwertkampfohren.
Robas legte seinen Schild an, schaute akribisch darauf und dann zu Naira. Was er wohl dachte? Ganz dezent zwinkerte er ihr zu, sah dann auf zu den Ausbildern und den mürrisch drein blickenden Blutstahl. Schlug dann knurrend auf seinen Schild mit seiner Klinge und fixierte Naira.
“Mach sie fertig, Bauer!”, rief Bill und gab als Schiedsrichter für diesen Kampf das Zeichen zu beginnen.
Robas reagierte sofort und stürmte mit Schild voran auf Naira zu. Die lief zurück und zur Seite, um dann mit einem Befreiungsschlag den nahenden Robas zu stoppen. Untypisch für den Bauern, der sonst seine Gegner immer kommen ließ. Naira attackierte beherzt mit zwei Hieben, die jeweils von der Seite kamen und wich einem langsamen Schildschlag aus.
Wie Robas ihr geraten hatte nutzte sie ihren einzigen Vorteil gegenüber den meisten aus. Ihre Schnelligkeit und Reflexe einer Diebin.
Sie lauerte auf ihre Gelegenheit schnell zuzuschlagen, während Robas wieder offensiv wurde und nun mit einem Überkopfschlag und Stich zweimsl Naira forderte. Diese blockte den Hieb von oben und lenkte dann das schnelle Stichmanöver zur Seite ab, bevor der Schild sie rammte und sie zu Boden fiel.
Doch statt nachzusetzen, hatte sie den Atemzug Zeit von Robas bekommen, um aufzuspringen und Robas Attacke mit einem Gegenschlag zu kontern, indem sie den Überkopfschlag zur Seite lenkte, die Klinge schnell beidhändig griff und zustach.
Robas wich zurück, schlug mit der Schildkante gegen die Klinge und holte dann mit dem Schild in Richtung ihres Gesichts aus.
Naira drehte ihren Oberkörper in Richtung Schild und nahm den Schildhieb mit ihrer Schulter, während sie mit ganzer Kraft dagegen sprang.
Robas musste zurück setzen und Naira wagte ihre Attacke. Mit einem Knie am Boden sprang sie auf, Hieb ihr Schwert von links unten nach rechts oben und traf natürlich die Schildkante, die dadurch sich von Robas Körper weg bewegte und die Lücke öffnete.
Robas reagierte wie jemand, der so eine Situation schon einige Male überlebt hatte und drehte sein Schwert in der Hand, um Nairas beidhändig geführte Stichattacke zur rechten Körperseite abzulenken und am Heft miteinander zu verkeilen.
Naira erwartete nun einen Schildhieb, doch in Robas Augen sah sie wieder dieses leichte Zwinkern und brauchte diesen einen Moment, um es zu kapieren.
Sie schrie dann auf, drückte mit aller Kraft ihre und Robas Klinge nach oben, um dann - befreit aus der Verkeilung - die noch offene Lücke zu Robas mit einem schnellen einhändig geführten, seitlichen Hieb zu schließen. Wie sie gelernt hatten, stoppte sie die Waffe vor Robas Kopf, der sein Schild noch schützend zu sich gezogen hatte und dann war der Kampf vorbei.
“Das wäre tödlich gewesen. Ich habe verloren.”, entschied Robas noch vor Bill und stieß die Klinge im den Boden, um sich kniend zu ergeben.
“Danke…”, wisperte Naira nach diesem kurzen, intensiven Kampf, den sie vielleicht auch klar verloren hätte. Robas hatte sie gelehrt, was es hieß selbst zu bestimmen, was man tat. Auch in dieser Gefangenschaft. Naira gehörte nun zu den letzten Fünf.
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Fort Nemora - Finale Runde - Naira vs Jaleel
Das Finale stand an und es war für Naira noch nicht ganz klar, wer wie gegen wen kämpfen sollte. Fünf waren sie. Jaleel hatte es geschafft, sie selbst und aus ihrer Gruppe noch Danzo, während Barik die Tatsache akzeptieren musste, dass zu ungestüm und mit dem Prinzip Kraft über alles eben nicht sich jeder Gegner bezwingen ließ. Der Myrtaner der Barik bezwungen hatte, war, ähnlich wie ihr erster Gegner Mog, einer dieser Sorte, die alles dafür taten um sich Vorteile zu verschaffen. Kriminelle, die mit Dolchen und fiesen Tricks groß geworden waren. Der Fünfte unter ihnen war ein weiterer Myrtaner der nicht der typische Kriminelle aus den Städten war, aber wohl sowas wie ein Bandit. Ein Räuber, der wusste, wie man zuhaut und keine Skrupel hatte.
“Du schaltest den Varanter aus und ich die beiden anderen, Kayla.”, sagte ihr Bruder Kaylon oder besser gesagt Danzo. Es war der beste und glaubwürdigste Weg, wenn die beiden ‘Geschwister’ zusammen hielten und sich den Rücken frei hielten. Naira nickte und blickte zu Jaleel.
“Tut mir leid. Wir wollen gewinnen.”, sagte sie zu Jaleel und blickte dann zu Blutstahl, der die Fünf musterte und dann mit einer Geste Befahl zu kämpfen, ehe er die Arme verschränkte und wie der Rest der Ausbilder und Rekruten den Kampf der letzten Fünf beiwohnte.
Naira hob ihr schartiges Schwert, nickte Jaleel zu und zeigte dann auf diesen. Eine Aufforderung zum Duell.
“Leben vor Tod.”, versprach sie Jaleel einzig und fackelte nicht lange, während die Männer sich noch belauerten. Mit einem flinken Seitenhieb eröffnete sie das Duell.
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Fort Nemora
Ein letztes Mal formierten sie sich, Fünf unter Myrtanas Sonne, die heute milchig-blass durch den aufziehenden Staub des Übungsplatzes drang. Jaleel stand still, das Gewicht seines Schildes vertraut und doch bedrückend an seinem Arm, als Kayla ihn anblickte. Etwas an ihren Augen verriet es ihm schon vor dem Wort: Keine Verbündete mehr. Nicht heute.
Er sog scharf die Luft ein, als sie sich für ihre Seite entschied. „Tut mir leid. Wir wollen gewinnen.“
Ein einfacher Satz, wie ein Schnitt mit einer sauberen Klinge. Kein Zorn in ihm, nur dieses bittere Brennen zwischen Brustbein und Kehle, das ihn immer dann heimsuchte, wenn jemand, dem er vertraut hatte, sich abwandte. Wie so oft. Wie schon damals.
Er nickte stumm. Und dann sprach sie Worte, die er nicht erwartet hatte. „Leben vor Tod.“
Ein Teil in ihm wollte lachen – ein kurzes, trockenes Laut, zu dem seine Kehle nicht fähig war. Nicht jetzt. So klingt es also, wenn sich Ideal und Wirklichkeit die Klinge reichen, dachte er.
„Dann zeich mir, wie du’s meinst…“ murmelte er, kaum hörbar, das „h“ verschluckt wie so oft.
Kaum hatte Blutstahl das Signal gegeben, da sprang sie auch schon vor, schnell wie ein Wüstenfuchs, Hiebe, keine Zier – keine Schau. Jaleel hob den Schild, spürte den Schlag, der von der Seite kam, sich wie ein Donnerschlag durch seine Knochen fraß. Er taumelte nicht – noch nicht. Doch er wusste: Naira war schneller, entschlossener, und sie kannte ihn.
Er wich zurück, formte eine defensive Haltung, sein Blick suchte nicht ihre Schwächen – sondern nach einer Antwort.
„Du bist gut“, sagte er, seine Stimme heiser vom Staub. „Zu gut für einen schwankenden Geist wie mich…“
Ein Ausfallschritt, sein Schild stieß vor, doch mit wenig Überzeugung. Er testete – nicht sie, sondern sich selbst.
Der Gedanke, sie zu treffen, war ihm fremd. Vielleicht war es das, was ihn schwächte.
Er erinnerte sich an Robas’ Worte. „Im Kampf zählt nicht, was du fühlst. Nur, was du tust.“
Ein tiefer Atemzug. Kein Stolz, nur Pflicht. Und vielleicht… ja, vielleicht auch Respekt.
Er zog die Schultern zurück, hob das Schwert – nicht für den Sieg, sondern weil es seine Aufgabe war, in diesem Moment nicht zurückzuweichen.
„Leben vor Tod“, flüsterte er zurück. „Dann lass uns beide leben – und kämpfen, als wäre es wahr.“
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Apprentice
Vengard
Daelon Caladric Lómin drückte gegen die Klinke Türe einer der Kammern im Herzen des Reiches. Verschlossen. Im Korridor drang nur das schwache Kerzenlicht und erhellte ihre schwarze Kleidung kaum. Fast schien es als wolle das wenige Licht vergebens gegen die Übermacht der Finsternis anleuchten. Der oberste Spion nickte seinen beiden Begleitern zu. Beide bewegten ihre Hände geübt und die Türe sprang wie von Geisterhand auf. Sich auf einen edlen Gehstock stützend schritt der Adlige entschlossen in den weiten Raum. Schmuckvoll eingerichtet, in feurigen Farben gehalten. Viele Bücher an den Wänden. In einem großen Ohrensessel saß sie. Elyndra Draegoria. Aufstrebende Priesterin Innos’. Sie lächelte ihr bitterböse an. Seine beiden in schwarz gekleideten Begleiter blieben wie dunkle Schatten hinter ihm. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kam – und er schätzte die Wahrscheinlichkeit hoch ein – so würde er sie brauchen.
»Euer Mut ist bewunderswert«, stellte er in seinem stets belustigtem Tonfall fast beiläufig fest. »Wie die Weisen berichten liegen Mut und Kühnheit doch näher beieinander als manch einer denkt«, fuhr er fort. »Und in der Mitte residiert die edle Tapferkeit«, gab sie katzenhaft zurück. Sie bewegte sich in ihrem Sessel. Ihre Silhouette schien zu flimmern. Machte sie sich schon bereit ihre Magie gegen ihn einzusetzen? Ihre strahlend weißen Zähne erinnerten an eine Raubkatze. »Ich komme euch vor den hohen Rat zu bringen«, meinte Daelon ruhig. »Es würde deutlich den Tag versüßen sagen zu müssen, dass ihr euch widersetzt habt«, fügte er grinsend hinzu. »Wo denkt ihr hin Lómin ?«, fragte sie, während sie das letzte Wort mit solch einer Verachtung aussprach, dass der oberste Spion fast sein gewohntes süffisantes Grinsen verloren hatte. »Dann wisst ihr, was euch zu Lasten gelegt wird?«. »Ich habe versucht euren Köter von einem Neffen aus dieser Welt zu schaffen. So wie meine Familie es einst mit euch zu tun gedachte«, sagte sie ruhig und siegessicher. Daelon fröstelte es. Die Offenheit und die Abwesenheit von Angst auf ihrer Seite beunruhigten ihn. »Keine Abstreiten? Keine Täuschung? Fast meine ich es, dass ihr es mir zu einfach macht«, meinte der Adlige mit gespielter Enttäuschung.
Sie hielt ihm die Hände herausfordernd hin. Daelon nickte seinen beiden Begleitern zu. Schnell waren Eisenketten herausgezogen. Sie lachte herzlich als die Ketten durch die Illusion ihrer Hände fuhren. »Astralgestalt«, meinte einer der Magier sachlich. Der Spion nickte. Das war die Erklärung für ihr Verhalten. »Manche Dinge müssen von den eigenen Händen getan werden«, meinte Elyndra ernst. »Ich nehme mir den khā’in vor und dann euch Daelon«, schwor sie. »Und dann jeden einzelnen verblienen Lómin der auf Morgrad wandelt«. »Ich bin sehr gespannt«, gab Daelon betont unbeeindruckt vor. »Ich halte für wahrscheinlicher, dass wir euch zuerst finden«, sagte er und lachte. Dann fuhr er sich mit der Hand übers Kinn. »Warum nicht Saraliel?«. »Vielleicht ist er zu retten. Er ist von Innos’ berufen«, erklärte sie. »Ich bin gespannt was mit dem dritten Kind ist«, ergänzte und jetzt verlor Daelon sein Grinsen. Dann war sie verschwunden.
»Findet sie!«, befahl er dem ersten Magier, welcher sich sofort in Bewegung setzte. »Eine Nachricht nach Khorinis, dass sie vorsichtig sein müssen. Es kann alles passieren. Sie darf nicht unterschätzt werden«. Er hielt kurz inne, rang mit sich, dann nickte er. Caladric hatte den Eindruck, dass er reagieren musste. »Macht meine Kutsche bereit. Wir müssen reisen. Meine Neffen werden vorerst ohne mich auskommen müssen«
Draco
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Fort Nemora
“So sei es!”, sprach sie aus und attackierte mit der Entschlossenheit einer Waldvölklerin. Das Leben, die Natur warteten nicht. Man ging mit, man kam den Dingen zuvor oder war bereit auf alles zu reagieren, sonst wurde man gefressen. Man war der Jäger, nie die Beute.
Doch das war nicht alles bei Naira. Sie war klug genug zu wissen, dass es nicht leicht für sie werden würde. Nicht in diesem Kampf und erst recht nicht danach. Wer wusste schon was passieren würde, wenn die Ausbildung voranschritt und andere Dinge in den Fokus rückten.
Irgendwas wo sie Nachteile hatte, eine Verletzung oder einfach ein Moment, da sie der Willkür ihrer Ausbilder ausgeliefert wäre.
Hervorzukommen und möglichst eine sichere Position erlangen wäre der erste Schritt nach draußen. Freiheiten, Zeit um sich umzusehen und den Plan für eine Flucht umsetzen. Aber auch - und das war der wohl einzige Vorteil hier - zu kämpfen zu lernen und sich zur Not mit Intuition und Können zu schützen oder zu rächen, war wichtig. Ausbilder Bill war auf ihrer Liste und sicher nicht nur auf ihrer.
Krachend schlug ihre Klinge auf Jaleels Schild ein und flink bewegte sie sich schon zur Seite, um Jaleel in Bewegung zu halten und seiner Stichattacke keine Wirkung zu gewähren.
Wenn er auf sie reagieren musste, konnte er seine Vorteile nicht ausspielen, die er besaß, wenn sie ihn gewähren ließ.
Reichweite, einen Schild als Waffe und Kraft.
Der Preis dafür war Ausdauer und der Zwang, den Kampf am besten schnell zu entscheiden.
Naira stach zu. Gezielt und fast hockend auf Jaleels Beine, bevor die Klinge von der Schildkante abgeleitet wurde, Jaleel einen weiten, seitlichen Ausfallschritt machen musste und dann von oben in ihre Richtung zustach.
Naira hüpfte leicht nach hinten und änderte sofort ihren Plan, als Jaleel mit dem Schild nachsetzte und sie umstoßen wollte.
Wäre sie athletischer und geschickter im Kampf, hätte sie eine tänzelnde Pirouette vollführt, wie es gerade Danzo vollbrachte. Doch sie machte es dann doch pragmatischer. Schlug schnell um sich von links nach rechts und machte sichere Schritte nach hinten. Die Klinge schepperte gegen den Schild, bremste Jal etwas aus und Naira machte flinke Schritte nach hinten, um die Klinge beidhändig zu greifen. Eine gute Tänzerin zu sein hatte tatsächlich Vorteile, da ihre Beinarbeit sehr gut in diesen Momenten war.
Sie schlug kräftig auf den Schild, schrie auf und schlug abermals von oben zu, um Jal das Momentum der Vorwärtsbewegung zu nehmen.
Dann machte sie einen Schritt vor, stach einhändig und flink in Richtung des Kopfes des Varanters und ließ die Klinge ablenken, als dieser den Stich mit dem Schild abwehrte.
Naira setzte einen geplanten kurzen Schritt zur Seite vor, hatte Jaleels vom Schild nicht gedeckte Flanke vor sich und schlug dann beidhändig von links nach rechts zu.
Jaleel konnte nur mit einer gekonnten Parade seiner Klinge abwehren, indem er sie fast kreuzend nahm.
Naira preschte vor und stemmte sich mit aller Kraft gegen den Varanter, der die Halbdrehung mit dem Schild zu ihr machen wollte.
Von unten drückend hatte sie kurz einen Vorteil, schob Jals Klinge zu ihn und hob das linke Bein, als der Vorteil verpuffte, um dann mit dem Fuss kräftig auf Jaleels Fuss zu treten.
Sein Schild kam nicht an sein Ziel, da der Varanter in seiner Muttersprache etwas fluchte und einen Schritt zurück machte.
Nairas Taktik besagte nun zuzustechen, doch den Moment hatte sie verpasst, da Jaleel seinen Schild intuitiv vor sich brachte und sie einen Atemzug zu lange nachdenken musste.
Sie setze zwei Schritte zurück und ließ ihn Position einnehmen.
“Nächstes Mal…treffe ich mit dem Knie...”, machte sie vor und schaute genau dahin, wo sie treffen wollte.
“...und jetzt komm! Du lahmer Waran!”, forderte sie frech und heckte was aus. Das sagten ihre besonderen Augen.
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Fort Nemora
„Ya‘latif...“
Ein raues, kaum hörbares Hauchen, geboren aus Schmerz, Erschöpfung – und einem Funken Trotz. Es war kein Fluch im eigentlichen Sinne, eher ein instinktiver Ruf nach Schutz in einer Welt, die selten welchen gewährte. Seine Rippen pochten vom letzten Stoß, sein Fuß fühlte sich an wie gebrochenes Tonwerk, und selbst sein Stolz hatte gerade einen Tritt abbekommen, der bis in die Seele nachhallte.
Beim nächsten Mal das Knie..., hatte sie gesagt.
Und da stand sie – Kayla, mit funkelnden Augen und der Eleganz eines Wildtiers, das wusste, wann es zu jagen galt.
„...und jetzt komm! Du lahmer Waran!“
Es war keine Beleidigung. Nicht bei ihr. Viel eher eine Einladung – zum Tanz, zum Test, zur Wahrheit.
Ein müdes, schiefes Grinsen zuckte über Jaleels Gesicht, bevor er das Schwert leicht hob, mehr zur Tarnung seiner zitternden Finger als zur Drohung.
„Lahm? Ich bin… schonend… mit meiner Kraft“, gab er zurück, seine Stimme rau, der Atem kurz.
Das Schwert in der einen, der Schild in der anderen Hand – beides fühlte sich doppelt so schwer an wie zu Beginn des Tages.
Aber er stand. Und das zählte.
Er hatte nie behauptet, ein Krieger zu sein. Doch er wollte auch nicht als Schatten aus dem Kampf treten. Nicht heute. Nicht vor ihr.
Wenn ich schon fall’, dann mit Blick nach vorn und nicht in den Staub.
Langsam trat er vor, den Schild eng am Körper, das Schwert schräg nach unten geneigt – keine Hast, keine Schau. Beobachtete sie. Ihre Beinarbeit war gut. Sie tanzte mehr, als sie kämpfte, doch jeder Schritt saß.
„Also gut“, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. „Waran geht auf die Jagd.“
Der erste Hieb war eine Finte. Leicht, bewusst zu hoch, um an ihrer Deckung vorbeizurauschen. Doch er nutzte die Bewegung, um den Schild emporzureißen – nicht als Rammbock, sondern als Sichtbarriere, als Störfeuer.
Noch während sie darauf reagierte, ging Jaleel nieder in die Hocke und setzte einen kurzen, flachen Stoß gegen ihre untere Körperhälfte. Kein Treffer, mehr ein Test. Ich bin noch da, sollte es heißen. Und ich lerne.
Sie wich aus, flink wie ein Wüstenfuchs, aber nicht ohne Reaktion. Nicht ohne Ernst.
„Schau, Kayla!“ rief er keuchend, das Schwert wieder erhoben. „Waran ist zäh. Und manchmal… beißt er zurück!“
Ein Hauch von Stolz blitzte in seinem Blick auf – nicht über einen Treffer, den es nicht gab, sondern darüber, dass er stand. Noch immer. Noch einmal.
Der Schildarm bebte, der Atem flatterte, und doch war da dieser Trotz in seinem Blick – still, aber fester als zuvor.
Du bist besser, gestand er ihr im Inneren ein, Aber ich bin noch nicht besiegt.
Er bewegte sich seitlich, langsam, tastend. Nicht wie ein Krieger – wie ein Zeichner, der eine neue Linie wagt. Keine Geste war unnütz, kein Schritt zu viel.
Ein leiser Gedanke blieb an ihr haften, ihr Knie, ihr Tempo, ihre Augen.
„Ich merk’s mir“, flüsterte er – halb schmerzhaft, halb grinsend. „Dein Knie.“
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Fort Nemora
Was wurde das für ein Tanz? Naira beobachtete Jaleel genau, bewegte sich fast synchron zu seinen Schritten in eine fast rotierende Bewegung. Es war kein Kreisen, aber sie entfernten sich auch nicht vom Kampffeld, auf dem Danzo mächtig in die Defensive geriet.
Nichts gab es zu schenken. Keine Flanke zu offenbaren und Jal spielte auf Zeit. Spielte auf Defensive, denn das war immer sein Vorteil. Naira mochte flink sein, mochte ausdauernd sein und recht geschickt in ihren Schritten und Bewegungen, doch was brachte das, wenn sie nicht treffen konnte ohne viel zu riskieren?
Die Zeit spielte gegen sie und für Jaleel. Jeder kleine Angriff war nun ein foppen, ein prüfen ob er noch wach sei und reagieren konnte, wenn sie was versuchte. Sie indes ließ es in ihrem Kopf rattern, überlegte wie sie vorbeikommen würde oder ob sie es brachial versuchen würde. Der Kampf gegen Robas war da nicht anders, doch der Bauer hatte sie gewinnen lassen. Das merkte sie nun gegen Jaleel, der natürlich nicht die Erfahrung wie Robas besaß, aber es ganz gut machte und ihr wenig Raum bot, effektiv zu sein.
Wie eine Löwin und ein Löwe schritten sie umeinander und dann reichte es Naira. Sie griff an, schlug aus einem beherzten Sprung heraus und mit offener Deckung gegen Jaleels Schild von oben und wurde geblockt. Kurz darauf setzte sie mit den Füssen auf und lief an Jaleel vorbei, der seine Defensive wieder errichtete und versucht hatte, sein Schwert sprechen zu lassen.
Der ahnte ihren Plan und rotierte selbst, um die nächste Attacke zu blocken und auszuteilen. Naira schlug nach Jaleels Klinge in der Bewegung und wagte es dann abzubremsen und gegen Jaleel und seinen Schild zu laufen. Ihr voller Körpereinsatz brachte wie bei Robas auch nicht viel, da Jaleel rechtzeitig mit den Beinen sich dagegen gestellt hatte und nach ihr stach.
Die Diebin duckte sich weg, stach selbst nach Jaleels Bein und schuf damit Abstand, um dann wie eine Katze noch einmal gegen Jaleels Schild zu gehen. Dieses Mal aber rempelte sie nicht dagegen, sondern packte mit der freien Hand an der Kante. Zog daran und stach über dem Schild nach Jaleel. Der wiederum nahm seine Klinge zum abwehren und zog an seinem Schild gleichzeitig.
Knapp schlidderte ihre Klinge an seinem Ohr vorbei und beinahe hatte er sie skalpiert, als sein Schwert über ihrem Kopf vorbei sauste.
Dann ließ sie ab und attackierte mit der Gewissheit, dass es so eine Gelegenheit nicht noch einmal geben würde. Der Preis war eine Anstrengung, die sich durch die Kämpfe zuvor mit jedem Hieb intensivierte. Doch Naira schlug und drosch auf Jaleels Schild ein. Seitliche Hiebe, diagonale Hiebe und Stiche, wann immer er mit seiner Klinge aktiv wurde. Sie drängte den Varanter zurück und schaffte es doch nicht vorbei zu kommen.
“Zäher…Waran…mit Schildkrötenpanzer… und Stachel…”, schnaubte sie und nahm Abstand zu Jal. Sein Schild sah beschissen aus und sein Arm dürfte es genauso spüren, doch vorbei gekommen war sie nicht. Er jedoch auch nicht bei ihr. Noch nicht. Die Ermüdung kam und ihre Schultern fühlten sich langsam taub an, so oft sie zugeschlagen hatte.
Dann hob sie die Klinge zum Versprechen wieder anzugreifen. Vielleicht das letzte Mal, vielleicht nur noch eine Runde mehr. Sie lief an, hielt die Klinge beidhändig und schlug mit aller Kraft von unten rechts nach oben links nach dem Schild des Varanters. Der blockte mit der Schildseite und wich einen Schritt zurück, während Naira nun von oben Rechts nach unten Links zuschlug und ebenso geblockt wurde, ehe Jal mit dem Schwert nach ihr stach und dann einen Seitenhieb setzte, dem sie knapp entkam, um dann den nächsten Angriff seiner Klinge zu parieren. Die Klingen kreuzten sich leicht und Naira schaffte es Jals Waffe zur Seite zu lenken. Dann kam sein Schild zu Einsatz.
Sie warf sich nicht wie bei Robas dem Angriff entgegen, sondern packte die Klinge beidhändig am Griff und hielt sie Jaleel entgegen, während Jal sie wohl treffen würde.
Doch Jal änderte den Weg des Schildhiebs, da Naira schon die Vorwärtsbewegung zum Stich setzte und schlug auf ihre Klinge.
Naira reagierte, packte diebisch an der Schildkante nahe Jaleels Ellenbogen und zog am Schild, um sich vorbei an diesem zu bringen.
Mit einer besseren Ausbildung wie sie Danzo hatte, wäre dies eleganter und vor allem effektiver geschehen. Bei Naira hingegen war die Idee gut, die Umsetzung ok und das Ergebnis ausreichend.
Naira brachte Jaleel zum nach vorne Wanken, kam selbst fast stolpernd auf, da Jaleels Bewegung sie aus dem Gleichgewicht brachte und dann war sie doch eine halbe Armlänge - statt sehr nah um die Klinge an den Rücken zu halten - hinter diesem. Zuschlagen wäre mit dem Schwert zu langsam gewesen, doch sie sprang mit dem Knie gegen Jaleels Hinterteil.
Nicht das versprochene Ziel, aber ein knapper Treffer mit geringer Wirkung. Sie eilte dann mit der Klinge hinterher, Jaleel drehte sich zu ihr bewegte sich rückwärts und verteidigte sich mit Klinge und Schild.
“Beinah…”, zischte sie sichtbar müde und ließ ab. Sie hob die Klinge beidhändig mit der Spitze voran.
“...erwarte das Unerwartete…und wenn es dann noch geschickter wäre, wären wir schon fertig…verdammt Jal…beende es…ich bin platt!”, fluchte sie und kommentierte das von eben. Danzo hingegen war besiegt worden und es war nicht klar, ob die beiden da jetzt gegeneinander kämpfen würden oder gegen sie.
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Fort Nemora
Ihr Knie traf – nicht da, wo es sollte, nicht mit dem Gewicht, das es gebraucht hätte. Aber genug, um seinen Schritt stocken zu lassen. Genug, um sein Gleichgewicht aus dem Takt zu reißen.
Er wankte, fing sich, spürte, wie der Schild gegen seine eigene Hüfte schlug, als er ihn zu spät wieder in Position brachte. Der kurze Ruck ging ihm durch die Seite wie ein Nachbeben.
Und dann war sie da. Noch immer.
Noch immer mit der Klinge, der erhobenen Haltung, der Müdigkeit, die ihre Arme nicht sinken ließ, obwohl jeder Muskel danach schrie.
Ein Knirschen in seinem rechten Ellbogen ließ ihn blinzeln. Wie lange hatten sie gekämpft? Er konnte es nicht sagen. Die Zeit hatte ihren Rhythmus verloren. Nur der Lärm des Aufeinandertreffens, die Stöße, das Knacken der Schilde, das metallische Streichen der Klingen – das war geblieben.
„Beinah…“, hörte er sie sagen.
Nicht wie ein Spott. Nicht wie eine Drohung.
Nur wie das, was es war: ein Ausatmen. Ein Eingeständnis.
„Verdammt Jal… beende es… ich bin platt.“
Er stand da.
Ein paar Schritte Abstand zwischen ihnen. Wenig genug für einen Hieb. Zu viel für ein Flüstern. Und genau die richtige Entfernung, um zu erkennen, dass keiner mehr in der Lage war, einen sauberen Schlussstrich zu ziehen.
Jaleel blickte auf ihre Füße. Wie sie leicht nach außen drehten, weil der Stand nicht mehr hielt. Auf ihre rechte Schulter, die ein klein wenig tiefer hing. Auf das Zittern ihrer Klinge – kaum sichtbar, aber stetig.
Ein Spiegel seiner eigenen Müdigkeit.
Er hob den Kopf, ließ den Blick über das Kampffeld streifen. Danzo lag. Die Ausbilder standen im Hintergrund, teilnahmslos, aber aufmerksam. Und der Staub des Platzes hing in der Luft wie nach einem Regenguss – klebrig, grau, ehrlich.
Wenn ich jetzt zuschlage, wird sie blocken. Vielleicht. Vielleicht nicht. Vielleicht treffe ich sie, vielleicht stolpern wir beide, vielleicht bricht ihr Arm…
Es war ein Gedanke, nicht mehr. Keine Versuchung. Keine Entscheidung.
Er atmete ein. Langsam. Spürte, wie die Luft seine Kehle trockener machte statt kühler. Dann richtete er sich auf. So gut es eben ging.
Kein Hieb mehr. Kein Schildstoß. Keine Finte. Nur ein Schritt. Dann noch einer.
Er senkte das Schwert. Nicht wie ein Sieger. Nicht wie ein Aufgeber. Sondern wie jemand, der genug weiß, um zu erkennen, wann etwas seinen Punkt erreicht hat.
Sein Blick blieb auf ihr, nicht hart, nicht prüfend. Einfach wach.
„Ich schlag dich nicht. Nicht mehr. Du hast alles gegeben.“
Seine Stimme war rau. Nicht vor Zorn, sondern vor Staub. Und vielleicht ein wenig vor allem anderen.
Eine kurze Pause.
„Wenn das hier reicht… dann soll’s das gewesen sein.“
Er hob den Blick, richtete sich gerade genug auf, dass man ihn wieder sah.
„Und wenn nicht – dann sollen sie’s sagen.“
Er nickte unauffällig zu den Ausbildern, ohne den Blick von ihr zu nehmen.
Sein Schwert senkte sich ein Stück weiter, ließ die Spitze sacht den Boden berühren. Der Schild rutschte ihm halb aus der Hand, glitt über seinen Unterarm, bis der Lederriemen ihn hielt.
Der Arm brannte. Die Schulter spannte. Die Finger hatten sich in die Griffe eingegraben wie eiserne Krallen. Und doch löste er sie. Nicht ganz, aber genug, um zu zeigen, dass er bereit war.
Nicht zum nächsten Schlag. Sondern dazu, stehen zu bleiben.
Dann hob er das Kinn leicht. Gerade so viel, dass sie ihn wieder sah. Nicht den Kämpfer. Nicht den Sträfling. Nur ihn. Jaleel.
„Ich steh noch“, sagte er.
Dann, leiser: „Aber ich bleib auch stehen.“
Hinter ihnen regte sich Danzo. Langsam. Mit stöhnender Anstrengung stemmte er sich auf die Ellbogen, sein Haar hing ihm ins Gesicht, die Klinge irgendwo im Staub verloren. Blut tropfte aus seiner Nase, aber in seinen Augen loderte noch immer ein Funke Trotz. Nicht mehr für den Kampf. Aber gegen die Art, wie er gefallen war.
Weiter entfernt, auf der linken Flanke des Übungsfelds, stand der letzte Kämpfer. Der Myrtaner – ein breitschultriger Bastard mit ausgemergeltem Gesicht und dem Blick eines Mannes, der zu viele Kämpfe überlebt hatte, um sich für Ehre noch zu interessieren.
Er hatte nicht eingegriffen, nicht gestört. Stattdessen hatte er zugesehen. Abwartend. Mit der Klinge locker in der Hand und dem leichten Spiel eines Raubtiers, das wusste, dass man auch mit halber Kraft am Leben blieb.
Sein Blick lag nun auf ihnen. Auf Jaleel. Auf Naira.
Er schien nicht enttäuscht. Nur… desinteressiert. Als sei der Kampf längst entschieden – nicht durch Treffer, sondern durch Haltung.
Zwischen ihnen allen – den fallenden, den wartenden, den zitternden – hing der Moment wie ein letzter Atemzug über dem Schlachtfeld.
Was blieb, war das Urteil. Nicht in Stahl. Sondern im Schweigen derer, die zusahen.
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Fort Nemora - Abschluss Eh 1 - Rekruten des Reiches
Naira blickte zu Jaleel und dann zu dem Typ, der Danzo bezwungen hatte und auch den anderen wohl. Der wäre hier und jetzt nicht der Gegner, mit dem sie sich noch anlegen würde. Alles was daraus resultieren würde, wäre vielleicht ein guter Angriff von ihr und kein gutes Ende für sie.
Naira blickte dann zu Boden, dann zu jenen, die sie beherrschten und beendete ihren Kampf. Ihre Klinge senkte sich.
“Ich stehe auch - aber werde nicht mehr kämpfen. Ich habe keine Kraft mehr. Der da…der hat gewonnen. Glückwunsch.”, bestimmte sie und zeigte mit dem Finger auf den Myrtaner.
Sie blickte dann zu Blutstahl, der sich mit Sir Eyck beriet.
Bill spottete neben Troy stehend über die zwei Feiglinge die so niemals einen echten Kampf überleben würden. “Oh bitte…ich stehe noch…kann aber nicht mehr. Bitte töte mich nicht Ork!”
Das Gelächter unter den Gardisten war verhalten, aber teils da. Sir Eyck indes schüttelte den Kopf und Blutstahl schnaubte - offenbar nicht zufrieden mit Sir Eycks Entscheidung, doch er war Kommandant der Sträflingskompanie.
Gardist Harkon bekam eine Order und dann durften alle Blaubänder antreten. Es gab Leute die waren in dieser Gruppe aus zwanzig Leuten sehr schnell rausgeflogen und andere hatten trotz nur eines Kampfes sich gut geschlagen. Andere wie Jaleel und Naira hatten sich auf ihre Art bis ins Finale durchgebissen. Das hieß nicht, dass sie die Besten waren, aber dass sie Glück und irgendwo Talent hatten ihre Gegner bezwungen zu hatten.
Sir Eyck trat vor.
“Unter den Rotbändern und Gelbbändern haben alle bestanden. Ein Dutzend sind es und sie werden mit Sechzehn von euch als 4. Sträflingskompanie ab heute dem myrtanischen Reich dienen, bis eure Schuld beglichen ist! Ihr habt dank eurer Ausbilder und Sir Blutstahl gelernt zu kämpfen und euch mit Schwert und Schild zu verteidigen. Das soll nun dem Reich dienen und ich erwarte Dankbarkeit von euch für diese zweite Chance! - Gardist Bill und Gardist Stallion. Sortiert die Vier für den Minendienst aus.”, befahl der Ritter des Reiches und Nairas Herz pochte, als die zwei Gardisten auf sie zukamen.
Doch es war nicht Naira die mit musste und auch nicht Jaleel oder sonst wer aus Gruppe 4. Ja, sogar Esram durfte bleiben. Naira hatte seinen Kampf nicht gesehen, doch er hatte trotz Niederlage seinen Platz verdient.
Gehen durften ein Varanter und drei Myrtaner. Einer von ihnen war Mog. Es verwunderte sie etwas, aber gleichzeitig auch nicht. Mog war dieser Schlag von Mensch dem man ansah, dass er einem Nachts die Kehle aufschlitzt, wenn man nicht aufpasst.
Mog und ein weiterer Myrtaner fluchten, der Varanter hatte sichtbar keinen Lebenswillen mehr und der andere Myrtaner flog nicht raus weil er schlecht war, sondern weil er eine klaffende Wunde am Oberschenkel trug und ohne Heiler die Nacht nicht überstehen würde.
Würde er es überstehen, dann wäre er für Wochen nicht an der Waffe einsatzfähig.
Das war Pech und wohl Glück für Esram. Naira verstand die Auslese der Myrtaner, auch wenn es hart war. Wer waren sie schon? Etwas besseres nun wie die Verbrecher in den Minen und noch lange nicht oder besser nie gleichwertig mit den normalen Soldaten.
Aber das wollte sie auch nicht. Sie wollte hier weg. Und da war sie nicht die Einzige.
“Gardist Harkon. Rekruten antreten lassen und dann zur Essensausgabe. Danach einkleiden und das übliche Prozedere.”, befahl der Ritter und trat ab mit Blutstahl.
Harkon salutierte und ließ lautstark antreten, dann marschierten die Sechzehn zur Essensausgabe.
“Das war ein guter Kampf, Jaleel. Wie geht es dir?”, fragte Naira als sie anstanden.
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Fort Nemora
Er hörte, wie sie die Klinge senkte, bevor er den Blick hob. Nicht das Geräusch selbst. Mehr das, was danach fehlte. Der letzte Druck in der Luft, der letzte Rest Spannung, der sich gelöst hatte wie ein Atemzug, den man zu lange gehalten hatte. Sie hatte gewählt – nicht ihn, nicht sich, sondern den Rückzug. Und das war vielleicht das Mutigste an diesem Tag.
Ihre Stimme war ruhig, fast sachlich. Und doch blieb ein bitterer Klang darin hängen, kaum hörbar, aber Jaleel hatte gelernt, auf solche Risse zu achten. Als sie den anderen benannte, den breitbeinigen Myrtaner mit der leeren Miene und der lockeren Klinge, sah Jaleel nicht hin. Er kannte diesen Typ. Männer, die warteten, bis andere sich aufrieben – und dann übrig blieben, als hätten sie etwas gewonnen. Er konnte ihnen nicht mal einen Vorwurf machen. Nicht hier. Nicht heute.
Das Lachen von Bill kroch wie Staub zwischen den Körpern hindurch.
Schneidend, schal, feige. Jaleel sah nicht zu ihm. Kein Wort, kein Blick. Er wusste, dass diese Sorte Mann nur lachte, wenn sie andere fallen sahen – nie, wenn sie selbst fielen. Und irgendwann lachte dann niemand mehr. Er blieb stehen, als Sir Eyck sprach. Stand still, wie alle anderen. Die Schultern müde, aber gerade. Sein Körper schmerzte, der Schildarm war taub, sein Nacken gespannt wie Seil nach zu viel Zug. Und doch stand er. Nicht als einer der Besten. Nicht als Held. Aber auch nicht als der, der ging.
Als die Namen verlesen wurden – die für den Abmarsch in die Minen – hielt Jaleel den Atem an, für den Bruchteil eines Moments. Zurück in die Minen? Das wäre sein Tod. Und doch, wartete er nicht in Furcht. Nur aus… Möglichkeit. Ein einziger Laut hätte gereicht, und alles hätte sich verändert.
Aber sein Name kam nicht. Und Kaylas auch nicht. Ebenso wenig der ihres Bruders. Nicht Esram. Nicht Barik und auch nicht Robas.
Mog fluchte. Der andere schrie auf, aus Wut oder Schmerz, schwer zu sagen. Einer blieb einfach nur stumm. Leer. Jaleel schaute nicht lange hin. Nur kurz. Ein Wimpernschlag Respekt. Und dann ließ er sie gehen.
Als sie schließlich anstanden, hintereinander wie Schatten vor der Essensausgabe, da schien alles ein Stück leiser.Er hörte Kaylas Stimme. Kein Kampf mehr in ihr, nur Müdigkeit. Und etwas anderes, vielleicht das, was auch in ihm war.
„Es war mehr als ein Kampf“, sagte er leise.
Nicht als Antwort. Sondern als Fortsetzung ihres Gedankens. Dann drehte er den Kopf leicht, sah zu ihr, das erste Mal richtig, seit sie die Klinge gesenkt hatte.
„Ich glaube… gegen einen Ork stände ich nicht mehr.“
Er zuckte leicht mit einer Schulter, zuckte aber nicht zurück.
„Du hast mich geführt, mehr als ich dich. Und trotzdem… war’s ausgeglichen.“
Sein Blick wanderte zur Schüssel in der Hand des Vordermanns. Graue Brühe. Ein Kanten Brot. Etwas, das man Essen nannte, wenn man keine Wahl hatte.
„Ich choffe, es gibt Linsen“, murmelte er.
Und diesmal, ganz kurz, zuckte doch ein Grinsen über sein Gesicht. Weniger, weil es lustig war – mehr, weil sie noch lebten.
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Fort Nemora
“Ja…es war ausgeglichen, weil du deinen Schild gut eingesetzt hast.”, sagte sie pragmatisch und begutachtete die tägliche Pampe, die so liebevoll wie an Tag 1 zusammengestellt worden war. Erlesenste Dinge, die man nicht mal Ziegen oder Orks geben würde.
“...ich weiß aber was du meinst. Wären wir nicht gegeneinander angetreten, dann wäre es für dich oder mich oder uns beide…böser ausgegangen. So haben wir uns gezeigt und bewiesen…und standen zum Schluss immer noch. Das ist ein Unterschied…”, sagte sie leiser und folgte Jaleel zum Tisch von Gruppe 4.
“In einem Kampf auf Leben und Tod…hätte ich manches versucht, wäre aber im besten Moment abgehauen. Waldvölkische Überlebenstaktik. Sind ja nicht dumm…”, meinte sie und setzte sich neben Danzo aka Kaylon und Barik. Zwischen den beiden wirkte sie wie ein Kind und doch war sie weiter wie Barik und genauso weit wie Danzo gekommen. Die Nordmarer schienen zufrieden zu sein, waren beide wohl in der zweiten Rund erst raus geflogen und Esram schien gerade mehr mit sich beschäftigt zu sein, als mit seiner Umwelt. Und Robas? Der nickte ihr und Jaleel zufrieden zu und lobte auch Danzo für seinen Einsatz. Barik indes bekam den Rat nicht alles über die Kraft zu regeln, denn das war für einen erfahrenen Kämpfer keine Herausforderung und der Grund wieso Barik gegen den Myrtaner verloren hatte, der am Ende Sieger war.
“Die Kraft von dir, Kaylons Athletik, Jaleels Ruhe und Taktik und Nairas Tempo und schnellen Gedanken…das wäre ein Krieger wie aus den Geschichten.”, sagte der Bauer und klang gar nicht nach einem Bauer. Es war aber wahr und das war seine Botschaft an die Vier. Lernt alle ein wenig vom anderen und ihr werdet lange leben.
“...und Esrams Glück!”, fügte der Dieb an und sorgte für ein Lächeln bei Naira und manch anderem. Für einen Moment, da man sich der eigenen Lage mal nicht absolut bewusst war und den Fetzen Anerkennung bei einem grausigen Essen feierte.
Es Glück für sie alle, dass sie nicht in die Minen mussten.
Die Nordmarer sprachen das Thema an, schienen selbst zufrieden zu sein, aber auch etwas ernüchtert. Amelies Verletzung war natürlich noch nicht verheilt und trotzdem hatte sie es weiter geschafft. Ihr Mann kümmerte sich um den dreckigen Verband, bevor sie aufbrechen mussten.
Es ging wie am ersten Tag zu Gardist Stallion. Neue Ausrüstung, wenn sie es richtig verstand.
Ein mulmiges Gefühl beschlich sie und die Erinnerungen der Erniedrigung damals kamen wieder hoch. Zorn kam in ihrem müden Körper und Geist auf und der Wunsch, alle dafür zu bestrafen, die sie schon damals gedemütigt hatten. Stallion und Bill, aber auch Troy und all die anderen Schweine von damals.
Als sie dann durch Bill zum Quartiermeister geführt worden waren, war da Stallion und seine Leute die schon Gruppe 3 bedient hatten. Stallion zog eine Fresse wie ein übel gelaunter Ripper, ohne dass man ahnen konnte wieso. Kein Vorgesetzter stand da.
Bill begrüßte seinen Kumpel und kurz unterhielten sie sich. Bill winkte ab, zuckte mit den Schultern und wollte wohl Stallion klar machen, dass es nichts brachte.
Danach wurden sie hergerufen.
“Hört zu, Abschaum. Die Offiziere meinen ihr sollt nun Kleidung bekommen.”, sagte Bill und spuckte zu Boden. Konnte man noch mehr zeigen, dass man damit nicht einverstanden war?
“Als wärt ihr gleichwertig mit anständigen Leuten die sich freiwillig melden. Mir egal was die da oben sagen. Ihr seid und bleibt Verbrecher und ich werde es euch jeden Moment spüren lassen, solange ihr von mir ausgebildet werdet. In die Minen hätte ich euch alle geschickt. So wie ihr kämpft. So aber verschwenden wir unsere Zeit mit euch und können nur hoffen, dass euch in ein paar Monaten der nächstbeste Ork oder schmutzige Varanter umbringt. Dann bin ich glücklich, weil ihr tot seid und vielleicht ein guter Myrtaner weniger sterben muss. Meister Stallion hat auch noch ein Gruß an euch Rekruten.”, sagte der Glatzkopf und spuckte nochmal aus.
“Bastarde und Huren! Denkt ja nicht, dass ihr irgendwas in meiner Armee wert seid, weil ihr jetzt eingekleidet werdet. Ihr seid Abschaum und dazu da zu sterben. Eure Tätowierungen am Arm bleiben ewig und ewig wird man wissen, dass ihr ein Haufen Verbrecher-Scheiße seid. Stellt euch an.”, sagte Stallion und zeigte auf die Tische.
Dort waren Gambesons in Rottönen gestapelt. Einfach genietet und rautenförmigen Polstern. Manche waren knielang und hatten lange Ärmel. Andere waren hüftlang und schützten nur die Oberarme zusätzlich. Und wieder andere waren teils so oder so.
Die Gruppe stöberte und probierte unter den strengen und genervten Blicken der Gardisten die leichten Gambesons an.
Wohl für alle wichtig und erlösend war, dass es warme Kleidung war und den Nebeneffekt einer leichten Rüstung besaß. Da kam nicht alles einfach durch.
Gleichzeitig sah Naira an einigen Stücken dunklere, rote Flecken und Stellen, die genäht wurden. Es war wohl kein Geheimnis, dass das keine neuen Gambesons waren und in manchen jemand gestorben war. Aber interessierte das in den kalten Nächten?
Naira hatte ihren Gambeson gefunden. Ein wenig zu groß, doch etwas Maßgeschneidertes gab es für niemanden und es war besser, als bei Barik, dessen Gambeson viel zu eng saß.
Sie würden sich mit ihrer neuen Ausrüstung schon arrangieren.
Naira war froh, dass weder sie noch Amelie sich wieder vor den Gardisten ausziehen mussten. Ob es daran lag, dass zu viel um das Gebäude los war? Bestimmt lag es nicht am Respekt und Naira hatte das Gefühl, dass der Tag kommen würde, da sie wieder gedemütigt werden würde. Sie blickte finster zu den Gardisten. Fast unbewusst, bis Barik sie anstupste.
“Provozier sie nicht. Die sind wie dumme Trolle.”
“Antreten! Marsch zu den Latrinen! Wir wollen doch eure schicken Klamotten gleich einweihen!”, bellte Bill und lachte auf seine dümmliche Art. War klar, dass dies heute noch kommen musste.
“Jaleel. Wir reden heute noch. Gleich oder am Abend, wenn es dunkel ist.”, sagte Naira verschwörerisch und leise. Dann marschierten sie im Gleichschritt los. Latrinendienst hieß mehr wie nur das was man dachte. Auch danach musste man die Kleidung besonders säubern und sich ebenso.
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Fort Nemora
Der Dreck war fort. Nicht überall – nicht in den Nägelbetten, nicht aus der Faser seines Hemdes, das unter dem Gambeson gegen die Haut klebte, als wollte es sich erinnern. Aber das Gröbste war abgewaschen. Aus den Falten. Aus dem Gesicht. Aus der Geste der Hände, die nicht mehr schrubbten, sondern wieder ruhten.
Latrinendienst. Das Wort allein war schon ein Urteil. Und sie hatten es hingenommen. Nicht weil sie schwach waren. Sondern weil es nicht anders ging.
Jetzt, im Zwielicht des Lagers, schien die Welt langsamer zu atmen. Die Sonne hatte sich hinter die Zinnen aus Holz zurückgezogen – ein Horizont aus schief gestellten Stämmen, zwischen denen das Licht wie Sand durch Finger rieselte. Die Hütten warfen lange Schatten. Das Lager war nicht ruhig, aber müde. Und zwischen dem Lärm der anderen klang das Schweigen derer, die das Recht auf Worte verloren hatten.
Jaleel stand, die Finger an der Stoffkante seines Gambesons, der sich inzwischen etwas gesetzt hatte. Noch immer zu groß. Noch immer fremd. Aber warm. Und er wusste: In der Nacht würde er froh sein, dass er ihn hatte. Selbst wenn das Blut am Saum nicht sein eigenes war.
Er dachte an Stallions Blick. Kalt, aber nicht leer. Diese Sorte Hass, die nichts Persönliches brauchte, um sich zu rechtfertigen. Und an Bills Spott, der wie ein alter Husten immer dann kam, wenn keiner lachte – nur damit jemand es tat.
Er war nicht wütend. Nicht mehr. Nur… da. Und das war schwerer, als es klang.
Die Tätowierung unter dem Stoff juckte nicht. Sie schmerzte auch nicht. Sie war einfach da. Wie ein weiterer Muskel, der nie wuchs, aber immer mitzog. Zwei Flügel. Ein X. Kein Emblem. Kein Orden. Ein Brandmal.
Er wollte sich gerade setzen, als sie stehen blieb. Naira. Die Schritte verstummten, aber nicht abrupt – eher wie eine Bewegung, die zum Stillstand kam, weil etwas gesagt werden musste, bevor es zu spät war.
„Jaleel. Wir reden heute noch.“
Das war alles. Kein Blick. Kein Seufzen. Kein Anklang von Unsicherheit.
Er drehte sich nicht sofort zu ihr. Brauchte er nicht. Ihre Stimme war klar genug.
„Dann reden wir“, sagte er. Nicht laut, aber fest. Und ging voraus.
Sie folgten einem schmalen Trampelpfad zwischen Zelt und Lagerhütte, wo sich die Schatten der Balken wie Finger über den Boden streckten. Kein Ort der Heimlichkeit – doch geschützt genug, dass keiner sie störte. Dort, wo Werkzeug lagerte, zusammengerollte Planen, ein leerer Wasserbottich. Ein Ort, an dem man für einen Moment nicht beobachtet wurde. Oder so tun konnte, als wäre es so.
Jaleel setzte sich auf einen Balken, der über die Jahre rundgelaufen war. Er spürte das raue Holz durch den Stoff. Zog die Beine etwas an, ließ die Arme locker hängen. Dann hob er den Blick, langsam, und sah sie an. Ihre Silhouette zeichnete sich gegen das rötliche Restlicht ab. Der Gambeson saß locker. Die Haare hingen feucht vom Waschen. Und doch stand sie da, als hätte sie noch Kraft übrig.
Er sagte nichts. Sah sie nur an. Bereit.
„Die anderen“, fragte er leise. „Kommen sie noch dazu?“
Und dann schwieg er.
Nicht weil ihm nichts einfiel – sondern weil es nicht an ihm war, zuerst zu sprechen.
Die Luft roch nach Rauch und feuchtem Holz. Irgendwo schlug jemand einen Topf zu laut zu. Ein Hund bellte in der Ferne. Doch zwischen ihnen war Platz für ein Gespräch. Und Jaleel war bereit, ihn zu halten.
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Fort Nemora
“Du erinnerst dich an das Gespräch damals? Dass wir flüchten wollen. Bis auf die Nordmarer sind wohl alle aus Gruppe 4 dabei. Ich könnte Amelie und Nohr noch fragen, aber ich traue ihr nicht. Und Nohr macht was sie will.”, sagte sie und blickte sich um. Viel Zeit blieb ihnen nicht, aber das brauchte es nicht immer.
“Ich weiß nicht, wie weit unsere Freiheiten nun gehen werden. Aber mit der neuen Kleidung ist ein wichtiger Schritt erreicht. Sie werden uns nicht auf Anhieb als die von der Sträflingskompanie erkennen und das ist von Vorteil, wenn wir uns außerhalb der bekannten Umgebung bewegen.”, erzählte sie und hatte das sehr diffuse Gefühl, beobachtet zu werden.
“Was wir brauchen, ist so etwas wie einen geheimen Treffpunkt. Kaylon, Esram und Robas sind alle dabei und wir können in der Hütte gut Absprache halten. Nur du und Barik seid mit den Nordmarern in einer Hütte und es ist schwierig, wenn ihr in der Nacht verschwindet. Ihr beiden müsst eine Lösung finden. - Und dann brauchen wir Informationen. Alles was hilft, um hier rauszukommen. Und Material. Waffen, Werkzeuge…was auch immer der Sache dient. Wir müssen schauen, dass wir es klauen können und irgendwo bunkern, wo man es nicht findet.”, machte sie klar und Jaleel nickte zuerst einmal. Dann hörten sie beide jemanden. Ein Schnaufen…ein Aufhusten.
“Sch…”, zischte Naira und war vollkommen angespannt, bis Esram aus seinem Versteck erschien.
“Freunde der geheimen Unterccchaltung. Keine Sorge…ich habe aufgepasst, dass niemand chommt.”, sagte der kleine Dieb. Naira war massiv erleichtert.
“Esram…Bewahre! Wenn du uns noch einmal so erschreckst. Hast du alles gehört? Hast du Ideen?”, fragte sie. Esram hielt beschwichtigend die Hand hoch und bat um einen Moment.
“Bevor es weitergeht, ist es Zeit die Arbeit wieder zu macccchen, bint al-ghabat. Bill ist unterwegs…. Jaleel kommt heute Nacht zu uns. Für die Dauer eines Latrinenbesuchs. Barik ebenso.”, sagte der Varanter oder war er doch jemand anderes? Er sprach anders als Jaleel und der war eindeutig ein Varanter.
“Wer bist du? Die Wahrheit.”, fragte Naira und packte ihren Eimer.
“Esram…”, sagte der Dieb und grinste. Die Wahrheit war für Esram wohl nichts von hohem Wert.
“Ohne die Wahrheit…kann ich dir nicht trauen.”, sagte die Diebin.
“Mit der Wahrheit ändert sich nichts an meiner Hilfe.”, sagte der kleine Mann und hatte den varantischen Akzent gänzlich abgelegt. Er klang viel mehr nach Südländer mit einer sanften Melodie in den Worten.
“Was macht ihr da! Bewegung! Dreckspack! Ihr werdet gleich Scheiße fressen!”, brüllte Bill und ballte die Fäuste. Ein Glück hatte er nicht den Rohrstock dabei.
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