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Alberichs Rüstschmiede
Johannas Augen blickten auf der Suche nach Rückversicherung in das Gesicht von Liuven. Die Herrin lächelte und nickte ihr aufmunternd zu.
"Nur zu!"
Johanna nickte. Entschlossen klopfte sie an die Tür und drückte sie auf.
Die Hitze der Schmiede schlug ihr so heftig entgegen, dass sie sich, im ersten Moment noch froh darüber, dem klirrenden Winterfrost entkommen zu sein, schon nach dem ersten Schritt wieder hinaus gewünscht hätte. Freilich hatte sie sich in ihrer Zeit unter Syrias' Fittichen daran gewöhnt, dass es in den Werkstätten der Schmiede oft unerträglich warm war, doch gerade zu dieser Jahreszeit, in der sich der Körper nach und nach darauf eingestellt hatte, zu frieren, war der plötzliche Umschwung kaum auszuhalten. Liuven indes ließ sich nichts anmerken und schritt edel und anmutig durch die geöffnete Tür.
Als Johanna die Kälte der Straße hinter der Herrin aussperrte und sich umsah, erblickte sie einen älteren Mann, der weiter hinten im Raum über eine Arbeit gebeugt an einer langen Werkbank saß, die sich zu ihrer Linken entlang der Fenster erstreckte. Der Amboss, der die Mitte des Raumes einnahm, stand verlassen, doch in der Esse glühten die Kohlen noch nach. Alles in allem machte die Schmiede den Eindruck, als ginge das betriebsame Schaffen auf den wohlverdienten Feierabend zu.
"Moment noch!", rief er brummig, ohne auch nur aufzusehen. Erneut wandte sich Johanna an ihre Gönnerin, die zunächst auf das Paket blickte, das sie immer noch unter ihren linken Arm geklemmt hielt, und dann in Richtung der Theke.
"Oh, ja."
Eilends stellte sie das Paket ab, das dabei so gehörig schepperte, dass der Herr des Hauses nun doch einmal aufsah. Er hielt einen Moment inne, dann gab er einen entnervten Laut von sich und legte das Werkzeug beiseite.
"Seid gegrüßt. Wie kann ich-", setzte er an, als sein Blick auf Liuven hängen blieb. Er legte den Kopf schief, hob die Augenbraue, und brummte an sie gewandt: "Schönen Tag."
"Den wünsche ich Euch auch, Meister Alberich!", grüßte die Herrin in aller Freundlichkeit und deutete auf Johanna.
"Johanna hier hat einen Auftrag für Euch. Ich bin nur Zaungast."
"So?" Alberichs Blick wandte sich nun ihr zu.
"Nun, äh - seid gegrüßt, Meister", setzte Johanna nun an. "Ich bin kürzlich Mitglied der Stewarker Wache geworden und möchte eine Rüstung in Auftrag geben, die denen der Wache gleicht, aber eher meinen Maßen entspricht. Herrin Liuven hat mir in ihrer Güte diese Brustplatte hier drinnen vermacht und vorgeschlagen, sie anzupassen und mit der grünen Lackierung und dem Wappen der Stadt zu versehen."
"Ihr kennt sie vielleicht", fügte Liuven mit einem feinen Lächeln hinzu. "Für diesen Teil des Auftrags kommt die Kasse des Hauses Stewark auf."
Johanna nickte eilig. Es war ihr immer noch unwohl dabei, dass Liuven für ihre Rüstung bezahlte, wenn auch nur in Teilen. "Und dazu würde ich gern noch einige weitere Rüstteile erwerben, wie die Brustplatte aus Stahl gefertigt. Schulterstücke, Beinschienen mit Kniekappen, einen Schaller. Und ein Gambeson?"
Johanna kratzte sich verlegen an der Stirn.
"Wie viel würde das wohl ungefähr kosten? Und sagt, ist Isidor da? Wollte ihm nur hallo sagen. Wir sind befreundet und ich habe ihn seit ein paar Tagen nicht gesehen."
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Alberichs Schmiede
„Ja, werde ich machen. Danke, Elara!“, rief Isidor in die Werkstatt der Lederin hinein, ehe er die bereits geöffnete Tür wieder hinter sich schloss und in die Schmiede zurückkehrte.
Mit einem Lächeln auf den Lippen drehte er sich um und stockte für einen Moment, als er sich der beiden Kundinnen gewahr wurde, die ihr Gespräch mit Meister Alberich unterbrochen hatten, als er hereingeplatzt kam. Er blinzelte einmal und stellte einen im nächsten Moment fest, dass er eine der Damen kannte.
„Johanna! Was treibt dich in Meister Alberichs Schmiede?“, fragte er überrascht und freute sich, dass er seine kleine Freundin nach mehreren Tagen endlich wiedersah.
Sein Herz machte einen kleinen Sprung und er trat weiter in den Raum hinein, bevor er die Begleitung der kleinen Brünetten musterte. Edle Kleidung, feine Gesichtszüge und ein undurchsichtiges Lächeln spielte um die Lippen der Frau.
„Seid gegrüßt, ich bin Meister Alberichs Geselle Isidor.“
Eine kurze Vorstellung folgte, in der dem Hünen bewusst gemacht wurde, wer da vor ihm stand.
„Herrin“, fügte er verspätet an und wusste nicht recht, ob eine Verbeugung angebracht war, weswegen es eine unglückliches Mittelding aus Verbeugen und Nicht-Verbeugen wurde.
Herrin Liuven lächelte jedoch lediglich und winkte ab.
„Wir sind hier in deines Meisters Schmiede, Geselle Isidor, und es ist Johanna hier, die einen Auftrag hat.“
„Ich verstehe, Herrin.“
„Was den Auftrag betrifft“, schaltete sich nun Alberich wieder ein, der bereits den ganzen Tag deutlich mürrischer aufgelegt war, als sonst – vermutlich wegen der ungern erhaltenen Nachricht, dass Isidor für eine Weile die Stadt verlassen würde, „Das sollte kein Problem sein.“
Er packte ein Paket aus, welches auf dem Tresen lag und begutachtete die Brustplatte, welche sich dort drin befand.
„Gute Arbeit“, brummte er, „Das Symbol des Handwerkers sagt mir nichts, wurde an der Innenseite angebracht. Es wurde für Euch angefertigt?“, fragte er dann an Liuven gewandt.
„Das ist richtig“, bestätigte sie und nickte leicht.
„Hrm, einige kleinere Anpassungen und es sollte seinen Zweck erfüllen. Besser wäre es, wenn ich ein Stück anfertige, was auf deine Maße abgestimmt ist, junge Dame.“
Aber das würde mehr kosten, schloss Isidor gedanklich den Satz ab.
„Also, Johanna, diese Rüstung… hast du es geschafft? Hat Lord Hertan dich bei der Stadtwache aufgenommen?
Wenn dem so war, dann freute er sich sehr für das kleine Energiebündel. Sie hatte definitiv alle Qualitäten, die man für eine verantwortungsbewusste Position wie diese brauchte und ihre Körpergröße würde sie früher oder später zu ihrem Vorteil einsetzen. Da war sich der Hüne ganz sicher.
„Weißt du, ich habe entschieden meinen Horizont zu erweitern. Ich werde einige Zeit aus Stewark fortgehen, nicht für zu lang. Aber ich habe jemanden gefunden, der mir etwas beibringen kann, damit ich Elara – die Lederin im Nebenraum – bei der Jagd unterstützen kann.“
Das war die offizielle Ausrede, die sich Isidor überlegt hatte. Alberichs Partnerin hatte zu viel zu tun, um selbst das Lehren zu übernehmen und da sie jeden Tag erschöpfter wirkte, hatte er behauptet, dass er sie beide besser unterstützen wollte, indem er sie spätestens im Frühling bei der Jagd unterstützen wollte. Allerdings war er sich ziemlich sicher, dass Meister Alberich ihm die Geschichte nicht gänzlich abgekauft hatte. Abgelehnt hatte er sein Gesuch allerdings auch nicht.
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Alberichs Rüstschmiede
Beim Anblick ihres Freundes hellte sich Johannas Miene schlagartig auf.
"Isi!", rief sie ihm strahlend entgegen. "Ob ich es geschafft hab? Hertan hat mich Dreck fressen lassen! Aber ich hab seine Herausforderung bestanden und bin dabei!"
Doch ihr Grinsen verging, als Isidor im nächsten Moment davon berichtete, aus der Stadt fortzugehen. Johanna starrte ihn ungläubig mit geöffnetem Mund an. "Dein Ernst? Wir konnten noch nicht mal miteinander sprechen, seit du und Frieda -"
Ein leises, aber eindringliches Räuspern aus der Kehle Liuvens ließ sie mitten im Satz innehalten.
"Oh, entschuldigt."
"Ihr kennt das Stück nicht?", sagte Liuven an Alberich gewandt. "Mein Vater ließ es von einem Rüstschmied der Akademie anfertigen, vor etwa zwanzig Jahren. Doch dann war das wohl ein Anderer."
Johanna konzentrierte sich erneut auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs, auch wenn sie in diesem Moment viel lieber Isidor am Ohr in den Nebenraum gezogen und ihn peinlich befragt hätte, was bei Innos er da nun wieder anstellte. Liuvens Brustplatte war ein wunderschönes Stück, spiegelglatt poliert, mit einer dezenten, weißgoldenen Umrandung am Kragen, die aussah wie ineinander verwobene Ranken. Die Gurte für die Platte, die den gesamten Torso umschloss, waren komfortabel an der Seite angebracht, sodass man dieses Stück allein an- und ablegen konnte. Man sah ihm an, dass es für eine Frau über Johannas stand gefertigt worden war.
"Vielleicht wollen wir die Brustplatte erst einmal anlegen und Maße nehmen? Ich finde, sie sieht nicht allzu unpassend für meine Statur aus, und nach allem, was Isidor mir von Euch vorgeschwärmt hat, glaube ich fest daran, dass sie nach Eurer Anpassung dennoch ausgezeichneten Schutz bieten wird. Und wenn wir bei der Gelegenheit die Spiegelpolitur etwas mattieren könnten? Dann hält der Lack vielleicht auch besser. Und der Kragenschutz darf gern mit einem etwas bescheideneren Material verstärkt sein."
Sie hörte ein leises Kichern hinter ihrem Ohr. Die Herrin war offenbar amüsiert über ihren festen Standpunkt. Dabei war es der reine Pragmatismus, der sich trieb: gab sie lieber für viel eigenes Gold eine neue Brustplatte in Auftrag, die perfekt saß, oder nahm sie ein Geschenk der Fürstin an und erhielt eine immer noch ausgezeichnet sitzende Brustplatte geschenkt? Sie würde schon genug für den Helm und den Rest der georderten Rüstteile ausgeben müssen, auch wenn sie bei weitem keine vollständige Rüstung erstand. Doch das hatte nicht nur finanzielle Gründe. Sie beschränkte die Rüstung auf das Nötigste, ohne dabei zu viel Last auf ihre schmalen Schultern zu laden. In einer vollen Rüstung wäre sie schnell viel zu erschöpft, um sich regen, geschweige denn kämpfen zu können.
Als sie bemerkte, dass sie dem Meister ein wenig über den Mund fuhr, räusperte sie sich verlegen.
"Entschuldigt, Ihr seid ja der Experte. Aber sagt, diese neu gefertigten Teile - wie viel würden die doch gleich machen? Alles eher in leichter Ausfertigung. Oh, und der Helm ohne Visier, bitte. Und müsste ich für ein Gambeson woanders anfragen?"
Sie kam sich dumm vor, obwohl sie ziemlich genau wusste, was sie wollte. Es war das erste Mal, dass sie Ausrüstung für eine echte Kämpferin orderte, und es fühlte sich wahrlich seltsam an.
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Alberichs Schmiede
Mit einer Geste bedeutet Isidor Johanna, dass sie kurz sprechen konnten, wenn das Geschäft abgeschlossen war. Sie war auch bereits wieder in die Verhandlungen eingestiegen und wirkte so selbstbewusst wie eh und je.
„Vor zwanzig Jahren gab es in Setarrif mehr als einen fähigen Rüstungsbauer“, erklärte Alberich und beließ es dabei.
Wenn der Hüne richtig vermutete, war das etwa die Zeit gewesen, wo sein Meister noch Teil der Akademie war und er hatte nie spezifiziert, wann er sich der Schmiedekunst zugewandt hatte. Das wäre eine interessante Frage für später.
„Also gut“, brummte der Veteran schließlich und legte die edle Platte wieder auf den Tresen, „Es ist gut, dass du weißt, was du willst, Mädchen. Da hast du einigen Männern in deinem Alter was voraus. Isidor, hol einen Gambeson und hilf deiner Freundin, die Brustplatte anzulegen. Ich überlege in der Zeit, was alles kosten wird.“
„Ja, Meister“, bestätigte der Geselle sofort und wandte sich wieder zu Elaras Werkstatt, die er nach einem flüchtigen Klopfen betrat.
Nach kurzer Suche unter Zuhilfenahme der Lederin, fand er einen Gambeson, welcher noch immer zu groß wäre, aber für den Moment das kleinste Stück war, welches sie vorrätig hatten.
„Eine deiner Freundinnen?“, fragte Elara grinsend und bereits Feuer und Flamme für jegliches Detail.
„Ja, aber nicht so, wie du denkst!“, wehrte sich Isidor, doch das verbreiterte nur das Grinsen der Jägerin, „Ach komm, Elara!“
„Ich sag doch gar nichts“, lachte sie heiser.
„Ja eben!“
Mit der Polsterung in den Händen kehrte er zurück und sah, wie der Schmiedemeister über einigen Pergamenten lehnte und in Gedanken schien.
„Tut mir leid, einen passenden Gambeson wird Elara erst nähen müssen, aber der hier sollte für eine Anprobe reichen“, wandte er sich nach einem kurzen Blick zu Herrin Liuven an Johanna, „Ich helf dir ihn anzulegen, wenn du erlaubst.“
War die Missbilligung im Blick der Herrin? Jetzt, wo er sie genauer betrachtete, fragte er sich, wie ein Rüstungsteil, was für ihre durchaus kurvige Figur gedacht war, an Johannas zierlichen Körper passen sollte. Doch er vertraute in dieser Hinsicht seinem Meister.
„Gut, wenn wir den Brustpanzer nach deinen Wünschen anpassen und die übrigen Teile schmieden, dann komme ich auf einen Betrag von dreihundert Goldstücken“, verkündete Alberich und Isidor verschluckte sich beinahe an seinem eigenen Speichel.
„Was ich aber vorschlagen würde, wenn du etwas Gewicht einsparen willst, dann wäre verstärktes Leder eine sinnvolle Alternative. Gerade Schulterstücke und der komplette Beinschutz. Ersteres bietet durch seine Form einen ähnlich guten Schutz und bietet etwas mehr Freiraum. Zweiteres ist dank deiner Größe ohnehin ein schwer zu treffendes Ziel und wenn ich dich so ansehe, wirst du eher auf Schnelligkeit setzen, nehme ich an? Wenn du damit einverstanden wärst, wären es noch einhundertfünfzig Goldmünzen.“
Beides wirkte auf Isidor wie äußerst günstige Preise. Machte der Meister ein so gutes Angebot, weil die adlige Dame zugegen war oder wegen Johannas Beziehung zu Isidor?
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Alberichs Rüstschmiede
Wusste sie denn wirklich, was sie wollte? Als Alberich das so leichthin fallen ließ, war sie sich da gar nicht so sicher. Natürlich, sie hatte eine klare Vorstellung davon, was - und auch wer - ihr wichtig war im Leben, und daraus definierte sich für sie auch, was sie tun und wer sie sein wollte. Genau deshalb interessierte sie sich nicht im Geringsten für die Akademie, denn es war ihr nicht wichtig, die beste verdammte Kämpferin auf diesem Felsen in der wilden See zu werden. Sie wollte helfen, sie wollte beschützen - und damit genau so ein Mensch sein, wie sie ihn selbst in ihrer Kindheit und Jugend gebraucht hätte. Und doch wollte sie auch so viele andere Dinge. Sie wollte ein ruhiges und friedliches Leben mit ihrem Seelenverwandten verbringen, der nie ein Teil dieser Gesellschaft sein würde. Sie wollte eine gute Freundin sein und eine gute Freundin haben. Sie wollte lieben und geliebt werden. Sie wollte ihr gottverdammtes Leben genießen, weil es ihr vor Rudra und vor Stewark nie vergönnt gewesen war, genau das zu tun.
Ja, sie wusste, was sie wollte, aber sie wollte so viele Dinge, dass es sie geradezu zerriss. Und manchmal wollte sie sich deshalb einfach nur in eine Ecke verkriechen und weinen, doch das würde sie sicher niemandem auf die Nase binden. Zumindest nicht, solange ihre Vernunft den Laden zusammenhielt.
Als ihre Gedanken sie zu der Erkenntnis brachten, dass Alberich mit seiner Bemerkung lediglich ihre Vorstellung einer Rüstung gemeint hatte, kehrte Isidor bereits mit dem deutlich zu großen Gambeson in Händen zurück und bot ihr an, ihr bei der Anprobe der Brustplatte zu helfen. Sie sah über ihre Schulter zu Liuven, als sie eine Reaktion in seinen Zügen sah, während er sie anblickte.
"Ist schon gut, er ist ein guter Freund", sagte sie sanft und beließ es dabei.
Alberichs Vorschlag ließ sie erst das Gesicht verziehen. Würde sie nicht völlig aus der Form fallen mit ihrem Mischmasch aus Stahl und Leder, während die anderen Mitglieder der Wache alle in voller Plattenrüstung umherliefen? Sie konnte sich nicht so recht vorstellen, dass das ein vernünftiges Bild abgeben würde. Doch langsam, aber sicher begann sie, die Vorteile dieses Vorschlags zu sehen. Um das Gewicht machte sie sich weniger Sorgen, immerhin beschränkte sie sich auf den Schutz des Nötigsten und wollte keine komplette Rüstung. Aber während das stete Ting-Ting von Metall auf Metall mit stählernen Schulterstücken ein unumgängliches Ärgernis werden mochte, würden Schulterstücke aus Leder vielleicht etwas leiser sein. Und an den Beinen würde es ohnehin keinen Unterschied machen. Wen interessierte es schon, wenn ihre Rüstung durch Andersartigkeit herausstach? Johanna würde ohnehin auffallen.
"Also gut", sagte sie, "dann also aus Leder - solange der Helm aus Stahl ist. An den Beinen nur einen Schutz für Schienbeine und Knie, bitte, nichts an den Oberschenkeln oder den Waden. 150 Goldstücke klingen wirklich nach einem guten Preis ... schätze ich."
Sie lachte nervös. "Hab mir schon deutlich Schlimmeres vorgestellt."
Die folgende Stille wurde mit jedem Herzschlag unangenehmer. Schließlich klatschte Johanna in die Hände und sah zu Isidor.
"Na gut, wollen wir das Schätzchen mal anprobieren?"
Isidor führte sie in ein Hinterzimmer, das allem Anschein nach als Lager für allerlei verschiedene Rohstoffe und Teile diente. Kaum hatte er die Tür hinter ihr geschlossen, wandte sie sich zu ihm um.
"War da noch jemand in dem Raum, aus dem du das geholt hast?", sagte sie und blickte auf den Gambeson in seinen Händen.
"Sie klang nett."
Johanna legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufzusehen, ein schüchternes Lächeln auf den Lippen.
"Also … schön, dich zu sehen. Wir haben uns ja nicht mehr getroffen, seit du mit Frieda … du weißt schon."
Sie presste die Lippen aufeinander, stellte fest, dass sie ihm nicht gerade viel Platz zwischen sich und der geschlossenen Tür ließ. Doch es kam ihr seltsam vor, zurückzutreten, wo sie doch so froh war, ihn endlich wieder zu treffen. Kurzentschlossen ließ sie die Brustplatte fallen, die mit einem mächtigen Scheppern erst auf einem Regal, dann auf dem Rand einer Kiste aufsetzte und schließlich quer durch den Raum purzelte, und umarmte ihren Freund innig.
"Wo willst du denn hin, Mensch? Ihr habt doch gerade erst … ich weiß noch nicht mal, wie es war! Du kannst doch nicht schon wieder …"
Die richtigen Worte wollten ihr nicht einfallen. Also drückte sie ihn einfach noch etwas fester an sich, auch wenn der Gambeson in seinen Händen ihr wirklich unangenehm ins Gesicht drückte.
Geändert von Johanna (03.01.2025 um 09:34 Uhr)
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Alberichs Schmiede
Der kurze Weg über den Innenhof in die, an der Wand zum nächsten Gebäude errichtete, Holzbarracke, in der Meister Alberich Fässer, Kisten und Säcke mit verschiedenen Quarzen aufbewahrte, war nicht genug gewesen, um Isidors Kopf freizubekommen. Aber ohnehin wären seine Gedanken wohl gleich wieder in einen Tumult geraten. Denn Johanna machte keine Anstalten weiter in das Lager hereinzugehen und hatte sich stattdessen zu ihm umgewandt. Im ersten Moment völlig überrumpelt, hatte sie die edle Brustplatte fallengelassen und sich gegen ihn geworfen. Er spürte die Kälte ihrer Kleidung gegen die Hitze seines Körpers, welcher von der Esse gut erwärmt war. Der Gambeson in seiner Hand war zwischen ihnen eingequetscht. Nur für einen Augenblick legte Isidor ihr die Hände auf die Schulter, drückte sie sanft ein Stück von sich, was ihr offensichtlich nicht passte. Doch es war nicht, um Abstand zu gewinnen, denn als das Polster ebenfalls zu Boden fiel und er es mit seinem Fuß beiseite geschoben hatte, zog er sie an sich – vielleicht ein wenig zu ruppig. Aber er wollte ihr versichern, dass auch er sie vermisst hatte und…
Sein Rücken lehnte gegen die verschlossene Holztür und seine Hände ruhten auf der Mitte von Johannas Rücken, während ihre Arme um seine Taille geschlungen waren. Der Hüne hatte das Bedürfnis seine kleine Freundin hochzuheben, doch er war sich ziemlich sicher, dass sie das nicht tolerieren würde. Also lehnte er sich stattdessen herab und drückte sein Gesicht in ihr Haar.
„Es ist auch schön dich zu sehen, Johanna“, raunte er in ihren Schopf, „Ich habe genauso viele Fragen an dich, wie du an mich, aber ich werde mein Bestes tun, dir erst deine zu beantworten.“
Er wollte sich von ihr lösen, doch sie machte keine Anstalten dasselbe zu tun, weswegen er seine Hände wieder auf ihr ablegte.
„Also, was zuerst? In der Werkstatt, die an die Schmiede angrenzt, ist Elaras Lederwerkstatt. Sie arbeitet schon lange mit Alberich zusammen und näht auch die Gambesons“, nahm er sich der ersten Frage an, „Sie ist ein toller Mensch, wenn auch sehr neugierig und außerdem in letzter Zeit konstant müde und erschöpft. Sie arbeitet auch den ganzen Tag. Früh morgens geht sie Jagen und den Rest des Tages verbringt sie an ihrer Werkbank oder mit Kunden.“
Isidor fragte sich, ob er einen Funken Eifersucht in Johannas Stimme vernommen hatte, als sie sich nach Elara erkundigt hatte. Doch vermutlich war es Einbildung gewesen. Wieso sollte sie auch eifersüchtig sein, immerhin war sie es, die das Treffen mit Frieda arrangiert hatte und die ihm sehr dabei geholfen hatte, sich entsprechend vorzubereiten.
„Was Fräulein Frieda angeht… Es war sehr schön. Vor allem dank dir! Ohne dich wäre es vermutlich ein Desaster gewesen“, schmunzelte der Geselle und erinnerte sich an einen der letzten warmen Tage des Jahres, „Wir haben uns viel unterhalten, gut gegessen und zugesagt, es zu wiederholen. Aber ich war so beschäftigt in den letzten Tagen, dass ich nicht in der Lage war, auch nur bei ihr in der Bäckerei vorbeizusehen. Ich würde dich ja bitten, dass du ihr meine Grüße und Entschuldigung überbringst, aber dann hätte ich nur ein noch schlechteres Gewissen.“
Nun würde der Teil kommen, den er ihr gegenüber nur ungern in den Mantel der Halbwahrheit kleidete. Doch was hatte er für eine Wahl? Bisher war er stets so ehrlich zu ihr gewesen, wie er konnte, ohne zu verraten, weshalb er wirklich in Stewark war. Doch je mehr Tage ins Land zogen, desto schwerer fiel es ihm, aber umso wichtiger war es, dass es geheim blieb. Es war ein Fluss, der in zwei Richtungen strömte. Jeder Tag, der verstrich, ohne dass sie wusste, weshalb er hier war, würde die Wahrheit nur schmerzvoller machen. Allerdings war es auch jeder Tag, an dem sie den Grund nicht kannte, ein Tag, an dem er ihre Freundschaft genießen und festigen konnte. Wann wäre der Zeitpunkt gekommen, dass der eine Strom den anderen übermannte und der Lauf des Flusses seine vorbestimmte Bahn einschlug?
„Ich habe eine Entscheidung getroffen“, sagte er schließlich und seine Stimme klang in seinen Ohren hohl.
Waren das wirklich seine Worte, die er da hörte? Wo waren die Farbe und der Ton hin?
„Ich möchte versuchen der Akademie beizutreten. Ich denke, dass es für mich der beste Weg ist zu zeigen, dass ihr alle, Meister Alberich, Elara, Meve, Syrias, Frieda und vor allem du, Johanna“, er schob sie nur soweit weg von sich, dass er ihr ins Gesicht schauen konnte, „mir wichtig seid.“
Es war keine Lüge, und doch klang die Begründung schwach. Er hätte ebenso gut der Stadtwache beitreten können und wäre auf die Weise Johanna gefolgt.
„Ich will versuchen die anderen Klingen in der Akademie auf die Probleme Stewarks aufmerksam zu machen, damit die Stadtwache entlastet wird. Immer wenn ich über den Torplatz laufe, scheinen dieselben Männer am Tor zu stehen. Ab und an sollte jeder eine Pause machen dürfen. Und darum habe ich jemanden gesucht, der mir beibringen kann wie man mit einem Bogen umgeht.“
Besser, aber längst nicht überzeugend, dachte Isidor, doch fand er keine weiteren fadenscheinige Argumente.
Es würde fürs Erste ausreichen müssen.
„Aber erzähl du doch auch mal! Du warst mit Syrias unterwegs, oder? Hast es geschafft Lord Hertan von dir zu überzeugen und du sagtest, er hätte dich Dreck fressen lassen? Gut, dass du einen starken Magen hast!“, lachte er und versuchte offensichtlich den Fokus auf Johannas Eskapaden zu lenken, „Und dann tauchst du hier mit einer Adligen auf, die dir ihre Brustplatte vermacht hat? Wie ist das bitte passiert?“
Dann fiel sein Blick an ihrem Körper vorbei gen Boden, wo Gambeson und Rüstung noch lagen, vergessen in einem Moment der Zweisamkeit, der weniger unangenehm war, als Isidor erwartet hätte. Immerhin war das letzte Mal, dass sie gemeinsam allein in einem Raum waren, weniger fröhlich ausgegangen. Seltsamerweise fühlte er eine Art Euphorie in sich aufsteigen, deren Ursprung er nicht festmachen konnte.
„Ich wage es kaum zu sagen, aber…“, begann er, noch ehe sie ihm antworten konnte, „Du wirst ein paar deiner Kleider ausziehen müssen, damit wir dir die Rüstung anziehen können.“
Ein verlegenes Lachen bebte durch seine Brust, während er auf Johannas Reaktion wartete.
Geändert von Isidor (03.01.2025 um 10:00 Uhr)
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Alberichs Rüstschmiede - Lagerraum
Sein Körper und seine Hände waren so warm, sein Atem in ihrem Haar war so nah. Johannas Arme umschlangen seine Taille, ihre Finger gruben sich in seinen breiten Rücken, dessen sehnige Muskeln sie durch sein Hemd hindurch fühlte. Sie hörte ihn von Elara und Frieda sprechen, doch es fiel ihr schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren, während ihr Bauch sich verknotete und ihre Knie weich wurden. Sie waren sich so nah in diesem Moment, und es fühlte sich gar nicht falsch an! Lautlos seufzte sie ihm in die Brust, während er weitersprach ohne es zu bemerken. Wenn er sie in diesem Moment hochgehoben und geküsst hätte, sie hätte sich bei aller Vernunft und allem Willen, Frieda eine gute Freundin zu sein, nicht einen Herzschlag lang dagegen gesträubt.
"Ich habe eine Entscheidung getroffen."
Isidors tonlose Stimme jagte ihr Schauer über den Rücken. Er klang nicht wie jemand, der seine Aufgabe gefunden hatte und sich begeistert neuen Herausforderungen stellte. Er klang wie jemand, der sein trauriges Schicksal akzeptierte. Wie jemand, der fortging. Ihr Körper versteifte sich, und sie löste sich aus der Umarmung, in der sie ihn zuvor gehalten hatte. Doch für den Moment fehlten ihr die Worte, um etwas auf seine Erklärungen zu erwidern. Da war es ihr nur recht und billig, dass er nach ihren Erlebnissen der letzten Tage fragte. Sie rang sich zu einem Lächeln durch, das die Augen nicht erreichen wollte.
"Ach ja, die Reise mit Syrias. Naja, sehr erfolgreich waren wir nicht gerade. Er hat mich mit in eine Mine genommen, aus der wir ein paar Säcke voll Eisenerz holen wollten. Aber in der Höhle haben sich Goblins breitgemacht, und die haben uns dann einzukesseln versucht. Ich hab zwei von denen ..."
Ihr Herz stockte, nur einen Moment lang. Sie hatte getötet, hatte der Blut der armen kleinen Bastarde vergossen, die ihr neues Zuhause beschützen wollten. Ihr Schwert hatte das Fleisch der Goblins zerschnitten wie Butter. Sie blinzelte und lächelte den dunklen Gedanken beiseite - das war ein schlechter Augenblick, um sich damit zu beschäftigen, dass sie zum ersten Mal bewusst Leben genommen hatte.
"Einer der kleinen Mistkerle hat mir richtig tief in die Schulter gebissen, kannst du das glauben? Hab einen Besuch in der Heilkammer gebraucht, um das wieder ganz zu bekommen. Aber Syrias war zufrieden, er hat gemeint, dass ich so weit bin. Also bin ich zur Stadtwache und hab Hertan aufgefordert, mich zu prüfen. Kennst du Chuck, den unfreundlichen Alten mit der Halbglatze und dem fettigen Bart, der klingt wie ein Reibeisen? Hab gegen ihn in einem Duell gekämpft und ihn so richtig verhauen!"
Nun strahlten ihre Zähne doch wieder hervor. Darauf, diesen Mistkerl besiegt zu haben, war sie schon ein wenig stolz.
"Dann hat Hertan selbst gegen mich gekämpft und ich sollte ihn festnehmen. Der kann kämpfen, sag ich dir! Hat mich in den Schlamm geklatscht, als wär ich eine Puppe! Aber ich hab ihn trotzdem gekriegt und ihm die Handschellen angelegt!"
Johanna deutete an Isidor vorbei auf die Tür. "Das da drüben ist Liuven, Hertans Schwester. Hertan hat von ihr einen Gefallen eingefordert, damit sie mir die Brustplatte schenkt. Ich hab aber das Gefühl, dass es ihm mehr darum ging, dass Liuven sich ein Bild von mir macht. Es gibt ja sonst keine Frauen bei der Wache, und sie hat angedeutet, dass sie vielleicht einmal Verwendung für eine Wächterin haben könnte."
Damit beschloss sie ihre kleine Zusammenfassung der jüngsten Ereignisse. Was sie wiederum zu ihrem aktuellen Anlass führte - und der Ankündigung von Isidor, dass sie sich etwas entkleiden müsse. Sie errötete, versuchte aber sachlich zu bleiben.
"Klar, kein Ding. Einen Moment, ja?"
Sie legte den Mantel ab, knöpfte das Wams auf, das sie über ihrem langärmeligen Hemd trug. Sofort überkam sie eine frostige Woge in dem ungeheizten Lagerraum. Die Härchen ihrer unter dem Hemd nackten Haut stellten sich auf, und sie rieb sich die Schultern.
"Hilfst du mir mit dem Gambeson?"
Isidor hob das viel zu große Kleidungsstück vom Boden auf und zog es ihr über den Kopf. Erneut kamen sie sich ganz nah, und erneut musste sie an seine unheilvoll klingenden Worte denken.
"Du musst nicht in diese blöde Akademie gehen, um mir zu zeigen, dass wir dir wichtig sind, Isi", sprach sie, leise und vorsichtig, als ihr Kopf wieder aus dem Gambeson auftauchte. Als er alles zurecht zog, kam er mit seinem Kopf auf ihre Höhe hinab, und einen Moment lang sahen sie sich ganze nah in die Augen. Seine moosgrünen Augen, in dessen süße, trottelige Unschuld eine Spur von etwas gemischt war, das sie als Bedauern zu erkennen glaubte, und die sie mit einem Schlag unendlich traurig machte.
"Du musst nur da sein. Bei uns. Und du hast gerade geklungen, als würdest du Abschied nehmen." Sie schniefte. "Aber das will ich nicht. Ich will, dass du hier bist."
Ihre Augen blickten auf seine Lippen. Dann wieder auf seine Augen. Ein schwerer Atemzug verging.
"Bei mir."
Geändert von Johanna (03.01.2025 um 16:55 Uhr)
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Alberichs Schmiede - Lagerraum
Alles, was Johanna ihm von den letzten Tagen, in denen sie einander nicht gesehen hatten, berichtete, war in diesem Augenblick vergessen. Gerade noch zog er die letzte Lasche am zu großen Gambeson fest, hatte sich dafür herabbeugen müssen und sein Gesicht auf gleiche Höhe wie das von Johanna gebracht. Ihr rabenschwarzes Haar war zerzaust von der Reibung des groben Stoffes der Polsterung und ihre dunklen Augen fixierten ihn, als würde sie ihn mit aller Macht festhalten wollen, ohne ihre Hände nutzen zu können. Der Kontrast, Haar und Augen, zu ihrer hellen, fast weißen Haut, wurde ihm zum ersten Mal wirklich bewusst.
Seine Hand ruhte noch auf ihrer Taille, wo sie zuletzt gearbeitet hatte und er spürte, wie sein Herzschlag an Intensität gewann.
„Bei dir?“, fragte er langsam und wurde ihrem warmen Atem gewahr, der seine Wange streifte.
Ihre Lippen waren leicht geöffnet und seine Augen suchen nach einem Punkt, einer Stelle, vielleicht auch nur nach einem Muttermal in ihrem Gesicht, doch sie kehrten immer wieder zu den ihren zurück. Bedauern füllte seine Gedanken. Bedauern darüber, dass er nicht ehrlich sein konnte. Er verachtete sich in diesem Augenblick dafür, dass er nicht offen mit Johanna reden konnte.
Ganz langsam, wie das letzte fallende Blatt einer sterbenden Esche, senkte er seinen Blick bis seine Wimpern als Vorhang das Grün seiner Iris verbargen.
Aber was ist mit Frieda?, wollte er fragen, doch kam kein Laut hervor, als er seinen Mund öffnete um zu sprechen.
Vorsichtig löste Isidor seine Hand von ihrer Taille, fast so, als hätte er Angst, dass wenn er sie nun losließ, eine Chance verstrich, die nur ein einziges Mal im Leben eines Menschen vorkam. Viele mochten gar den Winter des eigenen Daseins hinter sich bringen, ohne auch nur einen solchen Moment erlebt zu haben.
„Johanna“, zwang er sich ihren Namen so ruhig wie möglich auszusprechen, während ein Teil der Stadtmauer auf seiner Lunge zu lasten schien, „Ich muss meine Vergangenheit hinter mich bringen. Meine Familie, sie…“
Er hatte es ihr bereits erzählt, ihr und auch Frieda, als sie das erste Mal in der Bäckerei gewesen waren. Dass er Waise war und dass er fortgelaufen war, um den stetigen Erinnerungen zu entkommen, die ihn umgaben, heimsuchten, plagten.
„Der Mörder meiner Eltern und meiner Schwestern“, presste er hervor, er ist hier auf Argaan und er war im Kerker von Thorniara. Doch ich habe erfahren, dass er kürzlich freigelassen wurde. Verstehst du? Sie haben den Mörder meiner Familie, den Mann, der mir alles genommen hat, seine Ketten abgenommen. Innos‘ Gerechtigkeit ist so viel wert wie Spucke auf einem Grabstein. Ich muss der Akademie beitreten, muss lernen zu kämpfen. Zu kämpfen, um zu sühnen, was die Götter nicht konnten.“
Er erhob sich. Sein Körper fühlte sich schwer an, doch war er ein Staubkorn im Antlitz des Berges, der den Schmerz und die Wut darstellte, welche sein Herz zerquetschte.
„Ich habe nicht gelogen“, sagte er und fragte sich gleichwohl, ob er es um ihretwillen oder lediglich für sich selbst aussprach, „Ich will meinen Platz in dieser Stadt finden und ich will beweisen, mir selbst vielleicht mehr, als allen anderen, dass es im Leben noch Dinge gibt, für die es sich zu… leben lohnt.“
Sein Blick, noch immer gesenkt, ruhend auf der Brustplatte, die Herrin Liuven an Johanna gegeben hatte. Dieselbe Johanna, von der er wusste, dass sie stark war, unbeugsam. Auch sie hatte erlebt, wie die Gerechtigkeit Innos‘ aussah. Auch sie wusste wie es war eine Waise zu sein. Sie würde es verstehen, konnte seinen Schmerz und seinen Zorn nachempfinden.
„Ich… will bei dir bleiben, aber ich fürchte, dass ich nicht ruhigen Gewissens sein kann, wenn dieses Monster noch lebt. Es wäre nicht ich, sondern nur ein… dunkler Schatten.“
Isidor beugte sich herab, um die Brustplatte aufzuheben. Meister Alberich und Herrin Liuven fragten sich sicher bereits, weshalb sie so lange fort waren.
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Alberichs Rüstschmiede - Lagerraum
Der Schmerz in seinen Augen stach ihr so heftig in’s Herz, dass all die selbstsüchtigen Gefühle, die sie umgetrieben hatten, hinfort geblasen wurden wie Blätter im Sturm. Johanna wusste nur zu genau, welche Dämonen ihn trieben, und nun endlich verstand sie ihn. Ja, sie hatte gewusst, dass auch er seine Familie verloren hatte. Doch der Schatten, der ihn heimsuchte, war nicht nur der Tod seiner Liebsten – nicht direkt. Es war das Monster, das ungestraft davonkam und irgendwo da draußen lauerte. Und mit persönlichen Monstern kannte sie sich nur allzu gut aus.
Als Isidor die Brustplatte vom Boden aufhob und sich aufrichtete, griff sie mit beiden Händen nach seinem Kopf. Ihre Daumen strichen über seine Wangen, während sie ihm tief in das Schwarz seiner Augen sah. Vergessen waren die Muskeln und die Lippen, vergessen der Wunsch, ihn zu küssen. Sie zog ihn zu sich heran und lehnte ihre Stirn gegen die seine, ohne den Blick abzuwenden. Sie sah ihn, seinen Schmerz, seine Schattenseiten und Abgründe. Und sie wollte für ihn da sein.
„Weißt du, von welchem Gold ich diese Rüstung bezahlen werde?“, fragte sie, tonlos, ohne jede Schärfe. „Es ist das Gold meines Monsters. Des Mannes, vor dem ich geflohen bin. Ich dacht, ich wär ihm entkommen, als ich aus Thorniara geflohen bin. Aber er hat mich verfolgt, jeden Tag auf’s Neue, tagein, tagaus. Immer wieder die Angst, er könnte um die nächste Ecke stehen. Immer wieder der Wunsch nach Rache, nach Vergeltung. Als ich mit Rudra-“
Sie stockte. Es war gerade nicht wichtig.
„Als ich nach Stewark gekommen bin, hab ich mich noch ein letztes Mal nach Thorniara getraut. Ich bin in die Hütte meines Monsters eingebrochen, habe ihm alles geklaut, was er hatte, und hab ihm alles zerstört, was ich finden konnte. Ich hab mich gerächt, so sehr ich es konnte, ich verfluchtes kleines schwaches Mädchen. Und es hat gar nichts geändert! Nicht hier drinnen.“
Johanna schlug sich auf die wattierte Brust. Ihr Blick war hart und entschlossen.
„Von diesem verdammten Gold hab ich seitdem alles bezahlt, und das ist mein einziger Trost aus diesem Ausflug nach Thorniara, dass sein beschissener Reichtum mir wenigstens dabei hilft, über die Runden zu kommen. Aber es hat mich nicht von dem Monster in mir befreit, Isi. Die Angst war immer noch da, und die Last und die Ausweglosigkeit. Erst, als ich angefangen hab, für etwas leben zu wollen und nicht gegen etwas, hab ich endlich losgelassen. Ich hab neu angefangen. Vicktar? Ist noch immer irgendwo da draußen, das dumme Schwein. Aber seit ich weiß, wofür ich leben kann, hat er keine Kontrolle mehr über mich.“
Sie löste ihre Stirn von seiner und strich ihm mit einer Hand sanft über die grausame Brandwunde an seinem Hals. „Es gibt mehr als nur einen Weg, weißt du? Lass dich nicht von Rache auffressen. Das macht nichts rückgängig. Ich verstehe nicht, wieso dir die Akademie mit dem Mörder deiner Familie weiterhilft, was das Bogenschießen damit zu tun hat und warum du dafür weggehen musst, aber vergiss nicht: dein Monster ist vielleicht da draußen, aber hier in Stewark gibt es mehr als nur einen Menschen, dem du wichtig bist, und mehr als nur eine Sache, für die es sich zu leben lohnt. Und wenn du reden willst – egal, worüber – ich höre dir zu. Ich bin da.“
Erst jetzt wandte sie den Blick von seinem ab und klopfte gegen die Brustplatte in seinen Händen.
„Und jetzt leg mir das verdammte Ding an, ja? Dein grummeliger Meisterschmied kommt mir nicht gerade wie ein herausragender Gesprächspartner vor und ich muss Liuven vor einer erschlagenden Mauer des Schweigens retten, fürchte ich.“
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Alberichs Schmiede - Lagerraum
Isidor zuckte leicht, als Johanna seine Narbe am Hals berührte, ein Reflex, obwohl er keinen Schmerz verspürte, als ihre Finger das verbrannte Gewebe streiften. Ihre Worte, die Wahrheit. Er wusste, dass sie vermutlich Recht hatte, dass Rache nicht dazu führen würde, dass er sich besser fühlte. Doch darum ging es ihm auch gar nicht. Irgendwie hatte er es auch ohne Vergeltung zu üben geschafft, Freude zu empfinden, vielleicht sogar Verliebtheit. Doch das war vor der Nachricht gewesen, dass Ardan Hsia seiner gerechten Strafe entkommen war.
Er wollte nicht den Tod dieses Monsters, weil er hoffte sich dann besser zu fühlen, sondern weil er Gerechtigkeit wollte. Aber auch Schutz, Schutz vor dem verdorbenen Geist in fleischlicher Hülle. Denn wer sagte ihm, dass er nicht auf noch versuchen würde ihn zu töten? Was, wenn der Brandmörder nach seiner Freilassung dort weitermachen würde, wo er aufgehört hatte? Wie viele Menschen mussten noch sterben, ehe Innos und auch das myrtanische Rechtssystem erkannten, dass ein solcher…
Er wollte nicht einmal als Mensch von ihm denken, denn das hätte bedeutet, dass es auch andere geben könnte, die ähnlichen Trieben verfallen konnten. Es hätte ihm einen Mantel gegeben, den der Schmied nicht bereit war um die Schultern eines Mörders zu legen.
Doch es waren nicht nur ehrbare Gründe, wie er vor sich selbst zugeben musste. Wut und Hass, zwei ganz persönliche Emotionen, waren über die Jahre ein Teil von ihm geworden, tief verwurzelt in seinem Herz. Mehr als einmal, gerade in den ersten Wochen nach der abscheulichen Tat, waren es diese beiden Mächte gewesen, die ihn angetrieben hatten. Angetrieben weiterzumachen und abgehalten von dem, was die Verzweiflung beinahe gefordert hätte.
Es waren niedere Gefühle und Beweggründe. Auch das wusste Isidor. Doch dank ihnen hatte er es bis nach Stewark geschafft und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte er wieder Hoffnung.
„Danke Johanna“, flüsterte er, während er noch immer die Brustplatte hielt, ohne sie ihr anzulegen, „Danke, dass du verstehst und da bist. Ich verspreche, dass ich mich nicht verlieren werde, aber ich kann mich auch nicht auf meine Hände setzen und darauf warten, dass die Dinge sich fügen.“
Er schaute ihr in die Augen, deren Ausdruck sich verändert hatten. Vorbei war der Moment, die Chance auf etwas Einmaliges. Doch das war in Ordnung. Denn dieser Pfad hätte weder sie noch ihn auf Dauer glücklich gemacht. Sobald er sein Ziel erreicht hatte, ergab sich vielleicht eine neue Gelegenheit, doch bis dahin würde er jene Menschen auf Abstand halten, die sein Auftraggeber als den Feind betrachtete. Insofern Armond überhaupt in derartigen Facetten dachte. Isidor hatte eher den Eindruck, dass für diesen Mann alles nur ein Spiel war. Ein Spiel, in dem er viel Erfahrung und noch mehr Talent besaß.
„Also gut, werte Kundin“, versuchte der Geselle die Schwere von sich abzuschütteln, welche sein Kreuz beugte, „Hebt bitte die Arme, damit ich Euch die Brustplatte anlegen kann. Wir müssen sichergehen, was für Änderungen von Nöten sind!“
Mit einem gezwungenen Lächeln, geboren aus Willen, nicht aus Verpflichtung, legte er Johanna die glänzende Platte an und zurrte die Riemen fest. Er kam nicht umhin zu bemerken, dass es eine herausragende Arbeit war und insbesondere die Verzierungen zeugten von einmaliger Handwerkskunst. Es war fast ein Wunder, dass Meister Alberich den Schmied nicht kannte, der dieses Stück angefertigt hatte.
„So, das hätten wir. Ich muss sagen, Frau Stadtwächterin, dass Euch das Gesetz sehr gut steht“, scherzte er.
Tatsächlich lag die Rüstung erstaunlich gut an ihrem schmalen Körper. Vermutlich weil der Gambeson etwas zu groß war, doch es versprach keine großen Anpassungen zu benötigen. Das war gut und würde den Preis noch ein wenig senken.
„Dann lass uns deine Herrin mal vor den kalten Flammen der sturen Verschwiegenheit retten“, griff er ihren Witz auf und fand langsam zu seinem alten Selbst zurück, „Und keine Sorge, Johanna. Ich weiß nicht genau, wie lange ich fort sein werde, aber sobald ich mir bewiesen habe, dass ich mit einer Waffe umgehen kann, komme ich zurück. Ich mag nicht immer nachdenken, bevor ich handle, aber ich bin nicht dumm genug, um sofort meine Rache erzwingen zu wollen.“
Mit diesem fragwürdigen Versprechen bedeutete er ihr den Lagerraum zu verlassen. Der Gambeson machte ihre schmale Gestalt auf seltsame Art unförmig und für einen Moment bedauerte er, dass sie ihren Körper darunter verbarg.
Was denke ich da bloß, stöhnte er innerlich und öffnete für sie die Hintertür zur Schmiede, wo sich eine dritte Person eingefunden hatte und – den Göttern sei Dank – der adligen Dame aus der Not geholfen hatte.
Auf Elara war eben Verlass.
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Torwirtschaft - Pieros Kammer
„Und, was sagst du?“
Lares sah sich in der Kammer um, schritt langsam hinüber und starrte hinaus auf das Stewarker Land. Dann wandte er sich um und schürzte anerkennend die Lippen. „Ich sage, du bist fleißig gewesen.“
Piero grinste. „Hier und da noch ein dekoratives Portrait oder ein prunkvoller Teppich, vielleicht noch ein Arbeitstisch aus Ebenholz, und du wirst staunen, wie viel meine bescheidene Bleibe hermacht.“ „Auf jeden Fall hast du jetzt schon eine bessere Aussicht als der verdammte König, du verschlagener Bastard!“ Lares klopfte Piero gegen die Schulter. „Hab nichts anderes von dir erwartet.“
Piero nickte und sah Lares mit ehrlicher Freude in die Augen, einen alten Wegbegleiter wiederzusehen. „Wettschulden sind Ehrenschulden, alter Haudegen. Hätte nur nicht gedacht, dass du einen so schwerwiegenden Gefallen für den Vorteil eines Monarchen hinschenkst. Wie lange ist das jetzt her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?“
„Zwei Jahre, neun Monate und fünfzehn Tage, seit ich deinen hässlichen Arsch vor diesen varantischen Aasgeiern gerettet habe“, erwiderte Lares lachend.
„So lange schon, hmm? Damals jedenfalls hast du dir noch nicht so viel aus Königreichen gemacht, so weit ich mich erinnere.“
„Und ich tu es bis heute nicht. Aber ich glaube an die gute Sache.“
Piero runzelte die Stirn. „Und dieses Kaff in Schwung zu bringen, ist eine gute Sache?“
„Dieses Königreich am Leben zu halten, ist es. Aufzubauen, was noch da ist, um dem scheiß König von Myrtana nicht die ganze Welt zu überlassen, ist es.“
„Seit wann scherst du dich um Politik? Etwas zu holen gibt es unter jeder Krone. Götter, wir haben unsere Dinger zusammen in Geldern unter den Orks gedreht, genauso wie in Vengard.“
Lares breitete die Arme aus. „Manchmal muss man wohl seinem Gewissen folgen. So sieht es zumindest ein guter Freund von mir – und als er mich vor ein paar Jahren gerufen hat, hab ich nicht nein gesagt, denn ihm vertraue ich blind.“
Piero schüttelte den Kopf. Na klasse. Er hatte sich in einen Befreiungskampf hereinziehen lassen, weil er jemandem einen Gefallen schuldete, der einem Freund aushalf, der einen Kampf für das Gute führte. Womit hatte er das nur verdient?
„Glaub bloß nicht, dass ich ‚Heil Ethorn!‘ schreiend in irgendeinen Kampf ziehe oder jeden Freitag die Messe im Adanostempel besuche, klar?“
Lares schüttelte lachend den Kopf. „Keine Sorge, Kumpel. Ich habe nichts anderes von dir erwartet als das hier. Und so wie ich das sehe, schneidest du dir wie immer ein gutes Stück vom Kuchen ab.“
Piero hob die Schultern und lehnte sich auf dem schmucklosen Holzstuhl zurück, den er derzeit nutzen musste, bis sich ein bequemes Ersatzmodell auftreiben ließ. Seine Kammer war erst seit wenigen Tagen bewohnbar genug, dass er von einem der Einzelzimmer im ersten Stock hinauf gezogen war. Selbst das Bett im hinteren Teil der ausladenden Kammer, genau über dem Stadttor gelegen, war derzeit noch eine billige Bettstatt aus Stroh, kaum besser als das, was der gemeine Pöbel unten zum Nächtigen bekam. Aber die Dinge kamen voran. Bald würde sein Domizil in angemessenem Glanz erstrahlen.
Seine Hand reichte hinab zur Schublade unter dem schmucklosen Arbeitstisch und zog zwei Kelche aus Kristallglas und eine eingestaubte Flasche hervor.
„Komm, setz dich zu mir!“, forderte er Lares auf. Er zog den Korken aus der Flasche, die er bereits zuvor geöffnet und behelfsmäßig wiederverschlossen hatte, und goss ihnen beiden von dem süffigen, dunkelroten Wein ein. Ein besonderer Tropfen von Agathes Weingut, den er als Bonus für ihre furchtbare Geschäftsbeziehung erhalten hatte und der eine wahrhaft außerordentliche Qualität aufwies.
„Wo wir davon sprechen, etwas vom Kuchen abzubekommen: Ich kenne keinen, der sich so sehr wie du auf die Feinheiten der Kunst versteht, Gegenstände von großem Wert von ihren unqualifizierten Besitzern zu befreien.“
Lares griff nach einem Kelch und senkte lächelnd das Haupt. „Ein großes Lob aus deinem Munde.“
„Wo dich mein Nutzen für diesen Ort doch so sehr umtreibt, mein Lieber - wärest du nicht daran interessiert, mir ein paar deiner Kniffe zu zeigen, damit ich die Wirkkraft meines Schaffens etwas vergrößern kann?“
„Woran dachtest du genau?“, fragte Lares, während er den Wein kreisen ließ und das sich entfaltende Bukett aufsog.
„Ach, dies und das, weißt du?“, entgegnete Piero. „Ich hatte nie ein großes Talent dafür, Schlösser zu öffnen und Sicherheitsmaßnahmen zu umgehen, weißt du? Und bei unseren gemeinsamen Abenteuern war ich immer sehr beeindruckt von deiner Kunst der Irreführung und Verkleidung. Weißt du noch, als wir als alte Vetteln verkleidet in diesen Nonnenorden aufgenommen wurden?“
„Ich versuche es immer noch zu vergessen, aber dafür gibt es nicht genug Alkohol“, grinste Lares. Er nahm einen vorsichtigen Schluck des Weines, ließ ihn auf sich wirken. Dann sah er Piero an.
„Nun gut, ich zeige dir, was ich kann. Aber dafür -“
„-schulde ich dir etwas?“ Piero seufzte. „Diesen Preis bin ich bereit, in Kauf zu nehmen.“
„Also dann!“ Lares hob das Glas zum Salut, und Piero tat es ihm gleich.
„Auf florierende Geschäfte!“, rief Piero.
„Auf offene Schlösser und leere Taschen“, ergänzte Lares. „Morgen gegen Mittag. Ich komme vorbei.“
„Mein Heim ist dein Heim, alter Gauner.“
Mit einem hellen Klingen stießen die Kelche an.
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Gefängnis
Zum ersten Mal seit Tagen zeigte sich die Sonne am wolkenfreien Himmel, als Johanna ihren ersten Dienst als Wache der Stadt antrat. Der Frost der letzten Tage war durch einen angenehmen Wind aus Richtung Torgaan abgelöst worden, und überall in den Gassen stand das Tauwasser, das der gepflasterte Boden in so kurzer Zeit nicht aufzunehmen vermocht hatte. Der Übungsplatz der Stadtwache war nicht mehr als eine eingezäunte Suhle. Wenn sich darin ein Schwein gewälzt und des Lebens gefreut hätte, es hätte sie nicht gewundert. Doch der Einzige weit und breit war ihr neuer Partner, der in aller Gemütlichkeit mit einem Lied auf den Lippen zum Dienst schlenderte, während alle anderen Patrouillen der Frühschicht sich bereits auf den Weg in die zugewiesenen Viertel gemacht hatten.
„Na Meister, hast du dir noch einen Teigkringel auf dem Weg gegönnt?“, rief Johanna ihm entgegen. „Der Chef hat mir ja gesagt, dass du schon aufkreuzen wirst, aber ich hätt nicht gedacht, dass ich mir so lange die Beine in den Bauch stehen muss.“
Winstans Miene verriet ihr, dass er sich nicht viel aus ihrer Stichelei machte. Ganz wie sie nach ihren bisherigen Gesprächen erwartet hatte.
„Hey Kleine, schönen Morgen wünsch ich dir! Bin ich etwa spät?“
„Nein, überhaupt nicht. Die anderen gehen wahrscheinlich gleich in die Mittagspause.“
„Dann danke ich dir im Namen der Stadt für deinen standhaften Dienst. Wo geht’s hin?“
„Auf die Westseite“, erwiderte sie. „Ist nicht gerade um die Ecke. Lass uns losgehen!“
„Ach, lass uns einfach durch das Gefängnis abkürzen. Aldrich freut sich, wenn er jemand Anderen zu Gesicht bekommt als die Fresse von Messerstecher-Günther.“
Und tatsächlich: als sie das Gefängnis betraten, maulte ihnen im ersten Moment noch der gelangweilte Gefängniswärter entgegen, der gerade die letzten Reste einer gebratenen Hühnerkeule vom Knochen abnagte. Doch als er sah, wer ihn besuchte, hellte sich seine Laune merklich auf.
„Sieh mal an! Wenn das nicht unser neuer Stern am Himmel ist. Wo ist denn deine Rüstung?“
„Ist in Arbeit“, antwortete sie kurzum. „Hab gestern eine in Auftrag gegeben, weil ihr alle zu fett seid und eure Standardmodelle mir deshalb viel zu groß sind, vor allem im Bauchbereich. Dauert aber ein paar Tage, hat der Schmied gesagt.“ Sie nickte mit dem Kinn hinüber. „Na, hast du Stammkundschaft?“
„Hör mir bloß auf! Der Fatzke hat sich gestern Abend im Beutelschneiden versucht und ist dabei an zwei Klingen von der Akademie geraten. Die Kerle haben mir den Sack direkt vor die Tür geworfen und sind abgezogen. Ein Bild für die Götter, sag ich dir.“
Johanna lugte durch die Gitterstäbe. Da lag Günther in eine löchrige alte Decke gehüllt in einer Ecke der Zelle und schielte finster zu ihr hinüber. Diesem Mann war sie seit ihrer Ankunft in Stewark schon mehrmals begegnet, und jedesmal hatte es für ihn im Gefängnis geendet. Sie fragte sich, ob der Halunke überhaupt eine eigene Bleibe besaß, so oft wie er hier aufschlug.
„Ach Günther …“, murmelte sie nur. Irgendwie tat er ihr leid.
„Verpiss dich, du Gör!“, zischte der Halunke.
„Na na, so redet man aber nicht mit einer Dame!“, brummte Aldrich und warf mit dem Hühnerknochen nach seinem Gefangenen.
„Au!“
Günther rieb sich den Kopf und verkroch sich unverständlich fluchend unter seine Decke.
„So Kumpel, wir müssen dann mal“, sagte Winstan. „Sind schon spät dran.“
„Wie immer. Westviertel?“
„Ganz genau!“, rief Johanna. „Sind nur auf der Durchreise.“
Aldrich nickte. „Dann lasst euch mal nicht aufhalten. Ich genieße derweil die blendende Gesellschaft.“
Winstan führte Johanna zum anderen Ausgang der Gefängnisbaracke. „Viel Spaß dabei!“
„Euch auch!“
Johanna folgte ihrem Partner, doch sie hielt noch einmal inne, bevor sie die Tür schloss. Aldrich, der es sich bereits wieder an seinem Tisch gemütlich gemacht hatte, sah auf.
„Ja?“
„Soll ich dir nachher was aus der Bäckerei mitbringen?“
Aldrich lächelte. „Gerne. Bist ne Gute.“
„Ich weiß. Bis später!“
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Torwirtschaft
Sie hatten kaum die Schankstube von den letzten Frühstücksgästen frei bekommen, als Lares bereits in der Tür stand. Piero, der gerade ein kleines Fass Pils die Treppe hinauf hievte, ließ die Arbeit direkt am oberen Treppenabsatz liegen und begrüßte seinen alten Kameraden mit einem breiten Lächeln und einer herzlichen Umarmung.
„Einen wunderschönen guten Morgen wünsche ich! So früh habe ich noch gar nicht mit dir gerechnet!“
„Früher Vogel fängt den Wurm, Piero. Sei immer auf das Unvorbereitete vorbereitet!“
Piero verzog das Gesicht. „Ich habe sträflicherweise noch kein Phrasenschwein aufgestellt, aber lass doch schonmal fünf Goldstücke liegen für den Spruch. Lass mich das da noch kurz wegschieben, ja?“
„Nur zu!“, sagte Lares und machte es sich auf einem der Stühle bequem, ohne Anstalten zu machen, die Goldstücke herauszurücken.
Piero packte das Fass an und rollte es auf der Kante zwei Fuß weiter, bis es nicht mehr in stetiger Absturzgefahr am oberen Treppenabsatz stand, aber so, dass es immer noch mitten im Weg war, wenn man hinter der Theke arbeiten musste. Er wandte sich zu Christel um, die in aller Seelenruhe den Abwasch in einer prall gefüllten Holzschüssel abarbeitete.
„Livia soll das aufräumen, wenn sie ausgeschlafen hat und hier aufkreuzt. Ich habe wichtige Geschäfte zu erledigen.“
Die alte Hüterin des Eintopfes zog ihre faltigen Hände aus dem Waschwasser und sah mit der natürlichen Strahlkraft einer maßregelnden, freundlichen Großmutter zu ihm herüber.
„Ach Jungchen, das ist doch keine Arbeit für ein Mädel wie sie. Du solltest das noch selbst aufräumen.“
„Oh nein, diesmal kriegst du mich nicht mit deiner Greisinnen-Magie herum, Nonna. Beim letzten Mal, als ich mich davon habe bezaubern lassen, hat mir das Bruno eingebracht!“ Missmutig sah er zu dem alten Flohteppich hinüber, der in scheintoter Regungslosigkeit am knisternden Kaminfeuer lag. „Nein, das schafft sie schon. Schließlich kriegt sie Gold dafür. Ciao!“
Noch bevor Christel etwas erwidern konnte, das seinen Entschluss ins Wanken gebracht hätte, hastete Piero an Lares vorbei in Richtung Ausgang.
„Fai in fretta!“
Piero verließ die Torwirtschaft so hastig, dass er sich beim ersten Schritt auf dem teilweise überfrorenen Kopfsteinpflaster beinahe längs zu Boden geworfen hätte. Er fing sich nur mit seiner – seiner Meinung nach – akrobatischen Meisterleistung. Dennoch hoffte er, dass ihn niemand dabei gesehen hatte.
„Also, Maestro, wohin entführst du mich für meine erste Unterrichtsstunde?“
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Lehrling
Alten Bekanntschaften nach längerer Zeit wieder zu begegnen, war immer ein spezielles Erlebnis. Es war spannend zu sehen, wie sich die alten Weggefährten mit den Jahren weiterentwickelt hatten, woran sie gewachsen waren und mit welchen neuen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten. Pieros Fall hingegen war speziell. Er hatte sich kein Bisschen geändert, seit die beiden gemeinsam in Myrtana gearbeitet hatten, geschweige denn seit ihrem folgenschweren Kartenspiel in der Wüste von Varant. Zumindest machte er nach außen hin den Anschein, stets darauf bedacht, den Eindruck des fröhlichen Lebemanns mit einer Fassade aus vielen blümeranten Worten aufrechtzuerhalten. Ob er sich verändert hatte oder gewachsen war, seit sie sich das letzte Mal begegnet waren? Lares konnte es nicht sagen. Piero ließ niemanden nah genug an sein wirkliches Ich heran, um das beurteilen zu können. Doch diese Unnahbarkeit war ein Umstand, mit dem Lares sehr gut arbeiten konnte. Wichtiger waren ihm die findungsreiche Kreativität und die trotz all der andersdeutenden Eindrücke immer wieder profunde Verlässlichkeit, die Piero in sich vereinte.
Es versprach eine interessante Ausbildung zu werden. Lares freute sich darauf, zu sehen, ob Piero seinen Erwartungen gerecht werden konnte. Denn er hatte ein recht genaues Bild davon, wie er den eitlen Pfau in das Netzwerk einbinden konnte, das er über die letzten Jahre hier in Stewark aufgebaut hatte.
„Wir machen einen kleinen Spaziergang ins Westviertel. Folge mir einfach!“
Er hatte es nicht eilig auf seinem Weg quer durch die Stadt, und er gönnte sich den Spaß, einen guten Teil des Weges über zu schweigen. Denn wenn er Eines von Piero wusste, dann, dass er Stille nicht ausstehen konnte. Und so war es an Piero, die Zeit zu füllen mit den Erzählungen seiner Erlebnisse, seit er Argaan erreicht hatte. Von mordlüsternen Novizen des Feuers war da die Rede und seinem Geschäft mit der Stadtwache von Stewark. Von seinen Abmachungen mit diversen Menschen in- und außerhalb der Stadt, um das Angebot zu sichern. Von einer gelangweilten Gräfin, die ihm Wein für Geschichten aus aller Welt feilbot und von einem Künstler mit übermenschlicher Kraft im Garten nebenan berichtete. Als sie bei dem Haus im Nordwesten der Stadt angelangten, hatte Lares ungefragt einen vollständigen Bericht über alles erhalten, was sich in Pieros Kosmos abspielte.
Vor seinem Ziel angekommen, blieb er ohne ein Wort der Warnung einfach stehen.
„Da sind wir.“
Piero, der vor lauter Plappern schon drei Schritte weiter geschlendert war, eilte wieder zurück an seine Seite und folgte seinem Blick auf die unauffällige Fassade des zweistöckigen Gebäudes.
„Und wo genau sind wir hier?“
„Das, mein lieber Freund, ist das Haus, an dem du in den nächsten Tagen sehr viel Freude haben wirst.“
Pieros Augenbraue hob sich. „Warum das?“
„Weil ich etwas aus diesem Haus benötige, und du wirst mir dabei helfen, es zu bekommen. Und hier kommt auch schon deine erste Aufgabe.“ Lares grinste. „Den Part kennst du. Den hab ich dich öfter machen lassen.“
Aus Pieros Brust erhob sich ein schwerer Seufzer. „Aufklärung?“
„Ganz genau. Laufen wir ums Haus, und dann erzählst du mir, welche Zugänge du siehst und welchen du nehmen würdest.“
Johanna
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Haus der Magier - Keller
Na-Cron blätterte in dem Almanach über Alchemie, während das Destillat leise vor sich hin köchelte.
Er genoss die Ruhe hier unten in seiner kleinen Alchemie-Kammer, die nur gelegentlich von einem leisen Blubbern oder Zischen unterbrochen wurde, während er sich an verschiedenen Rezepten ausprobierte. Und Adanos sei Dank war sonst kaum wer anders hier unten. Der Adept fürchtete den Tag, an dem Kisha die Schmiede hier unten in Betrieb nehmen würde und mit all dem Hämmern und Geschleife die angenehme Stille der Kellerräume endgültig vertrieb.
Nicht, dass Na-Cron ein Problem mit der jungen Frau hatte, sicher nicht. Nur war sie ihm zu... Lebendig? Konnte man das so sagen? Sie war wie ein unruhig schlafender Vulkan, welcher jederzeit wieder ausbrechen konnte und einen mit ihrer Redeflut wie Lava einfach überfallen konnte. Und das war... Naja. Anstrengend eben.
Die Seiten des Almanachs auf dem Lesepult vor ihm raschelten leise, als Na-Cron erneut umblätterte.
Fürs erste hielt er sich an die Rezepte der Tränke und Tinkturen, welche darin festgehalten waren. Sie gaben ihm die Sicherheit und das Gefühl dafür, worauf er beim zubereiten der Mixturen zu achten hatte. Der Verfasser dieses Werkes hatte sich unglaublich viel Mühe gegeben die einzelnen Arbeitsschritte so genau wie möglich festzuhalten, ebenso die verschiedensten Zwischenergebnisse. Zwar hatte Na-Cron bisher nur wenige Tränke zubereitet, aber ein paar davon standen schon in dem Regal, welches er in der Kammer vorgefunden hatte. Angeblich sollten sie eine belebende und stärkende Wirkung haben, doch noch traute sich der Adept nicht daran seine Werke zu probieren. Und jemand anderes als Versuchskaninchen zu nehmen... Nein, so rücksichtslos war er nicht.
Sein Blick blieb an der Überschrift des nächsten Eintrages hängen. Eiserne Haut hieß es dort. Die kurze Beschreibung darunter erklärte, dass es sich dabei um einen Trank handeln sollte, der die eigene Haut für kurze Zeit so widerstandsfähig machen sollte, dass man sogar einer blanken Klinge standhalten würde.
"Das klingt interessant..." murmelte Na-Cron leise, während sein Finger beim Lesen über die Zeilen glitt.
Die Zutatenliste jedoch war ungewöhnlich. Man benötigte mehrere Brocken Eisenerz, die man zerkleinern und mahlen sollte sowie etwas magisches Erz. Dies sollte dann mit einem so hochprozentigem Alkohol wieder und wieder zum köcheln gebracht werden, um es dann mit der Essenz aus Harnisch- Eisen- und Rabenkraut und einem Sud aus Steinwurzel so lange zu destilieren, bis sich eine gräulich schimmernde Flüssigkeit gebildet hätte.
Na-Cron kratzte sich am Kopf und wandte sich vom Lesepult ab. Wo wuchsen bitte all diese Pflanzen? Sie klangen recht selten, vielleicht hatte er diese Namen aber auch bisher nicht gehört? Im Kräutergarten des Hauses wuchsen sie aber nicht, so weit er wusste. Dort waren allgemeinere Pflanzen eher zu finden, besonders solche, die zur Heilung von Kranken und Verletzten genutzt wurden.
Der Adept ging zu dem kleinen Tisch in der Ecke, auf welchem sich mittlerweile einige Bücher stapelten. Die meisten von ihnen wirkten eher schlicht und billig, schließlich waren es nur einfache Kopien von anderen Büchern. Na-Cron hatte relativ schnell etwas zu hören bekommen, als er angefangen hatte Bücher aus der Bibliothek hier in sein Labor hinunter zu nehmen und sich dann lieber dazu entschlossen, einen anderen Novizen für ein paar Münzen die Bücher abschreiben zu lassen. Und diese Abschriften lagen nun hier herum.
Er nahm eines der Bücher und schlug es auf, doch es war nicht das Gesuchte. Also legte er es wieder beiseite und nahm das nächste. Und dann das übernächste.
Wo war es nur, wo war es nur... ah! Da war der Pflanzen-Kodex!
Sofort schlug der Adept das Register auf und überflog die Namen der aufgelisteten Kräuter und Wurzeln. Immer wieder blätterte er zu den entsprechenden Seiten zurück, wechselte hin und her.
Anscheinend waren die meisten Pflanzen davon auf dem Festland heimisch, einige andere jedoch waren auch unter anderem Namen auf Argaan bekannt. Das würde nützlich sein. Doch er würde auch noch Erz brauchen. Und solange Kisha ihre Schmiede nicht in Betrieb genommen hatte, so lange müsste er in der Stadt danach suchen.
Doch Moment! Kannte er nicht einen Schmied? Und hatten sie nicht zusammen nach Erz geschürft? Na-Cron schnippte mit den Fingern.
Natürlich! Syrias würde ihm weiterhelfen können.
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Das sichere Haus
Piero sah Lares mit hoch erhobener Augenbraue an. War das sein Ernst? Einfach gemütlich um das Haus herumstolzieren und ganz unauffällig einen Blick auf Fenster und Türen werfen? Es war nicht so, als wäre dieser Teil von allzu gewaltigem Fußverkehr überlaufen, doch für gewöhnlich führte er seine Erkundungen doch lieber bei etwas weniger verräterischen Lichtverhältnissen durch. Lares hingegen machte sich ganz offensichtlich nicht wirklich Sorgen, dass ihnen all das hier Probleme bereiten konnte.
„Bene.“
Er steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte die Straße entlang. Sein Blick schweifte umher wie der eines Touristen, der die Atmosphäre eines neu erkundeten Reiseziels auf sich wirken ließ. Doch auch wenn sein Kopf mal hier, mal da hinzuschauen schien, waren seine Augen stets auf das Haus zu seiner Linken gerichtet. Drei flache Treppenstufen führten zu einer repräsentativen, doppelflügeligen Tür, die mit einem gusseisernen Klopfer in der Form eines Löwenkopfes versehen war. Unter der polierten Klinke aus Messing fand sich ein ungewöhnliches Schlüsselloch – ein kleiner, runder Punkt aus gähnender Schwärze, von dem kreisrund schlitzförmige Öffnungen abgingen wie die Strahlen einer dunklen Sonne. Das war kein gewöhnliches Schloss.
Als Piero den Eingang passierte, schweifte sein Blick zu den Fenstern. Im Erdgeschoss waren alle potenziellen Zugänge mit erstaunlich dekorativen Gittern gesichert. Die geschwärzten, mit Spitzen bewehrten Eisenstäbe waren gewunden wie die ineinander verflochtenen Stiele dorniger Rosen. Im oberen Stockwerk hingegen waren die Fenster frei. An der rechten Seite zog sich ein hölzernes Gitter auf der ganzen Länge der Fassade entlang, durchwachsen von mindestens ebenso dornenreichen Ranken.
„Möglich, aber dumm“, konstatierte Piero im Zwiegespräch mit sich selbst. Nicht nur, dass man weithin zu sehen war, wenn man diesen Aufstieg wagte. Man musste schon eine meisterliche Körperkontrolle besitzen, um dort hinaufzukommen, ohne von den Ranken zerstochen zu werden und ohne das fragile Holzgitter selbst zum Einsturz zu bringen. Nein, viel interessanter für ihn würde die Rückseite des Hauses sein.
Hinter dem Haus führte eine schmale Gasse entlang, die er nach einer unauffälligen Rückversicherung betrat, dass ihn niemand bei der Erkundung beobachtete. Sie führte in einen Hinterhof von nicht mehr als zehn Fuß Breite, der direkt an eine Reihe kleiner Holzschuppen und alter Werkstätten angrenzte, die allesamt ihre besten Jahre weit hinter sich gelassen hatten. Die Fenster auf der Rückseite des Hauses waren schmal und vergittert. Wer auch immer dort wohnte, ließ vermutlich die Dienerschaft auf dieser Seite wohnen. Am Ende des Hofes erkannte Piero eine unauffällige Tür – ein Dienstboteneingang, nicht mehr, so dachte er. Doch als er an die Tür herantrat und sie sich näher besah, staunte er nicht schlecht. Ein halbes Dutzend daumendicker Stahlbolzen glänzte durch den seitlichen Türspalt, und eine dicke Eisenstange hielt die Tür oben und unten im Rahmen. Die Tür war gespickt mit Schlössern verschiedener Größe und Form, jeder Bolzen mit einem anderen Mechanismus versehen und jeder davon eine eigene Herausforderung. Diese Tür war von einem paranoiden Wahnsinnigen eingebaut worden!
Piero schnaubte ob der Absurdität dieses Anblicks und wollte sich schon zum Gehen wenden, als ihm ein kleines Kellerfenster in der äußersten Ecke des Hofes auffiel. Es war so schmal, dass selbst so schlanke Männer wie Lares und er sich nur mit großer Mühe hindurch mühen mochten. Piero ging hinüber und kniete davor nieder. Das Fenster war geschlossen, doch auch nach genauerem Hinsehen konnte er nirgends ein Schloss oder einen anderen schützenden Mechanismus erkennen. Nur hölzerner Stift hielt das Fenster geschlossen.
„Die Sache stinkt wie faulige Sardinen!“
Piero hielt mit seinem Unmut nicht hinterm Berg, als er zu Lares zurückkehrte, der sich an eine Hauswand gelehnt einen Stängel Sumpfkraut anzündete.
„So? Wieso das denn?“
„Das gesamte Ding ist gesichert wie die Pensionskasse das Paladinordens in Gorthar. Und trotzdem gibt es da zufällig ein Kellerfenster, das völlig ungesichert ist. Was ist das für ein Haus?“
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Lehrling
Thorek machte sich am späten Vormittag auf den Rückweg nach Stewark, nachdem er einen weiteren Hasen gefangen und die Fallen abgebaut hatte. Die Sonne wollte sich nicht so recht zeigen und war noch immer hinter einer dichten Wolkendecke versteckt, während er die vertrauten Pfade zurückverfolgte. In seinem Gepäck trug er die drei Hasen – sorgfältig ausgenommen und gehäutet. Auch wenn Großwild für ihn mit seiner einfachen Ausrüstung kaum in Frage kam, hoffte er, dass die Tiere zumindest eine erste Hilfe für den Fleischer sein würden.
Als er die mächtigen Mauern von Stewark erblickte, beschleunigte er unwillkürlich seine Schritte. Das hölzerne Stadttor war geöffnet, die Torwachen tauschten ein paar Worte, während Thorek an ihnen vorbeilief. Diesmal sahen sie ihn etwas genauer an, bemerkten die an der Schulter getragenen Hasen, verzichteten jedoch auf eine genauere Kontrolle. Der Geruch des Wildes war dezent, aber unverkennbar.
Hinter dem Tor empfing ihn das volle Treiben der Stadt zur Mittagszeit. Händler riefen lautstark ihre Waren aus, während Menschen an den Marktständen vorbeischlenderten. Der Duft von frischem Brot, gebratenem Fleisch und süßem Gebäck vermischte sich mit dem staubigen Geruch der Gassen. Wagenräder ratterten über das Kopfsteinpflaster, und in den schmalen Seitengassen klapperten Eimer und Werkzeuge, wo Handwerker ihrer Arbeit nachgingen. Es war unverkennbar, dass das Leben in Stewark zurückgekehrt war, nachdem es dort eine heftige Auseinandersetzungen zwischen dem Orden Innos' und König Ethorn gab.
Thorek schlängelte sich durch die Menge, achtete darauf, niemanden mit seiner Wildbeute zu streifen. Seine Richtung war klar: Der Weg führte ihn zum Fleischer. Unterwegs grüßten ihn einige Passanten, die ihn mit neugierigen Blicken musterten – ein Neuankömmling mit Jagdwild war kein alltäglicher Anblick. Er nickte nur knapp zurück. Sein Sinn stand eher nach einem warmen Getränk und einer kleinen Pause, sobald er den Handel mit dem Fleischer abgeschlossen hatte.
Schließlich gelangte er zu dem kleinen Laden des Fleischers, dessen Aushängeschild durch den Wind leicht knarrte. Der Fleischer stand an einem Tisch und legte etwas Fleisch in Schüsseln voller Salz. Als Thorek eintrat, zog er kurz die Augenbrauen hoch, ließ dann sein Messer sinken und musterte die Ausbeute anerkennend.
Ohne viel Worte legte Thorek die beiden Hasen auf die Arbeitsfläche. Der Fleischer prüfte die Tiere und nickte zufrieden – das Fleisch war frisch und sauber ausgenommen. Allerdings merkte er an, dass Thorek die Hasen gern im Ganzen hätte bringen können, damit er sie erst bei Bedarf weiterverarbeiten brauchte. So aber müsse er sich sofort an die Arbeit machen, bevor das Fleisch durch Schaden nahm. Trotz dieser Bemerkung war er zufrieden genug, um Thorek ein paar Münzen in die Hand zu drücken. Er sagte ihm, er könne jederzeit wiederkommen, wenn er frisches Wild erlegte – die Nachfrage war groß, und zuverlässige Jäger waren rar.
Thorek dankte für die Bezahlung und nahm sich die Worte des Fleischers zu Herzen. Die Mittagszeit war nun deutlich vorangeschritten, während er durch die belebten Gassen ging und überlegte, wie er die Felle der Hasen am besten zu Geld machen könnte – sicher würde es auch in Stewark einen Händler geben, der sie ankaufte.
Schließlich gelangte er zum überschaubaren Marktplatz, wo sich einige Stände dicht an dicht drängten. Obst, Gemüse, Gebrauchsgegenstände, Stoffballen – das Notwendigste schien hier zu finden zu sein. Hier und da hingen Stoffbanner an den Hausfassaden, und ein Barde spielte eine leise Melodie auf seiner Laute. Thorek war sich sicher, dass er dort auch jemand sein würde, der Interesse an den Fellen zeigte.
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Stewarker Umland - Ein Waldstück
Das wenige an Gepäck geschultert, was Isidor besaß, verließ er Stewark durch das einzige Tor, welches die Stadt mit der Insel verband. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete und noch weniger, wie lange er fort sein würde. Daher war es umso wichtiger, dass er sich nicht ablenken ließ und tat, was Armond von ihm verlangte. Je schneller er der Akademie beitreten konnte, desto schneller konnte er seine Chancen verbessern. Sich Möglichkeiten erarbeiten, um zu tun, was der Gott der Gerechtigkeit nicht vermochte. Selbst wenn Johanna Recht hatte und er sich danach nicht besser fühlte, so würde er dennoch der Welt einen Dienst tun, indem er sie von einem Monster befreite. War es nicht auch das, was die Paladine taten? Abscheuliche Kreaturen vernichten? Zu schade, dass sie nicht die Weitsicht besaßen, was jemand wie Ardan Hsia anrichten konnte, wenn er auf freiem Fuß war.
Johanna…, dachte der Schmied, während er die steinerne Brücke verließ und die Straße Richtung Süden einschlug.
Seine Gedanken wanderten zu dem Moment im Lagerraum, der ihn innerlich beinahe zerrissen hätte. Ohnehin fühlte er sich bereits, als würde er in ein Dutzend verschiedene Richtungen gleichzeitig gezogen. Die Arbeit bei Alberich, an welcher er viel Freude hatte und die ihm tatsächlich gutes Gold einbrachte. Fräulein Frieda, die er nicht einmal besucht hatte, nachdem sie ihren Abend im Freien verbracht hatten. Wie viele Wochen lag das jetzt schon zurück? Ja, sie hatten beide ihre Verpflichtungen, doch soweit auseinander lagen Schmiede und Bäckerei nicht. Armonds Aufträge, die immer fordernder und gefährlicher wurden. Waren es Anzeichen dafür, dass er sich als nützlich erwiesen hatte oder wollte der Mann nur wissen, wann Isidor einknickte? Und natürlich seine Rache, die ihn immerzu nach Norden gen Thorniara zwingen wollte. Dazu seine Freundschaft zu Johanna, die vielleicht mehr war, als eine bloße Freundin. Außerdem hatte er noch immer Lord Hertans Angebot im Hinterkopf, dass er für die Stadtwache würde arbeiten können, doch diese Idee konnte der Hüne wohl beiseitelegen.
Es war unabdingbar, dass er diese Dinge, die seine volle Aufmerksamkeit zu verlangen schienen, in eine machbare Ordnung zwang. Ansonsten würde er wohl in nicht allzu ferner Zukunft unter dem Druck zusammenbrechen und dann hätte er nichts erreicht, außer alles noch einmal zu verlieren.
Mit derartig schweren Gedanken im Gepäck, steuerte Isidor auf die gleiche Baumreihe zu, durch die ihn Armond beim letzten Mal geführt hatte. Beinahe vermutete der Schmied, dass sein Kontaktmann des myrtanischen Reiches nicht mehr dort sein würde und er lediglich eine Nachricht vorfand mit weiteren Instruktionen. So oder so hatte Isidor seine Wahl getroffen und würde alles lernen, was der Spion ihm beibringen wollte.
Durch das winterliche Unterholz, welches von Raureif bedeckt war und ihn mehr als einmal ausrutschen ließ, schlug sich der Stadtmensch in die Wildnis des Stewarker Umlands. Das ein oder andere Geräusch ließ ihn aufhorchen. War es ein Wolf? Oder etwas anderes? Plötzlich fühlte er sich sehr verwundbar und riss sich von seinen Gedanken los, um nicht schon bei einem vermeintlichen Waldspaziergang ein jähes Ende zu finden. Glücklicherweise war das Lager, wo er mit Armond gesessen hatte, nicht mehr weit.
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Lehrling
Lares lächelte verschlagen, antwortete jedoch nicht auf die Frage. Er stieß sich von der Hauswand ab.
„Wenn da ein ungesichertes Fenster ist, solltest du es öffnen. Komm, schauen wir es uns an!“
Scheinbar ohne auf seine Umgebung zu achten, trottete er in Richtung der Gasse am Rande des Hauses, genau so langsam, dass er Pieros Ungeduld förmlich spüren konnte. Aus den Augenwinkeln beobachtete er jedoch ganz genau, wer sich auf der Straße bewegte. Er kannte das Haus und den Einzugsbereich der Straße sehr gut, und deshalb wusste er auch, dass hier ungefähr zu dieser Zeit …
„Wenn die Leute an’s Einbrechen denken, kommt ihnen immer zuerst das Schlösserknacken in den Sinn. Dabei ist es oft viel einfacher, wenn man aufmerksam nach einem Fenster oder einer Tür ohne verriegeltes Schloss Ausschau hält. Gerade in Kellern hat man fast immer Glück, und eine Türfalle ist so viel einfacher geöffnet als ein echtes Schloss.“
Gerade, als er in die Gasse einbog, erblickte er ihn aus dem Augenwinkel. Der Kerl war wieder einmal spät dran. Aber immerhin war er noch rechtzeitig, um eine wertvolle Lektion zu erteilen.
Lares ließ sich jedoch nichts anmerken und ließ sich stattdessen von Piero durch den Hinterhof bis zu dem kleinen Kellerfenster führen. Er kniete sich davor hin und bedeutete Piero, es ihm gleichzutun.
„Das bekommen wir hin.“
Er wühlte einen Augenblick in seinem Beutel und zog ein Werkzeug hervor, das aussah wie ein dicker Draht, der im rechten Winkel nach links und gleich wieder nach rechts geknickt worden war.
„Eine Öffnungsnadel. Hier, nimm!“
Lares drückte gegen das Fenster, das genug Spiel hatte, um eine winzige Lücke freizugeben.
„Führ sie hier ein! Ja, genau so. und jetzt zieh mit der Spitze des Drahts unter dem Fenster entlang, bis du einen Widerstand spürst.“
Piero tat zögerlich, wie ihm geheißen, bis seine Hand schlagartig innehielt und er ihn fragend ansah.
„Das ist die Falle, aus der wir den Bolzen bewegen wollen. Zieh den Draht hier noch ein wenig weiter, aber lass die Spitze am Widerstand – ja, so ist gut.“
Lares deutete auf den Knick, den die Nadel beschrieb.
„Hier drückst du drauf und fixierst die Nadel. Und dann hebelst du die Nadel unter den Bolzen und drückst ihn aus der Falle.“
Während Piero sich langsam herantastete und wie erwartet zunächst etwas zu wenig Kraft hinein gab – ein ganz natürlicher Impuls, weil man nichts kaputtmachen wollte, von dem man nicht wusste, wie viel es aushielt – zog sich Lares lautlos einige Schritte zurück. Eilig öffnete er die Tür zu einem der Schuppen und verschwand im Inneren.
Johanna
Geändert von Lares (09.02.2025 um 01:21 Uhr)
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Stewarker Akademie
"WAS?! WIE VIEL WOLLEN DIE?!" Wutentbrannt warf Tiberon den Brief, welchen er gerade noch gelesen hatte, in den Kamin. Fauchend ging das Stück Papier in den Flammen des Feuers auf und hinterlies nichts als Rauch und Asche.
"Diese gierigen Bastarde gehen mir langsam aber sicher auf die Eier! Was glauben die, wer wir sind? Irgendeine verdammte Bank, die das Gold einfach in den Innenhof scheißen kann, wann immer sie es will? Als wenn uns der König unendliche Mittel zur Verfügung stellen würde..." Das Ziel seiner Wut, eine einfache Klinge, die das Pech gehabt hatte die Botschaft zu überbringen, stand nur starr da und blickte an Tiberon vorbei, hinaus aus dem Fenster, während sich der Schweiß auf seiner Stirn sammelte.
Der Leiter der Akademie hatte den Namen dieser Klinge vergessen, falls er ihn überhaupt gewusst hätte. Er machte sich nicht die Mühe mit den Klingen, ja nicht einmal mit den Aspiranten und schon gar nicht mit den Waffenträgern. Diese Männer und Frauen standen weit unter seinem Rang und waren nicht viel mehr wert als der Dreck unter seinen Fingernägeln.
Für all diejenigen, die es noch nicht zum Meister geschafft hatten, waren andere zuständig. Nicht er. Er hatte beiweitem wichtigeres zu tun.
Mit einem genervten Wedeln der Hand forderte er den jungen Mann auf, den Raum zu verlassen.
"Los, geh üben oder was auch immer ihr gerade macht. Den Waffenschmieden werd ich was erzählen..." fauchte der Leiter noch, bevor er sich selbst zum Fenster wandte und so die Klinge aus seiner Kammer entlies. So entging Tiberon natürlich die erleichterte Miene des jungen Mannes, der es kaum erwarten konnte die Kammer des Akademieleiters zu verlassen. Er hatte sich nicht der Akademie angeschlossen, um sich so behandeln zu lassen. Aber manchmal musste man wohl die Zähne zusammen beißen, wenn man ein großer Kämpfer werden wollte.
Tiberon hatte den jungen Mann schon wieder vergessen, als er aus dem Fenster in den Innenhof starrte und über die, natürlich völlig überzogenen, Forderungen der Waffenschmiede nachdachte. Diese Idioten hatten doch keine Ahnung! Sie konnten den Preis für ihre Waffen nicht einfach höher schrauben, wie es ihnen in den Kram passte. Von Wegen, schlechte Schürferzeugnisse und kaum Erz. Gierige Pfeffersäcke allesamt!
Er kratzte sich an seinem stoppeligen Kinn, was ein raues Geräusch in der Kammer erzeugte. Vielleicht konnte Tiberon das einfach auf die Krone abwälzen? Ethorns Schatzmeister behauptete zwar immer, dass die Akademie viel zu viel Gold erhalten würde, aber das stimmte einfach nicht. Tiberon hatte schließlich den Überblick über alles. Und wenn er alle Kosten zusammen rechnete, dann blieb kaum noch etwas übrig für ihn selbst. Und ein Mann seines Standes musste ja schließlich auch darauf achten, angemessen aufzutreten. Und das kostete nun mal eine gewisse Menge Gold.
Er konnte ja schlecht die kleinen Festlichkeiten, welche er unterhielt, aus eigener Tasche bezahlen, waren sie doch für die Akademie und ihren Ruf gedacht. Wenn er nicht die besten Metzger und Bäcker der Stadt umgarnt hätte, dann wären seine Krieger vielleicht schon längst verhungert. Oder... Tiberon schüttelte sich innerlich, sie hätten wie das gemeine Volk essen müssen. Und wie die niederen Ränge. Adanos bewahre sie vor dem Schicksal!
Nein, es führte kein Weg drum herum, die Krone musste einfach die Ausgaben erhöhen. Entweder das, oder sie fanden auf die schnelle einen eigenen Waffenschmied, der für Kost und Logis den ganzen Tag in der Schmiede stehen würde. Schließlich wuchs Gold ja nicht auf Bäumen und so ein Schmied konnte froh sein, wenn er die ehrenvolle Aufgabe erhielt, die Waffen der Akademie...
Ein Klopfen an seiner Tür riss Tiberon aus seinen Gedanken.
"Was?" Blaffte er in Richtung Tür, die sich kurz darauf öffnete. Tiberons Augen weiteten sich überrascht, bevor er sich hektisch zur Tür drehte. Ein Bote in den königlichen Farben war hinein getreten und verneigte sich mit stoischer Miene vor dem Leiter der Akademie.
"Adanos zum Gruße, werter Leiter. Ich komme mit einer Botschaft von seiner Majestät König Ethorn, Sechster dieses Namens, König der südlichen Inseln und Herrscher..."
"Jaja, ich kenne alle Titel seiner Majestät," unterbrach Tiberon den Boten rüde und winkte ab. "Was wünscht seine Majestät denn?"
Vielleicht würde es endlich die ersehnte Beförderung für ihn geben und den Leiter endlich zu einem der Schwerter des Königreichs machen, hoffte Tiberon. Zeit dafür wäre es schließlich, er hatte lange genug die Akademie geleitet und war nun einmal zu höherem berufen.
Der Bote verzog das Gesicht zu einer säuerlichen Miene, als er so unverschämt unterbrochen wurde, straffte seine Haltung jedoch und gab den Befehl des Königs wieder.
"Seine Majestät wünscht euch zu sehen und bittet euch höflich ihn zeitnah aufzusuchen."
Tiberon lies ein leises Seufzen ertönen. Wenn der König höflich bat, dann bedeutete das nichts anderes als jetzt sofort, am besten aber gestern schon. Das bedeutete meist nichts gutes. Vielleicht hatten die Myrtaner sich doch wieder hervor gewagt und einen Angriff gestartet? Tiberon hoffte es, denn das würde bedeuten, dass Ethorn ein Machtwort gegenüber den Schmieden sprechen konnte.
"Nun, dann wollen wir seine Majestät nicht warten lassen, oder?" Der Akademieleiter blickte an sich herunter um den Sitz seiner Kleidung zu kontrollieren. Tadellos wie immer, so viel stand fest. Doch auch wenn sein jetziger Aufzug von ausgezeichneter Qualität war (er hatte schließlich das beste verdient), so hätte er doch gerne sein bestes Hemd sowie Hose und Gehrock angezogen. Doch sei es drum, man lies den König nun einmal lieber nicht warten.
"Geh vor, ich folge dir."
Syrias
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