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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Feshyr - Lyrca

    Lyrca schnalzte mit der Zunge, die belegt war vom Salz des Meeres, das der Wind hier mit sich brachte.
    „Hüpf, hüpf, kletter, kletter, du kleiner Scharlatan, was hast du hier zu suchen, hä?“, gackerte sie.
    Sie brauchte keine Hilfsmittel, um zu sehen, was den Menschen, die unter diesem Dach wohnten, den Schlaf und letztendlich den Nerv raubte. Schon von weitem hatte sie die kleine Gestalt entdeckt, die am Rand des Dachs hockte und eindeutig nicht hierher gehörte. Der Schwanz der Kreatur hing hinunter, wo die Füße sich am Rand festkrallten und kleine Händchen auf etwas rumknabberten, was im vorigen Herbst mal ein Apfel gewesen sein konnte.
    Ihr Gegenüber jedenfalls blickte Lyrca mit großen Augen und Erstaunen an, bisher schien es niemand gesehen zu haben, aber die Alte da sprach ganz eindeutig zu dem Wesen.
    „Was ist da?“, fragte Moira, die den Geist des unbekannten Besuchers nicht sehen konnte.
    „Ein Mitbringsel“, erwiderte Lyrca. „Wahrscheinlich. Von einem Schatzsucher oder Abenteurer oder wie nennt ihr sie … Piraten.“
    „Ein Piratenmitbringsel?“, hakte Moira ungläubig nach.
    Lyrca nickte: „Sag ich doch, hä? Hab bisher jedenfalls keine Äffchen hier auf der Insel gesehen, die hier natürlich vorkommen.“
    „Hm, ich verstehe“, sprach Moira. „Manche Seefahrer benutzen kleine Affen, damit sie auf Beutezug für sie gehen, hab ich mal gehört.“

    Sie legte die Leiter an und kletterte hoch, um einen Blick auf das Dach zu werfen.
    „Das erklärt zumindest die Kratzspuren. Aber sehen kann ich das Äffchen nicht“, sprach sie. In ihrer Stimme klangen Zweifel mit, wenngleich sie der Seherin vertrauen wollte.
    „Liegt daran, dass es ein besonderes Äffchen ist, hä?“, brummte Lyrca. Sie winkte Zarra heran. Die kleine Libelle sollte nach dem Genuss des Trankes mehr als in der Lage sein, den ungebetenen Gast zu sehen. Wenn nicht … war die Wirkung des Gebräus zu schwach. Doch wenn Lyrca die zarte Statur der jungen Frau bedachte, sollte der Trank mehr als wirken. Und sie irrte sich nie.
    „Das ist ein niederer Affengeist. Schädeläffchen. Nein, Totenkopfäffchen. Glaub ich. Hab ich noch nie gesehen. Spielt auch keine Rolle, er gehört nicht hierher. Muss auf einem der Bote hierhergekommen sein, hä?“
    „Wir hatten schon ewig keine Piraten oder Schatzsucher oder Ähnliches hier“, sagte Moira nachdenklich.
    „Umso länger ist er da. Und gelangweilt wie ein kleines Kind bei einer Kirchenpredigt, der kleine Tunichtgut,“ sprach Lyrca.

    Die Seherin blickte zu der Stelle hinauf, wo das Tierchen saß und stemmte die Hände in die Hüfte. Über ihnen zogen graue Wolken vom Wind angetrieben über die Insel und zum Meer hinaus. Die kühle Brise rüttelte am Fell des geisterhaften Einwanderers. Mit Interesse und wachsamen Blick beobachtete er die drei Menschen: Moira auf der Leiter, Lyrca und Zarra auf dem Boden stehend vor der Hütte.
    „Kleine Libelle, im Säckchen ist ein Marderschädel mit einer eingeritzten Rune, hä?“, sprach Lyrca schließlich. „Der Affe muss in diesen Schädel einziehen. Du solltest ihn freundlich dazu überreden.“

    Freiya

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Feshyr

    Sie hatte das Säckchen noch immer an der Seite, wo Lyrca es ihr hingegeben hatte, und spürte das Gewicht der Knochen an ihrem Gürtel wie etwas, das längst entschieden war, bevor sie überhaupt wusste, was geschehen sollte. Mit zögernden Fingern öffnete sie den Knoten, der den Stoff verschloss. Ein dumpfes Rascheln, dann lag der Marderschädel in ihrer Hand. Er war kleiner, als sie erwartet hatte – nicht größer als ihre eigene Faust, gelblich, die Zähne noch spitz und gefährlich trotz des Alters, und auf der Stirn ein eingeritztes Zeichen, das sich in das Knochengewebe hineingefressen hatte wie eine Narbe.
    Zarra schluckte. Ihre Finger glitten über die Linien der Rune, als könnte sie daran erfühlen, was Lyrca in ihr sah. Doch alles, was sie empfand, war die raue Oberfläche, kühl und schwer.
    Ein Windstoß ließ das Schilf hinter ihnen rauschen. Moira stand noch auf der Leiter, das Gesicht ernst, suchend, und doch konnte sie nicht sehen, was Zarra nun sah.
    Denn da war er.

    Oben auf der Dachkante, im Grau des Himmels hockend, saß das Wesen. Ein kleines Geschöpf, aber alles andere als harmlos. Sein Fell schimmerte nicht wie das eines lebendigen Affen, sondern flackerte, als bestünde es aus Rauchfäden und Mondlicht zugleich. Der lange Schwanz schwang langsam, krallte sich immer wieder neu in die hölzernen Dachziegel. Kleine Hände hielten den Rest eines längst verrotteten Apfels, den er mit unsichtbaren Zähnen zernagte, als sei er noch frisch und süß. Und seine Augen … seine Augen waren groß, schwarz, glänzend wie Pech in der Nacht, und sie sahen direkt auf Zarra.
    Ihr Herz machte einen Sprung, der ihr fast den Atem raubte.
    Sie wollte sich abwenden, den Blick senken, wie sie es tat, wenn Erwachsene sie zu sehr musterten. Doch irgendetwas, vielleicht der Trank in ihrem Blut, vielleicht die Erwartung Lyrcas, hielt sie fest. Ihre Lippen öffneten sich, bevor sie sich überlegen konnte, was sie sagen sollte.

    „Hallo …“, hauchte sie.
    Der Schädel in ihrer Hand schien zu vibrieren, als würde er die Aufmerksamkeit des Geistes auf sich ziehen. Der Affe legte den Kopf schief, warf den Apfelrest achtlos vom Dach, wo er lautlos im Gras verschwand. Dann sprang er ein Stück näher, seine Krallen kratzten über das Holz, und er hockte sich mit gebeugtem Rücken, neugierig, beinahe verspielt.
    „Ich … ich weiß, dass du nicht hierher gehörst“, flüsterte Zarra, mehr zu sich selbst als zu ihm. „Du … du bist vom Meer gekommen, oder?“
    Das Wesen gab keinen Laut von sich, aber sein Schwanz schlug schneller, als ob es das Gewicht ihrer Worte fühlte.
    Hilde – nein, Hilde war nicht hier, sie erinnerte sich an die Reise – Moira dagegen atmete hörbar, oben auf der Leiter, und fragte: „Siehst du etwas?“ Zarra wagte nicht, ihr zu antworten. Die Worte wären zu schwer gewesen, zu unsicher. Also schwieg sie, hielt den Schädel ein Stück höher, so, dass der Geist ihn sehen konnte.

    „Sie sagt, du … sollst hier hineinziehen“, fuhr sie stockend fort, die Finger fester um das Knochenstück geschlossen. „Ich weiß nicht … wie das geht. Aber vielleicht … vielleicht gefällt es dir besser, als hier allein auf einem Dach zu hocken. Niemand … niemand wird dich dort vertreiben. Es ist … sicher.“
    Sie wusste nicht, ob sie ihn beschwor oder anbettelte. Ihre Stimme war ein Zittern zwischen beiden.
    Der Affe blinzelte, kratzte sich mit einer seiner durchscheinenden Hände am Ohr, dann machte er einen Satz, so schnell, dass Zarra instinktiv zurückwich. Seine Gestalt zerfloss für einen Augenblick, als hätte der Wind ihn erfasst, und plötzlich saß er nur noch einen Armzug entfernt am Dachrand, den Kopf so tief geneigt, dass seine pechschwarzen Augen fast auf ihrer Höhe waren.

    Zarras Atem ging schneller. Der Trank rauschte in ihren Adern, und sie hörte den eigenen Herzschlag im Hals.
    „Bitte“, brachte sie hervor, kaum mehr als ein Hauch. „Du … du störst sie. Die Frau … ihre Kinder. Sie haben Angst. Aber du brauchst das doch nicht. Du bist doch … frei. Vielleicht … vielleicht findest du ein Zuhause in diesem Schädel.“
    Ihre Finger zitterten, als sie die Knochen ein Stück weiter nach vorne streckte, so dass er im fahlen Licht aufblitzte. Die Rune schien für einen Herzschlag lang heller, als hätte der Schädel selbst die Worte bestätigt.
    Der Affe rührte sich nicht. Doch Zarra hatte den Eindruck, dass sein Blick nicht mehr auf sie, sondern auf das Knochenstück gerichtet war.
    „Ich … ich weiß, wie es ist, nicht zu wissen, wohin man gehört“, flüsterte sie nun, und ihre Stimme bekam für einen Moment eine andere Tiefe, fast so, als würde etwas Altes in ihr mitschwingen. „Aber … vielleicht kann man es lernen. Mit ein wenig Mut.“

    Sie wusste nicht, warum sie das sagte. Vielleicht war es für das Wesen. Vielleicht für sich selbst.
    Hinter ihr hörte sie Lyrcas Atem, geduldig, wachsam, wie das Knacken von Holz im Feuer. Moira dagegen rief erneut von der Leiter: „Was passiert da? Sag mir, was du siehst!“ Doch Zarra konnte nicht. Nicht jetzt.
    Denn das Schädeläffchen neigte langsam den Kopf, als verstünde es, was man ihm anbot. Seine Form begann zu flimmern, zu vibrieren, und der Rauch, aus dem es gewoben schien, löste sich in dünnen Fäden auf, die wie Spinnenweben vom Wind erfasst wurden. Einen Moment lang schwebte sein Gesicht klar und deutlich vor ihr, Augen wie zwei schwarze Spiegel, und dann … zog es hinein.

    Ein Schauer lief über ihre Arme, als der Geist in den Schädel fuhr. Die Rune auf der Stirn glomm kurz auf, dann erlosch wieder, still, als wäre nichts geschehen.
    Zarra stand regungslos da, den Knochen noch immer in beiden Händen, die Finger feucht vor Schweiß. Ihr Atem ging schnell, doch sie wagte nicht, etwas zu sagen. Nicht zu Lyrca, nicht zu Moira, nicht einmal zu sich selbst. Nur der leise Gedanke, dass etwas Wichtiges geschehen war, etwas, das sie noch lange nicht verstehen würde.
    Und doch … ein kleines Flattern in ihrer Brust sagte ihr, dass die Libelle vielleicht gerade zum ersten Mal die Flügel bewegt hatte.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Feshyr - Lyrca

    Lyrca war ehrlich überrascht gewesen. Ja, ab und zu gelang es auch, dass die Seherin noch vom Lauf der Dinge überrascht wurde.
    Dass der kleine Schädelaffe sich da hatte einfach reinquatschen lassen. Sie hatte das richtige Gespür gehabt, als sie Zarra damit beauftragt hatte. Die kleine Libelle musste ihre Flügel ein wenig strecken und über unbekannte Wasser fliegen, aber sie hatte es getan. Hatte auf ihr Innerstes, ihr Wesen, gehört, und sich nicht verbogen. Sondern das genutzt, was ihr muttergegeben war. Womit sie vertraut gewesen war. Keine brachiale Gewalt. Sondern Feingefühl. Etwas, was Leute, die Dinge erforschen wollten, brauchten.
    „Merk dir eins, kleine Libelle“, knarzte Lyrcas Stimme, „derjenige, der ein Ding zerbrechen muss, um zu verstehen, wie es funktioniert, hat den rechten Weg verlassen.“
    Sie sagte es, als hätte Zarra ihre Gedankengänge vorher mitbekommen und nicht nur das vermeintlich zusammenhangslose Ende gehört. Ohne ein weiteres Wort wandte die Seherin sich ab und schlug den Weg zu ihrer Lichtung wieder ein. Ihre Aufgabe hier war erledigt. Moira würde sie sicher irgendwann mit irgendwas bezahlen wollen. Doch das spielte momentan keine Rolle für Lyrca. Moira rief noch Worte des Dankes hinterher, die die blinde Seherin mit einem kurzen Nicken quittierte.

    Ihre Schritte trugen sie energisch weg vom Küstendorf und wieder hin zum Herzen der Insel zwischen die Bäume. Die Libelle flog hinter ihr her.
    „Nur grobmotorische Idioten nutzen Gewalt, hä? Gut gemacht“, nahm sie noch einmal den Faden auf, als sie sich alleine mit der jungen Frau wähnte. „Nimm das Äffchen mit aufs Festland. Es gehört nicht hierher, hä? Bring es demjenigen, der den großen Affen im wilden Herzen trägt. Er lebt schließlich bei euch. Soll der entscheiden, was damit passiert.“
    Die beiden Frauen hatten die Lichtung erreicht und Lyrca summte eine kleine, sehr alte Weise, während sie zu ihrem Tisch stiefelte.
    „Nerea hat gut an dir getan, Kind“, murmelte sie, als sie einen Mörser griff und ein paar welke Kräuter mit einem Stößel zerrieb. Dann schritt sie zu Zarra und schmierte ihr die entstandene Paste auf den Handrücken.
    „Hoch in die Nase und ab schön ins Gehirn damit. Die Felsnessel wird deinen Geist und das blubbernde Gedärm beruhigen“, sagte sie und deutete der jungen Frau an, den Brei zu schnupfen.

    Dann wandte sie sich wieder um und stellte den Mörser samt Stößel mit geübten Griffen auf ihrem Tisch ab. Summend griff sie nach einer sauberen Schale und ging zum Eimer, über dem der tote Hase ausgeblutet hatte. Weiter summend ließ sie die Schüssel eintauchen und schöpfte etwas von der kostbaren roten Flüssigkeit ab. Sie schnupperte daran und ließ ein wohliges Schnurren hören. Dann ging sie langsam zu Zarra rüber. Sie tauchte ihre linke Hand in das Blut und streckte sie nach Zarras Gesicht aus. Kahlte, raue Finger trafen auf zarte blasse Haut und hinterließen rote Spuren. Sie zeichnete eine Rune auf Zarras linke Wange, dann spiegelverkehrt auf ihre rechte Wange. Das Mädchen ließ es geschehen. Sie summte weiter leise vor sich hin, als würde sie an einer Flusslandschaft stehen und jenen Fluss vor sich mit Pinsel und Farbe auf eine Leinwand bringen.
    Abschließend zeichnete sie erneut die Rune auf Zarras Stirn, diesmal kopfüber.
    „Drei Brüder. Aber eine Mutter, hä?“, murmelte sie und presste dann ihre Handfläche auf die Stirn der Libelle.
    „Flatter los und flieg davon, kleine Libelle. Und sieh!“

    Freiya

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Feshyr

    Sie stand still, als Lyrcas Finger auf ihre Haut trafen. Rau und kalt, dann klebrig-warm, als sich das Blut in Linien über ihre Wangen zog. Ein Kribbeln breitete sich aus, dort, wo die Rune gezeichnet wurde, und sickerte tiefer, wanderte in feinen Bahnen wie Wasser unter einer Rinde. Sie wagte nicht, die Augen zu schließen, wagte aber ebenso wenig, den Blick zu heben.
    Das Summen der Seherin füllte die Lichtung, als gehörte es nicht einer Stimme, sondern dem Ort selbst. Zarra hörte darin ein Wispern, ein Tropfen, ein fernes Heulen – lauter Dinge, die keinen Namen hatten, und doch fühlte es sich vertraut an.
    Der Brei, den sie geschnupft hatte, brannte in ihrer Nase. Erst scharf wie Feuer, dann kühl wie Morgentau. Sie schluckte mehrmals, als würde die Felsnessel tief in ihr etwas glätten. Ihr Herz schlug noch unruhig, doch die Rastlosigkeit des Tranks wich einer anderen Klarheit. Die Welt um sie herum schien fester zu werden, deutlicher in ihren Konturen, als hätte jemand Nebel aus ihren Gedanken gestrichen.

    Lyrcas Hand lag nun auf ihrer Stirn, schwer, fast wie eine Last, und zugleich so zwingend, dass es keinen Widerstand geben konnte. Zarra atmete stoßweise aus, spürte, wie das Blut sich kühlend an ihrer Haut festsetzte.
    Drei Brüder. Aber eine Mutter.
    Die Worte hallten nach, tiefer, als Sprache jemals hallen durfte.
    Etwas öffnete sich in ihr.
    Nicht wie eine Tür, die knarrend ins Schloss fällt, sondern wie ein Flügelschlag, kaum hörbar, aber stark genug, um Staub aufzuwirbeln. Bilder drängten sich auf: der Ameisenhügel, das Summen der Insekten, Nereas Hände, die Kräuter zerrieben, der Sumpf in feuchtem Licht. Dann der Affengeist, seine schwarzen Augen, die wie Spiegel alles zurückwarfen, was sie ihm gesagt hatte.

    Sie spürte, wie ihr Kopf leichter wurde, als ob er den Himmel zu fassen versuchte. Gleichzeitig brannte es tief im Magen, als würde dort ein Rest der Flammenbeere immer noch glühen. Das Gegengewicht zwischen Schmerz und Weite hielt sie aufrecht, schwankend, aber nicht stürzend.
    Zarra hob langsam die Hände und legte sie über den Marderschädel, den sie noch bei sich trug. Seine glatte Form fühlte sich anders an – nicht mehr nur wie Knochen, sondern wie ein Gefäß. Warm, als wäre das kleine Affenherz darin tatsächlich am Schlagen.
    Lyrca summte weiter, doch Zarra hörte nur noch den Ton, nicht die Stimme. Sie hörte Wasser, das über Steine rann, hörte Flügel, die aneinander rieben, hörte den eigenen Atem wie Wind in einer Höhlung.
    Und dann – für einen Moment – sah sie.

    Nicht mit den Augen. Sondern mit dem, was Lyrca ihr aufzwingen wollte.
    Sie sah einen Fluss, breit und dunkel, der von allen Seiten Nebel sammelte und sie in die Ferne trug. Über dem Wasser schwärmten Libellen, blau, grün, weißlich schimmernd. Eine von ihnen war größer als die anderen, mit Flügeln, die fast durchsichtig waren, und doch glühten. Sie wusste nicht, warum, aber sie wusste: Das war sie selbst.
    Ein Schauer durchlief sie. Nicht vor Angst. Nicht vor Stolz. Sondern vor der Wucht dessen, was sie nicht verstand.
    Zarras Knie gaben nach, sie fing sich mit einer Hand auf dem Tisch ab. Ihre Finger streiften dabei Kräuter, trocken und brüchig, die sofort ihren Geruch freisetzten. Thymian, Ysop, ein Rest Salbei. Düfte, die sie an Zuhause erinnerten, an Nereas Hütte, an Abende, an denen die Alte ihr Geschichten von Pflanzen und Ahnen erzählte.
    Die Rune auf ihrer Stirn pulsierte. Ein dumpfer Schlag, als hätte ihr Herz nun auch dort einen Sitz gefunden.

    Sie hob den Blick, atmete tief. Vor ihr wirkte die Welt nicht mehr wie eben. Die Schatten hatten Tiefe, der Wind hatte Farbe, das Gras hatte Stimmen. Alles redete. Alles lebte.
    Ihre Lippen öffneten sich, doch sie brachte kein Wort hervor. Alles, was sie hätte sagen können, war zu klein für diesen Augenblick.
    Also nickte sie nur.
    Eher zu sich selbst als zu Lyrca.
    Ein Nicken, das sagte: Ja. Ich sehe.
    Und mit diesem Nicken wusste sie, dass sie den ersten Flügelschlag gemacht hatte – und dass es kein Zurück mehr gab.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Feshyr - Lyrca

    Es hätte Zarras Nicken nicht bedurft, damit Lyrca erkannte, dass die junge Frau sah. Jeder, der es wahrhaftig tat, zeigte es mit all seinen Sinnen. Denn er schmeckte das Licht, fühlte das Trippeln der Ameisen auf dem Boden und roch das Wiegen des Grases.
    Die Welt, die sich wahrhaftig ausbreitete, konnte man nun ungefiltert wahrnehmen. Das wahre Wesen der Dinge. Schön und überwältigend. Entstellt und brutal in seinem Dasein. So manchen, der unvorbereitet war, trieb es an den Rand des Wahnsinns.
    Doch die Libelle schlug sich gut, stellte Lyrca zufrieden fest.

    Da kamen selbst die Anderen, um neugierig zu schauen, wessen zarte Flügel da über die Lichtung flatterten.
    „Verschreckt sie nicht, hä?“, murmelte Lyrca und tauchte ihre Hand in die Schale, um ein paar Blutspritzer um sich herum zu verteilen. Die Anderen griffen und sprangen gierig nach den Blutstropfen, doch blieben ihre Augen dem eher ungewöhnlichen Duo zugewandt, nachdem sie aufgesogen hatten, was Lyrca ihnen als kleine Nascherei dargeboten hatte. Schwarze Schemen von Lebewesen aus einer anderen Sphäre, die sich in diese Welt verirrt hatten und hier festsaßen und doch eine Art Heimat bei der Seherin gefunden hatten. Man musste sich schon sehr lange mit ihnen beschäftigen, um mehr als einen Schatten und ein paar große, wild anmutende Augen zu erkennen. Doch Lyrca hatte Zeit und konnte sich jedem einzelnen von ihnen widmen wie einem Kind, das in eine große Pflegefamilie kam und dessen neue Mutter dem Schützling einen Platz schuf.

    Sie kamen näher und schnüffelten und betrachteten den neuen Gast in ihrer Mitte. Ein großer Schemen hinter Zarra nahm eine Strähne des hellen Haares und kaute drauf herum. Ein anderer, kleiner Schatten wieselte sich in einen Ärmel der jungen Frau und zum anderen Ärmel wieder hinaus. Ein weiterer Schemen schmolz an ihren Knien wie zu einer großen dunklen Pfütze mit Augen.
    „Genug gespielt, hä?“, bestimmte Lyrca dann. Die Schatten ließen sofort von Zarra ab und nahmen etwas Abstand. „Wir haben noch etwas zu tun …“

    Die Seherin verstärkte wieder den Druck ihrer Hand auf Zarras Stirn und lenkte ihren Blick wieder über das Meer, hin zum Großen Baum.
    „Der alte Wächter hat tiefe Wurzeln“, sagte sie mit einer tiefen Stimme. „Sie reichen viel weiter in die Erden hinein, als wir es und vorstellen können.“
    Sie lenkte Zarras Blick auf jene starken Wurzeln.
    „Wasser umspülen diese Wurzeln. Wasser aus einer Zeit, bevor es den ersten Halm auf dieser muttergeweihten Erde gab.“
    Sie sahen kräftiges Holz umspült von reinstem Quellwasser.
    „Dort, wo der große Wächter gesund ist, ist es das Wasser des Lebens. Es lässt gesunden, wachsen, gedeihen. Es kennt keine Krankheiten und Korruption, seine Reinheit verdrängt alles Unreine.“
    Sie sahen sprudelndes Wasser, wie es zwischen den Wurzeln an die Oberfläche kam wie ein kleiner Quell.
    „Doch Obacht, hä? Das Wasser an den kranken Wurzeln kann das Gegenteil erzeugen.“ Schwarzes Holz in einer fauligen und ekelerregenden Brühe war vor ihren Augen zu erkennen. „Es ist nicht deine Aufgabe, zu heilen, was verdorben, kleine Libelle. Nicht jetzt.“
    Langsam lockerte sie den Griff an Zarras Stirn. Die Bilder zogen sich vor ihnen zurück.
    „Der Große Bruder hat das Wasser angereichert. Es ist eine Gabe.“

    Damit löste sie ihre Hand. Es war alles gesagt.
    Die Anderen waren verschwunden und die Alte stand auf, um etwas Holz auf dem kleinen Feuer auf der Lichtung nachzulegen. Dann ging sie an den Tisch und begann sich ihren täglichen Tätigkeiten zu widmen. Zarra schenkte sie erstmal keine Beachtung mehr. Es gab nichts mehr zu bereden.

    Freiya

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Feshyr

    Der Druck auf ihrer Stirn hatte nachgelassen, doch er glühte noch nach wie ein Abdruck, den man nicht mit den Händen wegwischen konnte. Ihre Haut prickelte dort, wo Lyrcas Finger gelegen hatten, als wäre dort ein zweiter Puls, der leise gegen den eigentlichen pochte.
    Sie stand mit leicht gesenktem Kopf da, während die Welt sich wieder zusammenzog. Der Glanz der Dinge, dieses Übermaß an Stimmen und Formen, zog sich zurück wie ein Gewitter, das am Horizont in der Ferne rumorte. Aber sie wusste, es war nicht fort. Nur verschleiert. Unter der Oberfläche.
    Die Schatten, die sich noch eben um sie geschlungen hatten, waren verschwunden. Und doch spürte sie sie noch. Als wäre da ein Rest von Kälte in ihrem Haar, wo die Strähne umschlungen worden war. Ein Rascheln in den Ärmeln, das nicht mehr da war, aber die Haut dennoch kribbeln ließ. Und die dunkle Pfütze mit den Flecken, die aussahen wie Augen – Zarra musste schlucken, als die Erinnerung sie erneut durchfuhr. Ein Teil von ihr hätte weglaufen wollen, hätte sich in den Sumpf oder in einen Haufen Laub verkrochen. Doch etwas anderes, ein dünner, fester Faden in ihr, war fast traurig gewesen, als die Schatten von ihr abließen.

    Sie fühlte sich wie eine Libelle, die gerade zum ersten Mal die eigenen Flügel gespürt hatte – zittrig, ungeübt, aber unaufhaltsam.
    Langsam hob sie die Hand, tastete über die Wange, wo Lyrca die blutige Rune gezeichnet hatte. Das getrocknete Blut fühlte sich rau an, brüchig, als könnte es gleich abblättern. Der Geruch war metallisch, stark, aber nicht abstoßend. Eher … erdend.
    Zarra atmete tief ein. Das Bild des großen Baumes stand noch immer vor ihrem inneren Auge. Die Wurzeln, die sich unendlich weit in die Tiefe zogen. Umspült von Wasser, klar und sprudelnd. Sie hatte gespürt, wie lebendig dieses Wasser war, wie es jede Faser berührte und durchdrang, als wäre es mehr als nur Wasser – als wäre es Erinnerung, Anfang und Ende zugleich.
    Doch das andere Bild ließ sie nicht los. Schwarzes Holz, faulig, gebrochen, von stinkender Brühe umgeben. Die Vorstellung, dass etwas so Mächtiges, so Altwürdiges, krank sein konnte, ließ ihr Herz schwer werden. Sie erinnerte sich an Lycras Worte: Es ist nicht deine Aufgabe, zu heilen, was verdorben.

    Sie war fast erleichtert über diesen Zusatz. Denn die Bilder hatten in ihr ein Aufbäumen erzeugt – das Bedürfnis, hinzugreifen, etwas zu tun, das Holz zu stützen, die Brühe wegzuwischen. Aber Lycras Stimme war wie ein Seil, das sie zurückhielt. Noch nicht.
    Sie senkte den Blick auf ihre Hände. In der einen hielt sie noch immer den Marderschädel, kühl und fest. Es war seltsam, dass dieses kleine Ding nun ein Gefäß für einen Geist war, ein Äffchen, das Moira und ihre Familie geängstigt hatte. Sie fragte sich, ob es sich darin wohlfühlte. Oder ob es nun ebenso wie sie selbst nur ein Gast war, der lernen musste, wie man in ein neues Gefäß hineinwächst.
    Ihre Knie waren weich, als sie sich auf den Rand des Holztisches stützte. Lyrca hatte sich abgewandt, summte wieder vor sich hin, das Feuer knackte, der Hase im Eimer war vergessen. Die Seherin brauchte keine Worte, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Es war, als sei das Wesentliche getan, und alles andere nun Nebensache.

    Zarra jedoch war noch nicht soweit. Ihre Gedanken rasten, wie Ameisen, wenn man ihren Haufen aufgestört hatte. Sie wollte fragen. Wollte wissen. Wollte begreifen, warum sie diese Bilder gesehen hatte, warum die Schatten gekommen waren, was der Baum wirklich war. Aber sie traute sich nicht. Die Worte hingen ihr auf der Zunge, doch Lyrcas Rücken war wie eine Mauer, die keine Antwort zuließ.
    Also schwieg sie.
    Ihre Augen wanderten über die Lichtung. Alles schien gleichzeitig vertraut und fremd. Die Gräser, die Moose, die Farnwedel. Jeder Atemzug ließ sie mehr spüren, mehr hören – die winzigen Bewegungen der Käfer im Boden, das Wippen der Halme im Wind, das Tropfen von Tau irgendwo im Unterholz. Alles war lauter, präsenter, als hätte die Welt sich aufgedreht.
    Zarra legte die Hand auf den Beutel an ihrer Seite. Dort lagen die beiden restlichen Bernsteinperlen. Sie dachte an Nerea, wie sie sie ihr wortlos gegeben hatte. Vielleicht hatte ihre Großmutter gewusst, dass dies hier geschehen würde. Dass sie mit einem Schädel, mit Blut im Gesicht, mit den Schatten im Nacken an einer Schwelle stehen würde. Der Gedanke war tröstlich und furchteinflößend zugleich.

    Ihre Lippen bewegten sich, fast unhörbar: „Oma …“
    Es war kein Hilferuf. Eher ein Bekenntnis, dass sie an sie dachte. Dass sie ihr vertraute, auch hier, in diesem fremden Kreis aus Rauch und Blut.
    Zarra richtete sich ein wenig auf. Ihr Herz pochte nicht mehr so wild wie zuvor, der Trank schien sich mit der Paste zu verbinden und sie zu beruhigen. Aber sie wusste: etwas in ihr hatte sich verschoben. Wie ein Ast, der in einen anderen Winkel wächst.
    Lyrcas Worte hallten noch immer in ihr nach. Der Große Bruder hat das Wasser angereichert. Es ist eine Gabe.
    Eine Gabe.
    Aber auch eine Bürde.
    Sie wusste nicht, ob sie bereit war. Aber vielleicht musste man das nicht wissen, um den ersten Schritt zu tun.
    Langsam setzte sie sich auf den Boden der Lichtung, die Beine angezogen, den Schädel in den Händen. Ihre Finger fuhren über die Rune, die jetzt schwach vibrierte, als würde das kleine Wesen darin sich rühren. Sie lächelte schwach, fast unsicher, aber ein Lächeln war es dennoch.
    Die Libelle hatte die Flügel bewegt. Und auch wenn sie noch nicht wusste, wohin der Flug sie tragen würde, so wusste sie doch: es gab kein Zurück in den Kokon.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Feshyr - Lyrca

    „Oma.“
    Dieses Wort kam so leise, fast lautlos über die Lippen der kleinen Libelle, und doch trug der Wind es über Lyrcas Lichtung wie einen warmen Sonnenstrahl. Ein Gruß aus längst vergangener Zeit. Lyrca hielt inne. Sie ließ wirken, was das Wort mit ihr machte. Das sachte Gefühl auf der Haut ihrer Handgelenke, wie ein zartes Kribbeln.
    Die blinde Seherin hob leicht die Mundwinkel.
    Wie lange hatte sie dieses Wort aus dem so jungen Schnabel dieses so jungen Mädchens nicht mehr gehört? Ewig und drei Tage war es her und dennoch waren es Erinnerungen, die man mit sich trug und die einem vor dem inneren Auge aufgingen, als hätte man sie eben erst erlebt.

    Damals, vor vielen Monden, kam Nerea nach Tooshoo, und mit ihr ihre junge Enkelin. So zerbrechlich wie die Flügel jener Libelle, deren Sippe sie angehörten. Lyrca hatte den Kummer von Nerea damals auch ohne ihre seherischen Fähigkeiten und ohne ihr Augenlicht erkannt. Der Verlust, den die ältere Frau erlebt hatte, und die Sorge, die sie umtrieb, waren tief in ihre Bewegungen, in ihre Worte, in ihren Gang eingewebt. Doch Hoffnung, wenn auch nur ein wenig, hatte sie begleitet und war vor allem in den Augen des kleinen scheuen Mädchens zu finden gewesen. Hoffnung, die wuchs, je länger sie dort blieben, je mehr sie sich in der Gemeinschaft einlebten.
    Lyrca und Nerea hatten viele Streitgespräche geführt über den Sinn und Unsinn von Bräuchen, von Flüchen, vom Blut, das dicker war als jedes Wasser und alles durchdrang, und dem Schicksal. Doch als Lyrca die Gemeinschaft verlassen hatte, weil sie nach Feshyr gegangen war, war Nerea immer noch voller Zweifel gewesen.
    „Sie wird eines Tages fliegen lernen, ob du das willst oder nicht“, hatte Lyrca damals zu Nerea gesagt. Und sah einer an, Zarra flog. „So ist der Lauf der Dinge. Jene, die nach uns kommen, werden Dinge versuchen und erreichen, von denen wir nicht zu träumen wagten. Das wird auch für das Kind deiner Tochter gelten.“

    Die Bernsteinperle war ein Gruß gewesen von Nerea an Lyrca. Eine wohlwollende, ja eigentlich liebevolle Geste, als Erinnerung an ihre Freundschaft. Und natürlich auch an ihr Versprechen, sich eines Tages die kleine Libelle genaustens anzusehen. Doch es gab nichts zu sehen. Also, nichts, um das Nerea sich Sorgen machen müsste und das in ihrer Hand als ihre Großmutter lag.
    Das Mädchen mit den hellen Haaren würde ihren Weg gehen - oder fliegen, je wie es nahm - und der würde nicht immer von Sonnenschein begleitet sein. Aber wessen Weg war das schon?
    Nerea hatte ihrer Enkelin ein paar Sachen an die Hand gegeben, wie das Verständnis für Kräuter, das ihr helfen würde. Den Rest begann die junge Frau sich schon selbst zu erarbeiten.

    Lyrca griff in ein Säckchen aus dunklem, weichen Leder und holte eine perlmutt-farbene Perle heraus. Kurz nahm sie diese zwischen die Finger, dann in die Handfläche, als wollte sie sie aufladen mit ihrer Körperwärme.
    Dann ging sie zur jungen Rimbe und reichte ihr die Perle.
    „Für deine Großmutter. Sag ihr, dass du bereit bist. Nicht, weil ich es gesagt habe, hä? Sondern weil es eine unumstößliche Tatsache ist“, sagte sie dann mit einer Stimme wie kratzige Wolle. „Hanon le, Zarra, für deinen Besuch.“

    Freiya

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    Feshyr

    Die Perle lag auf Lycras Handfläche, als wäre sie aus Mondlicht geboren. Glatt, schimmernd, fast zu rein, um in die rauen Finger der alten Seherin zu passen. Und doch: sie passte. Weil alles an dieser Frau passte – auch das, was man nicht begreifen konnte.
    Zarra wagte kaum, hinzusehen. Ihre Finger zögerten, als würden sie ein fremdes Tier berühren wollen, das jederzeit beißen könnte. Schließlich nahm sie die Perle, legte sie behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger. Sie war kühl, dann wärmte sie sich langsam, so wie Bernstein es tat. Aber dies war kein Bernstein. Sie glänzte wie eine Muschel, die das Meer selbst geformt hatte.
    Ein Schauer lief Zarra über den Rücken.
    „Für deine Großmutter …“ – Lycras Stimme hatte noch in der Luft nachgezittert, kratzig, aber warm wie ein alter Mantel, in den man sich trotz aller Löcher gern hüllt.

    Zarra drückte die Perle an ihre Brust, dort, wo der Stoff des Umhangs vom Sumpfgeruch getränkt war. Der Schlag ihres Herzens klang ihr im Ohr, viel zu laut. Sie blinzelte, und für einen Moment sah sie Nereas Gesicht. Wie sie im Dämmerlicht der Kräuterkammer saß, die Hände rußig, die Haare zu einem strengen Zopf geschlungen. Die Art, wie sie immer so tat, als sei sie streng, und doch … wie viel Wärme in jeder ihrer Gesten lag.
    Ein Kloß stieg ihr in den Hals. Worte hätten sich formen können, aber sie wagte es nicht, sie hier auszusprechen. Nicht, wo Lycras Augen sie durchdrangen, auch wenn sie blind waren.
    Stattdessen nickte sie, kaum merklich.
    Sie ließ die Perle in den Beutel gleiten, zu den anderen zwei Bernsteinperlen, die noch dort ruhten. Drei und eins. Bernstein und Muschel. Sie wusste nicht, ob darin eine Ordnung lag, aber sie spürte, dass sie es eines Tages verstehen würde.

    Der Trank summte noch immer in ihrem Blut. Nicht mehr so scharf wie zuvor, eher wie ein ferner Ton, der nachhallte. Er machte ihre Gedanken schneller, lauter. Sie konnte das Knacken des Feuers hören, als wäre es ein Herzschlag. Den Wind durch die Farnwedel, als flüsterten sie ihr zu. Selbst das Schweigen Lycras hatte Klang.
    Sie wollte etwas sagen. Ein Dank vielleicht. Ein Wort der Demut. Aber ihre Zunge klebte, und sie fürchtete, es könnte zu klein wirken neben all dem, was hier geschehen war.
    Also schwieg sie.
    Ihre Augen wanderten über die Lichtung. Dort der Holztisch, die Federn, die Schalen, das Blut im Eimer. Dort die Schatten, die nicht mehr da waren, und doch … sie fühlte sie noch, wie kalte Finger auf ihrem Rücken. Und irgendwo über all dem das Bild des großen Baumes, das sich in ihr eingebrannt hatte wie eine Rune in Holz. Wurzeln, die in helles, lebendiges Wasser tauchten. Und Wurzeln, die faulten, krank, schwarz.

    Sie wusste, Lycras Worte waren mehr als eine Warnung gewesen. Es war eine Lektion. Nicht jetzt.
    Nicht ihre Aufgabe. Noch nicht.
    Aber irgendwann vielleicht.
    Zarra legte den Schädel, den sie die ganze Zeit getragen hatte, vorsichtig auf den Tisch. Der Äffchengeist rührte sich darin kaum spürbar, als würde er schlafen. Ihre Finger wanderten streichend auf der glatten Oberfläche, beinahe zärtlich. Vielleicht verstand er sie wirklich. Vielleicht hatte er sie nur aus Langeweile erhört. Aber er war geblieben. Und das hieß etwas.
    Ihre Lippen öffneten sich, diesmal fand sie Worte. Leise, fast flüsternd: „Ich werde auf dich aufpassen.“
    Ob sie den Geist meinte, die Perle, oder sich selbst, wusste sie nicht. Vielleicht alles zugleich.

    Ein leiser Windstoß trug Rauch vom Feuer zu ihr herüber. Er brannte in der Nase, aber er brachte auch Klarheit. Zarra zog die Decke, die Hilde ihr am Morgen gegeben hatte, enger um die Schultern. Der Tag hatte sich verändert, ohne dass die Sonne heller oder dunkler geworden wäre. Er war einfach … anders.
    Sie sah zu Lyrca. Die Seherin summte, rührte Kräuter im Mörser, so, als sei alles, was geschehen war, nur ein weiterer Atemzug in einem langen Leben. Kein Blick mehr für Zarra, keine Aufmerksamkeit, als wäre sie jetzt auf sich gestellt. Und vielleicht war genau das der Sinn.
    Zarra presste die Lippen zusammen, dann atmete sie langsam aus. Der Kopf war schwer von Eindrücken, das Herz voller Bilder, die sie noch nicht zu ordnen wusste. Aber tief in ihrem Bauch fühlte sie dieses leise Flattern. Wie Flügel, die nicht mehr ganz im Kokon ruhten.
    Sie erhob sich langsam, strich über den Beutel an ihrer Seite, in dem die Perlen nun schlummerten. Ein Stück Nerea. Ein Stück Lyrca. Und ein Stück von ihr selbst.

    Ihre Beine trugen sie ein paar Schritte über die Lichtung, weg vom Feuer, hinein ins Grün. Dort blieb sie stehen, lauschte den Stimmen des Waldes, die ihr vertraut und neu zugleich waren.
    Sie wusste nicht, was der nächste Schritt sein würde. Aber zum ersten Mal fühlte sie, dass sie ihn gehen konnte.
    Und dass, wenn sie wieder zu Nerea zurückkehrte, sie nicht mehr dasselbe Mädchen sein würde, das von Tooshoo aus aufgebrochen war.
    Sie sah auf ihre Hände. Noch immer klebte Blut an den Fingern, trocken und brüchig. Sie ließ es dort. Noch ein wenig. Als Zeichen, dass sie gesehen hatte.
    Dann zog sie die Schultern zurück.
    Und atmete.
    Tief, frei, fast wie im Flug.

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Der Morgen brach klarer an als der letzte. Kein schwerer Nebel hing über Feshyr, sondern ein fahles Licht, das von der See her flutete. Über den Felsen flatterten Möwen, ihr Kreischen stach durch die Stille, die zwischen ihr und Lyrca zurückgeblieben war.
    Zarra hatte die Nacht unruhig verbracht, kaum geschlafen. Bilder hatten sich in ihre Lider gebrannt: der große Baum mit den Wurzeln, das klare Wasser, das faulige, die Schatten, die an ihr gezupft hatten. Und Lycras Hand auf ihrer Stirn, schwer wie ein Siegel. Die Perle in ihrem Beutel fühlte sich an, als sei sie ein Herz, das nicht zu ihr gehörte, und doch in ihrem Rhythmus schlug.
    Als sie nun aufbrach, war Lyrca nicht bei ihr. Die Seherin hatte nur eine knappe Geste gemacht, ein Summen, das wie ein Abschied klang und zugleich wie ein „geh“. Keine weiteren Worte, kein Rückblick. Zarra hatte verstanden: alles Wichtige war gesagt worden. Der Rest lag bei ihr.

    Roan und Hilde warteten am Strand. Sie standen da wie zwei Stämme, fest im Sand, und hoben nur kurz die Köpfe, als sie sich näherte. Kein Fragen, kein Drängen. Nur dieses stille Einverständnis, das ihnen eigen war. Roan prüfte die Taue, Hilde legte ein Bündel Proviant in den Kahn. Zarra trat schweigend dazu, der Beutel schwer an ihrer Seite, der Schädel darin und die Perlen.
    Der Kahn glitt bald wieder über die Wellen. Das Meer war unruhiger als auf der Hinfahrt, die Wellen schlugen seitlich gegen den Bug und ließen den kleinen Lastensegler knarren. Gischt spritzte über die Ränder, kühlte ihr Gesicht, mischte sich mit dem Salz, das noch immer auf ihrer Haut lag von Lycras Ritual.
    Zarra saß mittig, wie zuvor. Ihre Finger ruhten auf dem Holz, aber ihre Gedanken waren weit. Immer wieder tastete sie nach dem Beutel, ob er noch da war, als könnte er sich in der Zwischenzeit in Luft auflösen. Der Marderschädel vibrierte leise, kaum spürbar, als rühre sich das kleine Äffchen darin. Sie fragte sich, ob es nun ruhiger war, eingezogen in den Knochen, oder ob es sich langweilte wie zuvor. Sie hatte ihm versprochen, aufzupassen. Nun war es Teil ihrer Last, ob sie es wollte oder nicht.

    „Alles gut?“ Hilde hatte sich leicht zu ihr geneigt, die Stimme nicht laut, aber wachsam.
    Zarra nickte hastig, zu hastig vielleicht. „Ja … ich … ich denke schon.“
    Ihre Stimme war dünn, doch sie brach nicht. Hilde musterte sie, aber fragte nicht weiter. Stattdessen legte sie die Hand auf Zarras Schulter, fest, kurz, wie eine Schwester, die nicht viele Worte machte.
    Der Tag zog sich. Die Sonne blieb hinter Wolken verborgen, das Meer war grau, die Wellen unermüdlich. Roan ruderte schweigend, der Bogen auf dem Rücken, die Augen auf den Horizont geheftet. Hilde hielt das Segel, ihr Haar flatterte im Wind, und Zarra saß zwischen ihnen, verloren in Gedanken, die schwerer waren als der Kahn.

    Sie dachte an Nerea. Wie würde ihre Großmutter sie ansehen, wenn sie zurückkam? Würde sie in ihrem Gesicht die blutigen Runen sehen, die längst abgewaschen waren? Würde sie spüren, dass etwas sich verändert hatte? Oder würde sie einfach schweigen, wie Lyrca, und wissen?
    Und Griffin … sie hatte ihm nichts gesagt. Keinem etwas gesagt. Was, wenn er fragte? Wenn er in ihren Augen etwas sah, das er nicht verstand?
    Zarra zog die Beine an den Körper, legte die Stirn auf die Knie. Der Wind sang ein gleichmäßiges Lied, das sie in den Schlaf wiegen wollte, doch jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie Wasser. Sprudelnd, rein, faulig, schwarz. Wasser, das heilte, und Wasser, das zerstörte.

    Als der Abend kam, leuchtete am Horizont ein Schimmer: Tooshoo. Der große Baum ragte wie ein dunkler Wächter über die Nebel des Sumpfes. Zarras Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Heimat. Anfang. Ende. Alles zugleich.
    Der Kahn glitt in die flachen Gewässer, wo der Sand wieder in Wurzeln überging. Der Geruch des Sumpfes umarmte sie, modrig, vertraut, voller Mücken und Stimmen. Es war, als hätte sie ihn nie verlassen – und doch war sie nicht mehr dieselbe, die fortgegangen war.
    Roan stieß den Kahn an die Wurzelpfähle, Hilde zog das Tau fest. „Wir sind da“, sagte sie schlicht.
    Zarra erhob sich langsam. Ihre Beine fühlten sich schwer an, als müsste sie erst wieder lernen, über festen Boden zu gehen. Sie nahm den Beutel, drückte ihn fest an sich, und stieg an Land.
    Der Nebel schloss sich hinter ihr, und Tooshoo breitete seine Arme aus.
    Sie war zurück.
    Doch sie wusste: etwas von Feshyr würde sie nie wieder loslassen.

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    Provinzheld Avatar von Nareth
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    „Ich hasse das Meer…“
    Vielleicht lag es daran, dass er nichts schwimmen konnte, vielleicht auch an dem Umstand, dass er beinahe konstant kotzen wollte. Oder es war die Trostlosigkeit mit so viel Wasser. Auch das Gefühl, quasi eingesperrt zu sein auf dem Schiff spielte gewiss eine Rolle. Zusammenfassend hasste Nareth Schiffe und das Meer im Allgemeinen. Auch Seen waren scheiße. Badezuber und Regen, das waren so die einzigen Formen von Wasser, die er mochte. Ganz schlimm waren Schnee und Eis. Zu hell, zu nass, zu kalt. Einfach widerlich. Dumm nur, dass die kalte Jahreszeit nun anbrach.

    „Hey, wie lang noch bis wir ankommen?“
    „Kleiner, bist du bescheuert? Wir sind doch gerade erst los… geh einfach unter Deck.“

    Was blieb ihm auch groß anderes übrig? Paladine und Ritter waren nicht wirklich gesprächig. Der Kerl von Draco ging ihm aus dem Weg und zu seinem Vater wurde Nareth sowieso schonmal gleich gar nicht vorgelassen. Nachvollziehbar.
    Hoffentlich kommt kein Sturm oder sowas… das schaukelt schon genug hier…

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    Provinzheld Avatar von Nareth
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    Er mochte Stürme. Wirklich sehr sogar. Aber das hier? Eigentlich dachte Nareth immer, dass gerade Adanos der Gott ist, der eher entspannt unterwegs ist. Müde vom ständigen Schlichten zwischen dem Lichtvogel und dem Dämonenzüchter. Aber ganz offensichtlich hatte er sich da getäuscht. Und wie er das hatte!
    Konstant brüllten die Seeleute irgendwelche ihm unverständliche Kommandos quer über das Boot. Schiff! Man hatte ihm mehrfach, teilweise fast schon unfreundlich, zurechtgewiesen, dass es ein Schiff und kein Boot sei. Es änderte aber nichts daran, dass dieses Gefährt auf den Wellen hin und her schwankte wie ein Besoffener auf dem Weg zum Abort. Einmal hatte Nareth den Fehler gemacht auf Deck zu kommen… kaum machte er die Tür auf, knallte ihm auch schon ein Wasserschwall so brutal gegen den Leib, dass es ihn mehrere Meter nach hinten schmiss. Eine fette Beule auf seinem Hinterkopf würde ihn noch eine Weile daran erinnern. Jedenfalls war es Grund genug unten zu bleiben und einfach zu hoffen, dass sie heil ankommen würden.

    „Man wir haben echt Glück mit dem Sturm!“
    „Ja. Ein Sturm im Rücken auf dem Weg nach Hause. Innos möchte scheinbar wirklich den Ketzer endgültig richten.“
    „Hauptsache wir gehen nicht unter…“
    „Schwachsinn! Der Kapitän steht dem Korsaren in nichts nach!“
    „Aber wenn nicht… dann gehen wir alle mit ya Torese zusammen drauf.“
    „Ich weiß nicht… der Typ ist sogar mir unheimlich. Er kein Wort gesagt bislang. Keine Mine verzogen und starrt immer nur aus dem Guckloch in den Himmel. Als ob er auf etwas wartete…“
    „Meinst du er…“
    „Ob er den Sturm beschworen hat? Glaub ich nicht. Soweit ich die Berichte gelesen hab, ist er eher mit Schattenzeugs und Telekinese unterwegs. Glaub ich…“
    „Ich wette, wenn wir unter gehen, der Kerl überlebt als Einziger.“
    „Jetzt hör auf sowas zu sagen! Oh, da kommt seine Brut…“

    Sie verstummten und rangen sich ein Lächeln ab als Nareth den Weg der zwei Wachritter kreuzte. Er hatte das gesamte Gespräch mitbekommen. Es wirkte seltsam wie sehr sie seinem Vater alles Mögliche an Fähigkeiten und Absurditäten zusprachen. Seit waren Paladine abergläubig? Vermutlich schon immer, wenn man bedenkt, dass die in ein Lagerfeuer schauen und meinen dabei das Wirken eines Gottes zu spüren. Das Einzige, was Nareth spürte war im Moment der Drang den letzten Rest seines Frühstücks loszuwerden. Was er hiermit dann auch hochfeierlich fast direkt vor die Füße der Ritter tat…

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    Provinzheld Avatar von Nareth
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    Wie lang waren sie schon auf dem schaukelnden Kahn? Eine Woche? Ein Monat? Schwer zu sagen, wenn die Tage und Nächte nicht mehr unterscheidbar sind und die eigene Zeitrechnung nur noch anhand des Wechsels von Zeiten des Erbrechens und Schlafens unterschieden werden. Und wozu das Ganze? So wirklich wusste das Nareth auch nicht so recht. Was er wusste, war, dass er, sollte er sich den Streitkräften Myrtanas anschließen, auf keinen Fall Teil der Marine werden wollte. Das überließ er mit Freuden diesen Bekloppten hier.

    Wie dumm ist das auch einfach? Als ob man in Ketten- oder Plattenrüstungen schwimmen könnte, wenn was passiert. Und mal eben ausziehen oder abnehmen der Rüstung ist auch eher Essig. Absolut dämlich… Immerhin ist der Sturm vorbei…

    „Joar, die Hälfte haben wir schonmal vom Weg…“
    „Ging echt schnell diesmal irgendwie“

    Es war kaum zu glauben, aber Nareth schaffte es noch bleicher zu werden, nachdem er nun hörte, dass erst die Hälfte seines Leidens vorüber war…

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    Hexenmeister Avatar von Trilo
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    Trilo ist offline

    Khorinis -> Vengard

    Meine Fresse sind Seefahrten langweilig…
    Sie hatten ihm die Augenbinde abgenommen damit er sich bei Seegang zumindest ansatzweise halten und dafür sorgen konnte, halbwegs unverletzt in Vengard anzukommen. Die Handschellen und der Knebel blieben jedoch, zudem war diese lästig laute Kette an seinen Füßen neu. Nicht, dass das einen großen Unterschied machen würde, immerhin konnte er den Knebel jederzeit mit den Händen entfernen, wenn er es wollte, aber das würde nur wieder für Tumult sorgen. Und weitere Einschränkungen. Er ließ ihn also erstmal drin. An sich war das alles eh eine Farce, da man ihn angeblich so von seiner Magie abhalten wollte, welche zwar durchaus verbale als auch somatische Komponenten benötigte, aber Schellen an den Handgelenken und ein entfernbarer Knebel würden ihn davon nicht wirklich abhalten. Viel schlimmer war dieses absurde, dünne Band aus Eisen mit Schutzrunen um seinen Hals. Das Ding scheuerte nicht, fühlte sich nicht wirklich kalt an und so leicht, dass man schnell vergessen konnte, dass es überhaupt da war. Aber es hatte eine wahrlich beachtliche Wirkung: es war absolut unmöglich auch nur ansatzweise Magie zu kanalisieren. Zugegeben, Trilo hatte kaum noch, welche übrig, nachdem er diese transferierte, aber hier ging nun gar nichts mehr. Immer wenn er es versuchte, leuchteten die Runen und Sigillen im Reif schwach auf und zerstörten den Aufbau der Magie, während das Teil langsam heißer wurde. Ziemlich raffiniert, da dadurch auch der Versuch das Ding zu unterwandern und langsame, schwäche Magie zu wirken unterbunden wurde. Wer will schon einen glühenden Ring am Hals? Zudem konnte der Hexer das Gefühl nicht abschütteln, dass der Ring mit jedem Versuch ein wenig enger wurde.

    „Hey Ketzer. Dein Essen.“
    Man klatschte ihm eine Schüssel aus Stein auf den Boden der Zelle, die dicke Suppe, oder was auch immer das genau war, schwappte ein wenig über. Weder Holz noch Porzellan wollte man ihm überlassen aufgrund der Gefahr, Trilo könnte es zerbrechen und als Waffe nutzen. Die denken wirklich, ich bin die Ausgeburt des Bösen. Nicht mal einen Löffel gibt es. Kann diese Fahrt meinem Kumpel Yelp echt nicht empfehlen.
    Er nahm also den Knebel raus und legte ihn neben den… Mörser? Aus der Nähe sah das Teil echt aus wie ein alter Mörser eines Alchemisten oder Herbalisten. Dass Trilo den Knebel entnahm und sich für das Essen bedankte, sorgte dafür, dass der Gardist, der ihm das Futter brachte, etwas bleicher als ein Nordmarer wurde, das heilige Symbol Innos vor seiner Brust fuchtelte und sich dann schnell von der Szenerie entfernte. Also zu meiner Zeit waren die Gardisten nicht so verweichlicht…

    Die Tage vergingen auf dem Schiff für Trilo sehr ereignislos. Meistens schaute er einfach nur aus dem Fenster in den Himmel, da zumindest die Wolken eine Art von Abwechslung darstellten. Bis diese sich zuzogen und bei Trilo unangenehme Erinnerungen an den Kampf gegen den Leviathan heraufbeschwörten. Seit dieser Auseinandersetzung konnte er dem Meer und dessen Stürmen nichts mehr abgewinnen. Mehrfach flog er in seiner Zelle hin und her, einmal war der ehemalige Ritter der festen Überzeugung das Schiff stünde senkrecht und doch kenterte der Kahn nicht. Es waren beschissene zwei Tage in denen er sich fühlte wie ein Ball den eine Horde Kinder im Heim durch die Räume schossen und dabei vor allem an den Abprallern von Wänden den meisten Spaß hatten. Glück im Unglück hierbei war, dass die Anbringung der Kette an seinen Füßen sich gelöst hatte, das heißt die metallischen Ringe waren zwar noch immer um seine Knöchel, aber keine Kette mehr daran. Ein absurdes Bild. Ein dicker metallischer Ring jeweils um Hand- und Fußgelenke und dann noch das metallische Halsband. Man konnte vielleicht nicht genau den Finger drauf halten wieso es so seltsam aussah, aber dass es falsch war, das war klar. Er hatte zwar nun mehr Bewegungsfreiheit innerhalb der Zelle, aber frei war er noch lange nicht. Aber das wollte er auch gar nicht. Er hatte Draco das Versprechen abgerungen auf Nareth zu achten. Sich selbst dafür auszuliefern war das Mindeste was ein guter Vater tun konnte.

    "Hey! Du hast Besuch! Benimm dich und... bei Innos! Wieso sind die Ketten ab?! Du Bastard!"
    Eine wirklich unfeine und in der Wortwahl stark eingeschränkte Tirade an Beleidigungen und Flüchen seitens des Ritters folgte. Anstalten die Zelle zu betreten und Trilo wieder anzuketten, machte der Ordensbruder jedoch nicht. Abgesehen vom Kapitän, dem Quartiermeister und dem Bootsmann gingen ihm alle soweit aus dem Weg und näherten sich Trilo auf keine fünf Schritt. Von diesen Dreien war allerdings nur der Kapitän halbwegs freundlich. Vor allem der Bootsmann war ein harter Brocken und Arschloch vom Feinsten.
    Nach einer Weile hatte sich der Ritter auch wieder ein wenig eingekriegt und einen Schiffsjungen losgeschickt um Meldung an irgendwen zu machen. Weder hatte Trilo wirklich mitbekommen an wen genau, noch interessierte ihn dieser Detail all zu sehr. Der Umstand, dass Nareth selbst eine Unterhaltung wollte, war einfach zu seltsam.
    Geändert von Trilo (27.10.2025 um 10:39 Uhr)

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    Provinzheld Avatar von Nareth
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    Nareth ist offline
    Der Sturm war vorbei, das Schiff schon fast in Vengard angekommen; zumindest redete sich dies Nareth ein. Vermutlich der Grund, wieso die Mannschaft etwas lascher wurde. Jeder wollte endlich wieder nach Hause und obendrein den Ketzer loswerden. Es war nun also auch endlich möglich, wenngleich mit einem Ritter anwesend, mit seinem Vater zu sprechen. Also gingen die beiden unter Deck, tief unter Deck. Nareth kannte sich mit Schiffen wahrlich nicht aus, aber das hier schien das zu sein, was man wohl die Bilge nannte. Es war nass, dreckig, muffig und kleines Ungeziefer lief herum. Aus einer Ecke meinte er das Fauchen einer vermutlich räudigen Katze zu hören. Kaum waren Sie bei Trilos Zelle angekommen, brach direkt eine Eskalation los. Scheinbar hatte sein Vater es irgendwie geschafft nicht nur den Knebel, sondern auch die Ketten an Hand- und Fußfesseln loszuwerden. Ein Umstand, den sogar Nareth erstaunlich fand, bedachte man, dass die Zelle wahrlich winzig war, der Hexer keinerlei Werkzeug besaß, seine Magie unterdrückt wurde und definitiv keiner an Bord ihm dabei geholfen haben wird. Es dauerte eine Weile bis der Ritter seine Fassung wieder erlangte und mit dem Geschreie aufhörte, ein Zeitraum, in dem sich Vater und Sohn einfach nur anstarrten. Dann endlich wurde dem Jünglich erlaubt zu reden.

    „Hallo… Trilo.“
    „Hey, kein Grund förmlich zu werden, Nareth.“
    „Auch kein Grund wirklich hier zu sein.“
    „Touché… Was verschafft mir die Ehre, Herr Sax?“
    „Stimmt es, dass du einen Deal mit Draconiz gemacht hast? Dein Kopf für meine Unabhängkeit?“
    „Nein.“
    „Was?“
    „Nicht für deine Unabhängigkeit. Meine Leben für eine Chance für dich. Ich hab dich nicht zur Naivität erzogen-“
    „Wahrlich nicht, nein.“
    „Unterbrich mich nicht. Deine Mutter würde dir für den mangelnden Respekt die Eselsohren langziehen. Jedenfalls ging es darum, dass der Orden Innos dich nicht verfolgen wird, nur weil du von meinem Blute bist. Denn das würde er tun. Richtig?“

    Trilo blickte zu dem Wachritter auf, welcher als Antwort nur ein abwertendes geräusch von sich gab und nach einem abfälligen Blick zu beiden einfach wegschaute.
    „Du lässt dich also töten, damit ich leben kann?“
    „Hahaha, die werden mich nicht töten. Ich war schon tot. Zwei Mal. Und das ist genau das Hauptproblem des Ordens. Und selbst als man mich in Vengard hinrichten wollte, gab es göttliche Intervention und ein Drache verwüstete die Hauptstadt. Die Götter selbst sind sich uneins, keiner will mich. Innos hat mir nach meinem Tod den Einzug in sein Reich verwehrt, trotz meiner Dienste in seinem Orden, sogar im Generalsstab der Armee. Ich fiel ins reich Beliars, doch selbst dieser will mich nicht und versuchte mich in einen Dämon zu verwandeln, was er nicht schaffte, und ich wurde von einem Kastellmagier irgendwie beschworen. Und Adanos… keine Ahnung, Adanos und ich haben eine andere Art von Zwist. Dazu kann und werde ich dir nichts erzählen, weil jede Information dazu schon bedeuten würde, dass du gesucht wirst.“
    „Absurd…“
    „Ja, Sohnemann, klingt absurd. Stell dir mal vor wie das aus meiner Perspektive ist. Der Orden Innos wird mich vermutlich einsperren bis an mein Lebensende. Wobei unklar ist, wann das sein wird, da ich…“
    „Vorsicht, Hexer… Das Gespräch ist vorbei. Ich werde nicht zulassen, dass du den Knaben mit deinem ketzerischen Geschwätz weiter verdirbst.“


    Es war unklar, wieso Nareth nichts Weiteres hören durfte. Hatte Trilo etwa noch mehr Leichen im Keller als er dachte. Und gewiss, Nareth dachte da bereits an eine ganze Menge. Er hatte seinen Vater mehr als nur einmal dabei überrascht, wie dieser seltsam okkulte Rituale durchführte. Offenbar verstand der Hexer sich sogar darin Magie in Gegenstände zu pressen oder seinen eigenen Schatten zum Leben zu erwecken. Letzteres verschaffte Nareth immer wieder Gänsehaut, wenn er auch nur daran dachte. Aber was hatte es nun mit der Lebensspanne seines Vaters auf sich? War der Kerl fast tot? Das würde erklären, wieso er sich auslieferte, wenn er eh nicht mehr lang hatte. Über die entgegengesetzte Richtung wollte Nareth gar nicht erst anfangen nachzudenken. Was wenn Trilo unsterblich war? Wenn der Tod ihn scheinbar nicht wollte, und das Leben auch nicht… nein nein nein, er durfte sich nicht auf solch abstrusen Gedanken einlassen. Der Jungspund folgte dem Ritter wieder nach oben, während der Bootsmann mit zwei weiteren Rittern Ihnen entgegenkamen. Vermutlich würden diese Trilo wieder fest machen.

  15. Beiträge anzeigen #115 Zitieren
    Provinzheld Avatar von Nareth
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    Nareth ist offline

    Kurz vor Vengard

    „Bei allen Göttern! Endlich!“
    Es war eine wundervolle Nachricht, die in Nareths Ohren drang. Man hatte das Festland erspäht. Zwar konnte er selbst noch nicht wirklich etwas sehen von der Reling aus, aber der Typ mit dem Fernrohr wusste sicher, was er da tat und erzählte. Der Jungspund wischte sich also den Mund erneut an seinem eingesauten Ärmel ab, um auch die letzten Brocken Erbrochenes zu beseitigen, und begann langsam unter Deck zu taumeln und das Bisschen, was er Hab und Gut nannte, schonmal zusammen zu packen. Es war wirklich kaum der Rede wert: ein alter Dolch, ein wenig Essen, sein Münzbeutel, Feuerstein und Zunder, ein altes Tagebuch und weiterer Kleinkram wie ein wenig Asche, Schnüre, Angelhaken und Ähnliches.
    Man hatte ihm erzählt, ja sogar angeraten, sich in Vengard darum zu kümmern als Kronbürger anerkannt zu werden. Nur dann war es ihm wohl erlaubt Waffen innerhalb der Stadtmauern zu tragen, ein Gewerbe anzubieten oder sich später der Garde oder gar den Magiern anzuschließen. Quasi ein Bekennen zur Krone. Klang alles recht vernünftig, weshalb sich Nareth entschied sich nach der Ankunft direkt darum zu kümmern.

    Ich frag mich was die mit Trilo jetzt genau machen. Egal, vermutlich besser, wenn ich mich nicht weiter mit ihm beschäftige. Anderenfalls bekomm ich nur selbst Probleme, wenn ich meine Nase zu sehr in Angelegenheiten des Ordens stecke.

  16. Beiträge anzeigen #116 Zitieren
    Schwertmeister Avatar von Curt
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    „Die Geweihten Adanos‘ sind die Wassermagier. Es wäre eine Schande, wenn sie kein enges Band zu dem Ozean haben, immerhin sorgte er bereits in der Schöpfungsgeschichte für das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit auf der Welt.“
    Mitnichten wollte Curt seiner Liebsten einen Vortrag halten, aber es würde kein gutes Licht auf sie beide werfen, wenn sie als Magier Unlust oder gar Sorge vor der Reise ausstrahlten. Immerhin waren Seeleute sehr gläubige Menschen. Einen Magier auf dem Schiff zu haben, war wie eine wohlwollende Verheißung. Mit gleich zwei von ihnen an Bord war die Hoffnung auf gute Winde und eine sichere Überfahrt groß und jeder würde umso motivierter sein, sich von seiner frommsten Seite zu zeigen.

    Die Sankt Dominique besaß neben der Kapitänskajüte noch eine weitere Einzelkajüte, alle anderen Seefahrer verteilten sich in den Gruppenunterkünften unter Deck. Curt hatte überlegt, ob er und Felia wohl einfach abwechselnd schlafen und sich somit die Kajüte teilen sollten, aber dann bliebe ihm insgesamt weniger Zeit an ihrer Seite, also biss er gönnerhaft in den sauren Apfel und ließ sich eine Hängematte in der Gruppenkoje zuweisen. Nur sein Reisegepäck verstaute er mit bei Felia, dann musste er sich wenigstens nicht vor etwaigen Langfingern Sorgen machen.
    „So, das hätten wir“, sagte er und klopfte sich die Hände ab. Gar nicht so einfach, auf dem Schiff sauber zu bleiben, während man den Novizen, die ihre Taschen schleppten, die Türen aufhalten musste.
    „Schau, eine Hängematte. Darin kannst du dich sanft in den Schlaf schaukeln lassen. Und hier ist sogar eine Art Fenster. Da kannst du eine sanfte Brise hereinlassen.“
    Besagtes Fenster war nicht viel mehr als eine Öffnung in der Bootswand, die durch Leder und Stoff anstelle von Holz verkleidet war. Bei Regen oder starkem Wellengang musste man die zulassen. Felia schien alldem nicht sonderlich viel abgewinnen zu können.

    Da plötzlich ging ein starker Ruck durch den Schiffskörper und seine Liebste wurde direkt in seine Arme geschaukelt.
    „Na hoppla“, meinte Curt amüsiert, ehe ihm gewahr wurde, dass es einen guten Grund für das Schaukeln gab. Das Schiff musste bereits abgelegt haben.
    Felia und er eilten zügigen Schrittes aufs Oberdeck, wobei sie sich bemühen mussten, niemandem von der Mannschaft in die Quere zu kommen. Zudem nahm der Wellengang bereits nach wenigen Augenblicken zu, was zielgerichtete Bewegungen zu einer Herausforderung machten.
    „Halt dich an mir fest“, sagte Curt und reichte Felia die Hand. Diese griff aber nur nach dem Handlauf an der Treppe und schob sich an ihm vorbei an Deck. Draußen war es windig, aber immerhin schien die Sonne. Sie begaben sich zur Reling und konnten sehen, wie Thorniara in kürzester Zeit kleiner wurde. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

    „Riechst du das? Der Geruch von Freiheit und Abenteuer!“, freute sich Curt.
    „Wer hat den Esel hier an Bord gebracht?“, rief plötzlich einer der Matrosen. „Der hat volle Bude aufs Vordeck geschissen!“
    Ein Glück, dass sie auf ihrem Rang keine Deckschrubber mehr waren.

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