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Die Bastion, Vorplatz
Die Nacht hatte bereits ihren Schleier über die Stadt gelegt, als Hierodius Lex aus dem Tor der Bastion trat. Der Wind war kalt, und in den Fackeln, die den Vorplatz beleuchteten, flackerte unruhig das Feuer. Abseits der großen Straßen war es still geworden, nur hin und wieder war das Rascheln des Windes in den Bäumen oder das entfernte Klappern von Hufschlägen zu hören. Vincent wartete bereits in der Nähe des Tores, das Einhandschwert locker an seiner Seite. Er wirkte leicht angespannt, aber auch entschlossen.
"Bist du bereit?" fragte Hierodius Lex mit einem leichten Nicken. "So bereit, wie man nach einer langen Schicht eben sein kann." erwiderte Vincent und fuhr sich durch das Haar.
Die beiden Stadtwachen traten ein paar Schritte beiseite, sodass sie im Schein der Fackeln genügend Licht hatten, um die Klingen gut zu sehen. Hierodius hob sein eigenes Schwert, ein schlichtes, zuverlässig gearbeitetes Stück. Keine Prunkwaffe, aber seit Jahren treuer Begleiter im Dienst.
"Wir sind keine Ritter." begann Hierodius und senkte leicht den Kopf, um seinen Stand zu prüfen. "Unsere Aufgabe ist es, die Stadt zu schützen und möglichst rasch für Ordnung zu sorgen. Also trainieren wir auf Schnelligkeit und Kontrolle – nicht auf heroische Duelle."
Vincent nickte. Man sah ihm an, dass er aufmerksam zuhörte. Hierodius ließ seine Schulter kreisen, um die Muskeln zu lockern, und zeigte Vincent zunächst die Grundstellung: Füße hüftbreit, das Schwert in der rechten Hand, die linke zum Ausbalancieren leicht hinter dem Körper.
"Halte dein Schwert so, dass du flexibel bleiben kannst." erklärte Hierodius Lex. "Hohe Schläge, tiefe Stiche und seitliche Hiebe – du musst jeden Angriff schnell umlenken oder abwehren können. Im Ernstfall hast du nicht viel Zeit zum Nachdenken."
Vincent versuchte, die Haltung nachzuahmen, doch seine Position wirkte noch etwas unsicher. Hierodius korrigierte ihm die Füße, packte kurz Vincents Handgelenk, damit er den Winkel besser spürte, und ließ ihn dann ein paar lockere Hiebe ausführen. "Gut!" lobte Hierodius nach kurzer Zeit. "Aber denk an deine Deckung. Lass deine Klinge nie ganz sinken, damit du sofort parieren kannst."
Sie übten mehrere Schlagabfolgen, die in der Stadtwache gängig waren: ein hoher Schlag, gefolgt von einem Schritt zur Seite, dann ein schneller Stoß. Hierodius führte die Bewegungen erst langsam vor und steigerte dann das Tempo, damit Vincent ein Gefühl für den fließenden Übergang zwischen Angriff und Verteidigung bekam. Dabei achtete Hierodius immer darauf, dass Vincent nicht zu kraftvoll, sondern konzentriert und präzise agierte.
Nach einer Weile beschloss Hierodius, Vincent ein paar Paraden üben zu lassen. Mit vorsichtigen, aber doch druckvollen Schlägen griff er Vincent an, welcher die Klinge zur Verteidigung hob. Zunächst klirrte es laut, als Vincent die Schläge abwehrte, doch nach und nach fand er den richtigen Winkel und ließ die Attacken geschmeidig zur Seite abgleiten.
Schließlich hielten sie inne, beide atmeten schwer, die Kälte des Abends war in diesem Moment kaum spürbar. "Mach solche Übungen täglich, wenn es geht." sagte Hierodius mit gedämpfter Stimme. "Du wirst schnell Fortschritte merken. Ein paar gezielte Lektionen sind manchmal hilfreicher als die schiere Masse an Training mit dem Orden."
Vincent bedankte sich, sichtlich erleichtert über das Lob. "Du hast Recht, es ist wirklich anders, wenn man nur auf Schnelligkeit und Kontrolle trainiert." Hierodius nickte, während er seine Klinge hob und die Kanten kurz inspizierte. "Genug für heute. Wir wollen morgen nicht halbtot zum Dienst erscheinen."
Sie klopften sich den Staub von den Kleidern, löschten eine der Fackeln und machten sich auf den Weg zurück zur Bastion. Der Abend hatte ihnen nur wenig Ruhe gelassen, doch in Vincents Augen war neuer Mut zu sehen, und Hierodius Lex empfand eine leise Zufriedenheit, seinem Kameraden geholfen zu haben, auch wenn ihm selbst die Müdigkeit noch schwer in den Knochen steckte.
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Es war tief in der Nacht, als Leopold seine Hütte im Hafenviertel verließ. Der Himmel war schwarz, nur von den flimmernden Lichtern der Straßenlaternen erleuchtet. Die Ruhe der Stadt war beinahe gespenstisch, und die wenigen Bewohner, die noch unterwegs waren, hielten sich in den Schatten. Leopold hatte seine Schicht längst beendet, dennoch schritt er in seiner Stadtwachen-Uniform durch die Gassen. Er traf einige seiner Kameraden auf dem Weg, die er mit einem kurzen Kopfnicken grüßte. Fast so, als wäre er selbst noch im Dienst. Doch er hatte einen anderen Auftrag.
Als er die hohen Mauern der Bastion erreichte, schlich er sich unauffällig hinein. Die Tore standen offen, nur von einer sichtlich gelangweilten Stadtwache bewacht. "Guten Abend, Leopold!" sagte Berthold. Leopold nickte knapp, ehe er die Bastion betrat. Leopold lief zügig und vorsichtig die gewohnten Wege entlang, immer darauf bedacht, keinen Lärm zu machen und nicht aufzufallen. Der Korridor zu den Amtsstuben war still, kein Geräusch war zu hören, außer dem eigenen Schritt und dem Knistern der Fackeln.
Leopold kam an der Tür einer Amtsstube an und versuchte, sie zu öffnen. Zunächst hatte er Schwierigkeiten, doch schließlich knackte das Schloss und er stieß die Tür auf. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er den Raum betrat, aber er verdrängte die unangenehmen Gedanken. Schnell begann er, die Pergamente zu durchsuchen. Aufzeichnungen über Bürger, die gegen das Gesetz verstoßen hatten, Strafzahlungen und manchmal auch Berichte über Verfolgungen oder Durchsuchungen. Es war viel Papier, und Leopold hatte das Gefühl, als würde die Zeit gegen ihn arbeiten.
Er suchte weiter, drehte sich immer wieder um, als ob er das Gefühl hätte, dass jemand bald den Flur betreten könnte. Doch nichts. Die Dokumente, die er brauchte, waren nicht dabei. Frustration breitete sich in ihm aus, doch gerade, als er aufgeben wollte, fiel sein Blick auf einen Schrank am Rande des Raumes. Er trat näher, öffnete ihn und fand ein weiteres Bündel Pergamente, das scheinbar noch nicht abschließend bearbeitet worden war.
Seine Hände zitterten leicht, als er die Dokumente durchging. Auf einigen der Pergamente war der Name 'Clagius' vermerkt. Endlich hatte Leopold gefunden, was er gesucht hatte. Ohne zu zögern, packte er die Dokumente und stopfte sie hastig in seine Tasche. Es war kein Moment mehr zu verlieren. Er eilte zur Tür, überprüfte noch einmal, dass niemand in Sicht war, und verließ die Amtsstube schnell.
Er nahm einen kurzen Umweg durch die Rüstkammern, wo er die Dokumente zusammen mit Lederriemen in einem Leinensack verstaute und diesen fest zuschnürte. Alles musste schnell und unauffällig gehen - und kaum hatte er das erledigt, eilte er wieder zurück auf den Korridor.
Leopold erschrak, als zwei seiner Kollegen plötzlich um die Ecke bog und ihn erblickten. Einen Moment lang hielt er den Atem an, doch dann zwang er sich, ruhig zu bleiben. "Guten Abend ihr Zwei! Habt ihr die Schicht endlich hinter euch gebracht?" fragte er und versuchte gelassen zu wirken. "Ach, die Schicht ist schon lange vorbei!" erwiderte Vincent. "Hierodius Lex hat mir ein paar Tricks im Umgang mit dem Schwert gezeigt. Das hat viel mehr Spaß gemacht, als mit diesen Rittern des Ordens." Leopold nickte anerkennend. "Sag mal, was hast du denn da?" fragte Vincent neugierig. "Ach das!" stotterte Leopold kurz. "Das sind alte Lederriemen, die ich eigentlich schon seit Tagen zum Sattler bringen sollte." Er versuchte, seine Stimme ruhig zu halten, ohne dabei zu viel zu betonen. "Ich wollte das erledigen, bevor ich nach Hause gehe."
Die beiden schauten sich kurz an, dann lachte Vincent auf. "Sei froh, dass du dich nur um die Lederriemen kümmern musst! Ich soll die ganzen Schulterplatten zum Schmied bringen. Weißt du, wie viele das sind!?" Vincent wartete keine Antwort ab und fügte hinzu: "Aber gut, wir wollten dich nicht aufhalten. Gute Nacht, Leopold."
"Gute Nacht!" antwortete er und setzte seinen Weg fort, als die beiden Kollegen sich abwandten. Er atmete tief aus, als er sicher war, dass sie nicht weiter misstrauisch geworden waren. Endlich war er wieder in den Fluren der Bastion auf dem Weg nach draußen.
Draußen angekommen, lief er wie selbstverständlich durch die Straßen. Sein Ziel war ein vereinbarter Übergabepunkt im Hafenviertel. Dort würde er die Dokumente verstecken und ein paar Tage darauf warten, dass an ihrer Stelle einige Münzen für ihn hinterlegt wurden.
Maximus
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Es war vermutlich keine gute Idee, Jacques in der Taverne auf seine Zukunftsaussichten in der Armee anzusprechen, musste der Kommandant im nach hinein einräumen. In Bierlaune, wer wollte es den Männern nach den Strapazen der Expedition verdenken?, war man nicht unbedingt in der richtigen Verfassung, wichtige Entscheidungen für sein Leben zu treffen. Nach einigen Paladinern, die hatte der Jüngling sicherlich intus, sagten sich manche Dinge leichter, und sogar Manches, was man bei klarem Verstand vielleicht nicht gesagt hätte. Deshalb war der Paladin sich nicht im Klaren, wie er das letztlich einordnen sollte, was Jacques freimütig und geradezu enthusiastisch von sich und seinen Einstellungen vortrug. Zumindest war Ulrich davon überzeugt, das der Jüngling aus voller Überzeug sprach und nicht wirr daherredete, das meiste hatte tatsächlich Hand und Fuß. Dennoch wollte der Paladin es nicht für bare Münze nehmen, das Jacques weiterhin unter seinem Kommando dienen wollte. Diese Entscheidung war vielleicht ein wenig voreilig getroffen und sicherlich nicht reiflich durchdacht, deshalb lehnte der Kommandant das Angebot des Jünglings vorerst ab. Er riet Jacques stattdessen, sich die Sache noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen zu lassen, bevor er sich endgültig entscheidet und stellte ihn bis auf weiteres frei.
Nach einer erholsamen Nacht, in einem der gemütlichen Zimmer in der Taverne und einem ausgiebigem Bad, lenkte der Paladin voller Elan, seine Schritte zielstrebig Richtung Zitadelle.
Nur wenig später schritt er den steinigen Flur entlang und klopfte schließlich an eine schwere Holztür, ein leises dumpfes „herein“, der Paladin öffnete die Tür und betrat Lord Hagens Dienstzimmer. Der Statthalter saß an einem Tisch, vor sich eine Menge Papierkram, er schaute kurz auf um zu sehen, wer gekommen war, „setz dich zu mir“ brummte Hagen, Ulrich folgte der Aufforderung. „Wie ich sehe bist du wohlauf“ bemerkte der Lord, während er einige Papiere übereinanderlegte, anschließend widmete er seine Aufmerksamkeit dem Kommandanten. „Was hast du zu berichten..., du warst ja einige Zeit unterwegs“ bemerkte Hagen, „ja, in der Tat war ich das“ murmelte Ulrich. „Nun, ich folgte meinen inneren Eingebungen, deshalb ergab sich auf dem Wege manches spontan, so verschlug es mich unter anderem ins Weißaugengebirge“ erklärte der Paladin. „Dort trafen wir auf Echsenmenschen und räumten sie aus dem Weg und suchten nach weiteren Brutstätten..., allerdings ohne Erfolg. Ich vermute das dennoch einige dieser Kreaturen existieren, meiner Einschätzung nach, stellen diese aber keine ernsthafte Bedrohung dar.“ führte der Kommandant weiter aus, Hagen nickte zufrieden.
„In Setarrif sieht die Lage schon anders aus, dort haben wir eine größere Zahl Festlandorks gesichtet, die offensichtlich mit einer orkischen Kriegsgaleere angelandet sind. Des weiteren haben sich noch einige einheimischer Orks in der verfallenen Stadt eingefunden. Nach ersten Beobachtungen scheinen sich die beiden Gruppen aus dem Weg zu gehen, zumindest kampieren sie in verschiedenen Lagern“, berichtete der Paladin. „Die Orks haben damit begonnen die Ruinen aufzuräumen und teilweise zu befestigen, das lässt nur den Schluss zu, das sie vorhaben sich dort längerfristig einzunisten“ fügte Ulrich noch hinzu. „Das sind keine guten Neuigkeiten“ brummte Hagen und schaute dabei seinem Gegenüber tief in die Augen, „wie ernst schätzt du die derzeitige Lage ein“ fragte der Lord gewohnt direkt. „Derzeit nicht bedrohlich, dafür ist die Anzahl der Orks zu gering“ antworte Ulrich voller Überzeugung. „Aber das wird vermutlich nicht so bleiben, es ist zu befürchten, das weitere Orks aus Übersee kommen und dann kann sich das Blatt schnell wenden“ mutmaßte der Kommandant offen. „Wir sollten die Orks auf alle Fälle weiter beobachten, ein Wachturm am Ostufer wäre vielleicht sinnvoll, im Umland patrouillieren würde für zusätzliche Sicherheit sorgen“ riet der Paladin ungefragt. Lord Hagen nickte zustimmend, „mehr hast du nicht von Setarrif zu berichten“ hakte der Statthalter nach.
„Nein..., leider nicht..., ich hatte nicht genug Männer dabei, um das Orklager genauer unter die Lupe zu nehmen, die Gefahr entdeckt zu werden war zu groß...“ antwortete Ulrich wahrheitsgemäß.
„Verstehe“ murmelte Hagen, „wie viele Männer stehen derzeit unter deinem Kommando?“ wollte der Statthalter wissen, „ein halbes Dutzend“ antworte Ulrich knapp. Hagen runzelte die Stirn und kratzte sich nachdenklich am Kinn, „du solltest deine Truppe verstärken..., wären 2 Dutzend Männer ausreichend?“, der Kommandant nickte. „Nur lassen sich in der Stadt oder dem Umland lassen sich nicht so viele gute, kampferprobte Männer finden“ gab Ulrich zu bedenken. „Auf dem Festland würde ich eher fündig werden, dort habe ich noch Kontakte zu ehemaligen Rebellen denen ich vertrauen kann“ dachte der Kommandant laut. „Das klingt vernünftig“ brummte Hagen, „gut, du hast alle notwendigen Befugnisse.., begib dich auf Festland und stell eine schlagkräftige Truppe zusammen“ wies der Statthalter an. „Aye Sir..., ich werde mich baldmöglichst auf den Weg machen“ erwiderte der Paladin und zog sich kurz darauf zurück...
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Das Tempelviertel, Alchemielabor
Thelyron stand an diesem Morgen früher als sonst auf, um den Laborraum vorzubereiten. Ein fahles Licht drang durch die schmalen Fenster des steinernen Gewölbes, das Feuermagier Ventros als seinen Alchemieraum nutzte. Während die große Stadt Thorniara noch in Dämmerung lag, zündete Thelyron sorgfältig die kleinen Wandfackeln an und ordnete Kolben, Mörser und Phiolen auf dem breiten Arbeitstisch. Der Duft von getrockneten Kräutern, Mineralpulvern und einer Spur alchemistischer Dämpfe hing in der Luft.
Als Ventros eintrat, war er in einen dunkelroten Umhang gehüllt, der seinen Rang als Feuermagier deutlich machte. Er steuerte zielstrebig auf einen schweren Eichenschrank zu, in dessen Schubladen und Fächern allerlei seltsame Ingredienzien lagerten. "Thelyron." sagte er mit ruhiger, aber fester Stimme, "bring die Dunkelpilze her. Wir werden heute ein besonderes Experiment wagen. Halte dich bereit, denn es wird mehrere Schritte erfordern und deine ganze Aufmerksamkeit beanspruchen."
Thelyron nickte eifrig und öffnete einen Leinenbeutel, in dem die Pilze lagen. Ihre dunklen Hüte und Stiele hatten eine gräulich-schwarze Färbung, die schon beim ersten Blick deutlich machte, dass es sich um eine hohe Qualität handelte. Er legte die Dunkelpilze in eine hölzerne Schale und nahm sie mit beiden Händen behutsam auf, um sie zum großen Alchemietisch zu tragen.
Ventros griff nach einem kleinen Mörser und gab ein paar getrocknete Kräuter hinein, die Thelyron als Schattensalbei erkannte. Dann deutete er auf einen Glaskolben, in dem eine klare Flüssigkeit schwappte. "Das hier..." erklärte der Feuermagier, "...ist eine Essenz aus destilliertem Regenwasser und dem Saft der Nachtwurzel. Sie ist sehr empfindlich, reagiert auf die geringste Veränderung. Sobald wir das Pulver daraus gewinnen, das wir aus den Dunkelpilzen ziehen, wird sich zeigen, ob unsere Theorie stimmt."
Mit einer präzisen Bewegung nahm Ventros drei der Dunkelpilze, schnitt sie in feine Scheiben und gab sie in einen weiteren Mörser. "Zerkleinere sie gründlich." wies er Thelyron an. "Doch sei vorsichtig, der Pilzstaub darf nicht zu viel Luftfeuchtigkeit aufnehmen, sonst ist er wertlos." Thelyron begann, mit dem Stößel rhythmisch Druck auf die Pilzscheiben auszuüben, bis sie sich in ein dunkelgraues Pulver verwandelten.
Ventros beobachtete ihn mit kritischem Blick, griff dann nach einem kleinen Phiolenständer und holte eine Fiole mit goldener Flüssigkeit hervor. "Das ist Konzentrat aus Flammenklee." sagte er. "Gib einen halben Löffel davon zu den Pilzen und verrühre es gleichmäßig." Thelyron tat, wie ihm geheißen. Das Pulver begann augenblicklich, eine schwache Hitze auszustrahlen, und ein feiner Rauch stieg auf.
"Genau wie erwartet..." murmelte Ventros zufrieden. Er griff sich eine Metallschale und stellte sie über einer kleinen Flamme auf den Alchemieofen. "Reiche mir bitte die Destille" verlangte er. Thelyron hob vorsichtig den bauchigen Glaskolben vom Tisch, in dem nun ein Gemisch aus Regenwasser-Essenz und Nachtwurzel schwappte, und befestigte ihn in dem dafür vorgesehenen Gestell über der Metallschale.
Behutsam streute Ventros das Pilz-Goldmischpulver in die warme Flüssigkeit. Sofort verfärbte sie sich erst golden, dann schlug sie in einen sanften Blauton um. Ein stechender Geruch erfüllte den Raum, und feine Blasen stiegen an die Oberfläche. "Beobachte die Flammen." wies Ventros an und drehte an einem kleinen Ventil. "Sie dürfen nicht zu heiß werden, sonst zerstört die Hitze unsere Essenz."
Thelyron justierte die Flamme mit dem Gebläse und sah fasziniert zu, wie die Flüssigkeit nun nach und nach ihre Farbe wechselte: von einem hellen Blau zu einem tiefen Purpur, ehe sie wieder ins Bläuliche zurückkehrte und schließlich klarer wurde. "Fantastisch!" staunte er "Das habe ich noch nie gesehen."
Ventros lächelte zufrieden. "Das ist das Zusammenspiel von Dunkelpilz-Substanz und Flammenklee in einem Medium, das auf magische Essenzen reagiert. Wenn wir es richtig machen, kann dieses Gebräu den Energiefluss in bestimmten magischen Kristallen verstärken. Die nächste Stufe wird sein, einen kleinen Kristall dazuzugeben."
Ehe Thelyron fragen konnte, hatte Ventros bereits einen glimmenden Kristallsplitter aus einer Holzkassette genommen und hielt ihn über den Kolben. "Wenn wir Glück haben..." sagte er mit leiser Begeisterung in der Stimme, "...erhalten wir einen hochkonzentrierten Trank mit heilenden Wirkungen, die weit über den Wirkungsgrad gewöhnlicher Heiltränke hinausgehen."
Mit einer geschickten Bewegung ließ der Feuermagier den Kristallsplitter in die brodelnde Flüssigkeit fallen. Ein zischendes Geräusch ertönte, als die Oberfläche aufflackerte wie eine kleine Stichflamme. Thelyron beugte sich vor, um ja nichts zu verpassen, und sah gebannt zu, wie die Flüssigkeit sich schlagartig in ein tiefes Violett verfärbte und Funken an der Oberfläche tanzten.
Einen Augenblick lang schien die Luft zu vibrieren, als entstehe ein magisches Feld. Dann beruhigte sich die Mischung wieder, und alles verfiel in eine beinahe spiegelglatte Stille. Nur ein leichtes Leuchten ließ erkennen, dass eine Reaktion stattgefunden hatte.
"Damit hätten wir den entscheidenden Schritt getan.", stellte Ventros fest. "Thelyron, mach dir Notizen über jeden einzelnen Farbübergang und die genaue Zeitspanne. Wir müssen diese Versuche wiederholen können."
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Die Marktschenke
Delvin Corgano saß zusammen mit dem Wirt der Marktschenke an einem Tisch nahe der knisternden Feuerstelle, die den Schankraum in ein gemütliches Halbdunkel tauchte. Auf dem Tisch lag nur noch ein kleiner Teller mit gepökeltem Fisch – ein kümmerlicher Rest aus dem einst vollen Fass, das Delvin vor einigen Tagen geliefert hatte. Der Großteil war längst verarbeitet, sodass nur noch diese wenigen Stücke verblieben.
Der Wirt, ein breit gebauter Mann mit wettergegerbtem Gesicht, schob sich ein kleines Stück in den Mund und kaute nachdenklich. "Also, für den Großteil der Gäste war das durchaus in Ordnung!" begann er zögernd. "Der eine oder andere hat gemault, ihm sei der Fisch zu salzig aber ich meine... das ist gepökelter Fisch."
Delvin lächelte höflich. "Es kann immer mal kleine Schwankungen geben. Natürlich arbeiten meine Leute daran, es konstant zu halten." Er versuchte, die Tatsache zu überspielen, dass er im Grunde nur einen einzigen Fischer unter Vertrag hatte. "Ich kann sicherstellen, dass künftig mehr Sorgfalt aufs Salzen gelegt wird, keine Sorge."
Der Wirt nickte, trommelte mit den Fingern auf der Tischkante. "Gut. Der Fisch hat sich jedenfalls gut verkauft, und mein Koch war zufrieden. Ich könnte mir vorstellen, dass wir langfristig zusammenarbeiten. Aber unser Bedarf schwankt. Seid Ihr im Stande, darauf zu reagieren und auch mal mehr zu liefern, als wir hier vielleicht vereinbaren?"
Delvin Corgano lehnte sich gelassen zurück und verschränkte die Arme: "Seid versichert, dass das kein Problem ist. Ich habe genügend Möglichkeiten, um auch kurzfristig zu reagieren." Die Formulierung klang bewusst vage. Er wusste, dass der Wirt nachbohren könnte, doch für den Moment hoffte er, dass ihm sein Gegenüber die schwammige Aussage abkaufte.
"Na schön!" brummte der Wirt. "Solange Ihr liefern könnt und nicht nur der Preis stimmt, sondern auch die Qualität. Vor Allem die Qualität! Ich habe hier gelegentlich Gäste aus der gutbetuchten Gesellschaft und die verlangen stets das Beste. Also wenn das klappt, werde ich frischen und gepökelten Fisch von Euch beziehen."
Delvin ließ die Fingerspitzen spielerisch aneinanderlegen. "Wir werden die Menge anpassen, sobald Ihr mir genaue Zahlen nenntt. Was meine Kapazitäten angeht…" Er schwieg kurz und fügte dann an: "Wie gesagt: Ich verfüge über ausreichende Möglichkeiten."
Der Wirt gab ein leises Grunzen von sich, wohl ein Zeichen der Zustimmung. "Dann sind wir uns einig. Eure erste Lieferung hat mir gezeigt und der Preis ist unschlagbar. Ich muss nur mit meinem Koch absprechen, welche Mengen er braucht. Ihr sollt ja wissen, wie viel Ihr uns bringen müsst – und vor allem wann." Delvin lächelte, doch er behielt sein kühles Auftreten. "Genau, gebt mir ein paar Tage Vorlauf, dann lässt sich alles regeln."
Einen Moment lang herrschte Schweigen, in dem beide über das Gesagte nachzudenken schienen. Schließlich griff der Wirt zu seinem Becher, trank einen Schluck Wasser und seufzte. "Jetzt mal was anderes. Die Stadt ist im Moment unruhig – findet Ihr nicht? Die Stadtwache scheint wieder härter durchzugreifen und es gibt Gerüchte, dass demnächst höhere Abgaben fällig wären..."
Delvin nahm einen Schluck aus seinem eigenen Becher. "Ich habe auch davon gehört. Es ist nicht gerade einladend, wenn man ständig mit einer Durchsuchung rechnen muss, einfach nur, weil man einen vollbeladenen Handkarren durch die Stadt ziehen lässt. Wer weiß schon, was hinter den Toren der Zitadelle vor sich geht..." erwiderte er und versuchte den Eindruck zu vermitteln, als wüsste er, wovon er spricht. Tatsächlich hatte Delvin Corgano keine Ahnung, ob die Stadtwache tatsächlich wachsamer war oder welche Interessen der Orden verfolgte. Er konzentrierte sich auf seine Geschäfte und hatte bisher wenig Berührungspunkte mit alledem, was die Hafenstadt angeblich so sehr prägte.
Der Wirt nickte langsam. "Ich hoffe nur, dass die Sache nicht wieder eskaliert. Der Aufstand im Hafenviertel... das war wirklich keine schöne Zeit! Ganz zu schweigen von dem Versorgungsengpass, der uns hier viele Monate im Griff hatte."
Delvin lächelte dünn: "Nun..." sagte er schließlich, "Wir werden uns anzupassen wissen. Solange wir beide unseren Teil beitragen, sollte unsere Zusammenarbeit reibungslos funktionieren, auch wenn uns die Stadt und ihre Herrscher ein paar Steine in den Weg legen sollten."
Der Wirt stellte seinen Becher ab, schlug mit der flachen Hand leicht auf die Tischplatte und hielt sie Delvin Corgano hin "Abgemacht. Wir sprechen uns in ein paar Tagen. Ich will Euch dann konkrete Mengen nennen und Ihr bringt mir vielleicht noch ein kleines Probe-Fässchen, wenn’s nicht zu viel verlangt ist." Delvin nickte. "Klingt nach einem Plan. Auf gute Geschäfte, wie gehabt." Beide Männer schüttelten sich die Hände.
Beide standen fast gleichzeitig auf, und während der Wirt zurück hinter den Tresen ging, machte sich Delvin daran, die Marktschenke zu verlassen. Kaum war er draußen auf der Straße, zog er ein sauberes, weißes Tuch aus der Tasche und rieb sich damit die Hände ab. Ein unwilliges Zucken lief über sein Gesicht. Diese heruntergekommene Absteige, die man in Thorniara als Gasthaus bezeichnete, war eine Beleidigung für einen Mann seines Standes.
Geändert von Maximus (13.01.2025 um 22:58 Uhr)
Grund: Korrektur der Anrede
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Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen
Erik, Torgar und Antonio saßen mittags in der Gesindekammer um einen schlichten Holztisch herum, vor ihnen dampfende Schalen mit Eintopf. Das Knistern des Feuers in der kleinen Küche nebenan und das gelegentliche Klappern von Geschirr waren die einzigen Geräusche, die den Raum erfüllten. Während sie aßen, unterhielten sie sich mit gedämpfter Stimme, stets darauf bedacht, nicht zu laut zu werden.
"Ich frage mich wirklich, wer diese Frau ist..." begann Erik mit nachdenklichem Ton, den Löffel noch in der Hand. "Sie tauchte einfach auf und seitdem sieht man sie immer mal wieder durch das Anwesen gehen." Antonio, der neben ihm saß, nickte nur. "Sie ist jedenfalls keine Dienerin. Dienerinnen rennen normalerweise nicht mit so selbstverständlicher Miene durch die Flure, als wäre es ihr Anwesen."
Torgar stimmte zu, während er ein Stück Brot in den Eintopf tunkte. "Ich habe vorhin beobachtet, wie sie einem der neuen Diener herumkommandiert hat. Und das nicht gerade höflich. Das war schon merkwürdig!" Antonio räusperte sich leise, bevor er anmerkte: "Ach, das sind doch gar keine richtigen Diener. Die Art, wie sie sich bewegen, wie sie miteinander reden... Das erinnert mich eher an Ordensritter oder etwas in der Art."
Das ließ Erik aufhorchen: "Meinst du, der Burggraf hat Ordensritter für seinen Schutz bekommen?" Da lachte Antonio kurz auf: "Na ich glaube kaum, dass die Feuermagier so großzügig sind und ihm ein paar Ritter geschenkt haben."
In diesem Moment trat Leptin ein, erschöpft von den morgendlichen Küchenarbeiten, und ließ sich neben ihnen auf die Bank sinken. "Worüber sprecht ihr?" fragte er beiläufig, während er sich etwas vom Eintopf nahm. "Es geht um diese Frau im Anwesen. Wir sind uns alle einig, dass sie keine Dienerin ist, aber was sie genau hier tut, versteht keiner." antwortete Antonio.
Leptin musterte die drei kurz, rührte in seinem Teller und nahm einen Bissen vom Brot. "Ich habe sie auch nur flüchtig gesehen. Keine Ahnung, wer sie ist... Aber für uns alle ist es gesünder, wenn wir uns nicht das Maul über sie zerreißen. Wir werden schon früh genug erfahren, wer die Frau ist..."
Erik und Torgar sahen sich enttäuscht an, während Antonio nur mit den Schultern zuckte. Sie hatten sich mehr Aufschluss erhofft. Stattdessen saßen sie nun wieder ratlos vor ihren Eintopfschalen, getrieben von einer Neugier, die vorerst nicht gestillt würde.
Maximus
Geändert von Die Bürger (07.01.2025 um 23:30 Uhr)
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Die Bastion
Früh am Morgen, noch vor dem ersten Sonnenstrahl, schritt Hierodius Lex durch das große Portal der Bastion. Der Korridor wirkte verlassen, nur das leise Knistern der Fackeln war zu hören. Er ging den Gang hinunter, bis er eine der Rüstkammern erreichte. Die hölzerne Tür quietschte, als er sie öffnete. Im Inneren fand er Addvar und Theodor vor, die in gedämpften Stimmen miteinander sprachen.
"Guten Morgen, ihr beiden!" grüßte Hierodius Lex und trat zu ihnen, um nach seiner Uniform zu greifen. Er fuhr mit der Hand über den frischen Stoff, während er darauf wartete, dass jemand das Gespräch fortsetzte. Addvar räusperte sich und sah Hierodius dann mit wachsamem Blick an. "Hierodius, hast du’s schon gehört?" Er schüttelte den Kopf, hielt kurz in seiner Bewegung inne. "Nein, was gibt’s?" Addvar holte tief Luft. "Jemand ist in eine der Amtsstuben eingebrochen. Muss letzte Nacht passiert sein. Der Weibel will später die Kameraden der Nachtwache befragen."
Hierodius Lex hob eine Augenbraue. "Ein Einbruch? Hier in der Bastion?" Er griff zu seinem Brustharnisch und begann, die Riemen festzuziehen. "Ich war gestern Abend noch mit Vincent draußen zum Training. Uns ist nichts Auffälliges untergekommen. Danach sind wir Leopold begegnet, der gerade seine Schicht beendet hat. Wenn also etwas vorgefallen sein sollte, war’s vermutlich danach." Theodor nickte zustimmend, ohne den Blick vom Boden zu heben. "Vermutlich ist das Ganze ziemlich spät oder sehr früh passiert, als fast niemand hier war."
Hierodius Lex schob seinen Arm durch den Ärmel seines Uniformrocks. "In den Morgenstunden ist es hier oft ruhiger, weil die Nachtwache bald abzieht und die Tagwache noch nicht voll angetreten ist. Ein guter Moment für sowas..." Er seufzte leise. "Wenn das die Bürger erfahren... Einbruch in der Bastion. Da werden wir doch zum Gespött der Stadt!"
Er rief sich die Begegnung mit Vincent ins Gedächtnis und das darauf folgende Training. Ihr nächtlicher Übungsplatz war der Vorplatz zur Bastion gewesen, gut einsehbar und auch der einzige direkte Zugang zur Bastion. Es gab noch einen seitlichen Eingang aber der war fest verriegelt. Wenn es tatsächlich einen Einbruch während ihrer Anwesenheit gegeben hätte, hätten sie etwas bemerkt. Oder waren sie vielleicht zu sehr mit ihrem Training beschäftigt und der Einbrecher konnte einfach so an ihnen vorbeispazieren?
"Der Weibel will bestimmt mit jedem reden, der gestern Nacht hier war." stellte Addvar nüchtern fest und klopfte Hierodius auf die Schulter. "Zieht euch warm an. Könnte ein langer Tag werden."
Hierodius Lex schloss die letzte Schnalle an seinem Brustharnisch, richtete den Kragen und sah die beiden Kameraden an. "Also schön. Ich mache mich dann bereit – mal sehen, was der Tag bringt." Mit diesen Worten verließen sie die Rüstkammer, während die Fackeln flackernd gegen die kühle Morgenluft ankämpften und das unheilvolle Gefühl in der Bastion spürbar wurde: Irgendjemand hatte sich in der Nacht Zutritt verschafft, und nun galt es, das Rätsel zu lösen.
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Jonathan atmete die kühle Luft ein, als er an jenem frühen Nachmittag den Handkarren aus dem Innenhof zog. Darauf thronten zwei reparierte Wagenräder, deren hölzerne Speichen vom Wagner ausgebessert worden waren. Mit klammen Fingern umschloss er den Griff des Karrens - er hatte den Auftrag erhalten, wie Wagenräder zur Schmiedin Mina Argon zu bringen, die in der Vergangenheit bereits einige kleine Reparaturaufträge für das Handelskontor übernommen hatte.
Die Straßen waren nicht so belebt wie sonst um diese Uhrzeit, denn viele Menschen hatten sich in den wärmeren Schutz der Häuser zurückgezogen. Dennoch kämpfte sich Jonathan durch die engen Gassen des Händler- und Handwerkerviertels, in denen das Kopfsteinpflaster stellenweise mit einer dünnen Schicht von Nässe überzogen war.
Schließlich erreichte er die kleine Schmiede, an der ein verwittertes Schild in Form eines Ambosses hing. Er stellte den Karren ab, klopfte energisch an die Tür und rüttelte am Griff. Doch es war abgeschlossen. Neugierig spähte er durch die trüben Fensterscheiben: Nirgendwo war Licht zu sehen, keine Werkzeuge oder glimmende Kohlen, die auf frische Arbeit hindeuteten. Ratlos versuchte er, einen zweiten Eingang zu finden, als plötzlich ein älterer Mann um die Ecke bog. Er trug eine Holzkiste mit frisch duftenden Brotlaiben, die er offenbar vom Marktplatz herüberbrachte.
"Sucht Ihr vielleicht Mina?" fragte der Mann mit einem milden Lächeln. Jonathan wandte sich rasch um. "Ja, das tue ich. Ich habe ein paar Wagenräder zur Reparatur dabei." Der ältere Herr schüttelte bedauernd den Kopf. "Mina hab ich schon seit Monaten nicht mehr gesehen. Damals verabschiedete sie sich recht überstürzt – irgendwas von dringenden Arbeiten außerhalb der Stadt. Niemand weiß, wohin sie gegangen ist oder ob sie jemals zurückkehrt."
Jonathan nickte betrübt, dann verabschiedete er sich höflich und griff wieder nach dem Handkarrens. "Danke für die Auskunft..." murmelte er. Er zog die Räder zurück in Richtung Handelskontor, vorbei an klappernden Kutschen und geschäftigen Händlern, die trotz der feuchten Kälte ihre Waren außerhalb der Geschäfte präsentierten. Hin und wieder warf er einen nachdenklichen Blick auf unfertigen Wagenrädern.
Er überlegte, die Räder einfach zu einem anderen Schmied zu bringen, entschied sich dann aber doch dafür, besser zum Handelskontor zurückzukehren und Pregorius Amiel zu fragen. Dort war es ungewohnt ruhig, keine Spur mehr von der Hektik der letzten Tage. Pregorius Amiel hatte den Schreibtisch voller Papiere, war jedoch wie immer fokussiert bei der Arbeit. Kaum erblickte er Jonathan, zog er fragend eine Augenbraue hoch. "Du bist aber schnell wieder hier, Jonathan. Was ist passiert?"
Der Dienstbote seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. "Die Schmiedin Mina ist fort. Keiner weiß so recht, ob sie zurückkehren wird." Pregorius runzelte die Stirn und zog ein dickes Buch aus seinem Regal hervor. Er blätterte rasch durch die Seiten, in denen verschiedene Handwerksbetriebe der Stadt vermerkt waren. Schließlich strich er mit dem Finger über einen Eintrag. "Hier. Schmied Lothgar. Er ist nicht allzu weit von hier entfernt und versteht sich auf Metallarbeiten dieser Art. Nimm die Wagenräder und geh zu ihm. Vielleicht kann er sie fertigstellen."
Jonathan nickte, sichtlich betrübt darüber, die Wagenräder nun wieder durch die Stadt ziehen zu müssen. Pregorius übergab ihm eine kleine Notiz, auf der der Standort von Lothgars Schmiede vermerkt war. "Geh sofort los. Ich möchte nicht, dass sich das weiter verzögert. Wir haben keine Ersatzräder mehr."
"Natürlich, Herr Amiel." sagte Jonathan. Er nahm die Notiz an sich und verließ das Kontor. Draußen spannte sich erneut vor den Handkarren und verschwand wieder in den kühlen Gassen der Stadt.
Maximus
Geändert von Maximus (13.01.2025 um 22:49 Uhr)
Grund: Dopplung entfernt
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Lehrling
Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen
Athera hatte das gesamte Anwesen durchquert, von den repräsentativen Räumen bis zu den entlegenen Kammern, die kaum jemand betrat. Während sie jeden Flur in Augenschein nahm, jede Nische prüfte und hinter jede Tür blickte, notierte sie mit fließender Hand einzelne Punkte auf einem Pergament. Manch einer der vorbei hastenden Diener wagte es nicht, sie dabei anzusprechen. Die Ernsthaftigkeit in ihrem Blick, das konzentrierte Schweigen – all das ließ erkennen, dass sie mit wichtigeren Dingen beschäftigt war.
Sie hielt immer wieder kurz inne, betrachtete Fensterrahmen, Türschlösser und unauffällige Stellen in den Wänden. Ihre Liste wuchs mit jeder Ecke, die sie untersuchte. Manche Anmerkungen waren schlicht: "Fenster vergittern" oder "Bolzen verstärken". Andere vermerkte sie mit ihrer charakteristisch knappen Art: "Versteckter Dolch nötig". Sie dachte an Notsituationen, in denen ein einziger Augenblick entscheiden konnte. Ein Dolch griffbereit in einer Wandnische oder hinter einem Wandteppich konnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.
Als Athera schließlich die letzte Tür geschlossen hatte und den Kohlestift in ihre Tasche steckte, trat sie zurück in den langen Flur, von dem sie den Hofmeister meist kommen und gehen sah. Der Schein einiger Öllampen warf flackernde Schatten an die Wände, während sie weiterging. Sie fand den Hofmeister schließlich vor einem hohen Bücherregal, das er gerade nach einem ganz bestimmten Buch zu durchsuchen schien. Als er sie bemerkte, wandte er sich ihr zu, die Stirn leicht gerunzelt, doch er schwieg. Mit einer ruhigen Bewegung überreichte sie ihm das Pergament. "Setzt das um." sagte sie knapp, die Worte fielen wie ein klares Kommando.
Adalbert sah sie an und nahm das Dokument entgegen. Seine Stirn legte sich in Falten, während er die handgeschriebenen Notizen überflog. "Ist das nicht ein wenig... viel?" fragte er zögernd, während er versuchte, den Umfang der geplanten Maßnahmen zu erfassen. "Muss es wirklich so umfassend sein?"
Doch Athera hatte sich bereits abgewandt und lief mit unverändertem Schritt weiter, den Blick auf den nächsten Flur gerichtet. Ihre Absätze klackten leise auf dem Holz. Der Hofmeister blieb alleine zurück, das Pergament in der Hand, den Kopf voller Fragen.
Geändert von Maximus (13.01.2025 um 22:50 Uhr)
Grund: Korrektur
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Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen
Wie an den meisten Tagen, saß der Burggraf in seinem Arbeitszimmer und beugte sich konzentriert über eine Vielzahl von Unterlagen. Es waren Listen, Tabellen und Notizen – allesamt mit Zahlen und Kalkulationen, die notwendig waren, um den bevorstehenden Handel mit dem Fürstentum Caldera vorzubereiten. Wenn alles planmäßig verlief, sollte schon bald ein Vertreter von dort in Argaan eintreffen, um persönlich mit dem Großhändler die Konditionen für den neuen Vertrag auszuhandeln. Noch einmal überflog der Burggraf die Bedarfslisten, die Markom jüngst um die Anforderungen der beiden Lebensmittelhändler Matthias und Markus erweitert hatte.
Gerade als er eine Anmerkung über den Bedarf von Roheisen machte, klopfte es an der Tür und Adalbert betrat das Arbeitszimmer. Maximus, der seine Konzentration ungern unterbrach, atmete innerlich auf – er würde es nicht zugeben, doch ein Moment der Ablenkung war eine willkommene Abwechslung vom Zahlenwerk.
Adalbert trat vor den Tisch, den Kopf leicht geneigt. "Euer Gnaden, ich habe soeben eine Liste von Athera erhalten. Sie hat mir aufgetragen, den Inhalt in die Tat umzusetzen. Angesichts des Umfangs erscheint es mir aber geboten, dies vorher mit Euch zu besprechen. Er legte ein Pergament auf den Schreibtisch, wo Maximus es neugierig musterte.
Der Burggraf nahm das Papier auf und überflog die Inhalte. Darauf verzeichnet waren vor allem Anweisungen zur Sicherung von Fenstern und Türen und die Einrichtung von Waffenverstecken im Anwesen. Maximus zog nur leicht eine Augenbraue hoch. "Athera ist für die Sicherheit verantwortlich." sagte er mit ruhiger Stimme, während er die Liste wieder an Adalbert zurückgab. "Wenn sie möchte, dass diese Dinge umgesetzt werden, werden sie umgesetzt. Sorgt dafür, dass alles in ihrem Sinne geschieht."
Adalbert verbeugte sich, um seine Zustimmung zu signalisieren. Er machte bereits einen Schritt zur Tür, als ihm noch etwas in den Sinn kam. Vorsichtig wandte er sich erneut an den Burggrafen. "Euer Gnaden, verzeiht. Da ist noch eine Sache: Die Dienerschaft fragt sich, wer diese Frau ist und welche Aufgabe sie hat. Was soll ich ihnen antworten?"
Maximus überlegte für einen Moment, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete den Hofmeister. Dann antwortete er mit ruhiger Bestimmtheit: "Richtet ihnen aus, dass Athera für die Sicherheit unseres Adelshauses verantwortlich ist. Wenn sie spricht, ist es so, als würde ich sprechen. Das wird genügen."
Adalbert verneigte sich erneut, nahm die Liste sorgfältig an sich und verließ das Arbeitszimmer, während Maximus den Blick wieder über seine Handelsdokumente gleiten ließ. Die nächsten Wochen und Monate würden ereignisreich werden und der Burggraf hatte noch viel zu tun, um den Erfolg seiner Unternehmung zu gewährleisten.
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Die Zitadelle
Markom bewegte sich mit gewohntem Selbstbewusstsein durch die hohen Hallen der Zitadelle. Der Stapel Dokumente in seinen Armen war sorgfältig geordnet – jedes Blatt hatte seine Bedeutung, jedes Schreiben war ein Werkzeug, um die Interessen des Burggrafen bestmöglich durchzusetzen. Er hatte diese Gänge schon oft im Namen der Händlergilde durchschritten und wusste genau, wie das Spiel gespielt wurde. In Thorniara galten Gesetze nur so lange, wie sie sich nicht mit den Interessen der richtigen Leute kreuzten – oder bis jemand einen passenden Ausgleich fand.
Er betrat das Amtszimmer von Stadtverwalter Simon, ohne eine Spur von Unsicherheit zu zeigen. Der Raum war schlicht eingerichtet, aber zweckmäßig – ein massiver Holztisch stand zwischen ihm und Simon, an den Wänden hingen Karten der Stadt und der umliegenden Gebiete. Simon, ein Mann mit kühlem Blick und einem müden Ausdruck, nahm die ihm vorgelegten Dokumente entgegen und begann mit skeptischer Miene darin zu blättern.
Markom wartete einige Momente, dann lehnte er sich leicht nach vorne und begann in einem wohlgesetzten, hochtrabenden Tonfall zu sprechen: "Herr Stadtverwalter, ich bin sicher, Ihr stimmt mir zu, dass Verwaltungsprozesse in Thorniara auf dem Fundament der bestehenden Rechtsordnung beruhen. Eine Ordnung, die geschaffen wurde, um den reibungslosen Handel, das Eigentumsrecht und das Wachstum der Stadt zu gewährleisten. Doch was ich hier sehe, widerspricht all diesen Grundsätzen. Die von der Zitadelle aufgestellten Anforderungen entbehren nicht nur der gesetzlichen Grundlage, sie stehen in direktem Widerspruch zu den etablierten Regelwerken der Stadt. Es ist schlichtweg nicht hinnehmbar, dass Verzögerungen künstlich erzeugt werden, indem Vorschriften eingeführt werden, die vorher nie existierten. Wir alle wissen, dass Thorniara eine Stadt des Handels ist – sie blühte auf, weil Kaufleute, Handwerker und Unternehmer die Möglichkeit hatten, Eigentum zu erwerben, zu investieren und zu expandieren. Diese Praxis willkürlich einzuschränken, bedeutet nicht nur eine Abkehr von den Prinzipien, auf denen Thorniara aufgebaut wurde, sondern auch eine Gefahr für zukünftiges Wachstum. Ich bin überzeugt, dass die Zitadelle selbst kein Interesse daran haben kann, wirtschaftlichen Stillstand oder eine unnötige Verknappung von Eigentum zu fördern. Und doch wird hier genau das getan."
Simon hörte sich den Monolog ohne erkennbare Reaktion an, blätterte weiter durch die Unterlagen und ließ schließlich ein leises Schnauben hören. "Für einen Ausländer genießt der Burggraf bereits mehr als genug Annehmlichkeiten..." erwiderte er schließlich mit sichtbarem Desinteresse. Markom setzte eine ernste Miene auf und entgegnete mit ruhiger Stimme: "Der Burggraf ist kein Ausländer mehr, Herr Stadtverwalter. Er hat bereits vor Jahren eine Reichsbürgerurkunde erhalten. Damit ist er rechtlich einem jeden Bürger dieser Stadt gleichgestellt, einschließlich des uneingeschränkten Erwerbs von Eigentum."
Simon legte die Dokumente beiseite, verschränkte die Arme und musterte Markom mit einem dünnen Lächeln. "Eine solche Urkunde macht ihm zum Bürger. Aber er bleibt ein Ausländer. Noch dazu aus einem Königreich, das keine nennenswerten Beziehungen zum König von Myrtana pflegt." sagte er träge. "Die Maßstäbe hier in Thorniara haben sich geändert, seit der Orden die Infrastruktur übernommen hat."
Er machte eine vage Handbewegung. "Der Burggraf ist bereits einer der größten Eigentumseigner in der Stadt. Sein Einfluss wächst stetig – und die Zitadelle hält es nicht für erstrebenswert, wenn dieser Einfluss weiter zunimmt." Markom ließ sich von dieser Antwort nicht aus der Ruhe bringen. Er wusste, dass dies nur eine Hinhaltetaktik war. Bürokraten wie Simon schufen Probleme, um später Lösungen anbieten zu können – zu einem Preis. Er richtete seinen Blick fest auf den Stadtverwalter. "Wir wissen doch beide, welches Spiel hier gespielt wird. Nennt uns die Bedingungen..."
Simon zog eine Braue hoch, sagte jedoch nichts. Er griff in eine Schublade, zog ein Pergament hervor und legte es mit ruhiger Bewegung auf den Tisch. Es war offensichtlich vorbereitet worden, lange bevor Markom das Amtszimmer betreten hatte. "Hier sind die Bedingungen." sagte er, während er sich zurücklehnte und seine Hände vor sich verschränkte.
Markom griff nach dem Dokument und überflog es mit prüfendem Blick. Es war keine Überraschung: Eine beträchtliche Summe war als Investition in die städtische Infrastruktur vorgesehen, fein säuberlich aufgeteilt auf die verschiedenen Viertel der Stadt. Es war ein wohlkalkulierter Vorschlag. Kein Beamter würde sich offen gegen Investitionen in die Stadt aussprechen – und doch war es eine rein taktische Forderung. Jeder wusste, dass solche Summen letztlich dazu dienten, andere Interessen zu fördern, Projekte zu sichern und Abhängigkeiten zu schaffen.
Markom ließ das Pergament einen Moment auf dem Tisch ruhen. Er wusste genau, dass der Burggraf sich auf eine solche Abmachung nicht einlassen würde, wenn sie ihm nicht mehr bot als das bloße Recht, weiteres Eigentum zu erwerben. Der Burggraf kaufte keine Genehmigungen – er investierte nur, wenn es ihm langfristig Nutzen brachte.
Mit einer ruhigen Bewegung schob Markom das Pergament wieder über den Tisch zurück zu Simon. "Eine solche Summe..." begann er in einem sachlichen Ton "...könnte gerechtfertigt sein. Aber nicht, wenn der einzige Gegenwert die Möglichkeit ist, weiteres Eigentum zu erwerben. Ein Recht, das dem Burggrafen eigentlich schon längst zusteht."
Simon hob eine Braue, ließ ihn aber gewähren.
"Der Burggraf wird sich darauf einlassen, wenn mit dieser Investition ein handfester Vorteil für ihn verbunden ist." fuhr Markom fort. "Wir sprechen über das Forstrecht. Der Burggraf benötigt Zugang zu eigenen Holzressourcen und Jagdgründen. Deshalb fordere ich die Nutzungsrechte für ein Gebiet von zwei Wegstunden im westlichen Argaan."
Simon atmete hörbar durch die Nase aus und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. Seine Finger trommelten langsam auf die Armlehne. Es war offensichtlich, dass er über die Forderung nachdachte – nicht, weil sie absurd war, sondern weil er nun abwägen musste, wie viel Spielraum er hatte. Nach einer kurzen Pause schüttelte er den Kopf. "Zwei Wegstunden? Das ist eine beachtliche Fläche. Höchstens eine halbe Wegstunde kann ich anbieten."
Markom ließ sich keine Emotion anmerken, als er den Kopf schüttelte. "Das ist zu wenig!" Simon sah ihn lange an. Schließlich seufzte er und hob eine Hand. "Eine Wegstunde. Nicht mehr - und dafür verpflichtet sich der Burggraf, abseits von den dafür fälligen steuerlichen Abgaben die Hälfte des gefällten Holzes und ein Drittel des erlegten Tieres an die Stadt zu liefern." Markom neigte leicht den Kopf. "Eine Wegstunde ist akzeptabel. Auch gegen das Holz ist nichts einzuwenden aber was das Wild betrifft. Maximal ein Viertel davon." Wieder seufzte Simon: "Na gut, ein Viertel!"
Simon nahm das Pergament wieder an sich und ließ seinen Blick noch einmal über die Zahlen gleiten. Dann legte er es beiseite und rieb sich kurz die Schläfen. "Ich muss diese Angelegenheit mit den entsprechenden Stellen besprechen." erklärte er. "Ich lasse Euch Bescheid geben, sobald eine Entscheidung gefallen ist."
Markom erhob sich langsam und strich seine Kleidung glatt. Er nickte knapp. "Wir werden auf Eure Nachricht warten, Stadtverwalter." Ohne weitere Worte nahm er seine Unterlagen an sich und wandte sich zum Gehen. Während er die Tür hinter sich schloss, lag ein zufriedenes Lächeln auf seinen Lippen. Simon mochte noch überlegen müssen – aber Markom wusste, dass die Entscheidung längst gefallen war.
Maximus
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Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen
Die Abendsonne tauchte das Arbeitszimmer in ein warmes Licht, als Maximus sich schließlich zufrieden in seinem Stuhl zurücklehnte. Unzählige Pergamentbögen, auf denen fein säuberlich Kalkulationen und Klauseln für das anstehende Treffen mit dem Fürstentum Caldera notiert waren, lagen vor ihm. Jede Eventualität war bedacht, jedes Detail ausgearbeitet. Die Liste möglicher Kompromisse, die er in der Verhandlung eingehen konnte, hatte er bereits auf die wesentlichen Punkte reduziert.
Ein leichter Duft von Wachs und Tinte vermischte sich mit dem von frisch aufgebrühten Tee. Maximus erhob sich, eine feine Porzellantasse in der Hand, trat zum Fenster und ließ den Blick über die Dächer von Thorniara schweifen. Der Tag mochte sich seinem Ende neigen, doch das Gefühl, seine Geschäfte im Griff zu haben, belebte ihn mehr als die untergehende Sonne.
Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, als er daran dachte, wie präzise seine Dokumente und Ausarbeitungen die Bedingungen den Gesandten des Fürstentums gegenüber vorgeben würden. Niemandem würde entgehen, dass er Herr der Lage war – und genau das war sein Ziel. Zweifellos war es ein Spiel mit dem Feuer aber wer gewinnen wollte, musste auch bereit sein, etwas dafür zu riskieren.
Es klopfte an der Tür und Markom betrat den Raum. Der kurzfristige Termin, den Markom in der Zitadelle wahrgenommen hatte, fand offenbar schneller ein Ende, als es der Burggraf erwartet hatte. Maximus setzte seine Teetasse ab, kehrte zu seinem Stuhl am Schreibtisch zurück und wartete, bis Markom sich in respektvollem Abstand postiert hatte.
"Das Gespräch mit einem der Stadtverwalter verlief, wie erwartet." Er zögerte kurz, dann fuhr er fort: "Sie verlangen eine beachtliche Summe als Investition in die städtische Infrastruktur. Nur unter dieser Bedingung würden sie genehmigen, dass Ihr weiteres Eigentum in Thorniara erwerbt."
Maximus setzte sich nachdenklich auf seinen Stuhl und legte die Fingerkuppen aneinander. Die Abendsonne fiel in warmen Bahnen ins Zimmer, doch in seinem Blick lag bereits ein kühles Kalkül. "So so! Sie wollen also noch mehr Geld von mir. Reichen ihnen die Abgaben nicht mehr, die ich ohnehin zu zahlen verpflichtet bin." wiederholte er gedankenvoll, ehe er Markom ein kurzes Zeichen gab weiterzusprechen.
Markom räusperte sich, als er fortfuhr: "Ich habe dem Stadtverwalter klargemacht, dass es nicht allein um die Erlaubnis gehen könne, weiteres Eigentum zu erwerben. Eine Investition von solcher Größe muss natürlich auch Nutzen für Euch bringen." Er legte ein Pergament auf den Schreibtisch und ließ den Blick kurz darüber schweifen. "Daher habe ich ein Forstrecht im westlichen Argaan gefordert, und zwar für ein Gebiet, das sich über zwei Wegstunden erstreckt."
Maximus nickte leicht, sein Blick noch immer auf Markom gerichtet. "Und was hat die Zitadelle dazu gesagt?" Markom verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. „Der Stadtverwalter ließ sich auf eine Wegstunde ein, wollte sich das aber noch genehmigen lassen. Kein endgültiges Ergebnis, aber ein Kompromiss, der Euch weiteren Handlungsspielraum im eigenen Exportgeschäft gibt."
Der Burggraf lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. "Ich möchte eigentlich nicht einen Kupferling mehr an den Orden zahlen als ich ohnehin schon durch Steuern und Zölle leisten muss. Welche Möglichkeiten bestehen, diese Vereinbarung im Nachhinein zu umgehen, ohne sie direkt zu brechen?"
Markom trat einen Schritt näher an den Schreibtisch, auf dem das Pergament mit seinen Notizen lag, und klopfte mit dem Finger auf ein paar Zeilen. Seine Stimme blieb ruhig und sachlich, doch in jedem Wort schwang die Gewissheit mit, dass er diesen Weg bereits mehrfach durchdacht hatte.
"Nun..." hob er an, "...es gibt verschiedene Ansätze, um die Vereinbarung im Nachhinein zu lockern oder abzuschwächen, ohne sie ganz zu brechen. Zum einen können wir die Summe der Investitionen an den Erfolg Eurer Geschäfte koppeln und vertraglich eine bestimmte Form der Erfolgsberechnung hinterlegen, die den wesentlichen Teil Eures Handels außer Acht lässt. Das würde den berechneten Erfolg schmälern und so auch die Höhe der Investition. In der Praxis kann das ganze Vorhaben damit so weit hinausgezögert werden, dass die Zitadelle kaum Nutzen daraus ziehen kann."
Er fuhr mit dem Finger zum nächsten Punkt auf seinem Papier. "Zum anderen besteht die Möglichkeit, bestimmte Bauprojekte, für die Ihr angeblich aufkommen wollt, in einer Art Flickwerk zu gestalten, sodass sie nie vollständig in Betrieb gehen. Beispielsweise kann man auf dem Papier umfangreiche Straßenarbeiten versprechen, in der Realität jedoch nur den notwendigsten Teil umsetzen und den Rest in unbestimmte Zukunft verschieben, weil für die Fertigstellung bestimmte Materialen importiert werden müssen, die dann nicht zur Verfügung stehen."
Maximus nickte leicht, sein Blick noch immer auf Markom gerichtet. "Ich verstehe. Dann setzen wir auf diese Taktik. Ich will nicht mehr an den Orden abtreten als unbedingt nötig. Warte, bis uns die Zitadelle eine endgültige Antwort gibt, und sorge dafür, dass wir vorbereitet sind, sobald sie zusagen."
Markom verneigte sich knapp. "Gut, so machen wir es!"
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Zitadelle, Kommandantur des Ordens
„Du bist also der Jungspund, den Ulrich in die Garde aufgenommen hat.“ Lord Oric lehnte sich zurück und musterte Jacques kritisch von Kopf bis Fuß. Der altgediente Paladin, rechte Hand Lord Hagens und Kommandant der Garde, wirkte nicht sonderlich beeindruckt. „Wenn du mich fragst, siehst du noch ziemlich grün hinter den Ohren aus. Aber man soll bekanntlich das Buch nicht nach dem Einband beurteilen, und wenn Ulrich sagt, du taugst was, dann glaube ich das. Er ist niemand, der sich mit Taugenichtsen abgibt. Also … willkommen in der Garde! Hier ist dein offizielles Aufnahmedokument.“
Er schob ein kleines Stück Pergament über den Tisch, das mit seiner Unterschrift und dem königlichen Siegel versehen war. Jacques deutete eine kurze Verbeugung an und nahm das Schriftstück an sich: „Vielen Dank, Sir! Ich gelobe, dass ich nicht weniger als mein Bestes geben werde, um meinen Pflichten gerecht zu werden!“ Und vielleicht wird mich Ulrich dann eines Tages doch wieder unter seinem Kommando dienen lassen…, fügte er in Gedanken hinzu. Dass der Kommandant es abgelehnt hatte, ihn weiterhin begleiten zu dürfen, hatte Jacques einen Stich versetzt. Aber er war entschlossen, sich davon nicht unterkriegen zu lassen und Ulrich seinen Wert zu beweisen.
Lord Oric nickte langsam. „Nicht weniger als das erwarten wir von allen Gardisten, Bursche.“ Er lehnte sich wieder zurück und tippte nachdenklich mit dem Kiel seiner Schreibfeder auf die Tischplatte. Jacques stand in gestraffter Haltung vor ihm und wartete darauf, entlassen zu werden, aber der Paladin war offenbar noch nicht fertig mit ihm.
„Über die Bedrohungslage bist du ja im Bilde“, fuhr Oric schließlich fort, „Schließlich warst du Teil von Ulrichs Expedition. Die Orks in Setarrif stellen vielleicht im Moment noch keine Gefahr für die Stadt selbst dar, aber das kann sich ändern, falls sie Verstärkung bekommen sollten. Und selbst in kleiner Anzahl können sie das Umland bedrohen, Bauernhöfe und Reisende überfallen. Wir müssen dem möglichst rasch begegnen. Kannst du reiten?“
Jacques wiegte den Kopf leicht hin und her: „Ich hab ab und zu auf unserer Rosi gesessen … unserem Ackergaul.“
Oric schnaubte verächtlich: „Ackergaul! Von sowas rede ich nicht, Bursche! Ich meine ein anständiges Pferd. Zumindest ein Reitpferd! Folgendes: Wenn wir das Umland mit den wenigen Männern, die uns zur Verfügung stehen, sichern wollen, müssen wir in der Lage sein, schnell zu reagieren. Das bedeutet, wir brauchen Berittene. Und wenn es zu größeren Auseinandersetzungen mit den Orks kommen sollte, dann werden wir erst recht auf eine schlagkräftige Reiterei angewiesen sein, wenn wir eine Chance auf den Sieg haben wollen. Leider haben wir derzeit nur eine Handvoll Ritter zur Verfügung, die den Kampf vom Pferderücken aus beherrschen, und das ist viel zu wenig.“ Ein dünnes Lächeln umspielte Orics Lippen. „Ich habe gehört, du willst unbedingt Ritter werden?“
Jacques spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht schoss, nickte aber. „Jawohl, ich … äh … das ist mein Traum, sozusagen …“
„Dann hör auf zu träumen und tu was dafür! ‚Ritter‘ kommt von ‚reiten’, nicht von ‚nasebohren und tagträumen‘. Das ist mein erster Befehl an dich als Gardist: Lerne, vom Pferd aus zu kämpfen! Verstanden? Wenn du das gebacken bekommst, wird der Orden dir ein Schlachtross zur Verfügung stellen und du hast einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zum Rittertum getan. Was natürlich noch lange nicht heißt, dass du aus dem Holz geschnitzt bist, aus dem man Ritter macht.“
„Verstanden, Sir! Äh … wer kann mir das denn beibringen?“
Oric zuckte nur desinteressiert mit den Schultern: „Selbst ist der Ritter. Betrachte es als Teil deiner Aufgabe, jemanden zu finden, der dich ausbildet. Das wäre dann alles, Gardist. Mit dem Ernennungsschreiben kannst du dir deine neue Ausrüstung beim Quartiermeister abholen, und dann weißt du, was du zu tun hast. Für Innos!“
Geändert von Jacques Percheval (10.01.2025 um 15:26 Uhr)
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Die Garderüstung fühlte sich sperrig und ungewohnt an. Dabei war der stählerne Brustpanzer nicht einmal das Problem, sondern die aus schwerem Stoff, Leder und Kettenanteilen zusammengefügte darunterliegende Rüstung wollte nicht so recht sitzen. Hier zu eng, dort zu weit – so fühlte es sich jedenfalls beim ersten Tragen an.
Jacques rollte die Schultern und rückte zum wiederholten Mal den Lederkragen zurecht. Ob er sich einfach nur daran gewöhnen musste? Wenn nicht, würde er jemanden finden müssen, der ihm die Rüstung anpassen konnte. Gab es einen Rüstungsbauer in der Garnison? Vermutlich schon, irgendwer musste die Rüstungen ja auch herstellen …
Jacques beschloss, sich bei Gelegenheit danach zu erkundigen. Bis dahin würde ihn eine etwas unbequeme Garnitur schon nicht umbringen. Sein Ziel für den heutigen Nachmittag war jedenfalls ein anderes: Die Stallungen.
Der Geruch von Pferdemist und Heu, der ihm entgegenschlug, als er das düstere Holzgebäude betrat, erinnerte Jacques an die Heimat. In der letzten Zeit hatte er nur selten an den Bauernhof zurückgedacht, auf dem er seine Kindheit verbracht hatte – dafür war er viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Aber nun, als ihm der intensive Stallgeruch in die Nase stieg, empfand er für einen Moment sogar ein wenig Heimweh. Wie es seinen Eltern wohl gehen mochte? Und seinen Brüdern? Er hatte keine großen Bedenken, dass sie den Hof auch ohne ihn problemlos bewirtschaften konnten. Trotzdem wäre es sicherlich schön, sie einmal wiederzusehen. Was sie wohl sagen würden, wenn er mit seiner nagelneuen Garderüstung bei ihnen auftauchte? Als er fortgezogen war, um Ritter zu werden, hatten sie ihn zwar herzlich verabschiedet und ihm alles Glück der Welt gewünscht, aber er wusste genau, dass sie hinter seinem Rücken über seine Pläne – seine ‚Spinnereien‘ – gelacht hatten. Ob sie noch immer lachen würden? Ein Ritter war er noch nicht, ja, aber auch zum Gardisten des Ordens Innos‘ schaffte es beileibe nicht jeder. Und Jacques hatte keineswegs vor, sich mit dem Rang eines Gardisten schon zufrieden zu geben …
Er schob die Gedanken an die Heimat beiseite und ließ den Blick durch die Stallungen wandern. Viele der Pferdeboxen waren leer, aber in einigen von ihnen standen dafür zum Teil umso prachtvollere Rösser. Das waren eindeutig keine Ackergäule oder Kutschpferde – das waren Tiere, die gezüchtet waren, um Krieger in die Schlacht zu tragen! Langsam ging Jacques die Boxen entlang und betrachtete die imposanten Pferde. Wem sie wohl jeweils gehören mochten?
Vor einem besonders beeindruckenden Schimmel blieb er stehen. Er konnte gar nicht anders, als das prächtige Pferd zu bewundern – seine breite Brust, die Muskeln, die unter dem glänzenden weißen Fell spielten. Es strahlte die Kraft, die Ruhe und das Selbstbewusstsein eines Kriegers aus, als bräuchte es nicht einmal einen Reiter, um in die Schlacht zu ziehen. ‚Zephir‘ stand auf einer Plakette, die an der Box angebracht war. Wem dieses Prachtexemplar wohl gehören mochte? Und ob er selbst einmal ein solches Tier würde reiten können?
„Eines nach dem anderen“, ermahnte sich Jacques selbst und riss sich von dem Anblick des imposanten Schlachtrosses los. Bevor er ein Tier wie dieses sein Eigen nennen durfte, musste er erst einmal lernen, sich überhaupt auf dem Rücken eines Pferdes zu halten, das nicht nur von einem Dritten am Zügel geführt langsam dahin trottete. Und genau deswegen war er eigentlich hergekommen – auf der Suche nach jemandem, der es ihm beibringen konnte!
Allerdings hatte er, abgesehen von den Pferden, niemanden entdecken können. Jacques wollte sich gerade wieder zum Gehen wenden, als er in einer der hinteren Boxen den Kopf eines Mannes hinter dem Rücken eines der Pferde auftauchen sah. Er war wohl gerade damit beschäftigt, das Tier zu striegeln und zu versorgen. Jacques zögerte nicht und ging zu ihm.
Der Mann war großgewachsen und hatte auffälliges, feuerrotes Haar. Er schenkte Jacques zunächst keine Beachtung, sondern kümmerte sich weiter um das Pferd – ein deutlich weniger ansehnliches Exemplar als der Schimmel, vor allem das fast menschlich anmutende Auge des gescheckten Tieres hatte irgendwie etwas beunruhigendes und Jacques versuchte unbewusst, seinem Blick auszuweichen.
Der Mann selbst trug unauffällige, praktische Kleidung. Wahrscheinlich einer der Stallknechte, vermutete Jacques. Was natürlich kein Grund war, ihn respektlos zu behandeln.
Der Gardist räusperte sich kurz und zog so die Aufmerksamkeit (wenn auch nicht unbedingt das Interesse) seines Gegenübers auf sich: „Verzeiht, guter Mann, aber … Wisst Ihr vielleicht, wer einem hier etwas über das Reiten beibringen könnte?“
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Das Hafenviertel
Die Kogge des Burggrafen lag bereits wieder seit mehreren Wochen im Hafen von Thorniara vor Anker. Der feuchte Wind der Küste hatte das Schiff nicht verschont. In den letzten Jahren war es zunehmend zu einer raren Erscheinung geworden, doch nun war es wieder einmal an der Zeit, das Schiff auf mögliche Schäden zu überprüfen, bevor es erneut zu einer Reise aufbrach.
Galbor trat an das Schiff, das stolz in der Dämmerung des frühen Morgens im Hafen schwankte. Mit einem bedächtigen Schritt näherte er sich der Kogge, die mit ihrem massiven, eichenumrahmten Rumpf und den hohen Masten eine auffällige Erscheinung war. Er trug die schlichte Kleidung, die für einen Schiffer üblich war: ein abgenutztes, aber funktionales Hemd aus grobem Leinen und eine einfache Hose, die von den Jahren der Arbeit und der salzigen Seeluft gezeichnet war. Die anderen Seeleute und Hafenarbeiter überließen ihm die Kontrolle, als sei er der einzige, der das Schiff wirklich kannte.
Galbor setzte einen Fuß auf das plankenbesetzte Deck, das mit den Jahren und unzähligen Fahrten von Wind und Wasser gezeichnet war. Der Holzgeruch des Schiffes mischte sich mit der salzigen Luft, als er über die Planken schritt, die das Schiff mit den seitlichen Spanten verbanden. Sein Blick war scharf, das Auge geübt. Ein erfahrener Schiffer wie er wusste, dass dieses Schiff regelmäßige Inspektionen benötigte, um sicherzustellen, dass es den Elementen weiterhin standhalten konnte.
Er begann an den Rändern des Schiffes, wo die ständigen Wellen und die starke Bewegung das Holz besonders beanspruchen. Mit den Händen strich er über das Holz, spürte die Rillen, die von vielen Monaten im Wasser zeugten. Eine Kogge war besonders anfällig für Schäden durch Fäulnis, da das Schiff meist ohne Ruder, sondern mit Segeln und einem großen Kiel in die Wellen schnitt. So wurden die Schalen des Schiffs oft von Algen und Muscheln bedeckt, was mit der Zeit die Struktur des Schiffes belasten konnte.
Galbor beugte sich nieder und betrachtete den Kiel. Es war nicht nur der sichtbare Schaden, der zählte, sondern auch der unsichtbare – der, der in das Innere des Holzes drang. Leise zupfte er an den dicken Planken und lauschte, ob der Klang hohl war. Ein hohler Klang deutete auf Risse oder Verfall hin, was in den feuchten Bedingungen Thorniaras durchaus ein Problem darstellen konnte.
"Nichts Ungewöhnliches…" murmelte er für sich selbst. Die Planken schienen noch stabil, aber die Fugen zwischen ihnen begannen, sich von den vergangenen Jahren der Nutzung zu lösen. Galbor zog ein kleines Werkzeug aus seiner Tasche, ein scharfes Messer, und testete die Fugen. Tatsächlich war ein kleiner Spalt auf der rechten Seite sichtbar – nicht gravierend, aber in naher Zukunft könnte er zu einem Problem werden.
Er nahm die Messlatte, die immer an seinem Gürtel hing, und maß den Abstand zwischen den Spanten, um sicherzustellen, dass keine Risse im Holz den inneren Rahmen beeinträchtigten. Ein Stück weiter stieg er die steile Leiter hinauf, um die Masten zu überprüfen. Diese waren nach jahrelanger Nutzung ebenfalls nicht ganz unversehrt. Die Segel, die einst stolz im Wind geweht hatten, waren hier und da beschädigt und verwittert, doch die Masten selbst zeigten keine gefährlichen Brüche – zumindest nicht noch.
"Es wird bald Zeit, neue Segel zu beschaffen..." murmelte Galbor wieder, als er die Takelage prüfte und die Segel in ihren Taschen untersuchte. Das Tauwerk war teils vom salzigen Wasser und der Witterung zerrissen, aber noch fest genug, um die Kogge in den nächsten Monat zu bringen. Seine Finger glitten über das grobe, verwobene Seil, um jeden einzelnen Draht und Knoten zu testen. Jedes Detail war wichtig, besonders wenn man für das Leben auf See verantwortlich war.
Es war ein allmorgendlicher Ritual, dieses Schiff zu überprüfen, fast ein persönliches Bedürfnis, das Wohl des Schiffs sicherzustellen – als würde die Kogge selbst zu einem Teil von ihm gehören. Der feuchte Nebel begann sich langsam zu verziehen, als er zum Bug ging und über das weite, unruhige Meer blickte. Die Sonne brach langsam durch die Wolken, und der Hafen von Thorniara erwachte zum Leben.
Maximus
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Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen
Der sonnige Vormittag tauchte das Arbeitszimmer in ein helles Licht, während Maximus über das Pergament gebeugt saß, das Markom ihm zuvor gereicht hatte. Die Zeilen stammten von einem Mann namens Hadvar, offenbar einem der maßgeblichen Entscheidungsträger in der Zitadelle.
Maximus ließ das Dokument sinken, der Ärger stand ihm ins Gesicht geschrieben. "Sie lehnen also das Angebot ab. Investitionen gegen weitere Eigentumsrechte, ja – aber keine Erteilung eines Forstrechtes..." Er schnaubte leise. "Dummköpfe."
Markom trat vor den Schreibtisch und hob eine Augenbraue. "Ich bin selbst überrascht, dass sie das Angebot derart kategorisch ablehnen. Dabei waren wir bereit, die übrigen Forderungen zu erfüllen."
Maximus nahm das Pergament erneut in die Hand, blickte flüchtig auf Hadvars Unterschrift und warf es dann auf den Tisch zurück. "Diese Kleingeister wollen sich aufspielen. Sie haben einmal die Gelegenheit, einen Mann, der weit bedeutsamer ist, als sie selbst, Steine in den Weg zu legen. Welch Ironie, dass ihnen dabei das Wohlergehen dieser Stadt genauso egal ist, wie mir."
Der Burggraf schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Ein kurzer Blick in Markoms Richtung genügte, um seine Ungeduld zu verdeutlichen. "Was schlagt Ihr vor?"
Markom trat einen Schritt vor: "Nun, wir sollten mit Bedacht vorgehen. Zunächst sollten wir prüfen, ob wir die Ansprüche an das Forstrecht verringern, damit... "
Maximus machte eine abwehrende Geste. "Nein. Ich habe keine Lust auf endloses Geschacher, das letztlich nur meine Zeit stiehlt. Diese Kleingeister müssen begreifen, was es heißt, mich zum Verbündeten zu haben." Er trat ans Fenster und warf einen raschen Blick auf die Dächer von Thorniara. "Ich werde sie ins Anwesen einladen." Markom neigte höflich den Kopf. "Wie Ihr wünscht. Wir können alles für einen angemessenen Empfang vorbereiten."
Maximus verzog leicht die Lippen. "Dieses Anwesen verkommt allmählich zur Attraktion des Proletariats." Maximus wandte sich vom Fenster ab und trat zurück an seinen Schreibtisch. "Sorgt dafür, dass sie sich geschmeichelt fühlen. Sie sollen glauben, ich würde mich für ihre Wünsche interessieren. Wenn das unterschriebene Abkommen erst einmal vor mir liegt, erledigt sich der Rest von selbst."
Mit einem knappen Nicken beendete er das Gespräch und Markom verließ das Arbeitszimmer. Maximus hingegen warf einen letzten Blick auf das Schriftstück und rieb sich die Stirn. Es sollte hoffentlich das letzte Mal gewesen sein, dass er seine Tore für den Pöbel öffnen musste.
Geändert von Maximus (13.01.2025 um 22:43 Uhr)
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Das Reichenviertel, Anwesen des Burggrafen
Lothgar wurde am Vortag durch den Hofmeister des Burggrafen aufgesucht, der ihm eine Liste mit verschiedenen Arbeiten überreicht hatte. Zu seiner Überraschung waren keine großartigen Preisverhandlungen nötig gewesen – der Hofmeister hatte nur darauf bestanden, dass die Arbeiten schnell und ohne Umstände erledigt werden sollte. Glücklicherweise hatte Lothgar erst einige Stunden zuvor den Auftrag des Handelskontors erledigt und zwei Wagenräder bereift, sodass er den Hofmeister nicht vertrösten und die großzügige Zahlung nicht ausschlagen brauchte.
Und so machte sich der Schmied am nächsten Tag auf den Weg in das Reichenviertel der Stadt. Das Anwesen des Burggrafen war ein prächtiges Gebäude, an dessen Fassade rote Banner herunterhingen und das Wappen des Hausherrn zeigten.
Kaum hatte Lothgar an der massiven Tür geklopft, wurde sie von einem Diener geöffnet. Höflich bat er ihn, die Eingangshalle zu betreten, wurde dann jedoch warten gelassen. So lange Lothgar auf die Ankunft des Hofmeisters wartete, blickte er sich in der Eingangshalle um. Die Wände waren mit teuren Teppichen behangen, und ein imposantes Bücherregal stand je zur rechten und zur linken Seite an der Wand. Es roch nach edlen Hölzern und etwas rauchigem Kaminfeuer. Alles war still, bis schließlich der Hofmeister in Begleitung eines großen Soldaten den Raum betrat. Der Soldat, ein breitschultriger Mann mit finsterem Blick, musterte Lothgar genau und trat einen Schritt auf ihn zu. Ohne ein Wort zu sagen, begann er, Lothgar gründlich nach Waffen zu durchsuchen.
Zuerst wurde der Schmied auf Messer und Dolche geprüft, dann wurden auch seine Werkzeuge inspiziert, als wären sie potenzielle Waffen. Lothgar ließ es ruhig über sich ergehen, während der Soldat mit genauen Blick und flinken Fingern nach versteckten Klingen suchte. Schließlich nickte der Soldat und wandte sich ab. Er hatte nicht gefunden, wonach er gesucht hatte.
Der Hofmeister nickte zurück und ging einen Schritt auf Lothgar zu: "Es ist gut, dass Ihr pünktlich seid." sagte Adalbert. "Es gibt im Anwesen viel zu tun und hier werden Verzögerungen nicht toleriert." Er bedeutete Lothgar ihm zu folgen, während er weitersprach: "Solange Ihr hier seid, werdet Ihr Euch auch an die Regeln des Hauses halten. Das heißt, Ihr sprecht nicht mit den Dienern, außer es ist unbedingt erforderlich. Ihr verlasst nicht ohne Begleitung Euren Arbeitsplatz. Ihr berührt nicht die Besitztümer des Burggrafen – Umräumungen erfolgen durch die Dienerschaft.
Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging weiter: "Und es versteht sich von selbst, das über alles, das Ihr seht oder hört, stillschweigen zu bewahren ist."
Lothgar nickte, während er den Hofmeister aufmerksam beobachtete. Es war eine klare Botschaft: Hier galt Disziplin und es wäre besser für ihn, wenn er sich keinen Fehltritt erlaubte.
"Gut!" sagte der Hofmeister schließlich, als sie an einem kleinen Raum angekommen waren. "Ihr beginnt damit, die Maße dieses Fensters zu nehmen. Es muss vollständig vergittert werden. Ich werde Euch gleich einen Diener schicken, der Euch die anderen Stellen im Anwesen zeigen wird."
"Wird erledigt!" antwortete Lothgar und machte sich daran, seine Werkzeuge aus einer kleinen Ledertasche zu holen.
Maximus
Geändert von Die Bürger (13.01.2025 um 21:22 Uhr)
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Das Hafenviertel, Haus von Delvin Corgano
Es war mitten am Tag, und Sonnenlicht drang in das Arbeitszimmer von Delvin Corgano. Er saß an seinem Schreibtisch, vor sich ein kleines Bündel Pergament, das ihm erst kurz zuvor zugegangen war. Diese Dokumente stammten von einem Übergabepunkt, an dem man sie über Nacht hinterlegt hatte – gestohlene Unterlagen der Stadtwache. Delvin wusste, dass es heikel war, etwas derart Kompromittierendes zu besitzen, doch genau deshalb sollte er sie im Auftrag des Burggrafen sicher verwahren und ins Anwesen bringen lassen.
Er überflog die Seiten mit scharfer Konzentration. Darin war oft von einem Händler namens Falcar die Rede, der offenbar in Thorniara unter dem Decknamen "Clagius" operierte aber selbst in der Hochburg der Rebellen lebte. Aus den Aufzeichnungen ging hervor, dass dieser Falcar nicht nur einige Kisten mit dem Wappen des Burggrafen gestohlen hatte, sondern auch Sumpfkraut schmuggelte und kleinere Konvois außerhalb der Stadt überfallen ließ. Delvin runzelte die Stirn. Dieser Händler musste der Grund sein, warum Athera und ihre Einheit so viel Zeit im Hafenviertel verbrachten.
Mit bedachten Handbewegungen rollte Delvin das Bündel zusammen und brachte ein blankes Wachssiegel an, das die Blätter zusammenhielt. Er wollte sie zügig zum Anwesen bringen lassen und hatte bereits alle Vorkehrungen getroffen, um das möglichst unauffällig zu gestalten. Ein ausgehöhltes Brot sollte als sicheres Versteck dienen, das zusammen mit einigen gewöhnlichen Lebensmitteln ins Anwesen geliefert werden sollte.
Delvin Corgano prüfte das Laib sorgfältig. Der Hohlraum war groß genug, dass das zusammengerollte Pergament darin Platz fand aber klein genug, als dass die Kruste wieder sorgsam und ohne sichtbaren Stellen verschlossen werden konnte. "Dokumente zu Clagius…" murmelte Delvin leise, während er das Brot ein letztes Mal musterte. Dann legte er es zu seinen eigenen Vorräten, um es ebenso unauffällig zu verstecken.
Danach griff er zu einem kleinen Stapel Papiere und machte sich daran, seine alltägliche Arbeit zu erledigen. Zu viele Schuldner standen noch auf seine Liste, die entweder zur Rückzahlung bewegt oder zur Zusammenarbeit gezwungen werden mussten. Als Delvin gerade einen Vermerk hinter dem Namen eines Schuldners machte, klopfte es an der Tür und Tingalf trat unvermittelt ein. Delvin wusste, dass der stämmige Kerl froh darüber war, endlich etwas Abwechslung zu haben und wenigstens für eine Stunde nicht hinter dem Tresen der Hafenkneipe stehen zu müssen. Doch der Gesichtsausdruck des Mannes verriet eine eher andere Gemütslage.
"Jetzt soll ich auch noch Brotlieferungen organisieren... wo ist das Ding!?" fragte Tingalf mit harscher Stimme. Delvin musterte ihn und deutete dann auf das Laib Brot, das bei den anderen Lebensmitteln lag. "Super!" brummte Tingalf und nahm das Brot an sich. "Ach, noch was!" fiel ihm plötzlich ein. "Dieser Kellner, der eigentlich keiner ist. Einfach weg. Von heut' auf morgen. Kommt einfach nicht mehr zur Arbeit."
Delvin Corgano hob die Augenbraue, dann erinnerte er sich. Athera hatte einen ihrer Männer in der Hafenkneipe eingesetzt, vermutlich um Informationen zu sammeln. "Er wird wohl anderweitig eingesetzt..." erwiderte er trocken. Er konnte Tingalfs Unmut verstehen aber letztlich war es ihm egal. Dem Handlanger wurde eine Aufgabe übertragen und die hatte er zu erfüllen – unter welchen Bedingungen spielte keine Rolle. "Ja, schön! Besorgst du mir wenigstens einen neuen Kellner!?" fragte Tingalf grimmig. Delvin Corgano hob die Hand und erwiderte schließlich: "Ja ja, das werde ich..." es war mehr eine Beruhigung als ein Versprechen.
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Die Flotte nahte heran. Von seiner hohen Position konnte Saraliel sie sehen. Fünf Schiffe in der Pracht der myrtanischen Armee. Sie kamen immer näher und würden bald den Hafen erreichen. Der hohe Magier wischte sich Schweiß von der Stirn und seufzte. Das war ungewöhnlich. Mehr als das. Irgendetwas war im Begriff zu geschehen. Als die Schiffe noch näher kamen nahm er die vertraute Präsenz zweier Menschen wahr. Aus der Ferne konnte er sie nur im Miniaturformat sehen, doch das reichte. Er eilte hinunter zum Hafen. So schnell seine physische Verfassung das zuließ hieß das. Wirklich. Es wurde Zeit, dass er wieder auf Abenteuer ging und neue Dinge erforschte. Die Zeit nun in Bibliotheken zu verbringen war nicht immer das Richtige.
»Bruder du bist zurück«, stellte er fest als der Weißhaarige wieder festen Boden unter den Füßen hatte. »Und du auch Eminenz«, meinte er zu seiner Lehrmeisterin und verneigte sich leicht. »Was geht vor sich?«, verlangte er alsbald zu erfahren, noch während der Ameisenhaufen an Soldaten, Arbeiten und Matrosen ihre Arbeit verrichteten. Wie er immer wieder feststellte, war er kein Mann großer Geduld. Was ihm an Geduld fehlte machte er durch Neugierde wett. »Wir sprachen gerade darüber, dass egal was ich sage Hagen mich wohl in Stücke reißen wird«, meinte der Paladin zurück. »Hagen?«, fragte Saraliel nachdenklich. »Wir werden auf Mission nach Khorinis geschickt und wir werden dem Stadthalter verkünden, dass er derjenige sein wird, der die Mission leitet«. Der Magus erschrak. Er wusste wie es zwischen dem Lord und seinem Bruder bestellt war. »Dann hast du jetzt die Möglichkeit dich zu beweisen«, sagte er. Sie wechselten noch einige Worte und der Zauberer wurde mit wenigen Worten halbwegs auf den aktuellen Stand gebracht. »Ich werde mich bereit machen und den Magiern Bescheid geben!«, verkündete er rasch.
Einige Zeit später war er wieder in seiner Stube und schaute sich alle Gerätschaften an. »Bei Innos’ wie soll ich nur wissen, was ich alles mitnehmen sollte?«
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Tempelviertel
Der Winter zeigte sich in Thorniara heute von seiner hässlichen Seite. Eine Mischung aus stürmischen Böen und Schneeregen zog über die Stadt und sorgte dafür, dass jeder, der nicht unbedingt musste, die heimische Stube nicht verlassen würde. Für Curt war es eigentlich eine gute Gelegenheit, ungestört auf dem Tempelvorplatz seine praktischen Übungen der Teleportation fortzusetzen. Doch obwohl er sich selbst als recht abgehärteten Menschen sah, hielt er es nicht viel länger als eine halbe Stunde aus. Eine Sache, die ihm wirklich sauer aufstoßen ließ, war, dass er das Teleportationssiegel nicht finden konnte. Erst durch die meditative Konzentration seiner magischen Kräfte gelang es ihm, den Knotenpunkt zu lokalisieren. Das Siegel auf dem steinernen Boden war bei Regen kaum zu erkennen. Wie er dies feststellte und an die schrecklichen Teleportationsunfälle dachte, zu denen er recherchiert hatte, überkam ihn ein mulmiges Gefühl. In einer der Geschichten hatte sich ein Magier in eine unvorsichtige Person teleportiert, die törichterweise auf dem Siegel verweilte. Diese arkane Verschmelzung hat keiner von beiden überlebt.
Trotz Unwetter und unangenehmer Gedanken bemühte sich der Feuermagier weiterhin an der Kunst dieses magischen Sprungs. Er wollte nur wenige Meter überbrücken und solange er den Zielpunkt im Auge hatte, konnte er die Risiken eines Unfalls durch Fremdeinwirkung sicher minimieren. Doch leider gelang es ihm entgegen aller Anstrengung nicht, diese magische Desintegration zu vollführen. Auch das blaue Licht fehlte, von dem in so vielen Lehrbüchern die Rede war. Inzwischen war er auch bis auf die Haut durchnässt, kein Wunder also, dass ihm die nötige Konzentration fehlte.
„Das führt zu nichts“, gestand sich Curt selbst ein und machte sich auf den Weg ins Badehaus. Das warme Bad wirkte wie Balsam für seinen Körper. Für die Seele brachte er sich aus der Heilkammer brachte noch ein paar Duftkerzen und ätherische Öle mit. Als er sich wieder einigermaßen gereinigt fühlte, trocknete er noch seinen durchnässten Mantel durch behutsames Handauflegen. Der Flammenhand-Zauber eignete sich nicht nur zum Schmelzen von Metall oder Quälen von Ketzern; wenn man ihn behutsam wirkte, konnte er auch einfach nur Wärme spenden. Die Magie in einem solch feinen Maß zu kontrollieren, war die hohe Kunst der Magie. Vielleicht half ihm diese Erkenntnis ja auch bei seinen Teleportationsübungen.
Nach einem leichten Mittagessen entschied sich Curt, einen kleinen Abstecher in die Laborräume des Tempels zu tätigen. Die Angelegenheit mit dem regenverwaschenen Siegel ließ ihm keine Ruhe. Wäre Neoras noch in der Stadt, hätte Curt ihn direkt gefragt, ob er nicht irgendeine Substanz zusammenmischen konnte, die man als Warnfarbe auf den Boden des Teleportsiegels streichen konnte. Doch Neoras war nicht hier und der einzige Alchemist, der sein Labor fast nie verließ, war Bruder Ventros. Bislang hatte Curt noch nicht das Vergnügen gehabt, mit ihm zusammenzuarbeiten. Es war wohl höchste Zeit, das nachzuholen.
Die Labortür stand leicht geöffnet und von drinnen war ein Gespräch oder vielmehr eine Art Minivortrag zu vernehmen. Gut, dann würde er den Meister zumindest nicht mitten in einem Experiment stören. Curt klopfte an und trat in demselben Augenblick bereits halb hinein.
„Innos zum Gruße, Bruder Ventros. Könnt Ihr einen Augenblick Eurer Zeit erübrigen?“
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