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Ishtar
»Kinder der Dämmerung«, murmelte er. Lies den Hall des Drucks seiner Finger durch den Raum hallen. »Kinder der Dämmerung… Lómin…. Es gibt noch drei nicht? Draco, Daelon und mich. Nun zumindest von denen ich weiß. Es könnten mehr sein. Blutsverwandte. Nein das macht keinen Sinn«, raunte er weiter. Wendete die Seite des Buches vor dem er saß. »Drei Tropfen… ein Mal….hmm..hmm. Das Mal der drei Tropfen….«, sprach er vor sich hin. Wieder wendete er die Seite. Langsam und sorgsam. »Feldforschung ist notwendig!«, sprach er dann laut und lies Eiryn hochschrecken. Die Gute hatte tatsächlich ein Nickerchen eingelegt. Saraliel schaute nach draußen. Tiefe Nacht. Scheinbar hatte er mal wieder die Zeit vergessen. »Alles in Ordnung. Schlaft«, sagte er sanft und die Paladine sackte mit einem Seufzen zurück.
Er fuhr mit einer seiner Hände über einen steinernen Tisch vor sich. Er zog einen Dolch. Atmete ruhig ein und aus. Dann schnitt er sich in die Linke. Ein Tropfen fiel. Noch einer. Er meinte was das Klatschen auf den Stein zu fühlen. Dann ein dritter. Er fühlte etwas ähnliches wie im Kampfe mit Raschid al-Din. Die drei Tropfen begannen sich zu bewegen. Zogen Linien über den Tisch. Saraliel sog scharf die Luft ein. Er fühlte, wie etwas in seinen Adern antwortete, ein Raunen tief in seinem Inneren. Er zitterte. Die Tropfen schlossen sich zu einem Kreis, als ob unsichtbare Linien sie verbanden. Kurz glimmte es rot auf, ein flackerndes Licht wie von einer sterbenden Glut. Er meinte, dass es knisterte. Das Feuer in seinem Blut gegen die Dunkelheit flackerte. Er schluckte. Blut gehörte zu Innos’ ermahnte er sich. Nichts unlauteres. Das Geschenk des Lebens in Reinform. Die Assoziationen in seinem Kopf zu schwarzer Magie stimmten nicht. Stimmten. Nicht. Er musste es sich immer wieder in den Kopf rufen. Er tat nichts verwerfliches. Auch wenn er das erst einmal für sich selbst testete. Es traten nun Linien aus dem Kreis heraus und formten ein Muster. Etwas, dass er noch nie gesehen hatte. Er brauchte das Mal nicht mehr suchen. Er hatte es in sich. Er schauderte. Scheinbar würde er die Verbindung zu der Dämmerung nicht loswerden, auch wenn er sich dagegen sträubte.
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Fort Nemora - noch vier Tage
Naira wusste nicht, wie lange es war, aber es war lange genug, um diesen gequälten Geist von Stallion zu erleben und zu befinden, dass Schuld, Angst und Wut die Ausstrahlung eines Menschen grundlegend veränderte. Stallion war immer so erhaben, stark und nahm kein Blatt vor dem Mund. Er hatte sich seinen Platz an der Sonne auf seine Art erkämpft. Doch nun mit der Ungewissheit einer nicht klaren Nachricht und dem Wissen, wo seine Leichen begraben lagen, blickte er in das Loch großer Konsequenzen und war ein Nervenbündel. Unruhig tigerte er im Lagerhaus herum, blickte immer wieder raus, ob es so langsam ruhig auf den Wegen war und hatte wohl nur ein Ziel oder besser den Wunsch zu prüfen, ob alles noch so war wie es war.
Zwischendurch redete er mit sich selbst, sagte sich, dass Migul selbst dran schuld war und hielt ein Plädoyer für sich selbst, doch nur Migul daran gehindert haben zu wollen, dass Sumpfkraut zu verkaufen.
Ja, er erdachte für den Fall der Fälle seine Verteidigung, bot eine Erklärung wie es geschah und dass er rechtschaffen handeln wollte. Sein Sumpfkraut wurde zu Miguls Sumpfkraut. Sein geheimer Handel wurde zu Miguls Handel. Wenn er es sich oft genug sagte…dann wurde es seine Wahrheit.
Die wahre Wahrheit geschah aber nun nach einer halben Ewigkeit. Stallion verließ das Lagerhaus. Spielte gelassen vor den Wachen davor seine Rolle und gab keinen ausschweifenden Kommentar zu den ganzen Gerüchten die seit heute umher gingen. Gondalf der vertraulich zu Stallion sprach und die Sache mit dem Sumpfkraut ansprach, bekam nur ein knappes Nein von Stallion zu hören, der vorgab, dass es kein Problem damit geben würde und es wohl nur ein Streich war.
Der Gardist schloss das Lagerhaus von unten ab und für Naira begann die Arbeit. Hier im ersten Stock widmete sie sich nicht der Suche nach Dingen die sie brauchte. Vielmehr verschob sie eine Kiste, stapelte zwei leere Kisten auf die verschobene Kiste und machte mit den Kisten dahinter dasselbe. Dann verschob sie alles wieder zurück, schuf aber einen leeren Raum darin und positionierte eine untere Kiste so, dass sie problemlos aus dem Stapel geschoben werden konnte. Dann kroch sie hinein und konnte dank ihrer Größe darin gut auf den Knien stehen und sich der Länge nach hinlegen. Das genügte für sie.
Dann leerte sie den Inhalt ihres Wams. Da war der Marschbefehl den sie gefälscht hatte, vier Kerzen und etwas Zunder, etwas Pergament und ein Federkiel mit Tintenfass und was sie sonst so aus der Hütte bringen wollte und dann für die Vorbereitung brauchte. Es war ein gutes Versteck.
Naira ging danach raus und begann mit einem Federkiel eine kleine Nachricht im Schein der Fackeln von unten zu verfassen. Dann - nachdem die Tinte trocken war - ging es hinab. Kurz prüfte sie ob wirklich niemand hier war, indem sie bei Stallions Schlafstätte nachsah und bewegte sich dann schleichend und ruhig hin in den Bereich, wo die heutigen Schätze für sie lagen. Dort wo sie das letzte Mal auch waren. Ein kurzer Blick am Pult, wo Stallion Buch führte und bei den Papieren für die Auslieferungen und es schien alles soweit zu passen. Alles - was in wahrscheinlich vier Tagen vorbei sein sollte.
Danach kam ihr Dietrich zu Einsatz. Stallion hatte die Schlüssel mitgenommen und so blieb diese kleine Herausforderung vor der größeren Kammer, die nach Leder roch. Das Schloss der Gittertür ließ sich nach kurzem Prüfen und improvisieren erst mit ihrem einfachen, groben Dietrich und dem Federkiel als Blockade für den ersten Schieber öffnen. Der Federkiel war dadurch gebrochen, aber die Tür auf.
Und dann begann die Suche im Schein einer Kerze.
Sie probierte zwei Paar lederne Handschuhe an und nahm die etwas zu großen, aber doch noch kleineren Handschuhe mit.
Armschienen waren dafür einfach gegriffen worden und eilig stöberte sie dann bei den Stiefeln.
Hier gab es für ihre Füße das größte Problem. Es waren im Grunde nur Stiefel für Männer und entsprechend waren sie zu der nicht passenden Größe klobig und schwer. Sie wühlte herum und suchte bei den kleinsten Exemplaren nach etwas, was grob zu ihren Füssen passte.
Fündig wurde sie bei einem abgetragenen Paar, dass sie erfreute und zugleich überraschte. Es waren ihre guten Stiefel, die sie am Anfang hier abgeben musste, als sie neu eingekleidet und gedemütigt wurde.
Sie waren wohl gut genug für das Militär und waren nicht irgendwo dort gelandet, wo wohl ihre restliche Kleidung war.
Damit fehlte noch etwas, was hier besonders präsent herum hing. Eine Lederrüstung. Naira war und konnte da nicht wählerisch sein. Es gab für sie eh nichts passendes. Viel mehr griff sie das wohl kleinste Exemplar und machte sich klar, wieso hier alles so groß war.
Die richtigen Soldaten hatten nicht nur einen Wams, sondern etwas Besseres, worüber sie die Lederrüstung zogen. Sie besah sich manche der Gambesons und war sich sicher, dass wenn sie das und die Lederrüstung anziehen würde, sie schon eine gute Wirkung hätte, aber was zeichnete sie als Offizierin aus? Sie musste etwas besser wie ein gewöhnlicher Soldat gekleidet sein. Wie manche Gardisten die Wache hielten oder ein Ritter. Sie überlegte, während sie sich ein dunkles Gambeson nahm und bei den Gurten herum kramte, um einfach ein paar Davon zu haben. Sie enger schnallen würde sie müssen, damit sie nicht wie ein kleiner dicker Junge in der Montur aussah.
Sie beschloss, die Beute erst einmal ins Versteck zu bringen und schloss hinter sich die Gittertür so, dass kein Verdacht aufkommen sollte.
Wieder aus dem Versteck gekrochen, kletterte sie wieder hinab und folgte einem Gedanken der gar nicht so dumm war. Wo war Gardist Miguls Ausrüstung? Wenn Stallion die Geschicht eines Deserteurs erzählte, dann durfte in Miguls Kiste und Schrank nichts mehr sein. Sie prüfte dies und wurde bestätigt. Sorgsam schloss sie die Kiste wieder und schaute auch in Stallions Schrank nach. Der bullige Stallion hatte genau das, was sie brauchte, aber zwischen ihr und Stallion waren in Größe und Breite bestimmt zwei Welten. Das ging nicht. So fand sie aber auch nicht Miguls Sachen hier. Dumm war es ja nicht und die Sachen musste er vielleicht schon in der Todesnacht beseitigt haben.
Doch ihre Suche war zweifelsfrei nicht umsonst hier. An der Wand hing Stallions Langschwert. Der Gardist hatte es nicht mitgenommen und Naira gefiel die Idee, mit ihrem kleinen Brief und den Raub des Schwertes eine unmissverständliche Botschaft zu hinterlassen.
“Wir waren hier, wir haben es wirklich gesehen und dein Schwert ist nun erst einmal unser, damit dir klar wird, dass wir dich beherrschen.”, schoss es ihr durch den Kopf, nachdem sie den kleinen Brief auf Stallions Bett abgelegt hatte.
>Wir wissen, was du Migul angetan hast. Deine Taten können jedoch unser Schweigen erkaufen. Bringe uns morgen Nacht ein Schwert aus der Waffenkammer und deinen Dolch als Zeichen deiner absoluten Loyalität und den Willen nicht gehängt zu werden. Lege es auf den Amboss von Randol den Schmied und entferne dich mit der Gewissheit, dass du beobachtet wirst. Erfüllst du diese Aufgabe, dann findest du die nächste, dich erlösende Botschaft beim rechten Schandstock am Übungsplatz.
Die Wissenden<
Der Inhalt war klar und Stallion täte gut daran, zu befolgen was da stand. Tatsächlich war die Erpressung des Gardisten genau das, was sie den anderen gesagt hatte. Gold kauft. Geheimnisse beherrschen.
Und Naira war fest entschlossen, diese Möglichkeit vollends auszunutzen.
Mit Stallions Langschwert am Rücken suchte die Diebin weiter im Erdgeschoss. Sie wollte Miguls Sachen finden und ging von Bereich zu Bereich des Lagerhauses. Sie suchte zwei Schränke ab, ging in den nächsten Raum und hoffte vielleicht ein loses Brett zu finden. Doch nichts von dem fruchtete.
Dann drehte sie sich um. Intuitiv und sich nicht sicher, was das sein sollte. Ein Gefühl einfach. So wie eine Vorahnung.
Sie betrat den Bereich und roch viele Dinge hier. Fremde Dinge, vertraute Dinge und Dinge, die sie nicht zuordnen konnte. Erst das Kerzenlicht offenbarte was bisher nur ein Gefühl war.
Sie fand Rucksäcke vor. Von der Machart eindeutig dem Waldvolk zugehörig. Waldläuferrucksäcke die pragmatisch bepackt waren und alles seinen bestimmten Platz hatte. Beide waren geöffnet, aber nicht zerwühlt. Da hatte noch niemand wirklich reingeschaut.
Die gehörten Turyas Freunden, die Naira nicht vergessen hatte. Die Agentin des Waldvolkes wühlte nicht in der Hauptsache herum, da war nur Kleidung und Dinge an die man nicht sofort ran musste. Die praktischeren Dinge hatte man in der kleineren Taschen.
Sie fand getrocknete Kräuter, eine Socke deren Partnerin nicht in der Tasche war und Trockenfleisch in großen Blättern eingerollt. Eine andere Nebentasche bot Zunder und Flickzeug, an dem sie sich bediente. Vielleicht bliebe Zeit dafür. Nicht jedoch für diesen Rucksack, der an einer Stelle leicht aufgeschnitten war. Die Diebin konnte es zwar nur vermuten, aber anhand der Nahtspuren war da wohl etwas eingenäht worden.
Die zweite Socke fand sich in der Untertasche zusammen mit einfachen Werkzeug und Material zum Fallenbau. Naira wusste was das alles war, denn es folgte einer gewissen Routine. Sie bediente sich nicht daran, da sie es hier nicht brauchte. So stopfte sie wieder alles nach und nach rein.
Als sie jedoch noch einmal rein griff, um die Socke tiefer rein zu drücken, umgriff sie etwas Hartes und Rundes, das nicht da rein gehörte.
Sie zog die Socke heraus und staunte nicht schlecht, als sie schwach schimmerndes Erz in der Hand hatte. Grünes Erz. Die Socke landete in ihrem Wams. Die Myrtaner durften an sowas nicht gelangen.
Dann war der zweite Rucksack dran und auch dort fand sie eine Stelle, wo mit dem Messer schnell die Nähte aufgeschnitten wurden, um an etwas zu kommen. Was es in beiden Fällen war, konnte sie nur vermuten.
Wichtiger oder besser gesagt interessanter war es dann mit einem Fund in einem aufgerollten Fell am Boden des Rucksackes. Viel zu laut für ihren Geschmack, fiel das in Fell eingewickelte grüne Erz zu Boden und auch etwas anderes, das golden im Schein der Fackel schimmerte.
“Eine goldenen Sichel? Ist einer von denen Druide?”, fragte sie sich in Gedanken und war sich sicher, dass der nächstbeste Myrtaner die Sichel an sich nehmen würde, um sie zu verkaufen, statt zurückzugeben.
Erz und Sichel landeten in ihrem Wams und dann suchte sie den Rucksack weiter ab.
Geübte Hände machten das sehr schnell, da sie wusste wie in der Regel bei Waldläufern gepackt wurde.
Am Ende hatte sie Flickzeug, einen Schleifstein, zwei grüne Erzbrocken und eine goldene Sichel. Den Rest würde sie nicht retten können und hatte einfach keinen Bedarf. Als sie dann die Rucksäcke zurück legte, stieg ihr ein etwas feiner Geruch in die Nase.
Sowas hatten keine gewöhnlichen Leute bei sich. Nicht so einen kleinen Behälter, den sie gleich ausfindig gemacht hatte. Sie steckte das Duftwasserflacon ein und wühlte weiter.
Sie fand Bücher in einer Kiste vor, die sicher mitsamt dem Inhalt sehr teuer sein musste. In einer weiteren Kiste waren Kleidungsstücke die nach Varant passten und in der letzten, eher kleinen Kiste fand sie unverhofft etwas, was sie brauchte.
Miguls Ausrüstung wäre gut gewesen, doch ein Waffenrock mit einem Wappen an der Brust war besser. Das Blau war noch kräftig genug, um mit Naira durchzugehen und das silberne Wappen war einfach. Eine Krähe auf silbernen Grund mit Lorbeerkranz um das Wappen. Sie schloss die Kiste, nachdem sie sich eine vielversprechende braune Hose herausgeholt hatte.
“Mal sehen was ich damit anfangen kann.”, sagte sie sich in Gedanken. Mit dem blauen Waffenrock, den neune-alten Stiefeln, Handschuhen und Armschienen, einen dunklen Gambeson, sowie einer Lederrüstung, würde sie schon was anfangen können. Mit Stallions Schwert noch mehr.
Sie brachte danach alles ohne große Eile in ihr Versteck und sorgte dazu, dass es von Kisten verdeckt wurde.
Sie war hier fertig und hätte wohl nach gut einer Stunde immer noch auf Stallion warten können. Doch sie vertraute auf den Brief und dass der Gardist keine Dummheiten getríeben hatte. Mit kleiner-großer Beute, deren Sinn sie noch nicht ganz verstanden hatte, schlich sie aus dem Lagerhaus, kletterte die Empore hinab und machte sich im Schutze der Nacht zu ihren Leuten.
Es gingen ihr ein paar Dinge durch den Kopf, was sie mit Stallions Schwert zum Beispiel machen würde und auch was sie mit dem Sumpfkraut machen sollte, welches sie immer noch verbargen.
Sie blickte kurz zurück und Stallion war immer noch nicht da. Gut für sie und für morgen. Naira verschwand in den Schatten…
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Fort Nemora - Großer Platz
Unbewegt wie ein Stein sah Kiyan mit an, wie Gardist Finley den Gefangenen namens Jostan köpfte. Mit dem gleichen Interesse, wie er einer Fliege bei ihrer Runde zusehen würde, schaute der Hüne dem Kopf hinterher, der einen roten, wässrigen Schleier hinter sich herzog, ehe er dumpf auf den Boden prallte und über den steinigen Boden davonkullerte.
Auch die nachfolgende Standpauke Eyck Natalis‘ nahm er völlig ungerührt hin. Sein Blick galt Finley, dem Mann, der ihnen ein Ende im Minecrawlerbau versprochen hatte. Einem guten Kämpfer, wie’s schien, auch wenn es wahrlich kein Meisterstück ist, einen mageren Häftling zu enthaupten. Dennoch erkannte Kiyan gleich, dass es sich bei dem Gardisten nicht um so einen elendigen Aufschneider wie Stallion handelte, sondern um einen im Kampf gestählten Veteranen. Er nahm sich vor, dass bei seiner Planung für … was auch immer … zu berücksichtigen. Im Fall der Fälle musste es bei dem Kerl also auch ein Messer in den Nacken oder ein schwerer Stein auf den Hinterkopf sein. Da war der Waldläufer nun mal realistisch und kein Anhänger von Ehre und Kodex.
Dem Kampf von Onyx mit dem Gardisten Gondalf – einen Schild tragend – sah er mit mäßiger Aufmerksamkeit zu. Er kannte den Nahkampfstil des Torgaaners. Gut mit der Keule, ein Freund von schweren Hiebwaffen, nicht von filigranen Klingen. Wäre der Mann Paladin geworden, hätte er wohl einen schweren Kriegshammer getragen wie eine adelige Dame ihren Sonnenschirm. Aber das Schicksal wollte, dass aus ihm ein Waldläufer und Hüter wurde, sodass die Umstände ihn dazu brachten, wenigstens die Grundlagen des einhändigen Waffenkampfes zu erlernen. Wie gewohnt schlug der Hüne kräftig zu, wohlwissend, dass da, wo er traf, kein Gras mehr wachsen würde. Das bemerkte auch der Kerl namens Gondalf.
Der Kampf endete damit, dass Onyx während eines Blocks durch Gondalf, dessen Schild am Rand packte und zu sich zog. Wo ein Stich mit dem Schwert klar den Sieger bestimmt hätte, schlug der Torgaaner mit der Keule zu. Gondalf trat zurück, ließ den Schild los, sodass der Hüne nun in einer Hand einen nutzlosen Schild trug und schlug mit seinem Schwert und einer schnellen Schlagkombination die Keule aus der Hand.
Nachdem Eyck Onyx bei den Blauen eingeteilt hatte, entschied er, dass Kiyan der nächste Kämpfer sein sollte. Der verzog die Lippen zu einem Grinsen. Der letzte Einsatz mit dem Schwert war ein wenig her und trotz der unkonventionellen, aber erstklassigen Ausbildung bei Charon, dem Söldner in Stewark, war er nie zur Meisterschaft an der Klinge gelangt.
Es wird reichen müssen, und selbst wenn nicht – scheiß drauf.
Das eiserne Übungsschwert, welches ihm jemand zu warf, fing Kiyan geschickt auf. Er nickte. Schwer. Seiner Größe und Statur entsprechend. Erinnerte ihn an das Breitschwert aus Nordmar, welches nun im Besitz Valerions in Tooshoo war. Tod den Orkärschen, ha. Viel gebracht hatte ihm der nordmarische Kampfschwur auf der Klinge jedenfalls nicht.
Finley sah ihn offen an, hob beide Arme. Sein eigenes Schwert lag locker in der rechten Hand. Der Griff eines Mannes, der das Gewicht gewöhnt war.
„Fertig?“, fragte Eyck und sah beide an. Kiyan nickte nur.
Die beiden Männer begannen sich zu umrunden, keiner stürmte voran. An der Art, wie Kiyan die Klinge hielt, erkannte der Gardist, dass sein Gegenüber das Schwert ebenfalls kannte. Er würde also anders vorgehen müssen als beispielsweise Gondalf bei Onyx. Vorsichtiger, bis zu dem Punkt, da das Talent klar wurde. Kiyan kam es gelegen, denn so hatte er einige Sekunden, den Gardisten zu beobachten. Die Arbeit seiner Füße, die Bewegung des Körpers. Er war schnell, keine Frage, das hatte der Streich gezeigt, der Jostan den Kopf gekostet hatte.
Aber ich bin stark und groß und kein blutiger Neuling, nicht abgemagert. Ich trage Kraft in mir, die seine übersteigt. Das muss ich nutzen. Meinen Vorteil zu seinem Nachteil.
Irgendwann kam Finley wohl zu der Entscheidung, dass er seinen Gegner genug beobachtet hatte und nun losschlagen sollte. Der Mann sprang vor, stach mit dem Schwert nach Kiyans Leibesmitte. Der Hüne wich zur Seite aus, wusste er doch, dass ein Stich schlecht zu blocken oder parieren war. Er nutzte den Schwung der Bewegung, schlug aus der Drehung zu und zwang Finley, der immer noch ein Bein vorangestellt und den Arm gestreckt hatte, in die Defensive zu gehen. Er nahm das Bein wieder zurück, riss die Klinge hoch, nicht hektisch, aber rasch und blockte den Schlag ab.
Die Tatsache, dass Kiyans Kopf noch auf seinen Schultern ruhte, versicherte ihm, dass Eyck nicht der Meinung war, hier würde jemand versuchen, seinen armen Gardisten zu töten.
Die beiden Männer bewegten sich wieder zurück in die Ausgangsposition. Auf ein Nicken des Kompaniechefs hin, eröffneten sie die zweite Runde. Diese begann Finley weitaus direkter und aggressiver und brachte den Gortharer direkt in die Defensive. Er musste ausweichen, die Klinge des Soldaten ablenken und den kreisrunden Kampfplatz ablaufen, um nicht in eine Position ohne Ausweg zu geraten. Einen von rechts kommendem Hieb hielt Kiyan mit der Klinge auf, sodass das Schwert Finley daran herabschliff und sich die Parierstangen verhakten. Hier galt nun bloße Stärke, die der Waldläufer grinsend nutzte. Ihm schien, als würde in weiter, unendlicher Ferne ein Mammut triumphierend, ja herausfordernd und drohend trompeten. Ihm war, als würden seine Muskeln anschwellen.
Die Rechnung hatte der Begünstigte (oder Verfluchte …) des Mammutgeistes jedoch ohne die Erfahrung des Gardisten gemacht. Er rotzte Kiyan in die Augen, dem war, als würde die Verbindung schlagartig reißen. Angewidert stolperte er rückwärts, was Finley ausnutzte, um dem Gortharer mit Schmackes eins auf die Fresse zu geben.
Blut floss aus Kiyans Mundwinkel. Er befühlte mit der Zunge die Zähne, spuckte etwas roten Speichel aus und wischte sich mit dem fleckigen Lumpen über den Mund. Etwas in ihm schrie danach, die Klinge beiseite zuwerfen und die Pranken um den Hals des Gardisten zu legen, ihm das Leben aus der spöttisch grinsenden Visage zu pressen.
„Ho, Calveit!“, Natalis‘ Stimme riss ihn aus der aufkommenden Raserei. „Ruhig Blut. Finley ist ein mit allen Wassern gewaschener Veteran, ein ehemaliger Rebell. Der kennt jeden dreckigen Trick, den irgendwelche Grünen Teufel oder Orksöldner gezogen haben. Du hast aufs Maul gekriegt wie ein vorlauter Bengel. Find dich damit ab.“
Das stählerne Auge richtete sich auf den Offizier. Einen Augenblick lang hatte Kiyan gehörig Lust, sich auf den Kerl zu stürzen und ihm die Gliedmaßen einzeln auszureißen, ihn zu massakrieren, wie die Feinde meine Kinder, meine Nachkommen, meine Sippe zerfetzt haben. Blut muss durch Blut gesühnt werden, hundertfach, tausendfach, Blut, Blut, Blut …
Kiyan schüttelte sich, als hätte er in einer Jauchegrube gebadet und den Mund geöffnet. Ähnlich fühlte sich sein Inneres an. Ihm war heiß, siedend heiß. Er ließ die Klinge fallen.
„Blau“, entschied Natalis kalt, „du hast zwar sehr gut gefestigte Grundlagen im Kampf, aber bist unberechenbar. Runter vom Platz.“
Finley grinste Kiyan immer noch herausfordernd an, als er das Schwert entgegennahm, welches der Waldläufer ihm mit dem Griff voran reichte. Teilnahmslos blickte er dem Gardisten entgegen, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf Onyx richtete. Der musterte ihn forschend.
„Alles gut?“, fragte er in seiner Muttersprache.
„Ja“, presste Kiyan hervor und schüttelte sich abermals. „Welche Verbindung ich auch immer mit diesem … Geist habe. Dem … dem Gauron sich verschworen hatte … es ist eine befleckte Verbindung. Ein Wesen von Blutlust und Hass.“
Er senkte die Stimme, obwohl sicher niemand hier Torgaanisch sprach. „Ich weiß nicht, ob es Svalblods Werk war. Der den Untergang der Mammutsippe besiegelte. Vielleicht ist etwas von der Verderbtheit in dem Geist verblieben, gepaart mit einem unbändigen Wunsch nach Rache.“
Der Hüne wischte sich über das Gesicht, atmete durch. „Blau also. Meinst du sie haben Uniformen in unserer Größe?“, fragte Kiyan, während Natalis den ehemaligen Knappen namens Wylis auf den Platz rief. Der marschierte, mit einem Blick zu dem Einäugigen hin, und stellte sich vor Gondalf. Der Ausgang der Begegnung interessierte den Waldläufer nicht besonders. Am Ende des Tages waren hier alle Insassen – abgesehen von Onyx, seinem Gefährten und Waffenbruder – Mittel zum Zweck der Flucht. Mehr nicht.
Geändert von Kiyan (05.10.2025 um 19:29 Uhr)
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Beria
»Vanyel hat hier geholfen in seiner eigentlichen wirklich Funktion. Er ist nicht die Ursache. Die Bosheit die das arme Tier getötet hat liegt ihm fern. Er ist ungehorsam. Wild. Frei wie der Himmel unklar wie die tiefe Nacht. Grausamkeit liegt ihm fern«, meinte Lyara zu Porgan als sie sich über den nunmehr verwesenden Kadaver des armen Tieres beugten. Der Gestank drang wie Gift in ihre Nase und die Umgebung, die sonst so friedvoll und harmonisch in Beria schien, schien von dem Bösen gestört zu werden, welches über dieses Wesen gekommen war. Porgan, der Hüter des Keilersteins wie die Frau aus Ardea mittlerweile wusste, war nicht überzeugt. Er war im Gegenteil überaus skeptisch. Er sagte auf die Worte nichts hin. »Ich suche was es damit auf sich hat! Schließlich ist das jetzt erm auch meine Aufgabe nicht wahr?«. »Darüber wird im Zirkel von Beria noch entschieden«, gab Porgan barscher als erwartet zurück. Die Vereinnahmung durch die Nachtigall schien ihm weiterhin gänzlich zu missfallen. »Ich bin total vorsichtig«, meinte Lyara mit ihrer jugendlichen Naivität. »Ich gehe mit ihr«, meinte Ifran Vierherzen und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Bei jedem Anzeichen von Gefahr kommt ihr zurück«, mahnte Porgan und Beide nickten ergeben.
Lyara und Ifran schritten vorsichtig über den weichen Waldboden nahe Beria. Nebel kroch zwischen den Bäumen wie leiser Atem, und das Rascheln von Blättern ließ ihre Sinne schärfer werden. Plötzlich blieb Lyara stehen. Zwischen den Schatten bewegte sich etwas Großes, geschmeidig und leise. Ein Tier, das sie zunächst nicht klar erkennen konnte, trat aus dem Nebel: ein schwarzer Panther, doch nicht gewöhnlich. Sein Fell schimmerte wie die Nacht selbst, und aus den Augen glühte ein kaltes Rot, das blutig selbst die Dunkelheit zu durchbohren schien. »Vanyel…?«, flüsterte Lyara, als sie die Aura spürte, die von dem Wesen ausging. Es war gleichzeitig majestätisch und bedrohlich. Sie spürte, dass hier keine natürliche Kreatur vor ihr stand. Kälte rann ihr den Rücken herab.
Der Panther setzte sich langsam hin, die Muskeln unter dem glänzenden Fell angespannt. Ein leises Knurren, fast wie ein herausforderndes Lachen, entkam ihm. »Morvath«, kam es in Lyaras Geist, als sei die Stimme Teil des Tieres selbst und sie wusste, dass es eine Vorstellung war. »Vanyel hat dich in ein falsches Spiel verstrickt mein Kind. Er hat viel zu lange auf seinem Posten gesessen, der nicht mehr für ihn bestimmt ist«. Ifran spannte sich und machte sich kampfbereit. Wieder das leise Knurren. »Sag deinem Begleiter er soll nicht dumm sein«. Lyara legte dem Waldläufer eine Hand auf den Arm und schüttelte den Kopf. »So ist es gut mein Kind«. Der Panther legte sich über die Schnauze als hätte er Blut gewittert. »Vanyel hat die Ruhe und den Frieden gewählt… ich wähle das Spiel, die Jagd, das Chaos. Wer sagt, dass sanfte Begleitung genug ist? Der Tod ist grausam und brutal. Du brauchst einen Geist der dem gewachsen ist. Kein zwitscherndes Vögelchen« Lyara spürte ein Schaudern. Das Tier schien ihre Gedanken zu lesen, und doch griff es nicht an. Es blieb in sicherer Distanz, seine Präsenz eine Mischung aus Warnung und Neugier. Morvath war nicht einfach ein Gegner. Er war eine Kraft, die den sanften Einfluss von Vanyel infrage stellte – ein dunkler Schatten auf dem leisen Licht des Todesbegleiters. »Dein Weg mit ihm ist schwach und es gibt viele Herausforderer. Er hat dir den Wahlstein zugespielt Menschlein. Wähle weise«
So schnell wie er gekommen war, glitt der Panther zwischen den Bäumen davon, sein rotes Leuchten zurücklassend wie eine Warnung. Lyara stand noch eine Weile reglos da, das Herz klopfend. Sie hatte keinen Zweifel: Er war es der das Tier in den Tod geschickt hatte. Auf seine Weise.
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Isthar
»Innos führe mich«, er ging ein paar Schritte. »Innos schütze mich«. Sand wehte durch seine Haare und der Wind zerrte an seiner Robe. »Innos leite meine Hand«. Die Nacht war hereingebrochen und er hatte sich weit von der Stadt entfernt. Was er nun testen würde, war nicht für die Stadt bestimmt. »Innos. Herr des Lichts und des Lebens steh mir bei. Bitte«, das letzte Wort flehte er. Es war in seinem Blut. Die Magie war dort. Er erinnerte sich wie Draco kämpfen musste. Wie ihre Mutter der Dunkelheit anheim gefallen war. Saraliel schluckte. Es war auch in ihm. Aller Verstand reichte nicht um dieser simplen Tatsache zu entkommen. Die Macht war in seinem Blut. In ihrem Blut. Im Blut der Kinder der Dämmerung. Seine Gedanken rasten und kreisten seit Tagen. Hieß das, dass er befleckt war? Die Dunkelheit seiner Familie auch in ihm ruhte? Vater war davon nicht betroffen. Keine spitzen Ohren. Keine Anzeichen davon. Er aber… Er war Sohn von Serpentia. Neffe von Daelon. War Böses in ihm? »Herr…. Hab Gnade mit mir«, flehte er. Er schaute über das weite Feld vor ihm und hinter sich. In der Wüste war Niemand. Er atmete ein und aus. War sein ganzes Leben eine Lüge? Nein nein. Er hielt sich an Vaters Vorbild und alles war gut.
»Kann einem ganz schön den Tag vermiesen«, meinte eine Stimme hinter ihm. Saraliel schreckte zusammen und sah doch Niemanden. »Astral«, spottete die Stimme. Der Magus setzte seine Fähigkeit ein und erkannte: Raschid al-Din oder zumindest ein astraler blauer Schatten von ihm.
»Wie?«, raunte Saraliel.
»Euer Gott wollte mich nicht. Nun noch nicht...«, meinte er lachend als Antwort.
»Erklärt euch!«, forderte er.
»Mit Gestammel von Innos wie du? Nein nein. Das ist nicht mein Stil. Bitte bitte Innos? «, fragte der alte vom Berge gehässig. Der Feuermagier erhob drohend die Hand.
»Ihr zollt mir Respekt oder ich….«, seine Hand zitterte. Die Anspannung der letzten Tage war zu viel gewesen.
»Du hast keinen Respekt verdient. Sohn von Serpentia. Blut der Dämmerung. Nur den Schmerz und Tod. Beliar wird dich holen«, meinte der Schwarzmagier böse.
Es brach aus Saraliel heraus. Er wusste nicht wo oben und unten war. Rechts und Links. Er wusste nur eines: Er war wütend und traurig. Verzweifelt und erbost. Er schrie in die Wüste hinein. Machte seinem Frust Luft und schlug auf den Sand ein. Er spürte wie sein Blut zu kochen begann. Dann begann es zu regnen. Erst einzelne Tropfen die zischend auf den Wüstensand trafen. Tropfen wie feuriges Blut. Dann wurde es mehr. Es regnete Feuer und Blut vom Himmel. Wie ein mächtiges Omen begann der Himmel selbst auf den Untergrund zu fallen. Es zischte und knackte und Saraliel schaute zu wie sich seine Wut über die Wüste ergoss. Ein Regen aus Wut und Feuer.
Er saß erschöpft und mit Tränen im Gesicht im Sand als es vorbei war. Saraliel zitterte.
»Guter Anfang. Nicht unbegabt. Wenn ihr so weiter macht, darf ich schon bald zurück«, meinte al-Din zuversichtlich.
»Was ist eure Aufgabe?«, fauchte Saraliel.
»Ich bin hier um zu helfen eure Magie zu entfalten. Mir wurde klar, dass ich als Vergebung etwas Gutes tun muss und nunja ihr seid der Einzige den ich erreichen kann, der mir zuhört und der Hilfe braucht. Gut genug für mich«.
»Zu Beliar mit euch!«, schrie der Feuermagier als Antwort.
»Das war meine Erwartung«, meinte der Schemen der von dem grausamen Schwarzmagier geblieben war. »Doch das habt ihr gründlich vermasselt. Also würde ich sagen: Wir werden hervorragend zusammen arbeiten«
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Fort Nemora - Schneiden, Stechen, Waschen
“Hmm…vielleicht. Vielleicht soll es so sein, dass wir auf Svalblod trafen. So wie auch auf die Steintafeln. In Torgaan sagen wir, das Schicksal ist alles. Dein Weg ist dir von Anfang an bestimmt. Jede Entscheidung zieht an anderen Fäden und doch…sind alle Fäden wie ein Spinnennetz miteinander verbunden. Am Ende ziehst du damit an deinem Lebensstrang…an deinem Schicksal. Pasheera! So ist es und so wird es immer sein. Wenn du das weißt, dann zögere nicht mit Entscheidungen und schau nicht zurück. Das ist torgaanisch.”, sinnierte Onyx der Philosoph auf torgaanisch. Währenddessen schlug sich dieser Wylis besser als gedacht. Besser als seine jämmerliche Gestalt andeutete. Trotzdem unterlag er diesem Gondalf und kassierte noch einen Tritt, weil er den Gardisten scheel ansah. So lief das wohl hier.
“Zur Not bekommen wir zwei Uniformen zusammen genäht. Ob wir überhaupt was bekommen?”, brummte der Waldläufer mit halbem Ohr zuhörend und sah genau zu, wie Natalis mit einem alten Gardisten eine Liste machte und Namen einteilte.
Es waren noch vier Kämpfe vergangen, bis am Ende acht Blaue, fünf Rote und drei Gelbe da standen. Der Rest war durchgefallen und durfte wieder in die Minen. Zennek schien der Einzige zu sein, den dieses Schicksal nicht behagte.
“Herhören! Ich bin Gardist Harkon! Gratulation! Ihr seid keine Minensträflinge mehr sondern Rekruten der 2. Verbrecher-Kompanie des myrtanischen Reiches unter Sir Eyck Natalis. Ich bin euer Spieß. Das heißt, ich töte euch, wenn ihr die Formation verlässt, desertiert oder feige vor dem Feind seid. Ich helfe euch aber auch, weil ich über drei Dutzend Jahre in meinem Militär diene und weiß wie die Dinge sind und was ihr braucht. Ich bin ab jetzt die Hure von Mutter, die euch säugt und der Bastard von Vater, der euch windelweich prügelt, wenn ihr nicht spurt! - Und euch ertränkt wie einen Köter im Sack, wenn ihr mein Militär entehrt! Habt ihr das verstanden!? Dann antwortet mit Jawohl, Gardist Harkon!”, sagte der Veteran mit dem Brustkorb eines Orks. Sein Schnauzer war gepflegt, der Kopf sauber rasiert und seine Stimme hatte solch einen tiefen Bass, dass man seine Flüche wohl noch in der größten Schlacht hören würde. Gardist Harkon war ein richtiger Soldat und selbst Onyx würde es sich überlegen, Ärger mit diesen immer noch voll im Saft stehenden alten Krieger anzufangen.
“Jawohl, Gardist Harkon.”, erklang es aus der Gruppe. Danach rief Harkon Namen auf und teilte sie ein.
Zwei Rote, ein Gelber und fünf Blaue waren sie und bildeten Gruppe 1.
Wylis, Elfric, Kiyan und er selbst waren dabei. Unter den beiden Roten war der ältere Mann, der mit ihnen hierher kam. Den Rest kannte Onyx nicht, erkannte aber anhand des Aussehens zwei scheinbare Myrtaner und einen Varanter, der dies aber nur zur Hälfte sein konnte. Da war noch anderes Blut im Spiel.
Dieser trug eine gelbe Binde und konnte wohl sehr gut kämpfen.
“Gruppe 1 wird von Gardist Finley und Knappe Zed geführt. Gruppe 2 Gardist Gondalf und Knappe Frado.
Ihr folgt euren Ausbildern zu den Lagerbarbieren und werdet alles mit euch machen lassen. Sonst seid ihr schneller als gedacht wieder in den Minen. - Übrigens! Da ist eine Glocke. Läutet sie und ihr dürft einfach wieder in die Mine und dort euer Ende suchen. Ersatz findet sich ganz einfach. Seid unbesorgt. - Und jetzt werdet ihr zu Rekruten gemacht! Haarschnitt! Zeichen und Entlausung! - Abmarsch!”, sagte Harkon. Und so geschah es. Sie wurden zu einer Behausung geführt, wo mehrere Barbiere und Feldärzte arbeiteten.
Nicht gerade sauber wirkte der Barbier, der dort gerade schon Haare schnitt und auch beide, die da die Tätowierungen am Arm machten, waren keine, zu denen man gewöhnlich für sowas hingehen würde. Doch es gab wohl keine große Wahl und Onyx musste es wohl durchziehen, wenn er eine Chance haben wollen würde, hier raus zu kommen.
An sein kurzes, krauses Haar ging der Barbier so gut wie gar nicht. Stattdessen stutzte er mit einem Rasiermesser Onyx leichten Bart und machte das zu seinem Glück gut. Danach durfte der Torgaaner an einem anderen Stuhl Platz nehmen und das Sträflingshemd ausziehen. Sofort begann der Barbier mit der Tätowierung und wünschte sich sicher, jetzt woanders zu sein. Onyx starrte ihn von der Seite an, als würde er diesem Typ gleich eine klatschen und dann würgen, bis die Kehle eine ausgedrückte Wurst wäre.
Doch Onyx ertrug es, verschandelt zu werden und auf seine dunkle Haut am Oberarm eine schwarze Tätowierung zu bekommen. Was es genau war, sah er nicht, aber es musste der myrtanische Adler sein und dazu ein Zeichen, dass er zur Verbrecher-Kompanie gehört oder ein Verbrecher ist. Die Myrtaner wollten wissen, was sie da vor sich hatten und demonstrieren, dass sie fortan das Sagen über einen hatten. Eine Tätowierung sagte mehr aus wie Worte.
Danach hieß es warten, bis der Rest seiner Gruppe durch war, während insgesamt vier Barbiere die Arbeiten machten. Die acht Mann waren teils kaum wiederzuerkennen. Elfric vor allem, den sie das Haar radikal gestutzt hatten, da er sich beklagte und meinte, dass sein goldenes Haar sein Stolz wäre. - Dummkopf!
“Es soll demütigen. Machtverhältnisse klar machen.”, dachte sich der Hüne und sollte sich dann wie die anderen Männer komplett ausziehen. Nicht das es Onyx unangenehm war nackt zu sein, doch das Starren der Soldaten auf die nackten Männer war unangenehm. Die Kommentare, Gelächter oder Anerkennung. Onyx selbst dachte sich, dass zum Glück keine Gruppe von Frauen hier war. Denn die hätte, allesamt ihn gewählt und die Egos vieler hier bis ins Mark erschüttert.
Dann kamen sie zu dritt mit weißen Pulver und bewarfen den Torgaaner und die anderen damit. Onyx hustete und nieste. Schüttelte sich. Genauso wie die anderen. Ein mieser Versuch, Onyx in einen Aschekrieger von Torgaan zu machen. Das war er nicht. Sie lachten nun über ihn. Hatten den schwarzen Mann in einen kreideweißen Mann verwandelt.
Onyx ließ es an sich abprallen, stand aber da aufrecht und merkte sich jedes Gesicht. Seine onyxfarbenen Augen wanderten und suchten Blickkontakt. Mancher, der es bemerkte, verstummte. Vergaß für einen Moment das ungleiche Machtverhältnis. Andere scherten sich nicht darum im tiefen Glauben, dass so einer wie Onyx für immer unter ihnen stehen würde. Das würde sich irgendwann einmal ändern, wenn er vor ihnen stand und beide Hände den Hals kräftig umschlangen.
Doch nun waren sie es, die mit Wassereimern und viel Gelächter Gruppe 1 half sauber zu werden. Kalt war es, stank irgendwie und der Wind machte nichts besser. Drei Eimer bekam Onyx ab und dann durften sie ihre Sträflingskleidung wieder anziehen.
Gardist Harkon hatte den ganzen Prozess mit verschränkten Armen und stoischer Miene beobachtet. War das SEIN Militär?
“Ihr stellt euch nun der Größe nach in einer Reihe auf! Du - Torgaaner! Ganz hinten. Dann Calveit! Du…was auch immer du bist, alter Mann! Vor Wylis! - Nordmarer…hinter Wylis und den Bastard-Varanter. Vor Calveit. Du…Rorge?! Zwischen Wylis und den Varanter. Pyper - Vor den alten Mann. - Und los! Folgt Zed!”, befahl Finley und nickte Harkon dann zu.
Sie wurden zu windschiefen Hütten am Rand des Lagers und unweit der Mine geführt.
“Dort werdet ihr schlafen. Ihr Vier geht dahin. Ihr dort hin. Ihr reinigt jetzt die Hütten und dann tretet ihr in einer Stunde wieder an. Heute werden wir noch ganz viel Spaß haben.”, versprach Finley und zeigte auf die Arbeitsmittel.
“Rorge ist gefährlich. Der Kleine unschuldig. Der Bastard ist mehr als wir denken. Der Alte… Ich weiß es immer noch nicht.”, teilte er sich kurz mit, um seine Einschätzung abzugeben. Wylis und Elfric waren ihnen klar.
-
Fort Nemora
Wo der torgaanische Waldläufer eine neutrale Miene gewahrt hatte, deren direktes Starren bei mehr als einem der Soldaten für kalte Füße gesorgt und wesentlich weniger enthusiastische Beteiligung an demütigenden Militärritualen gezeigt hatte, war Kiyans Gesicht offen gewesen. Den Barbier, der ihm das lange, dunkle Haar abgeschnitten hatte, hatte er mit so beiläufigem Geplauder belagert, dass der sich sicher gefragt hatte, ob der Gortharer wusste, dass er hier in einer Gefängniskolonie war. Dabei hatte jedoch trotz all der lockeren Sprüche und Worte kein freundlicher Schein in dem dunkelbraunen Auge gelegen. Es hatte kalt, abschätzig geblickt. Nur das Stahlauge hatte das lebendige darin übertroffen.
Die Tätowierung war relativ zügig vorüber gegangen. Ja, es hatte gestochen und geziept, ja, er hätte gerne bei dem einen oder anderen Eindringen der Nadel gerne dem Barbier den Schädel eingehauen, aber am Ende war es keine wirkliche Tortur gewesen. Nun zierten ein leidlich gelungener Adler der Myrtanischen Flagge und das Abzeichen der Verbrecherkompanie seine Arme. Er würde es als Narben tragen. Erinnerungen. Lektionen, nicht nochmal in die Hände dieser Truppe zu fallen.
Während sie so nackt dastanden in der Kälte und mit einer Flüssigkeit aus Eimern bespritzt wurden, die trotz derer kühlen Temperator wohl nahe den Latrinen gesammelt worden war, geschah es einmal kurz, das Kiyan ein wenig die Fassung verlor. Einem besonders aufdringlichen Kameraden der Kompanie packte er am Handgelenk und drehte es mit einer schnellen Bewegung in eine Richtung, die nicht unbedingt vorgesehen war. Mit einem ganz und gar unsoldatischen, hohen Schrei ging der Mann in die Knie und wehklagte, während Kiyan die Schultern hob und den Gardisten Harkon nur anblickte.
„Sir!“, ein anderer Soldat zeigte auf die Szene, als ob der Gardist sie nicht bereits gesehen hätte.
„Wenn ich einem Bären in die Eier trete, muss ich mich nicht wundern, wenn der mir eine knallt.“, kommentierte der Spieß lakonisch und damit war die Sache erledigt. Freunde hatte sich Kiyan dadurch zwar nicht gemacht, aber sein und Onyx‘ Ziel war es ja auch nicht, mit einem Arm voll Freundschaftsbänder aus der Pforte zu spazieren, sondern zu entkommen und diese ganze erbärmliche Bande hinter sich zu lassen.
„Schöne Hütte“, beschied Kiyan, während sie eintraten. Der alte Zauselbart mit den Tätowierungen und dem Gebrabbel, der tatsächlich einen Treffer mit dem Übungsschwert gelandet und sich nach einem langen Blick zu Kiyan – der diesen nicht bemerkt – für den Dienst in Uniform entschieden hatte, Elfric, Onyx und er bewohnten nun diese beschauliche Kate. Der Alte setzte sich auf sein Bett, mit dem Rücken zum Raum, und begann mit den Fingern an der Wand entlangzufahren, als würde er zeichnen. Kiyan schüttelte den Kopf und sah Onyx an, der zu Elfric blickte und den Nordmarer lange und prüfend anschaute.
Der gortharische Waldläufer trat zu dem etwas kleineren Nordmann, legte den schweren Arm um dessen Schultern und beugte den Kopf etwas herab.
„Ein paar Regeln zu Beginn: Mein Bett ist mein Bett. Da kommt niemand anderes rein. Weder wenn ich wach bin noch, wenn ich schlafe. Falls du darauf aus bist, versuch’s in einer anderen Hütte.“ Er hob einen Finger der freien Hand vor Elfrics Gesicht. „Falls du Ärger willst und meinst, uns irgendwie … mh … blöd kommen zu müssen, sei dir sicher, dass du das nicht überlebst. Dann erwürge ich dich und knüpfe dich an deinem lumpigen Bettlaken auf.“ Der zweite Finger erhob sich. „Letzter Tagesordnungspunkt: Trotz der beiden voran gegangenen Punkte, sind wir in dieser Hütte zwangsweise eine Gemeinschaft. Loyalität wird belohnt, Verrat – wie bereits erwähnt – bestraft. Scheiß auf den Rest der Kompanie, auf den Rest der Kackbratzen in diesem Lager. Der Torgaaner, der Opa, du und ich. Dafür passen wir auch auf, dass nicht irgendwer anders dir ans Leder geht.“
Der Einäugige blickte zu Onyx hin, der zustimmend nickte. Zwei volle und ein unvollständiges Augenpaar sahen zu dem alten Tätowierten, der weiter seine unsichtbaren Zeichen malte.
„Äh“, Kiyan räusperte sich, „also … das gilt auch alles für ihn. Wird er gehört haben. Denke ich. Räumen wir auf. Und passt auf diesen hässlichen Riesen auf, diesen Rorge. Der schmeckt mir gar nicht und stinkt nicht nur nach Scheiße, sondern auch nach verdammt viel Ärger.“
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Fort Nemora
Eine schöne Aufgabe war das. Das Militär brauchte die stärksten und ausdauerndsten Männer, hatte Finley gesagt und damit würden sie beginnen. Er versprach wortwörtlich, dass ihnen das Arschwasser kochen würde und tat alles daran, dies umzusetzen.
In ihrer noch feuchten Sträflingskleidung jagte er die acht Männer über den großen Platz. Immer am Rand hatten sie zu laufen und das in einem Tempo, das Onyx nicht mochte. Es war nicht zum Reisen gedacht, sondern flüchten. Finley setzte es vor und sie hatten zu folgen. Fiel einer zurück, dann hatten alle zu stoppen und Liegestütze zu machen, bis derjenige aufgeholt hatte.
Wer nicht in Bewegung war, wurde angebrüllt. Knappe Zed hatte die genau passende Stimme dazu und anhand der Aktivitäten von Gruppe 2, die ähnlich von Gardist Gondalf herum gescheucht wurde, war Zeds Drohung mit dem Knüppel real. Bei den anderen bekam einer den Knüppel satt ins Kreuz und als er dann nicht sofort aufstand, noch einen motivierenden tritt in den Hintern. Die machten hier kein Spaß, hatten fast Narrenfreiheit und manche waren ganz in ihrem Element. Die warteten nur darauf, dass sie aufmüpfiges Verhalten oder Aggression bemerkten und dann drohten sie sehr kurz angebunden.
Runde um Runde wurde es schwerer und dann wurde der Schwierigkeitsgrad erhöht. Sie bekamen Rundschilde ausgehändigt und sollten damit über Kopf weiter laufen. Für Onyx war das wirklich nichts. Er hasste es ohne Sinn zu laufen und dann seine Kräfte nicht klug einteilen zu dürfen.
Als Waldläufer war er durch die Wildnis gestählt und erfahren. Hart im Nehmen und nicht zimperlich. Es gab Tage da bewegte er sich mit anderen mehrere Kilometer durch unwegsames Gebiet oder jagte Orks über Berge. Die Erinnerung an die Überquerung des Weißaugengebirges war noch frisch.
Doch nichts in der Welt war dem Torgaaner leidiger wie einen Eichenschild über Kopf auf einen Platz zu tragen und dabei im Kreis zu rennen. Ricklen hätte gesagt “Die spinnen, die Myrtaner.”
Nach sehr, sehr vielen weiteren Schritten und der Aufgabe des alten Mannes, Pyper, Wylis und Rorge. Krämpfen bei Onyx, die er knurrend herauslief und Drohungen Kiyan den Schädel zu zertrümmern, war diese erste Tortur vorbei. Als Gruppe hielt sie nur Finley zusammen, indem er sie alle gleich viel zu quälen wusste.
“Ihr Versager! Lächerlich, dass sowas denkt, mit Marschgepäck vierzig Kilometer zu schaffen. Ich werde euch noch viel schleifen müssen, sehe ich! Sei es drum! Wir werden gleich zum Essen gehen. Ihr esst wenn ich es befehle und ihr hört auf, wenn ich es befehle. Danach habe ich uns den Latrinendienst besorgt, damit ihr daran erinnert werdet woher ihr kommt und was ihr seid. In Reihe aufstellen! - Abmarsch!”, befahl der Gardist. Er war vielleicht irgendwo ein Guter, aber ihnen gegenüber musste und wollte er es nicht sein. Das was sie abgaben, das ging alles auf ihn zurück.
Die Kantine waren mit Zeltplanen überdachte Bänke. Nichts war hier einladend und das Essen sah aus wie Orkkotze. Eine Pampe aus Kartoffeln, Erbsen, Hirse und Möhren. Der Banause von Koch hatte weder Kräuter noch Salz oder Pfeffer verwendet. Es war fad und schmeckte wie zu lange gekocht.
Onyx Wald-Koch-Herz blutete regelrecht. Ähnlich schien es den anderen zu schmecken.
Onyx wollte sich gar nicht erst ausdenken, was diese Pampe bei ihm bewirkte und ob sie es überhaupt tat. So viel hatte er als Hüter der Olvara verstanden - je frischer und lebendiger die Pflanze, umso besser die Wirkung. Ob das auch völlig verkochte Dinge taten, war die Frage und ein neues Experiment.
Erbsen hatte er bisher noch nie probiert und Möhren dieser Art auch nicht. Einzig an Kartoffeln war er bisher gekommen und die waren ganz gut. Kraft gaben sie und Ausdauer, aber sorgten auch nach und nach dazu, dass die Beine sich schwerer anfühlten. Zudem hatte er selbst noch nie eine Kartoffel mit seiner Sichel geerntet und mit den Worten der Olvara belebt. Die genaue Wirkung kannte er also auch da nicht.
Während er also den ersten Löffel runter schlang - der Hunger trieb es irgendwie runter - musste er an seine Ausrüstung denken. Vor allem seine goldene Sichel. Ob er je daran wieder käme? Es frustrierte den Torgaaner so dämlich, solch ein unbezahlbares Geschenk des Schicksals wohl verloren zu haben. Die Myrtaner würden sie einschmelzen, weil sie nichts verstanden. So sicher auch das grüne Erz und seine Steintafeln.
Sie hätte sich absichern müssen oder Braga gleich meiden sollen.
“Ob wir wieder an unsere Sachen kommen?”, fragte Onyx auf torgaanisch und blickte zu Kiyan. Im fast selben Moment blickte der alte Mann zu ihn und stoppte mit dem Essen.
“Du willst das sicher nicht mehr essen, alter Mann.”, grunzte dieser Rorge und stahl mit seinem Holzlöffel etwas aus der Schüssel vom alten Mann.
“Du zurück geben…”, grunzte Onyx zurück und ballte die Faust die seinen Holzlöffel umschloss. Rorge grinste auf und zeigte fünf verbliebene Zähne.
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Fort Nemora - noch drei Tage
Was hatten sie da angestellt? Was hatte sie da angestellt? Sie kam nicht umhin, in Stolz zu baden, als es am Morgen hieß, auf dem großen Platz anzutreten und wirklich das ganze Fort in Bewegung zu erleben. Höhere Dienstränge brüllten Kommandos, als hätten sie gerade einen Saustall vorgefunden. Ausbilder jagten die Leute über den Platz und schickten sie zum raschen Stiefel putzen davon. Und ein paar Leuten sah man die Nervosität an, denn natürlich konnte es nur um das Sumpfkraut gehen.
Gruppe 4 war gelassen und von Bill eiligst an ihren Platz ganz hinten gescheucht worden. Gruppe 3 kam hinzu und ein paar Momente mehr die neue Gruppe 2 und Gruppe 1. Finley war der Ausbilder von Gruppe 1. Ihn kannte sie. Doch ihre Augen musterten mehr die 16 Gestalten, die da angetreten waren. Sie hatte schon gehört, dass in den Minen rekrutiert worden war. Doch waren Turyas Freunde vor Ort dabei?
Es war schwierig zu sagen bei der ganzen Sträflingskleidung. Zumal es keine ihrer Leute vom Festland waren. Das war auch ihr Ansatz. Nur durch Beobachtung erschloss es sich für sie aber, wer einer von den beiden wohl sein musste. Ungewöhnlich, wenn man die Geschichten über torgaanische Krieger kannte. Aber wieso nicht? Naira starrte den dunkelhäutigen Mann regelrecht an, denn so einen Riesen hatte sie noch nie gesehen. Grimmig blickte er drein und beobachtete die Szenerie. Anhand dessen wollte sie meinen, dass er ein Waldläufer war. Sein Blick ging fokussiert über den Platz und das ganze sichtbare Lager. Die wuselnden Menschen interessierten ihn nicht. Viel mehr aber die Gebäude und das, was hinter den hohen Palisaden war. Er musterte Abläufe und Befehlsketten.
Zusammen mit den anderen Hünen hätte er wohl über die Palisade blicken können, wenn er sich auf dessen Schultern stellte. Doch war der da auch einer vom freien Volk?
“Wenn sie miteinander reden, wird das wohl so sein… - ach stimmt doch. Sie sagte, dass ein Torgaaner dabei war und ein Gorthaner mit Stahlauge…Omyx und Kishan oder so.”, dachte sie sich und sah von der Seite nicht das Stahlauge. Definitiv waren aber diese beiden, auch die beiden, die Turya ihre Freunde nannte.
”Na da hat sie sich zwei Berge als Freunde ausgesucht…”, dachte sie und blickte, wie alle ihrer Gruppe, gebannt auf das nahende Ereignis. Alle Kompanien des Forts waren angetreten. Hauptmänner standen vor und alle Blicke gingen nach Vorne, wo der Kommandant des Forts mitsamt seinem Stabsleuten und Rittern versammelt stand und das Geschehen beobachtete. Dann erklang ein Horn und ein Ritter trat vor.
“Stilgestanden!”, brüllte er mit einer natürlichen Autorität und sah mit mies gelaunten Gesichtsausdruck zu, wie die Kompanien dem Befehl folge leisteten.
Bill hatte nicht zu klagen, denn Gruppe 4 war in der Hinsicht durch tägliches Exerzieren makellos. So weit hatte er sie getrimmt. Gruppe 1 und 2 waren hingegen peinlich aus militärischer Sicht, fielen aber nicht auf, da die 2. Verbrecher-Kompanie natürlich ganz hinten am Rand stand.
“Euer Fort, Lord Donimir!”, sagte der Ritter und dann sahen sie wie der Paladin vortrat. Fast alle schauten zu ihn. Robas hingegen schaute nicht seinen Schritten hinterher. Er blickte auf jemand anderen.
Lord Donimir von Trelis war ein Paladin wie man ihn sich vorstellte. Schneidig, leicht ergraut und vom Krieg geprägt. Weise und fromm, auch wenn Naira das nicht genau beschreiben konnte. Blickte sie manche Ritter an, dann wirkten die einfach nicht wie Männer des Glaubens oder besser Krieger des Glaubens. Ritter - ja. Aber Lord Donimir stand da wie Innos selbst.
Und so sprach er auch.
Er hielt das Pergament hoch, das Gruppe 4 geschaffen hatte und was die ganze Unruhe in sein Fort gebracht hatte.
“Die Gerüchte kochen hoch und mein Fort fällt in ein schlechtes Licht. Bald schon könnte das hier aus dem Fort gelangen und dann fällt die Lüge oder die Wahrheit auf die Ehre von euch allen!”, donnerte die Stimme des Kommandanten. Dann senkte er das Pergament.
“Innos Gerechtigkeit und Gesetze gelten hier. Das Recht des myrtanischen Reiches wird hier umgesetzt. Durch mich! Denn ICH bin das Recht in diesem Fort!...”
Naira zweifelte daran keineswegs. Der Paladin vermochte durch seine Stimme einzuschüchtern.
“WER! Wer hat diese Gerüchte in die Welt gesetzt!? Oder ist dies ein schlechter Scherz, besonders lustiger Gesellen!? - WER! Wer entehrt mein Fort mit dem Konsum von Sumpfkraut!? Stimmt es, dass dieses Gift in meinem Fort umhergeht!? - WER! Wer weiß was über den Deserteur Migul! Tretet vor und sprecht die Wahrheit!”, fragte der Paladin mit lauter, beherrschter Stimme und stand ruhig da. Das war ein gewaltiger Unterschied zu manchen Gardisten. Natürliche Autorität.
Naira war nun gespannt was geschah. Wie weit ging ihr Spiel? Wie weit griff das bloße Gerücht in die Köpfe jener, die betroffen waren? Was gewann? Angst vor Bestrafung oder ein gewisses Ehrgefühl vor seinem Kommandanten - trotz drohender Strafe? Hatte das Kollektiv jener, die Sumpfkraut rauchten, ein Kollektiv oder war sich jeder selbst der Nächste? Wurde unter ihnen Druck aufgebaut, ja zu schweigen oder gab es sogar eine Art Kodex?
Niemand trat vor, während es eine angespannte Stille auf dem großen Platz gab. Das Kollektiv hielt wohl an seinen Absprachen. Hatte keine Angst vor Enttarnung in der nächsten Nachricht? Oder suchten sie schon nach den Wissenden? Es war verdammt spannend und wäre Naira nicht mitten drin involviert, würde sie sich mit aufgeploppten Maiskörnern hinsetzen und gespannt warten was als Nächstes geschah.
Der Kommandant konnte doch nicht ohne irgend eine Antwort diese Versammlung wieder auflösen?
“Ich danke euch, Freunde. Ihr habt einem alten Mann das Leben hier einfacher gemacht. Viel Glück. Möge Innos euch schützen.”, sagte Robas plötzlich und trat vor. Naira wurde es sehr flau im Magen. Ebenso wohl den anderen. Was hatte Robas vor? Verriet er alles?
Es war keine Möglichkeit da, überhaupt zu reagieren, so schnell wie Robas vorne war und erstarrt sie - die Wissenden - gerade waren.
Bill eilte hinterher, wie ein Wachhund der gerade nicht wusste ob er bellen oder beißen sollte.
“Robas! 4. Gruppe - 2. Verbrecher-Kompanie, Lord Donimir.”, sagte der Bauer.
“Sprech! Was weißt du!?”, forderte der Paladin auf. Robas nickte und zeigte dann auf den Ritter der Lord Donimir das Fort übergab.
“Er!”, sagte Robas mit Zorn in der Stimme. Der Ritter trat wütend vor, stellte Robas zur Rede, was er damit meine und stand vor diesem.
“Ich bin Sandor! Veteran des letzten Orkkrieges, Rebellen-Offizier aus Reddock, Bauer, Vater. Vater von Robas! Einen guten Mann. Einen besseren Mann als ich es bin und du es bist. Du hast meinen Sohn in den sicheren Tod geschickt. Du hast ihn in Mora Sul geopfert! Du hast mir genommen, was mir nach diesem verdammten Krieg in Myrtana blieb. Und ich werde mich rächen. Jetzt! Oder im nächsten Leben, Wybald von Vengard!”, rief Robas oder besser Robas Vater und zückte aus seinen Wams etwas hervor. Etwas Spitzes aus Holz. Mit der Wut eines Vaters der sein Kind rächen wollte stach er nach Wybald. Erwischte diesen beinahe an der Kehle, durchbohrte aber nur die Hand die Wybald reaktionsschnell und schützend vor den Hals hielt. Robas ließ ab, während Wybald einen angespitzten Holzlöffel in der Hand hatte, und stürzte sich auf diesen.
Dann starb er. Donimir von Trelis packte Robas am Haar und rammte diesen seinen Dolch durch die Kehle. Robas röchelte auf, griff nach Wybald und sackte blutüberströmt zusammen.
“Lügner! Bei Innos! Ein Lügner! Attentäter!”, schrie Wybald den Toten an.
Danach wurde alles aufgelöst. Sir Eyck eilte zu Bill. Donimir schritt zu den beiden und die Offiziere ließen auf Donimirs Befehl hin ihre Kompanien abtreten. War es das? Hatten sich die Wissenden offenbart und wollten nur ein Attentat verüben? Naira hatte keinen klaren Gedanken.
Zu sehr trauerte sie um Robas. Den guten Robas. Er mochte Sandor heißen. Aber für sie war er Robas und er war tot. Hatte sich offenbart und seine persönliche Reise hierher beendet…für seine Rache.
“Komm!”, sagte Barik und zog Naira mit. Bill bekam eine Standpauke und Bill würde der Arsch platzen.
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Beria
Der Mond schien auf das klare Nass vor ihr. Lyara schaute sich um. Rechts. Links. Keine Menschenseele zu sehen – und auch kein Tier und kein Vogel. Sie seufzte tief. Sie lies ihre nicht mehr ganz so neue Kleidung von ihrer Schulter gleiten, bis sie vor dem kleinen silbern glimmenden See stand so wie Adanos’ sie geschaffen hatte. Oder die Mutter oder wer auch immer. Ein Zeh traf auf das Nass und ein Zittern durchfuhr ihren Körper. Sie hatte schon viel zu lange nicht mehr den Luxus einen Bades gehabt. Es brauchte ein bisschen Überwindung. Dann war sie umgeben von Wasser. Ihre Bewegungen verscheuchten die Kälte und schon bald stellte sich so etwas wie Erholung ein. Es schien als würden ihre Gedanken von ihr wegtreiben und sie mit etwas Frieden zurücklassen.
Sie wusste nicht wie lange sie dort mit langsamen Bewegungen schwamm. Bald schon kamen die Gedanken wieder. Wie Wellen trieben sie von ihr weg und wieder zu ihr hin. Sie versuchte sich frei zu schwimmen, doch es gelang nur schwer. Morvath, Vanyel, Ifran, Progan, Daelon und viele mehr. Alle hatten ihren Platz in ihren Gedanken und alle konnten sie mal. Dieser Moment sollte nur ihr gehören, bevor sie ihr nun wirres Leben fortsetzte. Ein kleiner Moment der Ruhe. Doch die Geschichte wollte es anders.
»Ah… ihr kommt zu mir«, flüsterte es aus von Rand des Sees. »Heißt das ihr bietet mir eure Dienste so frei an? So natürlich?« Die Schwarzhaarige starrte aus dem Wasser heraus. Dort saß ein pechschwarzer Fuchs. Natürlich. Noch so einer. »Wie viele wollen, denn die verdammte Aufgabe?«, fragte Lyara entnervt als sie eine Stelle gefunden hatte um zu stehen, ohne ihre Blöße zu zeigen. Irgendwie fühlte sie sich unwohl. Selbst vor diesem Fuchs. »Nun das ist unklar. Ich würde sagen Morvath und ich sind diejenigen die für dich am ehesten in Frage kommen. Nunja Morvath ist ja doch etwas schlicht und Vanyel stur. Also doch vielleicht besser mich nicht wahr? Ich kann dir einiges anbieten«. Die Augen des Fuchses blitzen, dann verzog er seine Schnauze so als würde er lachen. »Und wer bist du?«. »Flukio. Ich nehme alles nicht so bitter ernst. Träume sind doch auch Fantasie nicht wahr? Da muss man nicht so Stocksteif daher kommen«. Wieder dieses verzerrte Lachen. »Der Vater und die Mutter wollen Vanyel nicht mehr. Also nimm doch einfach mich«. Er tapste hin und her. »Ich gebe dir dafür Einsichten die du schon immer haben wolltest. Zum Beispiel, dass mich deine Nacktheit überhaupt nicht schert«. Wieder tapste Flukio hin und her.
Lyara nahm ihren Mut zusammen und stellte sich direkt vor den Fuchs. »Danke für das Angebot. Ich werde alles überdenken«. »Mehr kann man nicht verlangen«, entgegnete das kleine Wesen von unten. Dann war er verschwunden. Lyara seufzte. Nicht ein mal konnte sie ihre Ruhe haben.
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Fort Nemora - noch drei Tage
Robas war tot. Naira konnte es gut eine Stunde danach immer noch nicht glauben. Ihre Gruppe und auch die anderen Gruppen der Verbrecher-Kompanie wurden zum Arbeitsdienst herangezogen. Wege ausbessern, die Straße zwischen Mine und Fort-Ausgang weiter mit Stein ausbauen, damit die Fuhrwerke besser fahren konnten. Steine schleppen, Erde ausheben und die bisherige Straße ausbessern.
So recht arbeiten tat aber kaum jemand. Die Ausbilder sprachen intensiv miteinander und warteten wohl, dass Sir Eyck eintraf. Andere Soldaten mit anderen Aufgaben im Fort hatten natürlich auch alle über das Ereignis gesprochen. Über den Attentäter aus der Verbrecher-Kompanie.
Welche Konsequenzen es haben würde, wusste sie nicht. Nicht jetzt und nicht mit klarem Kopf.
“Es war wohl von Anfang an sein Plan. Ich wusste, dass er mehr war wie ein Bauer. Aber ein Rebellen-Offizier? Nein.”, sagte Barik und schaufelte Erde aus.
“Er hat uns niccht schaden wollen. Aber chat es vielleicht doch.”, warf Esram ein und deutete ihren Fluchtplan damit an. Ja, das war wahr.
“Er hat das getan, was er tun musste. Was das Schicksal ihm erlaubte. Zu schade, dass er nicht zu seiner Rache kam. Sandor war ein guter Mann.”, meinte Kaylon und sah sich um. Nicht, dass ein Ausbilder in der Nähe war.
“War er. So will ich ihn auch in Erinnerung behalten. Keiner von uns sah den gebrochenen Mann und ich weiß nicht, was ich fühlen soll. Ich bin traurig, stolz, wütend und immer noch schockiert zugleich. Er hätte was sagen sollen…”, meinte Naira.
“Jeder trägt eine Maske, Tochter der Wälder. Jeder darf seine Gecccheimnisse chaben. Ich fühle mit dir. Iccch mockte Robas auch.”, sagte Esram. Naira nickte. Das war richtig was er sagte. Die Maske durfte jeder tragen und selbst entscheiden, was er von sich preisgab.
“Hat denn keiner von euch gewusst, was er vor hat? Das war doch nichts, was er plötzlich entschieden hat.”, sagte Nohr.
“Nichts. So groß war das Vertrauen nunmal auch nicht und ich vermute er hätte selbst seiner Frau von seinem Vorhaben nichts erzählt, wäre sie noch am Leben.”, sagte Kaylon aka Danzo.
“Schade, um einen guten Mann.”, sagte Nohr, der sich mit Robas immer gut verstanden hatte.
Sie arbeiteten weiter und waren wohl alle in Gedanken noch bei Robas, da nahm die größte Befürchtung ihren Lauf. Sir Eyck war bei den Ausbildern erschienen und hielt einige Minuten eine Ansprache, sprach dann mit seinen Leuten und hatte Harkon zu seiner Rechten. Irgendwann zeigte Bill auch auf ihre Gruppe und schien etwas anzubieten. Sir Eyck blickte zu ihnen und nickte dann. Was auch immer das hieß.
Harkon warf was ein, das Bills Aufmerksamkeit auf ihn zog. Worte die Bill wahrscheinlich nicht gefielen.
Klar! Es fiel alles auf ihn zurück, da unter seinen Leuten ein Attentäter gewesen war.
Natürlich war er damit automatisch in aller Munde und das konnte Bill nicht schmecken. Nicht, wenn es negativ belastet war.
Sir Eyck dirigierte weitere Aufgaben an seine Leute. Normalität einbringen war wohl am Wichtigsten gerade. Bill und Troy indes schritten direkt auf sie zu, während Harkon ihnen nachsah.
“Mitkommen!”, befahl Bill kurz angebunden. Er zeigte in Richtung Unterkünfte.
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Isthar
»So viel Zorn. So viel Kraft«, säuselte die astrale Projektion, während Saraliel der Schweiß von der Stirn tropfte. Sie waren immer noch außerhalb von Ishtar und fernab anderer Menschen, so dass der Feuermagier seine Kräfte nicht zurückhalten musste. »Doch ihr benutzt nur einen Bruchteil davon. Wie mächtig du sein könntest, wenn du nicht so einen Stock im Arsch hättest«, spottete der Alte. »Sagt was ihr wollt Nekromant. Ich bleibe auf dem Pfad der Tugend!«, knurrte der Hüne und erhob seine Hände wieder. Er machte Fortschritte. Konnte immer mehr der Macht aus seinem Blut effektiv nutzen. Die Zerstörung an dem Steinfeld das vor ihm lag gab darüber Auskunft. Er konnte die Kraft aus astralen Bahnen und seinem Blut ziehen. Doch der Schwarzmagier schien nicht zufrieden zu sein. »Es geht nicht um Tugend du Tölpel! Es geht darum, dass du endlich erkennst, dass Verstand und Gefühle eins sind. Deine rigide Weltsicht verhindert, dass du von einem profunden Magier zu einer Legende wirst. Macht hat keine Geschmack. Sie ist ein Werkzeug. Benutze sie wie du meinst, aber halte dich nicht zurück, nur weil die Trottel in ihrem Fanatismus meinen, man müsse sich selbst kasteien«. Saraliel verzog missbilligend das Gesicht. »Für Jemanden der eigentlich tot sein sollte flucht ihr ziemlich viel«, gab er grimmig zurück. »Doch vielleicht ist ein Funken Wahrheit darin«. Raschid schien zu überlegen ob er darauf etwas antworten sollte, entschied sich allerdings dann dagegen.
Der Magier atmete langsam aus und dann tief ein. Er rief sich den Moment ins Gedächnis wo sein Vater gestorben war. Den Verlust den er erlitten hatte. Die Verzweiflung und die Trauer die er gefühlt hatte. Einen Moment wollte er sich zurückhalten aus Angst, dass er die Gefühle nicht würde ertragen können, doch dann nahm er die Herausforderung an. Es knisterte in seinen Fingern. Er staute die kombinierte Kraft aus astralen und lebenden Fäden und dann entlud er sie. In einem gewaltigen Blitzschlag zuckten elektrische Fäden wie Schlängen durch den Sand und schlugen wie ein Hammer in einen Felsen ein. Es gab einen mächtigen Knall und der Felsen wurde zermalmt. Saraliel grinste. »Erbärmlich. Wir arbeiten daran«, resümierte al-Din.
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Fort Nemora
Die Tage seit der Aufnahme in die Zweite Verbrecherkompanie, Zweite Gruppe, waren interessant gewesen, um das Mindeste zu sagen. Von der stillen Erkenntnis, dass der alte Mann offensichtlich Onyx‘ Sprache verstand und damit gewissermaßen ein Problem für die Pläne der Waldläufer darstelle, über Rorges herausforderndes Verhalten bis hin zu dem Antreten, das im Tod irgendeines Mannes namens Robas oder Sandor geendet hatte. Schade, dass er den Ritter, den er irgendeiner vergangenen Entscheidung wegen böse war, nicht am Hals erwischt hatte.
Am Ende war die Erkenntnis für Kiyan da gewesen, dass selbst der edle Paladin ein ruchloser Mörder war, der, anstatt der Vorwürfe des Rächenden nachzugehen, lieber zum Dolch griff und den Ankläger vor Ort umbrachte. Dabei hatte Kiyan der Reihe nach die anwesenden Soldaten des Reiches gemustert, herausfordernd und offen. Einladend. Als würde er sagen: Kommt, stecht auf mich ein in dem fadenscheinigen Glauben, Innos‘ Werk zu tun.
Natürlich hatte die Einladung niemand verstanden. Allen voran Finley nicht. Während Kiyan den Blick hatte schweifen lassen, war ihm aufgefallen, dass eine junge Frau – eine Jugendliche – ihn und Onyx aufmerksam beobachtet hatte. Als waschechter – wenn auch noch nicht offiziell ernannter – Waldläufer hatte er seinerseits das Gör beobachtet, welches in der Vierten Gruppe gestanden hatte.
Nun befand sich Gruppe Zwei wieder beim Üben. Nach etwas Warmmachen und Formaldienst – Marschieren von A nach B -, hatten Finley und Knappe Zed ihnen Holzschwerter in die Hand gedrückt, sie eingeteilt und ließen sie nun aufeinander einschlagen. Es schien, als habe der Gardist einen Narren an ihm gefressen, denn Kiyan hatte die Ehre, gegen den Gruppenführer antreten zu dürfen.
„So, Großer, du machst den Eindruck, als seist du der Talentierteste aus deiner Unterkunft.“
„Der Einäugige ist König unter den Blinden, Finley. Darum hast du wohl auch deinen Posten.“, erwiderte Kiyan schulterzuckend. Der Gardist spuckte aus.
„Vergiss niemals, wer hier am längeren Hebel sitzt. Und was ich dir und deinem Torgaanerkumpel gesagt habe, wo ihr enden werdet …“
Kiyans lebendiges Auge sah den Soldaten nur an. Abwartend.
„Wie auch immer: Solange ihr lebt, habe ich eine Aufgabe. Die werde ich erfüllen. Deiner Gruppe das Kämpfen beibringen. Du stellst mit dem Torgaaner noch die größte Herausforderung dar. Vielleicht noch Wylis, wenn er nicht so …“
„Gebrochen wäre? Denk dran, er ist einer von euch. War mal Knappe. Blaublütig. Ist schon ein ziemlicher Tapetenwechsel, den man verkraften muss. Ging mir beim ersten Mal genauso.“
Aber Finley reagierte nicht weiter darauf, gab Kiyan zu verstehen, dass er das Übungsschwert heben sollte. „Wir arbeiten mal an deiner Stellung. Daran erkenne ich, dass du zwar Erfahrung hast, aber mehr auch nicht. Du stehst standhaft da, das ist gut. Aber der Schwertkampf ist eben ein ständiges Hin und Her. Dein Stand muss viel lockerer werden, federnder. Kennst du die Fechtkunst?“
„Klar, ein Hurensohn aus Gorthar hat mir damit das Bein gebrochen und meine Karriere in der dortigen Stadtwache verbaut. Hat mir mit dem Fechteisen ordentlich die Keule malträtiert.“
„Hast es wohl verdient. Wie war seine Haltung? Erinnerst du dich daran?“, fragte der Gardist.
Kiyan überlegte. Dachte an den Abend zurück. Weingeschwängert. Sumpfkrautreich. Tage zuvor hatte der Spross des Hauses Calveit es mit der frisch Vermählten einer anderen, einflussreichen Familie getrieben wie die Karnickel. Selten waren sie aus dem Bett gekommen, die meiste Zeit im Laufe von drei Tagen hatten sie nur in den Laken verbracht. Der Mann war unterwegs gewesen, hatte in Halvung geschäftlich zu tun gehabt. Kiyan hatte die Frau fallen gelassen, wie ein Kind das hundertste Spielzeug in seinem Zimmer, wenn es jeden Tag etwas Neues bekam. Sie war rachsüchtig gewesen, hatte ihrem Gatten erzählt, Kiyan hätte sich ihr aufgezwungen. Mit seinen Kumpanen war der Calveit aus der Hafenkneipe nahe dem Arsenal gekommen. Vor der Tür hatte der Gatte gewartet. Bewaffnet. So wie Kiyan. Aber stocknüchtern. Er hatte Satisfaktion gefordert. Der Trunkenbold hatte ihn einen Flachwichser genannt, laut mit seinen Leuten gelacht … und dann die Lektion seines Lebens bekommen. Nun, bis zu dem Tage, da eine besessene Magierin ihm das Auge genommen hatte.
„Wie du sagtest. Federnd. Schneller Wechsel zwischen dem Angriff, der fast sprunghaft erfolgte, und einem festen Stand, wenn ich zuschlug. Er blockte ungestört, da er wusste, dass ich lattenstramm war. Parierte hier und da, machte sich über mich lustig, stellte mich bloß und bearbeitete dann mein Bein wie ein Metzgergeselle.“
„Und darum geht’s mir. Das Üben wir. Ich hab’s bei der Prüfung vor ein paar Tagen gesehen. Du kannst schnell zuschlagen, bist für deine Größe rasant, aber dir fällt der Wechsel schwer. Das Reagieren auf eine Änderung des Kampfes.“
„Du hast mir in die Fresse gespuckt.“
Finley lächelte kalt. „Weil ich nicht davon ausging, dass einem harten Kerl wie dir sowas ausmacht.“ Er schlug schnell wie eine Viper nach Kiyans rechtem Bein, dass der Hüne hochsprang und laut fluchte.
„Los, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“
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Beria
Lyara trat einen Schritt nach vorn, das Wasser zog sich wie flüssiges Silber um ihre Beine, als würde es sie einladen, tiefer zu sinken. Der Mond über ihr schien plötzlich intensiver, als würde er sie mit jedem seiner Strahlen in ein sanftes Licht hüllen. Sie schloss die Augen für einen Moment und ließ sich vom Gefühl des Wassers tragen, das sie nun sanft umhüllte, ihre Haut erfrischte, aber auch eine prickelnde Wärme in ihr weckte.
Plötzlich, als sie die Augen wieder öffnete, war der See nicht mehr derselbe. Die Oberfläche hatte sich verändert, als ob sie in einen Spiegel blickte, der nicht mehr die Welt um sie herum wiedergab. Statt des eigenen Spiegelbildes sah sie eine andere Frau – eine Frau mit denselben Zügen, aber ihre Haut schimmerte im Mondlicht wie von einem fast überirdischen Glanz. Ihre Augen waren geschlossen, und doch schien es, als blickte sie direkt in Lyara hinein, als würde sie ihre Seele sehen. Das Haar der Gestalt schwebte um ihren Kopf, schwungvoll wie dunkles Wasser.
Für einen Moment konnte Lyara ihren Blick nicht abwenden. Etwas in ihr zog sie zu der fremden Frau hin. Etwas, das sich nach einer vergessenen Sehnsucht anfühlte, die tief in ihr verborgen lag. »Du hast lange gebraucht«, flüsterte die Stimme, und sie war es. Und doch nicht. Sie war sanft, verführerisch, als würde sie direkt aus ihren eigenen Gedanken kommen, aber auch von etwas anderem, älterem, vielleicht dunklerem. »Warum zögerst du, Lyara?«
Lyara zitterte, als das Wasser unter ihr plötzlich tiefer wurde, ihre Füße zu versinken begannen. Sie wollte sich zurückziehen, doch das Wasser hielt sie fest – sanft, aber bestimmt. Ihre Finger glitten über die glatte, kalte Oberfläche des Sees. Und dann, wie von einer unsichtbaren Hand gelenkt, fühlte sie die Form des Körpers der anderen Frau. Ihre Hände, die unter das Wasser tauchten, fanden den schimmernden, glatten Körper und glitten über ihn, wie ein Versprechen, wie ein Verlangen. »Was ist das?«, flüsterte Lyara, ihre Stimme belegt, fast ein Seufzer. »Du spürst es, nicht wahr?«, antwortete die andere Frau, ihre Stimme ein hauchdünner Wind. »Du spürst, wie sich die Grenzen auflösen, wie deine Gedanken sich zersetzen. Alles, was du dachtest zu wissen, wird von den Wellen getragen. Gib dich dem Traum hin«
Lyara starrte auf die Spiegelung der anderen, und es war, als ob ihre eigenen Lippen sich bewegten, als ob sie selbst diese Worte sprach. Ihr Herz raste schneller, als der Körper der Frau sich mit einer fast überirdischen Anmut in der Oberfläche des Wassers drehte, sich mit ihr verband, und ihre Bewegungen begannen, die Realität selbst zu verzerren. War das Wasser es, das sie zog, oder war es die Frau? Oder war es etwas anderes, etwas, das sich in ihr regte, ein Teil von ihr, der lange vergessen worden war? »Du kannst dich nicht entziehen, Lyara«, flüsterte die Frau, als ihr Gesicht für einen Moment mit Lyaras eigener Züge verschmolz, nur für den Bruchteil einer Sekunde. »Du bist doch schon längst ein Teil von mir.«
Lyara schluckte. Ihre Sinne spielten verrückt. Das Wasser, das die Hitze ihrer Haut verstärkte, das Mondlicht, das jeden Tropfen auf ihrer Haut zum Strahlen brachte, die fremde Stimme, die wie ein rauer, süßer Traum in ihren Ohren hallte. Ihre Hand glitt tiefer ins Wasser, fand einen weichen Widerstand, und ein Schauder durchlief sie, als sie zu spüren glaubte, wie etwas unter der Oberfläche mit ihren Fingern verschmolz. Das Gefühl war fast zu viel. Ihre Sinne verschwammen. Was war real? Was war Einbildung? Es war alles so verführerisch, so dicht, als ob der See selbst sie in seine Tiefen ziehen wollte.
»Ich kann dir alles geben«, flüsterte die Frau. »Alles, was du suchst. Du musst nur zulassen, dass du dich ganz von mir durchfluten lässt. Es gibt keine Grenzen in den Träumen« Doch in diesem Moment spürte Lyara, wie ihre Augen wieder die Dunkelheit des Sees erfassten, die verzerrte Reflexion verschwand, und der Blick auf ihre eigene, verschwommene Gestalt im Wasser fiel. Ein kalter Schauer zog ihr über den Rücken. War das alles nur ein Trugbild, eine Täuschung? Oder war der See wirklich ein Tor, durch das ein Teil ihrer eigenen verlorenen Wünsche und Ängste hindurchgebrochen war?
Langsam zog sie sich zurück, doch der Schatten der Frau blieb in ihrem Geist, wie ein Echo, das sie nicht mehr loslassen konnte. Und als sie sich umdrehte, fühlte sie plötzlich, dass die Welt um sie noch immer nicht ganz ihr gehörte. Sie war auf einem schmalen Grat, zwischen Wahn und Wahrheit. Alles, was sie gerade erlebt hatte, könnte ebenso gut ein Spiel ihrer eigenen Sinne gewesen sein. Doch die Erinnerung des Wassers, des Lächelns, der fremden Berührung… Sie war zu stark, um sie zu vergessen.
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Fort Nemora - noch drei Tage
“AHHHHHHHHRRRGG!”, schrie sie, während Bill an ihrem Haar riss und ihr sein Knie und sein ganzes Gewicht in den Rücken drückte. Es war die dritte Art von Folter die er bei ihr anwandte, um aus ihr Informationen zu quetschen, die sie nicht hatte. Die keiner der Gruppe hatte.
In der Hütte standen alle von Gruppe 4. Troy war dabei und assistierte Bill und auch zwei weitere Soldaten, die mit ihren Waffen für Ordnung sorgten und allen Fesseln an die Hände banden.
“Naaa bist du ein gutes Pferdchen für den alten Bill!”, fragte er widerwärtig und riss wieder an ihrem Haar. Naira ballte die Fäuste zusammen und keuchte auf. Hustete und hatte Tränen im Gesicht, weil ihr die Rippen schmerzten.
Bill hatte ihr - bewusst von diesen Schwein als Erste gewählt - mit der Faust in den Bauch geschlagen. Ganze zwei Mal. Nicht ins Gesicht, denn das wäre ja sichtbar für die Vorgesetzten gewesen.
Barik hatte auf waldvölkisch geflucht und eine Klinge an die Kehle gehalten bekommen. Esram und Jaleel hatten es Barik gleich getan, während die Nordmarer nicht glauben konnten, was hier gerade geschah. Danzo war noch ruhig geblieben, schien in diesen Momenten schon eine Lösung gesucht zu haben, wie es die Waldläufer in ihrer Ausbildung lernten. Doch gab es das für sowas?
Als Naira danach gesagt hatte, sie wüsste von nichts, wurde sie von Bill und Troy hoch gehoben und von Bill gewaltsam von hinten gepackt.
Panisch hatte sie sich gegen seinen sehr festen Griff gewehrt und noch Schlimmeres erwartet. Doch Bill war da nicht so dumm gewesen irgendwas zu tun, was ihm später Probleme bereiten würde, weil es offensichtliche Folter war. Nein.
Er hatte ihr Mund und Nase zugehalten. Hatte mit dem anderen Arm ihren vergleichsweise zierlichen Körper umgriffen und sie angehoben, damit ihre Lungen komprimiert wurden. Er hatte böse gelacht und sie angeschrien, während sie vor der Angst zu ersticken dagegen angekämpft hatte. Panisch hatte sie die nicht vorhandene Luft eingesogen, hatte Bills Handinnenfläche geschmeckt und war kurz davor gewesen, das Bewusstsein zu verlieren.
Dann hatte er abgelassen und Naira gegen die hölzerne Wand so fest geschubst, dass alles wackelte.
“Was habt ihr mit Robas geplant!? Wer hat Robas geholfen!?”, hatte er gefragt. Doch Naira verneinte und wusste einfach von nichts.
Dann wiederholte Bill den Prozess und Naira durfte wieder erfahren, wie furchtbar es war, keine Luft mehr zu bekommen.
Barik hatte Bill daraufhin angeschrien. Hatte alle Anwesenden angeschrien. Hatte nicht tatenlos zusehen können und wollen - und hatte dann einen Schwertknauf gegen die Schläfe gedonnert bekommen. Der Baribal war zur Seite getorkelt und dann auf die Knie und auf den Boden gefallen. Hatte ziemlich benommen um sich geschaut und eine letzte Drohung bekommen.
“...oder sag einfach, was das alles mit Robas war und ist! Dann wird niemand mehr leiden - es sei denn, er trägt schuld!”, waren Bills Worte. Barik hatte auf alles was ihm heilig war geschworen, dass niemand wusste, was Robas vor hatte.
“Der Schwur eines Waldbanditen ist weniger Wert als die verpestete Luft, die er ausatmet!”, war die Antwort Bills, bevor er Naira auf den Boden gedrückt hatte und das machte, wo sie jetzt waren.
Doch Bill bekam nicht das zu hören, was er wollte und keiner von Gruppe 4 war fähig das zu sagen was er als seine Wahrheit betrachtete und zumindest das schlechte Bild, das er durch Robas bekommen hatte, zu rehabilitieren indem er die Mitverschwörer auslieferte.
Er drückte seine kurzen, dicken Finger in Nairas Nacken und drückte sie noch fester zu Boden. Dann riss er an ihrer Hose. Naira schrie auf.
“Du brauchst wohl einen richtigen Hengst, um zu singen, Pferdchen?", fragte er sie ekelhaft.
“Ich seh hier nur ein räudiges, fettes Molerat! Die Vier sollen dich strafen, wenn du es wagst! Euch alle, die es zulasst, dass eine Frau geschändet wird!”, sagte sie zornig. Sie war hier jetzt nicht um wimmernd und weinend ihrem Schicksal entgegenzutreten. Lieber totgeschlagen, als geschändet!
Oder hatte sie genug gesagt, um den anderen ‘Soldaten’ klar zu machen, dass da immer noch ein Mensch war und man sowas selbst seiner verbannten Schwester nicht wünschte.
”Jetzt bekommst du, was du von Anfang an verdient hast, Waldschlampe!”, knurrte Bill stinkwütend und ging zu weit, als er ihren Hintern freilegte. Troy hielt ihn an. Warnte ihn eher verhalten, dass dies zu weit ginge. Und auch die anderen Soldaten zeigten zumindest etwas Anstand und warnten Bill vor den Konsequenzen. Ihre Leute, ja selbst Amelie und Nohr, wurden nun laut.
“Ich werde das melden! Du bist nicht besser als ein Orksöldner!”, provozierte Danzo im wohl richtigen Moment und fing sich als nächster von Bill eine ein. Naira vergoss Tränen.
Dann war es Jaleel der Schläge und Tritte einsteckte, als er mit scharfer varantischer Zunge Bill etwas sagte. Amelie stellte sich Bill in den Weg und versuchte irgendwie die Situation zu deeskalieren, doch sie fing sich auch gleich eine von Bill und so war es Nohr, der als Letzter von seinen Ausbilder zu Boden geschickt wurde. Esram hielt sich zurück, wich hinter die Soldaten zurück und beobachtete alles genau.
“Ehrloser Hund!”, schimpfte Barik am Boden und bekam einen Tritt ab. Bill war mächtig, wenn aller Widerstand gefesselt war und von drei Soldaten bedroht wurde. Doch als sein Blick Naira traf und sie die typische, waldvölkische Widerspenstigkeit in den Augen hatte, war es um seine Macht geschehen. Bill hatte tatsächlich vor, wohl seine Wut an ihr auszulassen. Doch schien es den beiden Soldaten nun zu viel des Guten zu sein.
“Es ist genug, Bill. Wüssten sie was, dann hätte einer schon was gesagt.”, meinte der Blonde.
“Das sind Verbrecher! Sie lügen!”
“Manche Verbrecher brechen nicht ein, wenn sie Schläge einstecken. Der Großteil aber schon. Du willst mir doch nicht sagen, dass das hier Sieben der ersten Sorte sind? Das sind verdammte Waldbanditen, Varanter und Nordmarer. Dieser Sandor…kein Unbekannter aus Reddock damals…ist Myrtaner. Wütend, weil sein Sohn starb. Wollte Rache und hat lange darauf gewartet. Ein Rebellen-Veteran halt, der nichts mehr zu verlieren hatte. So einfach ist das.”, entgegnete der Soldat.
“Droban! Du wirst gleich sehen, dass ich aus der Kleinen die Wahrheit rausprügeln werde.”, sagte Bill.
“Das gibt nur Ärger, Bill. Sir Eyck hat gesagt, wir sollen sie mit klaren Drohungen befragen. Nicht zusammenschlagen und befragen.”, warf Troy ein und stellte sich zu den beiden anderen Soldaten.
“Ich habe zugesagt, dass ich dir helfe. Nicht aber, dass ich deinen Scheiß ausbade, Bill. Und das, was du tust, führt zu gewaltigem Scheiß. Mir wäre es gleich, wenn nicht Harkon und Sir Eyck wüssten, dass ich dir helfe. Komm mal klar! Sei doch froh, dass sonst keiner von denen zu Sandor gehört! Es wäre schlimmer für dich und Troy, wenn ihr sehenden Auges Attentäter ausgebildet hättet.”, sagte dieser Droban und schien mit den anderen beiden Bill aufhalten zu können.
“Verlässt du dich auf andere, bist du verlassen. Das merk ich mir. Droban, Angus und vor allem bei dir Troy! Die stecken alle unter einer Decke und ihr seid unfähig das zu erkennen. Geht raus und ich mach den Scheiß selber.”, sagte Bill.
“Zu spät. Machst du weiter, dann geht das auch auf uns zurück. Außerdem, was willst du sonst noch machen!? Die Kleine da schänden? Den Großen da den Schädel einschlagen? Weißt du, was das für Ärger gibt!? Da können wir alle bei der Verbrecher-Kompanie neu anfangen. Hör auf! Geh zu Eyck und melde, dass niemand in der Gruppe zu Sandor gehörte. Wir…und vor allem Troy sorgen dazu, dass deine Leute raus spazieren, als wäre nichts gewesen. - Ihr werdet doch alle schön die Fresse halten? Nicht, dass wir eine gute Geschichte finden, die begründet, wieso wir euch Sieben umbringen mussten. Die ist einfach geschaffen.”, sagte Angus und war in vielen Belangen nun der Held der Gruppe. Sie bejahten Angus’ Frage an sie und machten Bill stinkig.
“Ich bin kein Heiliger, aber auch kein Dummkopf. Geh jetzt los, Bill. Wir kümmern uns hier um den Rest.”, versprach Angus. Bill zuckte noch einmal nach vorne und dann ging er wütend los, um Bericht zu erstatten.
Eine Viertelstunde später…
Sie traten heraus. Die Gruppe stellte sich auf und folgte Troys Anweisungen. Naira hielt sich die Rippe und umklammerte ihre Würde ganz fest im Geiste. Harte Zeiten standen bevor.
Bill kam hinzu und hatte wohl berichtet. Angefressen wirkte er und widmete den drei Soldaten keinen Blickes. Es sei denn, es musste sein.
“Wir sollen die Fuhrwerke in der Mine beladen. Dem Treiben im Fort heute fern bleiben. Ausführung! Troy geh vor!”, bellte Bill und ignorierte die Blicke von Angus und Droban. Die schien es nicht groß zu kümmern und sie machten sich - mit warnenden Worten von Bill und entsprechenden Kontern ihrerseits - davon.
“Robas…wieso hast du nicht vom echten Sandor erzählt?”, sagte sie für sich, trauerte für den Augenblick und begann dann ihre Rache zu planen. Heute Abend würde sie es der Gruppe vorschlagen. Die Situation mit Bill war nur noch eine lauernde Gefahr innerhalb von Gruppe 4. Jederzeit bereit zu eskalieren.
Geändert von Naira (18.10.2025 um 02:13 Uhr)
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Fort Nemora - noch drei Tage, Abend
Sie hatten diesen Tag überstanden. Auf seine Art war dies der härteste und traurigste Tag seit sie hier als Gruppe 4 bestanden. Bill hatte sie nicht geschont und war stinkwütend auf alle. Selbst Troy bekam es ab. Am meisten jedoch Amelie und Nohr, die er nach der Foltereinheit an Naira nun als Gehilfen von Robas meinte zu identifizieren. Nordmarer halfen damals Rebellen und da musste eine alte Verbindung sein.
Bill dachte nicht mehr rational. Es hätte ein großer Zufall sein müssen, dass gerade die Drei in Gruppe 4 ihren Plan umsetzen konnten. Es war einfach Zufall, wie damals die Gruppen zusammengelegt wurden.
Nohr bekam es ab, weil Amelie wirklich noch gedacht hatte, sie könne Bill in aller Öffentlichkeit mit Worten erreichen.
Ihnen wurde klar, dass Bill sie bis zu einem Geständnis für seine Sache foltern würde, wenn er die Gelegenheit hätte. Ein Geständnis legitimierte jede Härte. Ganz einfach.
Und mit dieser Erkenntnis und ihren Plänen in wenigen Tagen, würde Naira nicht darauf warten. Und sicher auch nicht der Rest der verbliebenen Sieben oder besser Fünf. Ob Amelie und Nohr ein Teil des Plans werden würden, wollte sie heute Abend mit dem Rest entscheiden.
Sie sprachen über den heutigen Tag. Teilten die Trauer um Robas und sprachen noch einmal über den Fluchtplan. Über den gefälschten Befehl und Nairas Scharade. Über Plan B mit dem Fuhrwerk und noch einmal alle Dinge, an die sie denken mussten.
Dann kam das Thema um Bill auf den Tisch. Naira erzählte ihnen von ihrem Versteck im Lagerhaus. Von der Sache, die Stallion heute Abend wahrscheinlich erledigen würde, weil sie aktiv geworden war und ihn erpresste.
“Wenn er das macht, habe ich ein Kurzschwert und einen Dolch. Die brauche ich für meine Verkleidung. Dann aber hat er die Aufgabe, die nächste Nachricht zu finden. Ich wollte ihn ins Leere laufen lassen und mit der Angst leben lassen. Nun aber…will ich diesen Wahnsinnigen aufhalten. Ich will meine Rache. Es ist nichts Ehrbares, aber das Richtige. Und ich glaube, ihr seht es genauso, dass Bill sterben soll. Ihr alle habt eine Rechnung mit ihm offen und seht ihn seit heute als große Gefahr.”, schwor sie die Gruppe ein. Wenn sie dagegen waren, dann war es so. Aber ihren Plan sollten sie hören.
“Ich werde in dieser Nacht noch verschwinden. Morgen beim Antreten werde ich nicht da sein und Bill genauso reagieren, wie ihr es euch gerade vorstellt. Ihr werdet vielleicht wieder leiden müssen und das tut mir jetzt schon leid. Aber sprecht euch ab und sagt, dass ich mitten in der Nacht die Hütte verlassen habe um zu pinkeln. So wie immer zur Wolfsstunde. Bill wird eins und eins zusammen zählen und vielleicht werdet ihr die Aufgabe haben, mich im Fort zu finden. Am übernächsten Abend - genau zum Sonnenuntergang - ist es dann so weit. Ich brauche die Zeit bis dahin für meine Vorbereitung. Ihr kennt die Hütten in Richtung Schmiede. Die stehen leer oder sind Lagerplätze. Die Hütte hinter der Hütte direkt neben der Schmiede. Dort lockt ihr Bill hin. Dort soll ich mich versteckt haben. Einer von euch soll der Verräter sein und geschwiegen haben, aus Angst vor Barik und Kaylon.”, sagte sie und blickte Jaleel und Ezra an.
“Ihr sollt euch anbieten, mich in falsches Vertrauen zu wiegen. Nicht dass ich vorher abhaue. Und dann kommt er hoffentlich rein. Da werde ich sein. Er wird davon ausgehen, dass ich unbewaffnet bin. Doch das werde ich nicht sein wie ihr wisst. In der Hütte werde ich Stallions Langschwert, das Kurzschwert und einen Dolch haben. Eine Waffe werde ich haben. Die anderen platziere ich am Boden links und rechts der Tür. Barik und Kaylon. Jaleel und Esram. Dann kommt unsere Rache. Wir schlagen schnell und gnadenlos zu. Bill ist gefährlich, aber das Überraschungsmoment haben wir. Wir töten ihn und durchbohren ihn mit Stallions Langschwert. Wir sorgen dazu, dass unsere Spuren nicht auffallen. Was ein wenig Glück erfordert. sein Blut ist in Ordnung. Unserer macht Probleme. - das gebe ich zu! - Und dann kommt Stallion ins Spiel, wenn er eine Stunde nach Sonnenuntergang genau diese Hütte betritt...”, erzählte sie und hoffte, dass die anderen ihrem Plan folgen konnten. Dann redete sie weiter und erklärte, wie sie Stallion und das Sumpfkraut loswerden würden.
“Ich verlange viel von euch und es wird riskant…vielleicht sogar tödlich oder kann jederzeit scheitern. Aber ihr wisst wie ich, dass Bill in seiner Verfassung mit unserem Fluchtplan ein hohes Risiko ist. Robas hat uns da eine Tür geöffnet, aber auch Probleme bereitet. Wir werden damit aber Chaos schaffen und das kann uns nur helfen, dieser Hölle zu entkommen. Seid ihr dabei?”, fragte sie und saß da trotz ihrer jungen Jahre als Anführerin dieser ganzen Sache.
“Du glaubst, da kommt niemand dahinter? Du glaubst, dass alles genau so aufgeht, Kayla?”, fragte Danzo.
“Stell dir die Frage, ob irgendeiner der Myrtaner, die ganze Komplexität dahinter seit unseren Einbrüchen und mit der Kommunikation nach außen erkennt. Erkennt worin der Fehler überhaupt bei uns Verbrechern lag. - Und nein! Kein Plan geht perfekt auf, aber es gibt Kernpunkte, die aufgehen werden! Dieser ganze Plan geht nur auf, wenn Stallion heute Nacht anbeißt. Ich werde heute Nacht so oder so verschwinden. Die Ablenkung, bis unsere Flucht beginnt, wird Bill davon abhalten, euch zu schaden. Nachts suche ich euch auf oder gebe euch Zeichen. Ich will aber jetzt wissen, ob ihr dabei seid!?”, fragte sie entschlossen. Ihr Plan war riskant, ein wenig ein Himmelfahrtskommando, aber gleichzeitig ein verdammt guter Weg Rache, Chaos und Gerechtigkeit in einem umzusetzen.
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Beria
Sie lag schwer atmend am Ufer des Sees im feuchten Gras. Ihr Brustkorb hob und senkte sich so als wäre sie lange Zeit gerannt und ihre Gedanken rasten. Drei Geister. Vanyel, Morvath und Flukio. Alle unterschiedlich, alle mit dem gleichen Ziel. Irgendwie ergab es Sinn und irgendwie auch nicht. Sie drehte den Blick und konnte nun auch an ihrem Gesicht so wie am Rest ihres Körpers das Gras spüren, dass ihr scheinbar neue Energie verlieh. Alles schien aus den Fugen und alles schien sich irgendwie zusammen zu fügen. Ein neues Leben begann und sie war unsicher, in welche Richtung es gehen würden. Sie war aufgeregt und ängstlich zugleich. Sie veränderte sich oder kam ihrem wahren Kern näher. Das konnte sie kaum sagen.
»Du weißt also jetzt mehr was auf dich zukommt«, meinte eine Stimme hinter ihr. Sie schreckte auf, erkannte, dass sie noch immer ihre Kleidung nicht trug und machte sich mit hoch rotem Kopf daran genau das zu ändern. »Äh Porgan. Ja hallo«, meinte sie verlegen, während sie sich sehr unbeholfen weiter in eine Position brachte die weniger exponiert war. »Scheinbar erm gibt es mehrere Geister die sich um diese Aufgabe bemühen«, stammelte sie. Dann fand sie den Druidenstein des Traums und schaute ihn an. »und scheinbar muss ich zwischen Ihnen wählen«, murmelte sie. »Diese Bürde hätte dir nicht auferlegt werden dürfen Kind«, sprach der Druide leise und mehr zu sich selbst als zu Lyara. »Doch es sei wie es sei. Wir können nicht verdammen was ist, wir müssen dem Pfad folgen der uns eröffnet wird. So ist es in der Natur«. Lyara nickte. »Das erm hört sich vernünftig an«, meinte sie und war endlich wieder gesellschaftsfähig. Porgan schien davon allerdings wenig bis keine Notiz zu nehmen. »Folge mir. Ich erzähle dir etwas zu den drei Anwärtern«, meinte Porgan und die Schwarzhaarige folgte ihm. Alles was sie in Erfahrung bringen konnte, konnte ihr nur helfen.
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Isthar
»Ich komme hier zu keinem Ergebnis«, seufzte Saraliel schwer und legte das Buch von sich fort, was er gerade gelesen hatte. Seine magischen Versuche in der Wüste waren interessant, doch er hatte noch immer keine Ahnung was das Mal der drei Tropfen war. Irgendwie musste das mit allem in Verbindung stehen. Seine Augen waren schwer und folgten seinem Gemüt nach unten wie ein Stein der in einen See geworfen wurde.
»Ah da bewegt sich ja doch was in deinem Hirn. Langsam… und doch tut sich was«, meinte Raschid wie immer gehässig aus dem Hintergrund.
»Vengard. Ich muss Daelon fragen. Er ist die einzige Spur«, beschloss er und ignorierte den Schwarzmagier geflissentlich.
»Ja«, meinte der Nekromant zufrieden. »Vergesst nicht die Paladina zu fragen, ob sie mitkommt. Obgleich eure magischen Talente beachtlich sind, werdet ihr keinen halben Tag alleine bei der Durchquerung der Wüste überleben«, gab er dann zu bedenken.
Der Magier seufzte. Leider hatte Raschid dabei nicht unrecht.
»Übersehe ich nicht etwas? Der Weg nach Isthar zurück ist weit. Mal endlich eine Gelegenheit mir wirklich zu helfen«, forderte er.
»Nein. Hier gibt es nichts, was auf euer Blut hindeutet. Ich habe es hier lange genug ausgehalten um das zu wissen. Zuben zudem hätte die Spuren zu so etwas nicht geduldet«
»Wahrscheinlich nicht«, meinte Saraliel nachdenklich.
Einige Zeit später standen sie am Tor von Isthar. Eiryn war neben ihm und einige weitere Bewohner der Wüste, die sich vorgenommen hatten in die nächste Stadt zu wandern. Es war gut nicht alleine dem brennenden Geschenk Innos’ ausgesetzt zu sein. »Ihr ändert eure Meinung doch recht schnell«, meinte die Paladina als sie die ersten Schritte nach Außen setzten. »Da habt ihr wahrscheinlich recht. Mein Verstand. Nunja manchmal passiert sehr vieles sehr gleichzeitig.« Beide lachten. Hoffentlich würde sie die Reise ohne große Vorkommnisse überstehen. Ein einziges Mal wäre das doch schön.
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Beria
Sie hatte sich neben Porgan gesetzt und er schaute ihr tief in die Augen. Die Wohnhöhle wurde von mystischem Licht erhellt und die Schwarzhaarige konnte tiefe Furchen, fast wie Täler in den Gesichtszügen des Druiden erkennen. »Du bist da ganz schön in was hineingeraten. Ich versuche dir mehr Antworten zu geben«, begann der Weise und schloss die Augen. »Du trägst den Stein Vanyels den er nun endlich freigegeben hat, nachdem er dich gefunden hatte. So wie es Vater und Mutter wollten«. Er lies sich etwas nach Hinten sinken um sich dann wieder zu straffen. Seltsames Schauspiel fand Lyara. »Du musst irgendwann, wenn du tief in dein Inneres gehört hast, entscheiden welcher der drei Geister die Macht über den Traum und die Begleitung des Todes erhalten mag«
»Vanyel«, begann Porgan wie in Trance. »Vanyel ist die erste und älteste der Stimmen.
Sie singt nicht, um zu gefallen – sie singt, um zu erinnern. Vanyel ist das Flüstern zwischen den Welten, das Klingen des Unsichtbaren. In ihrem Gesang wohnen Erinnerung und Schatten, Liebe und Schuld. Sie macht das Unsagbare hörbar – die Stimme eines gebrochenen Herzens, das dennoch weiter klingt. Das tiefe Begehren. Das was tief verborgen im Unterbewussten liegt. Die tiefen Sehnsüchte der Wesen auf dieser Erde. Vanyel ist elegant, melancholisch, sinnlich.
Sie liebt Geschichten, Tränen, Melodien, in denen mehr Wahrheit liegt als in allen Schriften der Welt. Sie ist Sehnsucht in Klang – und Klang ist Sehnsucht, die nicht sterben kann. Doch sie ist stur. Eingefahren. So lange an dieser Stelle gewesen, dass sie vergessen hat, dass sie Vater und Mutter Gehorsam schuldet«. Er öffnete die Augen und durchbohrte Lyara mit seinem Blick. Die fiel fast nach hinten um.
»Morvath«. Der Druide hob fast drohend den Zeigefinger. »Morvath ist Vanyels Gegenpol und Herausforderer. Wo sie singt, brüllt er. Wo sie heilt, zerreißt er. Er ist ebenfalls im Reich des Schattens verankert – doch dort, wo Vanyel die Seelen begleitet, zerrt Morvath sie. Er sieht Schönheit nur in der Stärke, Wahrheit nur im Überleben. Sein Atem riecht nach Sturm und altem Blut, seine Augen sind Spiegel der Angst. Morvath kennt keine Lieder, nur Rhythmen – Herzschläge, Schritte, Schreie. Morvath ist keine Bosheit – er ist Reinheit der Instinkte. Vanyel flüstert, Morvath schreit. Doch beide sprechen dieselbe Sprache – die der Wahrheit im Dunkel.«. Wieder das Schließen der Augen. Dann schaute der Weise zur Decke der Höhle.
»Und dann ist da Flukio.Jener, der immer lacht, wenn andere weinen, und flüstert, wenn Schweigen geboten wäre. Er ist das Licht im Schatten, der Irrläufer zwischen den Pfaden«, begann er knurrend, als wäre der Keiler wieder da. »Flukio liebt Verwirrung. Er erzählt Wahrheiten in Lügen und Lügen in Wahrheiten, bis niemand mehr weiß, was echt ist. Doch gerade darin liegt seine Macht: Er lehrt, dass jede Illusion nur so stark ist wie der Glaube, der sie nährt. Flukio ist Trickster und Lehrer zugleich. Er bringt Chaos, damit Ordnung sich neu finden kann«.
Jetzt schaute er Lyara wieder an. »Wähle weise mein Kind, mit wem du dich einlässt. Keiner der drei ist ungefährlich und keiner der drei wird es dir einfach machen«. Die Frau aus Ardea war verwirrt. Mehr als vorher. »Vielleicht sollten wir dich da ganz heraushalten. Wenn das noch möglich ist….«. Er kratzte sich am Kopf. »Noch sind wir nicht einig was zu tun ist...«
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Fort Nemora
Jaleel erwachte mit dem Geruch von kaltem Rauch in der Nase, noch ehe das erste Geklapper und Gemurmel das Lager erreichte. Die Nacht war kurz gewesen, die Gedanken lang; die Kerze, die sie zum Schreiben benutzt hatten, war bis auf einen rußigen Stummel heruntergebrannt, und das Pergament mit der Drohung lag zusammengefaltet in seiner Tasche wie eine kleine, scharfkantige Waffe. Er zog die Decke enger, atmete einmal tief durch und spürte, wie die Welt um ihn herum langsam zur Routine zurückkehrte — der gleiche Morgen, die gleichen Befehle, die gleiche bittere Pampe. Nichts von dem, was sie geflochten hatten, zeigte sich äußerlich. Und doch wusste er genau: Nichts würde mehr so sein wie zuvor.
Beim Antreten versammelten sich die Gruppen. Bill stand mit zusammengekniffenen Augen da, die Lippen zu einem schmalen Riss gezogen; sein Gesicht war die Anspannung selbst. Troy neben ihm wirkte blasser als sonst, die Haltung steif. Die Gardisten blickten mürrisch, warteten auf den üblichen Start — auf Befehle, auf Spott, auf Prügel vielleicht. Jaleel stellte sich in die Reihe, die Stirn vornehmlich gegen die Sonne gerichtet, weil es einfacher war, auf das Licht zu schauen als auf Gesichter.
Als der Kommandant die Reihen sah, als die Köpfe sich hoben und die Stimmen des Antretens anfingen, fehlte eine Gestalt. Kayla. Ihr Platz blieb leer wie ein ausgesparter Zahn. Für einen Augenblick schien die Welt zu zögern — ein Laut, dann das übliche Scharren. Bill stach mit den Augen in die Menge, als suche er eine Beule im Holz des Lagers. Seine Stimme brach wie ein Seil in der Kälte los: „Wo ist Kayla?“ Ein kurzes, scharfes Geräusch, das wie ein Messer schnitt.
Jaleel fühlte, wie ein Knoten sich in seinem Magen spannte. Kayla hatte gestern die Entscheidung getroffen, heute zu verschwinden — das hatte er gewusst, das hatte er ihr geschwiegen zugesichert. Doch nun, wenn die Hände des Lagers sie suchten, war das Verschwinden ein Stein, den man aus der Tiefe gefischt hatte und der nun schwer in den Händen lag. Er sah zu Kaylon, zu Barik, zu Esram; jeder zeigte eine andere Farbe der Unruhe. Bariks Augen waren hart, Kaylon stand reglos, wie jemand, der auf das Flattern eines Vogels lauschte.
Bill erhob die Stimme lauter, als wäre Lärm ein Beweis seiner Macht. Er beschrieb Kayla, seine Worte waren scharf, geduldig und dennoch mit jener rohen Bosheit gewürzt, die er so gern zeigte. Er beschuldigte, er drohte, er ließ die Andeutung fallen, dass das Verschwinden mit ihrer kürzlichen Frechheit zusammenhing. Einige Gardisten kicherten verhalten; die meisten zogen die Köpfe ein.
Jaleel dachte an die Leiche unter der Erde, an Stallions hastiges Zuscharren, an das dumpfe Geräusch, das er noch in den Knochen spürte. Er wusste, wie der Zufall die Dinge gelegentlich lenkte, und er wusste, wie leicht ein Finger — ein falsches Wort, ein falscher Blick — alles in Brand setzen konnte. Er dachte an „Leben vor Tod“, an das Prinzip, das Kayla so fest beschworen hatte. Heute jedoch schien das Ideal wie ein dünnes Tau, das drohte, in den rauen Händen des Lagers zu reißen. Er fragte sich, ob das, was sie planten, Leben schenken oder Tod bringen würde — und ob es unterm Strich ein und dasselbe war.
Als Bill verlangte, die Hütten zu durchsuchen, spürte Jaleel, wie eine Stille durch die Reihen lief. Er hörte die Schritte, hörte die schabenden Kisten, das gemurmelte Fluchen, als Gardisten mit torfigen Händen Stoff und Matratzen durchwühlten.
In der Gruppe wurde leise beraten. Jaleel stand abseits, beobachtete, hörte zu. Sie hatten sich abgesprochen: Wer gefragt würde, sollte sagen, Kayla sei „wie üblich zur Wolfsstunde“ hinausgegangen — eine harmlose, banale Masche, an die man hier glaubte. Esram schlug vor, man solle noch tun, als sei man selbst überrascht, sie suchend, enttäuscht, als ob Kaylas Verschwinden ein Akt eigener Unzuverlässigkeit sei. Barik stimmte zu, Kaylon nickte ernst. Jaleel spürte, wie die Lüge auf seiner Zunge lag wie ein bitterer Samen; er spürte, wie schwer es war, ihn zu schlucken, und doch wusste er: Ohne diesen Samen würde der Plan vertrocknen.
Bill jedoch roch nach mehr als nur Ärger. Er wollte Rache; sein Blick suchte ein Gesicht, an dem er sie auslassen konnte. Er brüllte immer wieder, forderte Geständnisse, drohte Strafen an. Es war ihm recht, einen Sündenbock zu finden, denn ein Sündenbock konnte erpressbar sein; er konnte die Bande spalten. Das war die Gefahr, die Kayla zuvor gefürchtet und doch in Kauf genommen hatte. Jaleel fragte sich, wie schmal der Grat zwischen Gerechtigkeit und blinder Gewalt war; und das Bild von Miguls Kopf, auf der Kante, sprang wie ein böser Gedanke in seine Erinnerung.
Als die Stunde des Essens kam, blieb die Stimmung gedrückt. Bill stachelte weiter, verlangte Wahrheiten. Einige strauchelten; ein paar ältere Häftlinge murmelten von „Unfug“ und „Flucht“, suchten nach Schuldzuweisungen, ohne zu wissen, wie ihre Worte wie Funken wirken konnten. Jaleel aß mechanisch, sein Brot schmeckte nach Stroh. Sie mussten die Fassade für einen Tag aufrechterhalten.
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