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    Abenteurer Avatar von Thelyron
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Thelyron ist offline

    Das Tempelviertel, Alchemielabor

    Die letzten Tage im Alchemielabor hatten sich wie ein unaufhörlicher Fluss aus Fehlschlägen und zaghaften Fortschritten angefühlt. Thelyron hatte sich immer wieder der Geduld und der Präzision hingeben müssen, die Ventros bei jeder noch so kleinen Anpassung an die Mischung verlangte. Doch der Weg zum Erfolg war lang, und jeder neue Versuch brachte neue Herausforderungen.

    Zuerst war die Konsistenz der Substanz ein Problem gewesen. In den ersten Tagen hatten sie die Pilze verarbeitet und die Mischung zu schnell erhitzt, was zu einer zähflüssigen aber instabilen Masse führte. Diese war entweder zu zähflüssig und ließ sich nur schwer auf den Teleportationsplattformen anwenden, oder sie war zu dünnflüssig und trocknete sofort wieder aus. Die Stabilität der Markierung war nicht gegeben, und jedes Mal, wenn sie die Mischung auf einen Stein auftrugen, verschwand die Markierung fast sofort.

    "Die Färbung stimmt nicht..." hatte Ventros nach den ersten Tests gesagt, als die Substanz, die sie erzeugt hatten, zu grell oder zu blass war. "Wir benötigen eine Nuance, die gut sichtbar ist, aber nicht zu intensiv. Zu viel könnte die Magie der Teleportation stören, zu wenig macht die Markierung unbrauchbar."

    Die Farbe wurde dann zu einer weiteren Herausforderung. Sie hatten versucht, die Mischung in verschiedenen Konzentrationen herzustellen, um das perfekte Gleichgewicht zu finden, doch die Ergebnisse waren enttäuschend. Bei einem Versuch war die Mischung zu grell und leuchtete, als hätte jemand ein Feuer entzündet. Im nächsten Versuch war sie nahezu unsichtbar, und die Markierung verschwand innerhalb von Minuten.

    "Der Pilz bereitet doch größere Schwierigkeiten, als ich angenommen hatte." stellte Ventros zunehmend fest, als er in seinem Notizbuch wieder und wieder neue Mengenangaben notierte und sie wieder durchstrich.

    Nach den vielen Fehlschlägen begannen Thelyron und Ventros endlich, ein vielversprechendes Ergebnis zu sehen. Es war der fünfte oder sechste Versuch des Tages, und die Mischung hatte sich zu einer dicken, fast pastösen Substanz entwickelt, die sich diesmal stabil anfühlte. Als sie die Konsistenz überprüften, war sie genau richtig – weder zu dick noch zu flüssig, sondern ausreichend viskos, um sich auf einer Oberfläche zu halten, ohne sofort abzutropfen.

    "Das könnte es sein!" murmelte Ventros, während er die Masse vorsichtig auf einen flachen Stein auftrug. Sie betrachteten gespannt, wie sich die Substanz langsam auf der Oberfläche verteilte und fest anhaftete, ohne zu verlaufen.

    "Sie bleibt haften!" sagte Thelyron mit einem leichten Lächeln. "Das ist doch schon mal etwas."

    Doch als sie die Markierung genauer betrachteten, bemerkten sie, dass sie sich nicht so verhielt, wie sie es sich erhofft hatten. Die Farbe war zu blass und hatte nicht die Intensität und Leuchtkraft, die sie sich für eine dauerhafte Markierung gewünscht hatten. Es schimmerte schwach, fast wie der Rest eines verblassenden Traums. Und die Stabilität der Farbe war ebenfalls fraglich, da sie beim ersten Test, den sie versuchten, fast sofort an Leuchtkraft verlor.

    "Hmm..." brummte Ventros nachdenklich, als er die Markierung betrachtete. "Die Farbe ist ernüchternd. Sie wird nicht so kräftig, wie wir es brauchen. Aber wir haben zumindest das Gefühl, dass die Substanz stabil ist, und das ist der erste Schritt."

    Trotz der schwachen Färbung begannen sie, die Reaktion der Markierung auf Magie zu testen. Ventros wirkte einen einfachen Feuerzauber auf die Markierung wirken. Zuerst tat sich nichts. Doch dann, fast unmerklich, begann die Markierung sich etwas mehr zu verdichten, und für einen kurzen Moment gewann die Farbe an Intensität. Ein sanftes, goldenes Glühen flackerte auf, bevor es wieder nachließ.

    "Da!" sagte Ventros, als er das leicht aufleuchtende Glimmen sah. "Sie reagiert auf Magie. Es ist nicht stark aber es zeigt die richtige Art der Reaktion. Es wird stärker, wenn die Energie darauf wirkt, aber es verliert die Wirkung nicht sofort. Genau das brauchen wir."

    Der Feuermagier wirkte einen weiteren Zauber, der eine sanfte Flamme in seiner Hand entfachte. Diese flimmerte vor sich hin, und er hielt sie über die Markierung, die auf dem Stein lag. Zunächst tat sich nichts – die Markierung änderte sich nur geringfügig. "Ein sanfter Anfang." sagte Ventros leise und steigerte allmählich die Intensität des Zaubers. Die Flamme in seiner Hand wuchs langsam, flackerte auf und entfaltete sich zu einem kräftigen Feuerstrahl.

    Thelyron beobachtete gespannt, wie sich die Reaktion der Substanz veränderte. Zuerst flackerte die Farbe auf, als ob sie für einen Moment von der Magie ergriffen wurde. Doch dann geschah etwas, das Thelyron überraschte: Die Markierung gewann an Intensität. Sie leuchtete jetzt stärker, als sie es je getan hatte, und die blasse, gelbe Farbe verwandelte sich in ein sattes, warmes Orange, das die Oberfläche des Steins vollständig bedeckte.

    "Seht nur!" stieß Thelyron freudig aus. "Die Farbe wird kräftiger!"

    Ventros nickte zufrieden und verstärkte weiter die Intensität des Zaubers. Die Flamme in seiner Hand wuchs, und mit jeder weiteren Erhöhung der magischen Energie begann die Markierung auf dem Stein zu pulsieren, als ob sie von der Magie durchzogen würde. Sie nahm nicht nur an Helligkeit zu, sondern auch an Tiefe. Es war, als ob sich die Farbe in die Oberfläche des Steins einbrannte, sie förmlich absorbierte.

    Als die Markierung schließlich in einem stabilen, lebendigen Goldrot erstrahlte, zog Ventros den Zauberstab langsam zurück. Der Feuerstrahl erlosch, und die Markierung blieb, genau so, wie sie sein sollte. Sie leuchtete immer noch, doch dieses Mal war die Farbe konstant und stark, ohne Anzeichen des Verblassens.

    "Es ist vollbracht!" sagte Ventros mit einem zufriedenen Lächeln und beobachtete die Markierung. "Wenn die Substanz stabil bleibt, ist es genau das, was Meister Curt für die Plattformen benötigt. Leicht aufzutragen und haltbar zu machen. Danach für alle sichtbar, nicht nur für Magier und nicht nur bei Tageslicht.

    "Wir werden die Markierung den Tag über im Auge behalten und sie auf Veränderungen prüfen. Aber ich bin zuversichtlich, dass sie genauso haltbar ist, wie mein Missgeschick in Vengard. Die Substanz hat die gleichen Eigenschaften, reagierte auf die gleiche Weise auf Magie... das muss es sein!" stellte Feuermagier Ventros abschließend fest. "Wenn der Stein auch morgen noch genauso aussieht, dann kannst du unsere Arbeit gerne Meister Curt präsentieren!"

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    Abenteurer Avatar von Thelyron
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Das Tempelviertel, Alchemielabor

    Am nächsten Tag, nach einer mehr oder weniger erholsamen Nacht, in der sie das Labor nur für kurze Pausen verlassen hatten, traten Thelyron und Ventros erneut vor die Markierung auf dem Stein. Zu ihrer Zufriedenheit hatte sich über Nacht nichts verändert. Die Markierung blieb ebenso stabil und leuchtend wie am Tag zuvor, die kräftige rote Farbe hatte weder an Intensität verloren noch war sie verblasst. Auch die übriggebliebene Substanz, die noch immer in einem kleinen Tiegel lag, zeigte keinerlei Veränderungen – sie war genauso fest und stabil wie die Markierung selbst.

    "Damit können wir sicher sein: Es ist vollbracht!" sagte Meister Ventros mit einem zufriedenen Lächeln und betrachtete die aufgetragene Markierung. "Es war wirklich eine gute Idee, den Eisendotterschirmling zu verwenden. Etwas schwer in der Handhabung aber am Ende brachte er genau das Resultat, das Meister Curt verlangte."

    Doch es blieb keine Zeit, den Triumph über den eigenwilligen Schirmling zu feiern. Sie wussten nun, welche Zusammensetzungen und Methoden es brauchte, um die Substanz herstellen, die für die Markierung von Teleporterplattformen geeignet war. Nun galt es, mehr von dem Mittel herzustellen, damit die Feuermagier sie auf ihren Exkursionen mitnehmen und benutzen konnten.

    "Wir haben nicht mehr viele von den Eisendotterschirmlingen aber sechs Fläschchen sollten wir trotzdem noch füllen können." Mit diesen Worten stellte sich Meister Ventros wieder an den Alchemietisch und begann mit den ersten Vorbereitungen. Thelyron nickte und begann, die Pilze zu zerkleinern. Mit einem scharfen Messer schnitt er die zähen Stiele des Schirmlings in gleichmäßige Stücke, wobei er die charakteristische leuchtende Farbe des Pilzes und den würzigen, erdigen Geruch wahrnahm, der sich im Labor ausbreitete. Die Arbeit mit den Pilzen war nicht einfach; ihre Textur war zäh, und die richtige Handhabung war entscheidend, um die Inhaltsstoffe nicht zu beschädigen. Doch in all der Zeit hatte Thelyron die notwendige Ruhe und Präzision erlangt.

    Danach begann er mit geduldigen, gleichmäßigen Bewegungen, die Pilzstücke zu zerstoßen. Der Mörser gab leise, rhythmische Geräusche von sich, während sich die zähen Fasern des Pilzes langsam in eine zähflüssige Masse verwandelten. Nach einigen Minuten war der Pilz vollständig zerstoßen und hatte eine dunkle, fast honigartige Konsistenz.

    Ventros warf einen prüfenden Blick auf den Fortschritt. Ein kurzes Nicken von ihm genügte und Thelyron begann damit, die zähflüssige Masse in das von Meister Ventros bereits zusammengemischte Lösungsmittel zu geben. Die Flüssigkeit begann leicht zu qualmen, noch bevor sie über eine Flamme gehalten wurde. "Etwas langsamer, Thelyron." mahnte der Meister und so begann der neue Tag, wie der alte geendet hatte. Der Meister und sein Schüler, die fernab von jedem Tageslicht damit beschäftigt waren, eine magische Substanz herzustellen, von der die meisten Menschen nie erfahren würden, dass sie existierte.

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    Abenteurer Avatar von Trevor
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Friedhof von Thorniara

    Wie die vom Wind fortgetragenen Wolken hing jene Frage schwer über den zwei Gestalten dort am Grab der jungen Frau. Jene Frau, Cynthia, von der Welt vergessen und doch scheinbar in Erinnerung einer, die nur in stiller Einsamkeit zum Gedenken an sie herkam. Und eines Mannes, dem diese Insel und Stadt fremd war. Der sich lediglich ihres Namens und ihres Anblickes von einem alten Bild bewusst war. Und doch waren es ihre eisblauen Augen, die ihn seither verfolgt hatten. Still standen die beiden da. In Gedenken an die mysteriöse Person, die es selbst nach ihrem Tode geschafft hatte, in das Leben des Mannes von Archolos zu treten. Und dort viele Fragen offen zu lassen, die wohl nur die stillschweigende Farnese beantworten konnte. Abermals warf er ihr einen Seitenblick zu. Mittlerweile hatte sie das Kinn auf die obere Brust gesenkt und die Augen geschlossen. Fast, als wäre sie selbst dem Reich der Lebenden entschwunden oder zumindest … eingeschlafen. Aber vielleicht waren, und das war Trevor bisher völlig abgegangen, die stummen Worte, von denen er ausgegangen war, dass das konfuse Ergebnis der Suche ohne brauchbaren Fund einfach nur stille Fürbitten. Aber … passte so etwas zu Farnese? Der sonst so redefreudigen jungen Frau, die es nur zu gut verstand, andere auf ihre angenehm ehrliche Art zu necken, ohne dabei die Gemeinheit zu versprühen, wie ‚brutal ehrliche‘ Leute es gerne taten sah es so unähnlich.

    Trevor beschloss, noch kurz zu warten und ihr Zeit zu lassen. Aus irgendeinem Grund spürte er einfach, dass der alte Mays nicht umsonst zu der viperhaften Gestalt geworden war als die er sich den Menschen, die bei ihm Hilfe suchten, präsentierte. Aber sollte es den Dieb überhaupt kümmern? Die stahlgrauen Augen schlossen sich und er dachte darüber nach, wie die Diener Adanos auf dieser Insel den Verstorbenen den Weg ebneten, um Frieden zu finden. Doch mit diesen Gedanken sich zu beschäftigen, kamen auch neue Gedanken auf: was, wenn er einmal nicht mehr war? Würden sich die Menschen an ihn erinnern? Wer würde trauern? Würde Annette jemals davon erfahren? Würde ihr Vater, der Mann der die Zwillinge aufgenommen und erzogen hatte, sicherstellen, dass sein Adoptivsohn ein ordentliches Begräbnis erhielt? Oder würde er auch eines Tages hier auf diesem Hügel enden – überwuchert und vergessen? Was würde aus Throné werden? Was …

    „Cynthia war meine Freundin.“

    Einem Glockenschlag gleich, riss die brüchige, aus dem trockenen Halse stammende Stimme von Farnese Trevor ins Hier und Jetzt zurück. Mit jedem Gedanken, der ihm gerade durch den Kopf gegangen war, schien es, als verschwommen die Geräusche von Wind, Efeu und dem entfernten Branden des Meeres gegen die Felsen zu einem jähen Dröhnen und Pochen in seinen Ohren. Eine überwältigende Spirale der Negativität und Verdrießlichkeit die, einmal auch nur mit einer Fingerspitze die Haut ihres Opfers streifend und in eine Paralyse der Verzweiflung ziehend.

    Trevor blinzelte und blickte schließlich auf. Noch immer etwas benommen, musste er sich ihrer einfachen und doch ersten Worte über ihre mutmaßliche Freundin bewusstwerden. Aber vielleicht war da auch die Angst, den Geist jener Freundin bedrohlich über Farnese schweben zu sehen, wenn er ihr nun einen Blick schenkte. Stattdessen beschloss der Mann von Archolos, sich selbst unterbewusst zu versichern, dass diese irrationale Angst nur das Ergebnis seiner fortdriftenden Gedanken war. Und dennoch … verblieben die stahlgrauen Augen auf dem Grab Cynthias. Trevor wartete, bis seine ‚Gesellschaft‘ den nächsten Schritt machte. Und sie enttäuschte ihn nicht.

    „Bevor …“, setzte sie zögerlich an und er spürte, wie sie ihren Kopf gen Himmel wandte und innehielt. „In meiner Zeit vor der Muschel, als mein Vater noch unter uns weilte, schickte er mich drei Mal die Woche zum Tempel. Lernen sollte ich, um eines Tages unsere kleine Schreibstube zu übernehmen. Es war eine schöne Zeit. Vor allem, nachdem ich ihr begegnet bin.“

    Es bedurfte keines Blickes, denn ihre Stimme verriet alles von der Versonnenheit und den warmen Erinnerungen an Farnese‘ früheres Leben. Für Trevor nur ein weiteres Teil im Mosaik des rothaarigen Rehauges. Es erklärte, warum sie es war, die die ganzen Briefe liebestoller Freier beantwortete: das schöne und schnelle Schriftbild, welches von Eleganz und Weiblichkeit nur so strotzte. Nachdenklich neigte er das Haupt, kaum merklich von einer zur anderen Seite und atmete dabei tief durch. Eine gewisse Spannung war es, die ihre Erzählung, so traurig ihre Stimme auch klang, mit sich brachte. Aber auch ein Stück weit Angst. Dieselbe Angst, die ihn zuvor fast hatte, kehrt machen lassen. Wieder stellte er sich die Frage, ob er sich damit belasten wollte. Obwohl die Antwort, jenes offene Buch, aufgeschlagen vor seinem geistigen Auge lag. Er beschloss, weiterhin zu schweigen und zu lauschen. Fast schon, so fühlte es sich an, als wäre er hier an diesem Ort, um ihre Geschichte gleich einer Beichte anzunehmen.

    Das leichte Schlurfen durch den von Kies bedeckten Boden verriet dem Tagelöhner, dass sie ihr Gewicht von einem Bein aufs andere verlagert und ebendiesen Kies ein wenig mit der Spitze ihres Stiefels zurechtgeschoben hatte. Wieder setzte sie an, hielt kurz inne, um Worte zu suchen und erzählte dann weiter. „Ich … hatte dir ja erzählt, dass Cynthia die Tochter von Mays ist. Dem alten Griesgram, bei dem du immer wieder Medizin für deine Schwester holst. Weißt du, er war mal anders. Wollte Leuten helfen. Gutes tun. Aber Gutes ist manchmal nicht gut genug. Nicht in Thorniara.“

    Wieder seufzte sie lang und tief. Trevor indes hatte schlicht den Blick auf die linke Ecke des Rahmens des Grabes gesenkt. Die Steine, die im Boden eingelassen waren und diesen Rahmen bildeten waren teils von Moos bewuchert und eher unregelmäßig und schlecht behauen. Farnese‘ Worte hallten noch einen Augenblick in seinen Ohren nach. Ja, diese Stadt war … wählerisch, wenn es um ihre Günstlinge ging. Diesen Kommentar jedoch offen auszusprechen, schien ihm pietätlos. Also blieb er, was er war – ein Gedanke.
    „Ihr standet euch sehr nahe, nicht wahr?“

    Die bessere Wortwahl. Eine ehrliche Frage mit dem Ziel, sie von jenem verführerischen Strudel wegzureißen, aus dem sie ihn zuvor noch gezogen hatte. Zögerlich, den rechten Mundwinkel nur schwach angehoben schenkte er ihr nun doch einen Blick. Ihr Anblick passte zu dem Gefühl, welches sich in seiner Magengegend breit machte: der Verdruss einhergehender Erinnerungen an bessere Zeiten. „Ja. Sehr“, gab sie schließlich zu und griff sich mit der Rechten an das linke Handgelenk. Ihre gesamte Körperhaltung wirkte mit einem Mal so … gesittet. Der Rücken gestrafft und mit der Positionierung ihrer Arme und dem trüben Blick gen Himmel wirkte sie im Gegenspiel zu jenem wehmütigen Lächeln auf einmal so jung auf ihn. Als war es das Ziel, ihn in genau diese Zeit mitnehmen zu wollen. „Ich traf sie zum ersten Mal während des Unterrichts. Wir lernten an diesem Tag etwas über das Erkennen von Kräutern“, führte sie, ja, fast schon schmunzelnd fort. „Ich schrieb zwar mit, interessierte mich aber mehr dafür, was die anderen so taten. Und dann fiel mir Cynthia ins Auge. Also, eher was sie da zeichnete. Ich hatte noch nie so eine schöne Abbildung einer Seraphis, also eines Blauflieders gesehen wie an diesem Tag. Natürlich, sie war schließlich die Tochter eines Alchemisten. Aber wie sie zeichnen konnte …“

    Der Wehmut in ihrer Mimik schwand und machte Platz für den verträumten Blick eines Kindes, dass Begeisterung in selbst den kleinsten Dingen fand. „Ich musste natürlich sofort fragen, woher sie das konnte und so weiter. Und wie schüchtern sie war, Trevor. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis sie warm wurde. Aber, es war an einem Tag im Spätsommer, wir lernten gerade das Schreiben. Na gut, ich konnte es schon, aber Cynthia? Was sie mit ihrem Wissen über Kräuter und den Zeichnungen wettmachte, fehlte ihr am Verständnis von Ziffern und Grammatik.“
    „Also hast du ihr geholfen.“
    „Also habe ich ihr geholfen, ja. Es war der erste Tag, an dem ich sie lächeln sah. Und, leider, einer der wenigen. Sie war immer eine … sehr traurige Person. Ihre Mutter war schon krank, seit sie denken konnte und ihr Vater stets darum bemüht, sich um ihren Zustand und dem Versorgen der Familie zu kümmern. Leider war nur letzteres von Erfolg gekrönt.“
    „Und Cynthia blieb auf der Strecke. Das … tut mir leid.“


    Trevor atmete tief durch und fragte sich, ob es einen Unterschied gab, wenn man um seine Eltern wusste und sie einen vernachlässigten oder dem eigenen Unwissen, wer die eigenen Eltern sind. Einsam war er nie gewesen. Schließlich war seine Schwester immer an seiner Seite. Und später auch Annette. „Danke. Aber … das liegt in der Vergangenheit.“ Der Dieb hob dezent die Augenbrauen und drehte das Haupt nun in Richtung von Farnese. Sein Blick hinterfragend. „Und warum bist du dann hier?“
    „Und du?“
    Auf diese Gegenfrage schnaubte er nur kurz und akzeptierte, dass das so wohl nur fair war. Dennoch verriet ihr Blick, dass sie ihm für die Anteilnahme dankte. Und, dass es eben nicht einfach in der Vergangenheit begraben liegen konnte. „Also?“, er deutete mit halb ausgestrecktem, linkem Arm in Richtung des Grabes. Die Geste war klar und Farnese blinzelte zwei Mal, ehe sie dann mehrfach schwach nickte. „Sie … war für dieses Leben in Thorniara nicht gemacht. Ich habe sie oft nach draußen vor die Tore der Stadt begleitet, um Kräuter zu sammeln. Auch wenn wir eigentlich die meiste Zeit auf ‚unserer‘ Wiese lagen und Figuren in den Wolken gesucht haben. Aber … es gab auch andere Tage. Gerade als wir älter wurden … Vater verlor sein Geschäft und wurde für die Armee einberufen. Ich musste anfangen als Blumenmädchen zu gehen und Cyn half immer öfter im Laden ihres Vaters aus. Ihrer Mutter ging immer schlechter und Mays verbrachte immer mehr Zeit damit, an einem Heilmittel für sie zu arbeiten. Die Arme war zu dieser Zeit bereits bettlägerig …“

    Trevor beobachtete Farnese dabei, wie sie einige Schritte auf das Grab zubewegte, in die Hocke ging und mit einem kleinen Zweig versuchte, das Moos von einem der Steine zu schaben. Vielleicht um sich zu beruhigen. Vielleicht weil ihre aufgeweckte Natur immer etwas zur Beschäftigung ihrer Hände benötigt hatte. Aber auch er trat, wenn auch weiterhin mit gebührendem Abstand in die Nähe seiner Mitbewohnerin. Die Hände hatte er mittlerweile aus den Manteltaschen genommen und hinter dem Rücken verschränkt. Dabei wanderten seine Augen immer wieder auf und ab entlang des überwucherten Grabsteines. Natürlich musste in dieser bis dahin noch so nostalgische Geschichte irgendwann vor die Hunde gehen. Aber auch hier war ihm klar: Schweigen war respektvoller als den Gedanken Freigang zu gewähren.

    Doch als die Stille zwischen den beiden wieder größer wurde, beschloss er erneut nachzuhaken. „Ich vermute, ihr fandet eure eigenen Wege mit dem Leben umzugehen.“
    „Umgehen? Nein. Es ertragen? Ja. Uns vor der Realität zu verstecken? Ohja, Trevor …“
    der Rotschopf erhob sich wieder und atmete tief durch, dabei im Versuch, ein leises Schluchzen zu unterdrücken. Nun, da er ihr etwas näherstand, blieb dem Gestrandeten ein wenig mehr Gelegenheit, sich Farnese zu betrachten. Sie wirkte blass, fast schon selbst wie jener Geist, der über den beiden schwebte. Ihre ansonsten aufgeweckten Augen wirkten verklärt und für den Moment schien sie, obwohl die beiden in einem ähnlichen Alter waren, ihm selbst weit voraus. Trotzdem … fand er in ihrer Trauer einen Funken derselben Schönheit wie beim Blick auf das Bild Cynthias. Eine Schönheit, geboren aus den Umständen des Lebens und dem Trotz, allen Stürmen zu widerstehen. Aber … war es hier wirklich angebracht, zu rechtfertigen, wenn Adanos nahm und ‚das‘ gab? Oder zumindest … zurück ließ? Oder war es lediglich der Versuch gewesen, die Schäden, die sein dunkler Bruder hinterlassen hatte zu tilgen? Kümmerten sich die drei Brüder überhaupt um derlei Dinge, wo doch ihre Auserwählten mit Kriegen zu ringen hatten?

    „Dadurch, dass Cyn für einen Alchemisten arbeitete, kamen wir hier und da an Sumpfkraut. Die Wiese, die wir als Kinder immer wieder besuchten, wich Hinterhöfen, Tavernen und anderen Orten, an denen wir uns ungestört der Welt entziehen konnten. Während ich einfach das Gefühl der Betäubung genoss, war Cynthia völlig begeistert von der Idee von Giften und dass man damit in manchen Ländern das Leid der Totgeweihten linderte. Immer wieder sprach sie davon, wie einfach und schnell man mit den richtigen Mitteln hätte einschlafen und für immer träumen können… Eigentlich eine friedliche Vorstellung ...“

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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Die Bürger ist offline

    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Alfons von Hofinger trat aus der hölzernen Flügeltür seines Anwesens und zog sich den Umhang über die Schultern. Die Luft war noch kühl, doch trocken, und zwischen den hohen Mauern der nebeneinanderliegenden Häuser regte sich kaum ein Windhauch. Keine zehn Schritte trennten ihn vom Eingang des benachbarten Anwesens – jenem, das den Namen und das Wappen des Burggrafen trug.

    Vor dem Portal herrschte geschäftiges Treiben: Zwei Bedienstete in schlichten, aber sauberen Kitteln balancierten sorgfältig verschnürte Kisten die steinerne Treppenstufe hinauf. Die eine Kiste war mit einem Siegelwachs verschlossen, die andere trug ein aufgemaltes Zeichen, das vermutlich Pergamente darstellen sollte. Alfons blieb für einen Moment stehen, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und beobachtete die Szene leicht amüsiert. "Was wünscht Ihr?" ertönte die brummige Stimme der am Eingang stehenden Wache, die scheinbar nicht erfreut darüber war, dass Alfons die Dienerschaft beobachtete. "Verzeiht. Mein Name ist Alfons von Hofinger. Der Burggraf erwartet mich." erwiderte der Edelmann. Mit einem Nicken verschwand die Waffe im Inneren des Anwesens – offenbar, um die Nachricht seiner Ankunft weiterzugeben.

    Nur wenige Augenblicke später kam die Wache in Begleitung eines jungen Bediensteten heraus, der Alfons von Hofinger sogleich freundlich begrüßte und ihm den Eintritt zum Anwesen gewährte. "Der Burggraf wird von Eurer Ankunft in Kenntnis gesetzt." sagte der junge Mann, der gemeinsam mit Alfons in der prächtigen Eingangshalle wartete. Im Anwesen selbst waren nur gedämpfte Geräusche zu vernehmen, auch wenn die immer wieder durch die Eingangshalle huschenden Diener vermuten ließen, dass hinter den Türen geschäftiges Treiben herrschte.

    Es dauerte eine ganze Weile, bis Schritte auf einer der Treppen zu hören war und kurze Zeit später ein älterer Herr die Eingangshalle betrat. "Seid gegrüßt. Der Burggraf erwartet Euch. Bitte folgt mir." sagte der in feiner Kleidung gehüllte Mann mit gedämpfter Stimme. Alfons tat, wie ihm gesagt wurde und schritt durch einige Räume des Anwesens, von denen einer prunkvoller ausgestattet war, als das andere. Für Alfons bestand kein Zweifel daran, dass in diesen Gemäuern mehr Reichtum verwaltet wurde, als im Tempelviertel. Viel Zeit, die erlesenen Stücke zu betrachten, hatte der Edelmann jedoch nicht, denn schließlich erreichten sie die Bibliothek des Burggrafen, die sich in seinen Privatgemächern befand. Der Geruch alten Papiers und gewachsten Holzes erfüllte den Raum, der gelegentlich durch den Duft frischer Blumen verdrängt wurde. Die Bibliothek war ein Ort der Stille und des Wissens, sorgfältig gepflegt, wie alles im Anwesen des Burggrafen.

    Der Burggraf stand an einem der hohen Regale, die bis unter das gewölbte Deckengebälk reichten. Als er den Besuch bemerkte, trat er einige Schritte vor und begrüßte Alfons mit einem gemessenen Nicken. "Willkommen, Herr von Hofinger. Ich freue mich, Euch wohlbehalten empfangen zu dürfen."

    "Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Herr Burggraf." erwiderte Alfons mit einem leichten Neigen des Hauptes. Nach dem Austausch der üblichen Floskeln – über das Wetter, die wachsende Unruhe auf dem Marktplatz und die Gerüchte über den Fortschritt auf Khorinis – kamen sie schließlich zu dem eigentlichen Anlass des Treffens. Der Burggraf deutete auf einige Unterlagen, die auf dem kleinen Beistelltisch lagen, auf denen sonst feine Porzellantassen abgestellt wurden. "Ich habe ein geeignetes Anwesen gefunden, dass ich Euch zum Tausch des Eurigen anbieten kann." begann Maximus, seine Stimme ruhig und kontrolliert. Er faltete einen groben Stadtplan auseinander, auf dem einige Standorte eingezeichnet waren. Ein Haus im Reichenviertel war eingekreist und mit dem Buchstaben "H." versehen. "Dieses Haus ist nur geringfügig kleiner, verfügt dafür aber über ein deutlich stabileres Mauerwerk. Die Nähe zum Tempelviertel wertet das Anwesen zusätzlich auf." Alfons schaute sich die Markierung auf der Karte an und versuchte, das Haus in seinen Gedanken zu finden. "Ist es das mit den Blumenranken auf der rechten Seite?" fragte er schließlich. Der Burggraf nickte und erwiderte: "So ist es. Es gehört derzeit einem befreundeten Mitglied der Händlergilde und ich musste einige Gefallen einlösen, um darüber verfügen zu können."

    Alfons dachte einen Moment nach. Rein äußerlich war das Anwesen tatsächlich in einem besseren Zustand, als sein aktuelles Haus. Viele der Gebäude nahe dem Tempelviertel wurden aufwendig instandgesetzt, nachdem sie durch den vor Jahren geschehenen Drachenangriff beschädigt wurden. "Euer Angebot, verehrter Burggraf, ist überaus großzügig. Doch gewiss habt Ihr Verständnis dafür, dass ich zunächst die Innenräume sehen möchte. Die Pläne hier sind auskunftsreich aber es ist doch etwas anderes, es mit eigenen Augen zu sehen." In dem Gesichtsausdruck des Burggrafen ließ sich keine Regung erkennen. Es war ohnehin schwer, den Mann einzuschätzen. In persönlichen Gesprächen wirkte er stets freundlich und zuvorkommend, doch es war kein Geheimnis, dass er seine Interessen um jedweden Preis durchsetzte.

    "Natürlich. Worte können viele gesprochen werden, doch nur das, was ist, hat Bestand. Ich habe bereits vereinbart, dass Ihr nach unserer Unterredung zum Anwesen gebracht werdet, damit Ihr es Euch ausgiebig anschauen könnt." erwiderte der Burggraf. "Es gibt allerdings ein formelles Problem. Die Stadt verbietet es mir derzeit, weiteres Eigentum in der Stadt zu erwerben. Der Tausch der Anwesen erfolgt also nicht über meinen Namen, sondern über einen Mittelsmann. Ich gehe davon aus, dass das für Euch kein Problem darstellt."

    "So lange ich der rechtmäßige Eigentümer des Anwesens werde, ist es mir gleich, welcher Name auf unserer Übereinkunft vermerkt ist. Es ist nur schade, dass Ihr zu einem solchen Gebaren gezwungen werdet." sagte Alfons ohne dabei den Unmut über die Zustände der Stadt verbergen zu können.

    Der Burggraf drehte sich leicht zu ihm: "Solche Zwänge entstehen dort, wo Einfluss auf Misstrauen trifft. Die Zitadelle hat sich der Ordnung verschrieben – doch sie fürchtet jene, die zu viel Ordnung selbst gestalten könnten. Aber ich will Euch nicht mit den Launen der städtischen Verwaltung langweilen. Viel wichtiger ist, dass der Tausch für Euch von Vorteil ist – und auch bleibt." Alfons hob leicht das Kinn, erwiderte das Lächeln jedoch nicht. "Ihr habt Recht, Herr Burggraf. Ich bin lange genug in dieser Stadt, um zu wissen, dass Regeln hier oft nicht geschaffen wurden, um Ordnung zu bewahren, sondern um Zugang zu regulieren."

    Der Burggraf stand auf und ging zu einer kleinen Kommode, auf der ein silbernes Tablett mit Kelchen und einer silbernen Karaffe stand. "Ein kluger Mann spricht nicht laut, was andere vielleicht nur denken." erwiderte er, als er die Kelche mit rubinroten Wein füllte. "Und Doch: Es freut mich, dass wir in dieser Hinsicht ähnlich denken."

    Alfons nahm den schließlich den Kelch entgegen und trank einen Schluck, bevor er sich es sich etwas bequemer in dem Sessel machte. "Gestattet mir eine Frage, verehrter Burggraf. Warum der plötzliche Bedarf, Euer eigenes Anwesen zu vergrößern?" Maximus ließ eine kurze Stille zu, ehe er in ruhigem Ton erklärte: "Es gab gewisse Umstände, gewisse Ereignisse, die zu meinem Nachteil gereicht wurden. Es brauchte seine Zeit, diese Dinge aus der Welt zu schaffen. Nun, da das erledigt ist, kann ich mich wieder auf das konzentrieren, was wichtig ist: Das eigene Erstarken. Ich beabsichtige, meinen Besitz zusammenzuführen, eine geschlossene Hofanlage zu schaffen – mit Platz für Verwaltung, Versorgung und eine gewisse… Abschirmung." Alfons zog die Brauen etwas zusammen. "Abschirmung?"

    Der Burggraf nickte knapp. "Nicht jeder soll durch jedes Fenster blicken können, und nicht jeder Schritt, der über meinen Boden geht, muss für die Stadt sichtbar sein. Ich bin ein Mann, der Ordnung schätzt. Doch keine Ordnung hilft, wenn man sie nicht zu schützen im Stande ist." Alfons ließ die Worte des Burggrafen nachhallen. Er hatte verstanden, dass hinter der höflich gewählten Sprache weit mehr lag als bloßer Ausbauwille. Hier sprach ein Mann, der seine Stellung nicht nur festigen, sondern uneinnehmbar machen wollte.

    "Wie immer denkt Ihr weitsichtig." sagte Alfons langsam und betrachtete den Kelch in seiner Hand. "Ein geschlossener Hof, eigene Versorgungswege, eine innere Verwaltung… das klingt weniger nach einer Wohnstatt und mehr nach einem befestigten Sitz."

    Maximus lächelte nur schwach. "Ihr wählt große Worte, Herr von Hofinger. Doch ich will keinen Sitz im militärischen Sinne. Es geht um Kontrolle. Um Verlässlichkeit. Wenn Thorniara weiter wächst, wird der Einfluss derer zunehmen, die vorbereitet sind. Ich beabsichtige, einer von ihnen zu sein – mit Struktur, mit einem loyalen Hauswesen und einem Besitz, der nicht von Launen Dritter abhängt." Alfons nickte langsam. "Und ich nehme an, meine Liegenschaft ist der letzte Stein im Mosaik?"

    "Ein wesentlicher..." erwiderte Maximus "...aber nicht der letzte." Ein Moment der Stille entstand, während Alfons sich erhob und zum Fenster trat. Draußen konnte er zwischen den Vorhängen das Dach seines bisherigen Anwesens erkennen. Es wirkte klein, beinahe verloren zwischen den Mauern der angrenzenden Gebäude. "Es hat seinen Zweck erfüllt." murmelte Alfons mehr zu sich selbst als zum Burggrafen. Dann wandte er sich wieder um. "Ich werde mir das neue Anwesen anschauen, wie versprochen. Wenn es hält, was Ihr mir zugesagt habt, soll der Tausch vollzogen werden. Auch wenn mir dabei bewusst ist, dass ich damit ein gewisses Spiel beitrete."

    "Ein Spiel, das Ihr ohnehin nicht umgehen könntet..." entgegnete Maximus ruhig. "Doch Ihr spielt mit einem mächtigen Verbündeten an Eurer Seite." Alfons antwortete nicht sofort. Dann trat er zurück zum Tisch, stellte den leeren Kelch ab und sagte mit sachlicher Stimme: "Dann lasst uns hoffen, dass wir beide am Ende nicht nur Spieler, sondern auch Gewinner sind."

    Der Burggraf hob zustimmend den Blick, sagte aber nichts mehr. Stattdessen erhob er sich langsam und rief mit einem leichten Handzeichen einen der auf dem Flur wartenden Diener herbei. "Führt Herrn von Hofinger zum Anwesen." wies er an. "Er soll jede Kammer sehen, jedes Fenster und jeden Flur. Es soll keinen Zweifel geben, dass wir Wort halten." Der Diener verneigte sich leicht. Alfons nickte noch einmal dem Burggrafen zu, ein Ausdruck gemessenen Respekts auf dem Gesicht. Dann verließ er die Bibliothek – mit dem Gefühl, dass in diesem Gespräch mehr entschieden worden war, als es der Austausch von Eigentum vermuten ließ.

    Maximus

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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Friedhof von Thorniara

    Sie seufzte schwer und vergrub für einen Augenblick das Gesicht in ihren Händen. Erst einen tiefen Atemzug später, begleitet vom Geräusch ihrer sich rümpfenden Nase erkannte Trevor den leichten, schimmernden Überrest von Tränen, die so schnell weggewischt wurden, wie sie ihren Augen entronnen waren. „Ich war so dumm, Trevor. So unglaublich dumm. Damals habe ich das einfach nur als dummes Geschwätz abgetan, dass ihr im Rausch über die Lippen kam…“
    „Aber du lagst falsch.“
    Sie nickte und biss sich, mit den eigenen Emotionen kämpfend, auf die Unterlippe. „Ich war so dumm“, wiederholte sie nicht nur einmal. Auch nicht zweimal. Vier- oder fünfmal. Der Überblick bei dieser schnellen Abfolge, fast schon manischer Wiederholungen ging ihm hierbei schnell verloren.

    „Eines Tages kamen wir von einer unserer ‚Pausen‘ zurück zu Mays Laden und der Gestank, der von dort ausging, verhieß schon von weitem nichts Gutes … Als wir eintraten, um nach dem Rechten zu sehen, fanden wir Cyns Vater, auf dem Boden liegend und mit furchtbarsten Verätzungen im Gesicht. Der ganze Laden war angefüllt mit einer ekelhaft stinkenden Nebelwolke und die Apparaturen mit denen Mays seine Tinkturen gemischt hatte waren teilweise zerbrochen und … ach ich weiß auch nicht. Ich bin keine Alchemistin. Aber … du kannst es dir bestimmt vorstellen.“

    Trevor nickte sachte und senkte wieder den Blick. „Fehlgeschlagenes Experiment. Auf dem Hof, auf dem ich aufgewachsen bin, haben ein paar der Knechte mal Schnaps in einer anliegenden Höhle gebrannt. Irgendetwas lief schief und der Winzer musste einen der Männer am Ende entlassen. Keine Ahnung, ob es die Explosion des Kessels oder das Gas war, dass beim Brennen aufgetreten ist – der, der gehen musste ist daran erblindet. Für die Arbeit auf dem Hof nutzlos und den Rest seiner Tage eine Last für alle anderen ...“
    „Wenn es doch nur Blindheit gewesen wäre … bei den Tinkturen, die Mays da gemischt hatte, handelte es sich um verschiedene Gifte und …“

    Sie hielt inne. Musste es tun, denn die Tränen begannen nun wieder ihren Weg über ihre geröteten Wangen hinabzusuchen. Der Dieb erkannte, wie sehr sie mit sich rang, dies alles noch einmal aufzuwühlen und legte ihr, wenn auch zögerlich, die Hand an den Arm. Es fühlte sich so befremdlich an, mit dem Daumen über den Ärmel ihrer Kleidung und die darunter liegende, vermutlich fröstelnde Haut zu streicheln. „Ist … schon in Ordnung. Ich will keine alten Wunden … du weißt schon.“
    „Ich war so dumm, Trevor! Ich hätte sie nicht zurücklassen dürfen!“


    Und da brach er, der Damm der nach all den Jahren des Schweigens, marode und brüchig nicht mehr in der Lage gewesen war, die Tränenflut der Trauer zu bändigen. Zeit und Trauer, der unaufhörliche Fluss den man nicht stoppen konnte. Die Zeit ohnehin nicht. Doch Trauer war vergänglich. Sie hinterließ ihre Spuren. Formte die Felsen des Lebens an denen sie, ebenso wie die Zeit, entlang schliff. Doch wenn man sie im Stillstand hielt und der Abstand zur vergangenen Zeit immer größer wurde … so würde sie alle Mühen aufbringen, wieder mit ihrem Partner gleichauf zu sein. Und so war es mit Farnese, die ihr Gesicht abermals in ihren Händen verborgen und sich in den Fluss aus Trauer und Schuld gestürzt hatte. Und Trevor? Er lauschte. Beobachtete jenen Fluss und versuchte, die richtigen Worte zu finden. Aber … gab es richtige Worte? Wenn er nicht einmal wusste, wie alles ausgegangen war am Ende? Und … würde es eines Tages wieder ‚in Ordnung‘ sein? Die stahlgrauen Augen suchten einen unbestimmten Punkt auf dem von Kies bedeckten Boden zwischen ihren Füßen. Vergeblich. Nein. Dinge würden nicht wieder sein wie vorher. Nicht ‚in Ordnung‘. Man würde lediglich lernen, damit umzugehen und weiterzumachen. Zu leben ... Zu überleben. Kaum in der Lage den Blick zu heben, versuchte er dennoch eine Frage zu formen. Weiter an dem Dorn zu ziehen, der sie so zermürbte.

    „Du … wolltest Hilfe holen, nehme ich an?“, harkte er nur zögerlich nach und hielt auf ihr unstetes, weinerliches Japsen angespannt die Luft an. Was hätte er tun sollen? Sie in den Arm nehmen? War das … angebracht? Würde es etwas ändern? Eigentlich wollte er sich dafür verfluchen, sich durch seine Neugier in diese Lage gebracht zu haben, aber Trevor der Mensch kam dem immer zynischer werdenden Dieb, den diese Stadt jeden Tag aus ihm machte, zuvor. Langsam, mit einem kleinen Schritt und der nun auch Linken an ihrem Arm ging er auf sie zu und zog sie behutsam an sich. Da war keine Gegenwehr. Keine Abneigung. Stattdessen führte er die behandschuhte Rechte sachte an ihren Hinterkopf und lehnte schließlich sein Kinn auf den roten Schopf. Den Blick auf den grauen Himmel gerichtet.

    Eine Weile zuckten ihre Schultern unruhig auf und ab. Trevor spürte, wie jene Tränen die zwischen den Fingern vor ihrem Gesicht und seiner Brust ihren Weg fanden, seinem Hemd einen unangenehmen, erst warmen, dann jedoch schnell abkühlenden Flecken bescherten. Die Aussicht darauf, wenn sie sich lösen würde, mit dieser kalten Stelle ringen zu müssen war daher alles andere als gewinnbringend für die Situation. Aber … das war nebensächlich. Wichtig war, dass das arme Ding in seinen Armen langsam wieder ruhiger wurde. Er hörte den von einer rotzigen Nase umgeleiteten Atem aus ihrem Munde der wie eine Mischung aus Schluchzen und Erschöpfung klang und traute sich dann, erneut zu fragen. „Geht es wieder?“

    Leise am Stoff seiner Kleidung entlang gleitend nickte sie und hob dann den Blick ihrer geröteten, von verschmierter Schminke umgebenen Rehaugen. Gequält lächelte er ihr entgegen, als sie nach einem kurzen Moment der Stille sanft, aber bestimmt ihre Arme gegen seine Brust stemmte, um etwas Abstand zu schaffen. Begleitet von einem „J-ja … ja, entschuldige …“
    „Schon gut. Ich … verrats auch keinem.“
    Nun war es Farnese, die inmitten ihrer Trauer ein schwaches Schmunzeln ansetzte. „Danke. Das ist lieb.“ Noch einmal rümpfte sie die Nase, zog ein Taschentuch hervor und schnäuzte einige Male, ehe sie dann schwer schluckte und versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Der Tagelöhner wollte etwas sagen. Nur … was? Noch einmal fragen? Noch einen Zusammenbruch wie diesen provozieren? Nein. Der Weg des Zuhörers war es, den er wieder wählte. Dennoch, fragend wandte er den Blick wieder zu Cynthias Ruhestätte, klar in den stahlgrauen Augen widerspiegelnd, dass auch ihn diese Geschichte nicht in Ruhe ließ. Farnese indessen wirkte in sich zusammengesunken: die Arme unter der Brust verschränkt, das Haupt fast tiefer hängend als ihre Schultern. Und doch … gefasster als zuvor. Der Fluss war verebbt und nun würde wohl der Grund zum Vorschein kommen.

    „Cynthia war wie gelähmt, als wir Mays und kurz darauf ihre Mutter vorfanden. Sie …“ Farnese nahm die zitternde Hand vor den Mund und zwei weitere, dicke Tränen fanden ihren Weg aus den Winkeln ihrer Augen heraus und hinab in die Tiefe. „Sie konnte nicht fliehen … Innos, es war so schrecklich!“ Wieder begann sie zu schwächeln und sank dabei auf ihre Knie. Dieses Mal jedoch behielt Trevor für einen Moment lang den Abstand. Zu verarbeiten, was er gerade hörte, über eine Person, die er nicht kannte und ihn doch wie ein schlechtes Omen und gleichzeitig eine alte Bekannte verfolgte, war … unbegreiflich. Es machte die Gedanken schwer und das Gemüt noch schwerer. Mochten es Empathie und Mitgefühl oder die Lage sein, unter der die beiden hier miteinander sprachen … Es ließ ihn nicht kalt. Aber sie wie das Häufchen Elend, dass sie gerade darstellte, sitzen zu lassen war keine Option. Also, einmal mehr, stellte er sich an ihre Seite und kniete so auf dem rechten Knie ab, dass er seine Rechte auf ihre Hand legen konnte. „Was geschah dann?“
    „Sie … Cynthia war wie betäubt. Sie sagte nichts und ging einfach wieder in den Verkaufsraum, in dem ihr Vater lag, prüfte, ob er noch atmete und wies mich dann an, zu gehen. Hilfe zu holen.“
    „‘Aber was ist mit dir?‘, wollte ich wissen … ‚Diese Wolke hier im Zimmer …‘
    ‚Geh einfach! Vater braucht ein Gegenmittel und ich muss die Säure neutralisieren! Geh jetzt, Farny! Bitte!‘, war ihre Antwort. Ich musste auf ihr Wort vertrauen. Sie war schließlich die Tochter eines Alchemisten! Sie kannte das Handwerk! Sie …“
    „Sie >hat< etwas gemischt, als du weg warst“
    , stellte Trevor mit sehr gedämmter, kehliger Stimme fest, als ihm klar wurde, warum sie Franese fortgeschickt hatte. Ein stummer

    Moment kehrte zwischen den beiden Friedhofsbesuchern ein, der die Wahrheit wie einen Glockenschlag dröhnen ließ. Ein eiskalter Wind wehte vom Meer zu ihnen heran. Ob Cynthia selbst ein Zeichen sendete? Die kalte, raue Wahrheit über die beiden brachte? Ihr Gerade war also nie einfach nur ‚dummes Geschwätz‘ gewesen. Das arme Mädchen war von Anfang an … gebrochen. Völlig unsicher darüber, was man dazu sagen, tun oder wie man generell hätte reagieren können, griff der Mann von Archolos in den Boden und packte eine Hand voll Kies, den er mit aller Kraft so lange zusammenknirschen ließ, bis nur noch wenige Steine und Erdreich im Leder seiner Handschuhe verblieben. Diese ganze Geschichte … diese Erlebnisse … Doch bevor sich auch nur ein klarer Gedanken formte, sprach das rehäugige Blumenmädchen weiter. „Als wir, also ein paar Milizsoldaten, ein Alchemist und ich wieder kamen, saß Cyn bereits, angelehnt gegen den Tresen da … um sie verteilt ein paar umgekippte Flaschen ... Hätte sie gewusst, dass ihr Vater überleben würde … vielleicht … Und, hätte ich sie einfach mitgenommen … ihr zugesprochen … Sie für voll genommen … Dann …“

    Sehr leise schnalzte ihr ‚Beichtvater‘ mit der Zunge. Die Suche nach Worten war ihm heute eine Unendliche. Es gab keine passenden dafür. Keine, die hätten ausdrücken können, was er fühlte oder die ihr Trost schenken würden. Aber irgendetwas musste er doch sagen, verdammt! „Wer weiß“, begann er, fast schon flüsternd und atmete tief durch. „Du warst jung, kein Kind mehr, aber sicher nicht erwachsen. Du hast deiner Freundin und ihren Fähigkeiten vertraut. Wolltest nur das Richtige tun. Wer weiß, ob sie diesen Weg nicht schon lange gewählt hatte.“
    „Wie kannst du so etwas nur sagen! Sie hätte nie! Ich meine! Das Gerede war doch nur …“


    Doch auch diese Erkenntnis traf sie einmal mehr und gebot ihrer Empörung Einhalt. Stattdessen schmälerte Trevor nur die Lippen und blickte sie um Vergebung suchend an. Die Stirn in tiefe Falten gelegt.

    „Tut mir leid, dass … ich bin nicht gut mit Worten. Nicht … auf diese Weise. Ich wollte nur sagen … Verdammt, also … Dich trifft keine Schuld. An nichts von alledem. Ehrlich gesagt … dass du hier bist, ihr immer eine Freundin und Familie warst, selbst über den Tod hinaus... Über sie sprichst und sie nicht vergisst … Nicht vergessen willst … Das ist das größte Geschenk, dass du ihr machen kannst. Selbst nachdem sie dich getäuscht hat, um … dich zu schützen, Farnese. Ich denke, sie wollte nicht, dass du diesem Unfall auch zum Opfer fällst ...“

    Farnese schwieg und atmete in einem langen Zug durch Ihr Gesicht war von Schmerz geziert. Ihre Haltung zerschlagen. Auf eine seltsame Art und Weise fühlte der Mann von Archolos nun auch eine Verbundenheit zu Cynthia. Wie oft hatte er Throné schon belogen, wenn es um die Dinge ging, die er tat? Um seine Stellen als ‚Tagelöhner‘? Und wie oft hatte sie angeboten, sich nützlich zu machen? Auch eine Arbeit zu finden, in … ihrem Zustand … Wie lange würde er sie noch belügen können? Bis er vielleicht eines Tages zerbrach? Mit jedem langsamen Blinzeln trat ein anderer Winkel dessen vor sein Auge, dass da vor ihnen lag: Das überwucherte Grab. Das Erdreich unter dem Cynthia ruhte. Der Übergang aus Erd- und Kiesboden. Der Flicken am Knie seiner Hose. Die schmutzige Fläche seines Handschuhs. Wo sollte das noch alles hinführen?

    „Du … bist ein guter Mann, Trevor“, holte ihn die leise Stimme der rothaarigen Trauernden nun wieder aus den Gedanken. Aus dem Augenwinkel betrachtete er sie, suchte, fast schon ein wenig ängstlich aber auch nach Hilfe in ihren Augen einen Moment der Zuflucht. „Danke, dass du mir zugehört hast. Dass Cynthia nicht nur in meiner Erinnerung weiterleben darf.“ Der Dieb hob unsicher einen Mundwinkel und nickte sachte. „Schon … in Ordnung. Danke für dein Vertrauen.“

    Einen langen Augenblick lang lächelten die beiden einander an. Trost spendend in diesen Zeiten, in denen die vom Schicksal gestraften nur sich hatten. Zwei Gestrandete auf einer Insel, weit hinterm Horizont. Schließlich erhob sich Trevor ächzend und streckte einmal die Arme nach oben durch. Die Kälte war ihm schlussendlich doch in die Glieder gekrochen. Farnese hingegen, in ihrer Haltung nun wieder etwas gefestigter, blieb noch sitzen. Der Blick nun auf den Grabstein von Mays Tochter gerichtet. „Also … Mays‘ ist danach vermutlich sehr tief abgestürzt“, stellte der braunhaarige Langfinger fest und verschränkte nachdenklich die Arme, den Kopf etwas seitlich geneigt. Farnese nickte langsam. „Er war seitdem nie wieder derselbe. Machte alle dafür verantwortlich, dass er als armer Quacksalber nicht genug einnahm und zuviel ausgeben musste. Dass er sich nur schlechtes Werkzeug leisten konnte. Fehlerhaft … unsicher. Und mit diesem alles umgebenden Feindbild, dass er sich da aufgebaut hatte, schwanden auch seine Moral und Mitgefühl für andere. Aber kann man es ihm denn verübeln?“

    Trevor schwieg. Seine Gefühle gegenüber Mays waren eher gemischter Natur. Aber andererseits … trotz seiner Habgier und dem Ausnutzen seiner Machtposition über ihn, hatte der kahlköpfige Giftmischer immer wieder einen ‚Weg‘ gefunden, seine Medizin für Throné irgendwie bezahlbar zu machen. Er zuckte mit den Schultern. „Es wäre vermessen, verstehen zu wollen, was in einem Mann vorgeht, der Frau und Kind verloren hat. Aber …“ Nun zückte er seinen Dolch und ging zwischen den Gräbern hindurch zum Grabstein des schwarzhaarigen Mädchens mit den eisblauen Augen. „… Cynthia verdient, dass man ihr Andenken nicht in Vergessenheit geraten lässt. Was ist? Muss ich das Unkraut allein wegschneiden? Geh zum Friedhofswächter und hol dir eine Schere oder sowas …“

    Die junge Frau starrte ihn mit aufgerissenen Augen und offenem Munde an, als er damit begann, das Efeu vom Grabstein zu schneiden. Recht schnell murmelte der Mann von Archolos irgendwelche Flüche in den eher schlecht ausgeprägten Bart seines Antlitzes. Ganz so wie man es sonst von ihm kannte während der Hausarbeiten in der salzigen Muschel. „Nun schau doch nicht so! Du weißt doch: Adanos nimmt ...“ Farnese lächelte, als ihr eine weitere Träne über die Wangen lief. „Adanos gibt ...“

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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Das Anwesen des Burggrafen lag in gedämpfter Stille. Die meisten Kerzen waren niedergebrannt, nur vereinzelte Flammen warfen noch ihr sanft flackerndes Licht auf die Wände der Flure. In der Küche war kein Klappern mehr zu hören, in der Gesindekammer ruhten die meisten bereits, und auch in der Eingangshalle war das geschäftige Treiben, das noch am Nachmittag geherrscht hatte, verklungen.

    Einige Stunden zuvor hatte die Dienerschaft mit ruhiger Entschlossenheit die ersten Vorbereitungen für den kommenden Empfang getroffen. Tücher wurden ausgebreitet, Geschirr und Besteck sorgsam kontrolliert, feine Gläser poliert und erste Vorräte zusammengestellt.

    In einem abgelegenen, gedämpft beleuchteten Seitenraum des Erdgeschosses saßen Adalbert und Eduard an einem schlichten, runden Tisch. Die Atmosphäre war ruhig, fast feierlich. Zwischen ihnen brannte eine einzelne Kerze, ihr Licht spiegelte sich auf der metallenen Zwinge eines kleinen, ledergebundenen Buches, das Adalbert vor sich abgelegt hatte.

    "Eduard..." begann der Hofmeister mit ruhiger Stimme. "Ihr habt Euch in den letzten Wochen unauffällig, aber beständig bewährt. Eure Arbeit war zuverlässig, präzise, und – was mir besonders wichtig ist – stets von angemessenem Auftreten begleitet."

    Eduard, der alte, in sich ruhende Diener mit dem wachen Blick, nickte stumm. Es war kein Geheimnis gewesen, dass er einst Kammerdiener eines anderen Herrn gewesen war und im Anwesen des Burggrafen zunächst zur Probe als Hausdiener eingesetzt wurde. Allen war bewusst gewesen, dass dies eine Übergangslösung war – doch die Entscheidung über eine tatsächliche Beförderung hatte einzig in Adalberts Hand gelegen.

    "Ihr wart nicht zum ersten Mal Kammerdiener und doch habt Ihr nicht gezögert, Euch der Arbeit eines einfachen Hausdieners zu unterziehen. Das zeugt von Charakter." Adalbert hielt inne, musterte Eduards Miene. Keine Spur von Stolz, keine Spur von Eile – nur aufmerksames Zuhören.

    "Ich halte es für angemessen, Euch ab morgen offiziell als Kammerdiener in den Dienst des Hauses Laenar zu stellen."

    Ein leichtes Nicken war Eduards einzige unmittelbare Reaktion. Es war keine Überraschung für ihn – und doch lag in seiner Haltung jene stille Genugtuung, die nur Männer kannten, die ihren Wert über Jahre hinweg in Taten statt Worten bewiesen hatten.

    Adalbert fuhr fort: "Als Kammerdiener werdet Ihr ab sofort persönlich für das Wohl des Burggrafen verantwortlich sein. Ihr sorgt für die Ordnung und Pflege seiner Garderobe, koordiniert seine Kleidung für Anlässe und achtet darauf, dass stets alles bereitliegt, was seine Herrschaft benötigen könnte – vom Siegelring bis zum frisch gewaschenen Hemd."

    Er legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach: "Ihr werdet seine Gewohnheiten kennen müssen – seine bevorzugten Zeiten, sein Tee, seine Ordnung in den Gemächern. Wenn er reist, seid Ihr zuständig für sein Gepäck. Und wenn er Gäste empfängt, sorgt Ihr diskret im Hintergrund dafür, dass alles nach seinem Wunsch verläuft."

    Sein Ton wurde einen Hauch ernster. "Ihr steht ihm näher als viele andere. Eure Diskretion, Haltung und Umsicht müssen dem stets gerecht werden. Ihr seid kein Befehlsempfänger – Ihr seid ein stiller Vertreter seines Haushalts."

    "Verstanden, Herr Adalbert." antwortete Eduard ruhig, mit der Entschlossenheit eines Mannes, der seinen Platz kannte und ihn nun einnahm.

    Adalbert nickte knapp. "Maria wird Euch morgen früh mit den Eigenheiten vertraut machen, die sie im Umgang mit dem Burggrafen bereits kennengelernt hat – gewisse Vorlieben, kleine Gewohnheiten, nicht immer aussprechbar aber wichtig im täglichen Dienst. Sie hat sich als aufmerksam erwiesen und wird Euch diese Dinge weitergeben. Auch wenn sie künftig unter Eurer Aufsicht steht, verdient ihr Wissen Euer Gehör."

    Er erhob sich langsam, Eduard folgte mit der Haltung eines Mannes, der die Bedeutung jedes Wortes verinnerlichte. "Bereitet Euch vor. Der morgige Empfang wird Euch Gelegenheit geben, Euren Platz sichtbar einzunehmen – ruhig, gewissenhaft, unauffällig, wie es einem Kammerdiener gebührt."

    Ein knappes Nicken, ein fester Blick – kein weiteres Wort war nötig. Eduard verließ den Raum und Adalbert sah ihm noch einen Moment nach, ehe er die Tür schloss und die flackernde Kerze löschte. Das Haus lag in Ruhe – aber der neue Tag würde das Maß seiner Dienerschaft erneut fordern.

    Maximus

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    Es war noch immer sehr früh am Morgen, als Antonio, Erik und Torgar sich auf den Weg machten. Der Himmel war von einem dunklen Blau, das nur allmählich in das sanfte Grau des anbrechenden Morgens überging. Der frische Wind trug den salzigen Geruch des Hafens heran, und die Straßen waren noch ruhig, bis auf das leise Klappern ihrer Stiefel und das gelegentliche Hufschlagen des Pferdes, das sie vor sich herführten.

    Antonio hatte den Wallach Rugor sorgfältig für den heutigen Auftrag ausgesucht, da er sich inzwischen als zuverlässiges Transporttier erwiesen hatte. Er ging neben dem Pferd, während Erik und Torgar die Zügel führten. Ihre Route führte sie an den engen Gassen des Händler- und Handwerkerviertels vorbei, hinab zum Hafenviertel, wo das Lagerhaus des Burggrafen lag.

    "Bleib ruhig, Rugor." murmelte Antonio, als er das Pferd mit sanften Worten an den engen Durchgang führte, der zum Lagerhaus führte. Es war noch ruhig in den Straßen des Hafenviertels, und der Hafen selbst lag unter einem grauen Schleier, als wären die Wellen des Meeres im Nebel verschwunden. Nur vereinzelt konnte man die ersten Arbeiter sehen, die mit ihren Karren Waren transportierten oder das letzte Tageswerk vom Vorabend aufräumten.

    Am Lagerhaus angekommen, öffnete Erik die schwere Holztür mit einem kräftigen Ruck. Das knarzende Geräusch hallte in den leeren Hallen wider. Im Inneren war es düster, nur schwaches Licht fiel durch das schmale Fenster an der Wand. Der Raum war vollgestopft mit allerlei Möbelstücken, Kisten und Regalen. Der Geruch von Holz und Staub lag in der Luft, vermischt mit dem schweren Hauch von Eisen und Teer.

    "Da hinten!" sagte Antonio und deutete auf den Bereich, in dem die hochwertigen Sessel des Burggrafen gelagert wurden. Die Sessel waren in dicke Leinentücher gehüllt, um ihre feine Polsterung zu schützen. Mit sorgsamer Hand entfernten die drei Diener die Tücher und legten die eleganten Möbelstücke frei. Die Sessel, in prächtigen Stoffen mit kunstvollen Verzierungen, schimmerten fast im trüben Licht des Lagerhauses. Antonio nahm einen tiefen Atemzug, als er die feine Verarbeitung der Möbel betrachtete.

    "Vorsichtig, nun...", sagte er, und seine Stimme war fest, aber leise. Erik und Torgar nickten ernst. Die Sessel waren nicht nur teuer, sondern auch von größtem Wert, sowohl aus ästhetischer als auch aus symbolischer Sicht. Der Empfang war ein wichtiges Ereignis, und nichts durfte schiefgehen.

    Gemeinsam hoben sie die ersten beiden Sessel an, wobei sie darauf achteten, dass sie das polierte Holz nicht kratzten und die prächtigen Stoffe nicht einrollten oder zerknitterten. Antonio trug den dritten Sessel, als er das schwere Möbelstück vorsichtig in den Wagen verlud, der mittlerweile vor dem Lagerhaus stand. Rugor, der Wallach, hatte sich ruhig neben den Wagen gestellt, als wäre er ebenfalls ein Teil des sorgfältigen Plans, der heute in Bewegung war.

    Die Fahrt zum Anwesen verlief ruhig. Der Wagen rollte über die Kopfsteinpflasterstraßen, die Geräusche von Hufen und Rädern hallten durch die leeren Straßen. Antonio saß vorne, während Erik und Torgar hinten im Wagen sorgsam die Sessel in ihren Tüchern sicherten. Die drei Diener sprachen kaum, nur ab und zu flogen leise Worte des Abgleichs oder der Warnung durch die kühle Morgenluft.

    Als sie das Anwesen erreichten, begannen sie sofort mit dem Entladen. Antonio hatte gehofft, dass die vor der Tür stehende Wache mithelfen würde, doch die stand nur regungslos da und beobachtete das Treiben. Schließlich trugen die Diener die Sessel vorsichtig hinein und achteten darauf, dass sie keine der wertvollen Möbelstücke stießen oder unachtsam behandelten.

    Im kleinen Salon angekommen, blickte Antonio zufrieden auf die zuvor gereinigten Flächen. Der Raum war schlicht, doch elegant, mit warmen Tönen und einem Hauch von Prunk. Die Sessel wurden in der Mitte des Raumes aufgestellt, so dass sie den Empfang zieren sollten, ohne zu sehr aufzutragen. Antonio wies Erik und Torgar an, die Sessel in einem leichten Halbkreis um einen kleinen runden Holztisch zu stellen, den sie am Vortag aus dem Obergeschoss geholt hatten. Antonia stellte sicher, dass alle Sessel gleich ausgerichtet waren und ihre Polsterung perfekt wirkte.

    Als sie die letzten Handgriffe getan hatten, trat Antonio einen Schritt zurück und betrachtete das Ergebnis ihrer Arbeit. Die Sessel, in all ihrer Pracht, passten wunderbar in den Raum. Sie strahlten eine schlichte Eleganz aus, die perfekt zum Empfang des Burggrafen passte.

    "Das wird gut ankommen!" sagte Antonio, während er sich mit einem letzten Blick über den Raum vergewisserte. Es war noch früh und sie hatten noch viel zu tun aber mit jedem Stück wurde die Atmosphäre in dem kleinen Salon feierlicher.

    Maximus

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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Der frühe Morgen lag über dem Anwesen des Burggrafen, als sich in den ruhigeren Teilen des Hauses die ersten Zeichen der Vorbereitung für den bevorstehenden Empfang abzeichneten. In der großen Eingangshalle, wo noch das zarte Licht des Sonnenaufgangs durch die Fenster schlich, begannen die ersten Diener ihre Aufgaben.

    Maria öffnete mit sanftem Druck die Fenster des kleinen Salons, wo die schweren Vorhänge in der kühlen Morgenbrise leicht hin und her schwenkten. Mit bedacht schüttelte sie die Stoffe aus, ließ die feinen Tücher sich in der Morgenluft entfalten und atmete die klare, belebende Frische ein. Ihre Finger glitten über die schimmernden Stoffe, die später die eleganten Sitzmöbel des Salons schmücken würden. Sie fühlte sich erleichtert, als das salzige, frische Lüftchen die stickige Luft der Nacht vertrieb und die Räume mit neuem Leben füllte. Ganz wie es Vorschrift im Anwesen war, blieb sie neben den geöffneten Fenster stehen. So wurde sichergestellt, dass niemand die Gelegenheit eines geöffneten Fensters nutzen konnte, um sich unbemerkt Zugang zum Anwesen zu verschaffen.

    Unterdessen war der Klang von rhythmischem Wischen und Polieren zu hören. Erik und Torgar bewegten sich im Einklang, als sie den Boden der Eingangshalle bearbeiteten. Zuerst trugen sie Wachs auf den glatten Holzboden auf, ließen die Flüssigkeit in die Poren des Holzes einziehen und verteilten sie gleichmäßig mit flinken Bewegungen. Dann folgte der trockene Leinenlappen, der das Wachs in das Holz polierte, bis es zu glänzen begann. Der Boden erstrahlte bald in einem satten Glanz, der das eintreffende Licht der frühen Morgenstunden widerspiegelte.

    Hinter der Schwelle der Eingangshalle, in der mittlerweile zu klein geratenen Küche, hatte Leptin bereits die ersten Schritte in der Auswahl der Begrüßungsspeisen eingeleitet. Der Koch wusste, dass dieser Empfang besonders wichtig war und so wollte er nichts dem Zufall überlassen. Auf dem Tisch vor ihm lagen verschiedene Entwürfe: ein rustikaler Ziegenkäse, zart geräucherte Fleischstücke, dazu frisches Brot und süße Früchte aus der Umgebung. Dorian und Lukas, die mit Freude und Eifer die Küche unterstützten, griffen nach den Zutaten und halfen dem Koch bei der Auswahl der Feinheiten, die den Gästen serviert werden sollten. Schließlich entschieden sie sich für Wachtelei auf geröstetem Brot mit Bitterkraut und gesüßter Ziegenkäse im gewickelten Weinblatt, ein harmonisches Zusammenspiel aus Aromen, die den Gaumen verwöhnen und gleichzeitig den noblen Geschmack des Hauses widerspiegeln sollten.

    Unterdessen begleitete Adalbert den neuen Hausburschen Paul in das Obergeschoss, wo zahlreiche wertvolle Gemälde aus der Geschichte des Hauses Laenar an den Wänden hingen. "Da, die beiden." sagte Adalbert und deutete auf zwei der Kunstwerke. "Diese bringen wir in den Salon. Das eine zeigt den Gründungsvater der Blutslinie und das andere den ersten wichtigen Sieg unserer Familie. Es ist von Bedeutung, dass diese beiden gut zur Geltung kommen."

    "Verstehe, Herr." sagte Paul und griff vorsichtig nach dem ersten Gemälde. Gemeinsam trugen sie das erste Kunstwerk vorsichtig die Stufen hinab und lehnten es zunächst an eine der Wände im Salon, in dem Maria noch immer darauf wartete, das genügend Zeit vergangen war, um die Fenster wieder schließen zu können.

    Maximus
    Geändert von Die Bürger (12.04.2025 um 17:55 Uhr)

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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Ein milder Lichtschein fiel durch die hohen Fenster des Salons und brach sich an den goldenen Kanten der Wandverzierungen. Inmitten des Raumes, zwischen den noch unbesetzten Stühlen, kniete Antonio auf dem glänzend gebohnerten Boden. Er hielt einen langen Holzstab in der Hand – glatt, gerade, und auf der einen Seite mit feinen Kerben versehen.

    Mit ruhiger Präzision legte er die Spitze des Stabs an die vordere Kante eines Sessels, maß den Abstand zur Tischkante und rückte den Sessel dann um einen Fingerbreit nach hinten. Kaum merklich, doch notwendig. Der nächste folgte, und wieder maß er. Schritt für Schritt formte er ein Bild aus Ordnung, wie es dem Rang des Hauses gebührte.

    Erik stand nahe der Tür, die Hände ruhig hinter dem Rücken gefaltet. Sein Blick folgte den Bewegungen Antonios, ohne zu verweilen. Torgar wartete einige Schritte entfernt, den Blick gesenkt, die Hände auf der Lehne eines bereits ausgerichteten Sessels ruhend.

    "Acht Finger..." sagte Antonio leise, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Dann wandte er sich an Torgar, der ohne Zögern den angewiesenen Sessel verschob. Kein weiteres Wort fiel.

    Es herrschte eine Stille, wie sie in den Vormittagsstunden des Anwesens üblich war: durchzogen vom gelegentlichen Kratzen des Stabs auf dem Boden, dem gedämpften Geräusch eines rückenden Sessels – und der ständigen, unausgesprochenen Gewissheit, dass jedes Maß, jede Bewegung, jeder Winkel dem prüfenden Blick des Hofmeisters oder gar des Burggrafen selbst standzuhalten hatte.

    Antonio trat schließlich einen Schritt zurück, betrachtete das Gesamtbild – dann hob er erneut den Stab und begann von vorn. Die Ordnung war noch nicht vollkommen.

    Unterdessen glitt Maria mit Leisen Schritten an den Fenstern des Salons entlang. In ihrer Linken hielt sie einen schmalen Weidenkorb, darin ordentlich aufgereiht kleine Beutel aus feinem Leinen, gefüllt mit getrocknetem Lavendel, Rosmarin und einer Prise Nelke. Einer nach dem anderen verschwand hinter den schweren Vorhängen, die weit geöffnet geblieben waren, um das Licht hereinzulassen. Es war eine stille Aufgabe, doch keine nebensächliche: Der Hofmeister hatte befohlen, dass selbst die Luft einen würdigen Empfang zu künden habe.

    Sobald der letzte Beutel in seiner Position ruhte, wandte sich Maria ohne Eile aber zielgerichtet zur Tür. Sie schritt durch den Gang zur Eingangshalle, wo ein Korb mit frisch gelieferten Blumen stand, noch umhüllt von feuchtem Leinentuch. Der Duft war dezent, doch deutlich – weiße Astern, etwas Rosmarin, ein paar Blütenzweige aus den Gärten der Stadt. Es war ein ungewöhnlich zurückhaltendes Arrangement, wenn man es mit den sonst im Anwesen verteilten Blumengestecke verglich, die vornehmlich große Rosen enthielten.

    Ohne sich umzublicken, hob sie den Korb an, presste ihn an die Seite und trug ihn hinab zur Gesindekammer, wo sie ihr kleines Werkzeug bereithielt. Als sie an der Küche vorbeilief, wurde sie von den anderen kaum beachtet – jeder war mit seiner Aufgabe befasst, wie es sich gehörte.

    An einem schlichten Holztisch entfaltete sie das Leinentuch, holte ihre Schere hervor, schnitt die Stiele zurecht, entfernte welkende Blätter, wusch die Enden sorgfältig und tupfte sie trocken. Sie arbeitete schweigend. Nur das leise Klacken der Klinge und das sanfte Rascheln der Blätter waren zu hören. Für jeden Strauß wählte sie eine kleine silberne Vase, schlicht, aber mit feinem Fuß gearbeitet. Kein Sträußchen war wie das andere, doch jedes ausgewogen.

    Als das letzte Gesteck stand, wischte sie mit einem Tuch die Ränder der Vasen sauber, legte sie vorsichtig auf ein Tablett mit eingefasstem Rand und erhob sich. Mit ruhiger Haltung, den Blick geradeaus, trug sie die kleine Last zurück durch den Gang und die Treppe empor zur Eingangshalle, bevor sie schließlich den kleinen Salon erreichte.

    Dort war es beinahe still. Antonio maß weiter, ohne aufzublicken. Die Vasen fanden ihren Platz am Fenster, auf den beiden Konsolen und auf in der Mitte befindlichen kreisrunden Tisch. Kein unnötiges Geräusch, kein überflüssiges Zögern. Maria wusste, dass selbst kleine Fehler bemerkt würden. Und wenn nicht von den Gästen, dann vom Burggrafen.

    Ein kurzes Innehalten durchzog den Salon, als eine Stimme durch die Stille drang – ruhig, deutlich vernehmbar trotz der gedämpften Luft zwischen Teppichen, Holz und Brokat. Es war Adalbert.

    Die Diener hielten nicht länger als einen Lidschlag inne. Antonio legte den Stab an der Sesselkante an, Torgar blieb reglos mit den Händen am Rücken, und Erik schaute erwartungsvoll zu Antonio, ob der nächsten Anweisung. Disziplin bedeutete nicht, keine Regung zu zeigen – sondern zu wissen, wann man sie sich nicht leisten konnte.

    Unterdessen hallte die Stimme des Hofmeisters weiter aus der Eingangshalle: "Hadvar Isengrom..." Kurze Pause. "...Stadtverwalter höchsten Ranges und Schreiber ersten Ranges." Wieder eine Pause. Dieses Mal länger, durchzogen von einem kaum merklichen Räuspern.

    Maria hatte die letzte der kleinen Vasen auf den Sims abgestellt, als sie der Klang der Worte erreichte. Ihre Hände verharrten einen Atemzug lang am Tablett, dann senkte sie leicht das Kinn und wandte sich zur Tür. Sie verließ den Salon mit ruhigem Schritt, das leere Tablett dicht an den Körper gepresst. Als sie die Halle betrat, sah sie Adalbert.

    Er stand allein in der Mitte des Raumes, kerzengerade, die Liste in der linken Hand, die rechte leicht erhoben – wie ein Zeremonienmeister auf unsichtbarer Bühne. Die Stimme klang ruhig, aber mit feiner Schärfe in der Betonung, wie ein frisch geschliffenes Messer.

    "Der Erwählte Innos'..." Kurze Pause. "Feuermagier Daron." Wieder eine Pause. "Robenwirker des Orden Innos' und Prediger des Heiligen Wortes."

    Maria wagte es nicht, stehenzubleiben. Auch nicht einen Augenblick. Sie senkte stattdessen den Blick, mied den direkten Radius des Hofmeisters und stieg die rechte Treppe hinauf, das Tablett ruhig und sicher in der Hand, als sei nichts geschehen.

    Maximus

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    Schwertmeister Avatar von Curt
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    Tempelviertel

    Einige geschäftige Tage waren ins Land gezogen, in denen Curt den zahlreichen Pflichten eines angehenden Cellarius nachgegangen war. Zuallererst hatte er sich jedoch nach Felia erkundigen wollen, aber in deren Schneiderei nur die alte Agnes vorgefunden. Nach einem längeren Teekränzchen war er wieder auf dem aktuellen Stand über alles, was in der Stadt so vor sich ging oder zumindest alles, was der Wind bis vor die Fenster der Schneiderei trug. So erfuhr Curt, dass ihre Eminenz Françoise höchstpersönlich tatsächlich in Thorniara gewesen war, jedoch die Schiffe lediglich einen kleinen Zwischenstopp gemacht hatten und bereits weiter nach Khorinis gesegelt waren. Natürlich war er sogleich besorgt darüber, dass Felia nun ebenfalls, ihrem Idol folgend, auf große Reise gegangen war, doch dem war nicht so, versicherte ihm Agnes. Dennoch hatte er nicht das Glück gehabt, sie persönlich anzutreffen. Sein einziger Trost war seine Robe, die Felia ihm zur Abholung bereitgelegt hatte. Sie repräsentierte nicht nur seinen gehobenen Stand, sie war auf magische Weise auch so gewoben, dass sie ihm gleichsam viel Wärme spendete, als auch Schutz vor den Flammen lieferte. Außerdem konnte er Felias Duft daran wahrnehmen und das machte Curt fast schon sentimental.

    Als nächster Stopp stand die Kellerei auf seiner gedanklichen Liste. Wenn die Weinwirtschaft in Thorniara aufblühen sollte, brauchte es nicht nur gesunde Reben auf dem Hang, sondern auch eine funktionierende Verarbeitung. Praktischerweise befand sich der große Weinkeller direkt unter Curts Gemächern, so konnte er sich tagtäglich vergewissern, dass alles reibungslos zuging. Es bedeutete jedoch auch, dass er nur selten wirklich zur Ruhe kommen würde, aber das war ein Preis, den er durchaus bereit war zu zahlen, immerhin konnte er hier seiner Leidenschaft frönen.

    Die bisherige Weinverarbeitung in Thorniara war in den Kinderschuhen steckengeblieben. Es gab eine alte Baumpresse im Keller, die noch funktionstüchtig war, aber der Lagerplatz war begrenzt und auch die Durchlüftung da unten ließ zu wünschen übrig. Also hatte er gemeinsam mit einem älteren Novizen namens Anselm, dessen Vater ein Brunnenbaumeister war und ihm einiges an handwerklichem Geschick mitgegeben hatte, ein Konzept zum Ausbau des Kellers entworfen, welches sie die nächsten Monate in Angriff nehmen würden. Da die Finanzierung dieses Projekts noch am Gedeihen war, entwarf Curt in den Abendstunden der letzten Tage einen Kostenplan für Weinberg und Kellerwirtschaft und gelangte dabei selbst schnell ans Zweifeln, was die finanzielle Unterstützung des Ordens für diese Maßnahmen anging. Denn, obgleich die oberste Feuermagierin ihm alle Mittel zum Ausbau seiner Weinwirtschaft in Aussicht gestellt hatte, so war sie derzeit nicht hier und er musste seine Wünsche eher beim Verwalter Michael oder Tempelvorsteher Icarion durchbekommen.

    Aber das war ein Vorhaben für einen anderen Tag und einen anderen Gemütszustand, denn neben all der Gedanken an Felia und die Weinwirtschaft hatte Curt die Gründe des letzten Ausfluges mit Thelyron zur Pilzsuche nicht vergessen. Also suchte er ihn und Meister Ventros am Abend im Labor des Alchemisten auf. Er war neugierig, ob deren Experimente mit dem Eisendotterschirmling wohl Früchte trugen und sie einen Farbstoff hatten herstellen können, der den hohen Ansprüchen eines Teleportsiegels im Tempelviertel wohl gerecht wurden.

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    Schwertmeister Avatar von Onyx
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    Hin und wieder zurück #234 - Thorniaras Tore

    Blau war seine Welt.
    Er hatte jungen Blauflieder gegessen und sah auf die Welt in intensiven Blau- und Lilatönen. Alle anderen Farben verloren an Intensität und schienen so nichtig, wenn Onyx gen Himmel blickte. Nie hatte er solch einen blauen Himmel gesehen und wurde getragen von einem positiven Hochgefühl durch die Blüte, die er gegessen hatte.
    Ja, zur Verstörung seiner beiden Begleiter summte Onyx sogar ein Lied aus seiner Kindheit. Ein Piratenlied.
    Turya schien darauf gar nicht klar zu kommen und schubste Onyx gegen den Arm.

    “Aua!”, jaulte er und hielt sich den Arm.
    “Was soll der Scheiß wieder, Onyx? Du summst…bist du besoffen?”, fragte Turya. Onyx schüttelte den Kopf.
    “Blauflieder macht sowas, werte Turya. Ich bin jedoch erstaunt, dass mein Schmerzempfinden anders ist. Bitte…wiederhole doch dein aggressives Verhalten.”, sagte Onyx auf torgaanisch, als wäre er ein kultivierter Mann der das hoch-torgaanisch beherrschte.
    “Kannst du gerne haben!”, sagte die Walldäuferin und schnippte Onyx gegen das Ohr.

    “AAAAAAAAHHHHHHHHHHHHHHH!”, brüllte der Torgaaner und selbst Turya wich drei Schritte zurück, als er aufschrie. Onyx hielt sich das Ohr, als hätten tausend glühende Messer daran geschabt und geritzt.

    “Faszinierend…”, sagte der Torgaaner und zwickte sich selbst. Dabei verzog er das Gesicht vor Schmerz.
    “Junger Blauflieder wirkt etwas anders wie der normale Blauflieder. Die Blautöne sind intensiver, wie beim normalen Blauflieder und die Lilatöne heller. Das Hochgefühl ist ähnlich und wohl abhängig vom Tag. Mein Schmerzempfinden ist enorm und Turyas Ton kränkt mich auf bestimmte Art und Weise.”, diagnostizierte er für sich selbst in Gedanken und freute sich über die neue Erkenntnis. Er wusste noch nicht, wie er dafür Verwendung finden könnte, doch war er nun ein Stückchen schlauer.

    “Faszinierend was?”, fragte Kiyan.
    “Die Wirkweise von jungen Blauflieder, Herr Kiyan.”, entgegnete Onyx. Kiyan blickte stutzig und wies ihn auf seine Zunge hin.
    “Ja, das ist normal. Eine königsblaue Zunge ist charakteristisch für das Wirken des Blauflieders.”, dozierte Professor Onyx und betonte sein torgaanisch so schön mit seiner tiefen Bassstimme, dass Turya ihn ganz bestimmt ansah.
    “Du riechst auch angenehmer.”, meinte sie und schnüffelte an Onyx. Winkte dann Kiyan her der auch dann roch, was sie wohl roch. Onyx war das bekannt, doch der Forschung willen wollte er mehr wissen.

    “Meine Freunde. Was riecht ihr?”, fragte der Hüne
    “Blauflieder und einen Hauch von frischen Zitronen… - ich liebe den Geruch.”, sagte Turya und verschränkte die Arme.
    “Blauflieder rieche ich auch…aber keine Zitrone.”, meinte Kiyan und ließ offen was er da roch. Es schien aber nicht unangenehm.

    “Junger Blauflieder schafft einen individuellen Geruch für den Gegenüber? Nur ist der Blauflieder noch dominant. Ob Duath da ein Rezept hatte?”, fragte er sich und würde die Probe gleich noch erweitern. Sie gingen um die Kurve, hatten schon vom Weiten die Bastion und Türme gesichtet und waren am Ende der Kurve vor einem der Tore Thorniaras. Fuhrwerke standen dort und wurden kontrolliert.

    Sie stellten sich an, wie es wohl hier Sitte war und kurz sprachen sie sich noch einmal ab. Kiyan hatte sein Bluthundfell hervor geholt und auch sie hatten das was sie an Tiertrophäen hatten sichtbar gemacht. Onyx hatte in einem Sack auch ihre wichtigste EIntrittskarte dabei.

    “Wer seid ihr? Was wollt ihr in Thorniara und woher kommt ihr?”, fragte die Stadtwache.
    “Wir sind Jäger die in Ostargaan und im Bluttal waren. Ich komme vom Festland und mein Mann ist Gorthaner. Der Große ist ein Torgaaner, wie man sehen kann. Wir wollen unsere Beute loswerden. Einen Bluthund haben wir im Bluttal erwischt. Der hatte sicher schon ein paar Leute auf dem Gewissen, sonst hätte er uns nicht direkt angegriffen.”, erklärte Turya und setzte ihr nettestes Lächeln auf. Die drei Stadtwachen musterten die Drei und ließen sich das Fell zeigen.
    “Ich trau keinem Torgaaner. Das sind Söldner und Ethorn hat Söldner.”, sagte einer.
    “Er hier ist kein Söldner, Herr. Schaut ihn euch genau an, gute Männer. Wir reisen seit Jahren mit ihn herum.”, sagte Turya.
    “Ich bin kein Söldner, guter Mann. Ich bin ein Orktöter.”, sagte Onyx völlig untypisch in der Gemeinsprache. Der Blauflieder wirkte noch. Der Hüne holte dann den Sack hervor und zog den langsam faulenden Orkkopf hervor.
    “Bei Innos! Das stinkt!”, fluchte einer. Der Bärtige unter ihnen trat näher und nickte dann.
    “Das ist ein verdammter Nordlande-Ork! Wo?”, fragte er und schien mehr Erfahrung mit Orks zu haben.
    “Den haben wir in den Bergen erwischt. Die Orks sind in den Ruinen Setarrif. Weit über Hundert. Dort hat eine Galeere Anker gesetzt und sie haben begonnen die Mauern zu befestigen. Wir waren mal Vier. Wir dachten, es wird euch interessieren, was im Osten vor sich geht. - Dürfen wir jetzt rein? Wir wollen gen Festland und der Mutter unseres Kameraden die schlechte Nachricht überbringen.”, erklärte Turya.
    “Innos strafe diese Plage. Den Kopf nehmen wir. Ihr dürft passieren. Für Innos!”, sagte der Bärtige.
    “Für Innos!”, wünschten die Drei, auch wenn keiner von ihnen Innos auf die Art preiste.

    “Eine Frage, habe ich noch, Hhhh…Herr.”, sagte Onyx. Turya verdrehte die Augen.
    “Rieche ich nach Blauflieder und Zitrone?”, fragte der Hüne direkt und sorgte für nicht überraschende Blicke..
    “Du stinkst nach Orkscheiße, Torgaaner.”, erwiderte der der Torgaaner eh nicht mochte.
    “Ich zeig dir gleich wie meine Faust riecht.”, sagte der Jüngste und Größte unter den Dreien.
    “Blauflieder und Wein von Archolos.”, sagte der Bärtige und winkte sie nun weg. Onyx nickte dankend und dann zog ihn Turya gleich weg vom Stadttor.
    “Du hältst die Klappe, bis ich sage, du sollst reden. Jetzt führe ich an!”, befahl die Waldläuferin und Onyx nickte verstehend. Er sah sich lieber das schöne Blau eines Tuchhändlers an, der seine Ware auf einem Handkarren transportierte.
    Geändert von Ornlu (17.04.2025 um 12:56 Uhr)

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    Schwertmeister Avatar von Onyx
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    Hin und wieder zurück #25 - Pulleralarm

    Thorniara.
    Onyx hatte ganz vergessen wie Städte rochen. Je nachdem wo man war, war es befriedigend, abartig, erschreckend, schön oder merkwürdig.
    Onyx liebte den Geruch von frisch gebackenem Brot, dass noch heiß war und eine schöne dunkle Kruste besaß. Dafür hatte er keine Kosten und Mühen gescheut.
    Gleichzeitig barg der Blick in eine Gasse, der Blick in bestimmte Gesichter, alte Erinnerungen an seine Zeit, da er in Vengard unter Dieben agierte. Ein Schläger war und meistens der Typ, der den schweren Kram schleppte.
    Er wusste noch immer manche Dinge zu deuten. Geheime Freudenhäuser, gut getarnte Diebe die auch sie auskundschafteten oder Stadtwachen, die ein Auge auf die Fremden hier hatten.

    Reiche Menschen und jene die es verbargen erkannte er sofort und hatte am Marktplatz seinen Spaß daran, die Händler nur zu beobachten. Die Vielfalt, die Worte, das Feilschen, die Geschwindigkeit der Stadt war eine andere, wie jene in und um Tooshoo. Wie in der Wildnis.

    “Ich habe uns eine Unterkunft gesichert. Vor dem Hafenviertel. Ihr erkennt es am Schild. Eine kopfüber hängende Eule. Da werde ich sein. Da lungern auch andere Jäger und fahrende Händler ab. Durchreisende und ein paar Seeleute. Morgen suchen wir uns eine Möglichkeit für die Überfahrt.
    Onyx - du isst nichts, was uns Ärger macht. Kiyan - du passt darauf auf und suchst keinen Ärger. Onyx du achtest darauf!”, sagte Turya.

    “Und wenn Kiyan essen was, was machen Ärger? Und Onyx finden Ärger?”

    “Papperlapp! Ich will den Trottel sehen, der einen grimmigen Torgaaner ans Bein pisst. Und Kiyan dreht nicht durch, wenn er Gänseblümchen frisst. Macht einfach keinen Ärger!”, sagte die Waldläuferin.
    “Und du?”, fragte Kiyan.
    “Ich bin ein Engel. Ich weiß mich zu benehmen und habe vor nur möglichst schnell hier weg zu kommen. Ich will den Frühling in Myrtana erleben und durch die Sildenwälder streifen. Und euch beiden paar Leute vorstellen.”, sagte sie sehr glaubwürdig.
    “Aha…Onyx gespannt. Wir wie du hier uns nicht Ärger suchen. Wir schauen auf Markt ob Beute schon los werden. Wir Turya dann suchen auf. Passen auf, auf Mann mit Haare blond was sitzen da. Sein Dieb. Wenn kommen zu dir, dann nicht lassen kommt näher.”, warnte der Torgaaner und dann gingen er und Kiyan los.

    Irgendwie hatten sie Minuten später den Marktplatz immer noch nicht gefunden. Sie die Waldläufer die anhand von drei Bäumen wussten wo sie im Wald stehen.
    Sie bewegten sich zwischen besseren Anwesen. Wurden von Wächtern an den Eingängen intensiv beäugt und machten keine Anstalten dumm zu fragen. Das gäbe nur Ärger.

    “Onyx pissen muss.”, stellte er mit drückender Blase fest und Kiyan stimmte Onyx zu. Nicht was Onyx betraf, sondern was ihn selbst betraf.

    “Wo machen Blase leer?”, fragte der Jäger zwei Wächter vor dem Anwesen von irgend einen reichen Typen.
    “Verpiss dich…”, knurrte dieser schwer gerüstete Kerl und spuckte vor ihre Füsse.
    “Verpissen…gut.”, sagte Onyx und sie gingen weiter. Um die Ecke, noch einmal um die Ecke und standen dann immer noch vor dem Anwesen oder besser der Mauer die einen Blick hinein verdeckte. In Abständen war dort ein Wappen im Mauerwerk zu sehen, doch in der Heraldikstunde hatten wohl weder Onyx noch Kiyan mit Anwesenheit geglänzt

    “Menschen was nicht teilen, immer große Mauer ziehen. Zeigen wer höher stehen. Onyx wollen wissen was da sein, was Schutz von Blick brauchen. Kiyan auch?”
    Kiyan nickte und keine zwei Momente später half Onyx Kiyan auf die Mauer und kam dann dann Kiyan selbst hinauf.

    “Gute Platz für verpissen.”, sinniert Onyx und blickte in den Garten des Anwesens. Kiyan grinste und einen Moment später rieselten von der Mauer zwei kräftige Strahlen Urin in des hohen Herrns Garten.
    Nicht lange und irgend ein Diener, Gärtner oder sonst was schimpfte auf die beiden los und rief nach den Wachen.
    Die Waldläufer indes machten zu, was geschlossen gehörte und sprangen die Mauer hinab, um dem nicht sichtbaren Sonnenuntergang zu folgen. Dort war Westen und dort war vielleicht der Marktplatz.
    “Das Freiheit. Selber schuld, wer sich mauern ein und unfreundlich.”, sagte Onyx und zeigte an, wohin es gehen sollte.

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    Ranger-General  Avatar von Kiyan
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    Die letzten Tage und Meilen waren eher wie in einer Art Kokon für Kiyan vergangen. Zwar teilnehmend, aber doch … abwesend, in sich gekehrt, wohl auch verstört. Natürlich hatte es mit den Worten Gaurons angefangen, dem Eingeständnis des längst vergangenen Hüters, dass alles wofür er gestanden hatte … vergangen war. Seine Sippe vernichtet, sein Herr – Gy’liath der Schreitende Berg – nicht mehr da. Immer wieder waren Kiyan im Traum die endlosen Ebenen der nordischen Tundra erschienen, endlos mit Gras bewachsen oder bis zum Horizont schneebedeckt, dass der Jäger das Gefühl gehabt hatte, im weißen Nichts zu stehen. Und immer war da der Schreitende Berg gewesen, das titanische Mammut, und hatte ihn aus Augen angeschaut, die wie ein Leuchtfeuer Qual, Schmerz und unvorstellbares Leiden ausstrahlten.
    Mehr als einmal war der Waldläufer erwacht und hatte sich übergeben müssen, denn nur einen Bruchteil, ein Molekül dessen, was der Naturfürst durchgemacht hatte, war genug, um ihn mit Schwäche zu plagen.
    Und beim Erwachen hatte er auch etwas anderes bemerkt, etwas, das ihm ganz sicher aufgefallen war, nicht jedoch seinen Gefährten: Veränderung. Immer wieder war er mit schmerzenden Gliedern erwacht, mit einem Muskelkater, den er in Erinnerungen lange suchen musste, um etwas Vergleichbares zu finden. Und er fand es. Erschreckenderweise. Es erinnerte ihn an die Tage seiner Kindheit. Das Wachstum, das Großwerden. Ähnlich hatten sich seine Glieder damals angefühlt. Natürlich fand es wie damals nicht in einer Geschwindigkeit statt, dass der Jäger aus seiner Kleidung schoss, es schien eher, als gewinne er an Körpergröße.
    In diesen Momenten dachte er dann an einen anderen Mann, der sich Hüter nannte, ähnlich wie Onyx aber doch verschieden wie der Tag und die Nacht. Ryu Hayabusa. Der Mann, der dem Wyvern verschworen ist. Die Augen des Mannes waren verändert gewesen, ein Zeichen seines Bundes. Scheinbar …
    Adanos, wie es scheint, habe ich gar keine Wahl. Ich bin dem Mammut auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    Die Ankunft in Thorniara war – für Waldvolkverhältnisse – ereignislos gewesen. Die üblichen Scherereien mit der Obrigkeit, dem Vollurinieren von umschlossenen Gärten ebenjener und die verzweifelte Suche nach einer Überfahrt aufs Festland, die nicht die Ersparnisse des halben Argaaner Waldvolkes kosten würde.
    Auf dem Marktplatz übernahm schlussendlich Turya das Kommando und teilte den immer noch etwas berauschten Onyx zum Einkaufen von Vorräten ein, während sie Kiyan losschickte, um die paar Felle, die sie erjagt hatten, an den Mann zu bringen. Alsbald fand er einen Lederwerker, der ihm zwar einen Preis für die Hasenfelle und den Bluthundpelz anbot, dass der Waldläufer ihm dafür gerne den Zinken verbogen hätte, aber am Ende konnten sie jede Münze gebrauchen.
    Und – um ehrlich zu sein – war das Fell des Bluthundes jetzt nichts, woraus man der hochgeborenen Edeldame ein paar Handschuhe nähte. Das Ding würde wahrscheinlich als Bettvorleger oder Vorhang enden, aber das war dem Bogenschützen am Ende auch egal. Die Bewohner von Thorniara waren eben Luxus gewöhnt – größtenteils – und den zu bedienen, würde eine Aufgabe für eine andere Zeit sein, nach der Rückkehr vom Festland. Reicher an Erfahrung, Fähigkeiten und Wissen.
    Interessiert blieb Kiyan auf dem Weg bei einer kleinen Werkstatt stehen.
    Halwycks Prothesen, besagte das Schild über dem Eingang. Ein unscheinbarer Laden, eher in der zweiten Reihe und nicht auf der Hauptstraße oder direkt am Platz. Kiyan hob die Hand zu seiner leeren Augenhöhle, schluckte kurz und bewegte sich in den Laden.
    Eine Türklingel kündigte ihn an, ließ ihn aber gleichermaßen zusammenzucken. Was war er für ein gebürtiger Städter, dass der Lärm einer Klingel ihn zusammenfahren ließ als wäre es das Gebrüll eines Schattenläufers …
    „Guten … äh …“, der Meister des Ladens war aus einem Hinterzimmer getreten und hatte sich gerade die Hände an einer Schürze gesäubert.
    „Tag.“, beendete Kiyan den Satz. Er wusste, was für ein Bild er abgab. Dann wunderte er sich aber. In Anwesenheit von Turya und Onyx war es ihm nicht aufgefallen, aber in dem kleinen Laden bemerkte er, dass die Veränderungen durch … bei Adanos, was auch immer Gy’liath tat … doch sichtlich bemerkbar waren. Im Kopf überschlug der Waldläufer die Körpergröße des Handwerkers und verglich sie mit seiner. Er überragte den Handwerker – mit dem er hätte gleich groß sein müssen – um etwas mehr als einen Kopf.
    „Kann ich“ – der Ladenbesitzer räusperte sich – „helfen? Braucht Ihr eine Wegbeschreibung?“
    Kiyan schüttelte schweigend den Kopf. Deutete auf die Augenhöhle. „Ich … sehe zwar wie ein von einem Bergtroll ausgeschissener Verschnitt eines Jägers aus, aber ich komme von den Waldläufern und Jägern aus Schwarzwasser. Gebürtig … aus der Stadt. Ich, mh … es gibt Glasaugen, habe ich mal gehört.“
    Halwyck nickte eifrig, nachdem er kurz über das Gesagte nachgedacht hatte. „Natürlich, die gibt es. Es gibt Handwerksmeister im fernen Gorthar oder auf dem Festland, die nahezu täuschend echte Glasaugen produzieren. Aber die sind … ha, unerschwinglich.“
    Der Jäger seufzte. „Dachte ich mir …“, murmelte er und wollte sich schon zum Gehen abwenden.
    „Ich habe aber welche aus Stahl. Graviert. Sehen einem Auge ähnlich, nur … nun ja … stahlfarben.“
    „Stahlfarben, ja. Unlackiert eben.“
    „Mh. Was wollt ihr dafür haben?“
    „Wie wäre es mit der Geschichte, wie Ihr das Auge verloren habt. Ein Unfall?“
    Kiyans Züge wurden hart, abweisend, kalt. „Keine Schöne. Eine blutige Geschichte. Am Ende habe ich es vielleicht sogar verdient“, knurrte er. „Was wollt Ihr für das Stahlauge?“
    „Wie viel könnt Ihr entbehren?“
    „Einen Orkspeer aus dem Orkwald. Diesen Umhang aus Wargfell.“
    Er kramte in seinem Goldbeutel. Den Beutel der Truppe trug natürlich Turya. Ihr Vorrecht als Frau, über die Finanzen der Gefährten zu entscheiden …
    „…achtzig Münzen.“
    „Der Speer und der Umhang … sind dies Trophäen?“
    Hier flunkerte Kiyan natürlich ein wenig, zumindest was den Speer betraf. „Wir kamen vom Östlichen Argaan über die Berge in den Westen. Waren ein Spähtrupp, der die Lage in der gefallenen Stadt Setarrif einschätzen sollte. Mussten uns den Weg freikämpfen. Einer fiel. Seinen Mörder habe ich mit seinem eigenen Speer aufgespießt, nachdem ich ihn mit Pfeilen gespickt hatte.“
    Eigentlich hatte der Waldläufer mal geschworen, diesen Speer an den Mörder der Jäger aus dem Stewarker Land zurückzugeben, Spitze voran. Aber das waren sentimentale Schwüre aus der Vergangenheit. Er musste hier realistisch sein.
    „Ist eine echte Orkwaffe. Gute Handwerkskunst, zumindest für diese Bestien. Falls Ihr einen Sammler kennt, könnt Ihr das gute Stück veräußern.“
    Halwyck nickte. Kiyan löste den Umhang, legte ihn auf den Tresen.
    „Wargfell. Selbst erlegt. Von einem Rüstmeister in Schwarzwasser gearbeitet. Hochwertiges Leder, im Winter gibt’s nichts Wärmeres als diesen Umhang. Das Fell von Wargen ist relativ wasserabweisend, daher und durch das imprägnierte Leder, kommt kein Regen durch. Sieht martialisch aus, aber ist ein erstklassiges Produkt waldvölkischer Lederverarbeitungskunst.“
    Der Prothesenhandwerker nickte abermals, fuhr mit der Hand darüber. Dann blickte er zu dem Geldbeutel. „Lasst das liegen. Ich merke, dass Euch diese beiden Stücke wichtig sind. Ich nehme nicht Trophäen Eurer Geschichte und zusätzlich Euer Gold.“
    Er winkte ihn hinter den Tresen, ins Hinterzimmer. „Setzt Euch auf den Stuhl, ich hole mehrere Stücke. Wir müssen eines finden, das passt. Vielleicht haben wir Glück.“
    Zwei Stunden später trat Kiyan aus der Seitengasse. Froh, dass die Stadtwachen so vom Orkkopf beeindruckt waren, dass sie offensichtlich vergessen hatten, die Waffen einzukassieren. Andererseits hatte alles an ihnen nach Jäger geschrien, nicht nach Unruhestifter oder Setarrifer.
    Gerüchteweise hatte Kiyan gehört, dass die Stadtwache Thorniaras quasi reduziert war auf eine Notbesatzung, da ein Großteil des hiesigen Ordens nach Khorinis gesegelt war. Das war am Ende ihr Glück.
    Einer dieser Notbesatzung – ein junger Waffenknecht mit Kurzschwert und Knüppel am Gürtel – blieb stehen, als er den Waldläufer aus der Gasse treten sah. Und erbleichte. Das vernarbte Gesicht, das kalte Stahlauge und daneben das nur minimal wärmere blaue Auge. Der Bursche schluckte hörbar und ging rasch weiter. Wenn, würde er nur mit Verstärkung zurückkommen.
    Kiyan lächelte. Ja, die Narben in seiner Fresse waren eine Erzählung, seine Geschichte. Gutes wie Böses und Blutiges. Nichts, wovor er sich verstecken könnte oder wollte. Die Leute widerte es an, in die zerstörte Augenhöhle zu blicken?
    Nun, dann sollten sie stählerner Unnachgiebigkeit und Härte ins Auge blicken.
    Denn beides werde ich in Zukunft brauchen. Wo auch immer Gy’liath ist, was auch immer geschehen ist mit ihm, Gauron, der Sippe … ich werde die Antworten finden.
    Geändert von Kiyan (21.04.2025 um 16:58 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Thelyron
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    Das Tempelviertel, Alchemielabor

    Die Herstellung der Substanz war abgeschlossen. Es standen nun genügend Fläschchen auf dem Alchemietisch, jedes sorgfältig abgefüllt und sicher verschlossen. Thelyron hatte bereits eine Tragevorrichtung aus eine der Kammern geholt, die speziell für den Transport von magischen Essenzen angefertigt worden war. Behutsam stellte er Flasche für Flasche in die Vorrichtung und prüfte, ob sich das Fläschchen danach noch bewegen ließe.

    "Sei vorsichtig, Thelyron." sagte Ventros, der die Szene aus der Ferne beobachtete. "Wir wollen ja nicht, dass die Fläschchen zerbrechen und danach das ganze Labor leuchtet. Obwohl... das würde eine Menge Kerzen sparen!" der betagte Feuermagier lachte auf, schüttelte leicht mit dem Kopf und nahm sich ein Pergament zur Hand, auf dem er Anweisungen für Meister Curt niederschreiben wollte.

    Thelyron nickte stumm und fuhr fort, die Fläschchen vorsichtig in die Vorrichtung zu stellen. Er hatte schon einige Male magische Tränke transportieren müssen, doch dabei handelte es sich in aller Regel um Heiltränke. Die durften zwar auch nicht zerbrechen aber die Auswirkungen eines zerbrochenen Heiltrankes waren weit geringer, als das versehentliche Verschütten dieser leuchtenden Substanz.

    "Hier..." sagte Ventros und riss Thelyron kurz aus seiner Konzentration. "Das ist für Meister Curt. Eine Anleitung, wie er die Essenz zu nutzen hat. Sorge dafür, dass er sie aufmerksam liest, bevor du gehst." Der hochgewachsene Novize nickte abermals stumm und steckte das zusammengerollte Pergament in seine Tasche. Gerade als Thelyron die Tragevorrichtung aufnahm und sich zum Ausgang wendete, öffnete sich die Tür des Alchemielabors und Meister Curt trat ein.

    "Ah, Meister Curt! Welch passender Zufall!" stellte Feuermagier Ventros freudig fest. "Ich wollte gerade Bruder Thelyron zu Euch schicken. Wir haben eine magische Substanz hergestellt, die Euch gewiss von Nutzen sein wird. Jetzt wo Ihr hier seid, kann ich Euch gleich Anwendung und Wirkung zeigen!" Er bedeutete Thelyron, die Fläschchen wieder abzustellen und nahm sich behutsam eines aus der Vorrichtung.

    "Kommt näher!" sagte er, als er das Fläschchen öffnete. "Das Gemisch hat noch keinen Namen aber so viel kann ich sagen: Es ist stabil und ungefährlich im Transport. Selbst wenn Euch ein Fläschchen zerbrechen sollte, ist der Schaden nicht von Dauer. Lasst es mich erklären." Ventros träufelte etwas von der dickflüssigen Substanz auf einen Steinziegel, mit dem auch die Teleporterplattformen üblicherweise gebaut wurden. Während die Flüssigkeit über den Stein lief, entfaltete sich langsam seine Wirkung und die betroffenen Stellen begannen leicht zu glimmen. "Auf diese Weise wird der Stein vermutlich für acht bis zehn Tage leuchten. Viel weniger, wenn der Stein feucht wird." erklärte der Alchimist. In den Augen von Meister Curt lag eine gewisse Enttäuschung.

    Feuermagier Ventros begann zu lächeln und richtete sich auf. "Tretet zurück!" sagte er und wirkte einen Feuerzauber auf den betreffenden Stein. Es war keine große Flamme aber sie reichte aus, um die Szenerie in ein warmes Licht zu tauchen. Als der Zauber gewirkt war, wurde aus dem Glimmen ein pulsierendes Leuchten. "Ein Feuerzauber für mindestens 4 Sekunden, maximal jedoch 10 und Eure Markierung ist beständig. Das Leuchten wird sich in den nächsten Stunden etwas verdunkeln aber auch danach noch sichtbar genug bleiben, um als Markierung zu dienen. Die Teleportationsmagie wird die Markierung ständig beeinflussen, sodass ich von einer Haltbarkeit von rund 10 Jahren ausgehe."

    Zufrieden schaute Feuermagier Ventros auf den leuchtenden Stein und danach zu Meister Ventros: "Und? was sagt Ihr?"

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    Schwertmeister Avatar von Curt
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    Tempelvorplatz

    Für die Dauer eines Herzschlages spiegelte sich das Leuchten des Steins in Curts Augen wider. Den Mund hielt er mit Mühe geschlossen, wollte er doch nicht zu bubenhaft wirken, doch das Resultat der Arbeit hinterließ durchaus einen Eindruck. Einen acht bis zehn Jahre bleibenden Eindruck, wie Meister Ventros prognostizierte.
    „Es scheint ganz so, als habe sich die Mühe gelohnt“, sagte Curt und nahm den leuchtenden Stein behutsam in die Hand, darauf bedacht, nicht mit dem Finger selbst die von der magischen Substanz versetzte Stelle zu berühren. Sie leuchtete in einer angenehmen weißen bis hellorangenen Farbe. Behutsam ließ Curt ein wenig Magie in seine Finger strömen - eine sehr zurückhaltende Variation der Flammenhand - und stellte zufrieden fest, dass das Leuchten auf dem Stein in Gegenwart seiner eigenen Magie stärker wurde. So würde das Siegel gewiss aufleuchten, wenn sich eine Teleportation ankündigte und so würde jeder auf dem Tempelplatz zur Kenntnis nehmen können, wenn ein Magier im heiligen Viertel erschien. Die Adlaten und Novizen könnten dann sogleich herbeieilen und die Meister angemessen in Empfang nehmen und niemand würde mehr unbedacht über das Siegel schlendern. Die Gefahr eines berüchtigten Teleportationsunfalls konnte so gewiss um ein Vielfaches verringert werden.
    „Es ist ein milder Abend und noch scheint die Sonne für ein-zwei Stunden. Wir sollten die Zeit nutzen und es auftragen. Ich werde Anselm ausschicken, ein paar Pinsel zu besorgen. Außerdem brauchen wir … mal überlegen … einen Kohlestift, einen Stab und ein dünnes Seil. Wenn Ihr Thelyron entbehren könnt … seine Mithilfe wüsste ich zu schätzen.“
    Die beiden tauschten Blicke aus und verstanden sich wortlos. Thelyron nickte, nahm die wertvolle Substanz in einer Haltevorrichtung und folgte Curt, der mit großen Schritten das Alchemielabor hinter sich ließ.

    ***

    „Halt ihn ruhig, Anselm! Bei der Geometrie kommt es auf ein ruhiges Händchen an!“
    Der Novize wurde in der Mitte des Siegelplatzes positioniert, wo er seinen Novizenstab senkrecht auf den Boden drückte und festhielt. Um die obere Spitze des Stabes hatte Curt das Seil geknotet und an dessen anderes Ende den Kohlestift. So konnte der Magier das Seil langziehen, um Anselm herumlaufen und am Boden einen nahezu perfekten Kreis mit der Kohle zeichnen.
    „So, nun benötigen wir fünf Punkte für das Pentagramm. Diese müssen gleichmäßig verteilt werden. Wie machen wir das?“, fragte der Magier in die Runde. Er erwartete aber gar keine Antwort, er hörte sich nur gern selbst erklären.
    „Die Formel des Kreisumfangs! Kreiszahl mal Zwei mal Radius. Die teilen wir durch fünf. Reiche mir mal das Seil.“
    Der Lehrer vollführte die Rechnung und ließ sich das Seil zur korrekten Länge schneiden. Dann wählte er einen Punkt am Kreis, zeichnete ein Kreuz und legte das Seilstück an. Damit bewegte er sich am Kreis entlang und zeichnete weitere Kreuze immer in Abstand einer Seillänge. So wurden die Ecken des Pentagramms nahezu perfekt verteilt.
    „Für die geraden Linien brauchen wir ein langes Brett oder … Anselm, bring uns noch ein paar Stäbe. Wir knoten sie zusammen und nutzen sie als Lineal.“

    Nach fast einer ganzen Stunde war Curt endlich fertig mit seiner Vorzeichnung und sehr zufrieden. Inzwischen hatten sich einige Adlaten und Novizen um ihn und das Siegel versammelt und beobachteten neugierig das Treiben. Selbst Meister Ventros hatte das Labor verlassen, um beim Auftragen des magischen Färbestoffs dabei zu sein.
    „Hier Thelyron.“ Curt reichte dem Novizen einen Pinsel. „Du hast die Zutaten gesammelt. Du sollst die Ehre des ersten Striches haben.“

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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Die Zeit schob sich unbeirrbar voran, während Sonnenflecken langsam über die polierten Böden der oberen Galerie wanderten. In den Gängen des Anwesens herrschte jene konzentrierte Betriebsamkeit, die zum gewohnten Bild der Dienerschaft gehörte – auch wenn der bevorstehende Empfang eher eine Besonderheit war.

    Gegen den frühen Nachmittag rief Adalbert die Dienstboten zusammen. Keine langen Reden, keine Erklärungen. Er stand aufrecht in der Eingangshalle, die Liste noch immer in der Hand, doch nun war seine Stimme schärfer, seine Anweisungen präzise.

    "Einlass wie geprobt. Verneigung. Ankündigung. Gang zum kleinen Salon. Keine Verzögerungen, kein Lärm." Maria, Antonio, Erik und Torgar standen bereit, in gerader Linie, die Hände ruhig gefaltet. Adalbert nickte. Dann hob er den Arm. Auf sein Zeichen öffnete Erik die schwere Eingangstür einen Spalt weit – nur so weit, wie es sich für einen geordneten Empfang ziemte. Antonio schritt ein, spielte den eintretenden Gast während sich Adalbert aufrichtete, leicht das Kinn hob und mit fester Stimme verkündete: "Hadvar Isengrom. Stadtverwalter höchsten Ranges und Schreiber ersten Ranges."

    Danach trat Torgar einen halben Schritt vor, neigte das Haupt leicht und deutete mit offener Hand auf den vorbereiteten Bereich der Halle. In der Nähe der Fenster stand ein kleiner Tisch mit gedeckten Tabletts, über denen feine Leinentücher lagen. Dorian und Lukas standen bereit, hielten jeweils ein Tablett mit kleinen Speisen – kalte Pasteten, fein belegte Brotscheiben, leichtes Gebäck – handlich und ohne Besteck zu verzehren.

    Antonio tat so, als würde er ein Stück nehmen, verneigte sich knapp, wie es einem Gast zukäme, und verweilte einen Moment. Die Vorstellung des Empfangs wurde erprobt, als würde sich eine Gruppe aus edlen Herren und Damen unaufdringlich sammeln, begleitet von leiser Musik, höflichem Gespräch – alles nur gedacht, doch greifbar in der Stille. Adalbert beobachtete jede Bewegung mit dem Blick eines Mannes, der keinen Zweifel duldet. Dann gab er das nächste Zeichen.

    Nach einem kurzen Moment trat Torgar wieder vor und deutete mit einer gemessenen Bewegung den Übergang an: eine Geste zum kleinen Salon hin. Antonio folgte, ohne Hast, durch den geöffneten Durchgang, vorbei an dem eingedeckten großen Salon, als würde er sich nun dorthin zurückziehen, wo das Gespräch tiefer, das Licht gedämpfter und die Worte gewählter werden.

    Als die Generalprobe beendet war, nickte er kaum sichtbar. Die Dienerschaft hatte noch einige Vorbereitungen zu erledigen, sodass für Lob keine Zeit blieb. "Wir proben das nachher noch einmal. Zurück an die Arbeit." befahl der Hofmeister schließlich und so folgten die letzten Handgriffe. Die Waschgehilfin Julia verteilte zusammen mit Maria frische Tücher auf den Seitentischen im kleinen Salon. Die Falten wurden mit den Handrücken glattgezogen, die Ränder justiert. Jeder Platz, jeder Tisch sprach von stiller Sorgfalt.

    Im großen Salon, dessen Türen bislang verschlossen geblieben waren, trat Erik nun mit einem sauberen Tuch an die Kandelaber. Die letzten Silberflächen wurden nachpoliert, die Dochte geprüft, die Kerzen ausgerichtet. Torgar legte währenddessen die Bestecke auf – gleichmäßig, präzise, jedes Stück im rechten Winkel zum Teller, die Messer nach innen, die Gabeln nach außen gewendet, die Griffe exakt zur Tischkante. Es war kein Aufenthalt im großen Salon vorgesehen und doch musste es den höchsten Ansprüchen gerecht werden. Die Türen zum Salon sollten später weit geöffnet stehen, damit die Gäste die eingedeckte Tafel als zukünftige Einladungen verstehen würden.

    In der Küche händigte Leptin an den Hofmeister ein fein beschriebenes Pergament aus, dass die Bestandteile der kleinen Speisen beinhaltete. Adalbert las es still, nickte, und nahm es schließlich in den Bestand der Empfangsunterlagen auf, als Dorian und Lukas mit den letzten gefüllten Tabletts an ihm vorbeiliefen. Behutsam liefen sie die Treppenstufen empor und stellten die Tablett schließlich auf einen extra dafür in einen Nebenraum gebrachten Tisch ab.

    Maximus

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    Burggraf zu Verdistis  Avatar von Maximus
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Ein leiser Windhauch strich durch das halb geöffnete Fenster des Arbeitszimmers, ließ die schweren Vorhänge aus dunklem Brokat sanft erzittern und trug den kühlen Duft des frühen Nachmittags herein. In der Stille des Raumes saß Maximus an seinem Schreibtisch und ließ den Blick prüfend über ein Pergament gleiten, auf dem letzte Anweisungen für den bevorstehenden Empfang notiert waren.

    Ein leises, fast zögerliches Klopfen unterbrach die Stille. "Herein" sagte Maximus, ohne den Blick vom Pergament zu heben. Die Tür öffnete sich behutsam, und Eduard trat ein. Mit einer Verbeugung, die Anstand und Zurückhaltung vereinte, sprach er: "Herr, der Hofmeister hat mich beauftragt, Euch beim Ankleiden zu assistieren." Maximus legte das Pergament sorgfältig beiseite und musterte den Diener einen Moment lang. Eduard war erfahren, und doch lag ein feiner Hauch von Anspannung auf ihm – ein Umstand, den Maximus sofort erkannte. Schließlich war Eduard noch nicht in alle Gepflogenheiten der Privatgemächer eingewiesen worden, seine Ernennung zum Kammerdiener lag erst einige Stunden zurück.

    "Gut. So folgt mit dann ins Schlafgemach." sagte der Burggraf ruhig. Gemeinsam verließen sie das Arbeitszimmer. und die Schritte hallten gedämpft auf den feinpolierten Holzfußboden, während sie den Flur entlangschritten. Schließlich im Schlafgemach angekommen, wurden sie mit einem angenehmen Duft von frischen Blumen und feiner Seife begrüßt. Auf einem kreisrunden Tisch lag bereits das vorgesehene Gewand bereit: ein meisterhaft gearbeitetes Oberkleid aus feinem Leinen, dezent bestickt. Es war ein Ausdruck von Wohlstand, doch nicht von Prunk. Dem Burggrafen war es wichtig, sich beim kommenden Empfang als nahbar zu inszenieren.

    Eduard blieb einen Herzschlag lang stehen, sammelte sich, und trat dann ein. Sein Blick glitt prüfend durch den Raum. Er bewegte sich mit jener bedachten Vorsicht, die jahrelange Erfahrung in fremden Gemächern lehrte, und doch war es für ihn Neuland, die Intimität der Gemächer seines neuen Herrn zu betreten. Maximus deutete knapp auf eine fein gearbeitete Kommode an der rechten Wand. "Die weißen Hemden befinden sich dort." Der Kammerdiener verneigte sich leicht, trat zur Kommode und zog mit präziser Bewegung eine der Schubladen auf. Darin lagen sorgfältig gefaltete Hemden, makellos in ihrer Schlichtheit. Er wählte eines aus – das Leinen war von solcher Feinheit, dass es fast schwerelos über seine Finger glitt.

    Mit ruhiger Hand entfaltete er das Hemd, trat zurück zu Maximus und half ihm, den Arm in den Stoff zu schieben. Der Burggraf ließ es geschehen, bewegte sich mit kontrollierter Gelassenheit. Eduard richtete den Sitz des Hemdes, strich den Kragen glatt und schloss die kleinen, kunstvoll geschnitzten Knöpfe aus Perlmutt, die in das helle Gewebe eingearbeitet waren.

    Anschließend nahm Eduard das Obergewand. Der Stoff war weich und dennoch schwer genug, um würdevoll zu fallen. Als es der Burggraf schließlich angelegt hatte, glättete Eduard mit geübten Griffen die Nähte, prüfte den Fall des Gewandes und trat schlussendlich einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten.

    Maximus stand aufrecht, die Haltung eines Mannes, der seine Autorität nicht behaupten musste, sondern sie durch seine bloße Erscheinung verkörperte. Das schlichte, doch kunstvoll gearbeitete Gewand unterstrich diese Ausstrahlung: Wohlstand und Einfluss, doch fern von Überheblichkeit.
    Geändert von Maximus (29.04.2025 um 11:47 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Delvin Corgano
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    Das Hafenviertel, Haus von Delvin Corgano

    Die Sonne stand bereits im Westen, warf lange Schatten über das Hafenpflaster und färbte die Mauern Thorniaras in ein fahles, gelbliches Licht. In seinem unscheinbaren, schmucklosen und allmählich auch reparaturbedürften Haus mit Blick auf die Kaistraße saß Delvin Corgano an seinem Schreibtisch aus dunklem Ulmenholz. Das Fenster war geöffnet, die salzige Brise wehte den Geruch von Tang und Schiffsteer in das Arbeitszimmer, doch Delvin beachtete sie nicht. Sein Blick ruhte auf einer Pergamentrolle, die mit präziser Handschrift die Rückzahlungen der vergangenen Woche verzeichnete.

    Die Liste war kurz. Zu kurz.

    Mit dem Schreibgriffel strich er die Namen der Zahler ab, markierte die Versäumer mit einem dunklen Punkt. "Tibalt..." murmelte er "...wieder nicht. Dritte Frist verstrichen." Daneben: "Morwen – vertröstet erneut." Und: "Gregor, Tischler: kein Eingang. Keine Erklärung." Sein Gesicht blieb unbewegt, aber in der rechten Braue zuckte es kurz. Dann nahm er ein frisches Blatt, beschriftete es in ruhigen Zügen: "Dregas – Liste säumiger Schuldner". Keine Zierde, keine Ausschmückung. Nur Namen und Summen. Er versiegelte das Dokument mit rotem Wachs und legte es an die Kante des Tisches – dort, wo es Dregas am frühen Abend abholen würde.

    Delvin lehnte sich zurück, ließ die Fingerknöchel knacken, dann zog er ein zweites Bündel Papiere heran: Güterbestellungen. Die Vorräte der Hafenkneipe gingen allmählich zur Neige und so hatte Tingalf in beinahe unleserlicher Schrift den aktuellen Bedarf notiert. Mittlerweile war auch Delvin von der Situation genervt, dass noch immer kein neuer Wirt für die Hafenkneipe gefunden war, dem man die gesamte Verantwortung übertragen konnte. Dennoch prüfte er sorgsam jede Angabe, verfasste gelegentlich eine Randbemerkung und faltete das Pergament danach zusammen. Er wollte es bei Gelegenheit zum Kontor bringen lassen, auf dass dort die benötigten Waren organsiert werden.

    Bevor er sich den nächsten Schriftstücken widmete, trat er ans Fenster. Von hier aus überblickte er einen Teil der Baustelle, wo der Orden den Ausbau des Hafens voranbringen wollte. Doch es tat sich wenig. Drei Männer bewegten mühsam ein Holzgerüst, ein Geistlicher stand abseits und gestikulierte. Dasselbe Bild wie gestern. Und vorgestern.

    "Sie bauen einen Hafen aus Worten und wundern sich über den Stillstand..." murmelte Delvin. Seinem Blick entging nicht, was den Fortschritt hemmte: zu wenige Arbeiter, zu wenig Material. Stein, Balken, Seile – alles fehlte oder kam nur schleppend an. Die Planung war ehrgeizig, doch es fehlte an Substanz. Der Orden hatte den Willen, aber nicht die Mittel, das Vorhaben mit der notwendigen Konsequenz durchzuführen.

    Delvin sog die Luft tief ein, trat zurück an seinen Schreibtisch und setzte sich. Noch lagen vier offene Schuldverhältnisse und eine unklare Frachtmeldung vor ihm. Der Tag war weit fortgeschritten, doch seine Arbeit noch lange nicht getan. In dieser Stadt wurde Einfluss nicht mit Schwertern gewonnen – sondern mit Listen, Wachs und der Geduld, den Überblick zu behalten.

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    Lehrling Avatar von Athera
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Das Anwesen lag in aufgeregter Betriebsamkeit. Der frühe Nachmittag war kaum verstrichen, und überall waren eilige Schritte und gedämpfte Kommandos zu hören. Die Dienerschaft, seit den frühen Morgenstunden unermüdlich im Einsatz, bereitete die Salons für den bevorstehenden Empfang vor. Silberne Kandelaber wurden poliert, Teppiche sorgfältig ausgeklopft, Geschirr und Besteck mit prüfenden Blicken kontrolliert. Zwischen ihnen bewegten sich auch Atheras Männer, die getarnt als einfache Dienstboten beim Tragen oder Ausrichten halfen.

    In einem kleinen Nebenraum, abseits des Trubels, stand Athera mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und ruhiger Haltung. Chesta trat ein, schloss die Tür hinter sich verharrte schließlich vor ihr. Athera ließ ihren Blick kurz über ihn gleiten, ehe sie mit ruhiger Stimme begann: "Wir treffen zusätzliche Vorkehrungen." Mehr brauchte sie nicht zu sagen, damit Chesta die Art der Vorkehrungen verstanden.

    Athera deutete zum Tisch, auf dem eine einfache Skizze des Erdgeschosses lag. Mit einer präzisen Geste zeigte sie auf bestimmte Punkte – Eingänge, Fluchtwege, die Stellen, an denen Wachen unauffällig postiert werden konnten. "Silas und Gideon werden sich im Empfangsbereich aufhalten – auf Verlangen des Hofmeisters sind sie unbewaffnet. Doch hier und hier sollen sich Nicolas und Daletto in Position begeben. Unauffällige Gewandung, versteckte Kurzschwerter."

    Chesta beugte sich über die Skizze, prägte sich die Markierungen ein ohne Fragen zu stellen. Die Kommandantin hob schließlich leicht den Kopf, während in den Fluren gedämpfte Stimmen widerhallten. "Unter den Gästen befindet sich ein Magier." fuhr sie fort. "Er soll dem Burggrafen wohlgesinnt sein – so sagen sie." Sein Vermerk auf der Gästeliste war der Grund für Atheras Vorsicht. Denn Magier galten im Herzogtum Rivellon gemeinhin als unberechenbar. Ihre Macht war gefürchtet, ihre Loyalität oft schwer einzuschätzen. Athera wusste, dass Vertrauen allein keinen Schutz bot – nur Vorbereitung.

    "Wenn etwas geschieht..." sagte sie abschließend. "Handeln wir. Kein Zögern." Chesta schlug die Faust leise auf die Brust und nickte knapp – ein stummes Zeichen des Gehorsams. Athera erwiderte das Nicken, dann löste sie sich vom Tisch, öffnete die Tür zum Flur und kehrte in das lebendige Treiben des Anwesens zurück. Die Vorbereitungen waren beinahe abgeschlossen, der Empfang würde schon bald beginnen.

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    Waldläufer Avatar von Hierodius Lex
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    Das Hafenviertel

    Die Sonne stand hell über den Dächern des Hafenviertels, warf goldenes Licht auf die Segel der vertäuten Schiffe und ließ die Oberfläche des Wassers in mattem Glanz schimmern. Eine frische Brise zog vom Meer herüber, nicht kalt, aber belebend. Es war einer jener klaren Tage, an denen der Wind die Gerüche des Hafens weniger drückend machte und selbst der Schmutz zwischen den Pflasterfugen im Licht seine Härte verlor.

    Hierodius Lex schritt mit ruhigem, festem Tritt durch die belebten Gassen nahe der Kais. Er war nicht allein unterwegs – überall war Bewegung. Arbeiter verluden Kisten von einem Schiff, dessen Besatzung sich müde über die Reling lehnte. Eine Gruppe Träger stritt halblaut über die Reihenfolge ihrer Arbeit, und weiter hinten, beim Lagerhaus mit den grünen Läden, wurde gerade eine neue Lieferung auf Maultiere verladen. Das Hafenviertel zeigte sich von seiner geschäftigen, aber friedlichen Seite.

    Vor einem der kleineren Stände hatte ein Händler mit einfachen Mitteln ein ganzes Arsenal an getrocknetem Fisch ausgebreitet, der in der Sonne hart wie Pergament glänzte. Er nickte Hierodius knapp zu, während dieser mit prüfendem Blick über die Reihen der Händler ging. Ein Gruß – mehr brauchte es nicht. Die Stadtwache war präsent, und das genügte den meisten.

    Der Ausbau des Hafens war unübersehbar, doch nicht besonders eindrucksvoll. Seit Tagen standen dieselben gestapelten Balken und Fassdauben am südlichen Kai, als hätte jemand die Arbeit einfach vergessen. Ein halbfertiger Anbau aus Balken und Seilen ragte windschief über die Wasserlinie, daneben lagen Bretter, die erste Verfärbungen zeigten. Zweifelsohne hatte man sie aus irgendeinem Lagerhaus organsiert, statt sie frisch von einem Zimmermann liefern zu lassen. Arbeiter waren zwar zu sehen, doch der Fortschritt blieb spärlich. Manche saßen in der Sonne, kauten Brot oder warfen sich halbherzige Anweisungen zu. Alles in allem schien der Ausbau mehr ein Versprechen als ein tatsächliches Vorhaben zu sein.

    Hierodius Lex ließ den Blick über das Viertel schweifen. Der Tag war ruhig, fast angenehm, doch seine Gedanken wurden immer wieder vom Einbruch in die Bastion zurückgeholt. Noch immer gab es keine Erkenntnisse. Keine Zeugenaussagen, keine Spuren. Nichts. Und das, obwohl es sich um einen der bestgeschützten Orte der Stadt handelte. Es war nicht nur ärgerlich – es war beschämend. Sir Marsilius hatte ihn befragt, hatte ihn sogar als vertrauenswürdig bezeichnet, doch selbst das schien ihn nicht näher an die Wahrheit gebracht zu haben.

    Er erinnerte sich an die Frau, die damals um Hilfe gebeten hatte, und an das Haus im Händler- und Handwerkerviertel, das sie gemeinsam gestürmt hatten. Ihr angeblicher Freund, die plötzlich verschwundene Zeugin – alles war zu glatt, zu schnell aus der Welt. Und nun auch noch verschwundene Beweise. Es war, als wäre man ihnen stets einen Schritt voraus.

    Ein Fischerjunge lief an ihm vorbei, barfuß, mit einem Netz über der Schulter und dem Lächeln eines Tages ohne Sorgen. Hierodius Lex beobachtete ihn kurz, ehe er seinen Weg fortsetzte. In einem schmalen Durchgang zwischen zwei Lagerhäusern standen einige Fässer, daneben ein alter Mann, der versuchte, einem Esel die Last neu zu justieren. Lex half nicht – das war nicht seine Aufgabe – aber er sah hin, notierte es im Kopf: kein Anlass zur Sorge.

    Der Hafen zeigte sich heute von seiner lichteren Seite. Doch unter der Oberfläche blieb etwas wachsam. Hierodius Lex wusste: Freundliche Tage konnten trügen. Solange der Einbruch unaufgeklärt war, würde er kein gutes Gefühl bei seiner Rückkehr zur Bastion haben. Und so setzte er seine Patrouille fort – Schritt für Schritt, Auge für Auge – im festen Bewusstsein, dass die Fassade des Hafens dünner war, als sie dieses Mal scheinen mochte.

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