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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Westküste Argaans

    Der Stein war kühl. Doch nicht kalt.
    Fast, als hätte er etwas gehört. Etwas gespürt.
    Zarra hielt ihn fest, ohne ihn ganz hervorzuholen, als wäre seine Wärme nur für ihre Hand bestimmt – oder für diesen Übergang, diesen Moment, in dem das Land zurückwich und das Meer sie aufnahm.
    Roan ruderte schweigend, den Blick auf den Horizont gerichtet. Das Segel flatterte kurz, dann spannte es sich mit einem leisen Rucken, als der Wind von Südosten aufkam. Der Kahn legte sich leicht zur Seite, schaukelte in einem Takt, der nicht dem Puls der Menschen, sondern dem einer älteren Welt entsprach.

    „Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Hilde leise, ohne sie anzusehen. „Lyrca beißt nur, wenn man sie drum bittet.“
    Zarra hob den Kopf.
    „Du kennst sie?“
    Hilde nickte. „Von früher. Als sie noch im Wald lebte. Später ist sie aufs Meer hinaus. Da hieß es, sie habe die Geister geärgert.“
    Sie lächelte.
    „Die meisten meiden sie. Ich glaube, das gefällt ihr.“

    Zarra kaute auf ihrer Unterlippe.
    „Und warum soll ich zu ihr?“
    Hilde zuckte mit den Schultern. „Weil Nerea es so will. Und wenn Nerea etwas will, dann… gibt’s meistens einen Grund. Auch wenn du ihn erst später verstehst.“
    Sie schob einen Riemen zurecht, dann fügte sie hinzu: „Oder nie.“
    Der Wind nahm zu. Gischt sprang am Bug hoch, ein paar Tropfen landeten auf Zarras Stirn. Sie schmeckten salzig.
    Fremd. Und doch irgendwie rein.

    Zarra zog die Decke um ihre Schultern, nicht weil ihr kalt war, sondern weil der Wind durch sie hindurchging wie ein Gedanke, der zu groß für ihren Kopf war.
    Sie schloss die Augen und lauschte.
    Nach dem Rauschen des Wassers, dem Knarren des Holzes, dem ruhigen Atem derer, die sich nicht fürchteten.
    Ein neuer Geruch hing in der Luft – Tang, Algen, offenes Wasser.
    Kein Sumpf. Kein Farn. Keine Fäulnis.
    Etwas Neues.

    Zarra legte den Bernstein zurück in den Beutel, zog das Band mit den Runen fester und ließ den Blick über die Wellen streifen. Die Küste war nur noch ein matter Schatten hinter ihnen.
    Tooshoo war nicht mehr zu sehen.
    Sie war unterwegs.
    Wohin auch immer.
    Aber irgendwo tief in ihr, zwischen Magen und Brustbein, begann ein winziges Flimmern – wie das Zittern von Libellenflügeln vor dem Flug.

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    Fighter Avatar von Saraliel
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Saraliel ist offline
    Der Magus winkte ab als die Dame ihm gegenüber ihm Wein anbot. Auch wenn er manche Annehmlichkeiten seiner Stellung genoss, so gehörten beeinträchtigende Substanzen nicht dazu. Er brauchte einen klaren Verstand. Nun so klar, wie es ihm möglich war. Seine Aufmerksamkeit war ein rares Gut, dass er pflegen musste, bevor sie ein neues Objekt fand.
    »Wie ihr meint«, meinte Elyndra. Er konnte kaum einschätzen, welche Emotion mitschwang, was sicherlich nicht an der Dame lag.
    »Was wisst ihr über Blutmagie?«, fragte er ohne jeglichen Zusammenhang.
    »Blut...magie?«, fragte die Dame und verschluckte sich fast an dem Schluck, den sie in diesem Moment nehmen wollte.
    »Genau«, meinte Saraliel ungeduldig und nahm das Schwanken des Schiffes weiterhin als anstrengend wahr.
    »Nun..«, meinte die Priesterin und fuhr sich durch ihr rotes Haar, während sie in ihrem Hinterstübchen zu kramen schien.
    »Es ist recht sicher, dass Körper und die Gabe der Götter in einer Form verbunden sind. Manche – wenige – Wesen sind mit der Gabe gesegnet und von den wenigen bilden wenige die Ausnahme dies auch in eine Form gießen zu können. Die Verbindung von Körper und Geist scheint in vielen Studien als ein wichtiges Prinzip gesehen zu werden«
    »Fahrt fort. Die Grundlagen kenne ich«, meinte der Zauberer gelangweilt.
    »Blut ist meiner Meinung nach direkt mit dem Leben verbunden und damit Innos’. Ich halte es für absolut nachvollziehbar, dass Innos’ der Spender dieser Art der Magie ist. Auch wenn viele diese Art von Magie für fragwürdig und vielleicht Adanos oder gar Beliar zuordnen wollen, denke ich, dass der Funken der Schöpfung darin zu finden ist«
    Der hünenhafte Magier nickte. »Ich habe etwas in der Art gespürt«, meinte er vorsichtig.
    »Euren Körper? Wie euer Blut mit der Magie interagiert?«
    »Ich denke schon. Ich habe gesehen was Blut im Rahmen von Alchemie anrichten kann«, einen Moment sinnierte über die Ereignisse in Geldern. »Mich beunruhigt der chaotische Aspekt darin«.
    Elyndra lachte. »Ich kann mir keinen Reim auf euch machen Saraliel. Warum solltet ihr ausgrechnet mich so etwas fragen?«
    »Ihr steht in Ungnade und seid offensichtlich nicht unbedingt auf eingetretene Pfade beschränkt«, antwortete er frei heraus. Ihr Lachen wurde schelmisch.
    »Ich wollte noch vor kurzem euren Bruder töten«, meinte sie, während sie eine Augenbraue hob.
    »Schränkt das eure Fachkenntnis ein?«, fragte er rhetorisch. »Wir haben ein gemeinsames Ziel. Danach sehen wir weiter. Erzählt mir alles was ihr wisst«

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    Fighter Avatar von Saraliel
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    Nahe Bakaresh

    Ilfar lachte, so dass es von dem Boot widerhallte und über die See wie ein kalter Schauer schwappte. »Also also also«, begann er und unterbrach seine Worte nochmal mit einem Lachen. »Ihr habt versucht DraconiZ zu töten, weil ihr glaubt Al-Din könnte ihn sich gefügig machen. Dann seid ihr alleine Saraliel und ihm gegenüber getreten, sie haben euch – wie zu erwarten war – überwältigt und dann entgegen jeder Wahrscheinlichkeit hat euch der herzensgute hier«, er klopfte dem Magus mal wieder auf die Schulter. »Nicht nur nicht gebrutzelt, nein er hat euch auch noch eingeladen mit auf Jagd nach dem Schwarzmagier zu gehen. Der wie wir wissen ewig alt ist und es über eine ewige Zeit geschafft gerade nicht getötet zu werden den garaus zu machen«, fasste Ilfar in seinen Worten zusammen und schien sich köstlich zu amüsieren.

    Elyndra schaute mit einer Mischung aus Scham und Trotz zurück. »Ich handelte nach besten Wissen. Dem Verräter zu trauen, insbesondere wenn er mit Al-Din in Verbindung stand schien nicht ratsam«, knurrte sie. »Schön, dass wir alle auf einem Stand sind«, meinte Saraliel beschwichtigend in alle Richtungen und schaute auch auf die vier Seemänner, die sich ansonsten auf dem Boot befanden. War wahrscheinlich keine gute Idee sie an dem Unterfangen zweifeln zu lassen, bevor es begonnen hatte.

    »Was macht der böse Schwarzmagier denn so böses, dass er unbedingt verschwinden muss?«, fragte Ilfar, während der Wind durch sein rotes Haar fuhr. »OK außer dem Üblichen natürlich und dass er die Ehre Innos’ auf Erden beschmutzt«, ergänzte er als Elyndra schon Luft holen wollte um wahrscheinlich etwas sehr ähnliches anzubringen. »Er hat unsere Familie gegeneinander aufgebracht und DraconiZ maßgeblich beeinflusst. Er hat Varant mit seiner Bosheit lange Zeit vergiftet. Er verhöhnt mit seiner Unsterblichkeit die Gnade des Lebens.«. »Es ist persönlich«, entgegnete Elyndra gepresst , ohne weiter auf Details einzugehen. »Also keine offizielle Mission?«, fasste Ilfar zusammen. »Daelon sagte, dass es spaßig werden würde. Na dann also was erwartet uns?«

    »Noch unklar«, meinte Saraliel und sah dem sich am Horizont abzeichnenden Felsen entgegen. »In Masyaf erwartet er uns wahrscheinlich nicht mehr. Doch es ist der Anhaltspunkt«. Er erinnerte sich an den Schlag auf seinen Schädel. Sie durften Raschid nicht unterschätzen.

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    Abenteurer Avatar von Delvin Corgano
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    Die Zeit auf See hatte sich gedehnt. Drei, vielleicht vier Tage waren vergangen, seit Delvin Corgano das letzte Mal bewusst auf den Horizont gestarrt hatte, in der Hoffnung, dort etwas zu erkennen. Inzwischen tat er es nicht mehr mit Erwartung, sondern aus Gewohnheit.

    Das Schiff glitt stetig voran, getragen von einem Wind, der weder günstig noch hinderlich war – einfach da, wie die See selbst. Das Knarren der Planken war zum ständigen Begleiter geworden, das rhythmische Schlagen der Segel ein beruhigender Takt, den man nur noch bemerkte, wenn er plötzlich aussetzte. Die Mannschaft arbeitete schweigend und eingespielt. Galbor hatte sie gut geführt – nicht mit Rufen oder Drohungen, sondern mit Präsenz und Erfahrung. Jeder an Bord kannte seine Aufgabe, und wer sie nicht kannte, lernte sie rasch.

    Delvin hatte sich in dieser Zeit zurückgezogen, so gut es die engen Verhältnisse zuließen. In seiner kleinen Kajüte unter Deck lag das vertraute Bündel Pergamente, ergänzt durch neue Notizen, Beobachtungen, Skizzen möglicher Strategien. Er hatte überlegt, verworfen, neu angesetzt. Informationen über Khorinis waren dünn gesät, doch einige Namen hatten sich mehrfach in Berichten gezeigt, die ihn der Burggraf noch vor seiner Abreise zukommen ließ. Doch es waren zumindest genug, um erste konkrete Überlegungen zu machen.

    Nun aber rieb sich Delvin Corgano erschöpft die Augen. Es war nicht die Arbeit, die ihn zu schaffen machte. Sondern das Warten. Das Warten darauf, dass sie endlich die kleine Insel erreichen würden. Er verließ seine Kajüte, die nicht viel mehr als ein behelfsmäßig abgetrennter Bereich nahe des Laderaums war, und stieg aufs Deck. Die See war klar, das Licht weich, der Himmel weit. Möwen kreisten am Horizont – ein erstes Zeichen. Galbor stand an seiner gewohnten Position, eine Hand am Ruder, die andere ruhig hinter dem Rücken. Der Wind hatte sich gedreht und die Segel standen gut.

    Delvin trat neben ihn. Kein Wort wechselte sich zunächst. Die beiden Männer mochten stets gut zusammen arbeiten aber besonders leiden konnten sie sich nicht. "Wenn wir den Kurs halten, sehen wir Khorinis im ersten Licht." sagte Galbor schließlich. "Morgen früh. Vielleicht noch davor."

    Delvin nickte knapp. "Wann ward Ihr das letzte Mal auf Khorinis?"

    Galbor schwieg einen Moment, dann antwortete er ruhig: "Das ist schon einige Monde her. Damals war die Stadt ein Drecksloch. Stellt Euch das Armenviertel von Flussheim vor. So in etwa ist Khorinis. Klar, es gibt da noch das Viertel der Handwerker und das obere Viertel. Aber die haben auch schon lange ihren Glanz verloren."

    Delvin blickte über das Wasser. Wenn solche Zustände auch große Möglichkeiten und viel Spielraum boten, so hoffte der Edelmann doch, dass sich diese Stadt in der Zwischenzeit zu etwas Besseren entwickelt habe.

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Feshyr

    Die Nacht war still gewesen, aber nicht leer.
    Zarra hatte nicht geschlafen, sondern gedöst, gewiegt vom Knarren der Planken, dem Rauschen der Wellen und der Art Stille, die nur zwischen den Sternen liegt.
    Hilde hatte ihr einen Platz unter dem Segeltuch gemacht, wo der Wind weniger nagte. Roan war die meiste Zeit am Bug geblieben – wach, oder schlafend mit einem Auge, wie Jäger das eben tun.
    Jetzt war es Morgen. Kein goldener, kein schillernder, sondern einer aus Stein und Salz:
    Blasses Licht kroch über die Wasserfläche, wolkenverhangen, als wäre selbst die Sonne hier eine Fremde. Der Himmel war ein einziges, glattes Grau. Nur das Land vor ihnen war dunkel.

    Feshyr.
    Zuerst waren es nur Schatten. Eine zerklüftete Küste, über der vereinzelte Pinien wie verkrümmte Finger in den Wind ragten. Dann der Geruch – nicht wie im Sumpf, nicht modrig, sondern mineralisch, herb, nach Fels, Tang und etwas Bitterem, das sie nicht benennen konnte.
    „Wir sind gleich da“, murmelte Hilde neben ihr und rückte das Jagdmesser zurecht. Ihre Stimme klang rau vom Salzwind, aber warm.
    Roan hatte das Segel längst eingeholt und stieß das Boot mit dem Paddel an eine schmale Landzunge.
    Kein Steg. Kein Hafen. Nur Steine, die wie Zähne aus dem Wasser ragten, und eine kleine Bucht, in der dunkler Sand lag wie verschüttete Kohle.

    Zarra stand langsam auf. Ihre Beine waren steif. Der Sand sah weich aus, aber der Boden unter dem Boot war noch in Bewegung – schwankend, unentschlossen, ob er sie gehen lassen wollte.
    Hilde reichte ihr die Hand. Zarra zögerte kurz, dann nahm sie sie. Der Griff war fest, wie von jemandem, der wusste, dass man oft zweimal ziehen muss, bevor jemand wirklich geht.
    Der erste Schritt in den Sand war seltsam. Nicht kalt. Aber auch nicht einladend.
    Der Wind kam vom Landesinneren, trug den Duft von Rauch mit sich – kein Feuer aus Tooshoo, kein mooriger Qualm, sondern trockener, harziger Rauch, der an Wacholder und altes Tannenholz erinnerte.

    Zarra trat ein paar Schritte weiter.
    Der Strand war leer. Kein Dorf, keine Straße. Nur eine angedeutete Pfadspur zwischen zwei Felsen.
    „Dort entlang“, sagte Roan und deutete mit dem Kinn.
    „Folge dem Pfad, bis du das Kräuterhaus siehst. Es liegt in einer Mulde unter den Felsen, nah bei einem alten Steinkreis. Wenn du den Nebel riechst, bist du fast da.“
    Zarra nickte. Sie spürte den Bernstein wieder unter ihren Fingern.
    Drei Perlen. Drei Atemzüge lang hielt sie inne. Dann trat sie den Pfad hinauf.
    „Wird sie auf mich warten?“, fragte sie leise.
    Hilde schüttelte den Kopf. „Nein. Aber du wirst sie finden. Oder sie dich.“

    Zarra blickte ein letztes Mal zurück. Das Boot schob sich bereits wieder vom Ufer ab. Hilde winkte nicht. Aber sie sah ihr nach, bis der Felsen sie verdeckte.
    Und dann war sie allein.
    Allein mit der Stille zwischen Steinen. Mit dem Wind, der nicht mochte, wenn man zu laut atmete.
    Mit dem fremden Boden unter den Stiefeln.
    Ein neuer Sumpf. Ohne Wasser. Ohne Wurzeln. Aber vielleicht mit Antworten.
    Zarra zog den Umhang fester um sich und folgte dem Pfad. Langsam. Schritt für Schritt. Bis zwischen den Felsen etwas aufblitzte – kein Licht. Ein Dach. Und Rauch.
    Lyrca wartete. Oder auch nicht. Doch die Luft veränderte sich. Es roch nach getrocknetem Ysop. Nach Eisenkraut. Und nach Entscheidung.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Feshyr - Lyrca

    Lyrcas Hand ging zielgerichtet zum Mörser, der zu ihrer Linken stand und mit einer geübten Handbewegung landeten ein paar Körner in der tönernen Schale. Der Stösel kam hinzu und als sie die Körner zerrieb, stieg ein intensiver Duft auf, der die blinde Seherin an der Nase juckte. Sie nahm die Schale und ging hinüber zum Feuer, das wie immer auf der Mitte der Lichtung brannte und kippte die zerriebenen Körner über einer Pfanne aus, in der zwei Eier brieten. Sie schnupperte kurz und leckte sich dann über die Lippen. Das würde ein feines Frühstück ergeben. Endlich hatte eine der alten Fischersfrauen ihr mal wieder ein paar Lebensmittel wie Eier, Stockfisch und sogar frisches Brot vorbei gebracht, um von der Seherin ein paar Hinweise zu erhalten, wo ihr Mann in den nächsten Tagen am besten fischen gehen sollte.
    Lyrca war niemand, die ihre Dienste verkaufte. Es hatten schon einige mit einem noch so großen Geldsäcken gewunken, die von ihr hatten wissen wollen, wo der nächstbeste Schatz, das beste Jagdrevier, die schönsten Frauen oder was auch immer ihre oberflächlichen Herzen begehrt hatten sich befunden hatte. Jedoch sah sie kein Verkaufen ihrer Dienste, wenn die Frauen aus dem Fischerdorf ihr Dinge brachten, die ihr das Leben einfacher machten und sie dafür ein paar Gefälligkeiten erfüllte. Jeder hier wollte leben, mehr nicht. Kein Streben nach einem Thron, einem Land, dem größten und besten Schwert oder den meisten Juwelen. Nein, wer hier blieb, der tat es nicht, weil er vom Leben mehr ersehnte als Fischernetze, Felsen und Feuerholz.

    Nun also hatte sie sich etwas vom Fisch genommen und manövrierte die gebratenen Eier auf ihren verschlissenen Teller. Dann setzte sie sich ans Feuer und biss herzhaft in den Fisch, als eine Möwe neben ihr landete.
    „Vergiss es, hä?“, knurrte sie. Das Federvieh musterte den Fisch äußerst interessiert, doch Lyrca wedelte ungeduldig mit der Hand und scheuchte den Vogel damit davon. Mit einem aufgeregten Kreischen stieß die Möwe sich wieder in die Höhe und hinterließ vor lauter Empörung einen Schiss neben Lyrca auf dem Moos.
    Die Seherin zog die Stirn kraus, als ihre blinden Augen auf eben jenen Schiss fielen. Nur weil ihre Augen nicht wie die der anderen Menschen funktionierten, hieß es nicht, dass sie nicht sah. Sie konnte sehr wohl sehen, weiter und schärfer als man es sich je hätte denken können. Nun aber sah sie, dass die Möwe ihr die Ankunft eines Gastes hatte mitteilen wollen. Der helle Fleck auf dem Grün schimmerte Lyrca geradezu entgegen.
    „Schau an, kleines Libellchen, bist du übers weite Meer geflattert, hä?“, murmelte die Einsiedlerin. Doch dann schob sie sich noch ein Stück vom Fisch in den Mund. Erst das Frühstück.

    Nachdem sie ihr Mahl beendet hatte, begab sie sich in die Richtung ihrer Hütte. Schon bald nahm sie den Duft der anderen Person wahr. Die Menschen aus Tooshoo rochen immer nach Sumpf. Nach modriger, stickiger Luft, nach Brackwasser und Mückenstichen, nach Sonnenstrahlen zwischen den Blätterdächern und dem Blubbern zwischen Froschlaich und Sumpfrohrsänger. Lyrca näherte sich von hinten und wartete. Die junge Frau schien unschlüssig darüber, was zu tun war. Die Libelle auf ihrem Rücken unter der Kleidung leuchtete durch jeglichen Stoff hindurch und Lyrca entgegen. Sie bewies, dass das Mädchen keine Schatzsucherin, Freibeuterin, verlassene junge Geliebte oder sonstige Störerin von Lyrcas ausgesuchter Ruhe war. Sondern das geflügelte Insekt erinnerte die alte Seherin an ihr Versprechen, das sie dereinst gegeben hatte. Was es nun galt einzulösen.
    Lautlos trat sie daher vor und an das Mädchen heran, das vor der Tür an ihrer Hütte ausharrte, bevor sie sagte:
    „Keiner da, hä?“

    Freiya

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Zarra ist offline

    Feshyr

    Zarra hatte den Pfad schon vor einer Weile erreicht, doch der Schritt über die Schwelle zwischen Fels und Feuerstelle fiel ihr schwerer als gedacht.
    Lyrcas Hütte war kleiner, als sie sie sich vorgestellt hatte. Verwaschenes Holz, von der salzigen Luft gezeichnet, bemooste Schindeln und ein alter, schief stehender Pfosten, an dem ein zerzaustes Windspiel hing, das keinen Ton von sich geben wollte. Davor ein ausgetretener Kreis aus Steinplatten, auf denen nur das Moos wuchs, das sich nicht vertreiben ließ.
    Sie hätte anklopfen können.
    Hätte sich räuspern, einen Schritt näher treten, einen Namen nennen sollen.
    Aber irgendetwas hielt sie zurück.

    Vielleicht war es die Art, wie der Wind hier roch – nach Rauch und Wacholder, nach Salz und Eisenkraut. Vielleicht das Gefühl, beobachtet zu werden, obwohl niemand zu sehen war. Vielleicht der feine, goldene Lichtstreif auf dem Türbalken, der wie ein Fingerzeig schien, der sagte: Warte.
    Also wartete sie.
    Der Beutel hing ihr über der Schulter. Darin das Notwendige: etwas getrocknete Nahrung, ein Wasserschlauch, Nereas kleine Reisegabe – und die Bernsteinperlen, die sie nicht zu deuten wusste.
    Sie spürte sie dort, warm geworden vom Körper, als würden sie heimlich atmen.
    Der Wind kräuselte den Saum ihres Umhangs.

    Ein Geräusch. Hinter ihr.
    Zuerst dachte sie, es sei das Knacken eines Asts.
    Dann hörte sie die Stimme.
    „Keiner da, hä?“
    Zarra zuckte zusammen. Drehte sich um. Und sah –
    eine Frau.
    Nicht alt im Sinne von schwach oder gebrechlich. Alt wie Wurzelwerk, das sich in Fels krallt. Alt wie ein Geruch, der sich nicht mehr vertreiben lässt. Die Augen blind – oder mehr als das. Die Haut sonnengetrocknet, aber nicht spröde. Ihr Haar fiel wie verdorrtes Gras über die Schultern, und irgendwo zwischen Falten, Kräutern und Runen lag ein Ausdruck, der Zarra nicht gefiel. Nicht, weil er feindselig war. Sondern, weil er zu viel wusste.
    Sie öffnete den Mund. Wollte etwas sagen. Doch ihr Hals war trocken. Die Worte blieben stecken.
    Lyrca trat näher. Nicht hastig, nicht zögerlich – wie jemand, der keine Zeit hat, sich zu rechtfertigen.
    Zarra schluckte. „Ich… bin Zarra.“
    „Ich weiß.“

    Die Antwort traf sie wie ein Windstoß.
    Lyrca blieb stehen. Keine Armlänge entfernt. Ihre Hände rochen nach Kräutern und Rauch.
    „Und du weißt nicht, warum du hier bist, stimmt’s?“
    Zarra schüttelte stumm den Kopf.
    Die Alte neigte den ihren, als lausche sie einem unsichtbaren Chor. Dann sagte sie, fast sanft:
    „Dann komm rein. Vielleicht finden wir’s raus. Vielleicht aber auch nicht.“
    Sie drehte sich um, ohne Zögern, und trat durch die knarrende Tür in ihre Hütte.
    Zarra blieb einen Moment stehen.
    Etwas in ihrem Nacken kribbelte. Die Libellennarbe.
    Oder war es die Stimme ihrer Großmutter?
    Oder nur das Salz in der Luft?
    Sie atmete tief durch.
    Dann hob sie den Fuß. Und trat ein.

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    Fighter Avatar von Saraliel
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    Saraliel ist offline

    Nahe Bakaresh

    »Alter und gruseliges Gemäuer«, meinte der Nordmann als er sich, die Axt in der Hand, zuerst in den dunklen Gang von Masyaf schob. Saraliels Nackenhaare hatte sich unlängst aufgestellt, noch bevor er eine Lichtkugel erschaffen hatte, die der kleinen Gruppe nun als Lichtquelle diente. »Ganz schön klischeehaft. Vielleicht hätte sich euer Schwarzmagier etwas Neues ausdenken können, als hier zu vermodern«, schlug der Rothaarige schulterzuckend vor und musste sich dann ducken, um durch einen zerstörten Torbogen zu kommen. »Es war ein Gefängnis«, stellte Elyndra fest, während sie mehr weiter schlichen denn gingen. Auch ihre Stimme war nur ein Flüstern. »Zur damaligen Zeit hatten die Feuermagier keinen Weg gefunden ihn zu vernichten. Also banden sie ihn an diesen Ort. Fernab der Stadt die er einst in Atem gehalten hatte. Auf dem Meer wo er in Vergessenheit geraten sollte. Nun das heißt bis er DraconiZ gerufen hatte«. Hundert Gedanken schossen durch das Hirn des Feuermagiers. Das würde ja bedeuten, dass sie einfach nur hätten fort segeln müssen damals. Wobei: In dem Stadium in dem sein Bruder damals gewesen war, hätte er sicher nicht zugestimmt. »Dann bleibt uns zu analysieren, ob es noch immer sein Gefängnis ist«, meinte Saraliel leise. Die drei Gefährten gingen weiter ins Innere bis sie zu einem größeren Raum gelangten. Dort war noch immer der Thron zu sehen auf dem Al-Din das letzte Mal gesessen hatte, als er mit Draco hier gewesen war.

    »Spürt ihr was?«, fragte Ilfar und zum ersten Mal schien er wirklich etwas besorgt zu sein. »Nein«, entgegneten beide Magier fast gleichzeitig. »Hier ist alles verlassen«, konstatierte Saraliel und sah sich noch einmal um. Überall verstreut lagen noch zerbrochene Dinge, die der Zahn der Zeit angenagt hatte. Auch der Thron selbst brökelte an vielen Stellen. »Es hat einen Kampf gegeben«, meinte die Magierin. »Muss zur Zeit der varantischen Kriege gewesen sein. Es ist nicht genau überliefert ob Paladine auch hier waren. Doch es sieht ganz danach aus, dass auch hier gekämpft worden ist.«. »Erm also keine unmittelbare Gefahr?«, fragte Ilfar beschwichtigend lächelnd. »Nicht unmittelbar«, meinte der lange Magier. »Schaut ob ihr etwas nützliches findet«, wies er Ilfar an, welcher schluckte und sich dann durchrang der Anweisung Folge zu leisten.

    »Meine Familie war involviert. Meine Ahnen heißt das. Al-Din tötete viele von Ihnen. Sie waren es die ihn hier einsperrten«, meinte Elyndra plötzlich, als Saraliel mit den Fingern über den alten Thron strich. »Wenn er frei ist, müssen wir ihn finden. Er brachte unendliches Leid über Varant«. »Das werden wir«, meinte der Schwarzhaarige und schauderte. Dann ging er auf die Knie. »Was ist das?«, fragte er und hob einen kleinen Gegenstand auf. Ein rot schimmernder Stein. Der Magier war sofort fasziniert von dem Anblick. Er schien von Innen heraus zu leuchten. Einen Moment betrachtete er ihn noch, dann reichte er ihn an Elyndra weiter. »Magisch hm?«. »Wir nehmen ihn zur Analyse mit«

    »Das… solltet ihr sehen«, meinte Ilfar der den Kopf aus einem Nebenraum steckte. Eilig eilten die beiden Magier in den Nebenraum. Eine ganze Kaskade dieser Splitter bewegte sich an der gegenüber liegenden Wand. Als die Magier eintraten setzten sie sich zusammen und formten einen grotesk dämonisch lachenden Mund. Beide Magier hoben bereit ihre Hände. »Ihr findet mich in den weiten der Wüste. Unter dem blutroten Mond kehre ich zurück. Ich nehme was mir genommen wurde und erwecke das zum Leben was niemals hätte sterben dürfen«. In nächsten Moment zerbarsten alle Kristallsplitter zu feinem Staub der an den Flammenschilden der Magier herunter regnete. »Was meint er?«, fragte Saraliel Elyndra als sie wagten ihre Magie zurück zu ziehen. »Ich weiß es nicht«, gestand sie. »Schauen wir es ob es noch mehr gibt«

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    Fischjägerin Avatar von Larah
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    Larah ist offline

    An Bord der Santorija, Korsarenflottille unter myrtanäischer Flagge, Südmeer vor Gorthar

    Larah hatte die Einsamkeit des Galion der Santorija bewusst aufgesucht. Sie lag nach vorne auf dem Bugsprit gelehnt, ließ ihre Gedanken frei schweifen, während sie mit dem ganzen Körper – von ihrer Wange bis hinab in ihre Waden – das Stampfen des Pinaßschiffs verspürte und ihre Tunika im Fahrtwind flatterte. Direkt unter ihr pflügte der Kiel durch den Seegang und über ihr erhob sich der Klüverbaum mit der Blinderah, die ihr etwas Schatten spendete.
    Mehr als eine Kindheit war sie fernab ihrer Geburtslande gereist. Hatte Gorthar durchwandert, war über Argaan nach Myrtana gesegelt und wieder zurück. Hatte Freunde gefunden und Abschiede begangen. Sie hatte gelernt und war älter geworden. Sie hatte Wohnrecht im Tiefland von Tooshoo beim Waldvolk der Südlichen Inseln erworben, doch sie war dort nicht zur Ruhe gekommen, hatte keine Sicherheit verspürt.
    War sie bereits zu lange unterwegs? Hatte sie die Fähigkeit verloren, irgendwo ankommen zu können? Die Fähigkeit, sich niederzulassen?
    Sie spürte Angst tief in sich, Angst den Ansprüchen nicht zu genügen, die ein Leben in der Gemeinschaft an sie stellen würden. Den Ansprüche, die die Mitglieder der Gemeinschaft an sie stellen würden, die es zu erfüllen galt, um ihre Anerkennung zu erwerben.
    Natürlich würde ihr jeder entgegnen, dass es reichte, dass Tooshoo sie anerkannt hatte, dass die Geister des Tieflandes und des dieses durchziehenden und ausfüllenden Bruchwaldes sie anerkannten. Aber die Wahrheit war eine andere. Auch wenn das Waldvolk von Argaan Winter und Sommer des Umbruchs und Wandels hinter sich hatte, Winter und Sommer der Flucht und Rückkehr, gab es Strukturen in ihren Reihen, Besitzstände und Platzhirsche, Netze des Einflusses und der Abhängigkeiten, dicht und verwachsen wie den Boden durchziehendes Wurzelwerk und Myzel. Wie sollte sie sich einfügen? Wie konnte sie sich einfügen? Wo war da noch Platz? Wo machte sie niemandem etwas streitig? Meinte niemand, dass sie sich hineindrängte? Wo drängte sie niemanden von seinem angestammten Platz?
    Larah wollte niemanden verdrängen, niemanden vertreiben. Aber wenn sie bleiben sollte, brauchte sie Raum, musste sie Raum einnehmen dürfen.
    Das Beltanefest nach ihrer Teilnahme an der Wilden Jagd vor dem vergangenen Winter hatte ihr deutlich gemacht, dass es da keinen Platz für sie zu geben schien. Die Gemeinschaft von Tooshoo war nicht groß, aber sie schien – wenn schon nicht vollständig – so doch geschlossen für sie. Sie hatte sich wie ein Fremdkörper gefühlt, unverstanden.
    Sie wusste, sie war dafür nicht gänzlich unverantwortlich. Sie hatte Mauern hochgezogen, auf ihren Reisen, durch zahlreiche Begegnungen mit Abweisung und Einsamkeit, mit Eigennutz und der stetig vorherrschenden Beurteilung reiner Oberflächlichkeiten, nach denen sie nichts zu bieten hatte – sie die unstete Fischjägerin, der man ihre Kompetenzen und Talente nicht ansah, die nicht damit prahlte und weder reicher noch einflussreicher war, als es ihr ein volles Fangnetz und ihrer aufrichtigen Hände Arbeit ermöglichten.
    Wie sollte es weitergehen? Wohin sollte sie streben? Was wollte sie eigentlich?

    Vor ihr zeichnete die orangegoldene Glut der Abendsonne einen schnurgeraden Pfad bis zum Horizont durchzogen silbrig blitzenden Glitzern der Gischt. Sie wandte ihre Augen ab von dem blendenden Gleißen, auf dem die Santorija und ihre Begleiterin entlangglitten. Ihr Blick wanderte hinab durch die großen Maschen des Klüvernetzes, wo der Vorsteven abwechselnd ins spritzende Wasser ein- und wieder daraus hervor auftauchte. Die Fluten ringsum glommen im Dämmerungslicht in einem angenehm warmen Flaschengrün.
    Ein wehmütiges Lächeln stahl sich in das sonst häufig so unbewegte Gesicht der blonden Gortharerin.
    Was will ich eigentlich?
    Der Gedanke war ihr lange nicht gekommen. Lange hatte sie gedacht, dass sie keinen Platz hatte. Hatte gedacht, dass ihre Zeit nicht gekommen war. In den dunkleren Stunden sogar, dass sie niemand wollte, niemand brauchte. Niemand außer der großen Mutter, die sie seit Beginn bejaht, im Schoß ihrer eigenen Mutter aus dem Samen ihres eigenen Vaters gepflanzt hatte.
    Adail*, die du mich von Anfang an wolltest, zeige mir den Pfad, dachte sie und schickte ihr Gebet gleichzeitig hinab in das grünliche Leuchten und hinauf ins vom roséfarbenen Abendrot sanft glühende Firmament, Schließe mein Herz auf, oh Große Mutter, und lass mich erkennen, was ich wirklich will. Ich bitte dich, Adail.

    ________________
    * altwaldvölkisch, wörtlich „die Zweifache“ - Anrufungsname der Mutter im Dialekt des gortharischen Waldvolks
    Geändert von Larah (04.07.2025 um 14:44 Uhr)

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    Fischjägerin Avatar von Larah
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    An Bord der Santorija, Korsarenflottille unter myrtanäischer Flagge, Südmeer vor Gorthar

    Eine Weile starrte sie in die den Himmel widerstrahlenden Wogen am Horizont. Dann glitt ihre Sicht wieder hinab, in die glasigen milchiger werdenden Tiefen des Ozeans unter ihr. War es der Ozean der verschwamm, oder ihr Blick?

    Sie wusste nicht, wie lange sich ihr Blick darin verlor. Ihr Blick, der eigentlich auf ihr Innerstes gerichtet war, an ihrem verschlossenen Herzen entlangglitt, nach einem Eingang, nach Erkenntnis, nach Licht suchte, aber nur warm durchschimmerndes Glimmen hinter dicker Borke vorfand.

    Plötzlich. Da.
    Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.
    Larah schreckte auf und hielt sich mit beiden Händen am Bugspriet unter ihr fest. War da ein riesiger Schatten zwischen den Wellenkämmen unter dem Kiel?
    Ihre Augen fokussierten wieder die Welt vor ihr.
    Da war nichts. Nur die ausgreifende Dünung der See.

    Erneut fuhr ihr die Kälte unter die Tunika.
    Die Fischjägerin drückte sich vom rundgeschliffenen Holz ab und kam in den Stand.
    Den ganzen Tag über hatte trotz der frischen Brise, die sie zügig gen Westen kreuzen ließ, drückendes Wetter bei strahlendem Sonnenschein geherrscht. Diesmal tauchte Ihr Gesicht in einen gefühlt eiskalten Luftzug ein. Diesmal blieb er. Mit starken Böen fegte er konstant über ihre Nasenspitze und Stirn hinweg und wirbelte durch ihr blondes Haar.
    Larah sah in Windrichtung.
    Vom Horizont herauf trieben dunkle Wolken über das Firmament. Aus Südwesten zog ein Sturm auf.

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    Fischjägerin Avatar von Larah
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    An Bord der Santorija, Korsarenflottille unter myrtanäischer Flagge, Südmeer vor Gorthar

    Eilig lief die Gortharerin über das Deck.
    Als sie den Niedergang zum Achterdeck erklomm, hörte sie bereits von Oben Yareds besonnene Stimme: „Gebt der Alesstyna Signal: Kurs Nordwest!“
    Kaum hatte sie sich eilends das Geländer entlang die Stiege hochgezogen, sah er zu ihr herüber.
    „Ein Sturm…“, rief sie ihm besorgt entgegen.
    „…zieht auf, ich weiß.“, vervollständigte der erfahrene Seemann ihren Satz, „Wir sind also schon zwei, die es bemerkt haben.“ Er grinste breit und zwinkerte ihr zu. „Danke für die Bestätigung.“
    Dann wandte er sich dem Steuermann neben ihm zu: „Kurs Nordwest zu West.“
    „Aye!“, bestätigte dieser, während der Kapitän bereits weiter geeilt war.
    „Maros, schau, dass wir die Segel weiter bei halbem Wind halten!“, befahl er über die Reling hinweg seinem Bootsmann auf dem Oberdeck.
    Achtern gab zeitgleich einer der Maate der nachfolgenden Alesstyna das angeordnete Flaggensignal.

    Larah trat neben den Paladin. Gemeinsam betrachteten sie das schlagartig hektischere Treiben an Deck.
    „Sollten wir uns nicht ganz statt nur halb vor den Sturm setzen? Hast du keine Angst, dass er uns so schneller einholt?“, fragte sie ihn etwas erstaunt. Larah hatte bereits mehr als einen Sturm in diesen Gefilden erlebt. Unwetter in der südlichen gortharischen See auch nur ungemütlich zu nennen, war eine erhebliche Untertreibung.
    „Das ist nicht gänzlich unwahrscheinlich, aber das ist nicht die Frage“, entgegnete ihr der Kapitän freundlich, “Die Wahrscheinlichkeit, dass uns der Sturm einholt, ist nicht so viel höher. Wichtiger aber ist: Wir sind bereits fast auf Höhe des Schweifs. Wenn wir es ins gortharische Schelfmeer schaffen, bevor er uns erreicht, sollte er etwas an Schwung verlieren.“
    Yared blickte hinaus auf die bedrohlich aufziehende Wolkenfront. Seine Miene nun etwas grimmiger.
    „Und falls es uns doch erwischt – und schlimmer, als wir dann hoffen – können wir uns immerhin mit hoher Wahrscheinlichkeit bis Drakia oder Khorinisstadt schleppen. Dort haben wir wesentlich bessere Chancen, Hilfe zu bekommen als in den Großen Sümpfen. Meinst du nicht?“
    Larah lächelte. Anders als sie hatte der erfahrene Seebär nicht nur den Wetterwechsel, sondern auch ihre relative Position im Blick und in seine Entscheidung miteinbezogen. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie sehr sie sich bei dieser Überfahrt darauf verlassen hatte, dass jemand anderes den Überblick behielt und dafür Sorge trug, dass sie ihr Ziel erreichten.
    Auf der anderen Seite hatte es ihr sehr gut getan, für einige Monde ausruhen und die Seele baumeln lassen zu können.

    Die Abdrift gen Norden nahm mit dem auffrischenden Südwestwind zu, sodass der Kurs über dem Grund bei dieser Kursbeschickung ziemlich genau dem Kurs entsprach, den der Kapitän an die Alesstyna hatte übermitteln lassen, so lange die Santorija vor dem Wind kreuzte.
    Zuversicht keimte in Larah auf.
    Geändert von Larah (04.07.2025 um 14:54 Uhr)

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    Abenteurer Avatar von Delvin Corgano
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    Der Horizont verlor sich nicht mehr in der scheinbaren Unendlichkeit. Schon seit einer Weile zeichnete sich ein schmaler, dunkler Saum am Rand des bleigrauen Meeres ab – zunächst kaum mehr als ein Schatten. Doch mit jeder Seemeile, die verstrich, wurde der Umriss klarer: Zinnen, Hügel, ein Turm vielleicht. Khorinis.

    Der Wind hatte kaum nachgelassen, doch Galbor hatte bereits vor Stunden begonnen, das Tempo des Schiffes zu drosseln. Die Takelage war angepasst, der Großbaum ein Stück eingerollt, die vorderen Segel enger getrimmt. Das Schiff glitt nun langsamer über das Wasser.

    Das veranlasste Delvin dazu, an Deck zu treten. Der Geruch von Salz und Tauwerk empfing ihn, begleitet vom gedämpften Ruf der Mannschaft, die sich leise zwischen Mast, Deck und Seilwerk bewegte. Er musterte die Männer kurz, dann trat er auf Galbor zu, der am Steuerrad stand und mit wachem Blick den Kurs hielt. "Was tut Ihr da?" Delvins Stimme war ruhig, aber bestimmt.

    Galbor drehte den Kopf nur leicht, die Augen fest auf die sich nähernde Küste gerichtet. "Ich führe aus, was der Burggraf mir aufgetragen hat. Dieses Schiff soll nicht einfach am Kai von Khorinis einlaufen, wie dutzende Schiffe davor." Er machte eine Pause, dann wandte er sich ganz zu Delvin. "Mit uns kommt nicht einfach nur ein Händler. Mit uns kommt ein Adelshaus."

    Mit einem knappen Zeichen löste Galbor die nächsten Handgriffe aus. Zwei Männer gingen zum Heck, wo eine schmale Seekiste aus dunklem Holz fest verzurrt war. Vorsichtig öffneten sie den Deckel und entnahmen ein sorgsam gerolltes Tuch: einen langen, rot-weißen Wimpel aus schwerem Seidenleinen. In seiner Mitte: ein schlichter, aufrecht stehender Turm in hellem Weiß, sauber aufgestickt auf tiefrotem Grund – das Zeichen des Hauses Laenar.

    Der Prunkwimpel wurde mit Bedacht entrollt und unter Galbors Aufsicht am Großmast befestigt. Die Männer arbeiteten schweigend, konzentriert. Während der Wimpel sich im Wind entfaltete, flatterte auch das leichtere Zierwerk am Bugspriet – zwei rot-weiß gestreifte Wimpelsegel, die an den Flanken des Schiffes herabfielen. Sie hatten keinen Zweck außer dem einen: zu zeigen, dass dieses Schiff nicht irgendeinem Händler gehörte.

    Der lange Wimpel flatterte nun über dem Schiff wie ein Banner der Zugehörigkeit. Der rote Stoff fing das Licht der schräg stehenden Sonne ein, der weiße Turm glänzte weithin sichtbar gegen das dunkle Meer. Galbor trat einen Schritt zurück, prüfte den Sitz der Tücher, dann nickte er dem Mann am Bug zu. "Kurs halten. Langsam voran." Dann blickte er erneut zu Delvin: "Außerdem wollen wir doch, dass die Leute unsere Ankunft bemerken. Hätte ich die Geschwindigkeit nicht gedrosselt, kämen wir vor Sonnenaufgang an."

    Das Schiff setzte sich wieder in Bewegung. Der Wind griff in die Rahen, das Holz ächzte leise, das Wimpelwerk tanzte im Fahrtwind – und die Handelskogge glitt wie eine stille Ankündigung auf den Hafen von Khorinis zu.
    Geändert von Delvin Corgano (02.07.2025 um 11:03 Uhr)

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    Veteran Avatar von Na-Cron
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
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    Nachdenklich blickte Na-Cron über die Reling hinweg auf das weite Meer.
    Seit der letzten Überfahrt über das Meer war einiges passiert. Er war mit einem Ziel nach Argaan gekommen. Ein eigentlich unmögliches Ziel, wie er hatte feststellen müssen. Seine Sorgen, seine Not, seine Wut - Nichts davon hatte die Myrtaner interessiert. Ignoriert und allein gelassen hatte sich der Bergmann nach Stewark aufgemacht. Und dort hatte er ein neues Ziel gefunden!
    Die Aufnahme in die Gemeinschaft des Wassers und das erlernen der Magie waren etwas, an dass er früher nicht einmal im Traum gedacht hatte. Und nun stand er hier auf einer myrtanischen Handelskogge, trug die Kleider eines Adepten und war auf dem Weg zum Festland um dort...

    "HUARG!!"
    Abrupt wurde der Adept aus seinen Gedanken gerissen als Syrias sich neben ihm zum wiederholten Male über die Reling beugte und herzergreifend ins Meer kotzte. Der Söldner war anscheinend nicht wirklich seefest.
    Hämische Zwischenrufe seitens der Matrosen begleiteten das röhrende Konzert.
    Bleich wie Kreide richtete sich der Söldner wieder auf und wischte sich über den Mund. Schweißperlen glänzten auf seiner blassen Stirn, bevor er sich stöhnend wieder in den Schatten des Mastes setzte und sich den Bauch hielt.
    Na-Cron verzichtete wohlweißlich auf einen Kommentar, schließlich war die Laune des Waffenschmieds schon jetzt im Keller. Oder unter Deck, wer kannte da schon die ganze Semantik?

    Der Adept schaute wieder aufs Meer hinaus. Das ungewohnte Gewicht des Kriegshammers an seinem Gürtel sorgte dafür, dass Na-Cron erneut den korrekten Sitz der Waffe kontrollierte. Syrias hatte seine Wahl nur mit einem Schulterzucken kommentiert. Doch Na-Cron hatte irgendwie das Gefühl gehabt, dass wäre die richtige Waffe für ihn. Und sobald sie auf dem Festland sein würden, würde der Söldner ihn weiter ausbilden. In seinem jetzigen Zustand... Nun, Na-Cron wollte nicht vollgebrochen werden.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Feshyr - Lyrca

    Lyrca trat in ihre Hütte und vernahm an den Schritten, dass Zarra ihr folgte.
    „Tür zu“, wies die Seherin die junge Frau an. Knarrend aber mit einer sichtlich vorsichtigen Hand angeschoben fiel die Tür ins Schloss. Lyrcas Sinne tasteten, ob alles in ihrer Hütte an der richtigen Stelle war und nach einem Augenblick des lautlosen Innehaltens rührte sie sich wieder. Die Maus unter dem Küchenschrank hatte schon wieder Junge bekommen, Lyrca würde zusehen müssen, dass sie die kleinen Nager zum rechten Zeitpunkt aus dem Haus jagte. Eine Hausmaus reichte aus.
    Sichtbar zufrieden, dass sonst alles wie immer in ihrer Behausung war, drehte sie sich zu Zarra um.
    „Was hast du da bei dir, hä?“, fragte die blinde Seherin. „Ich rieche Essen, was noch?“
    „Nur das Nötigste für meine Reise. Außerdem ein paar Bernsteinperlen, die mir Oma mitgab“, sprach Zarra. Lyrca streckte die Hand aus und forderte Zarra mit einer Geste auf, die Perlen herauszurücken.
    Sie hörte, wie Zarra den Beutel von der Schulter nahm und öffnete. Nach einem weiteren Wimpernschlag landeten die Perlen in Lyrcas Hand. Sie fühlten sich kühl und glatt an.
    „Eine reicht, hä?“, sprach sie und Zarra nahm alle Perlen von Lyrcas Hand bis auf eine.

    Lyrca schloss zunächst die Faust um die Perle, ihre blinden Augen ruhten dabei auf Zarra. Dann rollte sie die Perle auf ihre Fingerspitzen und dort ein wenig hin und her, als versuchte sie, den Wert der Perle zu bestimmen. Dann aber hob sie die Perle an ihre Nase und sog den Geruch ein, der sie umgab. Sie roch vertraute Düfte von Pflanzen und Holz, von Fetten und Ölen und schließlich auch einen vertrauten Geruch einer Person, mit der sie lange nicht mehr gesprochen hatte.
    Ohne nachzudenken steckte Lyrca sich die Perle plötzlich in den Mund. Dort schob sie das Kleinod mit der Zunge von der einen Wange in die andere, dann spuckte sie den Bernstein wieder aus in ihre Hand.
    Schließlich nahm sie die vollgespeichelte Perle in den Pinzettengriff zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie vor ihr rechtes blindes Auge. Man konnte fast meinen, sie sah durch die Perle hindurch. Nun – das tat sie auch!

    „Wollen wir doch mal sehen …“, murmelte sie mit rauchiger Stimme.
    Sie erblickte Zarra und Nerea – Letztere war alt geworden, zumindest älter als beim letzten Mal, als sie sich gesehen hatten, aber sie schien zumindest bei ausreichender Gesundheit. Lyrca musste zugeben, dass sie tief in ihrem Inneren ein angenehmes Gefühl empfand, als sie sah, dass die alte Rimbe nach wie vor ihrem Tagwerk in Tooshoo nachging.
    Nun aber fokussierte die Seherin sich darauf, was sie sah. Nerea zeigte Zarra verschiedene Pflanzen und berichtete ihr von deren Wirkung, rührte Salben und Pasten an und brühte Aufgüsse auf. Dann wechselte die Szenerie. Plötzlich stand Zarra bei einem monströsen Ameisenhaufen und ein blonder Mann machte sich daran, nach ihren Anweisungen einen Graben drumherum auszuheben. Wieder wechselte das Bild, diesmal erschien ein großer bärtiger Kerl an Zarras Seite und nun war es die junge Frau, die etwas zu dem Gebüsch, vor dem sie hockten, zu erzählen hatte. Lyrca musterte genaustens das mit einem leuchtenden Grün schlagende Herz des Mannes. Sie kannte ihn. In der Séance mit der Rothaarigen vor einiger Zeit war er schon über ihre Lichtung spaziert.
    „Das wilde Herz schlägt noch kräftig“, kommentierte sie. Es war klar zu sehen, dass Zarra eine enge Verbindung zu dem Bärtigen hatte.
    Doch die blinde Frau sah Zarra als Nächstes bei einem Geist stehen, der Ähnlichkeit mit Nerea und der jungen Frau nach zu urteilen handelte es sich um die Tochter der Alten und die Mutter der Jungen. Samhain also. Doch Zarra war auch zwischen einer Gruppe Menschen zu sehen, dem Bärtigem und der Rothaarigen, aber auch den Hauptmann, der ebenso das wilde Herz in sich trug, das Lyrca hell leuchtend und organe schlagen sah. Und eine weitere Person, die ihr unbekannt war, aber eine dunkle Aura umgab und sie unscharf erscheinen ließ.
    „Pestatem, pah“, spie Lyrca aus. „Keine aus dem Sumpf, kein Kind der Mutter.“

    Das Letzte, was sie schließlich sah, war Zarra, die auf einem Boot über das Meer fuhr. Dann ließ sie die Perle sinken und drehte sie nachdenklich zwischen den Fingern hin und her. Schließlich ließ sie den Bernstein in ihrer Tasche verschwinden und ging geschäftig zu ihrer Feuerstelle.
    „Jene, die keine Kinder der Mutter sind, knieen“, sprach sie. „Sie sind blinde Untertane, gefangen in ihrem eifernden Streben, hä? Aber wir … die der Mutter dienen, wir knieen nicht. Niemals! Merk dir das, kleine Libelle!“
    Während sie sprach, griff sie einen alten tönernen Becher, der ein Behältnis für unzählige Flüssigkeiten gewesen war, deren Spuren sich unverwischbar in den Ton eingebrannt hatten. Dann griff Lyrca nach ihrer Kelle und rührte in ihrem Kessel über der Feuerstelle um, schöpfte eine Kelle ab und goss sie in den Becher. Dampf stieg auf und ein herber Geruch. Doch sie war noch nicht fertig, sondern nahm ein kleines Fläschchen, von dem sie ein paar Tropfen in den Becher gab und zum Abschluss schließlich träufelte sie noch etwas aus einem Säckchen hinein. Sie kicherte, als sie den sich nun bildenden Geruch wahrnahm.
    Dann ging sie zu Zarra herüber, die inzwischen am Tisch der Seherin stand. Mit einer Handbewegung wischte Lyrca Federn, Knochen, Pflanzenreste, Eierschalen und Staub zur Seite, und stellte den Becher vor Zarra ab.
    „Für dich, Libellchen“, sagte sie knarzend wie ihre Tür zuvor.
    Die ältere Frau ließ sich auf einen Hocker sinken und starrte Zarra aus ihren vermeintlich blinden Augen regungslos an. Ob die junge Frau trinken würde? Sie war gespannt.

    Freiya

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    Feshyr - Lyrcas Hütte

    Zarra stand noch immer, die Finger an der Kante des Tisches, dort, wo das Licht schwieg und nur der Dampf aus dem Becher atmete.
    Das Gebräu roch fremd. Nicht fremd wie Gefahr – sondern fremd wie etwas, das man kennt, aber nie selbst berührt hat. Herbe Kräuter, ein Hauch von etwas Süßem, fast verbrannt, und etwas Metallisches, das an Blut erinnerte. Oder an alte Erde.
    Der Becher war schwerer, als sie erwartet hatte, und seine Wärme kroch in ihre Hand wie eine Wurzel ins Erdreich.
    Gegenüber saß Lyrca. Regungslos. Ihre Hände gefaltet, ihre Augen auf sie gerichtet, obwohl sie blind schien. Und doch… war es kein Blick, dem man entkam.


    Zarra hob den Becher. Zögerlich. Ein Hauch des Dampfes kitzelte ihre Nase.
    Ein Gedanke. Ein Zweifel. Ein inneres Zucken, das so kurz war, dass man es hätte übergehen können.
    Aber sie spürte es. Ihre Finger zitterten. Nur leicht. Dann führte sie das Gefäß an die Lippen. Der erste Schluck war bitter, dicker als Wasser, rau wie getrocknetes Kraut zwischen den Zähnen. Es schmeckte nach Waldboden. Nach altem Rauch. Nach etwas, das nicht hierher gehörte – und doch tief in ihr.
    Sie senkte den Becher. Ihr Mund fühlte sich trocken an, obwohl sie getrunken hatte.
    Langsam stellte sie ihn ab. Ihre Hände blieben am Rand. Halt suchend.

    „Was war das?“, fragte sie. Ihre Stimme klang dumpf. Als käme sie von tiefer her, als sonst.
    Lyrca antwortete nicht sofort. Sie hatte den Kopf leicht geneigt, als würde sie etwas hören, was Zarra nicht hören konnte. Ein Summen vielleicht. Ein ferner Ruf.
    Zarra wusste nicht, ob es Zustimmung war, was die Alte dann andeutete. Oder nur das Weiterschieben eines Gedankens. Aber es fühlte sich an wie eine Antwort. Eine, die keine Worte brauchte.
    In ihr begann etwas zu pochen. Nicht schmerzhaft – eher wie ein Tropfen, der auf die Wasseroberfläche fiel. Wieder und wieder. Immer an der gleichen Stelle.

    Lyrca bewegte sich, erhob sich vom Hocker, langsam, mit einer Geschmeidigkeit, die der Körper der Alten eigentlich nicht mehr haben dürfte. Sie trat zur Tür, öffnete sie mit einer einzigen, fließenden Bewegung – und ließ den Wind herein.
    Zarra spürte die Luft an ihrer Stirn. Frisch. Salziger als vorher. Lyrca wartete.
    Ein Wort fiel nicht. Kein Befehl, keine Mahnung. Nur der Blick – oder was sich wie einer anfühlte – und das Pochen in ihrem Innern.

    Zarra stand auf. Ihr Kopf fühlte sich leicht an, der Boden unter ihren Füßen zu weich. Aber sie ging. Langsam. Schritt für Schritt. Bis zur Schwelle.
    Draußen lag die Welt, wie sie sie nicht kannte. Und vielleicht war sie nicht dieselbe wie vor dem Schluck. Vielleicht war sie es auch selbst nicht mehr ganz.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Feshyr - Lyrca

    Es war deutlich wahrzunehmen, dass Zarras Schritte sich verändert hatten. Dass die kleine Libelle ohne Widerstand oder wenigstens Nachfragen getrunken hatte, zeugte entweder von Naivität, Gehorsam oder dem Wissen, was der Becher enthalten hatte. Ihre Frage, was es gewesen war, ließ Letzteres ausschließen. Eine Krähe landete auf dem Rand eines Wasserfasses unterm Vordach ihrer kleinen Hütte und blickte Lyrca an.
    „Die Libelle fliegt noch zu sehr auf den vorgegeben Wegen“, sprach die Seherin zu dem schwarzen Vogel, als wäre Zarra nicht anwesend. „Wir müssen ihr noch zeigen, wozu ihre kleinen Flügelchen fähig sind, hä?“
    Der Rabe musterte die junge Frau und klapperte schließlich zustimmend mit dem Schnabel, dann erhob er sich wieder in die Lüfte. Lyrca wandte sich Zarra zu und deutete ihr an, ihr zu folgen.

    Sie liefen nicht weit, aber weg von der Hütte. Folgten einem Pfad, der schon etliche Male beschritten worden war und deswegen gut zu finden war zwischen Gras und Gestein. Schon bald änderte der Untergrund sich zu festgetretener Erde umgeben von Moosen und Farnen unter dem grünen Dach eines kleinen Wäldchens – wenn man es denn so zu beschreiben mochte.
    Doch bald tat sich die Lichtung auf, Lyrcas Lichtung, mit einem Holztisch, auf dem allerlei Utensilien zu finden waren, einem kleinen Lagerfeuer in der Mitte und einem Ständer aus Holz und dünnen Seilen, an dem ein toter Hase hing, der über einem Eimer ausblutete.

    „Willkommen in meiner Studierstube“, sprach die blinde Alte und schritt zielgerichtet zu ihrem Tisch. Dort nahm sie eine Schale und hielt diese Zarra hin:
    „Ein paar Brombeeren?“
    Doch Zarra zögerte und als Lyrca ihre magischen Fühler ausstreckte, bemerkte sie auch, wieso.
    „Nein, nein, nein, ihr ohne Bein, sucht euch ein eigenes Mittagsmahl, ihr frechen Biester“, schalt sie die Nacktschnecken, die sich über die Beeren niedermachten. Sie stellte die Schale wieder auf den Tisch und die Schnecken machten sich in ihrer Langsamkeit auf und davon.

    Als Lyrca sich wieder umwandte, trug der Wind eine Note zwischen den Bäumen zu ihr, die ihr vertraut war, aber nicht an diesen Ort gehörte. Jemand näherte sich, wenngleich die Person noch weit genug entfernt war, dass man sie weder sehen noch hören konnte.
    „Also, kleine Libelle, angenommen, der Trank, den du eben getrunken hast, hätte einen Sud aus Harnischkraut und Saft von Goblinbeeren und Flammenbeeren in sich gehabt … könntest du spüren, wie die Unruhe sich zwischen deinen Knochen ausbreitet und du zugleich das Gefühl hast, die Welt intensiver wahrzunehmen? Und angenommen, dem wäre so, welche Konsequenzen hättest du schließlich zu befürchten und wie könntest du dem entgegen wirken, hä?“
    Zeit zu schauen, was die junge Rimbe von ihrer Großmutter gelernt hatte und zu was sie so taugte, bis der neue Gast eintreffen würde

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    Feshyr - Lyrcas Lichtung

    Der Weg war schmal, doch nicht mühsam. Die Wurzeln unter ihren Stiefeln fühlten sich vertraut an, als hätten sie nicht Feshyr betreten, sondern nur einen anderen Teil des Sumpfs, in dem die Bäume enger standen und das Licht grüner war.
    Und dennoch: Die Luft hier war anders. Trockener, kühler. Kein Dunst lag auf der Haut, aber eine andere Schwere – wie das Gewicht von Fragen, die man nicht laut stellen durfte.
    Zarra folgte Lyrca, schweigend, den Blick gesenkt, doch ihre Sinne tasteten wach durch das Unterholz.
    Vielleicht war es der Trank. Vielleicht auch nur der Gedanke daran.
    Ihr Herz schlug nicht schneller als sonst. Aber es schlug bewusster. Als würde es auf sich aufmerksam machen.

    Die Lichtung tat sich auf wie eine klaffende Handfläche.
    Kein Ort der Gastlichkeit – und doch durchdrungen von Bedeutung.
    Der Holztisch, das Feuer, der blutende Hase. Alles hatte seinen Platz. Alles schien zu sprechen, auch wenn es schwieg.
    Zarra trat vorsichtig auf den offenen Grund. Die Kühle des Schattens war einer anderen Art von Wärme gewichen – nicht Hitze, sondern Aufflammen von Neugier auf Dinge, die geschehen sollten.

    Als Lyrca ihr die Brombeeren hinhielt, hob sie bereits eine Hand – doch noch bevor sie zugreifen konnte, entdeckte sie die Schnecken und sie wollte ihnen nicht ihr Mahl streitig machen.
    Lyrcas Zurechtweisung, streng und spöttisch zugleich, ließ sie zusammenzucken, aber auch schmunzeln. Ein Hauch von Tooshoo schwang darin mit. Von Nerea. Von zu Hause.
    Sie trat näher an den Tisch, beobachtete die Schnecken, die sich, ihrer Langsamkeit zum Trotz, erstaunlich rasch entfernten. Ihre Haut kribbelte.
    Dann sprach Lyrca weiter – nicht laut, nicht hastig, aber mit jener Stimme, die etwas von der Welt abverlangte.
    Die Kräuternamen kannte Zarra. Natürlich, denn mit den meisten hatte sie bereits Erfahrung gesammelt, auch wenn Goblinbeeren eher zu den selteneren Arten gehörten.

    Harnischkraut.
    Goblinbeere.
    Flammenbeere.

    Sie blinzelte, nahm einen Atemzug – und der Trank in ihrem Bauch antwortete. Ein Ziehen. Nicht schmerzhaft. Aber präsent. Ein Gedanke in den Knochen, den man nicht abschütteln konnte.
    „Ich…“, begann sie, und ihre Stimme war brüchig, bevor sie sich sammelte.
    „Wenn die drei Pflanzen zusammen wirken… dann reizen sie zuerst. Den Leib, das Herz, vielleicht auch den Geist. Man wird wacher. Alles ist… heller. Schärfer.“
    Sie fuhr sich mit den Fingern über die Stirn. Ihre Haut fühlte sich warm an, obwohl der Schatten kühl war.
    „Aber es brennt auch“, murmelte sie. „Weil sie einander nicht ausgleichen. Das Harnischkraut spannt an, treibt nach vorn. Die Flammenbeere aber… die entfacht eine Glut im Innern, weckt den Geist. Und die Goblinbeere?“
    Zarra atmete ein.
    „Die macht das Ganze scharf. Sie bricht das Gleichgewicht, wenn man es nicht mit etwas Dämpfendem auffängt.“

    Sie erinnerte sich. An einen Aufguss, den Nerea ihr einmal unter dem Schrein hatte geben wollen – als sie zu aufgedreht war, zu nervös, zu offen für jede Stimme des Sumpfes.
    „Minzblatt…“, sagte sie leise. „Oder Birkensaft. Oder Rauch von Dornholzrinde. Etwas, das erdet, das atmen hilft.“
    Ihre Hand lag nun auf dem Tisch, neben einer zerbrochenen Feder.
    Sie spürte, wie das Zittern in ihren Fingern nachließ, nicht weil es weg war – sondern weil sie es begriff.
    „Aber wenn man’s lässt…“, sagte sie. „Wenn man nichts dagegen tut… dann fängt der Körper an, gegen sich selbst zu kämpfen. Alles wird zu viel. Man verliert den Takt. Und irgendwann…“
    Ihre Stimme wurde leiser.
    „…irgendwann hört man Dinge, die gar nicht da sind.“

    Sie hob den Blick, traf Lyrcas leere Augen.
    Und wartete.
    Nicht auf Lob.
    Nicht auf Tadel.
    Nur auf das nächste Stück Wahrheit.
    Noch war Platz in ihr. Für mehr.

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    Ritter Avatar von Das Waldvolk
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    Feshyr - Lyrca

    „Brennen, brennen, ein Feuer im Geist … und im Gedärm!“, feixte Lyrca und nickte eifrig. Die kleine Libelle sprach wahr. Sie sprach reif. Zu reif für ihre zarten Flügelchen. Aber das wunderte die Seherin nicht, wenn sie daran dachte, dass es Nereas Schützling war. „Das Feuer muss gelöscht werden, bevor es dich verbrennt, hä?“
    Lyrca machte ein paar Schritte zum Feuer hin und legte wie zur Demonstration Holz nach.
    „Du solltest ein paar der Dinge, die du genannt hast, hier in der Umgebung suchen. Bevor dein Geist zu Asche wird und dein Gedärm sich unter der Glut verdreht. Jedoch zunächst –“ Sie verstummte, als die Person, die sich ihnen genähert hatte, mit vorsichtigen Schritten die Lichtung betrat. Die Seherin wollte, dass Zarra sehen würde …

    Der Geruch von Holz, Fisch und Talg wehte sanft zu Lyrca herüber, dazu das leise Rascheln von Leinen. Lyrca kannte die Person. Es war eine der Frauen aus dem Dorf. Sie war keine der jungen Frauen, die sie wegen Krankheiten ihrer Kleinen aufsuchte. Oder gar jene, die überhaupt erst versuchten, Leben in die Welt zu bringen. Ihre Kinder waren längst aus dem Gröbsten heraus und hatten dem Vater bei seiner harten Arbeit mit zur Hand zu gehen. Ihren Namen aber hatte Lyrca vergessen. Unwichtige weltliche Details, die im Geist der Eremitin verwehten wie der Rauch einer erloschenen Kerze. Irgendwas mit H.
    „Guten Morgen, Lyrca. Ich bins, Moira, ich weiß nicht mehr weiter und brauche deine Hilfe.“
    Die Seherin wandte den Kopf. Ja, sie konnte spüren, dass die Frau rastlos war. Eine leichte säuerliche Note der Sorge hatte sich über ihrer Haut ausgebreitet. Sie wäre nicht hier, wenn es ein Problem gewesen wäre, das irgendjemand aus der Gemeinschaft oder die Zeit selbst hätte lösen können.

    „Seit einigen Nächten hören wir nachts ein Klopfen vom Dach, als würde irgendein Tier dort sein Unwesen treiben. Jedoch finden wir nichts. Mein Ältester stieg gestern aufs Dach und hat Kratzspuren gefunden. Aber wenn wir nachts, wenn wir die Geräusche hören, aufs Dach leuchten, finden wir nichts. Jetzt eben waren die Geräusche plötzlich wieder zu vernehmen. Ich stieg mit der Leiter hoch, doch habe ich ebenso nichts gesehen. Aber ich … hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Als würde dort etwas sitzen.“
    Moira endete ihre Erzählung und bliebt etwas unsicher stehen. Lyrca nickte und neigte den Kopf. Ihre blinden Augen nahmen einen merkwürdigen Ausdruck an.
    „Kleine Libelle, nimm das Säckchen mit den Tierknochen von meinem Tisch. Wollen wir doch mal sehen, was da auf dem Dach eingezogen ist, hä?“
    Dann deutete sie Moira an, den Weg zu ihrem Zuhause zu zeigen.

    Freiya

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    General Avatar von Yared
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    An Bord der Santorija, Korsarenflottille unter myrtanäischer Flagge, gortharisches Schelfmeer

    Schwerer Donner grollte, Blitze zuckten über die Wellenkämme. Dicke schwere Tropfen prasselten unentwegt auf die Decks. Der Wind peitschte die Dünung zu Bergen auf und trieb Regen und Gischt gegen die Bordwand. Die Dauer eines Augenblinzelns entschied darüber, ob der Wasserschwall, das unaufhörlich gegen die stabilen rautiert gefügten Mondglasscheiben der Kajütenfenster traf, gerade süß oder salzig schmeckte.
    Der Sturm hatte sie eingeholt.

    Selbst hier oben auf dem Achterdeck landete der ein oder andere salzige Spritzer auf den Lippen des Kapitäns. Grimmig drein blickend, den Mantelkragen hochgestellt und den Zweispitz tief ins Gesicht gezogen stand Yared am Steuer seines Schiffes, dass den nächsten Wellenkamm erklomm und mit dem Bug zerteilte. Neben ihm stand Rosskoje, einer dunkelhaariger Vollmatrosen aus dem zentralen Mittelland – der eigentlich eingeteilte Rudergänger auf dieser Hundewache. Doch die Kräfte des Sturms waren gewaltig genug, dass es zweier Männer bedurfte, um die Santorija auf Kurs zu halten. Unten auf dem Hauptdeck führte unterdessen Gallas als Maat das Kommando.
    Die Alesstyna war seit mehreren Glasen außer Sicht. Einzig, dass sie dort irgendwo in der Dunkelheit vor ihnen sein musste, konnte Yared als gesichert annehmen. Vielleicht hatte sie der Sturm sogar noch gar nicht eingeholt. Die Schebecke war bereits kurz nach dem Kurswechsel an ihnen vorbeigezogen. Dank ihrer durchgehenden Lateinerbesegelung war sie gegenüber der Santorija im Vorteil je höher am Wind sie segeln mussten. Dafür lag das Pinassschiff vergleichsweise stabiler in der aufgewühlten See und gierte kaum, während sie durch die Wellentäler ritt. Der Kapitän hatte Goya für diesen Fall klare Anweisung erteilt. Es mussten ja nicht zwei Schiffe gemeinsam in diesem Sturm stecken, wenn zumindest eines die Chance hatte, diesem Schicksal zu entgehen.
    Das Unwetter, egal, wie durchnässt er bereits war und wie sehr ihm die steifen Böen das Wasser auch gerade in Augen und Bart trieben, kümmerte Yared wenig. Da hatte er bereits mehrere Male schlimmeres durchstanden und sie hatten, wie von ihm in Aussicht gestellt das gortharische Schelfmeer erreicht, bevor die tiefschwarzen Wolken sie hatten einkreisen können. Dieser Sturm war bereits über Land gezogen, wenn auch nur über den Schweif, jene langgezogene Inselkette, die den westlichsten Zipfel Gorthars bildete. Er war bereits abgeschwächt, weit weniger eine Gefahr, auch wenn ein der Seefahrt unbeleckter angesichts des schweren Seegangs ob dieser Feststellung wohl ungläubig mit den Augen gerollt hätte.
    Der Korsar starrte auch nicht so grimmig gen Horizont, weil sie etwa damit hätten kämpfen müssen, die Santorija in dem schweren Fahrwasser unter Kontrolle zu behalten. Die beiden Männer hatten das Steuerrad in ihren Händen und das Ruderblatt am Achtersteven unter ihnen sicher im Griff. Es war zu zweit nur weit weniger kräftezehrend, weshalb zwei sich abwechselnde Rudergänger schneller ermüdeten, als wenn sie die Anstrengung über die gesamte Dauer der Wache teilten. Nein, was den Paladin so grimmig dreinschauen ließ, war, was sie hinter dem Horizont erwartete.
    Als Treffpunkt war Khorinis mit dem Kapitän der Alesstyna vereinbart. Yared hatte keine persönliche Abneigung gegen die Hafenstadt auf der gleichnamigen Insel. Doch würde er dort vermutlich früher und möglicherweise unerfreulicher mit den Folgen seines kalkulierten Misserfolgs in Gal Ran konfrontiert werden. Etwas, das er sich gerne noch ein wenig – bis Vengard – und für ein anderes Publikum aufgehoben hätte.
    Geändert von Yared (04.08.2025 um 11:57 Uhr)

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    Provinzheld Avatar von Zarra
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Feshyr

    Zarras Finger glitten über den Tischrand, tasteten zwischen den verstreuten Dingen, bis sie das Säckchen aus weichem, abgewetztem Leder fand. Die Knochen darin klackten leise gegeneinander, ein heller, trockener Klang, der in ihrer Hand wie ein Herzschlag aus einer fremden Zeit wirkte. Sie schlang die Kordel zweimal um ihre Finger, als müsse sie das Bündel festhalten, sonst würde es sich lösen und davonlaufen.
    Moira stand nur einen Schritt entfernt, der Geruch von Salzwasser und Rauch hing an ihrem Kleid. Zarra hob kurz den Blick, erwiderte aber den musternden Blick der Frau nur flüchtig. Ihre Lippen formten ein kaum hörbares „Ja“, ohne dass sie sicher war, ob es wirklich ausgesprochen war. Der Trank, den sie zuvor getrunken hatte, ließ ihre Gedanken schneller laufen, wie Wasser, das einen Hang hinabströmt. Die Worte drängten sich in ihr, fanden aber keinen Platz, um sich zu setzen.

    Lyrca setzte sich in Bewegung, und Zarra folgte, Moira einen halben Schritt hinter sich wissend. Der Weg verengte sich zwischen Farnen, deren Spitzen noch feucht vom Morgentau waren. Jeder Schritt löste kleine Schwärme winziger Insekten, die im schrägen Licht aufflammten und wieder vergingen. Das Säckchen in ihrer Hand wog kaum etwas, und doch spürte sie es bei jedem Schritt, als hinge darin etwas, das sie noch nicht verstehen konnte.
    Der Pfad führte an einem krummen Apfelbaum vorbei, dessen Äste wie knochige Finger in den Himmel griffen. Zarra war versucht, stehen zu bleiben und die Rinde zu berühren, so wie sie es zu Hause im Sumpf tat – den Puls des Baumes fühlen, die stillen Geschichten unter seiner Haut hören. Doch Moiras Schritte im Rücken hielten sie im Takt, und Lyrcas unbeirrtes Vorangehen ließ keinen Raum für Pausen.

    „Dein Dach… ist es alt?“ Die Frage kam schneller als beabsichtigt, und Zarra biss sich sofort auf die Innenseite der Wange. Ihre Stimme klang zu hell, zu direkt. Moira antwortete nach kurzem Zögern, und Zarra nickte, auch wenn die Worte der Frau kaum bei ihr ankamen. Der Trank ließ jede Bewegung in der Umgebung deutlicher erscheinen: das Rascheln eines Vogels im Unterholz, das ferne Knacken eines Astes, das Rinnsal, das über Steine lachte.
    Die Bäume öffneten sich zu einem schmalen Hang. Unten lag das Dorf, verstreut zwischen Felsen und windschiefen Zäunen. Die Dächer waren mit Flechten überzogen, einige vom Salz des nahen Meeres gebleicht. Moira ging nun voran, sicher auf den steinigen Stufen, die ins Tal führten. Zarra folgte, das Säckchen nun fest an die Brust gedrückt, als müsse sie es vor dem Wind schützen, der vom Meer herüberstrich.

    Die letzten Häuser rochen nach Tang und getrocknetem Fisch. Hunde bellten kurz und verstummten, als sie die kleine Gruppe erkannten. Kinderstimmen wehten vom Kai herauf, irgendwo schlug ein Hammer im gleichmäßigen Rhythmus auf Holz. Zarra fühlte sich fremd und beobachtet, als würden die Blicke durch jede Gasse folgen.
    Moira bog in einen schmalen Pfad zwischen zwei Häusern, und schon stand es vor ihnen: ein schmales Haus, dessen Dach dunkel und unruhig im Licht lag. Kein Rauch stieg aus dem Kamin, aber Zarra meinte, ein kaum hörbares Klopfen zu vernehmen – so leise, dass sie nicht wusste, ob es von oben kam oder nur in ihrem Kopf vibrierte.
    Sie blieb am Zaun stehen, das Säckchen in beiden Händen, und ließ den Blick langsam über die Dachkante wandern. Irgendetwas an diesem Haus hielt den Atem an.

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