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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Der Morgengrauen lag noch schwer über den Gängen und die ersten schwachen Sonnenstrahlen zeichneten filigrane Schatten an die Wände. Adalbert schritt zusammen mit Eduard durch die Gänge des Anwesens und sorgte dafür, dass Kerzen und Öllampen entzündet wurden.

    Es mochte zwar nicht gerade die Aufgabe sein, die einem Hofmeister würdig war. Aber Adalbert bestand darauf, sich noch immer persönlich um die Kerzen des Anwesens zu kümmern, wenn er schon nicht mehr selbst als Kerzenmacher tätig war. Mit ruhiger, präziser Hand entzündete er jede einzelne Kerze, während Eduard ihm aufmerksam folgte und sich vornehmlich um die Öllampen kümmerte, die vor Allem in den Privatgemächern und der Eingangshalle zum Einsatz kamen. Das leise Knistern der Dochte und das sanfte Flackern der Flammen verliehen den sonst dunklen Gängen eine behagliche Wärme.

    Nachdem sie die letzte Kerze in einem kleinen Nebenzimmer entzündet hatten, trat Adalbert einen Moment zurück, um die nun erhellten Gänge zu mustern. Es war ihm wichtig, dass das Licht gleichmäßig verteilt war und keine der Kerzen übermäßig flackerte. Schließlich zog er eine in Leder gebundene Liste hervor, die er gestern Abend noch akribisch geführt hatte. Darauf standen die Aufgaben des Tages, darunter auch die Prüfung diverser Kisten – Wein, erlesene Gewürze und feine Porzellane, die am Vortag vom Handelskontor angeliefert worden waren.

    "Eduard, nach Eurer Schicht möchte ich Euch sprechen." sagte Adalbert mit gedämpfter Stimme, während er den Blick über die frisch erleuchteten Räume schweifen ließ. "Ihr habt lange genug als Hausdiener gearbeitet und es ist an der Zeit, Eure Leistung zu beurteilen." Eduard nickte still und verabschiedete sich mit einem ernsten aber erwartungsvollen Blick.

    Währenddessen war im Untergeschoss bereits emsiges Treiben zu beobachten. Die Hausdiener Erik und Torgar waren damit beschäftigt, die Tafel für das Frühstück des Burggrafen zu decken. Mit schnellen und mittlerweile geübten Bewegungen stellten sie kunstvoll arrangierte Teller, Gläser und Bestecke auf den massiven Eichentisch. Das Klirren von Geschirr mischte sich mit leisen Stimmen und dem Rascheln von Stoffen, als die beiden darauf achteten, dass jedes Detail stimmte. Adalbert war zufrieden mit den Fortschritten, die die beiden Hausdiener gemacht hatten. Er kontrollierte zwar noch immer eine jede einzelne Aufgabe, wenn sie im direkten Zusammenhang mit dem Burggrafen stand aber in den allermeisten Fällen hatte er nichts mehr zu beanstanden.

    Zurück in den neu erleuchteten Fluren glitt Adalbert gemächlich weiter, während er die Liste in der Hand festhielt. Die Atmosphäre im Anwesen war nun von einem geschäftigen, aber dennoch geordneten Treiben geprägt. Der sanfte Schein der Kerzen und Öllampen verlieh den Gängen eine fast mystische Ruhe, während gleichzeitig in der Küche und in der Eingangshalle der Tagesbetrieb begann.

    Eduard hatte sich bereits wieder in seine Aufgaben vertieft und Adalbert wusste, dass der Tag viele Herausforderungen bereithalten würde. Mit einem letzten prüfenden Blick über die frisch entzündeten Lampen und den allmählich erwachenden Geräuschen der Dienerschaft, machte sich Adalbert auf den Weg, um die Kisten in der Eingangshalle kontrollieren zu lassen – ein Vorgang, der später noch sorgfältig dokumentiert werden sollte.

    Maximus

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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Der Raum war noch von der Stille des frühen Morgens erfüllt, als Maria leise das Schlafgemach des Burggrafen betrat. Der Burggraf stand bereits am Fenster, den Blick über das Reichenviertel gerichtet, welches in das sanfte Licht der Morgensonne getaucht war. In der Luft hing der schwache Duft von frischem Morgennebel, der durch das geöffnete Fenster hereindrang.

    "Guten Morgen, Euer Gnaden." sagte Maria mit einer tiefen Verneigung und trat vorsichtig näher, ihre Schritte leise auf dem feinen Holzboden. Sie ging zu einer der Kommoden, auf welcher sie bereits am Vortag die Kleidung feinsäuberlich bereitgelegt hatte. Die edlen Stoffe glitten durch ihre Finger, als sie die Kleidung in die richtige Reihenfolge legte: Zuerst das Hemd, das leicht und fein gewebt war, dann das Untergewand, das für den Tag als Grundlage diente, und schließlich die schwere Robe, die der Burggraf an diesem kühlen Morgen tragen würde.

    Der Burggraf drehte sich ihr um und trat näher, um sich im Spiegel zu betrachten. Wortlos streckte er seine Arme aus, damit Maria ihm helfen konnte, sich anzukleiden. Sie griff nach der ersten Schicht der Kleidung – einem fein gewebten Hemd – und führte es behutsam über den Kopf des Burggrafen, während sie ihm dabei half, die Ärmel in die richtige Position zu bringen. Zuerst das Hemd, dann das feine Untergewand und schließlich die schwere Robe, die der Burggraf heute tragen würde, um der Kühle des Morgens zu trotzen. Während Maria jede Bewegung mit der nötigen Eleganz und Präzision vollzog, war der Burggraf hingegen bereits in Gedanken versunken.

    Nachdem Maria die Robe ein letztes Mal zurecht gerückt hatte und sicherstellte, dass sie keine unnötigen Falten warf, nickte der Burggraf zufrieden und zog an den Bändern einer Robe, damit der Sitz etwas fertig war. "Danke, Maria." sagte der Burggraf abschließend und machte sich auf den Weg in Richtung seines Arbeitszimmers. Maria schaute ihm noch einen kurzen Moment hinterher, sichtlich überrascht von seiner Danksagung.

    Doch Maria durfte keine Zeit verlieren, wenn sie mit der frühmorgendlichen Arbeit fertig werden wollte. Kaum war der Burggraf aus dem Raum gegangen, ging sie zum Bett und nahm das Leintuch, das noch leicht zerknittert von der letzten Nacht war, und zog es vorsichtig ab. Das Bett wurde schnell und ordentlich neu bezogen, die frische Bettwäsche fühlte sich kühl und sauber an. Maria war mit einer präzisen, fast rituellen Ruhe bei der Sache. Sie faltete das alte Leintuch ordentlich zusammen und legte es beiseite, bevor sie das Kissen zurechtrückte und es aufschüttelte, bis es wieder die gewünschte Form hatte.

    Danach ging sie zu den Fenstern und zog vorsichtig die schweren Vorhänge vollständig zur Seite, damit das Sonnenlicht den Raum füllen konnte. Es war immer wieder ein kleines Schauspiel, wie das Licht des Morgens den Raum ergriff und die Luft von der kühlen Nachtwärme befreite.

    Neben den alltäglichen Aufgaben nahm sich Maria auch einen Moment, um die kleinen Dinge zu erledigen, die nicht sofort ins Auge fielen, aber dennoch ihre Aufmerksamkeit erforderten. Die Fensterbänke wurde abgewischt, Staub aus den entlegensten Ecken gefegt und dafür gesorgt, dass die silbernen Griffe der Kommoden allesamt in den gleichen Winkel gebracht wurden.

    Schließlich betrachtete sie den Raum, der sich Dank ihrer Arbeit in einem tadellosen Zustand befand, ehe sie den Korb mit der gebrauchten Bettwäsche nahm und das Schlafgemach des Burggrafen verließ.

    Maximus

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    Burggraf zu Verdistis  Avatar von Maximus
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    Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen

    Der Morgen war wie so viele zuvor – ruhig, beinahe meditativ. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages fielen in das Arbeitszimmer des Burggrafen, das von den hohen Regalen mit alten, wertvollen Büchern und den kunstvoll arrangierten Objekten geprägt war. Maximus saß an seinem Schreibtisch, durchblätterte Berichte und Notizen, die ihm vorab zugestellt worden waren. Es war eine dieser frühen Stunden, in denen die Stadt noch schlief und nur das Knistern des Kamins und das gelegentliche Rascheln von Pergament in der Stille widerhallte. Der Burggraf bevorzugte es, in dieser Zeit zu arbeiten, bevor die Welt draußen ihn wieder forderte.

    Es dauerte jedoch nicht lange, bis es bereits das erste Mal an seiner Tür klopfte. Der Hofmeister tat ein, verbeugte sich leicht und erhob in einer gemäßigten Lautstärke seine Stimme: "Guten Morgen, Euer Gnaden. Das Frühstück ist bereitet." Maximus legte ein Schriftstück zur Seite und erhob sich. Auch wenn er nicht viel Zeit hatte, sich für den kommenden Tag vorzubereiten, so musste der geschäftliche Teils des Morgens vorerst warten. "Dann lasst uns gehen." erwiderte der Burggraf schließlich.

    Der Hofmeister neigte den Kopf und wartete einen Moment, bis Maximus ihm folgte. Wie gewohnt liefen sie den Gang der Privatgemächer entlang, wurden einige Augenblicke später von Bragan begleitet, ehe sie den Speisesaal erreichten. Dort war die Tafel bereits reicht gedeckt und der Raum war in ein warmes Licht getaucht. Das silberne Besteck warf funkelte Lichter an die Wände und auf den feinen Porzellanen waren reichhaltige Speisen aufgetan.

    Maximus setzte sich und wurde umgehend von einem seiner Diener bedient, der ihm zunächst eine dampfende Tasse erlesenen Schwarztee eingoß. Der Burggraf erkannte den feinen Duft sofort – es war der Tee aus den Hängen des Dunkelwaldes im südlichen Teil des Herzogtums. Während er die Tasse in den Händen hielt, nahm der Hofmeister eine kleine, sorgfältig ausgerollte Liste aus seiner Tasche und begann, den Tagesablauf zu schildern.

    "Für den Vormittag sind zwei Termine vorgesehen." begann Adalbert. "Ein Treffen mit Pregorius Amiel bezüglich der Verhandlungen mit Caldera und eine Unterredung mit Markom, um sich auf den bevorstehenden Empfang des Stadtbeamten Hadvar vorzubereiten. Gegen Mittag hat sich außerdem Alfons von Hofinger angekündigt, der nochmals mit Euch über die Übernahme seines Anwesens verhandeln möchte."

    Maximus hörte aufmerksam zu, als Adalbert die Details erläuterte, während er langsam einen Schluck Tee nahm. Die Dinge nahmen ihren gewohnten Gang. Im Moment mochte es keine größeren Überraschungen geben aber das konnte sich schnell ändern. Die Ankunft der Flotte vom Festland war eine solche Überraschung, ebenso wie ihre beinahe hastig Weiterfahrt.

    "Das klingt gut." erwiderte der Burggraf schließlich. "Schickt Alfons einen Boten und sagt ihm, dass ich seine Ankunft zur Mittagsstunde erwarte." Adalbert nickte und machte sich Notizen auf seiner eigenen Liste. Die täglichen Aufgaben des Burggrafen, auch wenn sie oft wie ein unaufhörlicher Strom schienen, mussten präzise geplant, abgearbeitet und anschließend nachgehalten werden.

    "Ich werde mich darum kümmern, Euer Gnaden." sagte der Hofmeister schließlich, als der Burggraf seine Teetasse abstellte und sich etwas vom feinen Weißbrot nahm. Die Zeit für das morgendliche Frühstück war immer recht knapp bemessen, insbesondere wenn bereits am Vormittag wichtige Gespräche anstanden.

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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Das Händler- und Handwerkerviertel, Stallungen des Burggrafen

    Es war noch früh am Morgen und der Himmel färbte sich langsam in ein zartes Rosa. Die Straßen von Thorniara waren noch ruhig, die ersten Läden öffneten gerade ihre Türen, während Antonio das Anwesen des Burggrafen im Reichenviertel verließ. Der kalte Hauch des Morgens biss leicht in seine Haut, doch er hatte sich daran gewöhnt. Der Weg zu den Stallungen war nicht weit, nur wenige Minuten den verwinkelten, steinernen Straßen entlang, vorbei an den geschäftigen Häusern und Werkstätten des Händler- und Handwerkerviertels. Die Straßen waren noch leer, nur vereinzelt hörte man das Klappern von Hufen oder das Murmeln der frühen Marktbesucher. Antonio zog seinen Kragen höher, um sich gegen die Kühle zu schützen und machte sich schnell auf den Weg. Der Gedanke an die Stallungen lässt ihn aufrechter gehen, ein bisschen mehr Stolz in seiner Haltung.

    Angekommen vor dem Gebäude, spürte er den vertrauten Geruch von Heu und Holz, der die Luft durchdrang. Die Stallungen, die mitten in der Stadt standen, waren nicht das weite, ländliche Terrain, das er sich oft für Pferde gewünscht hatte. Es war ein massiver Steinbau mit niedrigen Fenstern und einer großen, schweren Tür, die sich in der Morgenruhe nur langsam öffnete. Antonio betrat den Raum, der durch das schwache Licht der Morgendämmerung nur spärlich erleuchtet wurde. Es war kühl und düster hier, die Luft schwer von der Mischung aus Staub und dem charakteristischen Duft von Pferden.

    Hinter sich schloss er die schwere Tür und ging zielstrebig auf die erste Box zu. Camill, die Stute, stand bereits am Fenster ihrer Box und blickte ihm entgegen, die Ohren aufgerichtet. Antonio grinste schwach, als er die Stute anblickte. Es war nicht immer so gewesen, anfangs hatte er Schwierigkeiten gehabt, sich mit den Tieren zurechtzufinden. Camill war eine sanfte Seele, doch ihr ruhiger Blick täuschte nicht über ihre Kraft hinweg. Die ersten Wochen waren geprägt von Unsicherheit, vom Zögern, vom schüchternen Herantasten. Doch dank der geduldigen Anleitung von Leptin, der ihn mehrmals in die Stallungen begleitet hatte, fühlte Antonio sich mittlerweile sicherer.

    "Guten Morgen, Camill." murmelte Antonio und streckte die Hand aus, um das Pferd vorsichtig an der Stirn zu streicheln. Er konnte ihre ruhige Präsenz schätzen, und mit jedem Tag fühlte er sich mehr in der Lage, das Vertrauen der Tiere zu gewinnen. Mit einem sanften Klopfen öffnete er die Box und trat näher, um die Stute zu versorgen. Er streichelte ihren Hals und bemerkte die feine Muskulatur, die durch ihre Bewegungen beim Stehen und Fressen zur Geltung kam.

    Zuerst füllte er die Futtertröge mit Heu, dann stellte er den Eimer mit frischem Wasser hin, darauf bedacht, dass sie genug zu trinken hatte. Der Stall war eng und das Geräusch von Hufen auf dem harten Boden hallte durch den Raum. Antonio überprüfte noch einmal die Einstreu in der Box, strich das Heu glatt und gab der Stute ein paar freundliche Worte, bevor er zu den anderen Pferden ging.

    Rugor, der Wallach, stand mit wachsamem Blick in seiner Box und wartete geduldig. Antonio wusste, dass Rugor ein temperamentvoller, aber gutmütiger Wallach war, der sich noch immer an den neuen Stall und die neuen Umstände gewöhnen musste. Als Antonio die Tür zu seiner Box öffnete, machte er vorsichtig die ersten Schritte in Richtung des Pferdes. Mit Leptins Rat im Kopf, atmete er tief durch und sprach leise mit dem Wallach. Zunächst reagierte Rugor mit einer zarten Bewegung der Ohren, doch Antonio spürte, dass der Wallach ihm immer mehr vertraute. Zögernd streckte er die Hand aus, um das Pferd zu beruhigen, und sah mit einem leichten Lächeln, wie Rugor schließlich den Kopf senkte und sich für den nächsten Schritt öffnete.

    Er wiederholte den gleichen Ablauf wie bei Camill: frisches Heu, frisches Wasser und eine kurze Kontrolle des Gesundheitszustands. Antonio fühlte sich mittlerweile nicht mehr ganz so unsicher, auch wenn das Tier ihm noch immer eine gewisse Achtung abverlangte. Antonio wusste, dass er noch viel von diesem Pferd lernen musste.

    Zum Schluss ging er zu Viggo, der noch jung und unerfahren war. Der temperamentvolle Hengst hatte mehr Energie als die beiden anderen zusammen und stellte Antonio regelmäßig auf die Probe. Leptin hatte ihm geraten, besonders geduldig mit ihm zu sein und niemals zu schnell vorzugehen. Antonio hatte anfangs ein bisschen Angst, als er die Box öffnete und der Hengst ihn mit einem schnellen Blick musterte. Doch diesmal hatte er mehr Vertrauen und als Viggo mit einem Schnauben auf ihn zuging, streckte Antonio die Hand aus und sprach ruhig zu ihm. Der Hengst schnupperte an seiner Hand und schien sich für den Moment zu beruhigen. Mit einem tiefen Atemzug erledigte Antonio auch hier die gleichen Schritte: Heu, Wasser und eine kurze Kontrolle der Hufe.

    Nachdem er die Boxen wieder geschlossen und alles überprüft hatte, nahm Antonio noch einen Moment, um sich die Pferde anzusehen. Sie hatten sich gut eingelebt und er fühlte sich ein Stück weit stolz, dass er einen wichtigen Teil ihres Wohlergehens übernommen hatte. Es war zwar noch immer nicht vollkommen perfekt aber Antonio hatte das Gefühl, dass er jeden Tag ein kleines Stück mehr verstand. Und mit Leptins Hilfe würde er weiter wachsen – genau wie die Tiere, die jetzt unter seiner Obhut standen.

    Langsam trat er aus der Stallung und schloss die schwere Tür hinter sich. Der frische Morgen war nun in der Stadt angekommen und Antonio fühlte sich gut. Er wusste, dass er heute noch viel zu tun hatte aber in diesem Moment war es der Stolz auf seine Arbeit und die zunehmende Sicherheit im Umgang mit den Pferden, die ihn durch den Tag begleiteten.

    Maximus

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    Abenteurer Avatar von Heric
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    Der Zirkel um Xardas im Forenrollenspiel
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    Hafenviertel - Kanalisation - kurz vor der Abreise

    „Götter, ist das ein Gestank!“, keuchte Qarrah und hielt sich den Stoff ihres Ärmels vor Mund und Nase. In den Augen, vom Fackelschein beleuchtet, glitzerten Tränen und selbst im warmen Licht wirkte sie beunruhigend blass. Der Hüne und die Torgaanerin marschierten drein, als würden um ihre Knöchel nicht allerlei Flüssigkeiten spülen, die vor gar nicht allzu langer Zeit das Verdauungssystem von Menschen und Stadttieren verlassen hatten. Heric hielt sich einigermaßen wacker, musste aber mehr als einmal Galle und ihren bitteren Geschmack schlucken.
    „Ist doch nicht so schlimm“, brachte er hervor und wandte sich im Gehen halb zu Qarrah um, versuchte mit den Lippen etwas zu formen, das aufmunternd wirken sollte. Es verfehlte seine Wirkung um ein Vielfaches. Das Gesicht der Varanterin wurde noch ein Stück verhärmter und verschlossener. „Gibt’s sowas in Varant nicht?“
    „Dumme Frage“, schnaubte Ragnar, „Das ist eine Wüste, Junge. Warst du schon mal in einer Wüste?“
    „Äh …“
    „Siehst du. Da vergräbt man seine Hinterlassenschaften im Sand weitab der Stadt.“
    Qarrah spuckte aus. „Macht uns das in deinen Augen zu Wilden?“, stieß sie hervor.
    „Mitnichten“ – der Nordmann zuckte mit den Schultern – „Euer Land gibt eine Kanalisation nicht her. Zu viel Sand, zu wenig fester Boden. Und der ist stellenweise zu hart, um darin breite Kanäle zu graben.“
    „Du bist Architekt?“, fragte Fujeeda abfällig.
    „Nö. Du?“
    Darauf antwortete die Torgaanerin freilich nicht. Sie scheuchte die Gruppe nur weiter.

    Alsbald kam ein anderer Geruch, der den nach Exkrementen überlagerte. Salz, der Gestank des Meeres. Als wäre dies das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels, verschnellerten sich die Schritte der Gefährten. So unachtsam wurden sie dabei, dass Heric – der irgendwann von Qarrah überholt und zum Schlusslicht geworden war – fast etwas in seinem Rücken überhörte.
    Eisen, das über Leder schabte. So klang es, wenn eine Klinge gezogen wurde. Hinter ihnen war jemand, der sich bewaffnete. Gerade wollte Heric dem Nordmann eine Warnung zukommen lassen, als dieser sich in der Bewegung umwandte, an dem jungen Mann vorbeischnellte und wie ein übergroßer Schatten über den fiel, der sich da anschlich.
    Die drei Männer, die Heric sah, als er sich umwandte, waren völlig überrumpelt von dem Überraschungsangriff. Mit solcher Wucht stürzte sich Ragnar auf den vordersten Mann, der einen Moment nicht wusste, wohin mit der Klinge. Die eisenharte Faust schlug auf die Schwerthand, dass der Kerl schrie, als zwischen Griff und faustkampferfahrenen Knöcheln bedenklich wenig Platz für Finger blieb. Unter dem nächsten Hieb tauchte der Hüne hinweg, riss den nun schwertlosen Verbrecher mit sich, stieß ihn zur Seite gegen die Hüfte des dritten Mannes, der versuchte, sich zwischen die Gefährten zu stellen, damit sie ihren Gegner überwältigen konnten. Ragnar rollte sich ab, griff sich in der Bewegung das Kurzschwert, welches auf dem Boden lag, kam wieder hoch und grinste mit dem breiten Lächeln eines nordmarischen Berserkers von dem einen zum anderen. Demjenigen, den er gegen den anderen Mann gestoßen hatte, verpasste er mit der freien linken einen so heftigen Schlag in die Fresse, dass Heric der Meinung war, etwas Weißes durch die Luft fliegen zu sehen. Ihm wurde übel. Der Kerl blieb liegen, benommen, und schmeckte einen ordentlichen Mundvoll Kanalwasser mitsamt Beilagen.
    Qarrah sprang vor Heric, holte mit einer Hand aus und warf dem, der ihnen den Rücken zugewandt hatte, ein Messer in den Nacken. Er schrie auf, versuchte danach zu greifen, bewegte sich dabei wie ein Idiot, drehte sich um die eigene Achse und sah so nicht, wie das Kurzschwert ihm etwas Freiraum in der Magengegend schuf.
    Der standfesteste der Verbrecher erstarrte, sah Ragnar mit weit aufgerissenen Augen an.
    „B-b-bei … Innos … scheiß‘ auf Fylip …“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, wollte sich umwenden … aber machte keinen einzigen Schritt.
    „Na, lähmt dich die Angst?“, Ragnars Stimme troff vor Verachtung.
    „I-ich …“
    Heric ließ den Blick über seine Gefährten streifen. Qarrah, die zu dem liegenden Mann ging, dem der Nordmann den Kiefer gebrochen hatte. Sie sah zu dem jungen Schwarzwässer Jung, schüttelte den Kopf. Er blickte zu Fujeeda und stutzte.
    Ihre rechte Hand, eng an am Gürtel liegend, gestikulierte, formte fast etwas wie eine Klaue, die in Richtung des Verbrechers deutete.
    „K-ka-nn mich … nich-t …“
    Ein Schwertstreich sorgte dafür, dass die Gefährten nie erfahren würden, was der Mann nicht konnte. Verächtlich warf Ragnar das Schwert beiseite, spuckte aus und marschierte vom Ort des Tötens und Mordens davon, als habe er gerade nur einen kurzen Abstecher zum Abort unternommen. Fujeeda glättete ihre Kleidung und folgte ihm mit der Fackel. Qarrah, die sich die Hand vor den Mund hielt, bemüht darum, sich nicht zu erbrechen, schloss sich ihnen an.
    Nur Heric blieb einen Augenblick zurück, sah im schwindenden Fackellicht auf die Umrisse der Toten. Dachte an die Geschichte der Torgaanerin und spürte, wie ihm trotz der stickigen, stinkenden Luft ein eiskalter Schauer über den Rücken rann.

  6. Beiträge anzeigen #146 Zitieren
    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Die Bürger ist offline
    Es war ein gewöhnlicher Vormittag im Anwesen des Burggrafen, doch heute lag eine ungewohnte Unruhe in der Luft. Die Ankündigung, dass der Burggraf das Handelskontor persönlich aufsuchen wollte, statt auf die Ankunft von Pregorius Amiel zu warten, hatte den geregelten Ablauf empfindlich gestört. Ohne Vorwarnung war eine neue Dringlichkeit über das Anwesen hereingebrochen, und das Personal war bemüht, sich so schnell wie möglich den veränderten Umständen anzupassen.

    Allen voran war der Hofmeister gefordert, der maßgeblich für die Organisation und Koordination im Anwesen verantwortlich war. Die plötzliche Abwesenheit des Burggrafen würde Lücken in der sorgfältig geplanten Tagesstruktur hinterlassen, die es umgehend zu schließen galt. Mit entschlossenem Blick gab er seine Anweisungen: Eduard und Maria sollten den Burggrafen begleiten und sich um seine persönlichen Bedürfnisse kümmern. Ohne Zeit zu verlieren begannen beide mit den Vorbereitungen für den unerwarteten Aufbruch.

    Doch auch im Anwesen musste der Betrieb reibungslos weiterlaufen. Adalbert übertrug dem Hausdiener Erik die Verantwortung für die alltäglichen Aufgaben von Eduard, während er selbst sich um Marias Pflichten in den Privatgemächern kümmerte. Jeder wusste, was zu tun war, dennoch war die Anspannung spürbar. Der plötzliche Wandel hatte eine gewisse Nervosität in die sonst so routinierte Dienerschaft gebracht.

    In der Eingangshalle, dem Knotenpunkt des Anwesens, war die Geschäftigkeit besonders deutlich. Maria und Eduard standen bereit, hielten sich jedoch in ihrem Tun zurück, um jederzeit einsatzfähig zu sein. Adalbert eilte durch das Anwesen, gab letzte Anweisungen, korrigierte Kleinigkeiten, bevor er sich ebenfalls auf den Weg machte. Währenddessen hallten Schritte auf dem kühlen Marmor, als zwei Wachen die Halle betraten. Sie nahmen ihre Position an den Seiten ein, ihre Haltung aufmerksam, aber unaufdringlich. Auch für sie war der spontane Ausflug des Burggrafen eine Abweichung von der gewohnten Routine.

    Ein Moment verstrich in gespannter Erwartung, ehe das dumpfe Geräusch schwerer Stiefel die Treppe hinunterhallte. Der Burggraf erschien in Begleitung seines Leibwächters. Ohne Eile, aber mit der Autorität, die ihm innewohnte, betrat er die Halle. Bragan schritt zur Eingangstür, öffnete sie einen Spalt und ließ seinen Blick über den Vorplatz gleiten. Er prüfte die Umgebung mit der gewohnten Sorgfalt, bevor er ein knappes Zeichen gab und die Türen weit öffnete.

    Die beiden Wachen, die in der Halle gewartet hatten, traten nun vor und schritten als erste durch die Tür. Der Burggraf folgte ihnen mit Eduard und Maria an seiner Seite. Als die große Eingangstür schwer hinter ihnen ins Schloss fiel, legte sich eine tiefere Ruhe über das Anwesen. Adalbert ließ den Blick einen Moment durch die Halle schweifen, atmete aus und hoffte, dass dies für heute die letzte Überraschung gewesen war.

    Maximus
    Geändert von Maximus (26.02.2025 um 09:20 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Heric
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    Hafenviertel - kurz vor der Abreise nach Gorthar, Abends

    „Endlich“, keuchte Qarrah, stürzte an Fujeeda vorbei und stieß die von Salz und Rost zerfressene Gittertür auf, die dafür sorgen sollte, dass niemand Unbefugtes die Kanalisation von außen betreten konnte. Zum Glück hatte irgendein Mensch mit nicht allzu hehren Idealen einmal das Schloss aufgebrochen und sich niemand danach darum geschert, es zu reparieren ..
    Der Kanaltunnel endete auf einem Fundament, welches erhöht über der Wasserlinie stand. Natürlich hatte man die Kanalisation so entworfen, dass bei Flut nicht der komplette Kanal volllief. Heric vermutete, dass beim höchsten Wasserstand das Meer ungefähr einen Meter unter der Kante stehen würde. Gerade schien es wieder zu steigen.
    Alarmiert sah er zu Ragnar. Der fing den Blick auf und schnaubte abfällig.
    „Uns passiert hier schon nichts“, meinte er und nickte in Richtung des Wassers. Der junge Dieb schüttelte seufzend den Kopf.
    „Nicht das Wasser, Großer“, erklärte er, „Flut. Wir müssen uns beeilen, denn das Schiff wollte mit der Flut auslaufen.“
    Derbe fluchte der Nordmann und sah sich nach einer Möglichkeit um, nach oben zu gelangen. Heric sah sich ebenfalls um, versuchte ihren Standort zu erfassen. Rechterhand erhob sich die steile, felsige Küste Nordargaans. Der Leuchtturm stand wie ein einsamer, stoischer Wächter da und ließ sein Feuer gegen die Dunkelheit anbrennen. Sie waren also zum Glück so weit wie möglich von der Hafenkommandantur und den Wachen entfernt, weit weg von der Marine, die sich darauf vorbereitete, gen Khorinis zu segeln. Näher dran waren die Anleger für zivile Schiffe.
    „Die Schiffe des Ordens sind weg“, über steinerne Aufstiegshilfen kletterte Qarrah vom Kai herab. „Alles hinten bei der Kommandantur wirkt fast ausgestorben.“
    „Und unser Schiff?“
    „Die Luzkan liegt noch vor Anker. Aber die scheinen sich bereit zur Abreise zu machen.“
    „Oh, bei Beliar!“, fluchte Heric und kletterte hektisch zum Kai hoch. Ragnar folgte, ebenso wie Fujeeda und Qarrah. Oben blieb die Torgaanerin stehen, räusperte sich.
    „Ich würde dann …“, aber Ragnar ließ sie nicht ausreden.
    „Spar’s dir. Du kommst mit.“
    Ihr Blick hätte das Meer einfrieren können, prallte aber an dem Pelz des Nordmannes ab.
    „Der Kleine hat’s doch schon gesagt: Die wissen, dass du uns geholfen hast. Du wirst hier auf mindestens einer Todesliste stehen, wette ich.“ Er hob die Schultern. „Klar, du kannst hierbleiben … und sterben. Oder du kommst mit uns. Gorthar. Erst etwas blutige Rache, dann ein Neubeginn. Wie die Bankiers von Geldern sagen würde: Ein Blankoscheck.“
    Lange Augenblicke schien Fujeeda zu überlegen, sah sie alle einzeln an. Herics Blick wirkte gehetzt, Qarrahs unlesbar und Ragnars geradezu herausfordernd.
    „Ihr schuldet mir was, verflucht. Ihr schuldet mir eine ganze Menge!“
    „Dann los jetzt, verdammt! Sonst sitzen wir hier bis zur nächsten Passage nach Gorthar fest. Und so lange warte ich nicht, dann rudern wir rüber, kapiert?“
    Ragnar lachte, wirkte dabei fast befreit. „Klar, Boss. Dann rudern wir.“
    Während sie also schnellen Schrittes, fast laufend, vorwärtskamen, musste auch Heric sich ein Lächeln verkneifen, versagte aber.
    Es ging voran, endlich.
    Geändert von Kiyan (27.02.2025 um 05:18 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Trevor
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    Friedhof von Thorniara

    Die Welt war unzufrieden an diesem grauen Tage. Graue Wolken wanderten über das Himmelszelt und schienen jeder falschen Bewegung unter ihnen grollend zu drohen. Lediglich der Westwind, der vom Meer herkam und die Wellen gegen die Steilhänge brechen ließ, traute sich, die Wolken weiterzutreiben. Gleich einem besorgten Eheweib, dass ihren trunkenen, streitlustigen Mann davor bewahren wollte, einen großen Fehler zu begehen. Es war bereits spät und dass wenige Licht des Tages tat sich nur schwer daran, einen Hauch von Lebensfreude mit seinem durch und durch grauen Himmelszelt zu vermitteln. Für eine Stadt, fest im Glauben an den Herren von Sonne und Feuer, Innos, gebunden, schien hier in der letzten Zeit wirklich selten das Licht des Herren hinab. Manche sahen darin ein Omen. Ein Anzeichen dafür, dass der Herr ihnen und dem Vorhaben, Khorinis wieder aus den Schatten seiner einstigen Pracht zu ziehen, nicht zufrieden war. Wieder andere sahen darin, was es vermutlich war: ein Nebeneffekt der Jahreszeit. Und dann, so gab es einige Pragmatiker in der Bevölkerung, die diese Laune der Natur einfach unter ‚Scheißwetter‘ abstempelten.

    Aber da war mindestens noch einer, der beim Blick nach oben die Bestätigung der Schwere seiner Gedanken fand. Als hatte Adanos sie ihm genommen, nur um sie ihm dann in riesigem Ausmaß ans Himmelszelt zu malen. Jede Wolke ein vorbeiziehender Gedanke auf einer Leinwand des erlebten. Und wo der Herr in solch kryptischer Art der Kunst gefrönt hatte, waren es selbst die Stiefel des Mannes, die jene innere Zerknirschtheit, die ihn heimsuchte, fast schon akustisch darzustellen vermochte. Die Hände tief in den Taschen des geflickten Mantels senkte jener einsame Wanderer seinen Blick hinab auf jene mit Kies ausgeschütteten Wege, die einen durch den Friedhof leiteten. Mit jedem Schritt erklang das sonst so beruhigende Knirschen in seinen Ohren, während seine stahlgrauen Augen immer wieder leicht zur Seite wanderten. Über all die Grabsteine und Gedenkstätten an jene, die nicht mehr unter den Lebenden weilten. Gefallene Soldaten, verstorbene Großeltern und Ehepartner. Geliebte Hausfrauen und aufopferungsvolle Helden des Königreiches. Söhne, Töchter. Menschen aller Art und aller sozialer Bindungen, denen man hier gedachte. Namen, so vielseitig und breit gefächert wie der Horizont selbst. Und doch fand er diesen einen nicht, nach dem er suchte. Ein Name, der ihn beschäftigte, seit er ihn auf jenem Porträt gelesen hatte: Cynthia.

    Obwohl es nur ein Porträt war, ein kurzer Anblick … die eisblauen Augen hatten sich in seine Gedanken gebohrt. Starrten ihn immer wieder an, wenn er die Augen schloss. Vielleicht war es die Übermüdung dieser einen Nacht, vielleicht die Anspannung oder die merkwürdigen Aromen, die im Lager des vernarbten Alchemisten in seine Nase gedrungen waren. Aber dem wandernden, jungen Mann ging dieses Gesicht einfach nicht aus dem Kopf. Ihre schwarzen Haare, die das blasse Antlitz nur noch geisterhafter hatten erscheinen lassen. Der Maler, der dies Bild geschaffen hatte, hatte sich perfekt darauf verstanden, ein so fragiles Gebilde junger Weiblichkeit festzuhalten. Zerbrechlichkeit … und Traurigkeit. Natürlich war es recht dunkel gewesen in der Wohnstube des Alchemisten und der schwache Kerzenschein hatte ihm alle möglichen Streiche spielen können. Aber in seinem Geist und seinen Gedanken hatte sich dieses feste Bild eingenistet, welches ihn nun nicht mehr losließ.

    Wer war Cynthia gewesen? Trevor dachte zurück an das heutige Abendessen. Nach dem Bruch bei Mays waren er und Jazmina schnellstmöglich zurück in die salzige Muschel gekehrt, hatten ihre Beute vorläufig mit den Diebeswerkzeugen verstaut und sich erst einmal ausgeruht. Die nächste Zeit hatten sie dann damit verbracht, ihre Errungenschaften auszusortieren, teils zu Geld zu machen, teils für sich selbst zu verwenden. Darunter auch die höher konzentrierten Dosen der ‚Mandrasola‘. Jenem Wunderheilmittel, welches für Throné bestimmt war – und ihr offensichtlich völlig neue Kräfte gab. Nun, zumindest der Weg der Genesung schien nun wieder mit größeren Schritten zu verlaufen. Sie fühlte sich an den Tagen vital und munter, konnte beim Gehen schon fast auf ihren Stock verzichten. Doch dann kamen die Abende. Erst schleichend brachten sie die Schmerzen und Beschwerden zurück. Nahmen ihr die Ruhe im Schlaf und zwangen sie dazu, sich in ihrem Bett hin- und her zu wälzen. Am Morgen wirkte sie blasser als zuvor, doch mit dem Frühstück und ihrer Medizin … schien es wieder besser zu werden. Vielleicht lag es an der Menge und dem Zeitpunkt der Einnahme? Wäre es besser gewesen, die Medizin vor dem Schlafen zu nehmen, wenn sie höher dosiert war? Damit sie besser schlief? Alchemie war so ein Mysterium … War es überhaupt sinnvoll und das richtige, so mit dem Mandrasola herumzuexperimentieren? Und wie hätte Mays auf den Bruch und das Verschwinden seines Schuldenbuchs reagiert? Der Dieb hatte beschlossen, den Kopf fürs erste unten zu halten und sich in diesen Tagen wieder mehr dem Tagelohn zuzuwenden. Mit dem aufgeregten Treiben der Königlichen gab es ja schließlich immer mal wieder irgendwo anzupacken. Auch, wenn jene Arbeiten Trevor mittlerweile mehr als müßig statt lohnend erschienen.

    Da war diese innere Unruhe in ihm aufgekommen, ähnlich wie seine Schwester sie an den Tagen versprühte. Jenen Wunsch, es noch einmal zu versuchen. Zuzugreifen, wenn sich eine Gelegenheit bot und den Fuß erneut über jene Schwelle zu setzen, die er eigentlich schon überschritten hatte. Oder … bei dieser Betrachtung weiterzugehen. Denn, wie er es auch drehte, der Schritt zurück fühlte sich mehr an, als trat er auf der Stelle. Von außen betrachtet hatte er mit so wenig Arbeit so viel erreicht, während die ‚ehrliche‘ Arbeit unter Vorarbeitern, Lagermeistern und anderen Hafenarbeitern schlicht undankbar und, in vielen Fällen, beleidigend war. Stets war man der Faulpelz. Der Landstreicher und ein Mensch zweiter Klasse. Aber in jener Nacht, als er auf sich allein gestellt war. Als niemand ihm vorschrieb, wo er zuzugreifen hatte und wo nicht, sich nehmen konnte wonach ihm der Sinn stand … Dieses Gefühl von Freiheit fehlte ihm, wie Throné am Morgen ihre Medizin.

    Und wie auch Throné lag er am Abend unruhig und in Gedanken auf seinem Diwan. Betrachtete, wie sie sich mit ihren Träumen quälte, nur um dann, von Schuldgefühlen geplagt umzudrehen und die Lehne seiner Schlafstatt anzustarren. Hatte er wirklich richtig gehandelt? War das der Weg, den er gehen musste, um das Richtige zu tun? War es rechtens, anderen, die zwar mehr, aber auch immer noch wenig hatten, Dinge zu nehmen, um auf eine Besserung zu hoffen, die mit jedem Tag flüchtigem Sandes gleich durch die Finger rann? War das Gerechtigkeit für all die Drecksarbeiten, die Mays ihm auferlegt hatte? Gab es keinen anderen Weg, seiner Schwester zu helfen? Das Geld zu sparen für eine Überfahrt zurück nach Archolos? Und wenn ja, wie? Würde sie ohne ihn dort jemals ankommen? Würde sie das in ihrem Zustand überhaupt überstehen? Und würde sie ihn einfach hier zurücklassen wollen? Ihrer Aussage nach nicht. Und, so ungerne er es für sich zugeben wollte: er dankte ihr dafür. Selbst wenn er mit den Augen rollte. Selbst, wenn ihre Worte ihm nur ein unverständliches Kopfschütteln als Reaktion hervorriefen. Sie war alles an Familie, dass ihm noch geblieben war. Und dennoch …

    Wieder mit den Gedanken beim Abendessen, hatte er eher beiläufig den Namen des blauäugigen Geistes fallen lassen, der ihn seit jener Nacht zu verfolgen schien. „Mh, ne, keine Ahnung“, hatte Jaz eher desinteressiert verlauten lassen, während sie auf einem Stück Speck kauend ein paar Briefe heimlicher Verehrer gelesen hatte. Ja, manche Männer, die die salzige Muschel besucht hatten, hatten an den dort arbeitenden Damen einen Narren gefressen und sich als große Poeten entpuppt. Klassiker wie ‚oh schöne Farnese (gesp. Farnies), ich vermisse deine Brüsties‘ waren da noch die harmlosen Vertreter, unterstädtischer hoher Minne. Und auch die anderen, mit denen Throné und er seit ihrem Einzug immer wieder beim Essen saßen, schienen eher ratlos zu sein. Alle, bis auf eine: Farnese, die mit einem Mal den Blick gesenkt und auf die Tischplatte gestarrt hatte. „Sie war … Mays Tochter“, entwich es ihr schließlich eher leise und mit einem unverkennbaren Hauch von Bedauern in der Stimme. ‚War‘ also.

    Trevor, der gelernt hatte, den Raum zu lesen, hatte beschlossen nicht weiter zu fragen und auf eigene Faust Informationen zu sammeln. Bis das nächste Schiff bereit war, für die ‚große Expedition‘, wie manch ein Herold sie verkaufen wollte, auszulaufen, dauerte es noch ein paar Tage. Also hatte er Zeit. Und diese nutzte er nun.

    Während er also so über den Friedhof schritt, vergeblich suchend, kam er irgendwann in ein kleineres, unscheinbareres Eckchen der Ruhestatt. Es bedurfte keiner großer Ausschilderungen oder Markierungen: der Zustand der Gräber und der ‚Dekoration‘, wenn man von den von Rost befallenen Gusseisenzäunen, die diesen Bereich umgaben und den eher ramponierten bis bewachsenen Heiligen-Statuen sprechen konnte, waren in einem ähnlichen Zustand wie die von des Armenviertels. Hier wurden jene verscharrt, die sich keine Denkmäler oder teuren, gravierten Steine leisten konnten. Die vielen Gesichtslosen die tagein, tagaus in den Gassen verschwanden, nur um später tot im Hafenbecken oder einer Pissrinne aufgefunden zu werden. Jene, die das Leben schneller vergaß, als sich an sie zu erinnern.

    Natürlich, ein gewisser ‚Standard‘ war hier gegeben. Aber nicht jeder konnte es sich leisten, dass die Gräber von Bediensteten gepflegt wurden. Und bei dem täglichen Ringen, welches manch einer in der Stadt durchlebte, blieb vielen auch nicht die Zeit, sich um die Verstorbenen zu kümmern. Nicht, wenn man nicht selbst bald bei ihnen liegen wollte. Wer sich wohl noch an die Verstorbenen an diesem Fleckchen erinnern würde? Zuhause, auf Archolos, gab es Dokumente mit detaillierten Geburts- und Sterbedaten der Inselbewohner. Natürlich, auch hier und da glitten jene durch das Register, die keine Bürger waren. Ob man das hier, so weit im Süd-Westen auch so tat? Vermutlich. Schließlich wurde auf Argaan ja auch schon seit Jahren ein Teil unter die myrtanische Flagge gesetzt. Aber wie hielten es wohl die Menschen, die zuvor hier lebten? Bevor der König gedachte, alle Länder zu einen? Trevor kannte seine eigene Heimat nicht anders als unter myrtanischer Herrschaft. Auch wenn Archolos, vor allem nun, nach dem Orkkrieg, in gewisser Weise autark verwaltet und, zumindest wenn er damals richtig aufgepasst hatte, seine Kultur größtenteils behalten durfte. Selbst der Glaube an Innos war auf dieser Insel nie richtig gegen die Treue seiner Bewohner gegenüber Adanos angekommen. Natürlich kannte und ehrte man den Gott des Feuers dort. Aber anders als auf dem Festland.

    „Na, was bist’n du für einer?“

    Trevor blickte erschrocken auf und wirbelte herum. Dort, an einem der Grabsteine lehnte ein älterer Herr, sein ungepflegtes Äußeres ließ nur schwer auf sein Alter schließen, und zog genüsslich an einem Stängel Sumpfkraut. Seinen freien Arm hatte er auf das Stielende seiner Schaufel gelehnt und der Dieb brauchte nicht lange, um zu verstehen, wer da vor ihm stand. Friedhofserde an den Schuhen, teilweise gesprenkelt bis hoch unter die Knie. Die Finger in ebenso dunklem Ton verdreckt und die Körperhaltung gleich eines Mannes, der inmitten seiner harten Arbeit einen Moment der Ruhe auskostete. Dazu spielte die eher schlecht gebändigte, auch teils schmutzige, graue Mähne und der trübe Blick der Langeweile. Es war offensichtlich der hiesige Totengräber und Aufseher des Friedhofes. Sozusagen der Verwalter und ‚Gärtner‘ einer solchen Anlage.

    Der Mann von Archolos beschloss, ruhig zu bleiben. Auch wenn er Schrecken dieser Art auf den Tod nicht ausstehen konnte. „Adanos zum Gruße! Ist schon Sperrstunde für heute? Tut mir leid, ich …“
    „Entspann dich, Jungchen. So viel Schreck passt nich an ‚nen Ort wie diesen. Stört die Ruhe und so weiter. Also, besuchste oder suchste wen? Kommt nich‘ so oft vor, dass sich mal jemand ins ‚stille Eckchen‘ verirrt.“
    Der Friedhofswärter schenkte Trevor ein etwas wehmütiges Lächeln und blies eine Rauchschwade aus seinen Nasenlöchern. Den ganzen Tag mit Toten zu arbeiten … Der Tagelöhner konnte verstehen, dass man sich dafür irgendwann mit Sumpfkraut oder Alkohol die Nerven betäuben musste. Er wollte sich gar nicht ausmalen, mit wie viel Trauer und Missmut man bei so einer Arbeit tagtäglich konfrontiert wurde. Nur, um dann am Ende irgendwann bei ihnen zu liegen und zwei Generationen später vergessen zu werden. So entspannt und gelassen dieser Mann auch wirkte, Trevor empfand Mitleid für ihn.
    „Das … ist sehr schade“, entgegnete er schließlich und ließ den Blick wandern. „Dabei ist es hier noch stiller als auf dem Rest des Friedhofs. Irgendwie … beruhigend, wenn man mit seinen Gedanken allein sein will.“
    „Beruhigend, hm? Bist mir ja einer, Bursche. Also, wen suchste? Sollte so einer wie du nich‘ eher bei den Handwerkern oder in der Kaserne betteln, um Großes zu leisten? Is‘ eher ungewöhnlich, dass hier mal einer suchen kommt.“


    Der Dieb hob leicht die Mundwinkel. Der arme Kerl hatte wohl nicht oft Gesellschaft für eine Unterhaltung. Ja, die Männer in seinem Alter suchten eigentlich das Glück in der Welt und versuchten, ihren Fußabdruck zu hinterlassen. Und er war eigentlich nicht anders gewesen, damals vor drei Jahren. Mit dem Unterschied, dass sein Fußabdruck mittlerweile verteilt und auf dem Meeresboden lag. Vielleicht war er am Ende ja selbst ein Geist und das alles nur ein Traum. Aber nein. Träume taten beim Kneifen nicht so weh. „Hab‘ heute ‚nen freien Tag“, gab er schließlich nur knapp zurück und wandte den Blick wieder zu dem Friedhofswächter. „Und konnte den letzten Gedanktag für die Toten nicht wahrnehmen. Schlecht gegessen und ... Kannst es dir sicher denken. Also …“
    „Also biste hergekommen, um das nachzuholen? Für jemanden, den de suchst?“
    „Tja. Nun. Ich weiß, wie das klingt, aber ich hab‘ so ein Gefühl, als dass ich hier und heute für jemand ganz bestimmten beten sollte.“
    „Wie so ne Vorsehung? Biste ‚n Heiliger, oder wie?“


    Trevor schmunzelte in bittersüßer Selbstironie und schüttelte den Kopf. „Heilig? Hmpf, nein. Aber … ich geb‘ mir Mühe, das Richtige zu tun. Und mein Bauchgefühl sagt mir, dass Richtige wäre, nach dem Grab einer ‚Cynthia‘ zu suchen. Liegt hier irgendwo eine begraben?“

    Der Wächter nickte leicht, runzelte aber dennoch etwas ungläubig die Stirn und schüttelte dann wieder sachte den Kopf. „Und was haste da vor? Beten für eine, die du nich‘ ma gekannt hast? Bursche, wenn 'de mich noch weiter verarschst, gibts was mit der Schaufel!“
    „Also gut, ich will ehrlich sein: ich war heute zur Beichte und der Magier der mein Beichtvater war, hat mir aufgetragen, dass, um meine Verfehlungen nicht zu vergessen, ich die Wichtigkeit der Erinnerung in ihrer Tragweite verstehen lernen soll. Er nannte mir diesen Namen und trug mir auf, dort für die Verstorbene zu beten. Tut mir leid. Das ist mir nur etwas peinlich …“
    „Ah. Sach das doch gleich, Bursche! Is‘ doch keine Schande, wenn de Buße tun und Wiedergutmachung vor den Augen Innos' leisten willst. Geh noch ‚n Stück weiter und dann rechts hinter der Statue vom heiligen Fournival. Das is die, wo am Sockel die Ecke abgebröckelt is‘. Is das Grab mit dem Efeu.“
    „Danke, guter Mann.“
    „Jaja, aber mach‘ mir ja keine Faxen, Freundchen.“
    Geändert von Trevor (27.02.2025 um 05:25 Uhr)

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    Die Sonne warf ein warmes, goldenes Licht über die gepflasterten Straßen des Reichenviertels von Thorniara, wurde von den kalten Temperaturen des ausklingenden Winters jedoch verhöhnt. Die prächtigen Häuser mit ihren hohen Fassaden und kunstvollen Verzierungen erhoben sich stolz entlang der breiten Alleen. Hier lebte die Oberschicht der Stadt, fernab der rauen Realität, die in den weniger begünstigten Vierteln herrschte. Doch für Jhessa von Halvath, die junge, entschlossene Frau mit den unterschiedlichen Augen – eines blau, das andere grün –, die sich durch die Menge bewegte, war dieser Glanz nur eine Fassade, hinter der sich so viel Unrecht und Intrige verbargen wie in den Gassen der ärmeren Viertel.
    Ihr kurzer Spaziergang führte sie hinaus zum Markt, wo Händler ihre bunten Stände aufgeschlagen hatten und das rege Treiben die Luft erfüllte. Die Stimmen der Menschen – Händler, Käufer, neugierige Kinder – vermischten sich zu einem lebhaften Konzert. Während Jhessa weiterlief, lauschte sie den Gesprächen, neugierig auf die Geschichten und Gerüchte, die hier ausgetauscht wurden.
    »Frische Fische, direkt aus dem Meer! Kommt und holt sie euch, solange sie noch da sind!«, rief ein Fischer, seine kräftigen Arme stützten sich auf einen riesigen Korb voller glitzernder Fische.
    »Habt ihr gehört, was mit dem alten Schmied passiert ist? Angeblich hat er den Zorn der Götter auf sich gezogen«, flüsterte eine ältere Frau zu ihrer Nachbarin, während sie vorsichtig ein Bündel Kräuter in ihren Korb legte.
    »Diese neuen Stoffe aus Varant, sie sind wirklich von bester Qualität! Seht euch nur diese Muster an«, prahlte ein Kaufmann, der bunte Stoffrollen ausbreitete und seine Kunden damit zu beeindrucken versuchte.
    Ein kleiner Junge rannte lachend an ihr vorbei, während seine Mutter ihm hinterherrief: »Lars, nicht so schnell! Du könntest jemanden umstoßen!«
    Ihre blauen und grünen Augen funkelten vor Interesse, doch immer wieder glitt ihr Blick zur Bastion am Südostrand der Stadt.
    Die Bastion war ein mächtiges Bauwerk, Symbol der Macht und des Schutzes für die Einwohner Thorniaras. Doch für Jhessa war sie mehr als das – sie war ein ständiges Mahnmal ihrer eigenen Ziele und Ambitionen. Sie dachte darüber nach, wie die letzten sieben Jahre bei ihrem Onkel Marcellus sie geprägt hatten. Marcellus, der emsige Kaufmann, der sein Lagerhaus im Hafenviertel betrieb und Tand, Schmuck und religiöse Repliken verkaufte, hatte ihr nicht nur ein Zuhause, sondern auch die Freiheit gegeben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.
    Als sie angekommen war, hatte sie sich fremd und verloren gefühlt. Doch mit der Zeit hatte sie gelernt, die Möglichkeiten zu nutzen, die ihr geboten wurden. Die anfängliche Skepsis und das Heimweh waren einer unbändigen Entschlossenheit gewichen. Jhessa, mit ihrem kurzen, brünetten Haar und den langen Fransen, die über ihre Stirn fielen, hatte erfahren, dass es auch auf Argaan die Möglichkeit gab, sich dem Militär anzuschließen, und sie war entschlossener wie eh und je, dieses Ziel zu erreichen.
    Während sie weiterging, erinnerte sie sich an die Geschichten der Ritter und Paladine, die ihr als Kind Hoffnung gegeben hatten. Die Soldaten des Königs waren für sie Symbole der Zielstrebigkeit und Ordnung geblieben und heute würde sie einen weiteren Versuch unternehmen sich ihren Reihen anzuschließen. Immerhin war es bereits mehr als eine Woche her, seit sie zuletzt in der Bastion angefragt hatte, als Rekrutin aufgenommen zu werden.

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    Im belebten Handelsviertel von Thorniara, umgeben von kunstvoll gestalteten Kaufmannshäusern und regem Straßenhandel, lauschte Jhessa den angeregten Diskussionen der Bürger, die über die Abreise der Soldaten nach Khorinis debattierten. Ihre Stimmen trugen sowohl Sorge als auch Hoffnung in sich, während sie über die Hintergründe der Mission spekulierten.
    »Diese mutigen Seelen könnten unsere letzte Möglichkeit sein, Khorinis wieder in geordnete Bahnen zu lenken«, meinte ein älterer Herr, dessen von den Jahren gezeichnete Augen von scharfsinniger Beobachtung zeugten.
    Daraufhin entgegnete eine jüngere Frau vorsichtig: »Aber was, wenn ihre Reise das Chaos noch weiter anheizt?«
    Ein nahegelegener Händler fügte hinzu: »Ich habe gehört, dass die Rebellen in Khorinis gut organisiert sind. Unsere Soldaten werden es nicht leicht haben.«
    Zwischen ihren Worten lag ein Murmeln voller Unsicherheit und Stolz, das eine angespannte Atmosphäre unter dem wolkenlosen, blauen Himmel heraufbeschwor – ein Spiegelbild der zugrunde liegenden Konflikte und der kollektiven Erwartung der Stadt.
    Jhessa stand an jenem nebligen Morgen am Hafen und beobachtete, wie die Schiffe von Thorniara langsam in das weite Meer hinausglitten. Die abfahrenden Schiffe mit ihren hellen Segeln, die im kühlen Wind gegen die raue Stadtkulisse wehten, zogen ihren Blick magisch an. Jedes Schiff, das davonschwebte, entfaltete ein Kaleidoskop an Gefühlen: Bewunderung für die wagemutigen Abenteurer und zugleich eine schmerzliche, persönliche Frustration darüber, dass sie selbst von unüberwindlichen Hindernissen zurückgehalten wurde, sich ihnen anzuschließen.
    Ein Seemann an einem der Schiffe rief seinen Kameraden zu: »Macht euch bereit, wir setzen Segel in einer Stunde!«
    Mit jedem Verschwinden eines Schiffes in der Ferne schmerzte Jhessas Herz bei dem Gedanken, dass ihre eigenen Ambitionen unerfüllt blieben – eine bittere Erinnerung an ihre kürzliche Zurückweisung und den Tadel ihrer einst stolzen Adelsfamilie. Ihre Augen, eines blau und eines grün, reflektierten das schimmernde Licht des Meeres und gleichzeitig die tiefen Abgründe ihrer Sehnsucht.
    In der stillen Einsamkeit ihrer Gedanken malte sich Jhessa ein dramatisches Bild von Khorinis, der geplagten Stadt, die sich in Trümmern befand und langsam dabei war, von neuer Ordnung zurückerobert zu werden. In ihrem inneren Auge begannen die einst chaotischen Straßen – überflutet von verfallenen Bauwerken, verstreutem Schutt und den Widerhall der Verzweiflung – sich zu ordnen, als disziplinierte Soldaten Einzug hielten. Gekleidet in makellose Uniformen marschierten sie mit unerschütterlicher Präzision; ihre Stiefel donnerten über die alten Pflastersteine, während sie strategische Positionen sicherten und systematisch die Kontrolle über die verwüsteten Viertel wiedererlangten.
    Ein Kommandant brüllte Befehle: »Vorwärts, Männer! Wir müssen jede Ecke dieser Stadt sichern!«
    Die einst düsteren Gassen erwachten zu einem erneuerten Sinn für Zielstrebigkeit, als Barrikaden errichtet und rebellische Flammen erstickt wurden. Diese lebendige Szenerie der Wiederaufbauarbeit erhellte nicht nur die verwahrloste Architektur Khorinises, sondern stand auch symbolisch für eine Wiedergeburt – ein kraftvolles Zeugnis der Fähigkeit der Soldaten, das Chaos einzudämmen und inmitten des Verfalls neue Hoffnung zu entfachen.
    Die Schiffe schrumpften zu winzigen Punkten am Horizont, bis sie schließlich ganz verschwanden. Jhessa wandte sich vom Hafen ab, ihre Schultern straff, aber ihr Herz schwer wie Blei. Der Nebel schien sich um ihre Gestalt zu verdichten, als wolle er ihre Enttäuschung verbergen.
    »Wieder den Schiffen nachgeträumt?« Die vertraute Stimme ihres Onkels Marcellus durchbrach ihre Gedanken. Er stand wenige Schritte hinter ihr, ein Lederbündel unter dem Arm geklemmt.
    »Ich sollte auf einem dieser Schiffe sein«, antwortete sie, ohne sich umzudrehen. »Stattdessen stehe ich hier und träume von einer Zukunft, die ich vielleicht nie erreichen werde.«

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    Marcellus legte eine Hand auf ihre Schulter und seufzte. »Geduld, Jhessa. Deine Zeit wird kommen. Du hast mehr Mut und Entschlossenheit als die meisten, die ich kenne.« Seine Stimme war sanft, aber fest.
    Jhessa drehte sich schließlich zu ihm um, ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. »Ich weiß, Onkel. Aber es ist schwer, sich nicht nutzlos zu fühlen, wenn ich hier bleibe, während andere für eine bessere Zukunft kämpfen.«
    Marcellus' Gesichtsausdruck wurde ernst. »Khorinis ist nicht die einzige Schlacht, die geschlagen werden muss. Hier in Thorniara gibt es ebenso viel zu tun. Die Stadt mag friedlich erscheinen, aber unter der Oberfläche brodelt es. Wir brauchen Menschen wie dich, die bereit sind, für das Richtige einzustehen.«
    Jhessa nickte langsam, ihre Gedanken drifteten zurück zu den Geschichten von Rhobar III. und den Soldaten des Königs, die sie immer inspiriert hatten. »Ich werde nicht aufgeben. Ich werde einen Weg finden, zu helfen, ob hier oder anderswo.«
    Marcellus lächelte leicht und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. »Das ist der Geist, den ich von dir erwarte. Und vergiss nicht, dass du nicht allein bist. Wir werden gemeinsam einen Weg finden.«
    Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zurück durch die belebten Straßen von Thorniara. Die Stimmen der Händler und die Rufe der Bürger hallten um sie herum wider, doch in Jhessas Herz keimte ein neuer Funke der Entschlossenheit. Die Herausforderungen mögen zahlreich sein, doch sie würde sich ihnen stellen – Schritt für Schritt, mit jedem Tag, der verging.
    Während sie gingen, hörte Jhessa weiter den Gesprächen der Leute zu.
    »Habt ihr gehört, dass sich vermehrt Taschendiebe auf dem Markt herumtreiben sollen?«, fragte ein Mann seine Begleiter. »Ja, es ist zum Mäuse melken. Kaum verlässt ein Teil der Soldaten die Stadt, glauben sie ihnen gehören die Straßen«, regte sich ein anderer auf.
    Ein paar Schritte weiter bot eine Marktfrau ihre Waren an. »Frische Kräuter! Die besten in ganz Thorniara! Kommt und kauft, solange der Vorrat reicht!«
    Eine Gruppe Kinder lief lachend an ihnen vorbei, während eine Mutter rief: »Seid vorsichtig, nicht so wild!«
    All diese alltäglichen Szenen verstärkten Jhessas Entschlossenheit, einen Weg zu finden, ihre eigenen Träume zu verwirklichen und ihre Heimatstadt zu schützen. Khorinis war es sicherlich Wert wieder in das Reich eingegliedert zu werden, aber was war mit Argaan?
    »Onkel, hast du jemals daran gedacht, wie es wäre, wieder zurück nach Myrtana zu gehen?«, fragte sie plötzlich und unterbrach die stillen Gedanken, die ihre Schritte begleitet hatten.
    Marcellus war einen Moment lang still, bevor er antwortete. »Myrtana ist unsere Heimat, aber die Dinge haben sich verändert. Für jetzt, Jhessa, liegt unsere Verantwortung hier. Doch wer weiß, was die Zukunft bringt?«
    »Irgendwann will ich den Ruf unserer Familie wieder aufbauen!«, verkündete sie mit Inbrunst in der Stimme.
    Ihr Onkel schwieg daraufhin mehrere lange Momente. Er hatte sie vor all den Jahren bereitwillig bei sich aufgenommen, doch seine Liebe für den Hauptzweig der Adelslinie Halvath hielt sich in Grenzen. Soweit Jhessa zwischen den Zeilen gelesen hatte, war er froh so weit weg von ihnen zu sein. Abstand ließ die Leute vergessen, dass man sich ein sinkendes Boot teilt und eröffnete neue Blickwinkel auf die eigene Situation. Vielleicht war es also gut, dass sie hierhergeschickt worden war.
    Geändert von Jhessa (02.03.2025 um 11:11 Uhr)

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    Marcellus ließ seine Hand von ihrer Schulter gleiten und setzte seinen Weg fort, seine Schritte nun langsamer und nachdenklicher. Jhessa folgte ihm, ihre Gedanken kreisten um die Zukunft und die Möglichkeit, ihre Träume zu verwirklichen.
    »Jhessa, wenn du wirklich den Ruf unserer Familie wiederherstellen willst, musst du bereit sein, Opfer zu bringen«, sagte Marcellus schließlich. »Das Leben hier in Argaan bietet dir Chancen, die du in Myrtana vielleicht nicht gefunden hättest. Aber du musst auch die Verantwortung übernehmen, die damit einhergeht.«
    Jhessa nickte, ihre Augen funkelten vor Entschlossenheit. »Ich bin bereit, Onkel. Ich werde tun, was nötig ist.«
    Als sie das Anwesen erreichten, blieb Marcellus stehen und betrachtete das Gebäude, das sie beide nun ihr Zuhause nannten. »Dieser Weg wird nicht leicht sein, aber ich glaube an dich, Jhessa. Meine Unterstützung hast du.«
    Ein leises Lächeln huschte über die Lippen der Adelstochter und sie fixierte ihren Onkel mit einem Seitenblick aus ihrem grünen Auge. »Danke Onkel, das weiß ich zu schätzen.«
    Die beiden traten ein und schlossen die Tür hinter sich. Drinnen war es still, abgesehen von dem leisen Knistern des Feuers im Kamin. Jhessa fühlte die Wärme der Flammen auf ihrer Haut und sie roch den vertrauten Geruch von altem Holz und Ölfarben.
    Die verschiedenen Gemälde, die an den Wänden im Eingangsbereich platziert waren, hatten auf sie stets einschüchternd gewirkt. Marcellus war bei Weitem kein reicher Mann, doch sein Handel brachte ihm genug ein, um sich eine Stellung im gehobenen Viertel der Stadt zu sichern. Die hier ausgestellten Werke lenkten von der weniger prunkvollen Einrichtung ab, die in den Räumen tiefer im Anwesen zu finden war.
    »Ich werde meinen eigenen Weg finden«, murmelte sie leise zu sich selbst, während sie sich die Handschuhe und das Halstuch gegen die Kälte des Spätwinters auszog, bevor der Mantel folgte und ihre Kleidung darunter freilegte.
    Ihre Aufmachung vermutete man eher an einem jungen adligen Herrn, als an einer Dame. Eine Tunika aus hochwertigem, aber strapazierfähigem Leinen in einem gedämpften Weiß. Nicht übermäßig verziert, lediglich so viel, dass sie sich ihres Standes entsprechend abhob. Sie reichte bis zu ihren Knien und war an den Seiten geschlitzt, um Bewegungsfreiheit zu gewährleisten.
    Über der Tunika trug sie eine Weste aus weichem und robustem Leder. Einige Spuren von Gebrauch, Kratzer und Abnutzungserscheinungen, waren zu sehen. Doch Jhessa mochte diese Weste, denn sie hatte im Inneren kleine Taschen eingenäht, welche sich oftmals als nützlich erwiesen.
    Ihre Hosen, denn Kleider zu tragen war ihr ein Graus, waren aus einem dicken, grünlichen Wollstoff und waren in die hohen Lederstiefel gesteckt. Diese wiederum waren wetterbeständig und bequem, perfekt für Wanderungen und Reitausflüge, wenn sie denn jemals genug Gold für ein Pferd gehabt hätte.
    Um ihre Taille trug sie einen Ledergürtel, an dem eine Dolchscheide und eine kleine Tasche für ihre Taler befestigt waren. Der Gürtel selbst war funktionaler Natur, aber nicht ohne eine gewisse Eleganz. Die metallene Schnalle war mit unscheinbaren Ranken verziert, welche auf ihr Familienwappen hindeutete.
    Die Ärmel ihrer Tunika waren enganliegend und reichten bis zu ihren Handgelenken. Kurz zuvor hatte sie ihre Handschuhe darübergestülpt. Ohne die Fingerwärmer kam nun ein einfacher Silberring zum Vorschein, der ihre filigrane Linke schmückte.
    So sehr sie sich anstrengen mochte, verrieten ihre Hände doch, dass sie ihr Leben lang behütet aufgewachsen und zu keiner harten Arbeit gezwungen gewesen war.

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    Nach einer Weile spürte Jhessa, wie der Drang nach frischer Luft sie überkam. Sie erhob sich aus ihrem Stuhl, auf dem sie gesessen und gedankenverloren ihren Ring am Finger gedreht hatte, und trat zu Marcellus, der in einem Sessel nahe dem Kamin saß und ein altes Buch studierte.
    »Ich werde einen Spaziergang machen, Onkel. Ich muss meinen Kopf freibekommen«, sagte sie mit einem leichten Lächeln.
    Marcellus sah von seinem Buch auf und nickte. »Natürlich, Jhessa. Pass auf dich auf. Die Straßen können tückisch sein, selbst am helllichten Tag.«
    »Ich werde vorsichtig sein«, versicherte sie ihm, bevor sie die Stube verließ und sich Handschuhe, Halstuch und Mantel anzog. Den Mantel ließ sie dabei vorerst offen, da sie sich von der Hitze des Kaminfeuers abkühlen wollte.
    Sie öffnete die Eingangstür und trat in die kühle Winterluft hinaus. Der Wind biss ein wenig in ihr Gesicht, doch sie genoss die frische Brise und das Gefühl von Freiheit, das sie mit jedem Atemzug verspürte.
    Sie ging durch das Reichenviertel, vorbei an den prächtigen Häusern und den anderen gut betuchten Menschen der Stadt, die sich an Bänken oder vor Grünbereichen aufhielten, die bereits die ersten Knospen zeigten. Die Gespräche der Leute mischten sich zu einem Murmeln, das ihre Gedanken beruhigte. Sie fühlte sich leichter, je weiter sie sich von dem kleinen Anwesen entfernte.
    Als sie das nördliche Tor passierte und sich dem Tempelbezirk näherte, fielen ihr die zahlreichen Schreine und Statuen auf, die dem Gott Innos gewidmet waren. Sie blieb einen Moment stehen und betrachtete die imposanten Tempelgebäude, die dem Himmel entgegenragten.
    Plötzlich erregte ein älterer Mann in zerfledderten Roben ihre Aufmerksamkeit. Die Roben waren abgenutzt und schmutzig, und der Mann sprach offenbar mit sich selbst. Jhessa runzelte die Stirn. »Wie können die Leute es wagen, die Priester des Innos zu verspotten?«, dachte sie bei sich.
    Pietät war eine Tugend und sie konnte nicht darüber hinwegsehen, wenn ihr Glaube auf derartige Art und Weise verhöhnt wurde. Ein Funke rechtschaffenen Zorns entflammte in ihr und eine grimmige Miene verzerrte ihre Gesichtszüge.
    Mit einem entschlossenen Schritt ging sie auf den Mann zu und hielt ihn an. »Was denkst du dir dabei, dich in solch schändlicher Kleidung zu zeigen?«, rief sie empört aus. »Hast du keinen Respekt vor den Priestern des Innos?«

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    Die Sonne lächelte herab und versicherte ihm, dass alles gut war. Der Wind flüsterte ihm ein Lied ins Ohr, ein Lied von emsigem Treiben und zwitschernden Vögeln. Er mochte dieses Lied schon seit seiner Kindheit, auch wenn er selten zugehört hatte, wenn es gespielt wurde. Jetzt hatte er dafür umso mehr Zeit und Muße dafür. Und nachdem er so lange den anderen Liedern dieser Welt gelauscht hatte, kicherte er wie ein Kind vor lauter Freude, endlich wieder sein Lied zu hören.
    „Was denkst du dir dabei, dich in solch schändlicher Kleidung zu zeigen? Hast du keinen Respekt vor den Priestern des Innos?“
    Vicktars Lächeln wurde noch breiter. Ja ja, die unflätigen Zänkereien der Jugend waren die feurige Note, die jedes Lied besonders machte. Er wandte die Augen von der Sonne ab, in die er nun schon den ganzen Tag lang ohne zu blinzeln gestarrt hatte. Seltsam – er sah nur die Schemen einer einzigen Person vor sich, und auch als seine Augen sich langsam wieder erholten und mehr als nur vage Umrisse ausmachten, änderte sich daran nichts. Mit wem sie wohl gesprochen hatte?
    Er hob das Revers seiner Robe und flüsterte hinein: „Muss wohl Selbstgespräche führen, das arme Ding.“

    Vicktar hatte Mitleid mit dem Mädchen. In so jungen Jahren schon mit solch einer Beeinträchtigung kämpfen zu müssen, konnte hinderlich sein in dieser harten Welt. Und wenn beide Seiten ihrer Persönlichkeit sich auch noch nicht ausstehen konnten, war das ein äußerst bedauerlicher Umstand von Selbsthass.
    „So schändlich ist deine Kleidung gar nicht, liebes Kind. Du musst dich nicht selbst beleidigen dafür. Und so viel Respekt musst du wirklich nicht haben vor den Feuermagiern. Ich bin selbst einer und habe schon sehr viele von ihnen gesprochen, von hier bis Nordmar bis Varant, und ich habe nicht mehr Respekt vor ihnen als vor meinem Freund Pyrokar hier.“
    Erneut hob er das Revers seiner Robe. „Ja, vor dir habe ich den größten Respekt. Auf dich ist Verlass, mein Lieber.“

    Er hielt inne, den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Seine Augen richteten sich auf die junge Frau vor ihm, und mit einem Schlag erstarb sein Lächeln.
    „H-Hanni? Bist du das, mein Engel?“
    Vicktar streckte zögerlich die Hand aus, seine Unterlippe bebte. Doch dann besann er sich, blinzelte einmal, zweimal, und das Lächeln von zuvor kehrte zurück.
    „Nein, sie ist es nicht“, murmelte er Pyrokar zu. „Sie hat verrückte Augen.“
    Und etwas lauter wiederholte er in ihre Richtung: „Du hast verrückte Augen, mein Kind. Blau wie das Wasser der Waagenführer und grün wie das Moos in den Köpfen der Tierflüsterer. Wie kommt’s? Bist du als Kind in einen Kessel mit Zaubertränken gefallen?“

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    Jhessa öffnete den Mund, schloss ihn wieder, und wiederholte das Ganze noch drei weitere Male, bevor sie ihre Fassung wiederfand. Sie wusste nicht, ob sie verwirrt, beleidigt oder zornig sein sollte, als der Wirrwarr an Worten aus dem Mund des Alten fiel wie halbverdautes Essen.
    »Ich spreche offensichtlich nicht mit mir selbst!«, echauffierte sich die junge Adlige und griff sich unsicher an eine Lasche am eigenen Mantel. Sie hatte zwar nie viel für die Mode der Gesellschaft übriggehabt, aber sich die Implikation, dass ihre Kleidung auch nur annähernd schändlich sein konnte, wollte sie nicht stehenlassen. Vor allem nicht von jemandem, der derartig verwirrt und gotteslästerlich gekleidet war.
    Die Häresie dieses Individuums gipfelte dann noch darin, dass er behauptete, man müsse den Feuermagiern keinen überschwänglichen Respekt zollen. »Die Priester Innos‘ sind die höchste Instanz von Innos der Welt. Natürlich ist ihnen mit äußerster Ehrerbietung zu begegnen!«, entrüstete sie sich, »Und du ziehst sie mit deiner Aufmachung in den Schmutz! Behauptest sogar, selbst einer zu sein. Und dann sprichst du auch noch mit jemandem, der nicht hier ist! Du brauchst Hilfe, aber vor allem musst du es unterlassen Innos zu verspotten!«
    Jhessa atmete flach, nachdem sie geendet hatte und zögerte kurz, als die Augen des Alten leer wurden und er von einer Person namens Hanni sprach. Konnte es sein, dass er einfach nur im Alter den Verstand verloren hatte?
    Der frisch entsprungene Quell des Mitleids in ihr versiegte jedoch jäh, als er sie für ihre Augenfarbe verspottete. »Ich kann nichts für meine Augen, Alterchen!«, giftete sie und funkelte ihn böse an, »Ich werde dich bei der Stadtwache oder direkt dem Orden melden für diese Häresie und die Anfeindung einer Komtess!«
    Sie hasste es auf ihren Titel zurückzugreifen, aber der Aufrührer musste um jeden Preis gestoppt werden und Jhessa sah eine Chance sich in eine bessere Position zu bringen, bevor sie ein erneutes Gesuch um Aufnahme in der Bastion stellte.

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    Ein putziges kleines Ding war sie! Empörte sich über dies und das und drohte, ihn bei den Ordnungshütern anzuzeigen dafür, dass er existierte und ihre Augen sah. Er freute sich über die Unterhaltung, die ihm dieses kleine Gespräch brachte, und dachte nicht im Traum daran, ihr etwas von dem Gift krumm zu nehmen, das sie achtlos nach hier und nach da versprühte.
    „Melden will sie mich, oho! Hast du gehört?“, sprach er in seine Robe hinein. „Feinde ich dich an? Oder feindest du mich an, liebes Kind? Wie sähe das denn aus, wenn du den hohen Feuermagier Vicktar erst belästigst und dann der Stadtwache auslieferst, weil seine Robe nach einer langen Pilgerreise etwas mitgenommen ist?“
    Er machte eine wegwerfende Bewegung. „Keine Sorge, ich fühle mich nicht belästigt. Aber einen Namen zu dem wütenden Gesicht wüsste ich gern, Komtesschen.“

    Vicktar dachte über ihre Worte nach, und seine Züge wurden ernster als zuvor, der Blick klarer und zielgerichteter, als er die Hand hob und den Zeigefinger gen Sonne richtete, ohne die Augen von den ihren zu nehmen.
    „Verwechsle nicht den Hirten und seine Hirtenhunde, feuriges Zweiauge. Mir würde nie im Traum einfallen, Innos zu verspotten. Er ist mein Freund und Wegweiser, er gibt mir Sinn und sein Licht erfüllt mein Herz. Letztes Jahr erst habe ich sein Antlitz geschaut, hoch oben in den eisigen Weiten von Nordmar. Ihm verdanke ich meine späte Einsicht und meinen Blick auf die Welt.“
    Seine Hand schoss in Richtung des Tempels am Ende der Straße.
    „Sie und ich hingegen sind Menschen wie du und ich. Fehlbar. Selbstsüchtig. Missgünstig. Und kaum Einer ist daran interessiert, das Licht weiter zu tragen, als es ohnehin schon reicht. Stell dir vor, vor fast fünf Jahren schon gab ich Icarion eine Liste von Totenbeschwörern, die mir eine der verlorenen Seelen nach peinlicher Befragung gestanden hatte und die hier auf dieser Insel hinter den Mauern des finsteren Kastells im Südosten ihre dunklen Rituale praktizieren. Weißt du, wie viele von ihnen seitdem hier knusprig gebraten wurden? Ich gebe dir drei Versuche und belohne dich mit dem Segen Innos‘, wenn du richtig liegst. Ein Hinweis: Die Zahl ist kleiner als Eins.“

    Sein Blick ging wieder in die Ferne, und Vicktar sang leise und vergnügt vor sich hin:

    „Elvardo und Esteban geh‘n die Straß‘ zum Tod entlang.
    Vabun, Janos und Narzuhl nehm’n Platz auf dem Hexenstuhl.
    Noxus, Ceron, Azshera brennen, bis kein Holz mehr da.
    Olirie und Nicolei zerrissen in der Teile drei.
    Ardescion, Black und Rabenweil – ein Krähenfraß der schlimmste Teil.“

    Vicktar strahlte die Frau an. „Komm, sing mit!“

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    Angestrengt presste die Lier zusammen, ihre Stirn von steile Furchen zerklüftet. »Geduld, Jhessa«, mahnte sie sich, »Innos‘ Reich wurde nicht in einem einzigen Sonnenumlauf erbaut und sein Licht muss bisweilen in die finstersten Ecken der Welt getragen werden.« Sie suchte nach dem Ankerpunkt ihrer inneren Ruhe.
    »Alter Mann«, begann sie mit einer Stimme, die so scharf war wie der Stahl eines Richtschwerts, »begreifst du nicht die Sünde, die du begehst? Die Robe des Feuermagiers ist ein heiliges Symbol Innos', ein Leuchtfeuer seines göttlichen Lichts. Diese schmutzigen Lumpen, die du trägst, verhöhnen diese Bedeutung, ziehen sie in den Schmutz der Häresie!«
    Doch etwas in den wirren Augen des Alten ließ Jhessa ein unangenehmes Frösteln verspüren. Sein Verhalten glich einer Gebirgskette, die zwischen dem Abgrund des Wahnsinns und den lichten Höhen der Klarheit schwankte. "Vicktar, sagst du?" fragte sie, ihre Stimme nun von einem Hauch Besorgnis durchzogen. »Bist du vielleicht einem der Heiler des Asylums entflohen?« Sie klammerte sich an diesen Strohhalm der Vernunft, an eine logische Erklärung für das wirre Geschwätz des Greises.
    Ein hilfesuchender Blick glitt über die geschäftige Straße. Die anderen Stadtbewohner hasteten vorbei, ihre Augen eisig und abgewandt von der Szene, die sich am Rande des Tempelbezirks abspielte. Gerade dieser heilige Ort ließ Jhessa glauben, dass der Alte die Hilfe der Magier bitter nötig hatte.
    »Hör zu«, sagte sie, ihre Stimme nun sanfter, aber dennoch bestimmt, »wenn du mir sagst, wo man dich behandelt, bringe ich dich dorthin und lege ein gutes Wort für dich ein. Vielleicht sehen sie dann über den Diebstahl dieser alten, zerschlissenen Robe hinweg.«
    Klang sie herablassend? Vielleicht. Doch wenn es dazu diente, diesen verwirrten Greis von der Straße zu holen und ihm die nötige Hilfe zukommen zu lassen, war sie bereit, ihren Adelstitel als Schutzschild zu nutzen. »Komtess Jhessa vom Hause Halvath«, verkündete sie, ihre Stimme von der Autorität ihrer Herkunft getragen, »ich versichere dir, ich bin bereit, dir zu helfen. Aber du musst auch mir helfen, damit du nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf dich ziehst.«
    Anstelle einer klaren Antwort erhielt sie nur weiteres sinnloses Gebrabbel, das in einem schiefen Singsang gipfelte. Dabei strahlte Vicktar eine unheimliche Glückseligkeit aus, ein krasser Gegensatz zu den zuvor durchlebten Phasen der Ernsthaftigkeit, Verwirrung und des Tadels. Die Tatsache, dass er ständig mit seiner häretischen Robe sprach, verlieh der Situation eine groteske Komik, auf die Jhessa nur allzu gerne verzichtet hätte.
    Alles, was sie wollte, war ein friedlicher Spaziergang. Stattdessen sah sie sich gezwungen, die Ehre des Ordens zu verteidigen. »Innos' Licht erscheint an den unerwartetsten Orten«, dachte sie, und ergab sich ihrem Schicksal als Hüterin der göttlichen Würde. »Ich werde nicht mitsingen«, sagte sie, »aber du kannst gerne weitermachen, während ich einen Novizen suche, der vielleicht weiß, wo man dich untergebracht hat.«
    Ohne zu zögern, griff sie nach dem Oberarm des alten Mannes. Zu ihrer Überraschung fühlte er sich nicht so gebrechlich an, wie sie erwartet hatte. Unter den dünnen Lumpen verbarg sich eine unerwartete Stärke, eine Erinnerung daran, dass selbst die Schwächsten in dieser Welt Geheimnisse und unentdeckte Tiefen bergen konnten.

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    „Häresie!“ Vicktar lachte aus vollem Leibe. „Du wirfst mit großen Worten um dich. Früh übt sich der Adel, nicht? Das macht Einen wichtiger. Aber glaub mir, liebes Fräulein Jhessa: unserem Herrn ist nicht viel an der Sauberkeit meiner Robe gelegen. Seine Wünsche liegen anderswo.“
    Vicktar sah zur Sonne hinauf und winkte ihr zu wie einem alten Freund, den man am Morgen auf dem Weg zur Arbeit traf. Ja, ihn und Innos verband ein heiliger Bund aus Verständnis und Vertrauen, dem Äußerlichkeiten egal waren. Und er war dankbar dafür.
    Doch das Kind riss ihn aus den frohen Gedanken, als es von einem Asylum sprach und ihm Hilfe anbot. Er blickte sie mit dem großäugigen, ehrlichen Ausdruck völliger Überraschung an.
    „Mir helfen? Ich brauche keine Hilfe, Liebes. Es sei denn, du kennst meine Johanna. Wenn du mein kleines Mädchen finden und zu mir bringen könntest – die Hilfe würde ich gerne annehmen.“

    Aber Jhessa war anscheinend gerade nicht daran interessiert, ihm mit seinem Wunsch zu helfen. Stattdessen packte sie ihn – etwas überraschend, wie Vicktar gestehen musste – am Arm und zog ihn hinter sich her.
    „Oh, der Gesang ist nicht deine Stärke. Ich verstehe! Das ist eine sehr ruppige Aufforderung zum Tanz, aber ich akzeptiere!“
    Vicktar sprang auf Jhessa zu, packte sie an den Schultern und wirbelte mit ihr lachend im Kreis. Nun, mit jeder wilden Bewegung, roch er es selbst. Die Ausdünstungen aus Monaten ungewaschener Weltreise hatten das Innere seiner Robe in einen feuchten, stinkigen Pfuhl verwandelt. Doch das junge Ding würde ihm den Geruch angesichts des Spaßes sicher verzeihen.

    „Ich kann auch für uns beide singen! Elvardo und Esteban geh‘n die Straß‘ zum-“
    Wildes Gezeter aus dem Inneren seiner Robe ließ ihn innehalten und die Schultern von Jhessa loslassen. Der Kopf des fuchsteufelswilden Kapuzineräffchens lugte mit gebleckten Zähnen aus dem Revers und belegte Vicktar und seine Begleiterin gleichermaßen mit einer wahren Schimpftirade.
    „Pyrokar! Was ist denn, du alter grummeliger Zausel? Hat dir der Tanz nicht gefallen?“
    Vicktar sah zu Jhessa und zeigte auf den Affen.
    „Er ist etwas missgelaunt, seit wir mit dem Schiff aus Bakaresh hierher gekommen sind.“

    Er schob Pyrokars Kopf wieder in die Robe hinein, aus der das Gekreisch nun nur noch gedämpft hervordrang. Vicktar, in seiner gebeugten Haltung einen guten halben Kopf kleiner als Jhessa, sah entschuldigend zu ihm auf.
    „Der wird schon wieder. Sag, lange adelige Birke von seltener Farbenpracht, was führt dich an so einem schönen Tag zum Tempel, wo du einen alten Magier bei der Sonnenschau störst? Ein Geringerer wie Icarion hätte dir den blaublütigen Hintern dafür versohlen lassen, weißt du das?“

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    Nun war es Jhessa, die sich auf einer zermürbenden Wanderung durch das Gebirge ihrer eigenen Emotionen befand, ein Echo der verworrenen Landschaft, die sie zuvor in den Augen des Alten gesehen hatte. Vor allem aber schlich sich ein nagender Zweifel in ihr Vorhaben, diesen verwitterten Mann von der Straße zu entfernen. Dass er ihren Versuch, ihn wegzuführen, als Aufforderung zu einem grotesken Tanz interpretierte, war nur die Spitze des Eisbergs der Absurditäten, die sich vor ihr abspielten. »Ein Äffchen?« stieß sie spitz aus und wich angewidert zurück, um Abstand von dem verlausten Geschöpf zu gewinnen.
    Die Flucht aus der dichten Dunstwolke des Gestanks, die den alten Mann und seine Robe umgab, war ein willkommener Bonus, denn sie hatte alle Mühe, ihren Magen angesichts des intensiven Körperodors zu bezwingen.
    Immerhin widerlegte die Existenz des Äffchens die Befürchtung, Vicktar würde mit seiner Kleidung sprechen. Doch damit endeten auch schon die positiven Aspekte dieser Offenbarung. Umso besorgniserregender war es, dass Vicktar nun wie ein zwielichtiger Straßenkünstler wirkte, der seinen tierischen Komplizen als diebischen Helfer benutzte, um arglosen Bürgern ihr sauer verdientes Gold aus den Beuteln zu entwenden.
    Wenn das wahr war, hatte sie es nicht nur mit einem Häretiker, sondern auch mit einem Schwindler und Dieb zu tun! Doch sie musste vorsichtig sein. Sie hatte bereits einmal voreilige Schlüsse gezogen und wollte diesen Fehler nicht wiederholen.
    Gerade als sie ihre Taktik ändern und Vicktar bitten wollte, ihr mehr von dieser Johanna zu erzählen, von der er gesprochen hatte, um Zeit zu gewinnen, lieferte er einen weiteren Grund zur Empörung.
    »Mein Hintern hat nichts mit dieser Sache zu tun«, ermahnte sie ihn mit drohender Geste. »Und wenn du weiterhin behauptest, ein Feuermagier zu sein, wirst du noch ernsthafte Probleme bekommen.« Sie suchte nach einem Novizen, die sich jedoch überraschend rar gemacht zu haben schienen. Wenn sie sonst den Tempelbezirk besuchte, gab es immer einen oder zwei, die bereitwillig Führung anboten.
    Hatten sie die Augen vor diesem Frevel verschlossen oder ertrugen sie den Geruch des Alten einfach nicht? Jhessa seufzte resigniert. »Hör zu, Alterchen. Wenn du mir beweisen kannst, dass du ein Magier bist, lasse ich dich in Frieden. Ich habe noch viel zu tun und kann es mir nicht leisten, mit einem Verrückten gesehen zu werden.«
    Der penetrante Zweifel, der sich in ihrem Hinterkopf eingenistet hatte, ließ nicht locker, und erste Befürchtungen stiegen in ihr auf. Was, wenn dieser schmuddelige Alte wirklich ein Priester Innos' war? Dann hätte sie viele Dinge gesagt, für die sie Buße tun müsste.
    Aber das konnte nicht sein, oder? Kein Feuermagier würde sich so entwürdigend verhalten. Die bloße Vorstellung ließ sie erschaudern. War es möglich, dass die Prüfungen, die Innos ihr schickte, nicht so offensichtlich waren, wie sie immer dachte? War es möglich, dass er die Demut als Tugend in den Vordergrund stellte?

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    »Die haben was
    Felias schriller Schrei hallte durch die kleinen Räumlichkeiten der schnuckeligen Schneiderstube wie der sonntägliche Glockenschlag. Und genau so wie die Sünder sich jede Woche gemächlichen Schrittes, mit gesenktem Haupt und in der stillen Hoffnung, der Messe entgehen zu können, nur quälend langsam zum Tempelviertel bewegten, kam auch Agnes mit ihren Antworten und den Informationen nicht so wirklich aus dem Knick. Statt zu antworten kramte sie leise und undeutlich vor sich hin murmelnd in der Küche herum und stelle schließlich zwei Teetassen auf die Arbeitsplatte. Wieder mal schien es so, als wolle die uralte Blinde die einzigartige Geduld der geweihten Feuermagierin auf die Probe stellen.
    Heute aber war wirklich keine Zeit für solcherlei Spielchen.

    »Nun erzähl schon, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen. Wieso war Ihre Eminenz Feuermagierin Françoise wieder in Thorniara? Und wieso ist sie jetzt schon wieder weg? Und wieso bei Innos, erzählt mir eigentlich niemand mehr irgendwas?« Sie klappte das Notizbuch zu und schob es frustriert beiseite.
    »Statt mich mit irgendwelchen Schrift- und Leseübungen selbst zu malträtieren und deine - unter uns gesprochen absolut fürchterliche - Handschrift in dem uralten Büchlein zu entziffern und irgendwelche magischen Übungen zu machen, die überhaupt mal gar nichts bringen, hätte ich mit auf den Schiffen sein sollen.«
    Gefrustet warf sie einen Blick auf den immer größer werdenden Haufen an angekokelten, verbrannten, geschwärzten, angebrannten, verkohlten und kurzum nicht mehr verwendbaren Stoffbahnen, die unordentlich auf einem mittlerweile hüfthohen Haufen geworfen in der Ecke lagen. Ein stummes Mahnmal ihrer Unzulänglichkeit, das ihr unentwegt wortlos ihr eigenes Versagen zuflüsterte.

    Sie seufzte.
    Lautstark.
    Mehrfach.

    Dann endlich begann Agnes mit zitternden Stimme zu berichten.

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