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    Schwertmeisterin Avatar von Chala Vered
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
    Chala Vered ist gerade online

    Heilkammer

    Chala spürte, wie die Magie sich langsam aus ihrem Geist zurückzog, und öffnete die Augen. Vor ihr saß noch immer Aniron, deren Gesicht eine erwartungsvolle Miene zierte. Danee, die neben der Liege stand, schien ebenfalls auf das Ergebnis der magischen Behandlung zu warten.
    Die Aranisaani blinzelte mehrmals, als ob sie versuchte, die schwebenden Fragmente ihres Bewusstseins zu ordnen. Sie fühlte das Drängen der anderen Persönlichkeiten in ihrem Kopf, jede mit ihrer eigenen Stimme, ihren eigenen Gedanken und Gefühlen. Die verschiedenen Facetten ihrer selbst schienen nun sichtbar und greifbar, wie Teile eines zersplitterten Spiegels, die langsam wieder zusammenfinden wollten.

    Was ist passiert?, fragte Naivität leise, ihre Stimme voller Unschuld und Neugier.
    Sie fühlte sich überwältigt von der neuen Präsenz in ihrem Geist.
    Das… ist unglaublich!, murmelte Exzentrik mit einem Funken Begeisterung, Wir alle… wir sind…
    Empathie fühlte die Emotionen der anderen und versuchte, Trost zu spenden.
    Es ist in Ordnung. Wir waren die ganze Zeit schon hier, jede für sich. Jetzt sind wir zusammen und können uns unterstützten. Wir werden einen Weg finden, gemeinsam voranzukommen.
    Wir müsse uns jetzt ordnen und verstehen, was jede von uns beitragen kann, sprach Sorgfalt, stets bedacht und vorsichtig, mit sanfter Strenge, Es gibt so viel zu tun!

    Doch inmitten dieses inneren Dialogs erhob sich Narzissmus. Sie, die die Hilfe bei der Wassermagierin gesucht hatte. Sie, die über die letzten Jahre häufiger in Kontrolle war, als alle andern zusammen. Ohne sie wäre Chala niemals bis hierher gekommen. Der Stupor des ersten Kontakts hatte sich gelegt und ihre Gedanken rasten bereits, was die neue Situation für sie bedeutete. Vier potentielle Persönlichkeiten, die die Kontrolle über ihren Körper beanspruchen konnten. Doch das würde sie nicht zulassen. Sie hatte dafür gesorgt, dass sich die Barrieren ihres Geistes öffneten, indem sie zu Aniron gekommen war, also war es auch ihr Recht zu bestimmen!

    Die anderen Chalas zögerten, als Narzissmus die Kontrolle von Sorgfalt übernahm.
    Sehr ihr nicht?, fragte sie mit einer Mischung aus Stolz und Arroganz, Ich war es schon immer, die uns den Weg gewiesen hat. Ohne mich wären wir verloren!
    Der Gesichtsausdruck der Kriegerin änderte sich, ihre Augen funkelten nun wieder selbstbewusster und ihre leicht gebeugte Haltung wurde straffer und bestimmter.
    „Danke, Aniron“, sagte sie und lächelte, „Ich sehe nun, dass Euer Mann Recht hatte und dass meine Vermutung wahr ist. Dank Euch habe ich Gewissheit und sogar die Möglichkeit mit den… anderen zu kommunizieren.“

    Während sie sprach, spürte sie, wie ein Tumult in ihrem Inneren ausbrach. Naivität schien mit der neuen Situation überfordert zu sein und die anfängliche Neugier war Angst gewichen.
    Nein! Ich will das nicht!, schrie sie durch die Gedanken aller Chalas und die Miene der Dunkelhäutigen verzerrte sich.
    Beruhige dich, Chala!, versuchte Empathie beruhigend auf Naivität einzuwirken, die nicht viel mehr als ein kleines Kind zu sein schien.
    Wenn Narzissmus von sich selbst auf die anderen schließen konnte, war es bisher so gewesen, als hätte man geschlafen, während eine andere in Kontrolle war. Jetzt, wo sie sozusagen wach waren und miterlebten, wie der eigene Körper gesteuert wurde, schien das etwas mit ihnen allen zu machen.
    „Es wird etwas dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe“, stöhnte die Aranisaani gequält, als sie ihre eigenen Gedanken nicht mehr hören konnte.

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    AI  Avatar von Isidor
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
    Isidor ist offline
    „Ich hasse den Winter“, murrte Elara und rieb sich die Oberarme, um den Anschein von etwas Wärme zu erzeugen.
    „Zu kalt?“, fragte Isidor und lächelte verstehend.
    „Ja! Aber nicht nur. Es ist viel zu früh dunkel und viel zu spät wieder hell. Die Tiere in den Jagdgebeten zeigen sich seltener und wenn es dann noch schneit – Adanos bewahre!“, zählte sie die Gründe für ihre Abneigung der kalten Jahreszeit gegenüber auf.
    „Ha, ich glaube kaum, dass hier auf Argaan die Winter so kalt sind, wie in Midland. Wir hatten Eiszapfen an den Dächern in Vengard, die waren so lang wie mein Unterarm! Und überall war widerlicher Schneematsch, der die gefrorenen Straßen verbarg. Wenn man nicht aufpasste, landete man schneller auf dem Arsch, als man überrascht aufschreien konnte!“, berichtete der Myrtaner von seinen Erfahrungen aus der Heimat.

    „Das klingt furchtbar!“, erwiderte die Lederin entgeistert und zeigte es deutlich mit ihrem angeekelten Gesicht.
    Isidor musste lachen.
    „Ich bin auch kein Freund vom Winter“, versicherte er ihr, „Aber da wir an den Jahreszeiten nichts ändern können, müssen wir wohl damit leben.“
    „Ja, verdammt! Und ich hasse alles daran!“
    Die kleinere Frau bibberte und rieb sich noch einmal demonstrativ die Oberarme, während sie gemeinsam den Torplatz betraten.

    „Scheint, als wäre die neue Schenke gut besucht. Das wird Ingor sicher ärgern“, bemerkte der Hüne und nickte in Richtung des Torhauses.
    Piero hatte offensichtlich gute Arbeit geleistet, denn kurz nach der Eröffnung fanden sich bereits jeden Abend eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Gästen darin, wenn man der Geräuschkulisse Glauben wollte.
    „Ja, komischer Schuppen. Hauptsächlich zwielichtiges Gesinde, die man da sieht. Keine Ahnung, was Lord Hertan sich dabei gedacht hat, einen Teil der Wachkammern aufzugeben.“
    „Ich habe da so eine Vermutung und wenn ich Recht habe, hatte er nicht viel Anteil an dem Verhandlungsgespräch“, merkte Isidor an, vertiefte seine Aussage jedoch nicht weiter.
    Er wusste bereits, wie Piero sein konnte und auch Lord Hertan war er einmal begegnet. Das schien ihm ein wenig amüsantes Aufeinandertreffen gewesen zu sein, das zu Gunsten des Wortschmiedes ausgefallen sein dürfte.

    „Ich biege hier ab“, riss Elara ihn aus seinen Gedanken und wandte sich in Richtung der Treppe zum mittleren Ring.
    „Ah, richtig. Dann schlaf gut, Elara, und gute Jagd morgen.“
    „Danke dir, lass dich nicht von Alberich verderben, Junge“, gab sie ihm einen lockeren Seitenhieb mit und entfernte sich dann bibbernd vom Torplatz.
    Isidor schaute ihr noch einen Moment nach, ehe er seinen Blick wieder auf die Torwirtschaft richtete. Kurz überlegte er, ob er sich auf einen Besuch einlassen sollte, doch entschied sich schlussendlich dagegen.
    Irgendwann, versprach er sich und war doch nicht sicher, ob er Piero so schnell wieder zu Gesicht bekommen wollte.
    Immerhin hatte er ihn ziemlich dumm dastehen lassen und das bei mehr als einer Gelegenheit.

    Erschöpft vom Tag und den niederschmetternden Gefühlen, die ihn plagten, schleppte er sich, jetzt wo er allein war, in die Klippenschenke, grüßte einen ungewöhnlich missmutigen Ingor – wer konnte es ihm mit der neuen Konkurrenz verübeln – und stiefelte die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Das Abendessen würde er ausfallen lassen. Er hatte keinen Appetit und ihm war absolut nicht nach zwanglosen Unterhaltungen mit dem Wirt oder anderen Gästen, die deutlich weniger zahlreich waren, als sonst.
    Die Tür zu seinem Raum schwang auf, er trat ein und blieb einen Moment unschlüssig in der Dunkelheit stehen.
    „Anstrengender Tag?“, erklang eine süffisante Stimme aus einer der finsteren Ecken und der Hüne flog förmlich vor Schreck zusammen.

    „Shhhh, du willst doch nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen, oder Isidor?“
    „Armond?“
    „Ich fürchte, dass du eine ebenso kurze Nacht haben wirst, wie deine Freundin“, überging die Stimme die Frage Isidors mit einem bedrohlichen Unterton, den er bereits von seinem Kontaktmann kannte, „Komm, wir machen einen kleinen Ausflug.“
    Ins schwache Licht des Gangs trat der myrtanische Spion und hielt in jeder Hand einen Bogen. Seine Miene war unlesbar, doch alles andere an ihm verdeutlichte unmissverständlich, dass seiner Aufforderung Folge zu leisten war.

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
    Johanna ist offline

    Stewarker Land, Johannas und Rudras Haus

    Die Sonne, aufleuchtend durch einen der seltenen Risse in der dichten Wolkendecke, hatte noch nicht ganz ihren Zenit erreicht, als sie die Straße im Norden des Stewarker Landes entlang schritt. Johanna konnte nicht wirklich behaupten, sich nach ihrer Rückkehr in die Stadt erholt zu fühlen. Die Nacht in ihrer Kammer der Klippenschänke verschwamm in einer seltsamen Melange aus Albträumen und Unwohlsein. Es war eine angenehme Abwechslung gewesen, in der Nacht nicht auf der Hut sein zu müssen. Gleichsam hatten die Bisswunde und die einsetzende Wirkung des Heiltrankes ihr zugesetzt. Es war kein Vergleich zu den Schmerzen, die sie beim letzten Mal erlitten hatte, als ihre Wunden sich viel zu schnell geschlossen hatten, doch das stete Jucken und Zwicken war immer noch Ärgernis genug, um sie mit tiefen Augenringen aufstehen zu lassen.
    Nun aber, ein gutes Frühstück und einen einsamen Morgenspaziergang entlang der Apfelplantagen später, waren Müdigkeit und Erschöpfung in den Hintergrund getreten. Johannas Vorfreude auf das bevorstehende Wiedersehen ließ sie all die Unannehmlichkeiten vergessen.
    Mit einem neugierigen Seitenblick passierte sie das Tor zum Weingut der Gräfin Agathe. Johanna hoffte nur, dass diese aufdringliche Person ihn weitgehend in Ruhe gelassen hatte über die letzten Wochen. Rudra schätzte seinen Freiraum ohnehin schon sehr, doch diese Frau hatte eine unangenehme Neugier gezeigt, die ihr Unwohlsein bereitete. Was, wenn sie herumgeschnüffelt und etwas gesehen hatte, das nicht für ihre Augen bestimmt war? Johanna schüttelte den Kopf. Es war müßig, sich über solche Dinge Gedanken zu machen, bevor sie zurück war.

    Die von Moos und Ranken bewachsene, aber immer noch gepflegte Mauer wich den niedrigen, unregelmäßig zusammengesetzten Steinelementen der verwitterten Mauer, die einst das Land des Imkers abgesteckt hatte. Johanna stockte in ihrem Schritt, als sie die Hütte erblickte.
    „Wahnsinn, Großer …“
    Mit aufgerissenen Augen blickte sie auf ein Haus, an dem die alte, verwitterte Hütte kaum noch zu erkennen war, mit der dieses Bauvorhaben begonnen hatte. Imposant ragte dort eine solide Blockhütte aus dem Hang, die an der hangabwärts gerichteten Front über zwei Stockwerke messen mochte. Das untere Stockwerk verschwand entlang des deutlich vergrößerten Grundrisses förmlich im Hang. An den Flügeln der Hütte befanden sich einstöckige, einfachere Anbauten. Während der linke Anbau durch eine gewöhnliche Tür geschlossen war, besaß der rechte einen ausladenden Türbogen, der nur durch ein großes, derbes Tuch abgedeckt wurde.
    Johanna brauchte einen Moment, um sich zu fassen. Dann rannte sie kichernd los, sprang über die niedrige Mauer, stürzte dabei fast bäuchlings in den Matsch, und hetzte den felsigen Hang hinauf. Ihr Ziel war nicht die Tür der Hütte – sie wusste, dass sie ihren Freund in der Werkstatt finden würde. Schon bevor sie den Türbogen erreichte, hörte sie das altbekannte und so liebgewonnene Klicken stählerner Meißel auf Stein.
    Am Türbogen angekommen, lugte sie durch das schwere Tuch. Da stand er mit dem Rücken zu ihr, immer noch vermummt in seiner Verkleidung als Mungu, und bearbeitete eine lebensechte Statue aus einem atemberaubenden, cremefarbenen Gestein. Sie lehnte sich an den Armen, ein fettes Grinsen im Gesicht, und verschränkte die Arme.
    „Hey Großer! Zeit für ein Päuschen mit einer Freundin?“

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    Kämpfer Avatar von Rudra
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    Die Orks im Forenrollenspiel
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    Stewarker Land - Rudras Werkstatt

    Klick-klick-klick. Klick-klick-klick.
    Ohne den Schwung des Kleidsaumes näher zu prüfen, dessen natürlichen Verlauf er grob nachzeichnete, arbeitete er sich nach Gefühl Fingerbreit für Fingerbreit voran.
    Klick-klick-klick. Klick-klick-klick.
    Die Statue der Prinzessin nahm mehr und mehr Gestalt an – zum Glück, dachte er, denn viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Drei Wochen war es her gewesen, seit der königliche Bote an die Tür der erst kurz zuvor fertiggestellten Hütte geklopft hatte, die Depesche in Händen, die ihn zum Einhalten der Verpflichtung aufforderte, die er sich mit dem Sieg beim Künstlerwettbewerb beim Fest zur Tempeleröffnung aufgehalst hatte.
    Verdammte Bürokratie der Menschen. Dass Johanna den Erwerb des Landes in der Stadt hatte anmelden müssen, hatte der Obrigkeit ihren Wohnort in die Hände gespielt. Und nun forderte Prinzessin Lisha letztlich doch noch ein, was sie vom Sieger des Wettbewerbs begehrt hatte.

    Doch es war in Ordnung. Glücklicherweise hatte Rudra nur wenige Tage vor dem ungebetenen Besuch ein faszinierendes Stück Fels vom Fuß des Weißaugengebirges abgerungen. Eigentlich hatte er vorgehabt, daraus eine Gruppe kleinerer Figuren zu hauen. Die Kommission des Königshauses aber war lukrativ. Eine lebensgroße Statue der Kronprinzessin war eine Herausforderung, derer er sich zu gern annahm, wenngleich der Zeitrahmen reichlich knapp bemessen war. Ein Mensch, da war sich Rudra sicher, hätte niemals bewerkstelligen können, was die Prinzessin da verlangte.
    Glücklicherweise war er keiner.

    „Hey Großer! Zeit für ein Päuschen mit einer Freundin?“
    Klick-klick.
    Hammer und Meißel verharrten in der Schwebe. Rudra atmete tief ein und wieder aus. Er legte seine Werkzeuge sorgfältig beiseite – dann wandte er sich um, die spitzen Reißzähne entblößt zu einem seligen Lächeln.
    „Ich habe dich vermisst“, sagte er, ruhig wie die windlose See.
    Johanna löste sich vom Türrahmen, an dem sie gelehnt hatte, und stürmte aus Rudra zu. Wie ein Wirbelwind umschlang sie seine Taille mit solchem Schwung, dass er zwei Schritte zurück tun musste, um das Gleichgewicht zu halten. Er legte die Pranken auf ihre kleinen Schultern und erwiderte vorsichtig die Umarmung. Dann hielt er sie auf Armlänge vor sich und sah ihr in die glänzenden, tiefbraunen Augen.
    „Du hast dich lange nicht blicken lassen.“

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
    Johanna ist offline

    Stewarker Land

    Es tat so gut, ihn zu sehen, ihn an sich zu drücken und seine erdende Nähe zu spüren. Johanna hatte sich in den letzten Wochen so sehr mit ihren Schwertübungen beschäftigt, dass sie ganz vergessen hatte, was hier auf sie wartete. Doch nun, da sie in seinen Armen lag, war ihr all das wieder nur allzu sehr bewusst. Ein tiefes Schluchzen entfuhr ihrer Kehle, und sie konnte ihre Tränen nicht zurückhalten.
    „Ich weiß. Tut mir leid, Großer …“
    Sein Griff, der gefährlich nah an ihrer Verletzung ruhte, löste sich, und sie umarmte ihn gleich noch einmal von Neuem.
    „Was du hier geschafft hast, so ganz alleine … das hat mich echt umgehauen. Wie hast du das denn nur hinbekommen?“
    Rudra hob die gewaltigen Schultern, dass sein Gewand raschelte.
    „Ich habe mir eine Konstruktion gebaut, um die Balken anzuheben und in Position zu halten. Das war gar nicht so schwer – nur aufwändig.“
    Sie sah staunend zu ihm auf. Da war keine falsche Bescheidenheit in seinem Blick. Er fand tatsächlich nichts Besonderes an seiner Leistung.
    „Willst du mir eine Führung geben?“

    Johanna hatte erwartet, dass große Teile der Hütte noch leer standen. Doch auch hier wurde sie davon überrascht, was der brilliante Verstand ihres Freundes in Verbindung mit seiner unbändigen Kraft alles bewirken konnte. Freilich, man konnte an allen Ecken und Enden noch sehen, dass sich dieser Lebensraum noch im Aufbau befand. Doch Rudra hatte auf einfacher, funktionaler Ebene bereits alles hergestellt, was er für sich selbst brauchte – inklusive eines Bettes in Orkgröße.
    „Leider habe ich noch kein zweites Bett. Als ich mich darum kümmern wollte, erreichte mich der Auftrag der Prinzessin.“
    Sie machte eine wegwerfende Geste. „Mach dir keinen Kopf.“ Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Meinst du, ich könnte heute Abend trotzdem schon hier schlafen? Das Bett ist doch eigentlich groß genug für uns Zwei, oder? Ich passe ja fast quer ans Fußende!“
    Ein tiefes, kehliges Grunzen, das sie als Ausdruck der Belustigung von ihm kannte, ließ die Luft vibrieren. „Ich kann auch auf dem Boden schlafen, wenn es nicht reicht. Aber ich würde mich freuen, dich wieder bei mir zu haben.“
    „Auf dem Boden? Du spinnst doch!“
    Rudra grunzte nur und setzte die kleine Führung durch ihr Domizil fort. Noch gab es nicht viel zu sehen, auch der linke Schuppen stand abgesehen von einigen eingelagerten Werkzeugen und ungenutzten Baumaterialien noch leer. Das Einzige, das tatsächlich wie ein Platz aussah, an dem gelebt und gearbeitet wurde, war die Werkstatt im rechten Flügel. Hier hatte Rudra sich ganz nach seinen Bedürfnissen eingerichtet. Selbst eine Grube im Außenbereich etwas seitlich des Einganges hatte er angelegt – sie konnte nur vermuten, dass er diese zum Bronzegießen verwenden wollte, auch wenn sie sein Vorgehen dabei nur aus seinen Erzählungen kannte.

    „Es ist großartig!“, bekundete sie mit leuchtenden Augen, als Rudra seine Führung beendet hatte und sie wieder in der Werkstatt bei einander standen. „So viel mehr und so viel besser als alles, was ich mir vorgestellt hatte, als wir die Idee dazu hatten.“
    Rudra zeigte aufs Neue seine spitzen Zähne. „Ich hatte Zeit und Ruhe, um etwas Größeres zu probieren. Naja, meistens jedenfalls hatte ich Ruhe. Wenn diese Frau mich nicht gerade belästigt hat.“
    Johanna stutzte. „Die Prinzessin? Ich dachte, die hat nur ihren Boten geschickt?“
    „Nein, unsere Nachbarin! Diese Gräfin Agathe ist neugierig und aufdringlich.“ Rudra schnaubte. „Eine Plage.“
    „Dann wird es wohl Zeit, dass ich ihr von Frau zu Frau ein paar böse Blicke zuwerfe, oder?“, kicherte sie. „Ich will nachher nochmal in die Stadt, das Zimmer in der Klippenschänke abgeben und bei der Wache vorstellig werden. Aber ich komme heute Abend wieder und bringe was zu Essen mit, ja? Und dann musst du mir mehr über diesen ominösen Auftrag erzählen!“
    Sie strich über die immer noch grob behauene Statue, deren Umrisse bereits eine Frau in anmutiger Pose vermuten ließen. „Der Stein sieht jedenfalls wundervoll aus.“
    Rudra nickte bedächtig. Er legte seine behandschuhte Pranke ebenfalls auf die Statue und ließ sie dort ruhen. „Ich hätte ihn gern für etwas anderes verwendet als diese Prinzessin.“
    Johanna legte ihre Hand auf die seine.
    „Bis später, Großer. Ich freue mich, endlich wieder bei dir zu sein.“

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Das Königreich Argaan im Forenrollenspiel
    Johanna ist offline

    Übungsplatz der Stadtwache

    Die Finger des jungen Heilergehilfen waren so weich und kalt wie beim letzten Mal.
    „Die Heilung ist gut vorangeschritten“, urteilte er fachmännisch, „bis morgen sollte nichts mehr davon zu sehen sein. Spürst du noch Schmerzen?“
    Johanna schüttelte zunächst reflexartig den Kopf, hielt dann aber inne und legte ihn schief.
    „Ein klein wenig, vielleicht. Nichts, was mich behindert.“
    Sinan zog die Hände zurück und entfernte sich ein Stück von ihr. „Dann bist du entlassen, Johanna. Für heute solltest du dich noch ausruhen. Und dann hoffe ich, dass wir uns nicht so schnell wiedersehen.“
    Mit wenigen Handgriffen zog sie ihr Hemd wieder über die Schulter und knöpfte es zu, während sie sich zu ihm umdrehte.
    „Danke, Sinan. Und ich seh‘ dich eigentlich immer ganz gern, weißt du?“
    Sinan errötete sichtlich. „So meinte ich das nicht …“
    „Beim nächsten Mal sieht man sich vielleicht lieber, wenn man auf der Straße aneinander vorbeiläuft, schon verstanden“, grinste sie. „Das mit der Ruhe … naja, mal kurz anstrengend muss ich mich leider. Aber wenn alles gut geht, kommen keine neuen Verletzungen dazu, ja?“
    „Johanna!“
    „Tut mir leid, Kleiner.“ Sie grinste den Jungen, der sie bereits mindestens um einen halben Kopf überragte, keck von unten her an. „Weißt du … ich hab selbst mal in einer Heilkammer gearbeitet – ungefähr, als ich so alt war wie du. Du machst das echt toll! So souverän war ich bei weitem nicht. Deine Mutter scheint eine gute Lehrerin zu sein.“
    Sie klopfte ihm auf die Schulter. „Wenn du mal was brauchst, sag einfach Bescheid, ja? Hast Einen gut bei mir.“
    Sinan erwiderte die Geste mit einem verlegenen Lächeln. „Verletz dich nur nicht so schnell wieder, ja?“
    Johanna hob die Hände. „Ich kann nichts versprechen!“

    Als sie die Heilkammer verließ, wich das Sonnenlicht hinter der dichten, grauen Wolkendecke langsam der Düsternis der viel zu frühen Dämmerung. Sie tippelte die große Treppe zum Torplatz hinunter, bog hinter der Klippenschänke gen Süden ab und nahm die Treppe hinab in den äußeren Südring. Die Baracke der Stadtwache war bereits hell erleuchtet, und um den Übungsplatz waren Fackeln aufgestellt worden, um den mit Stroh und gestampfter Erde ausgekleideten Kampfring zu erleuchten. Ein knappes Dutzend Männer, alle in die mit dem grünen Stewarker Wappen bemalten Rüstungen der Stadtwache gekleidet, standen um den Ring oder lümmelten auf der hölzernen Begrenzung, während zwei der Männer sich in der Mitte umkreisten.
    Als sie näherkam, sah Johanna, dass Lord Hertan und ein ihr unbekannter Wächter eine Übung ohne Waffen durchführten. Hertan griff betont langsam an, während der Andere seine Schläge konterte. Gerade packte er Hertans ausgestreckten Arm und deutete einen Hebel an, der den Herrn der Wache in einem echten Kampf außer Gefecht gesetzt und seinen Ellenbogen schmerzhaft überdehnt hätte.
    „Wenn euer Gegner gerüstet ist, macht ihr so mehr Schaden als mit einem Schwert“, rief Hertan. „Mit dem Hebel setzt ihr den Körper eures Gegenübers gegen ihn ein und macht ihn kampfunfähig.“
    Sein Blick ging für einen Herzschlag zu Johanna. Er gab seinem Übungspartner ein Zeichen, der ihn umgehend aus dem Hebel entließ.
    „Kurze Pause, dann zeigt ihr mir, was ihr gelernt habt.“
    Hertan trat auf sie zu. „Wir haben keine weiteren Schwerter von Taron bestellt. Was führt dich hierher?“
    Johannas Blick ging von ihm zu den anderen Stadtwächtern, die sich nun alle am Rand des Übungsringes sammelten. Sie erkannte Winstan und Aldrich, die sie wie der Rest der Gruppe neugierig beäugten.
    „Ich bin nur in meinem eigenen Namen hier“, rief sie mit fester Stimme. „Ich hab gelernt, zu kämpfen, so wie du es verlangt hast, und mein Entschluss ist immer noch derselbe wie beim letzten Mal. Prüf mich!“

    Wo eben noch heiteres Getuschel zu hören war, kehrte mit einem Mal Schweigen ein. Die Blicke aller wanderten zwischen Johanna und Hertan hin und her, der sie eingehend musterte. Doch noch bevor der Anführer der Wache den Mund zur Antwort öffnete, krähte aus dem Hintergrund eine altbekannte Reibeisenstimme.
    „Ha, du willst mich doch verarschen, oder? Verpiss dich und spiel woanders Heldin, Mädchen, sonst setzt es eine Tracht Prügel!“
    Johanna starrte den kahlköpfigen Wächter an. Seine eng stehenden Augen sprühten vor Härte, vor Wut über ihre Unverfrorenheit. Der Kerl war bereit, ihr eine Lektion zu erteilen. Sie presste die Lippen aufeinander, ihre Kiefer mahlten, während heißer Zorn in ihrem Inneren aufwallte. Niemand behandelte sie wie ein Kind! Und schon gar nicht dieses großmäulige Arschloch!
    Schnaubend wie ein Drache trat sie langsam auf Chuck zu, Schritt für Schritt, und blieb erst so nah vor ihm stehen, dass sie sich beinahe den Hals verrenkte, um zu ihm aufzusehen.
    „Schnapp dein Schwert, Großmaul“, knurrte sie, „oder kannst du nur quatschen?“
    Durch die Reihen der Wächter ging ein Raunen. Aldrich murmelte belustigt: „Oh Mann, Kleine!“, und Winstan schüttelte grinsend die Hand, als hätte er sich verbrannt. Chuck zögerte einen Herzschlag, schnaufte, schaute dann zu Lord Hertan hinüber.
    „Soll ich jetzt ernsthaft ein Kind vermöbeln, oder was?“
    Hertans Miene zeigte keine Regung. Schließlich wandte er sich zu dem Mann um, mit dem er soeben geübt hatte, und rief: „Zwei Übungsschwerter. Los.“
    Wieder ging ein Raunen durch die Stadtwächter. Einer der Männer murrte: „Was soll das denn?“, während ein anderer kopfschüttelnd feststellte: „Das wird hässlich.“ Aldrich verschränkte die Arme und rief den anderen zu: „Wartet’s mal ab! Die Kleine hat Biss!“
    „Ach, halt’s Maul, Aldrich!“, keifte Chuck und spuckte auf den Boden. „Dummes Gör, dann brech ich dir eben was, wenn du’s so unbedingt brauchst!“
    Johanna und Chuck lösten ihre Waffengurte und legten ihre Schwerter ab. Sie nahm die Übungswaffe entgegen und schwang sie zur Probe herum. Dieses grobe Stück Eisen fühlte sich fürchterlich schwer und klobig an. Doch es würde schon gehen.

    „Wer zuerst fünf Punkte hat, gewinnt“, rief der Stadtwächter an Hertans Seite. „Treffer an Armen und Beinen bringen einen Punkt, der Oberkörper bringt drei Punkte. Bei einem Kopftreffer ist der Kampf sofort vorbei.“
    „Jetzt wird’s ernst“, murmelte Einer in Johannas Rücken.
    „Eine Schachtel Kippen auf die Kleine!“, flüsterte ein Anderer.
    „Bist du dumm? Chuck ist ein Arschloch, der zieht nicht zurück, nur weil sie ein Mädchen ist“, zischte ein Weiterer. „Zwei Schachteln dagegen – der wischt den Boden mit ihr auf!“
    Chuck schnaubte erneut und nahm seine Position im Ring ein. „So eine Scheiße, mit einem lausigen Gör kämpfen zu müssen. Komm schon bringen wir’s hinter uns!“
    Johanna tat es ihm gleich. Ihr Blick ging umher, blieb auf Aldrich, Winstan, Lord Hertan haften. Alle beobachteten sie und warteten ab. Sie straffte sich. Das war ihre Chance, es allen zu beweisen. Sie richtete den Blick auf Chuck und blähte die Nasenflügel.
    „Na dann mal los, Arschloch.“

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    Mamka  Avatar von Aniron
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    Heilkammer

    Aniron nickte leicht.
    „Das kann ich gut verstehen. Aber ich bin zuversichtlich, dass Ihr Euch einerseits dran gewöhnen werdet und anderseits einen Weg für Euch finden werdet, damit umzugehen. Vielleicht findet Ihr heraus, was geschehen ist.“
    Die Wehmutter machte einen Schritt weg von der Liege, auf der Chala lag.
    „Ihr könnt noch etwas liegen bleiben. Nehmt Euch die Zeit, die Ihr braucht. Ansonsten steht es Euch natürlich frei, zu gehen. Wenn es etwas gibt, was wir für Euch tun können, nun, Ihr wisst, wo Ihr uns findet. Vielleicht mögt Ihr unserem Tempel einen Besuch abstatten, er ist in einer Felshöhle unter dem Meer, aber einfach über eine Treppe zu erreichen. Dort kann man auch sehr gut nachdenken … und vielleicht eine Münze spenden.“
    Aniron lächelte leicht.
    „Fürs Erste jedoch, Chala, wünsche ich Euch alles Gute und Adanos‘ Segen. Habt noch einmal Dank für Eure Nachricht von meiner Familie. Ihr habt eine Mutter und Ehefrau etwas ruhiger schlafen lassen.“
    „Adanos sei mit Euch, mein Kind“, sprach Danee.
    Dann verschwanden beide Frauen um den Raumtrenner herum.

    Als sie ein paar Schritte weg gegangen waren, sprach Danee gedämpft:
    „Das hast du gut gemacht. Du musstest sehr tief in ihren Geist reingehen und bist dabei vorsichtig vorgegangen. Geistesheilung ist ein heikles Gebiet, dass sich nicht alle Heiler getrauen zu betreten.“
    „Aber ich habe doch gar nichts weiter gemacht, ich habe sie nicht geheilt. Wenn sie geheilt wäre, dann –“
    „Was dann? Sie wollte wissen, was mit ihrem Geist los ist, wir haben ihr dabei geholfen. Ob ihr Bewusstsein wieder zusammen gesetzt werden kann, weiß keiner. Du hast die Barrieren in ihrem Kopf durchsichtig gemacht, das war ein großer Schritt für sie. Und für dich!“
    Aniron blieb stehen und schwieg nachdenklich.
    „Wie weit bist du mit deinen Studien bei Tinquilius gekommen?“, hakte Danee nach.
    „Nicht sehr weit. Er ist nunmal der Oberste Wassermagier und ich leite inzwischen die Heilkammer und bin Mutter … Es gab einfach immer so viel zu tun!“
    „Du solltest das nicht schleifen lassen … oder vielmehr wieder aufgreifen. Ich erinnere dich an deinen Wunsch, vor allem den Müttern und ihren Säuglingen zu helfen!“, sprach Danee streng.
    „Ja …“, sprach Aniron matt. Da hatte die blinde Heilerin einen wunden Punkt getroffen. Sie schwieg eine Weile, dann fuhr sie sich müde übers Gesicht.
    „Es wird weiter warten müssen, befürchte ich. Ich werde eine Reise machen. Ich will meinen Mann sehen und unsere Tochter. Ich will mich persönlich davon überzeugen, dass es ihnen gut geht.“
    „Wie du meinst.“
    „Jetzt sollte ich mal nach meinem Sohn sehen, er hatte sich vorhin um unsere anderen Patienten gekümmert“, murmelte Aniron. Hunger hatte sie außerdem nach dieser anstrengenden Behandlung. Dann würde sie Kisha suchen, die Novizin scharrte sicherlich schon mit den Füßen, was ihr Vorhaben betraf. Nicht, dass Kisha schon alleine losgezogen war. Aniron musste ihr erst einmal von ihrem Vorhaben berichten.

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Übungsplatz der Stadtwache

    Was eben noch eine gewöhnliche Übungseinheit der Stadtwache gewesen war, hatte sich binnen weniger Augenblicke in eine Arena gewandelt. Die Wachen wurden plötzlich zu johlenden Zuschauern, schlossen untereinander Wetten ab und stritten sich über den Ausgang dieses ungleichen Kampfes. Johanna und Chuck umkreisten sich derweil mit erhobenen Übungswaffen, beide vorsichtig damit, den ersten Zug zu machen. In Johannas Fall lag es vor allem daran, dass ihre Bewaffnung völlig ungewohnt war. Hatte sie sonst ihre flinke, vornehmlich auf den Stich ausgelegte Klinge und ihren Dolch zur Verfügung, musste sie nun mit einem klobigen Schwert kämpfen, das vermutlich doppelt so viel wog und ähnlich gut in der Hand lag wie eine verdammte Brechstange. Sie wagte einen Vorstoß und testete seine Reaktion mit einem Streich auf Brusthöhe, zog jedoch schon zurück, als sie Chucks Abwehrschlag erkannte. Es fühlte sich furchtbar an, mit dem Übungsschwert Finten auszuführen. Sie musste ihre Art zu kämpfen anpassen, wenn sie hier bestehen wollte.
    Chuck rümpfte indes die Nase. "Was denn? Schon kalte Füße gekriegt, kleines Häschen?"
    "Mit Labern kriegst du deine fünf Punkte nicht zusammen, Großmaul!", rief sie, das Schwert vor dem Körper erhoben mit herabschauender Spitze. Es fühlte sich nicht richtig an mit dieser Waffe.
    "Wie du willst!"
    Chuck stieß schreiend vor und ließ sein Schwert aus gesenkter Haltung heraufschnellen. Johanna wich mit einem Schritt zur Seite aus und ging zum Gegenangriff über, doch er drehte sich gerade noch rechtzeitig aus der Schlaglinie und ließ die Waffe nun von der Seite auf sie herunterfahren. Aus einem Reflex heraus riss sie die freie Hand hoch, in der sie sonst den Dolch hielt. Die Handschuhe fingen den schlimmsten Aufprall ab, doch als sie das niedergehende Schwert mit der Hand packte und zur Seite ablenkte, schoss dennoch genug Schmerz durch ihren Unterarm, um jeden Gegenangriff ihrerseits im Keim zu ersticken. Keuchend taumelte sie zurück.
    "Eins zu Null für Chuck!", rief Hertans Nebenmann.
    Johanna schüttelte die Hand aus. "Scheiße."
    "Sei froh, dass wir mit stumpfen Waffen kämpfen, sonst wären deine kleinen Fingerchen jetzt ab!", johlte Chuck. Einige der Wächter erhoben ihre Stimmen und feuerten ihn an.

    Diesmal war es Johanna, die den Anfang machte. Mit einem Ausfallschritt stieß sie vor und hielt sein Schwert mit zwei aufeinanderfolgenden Schlägen beschäftigt, während sie die Lücke schloss. Chuck wich zurück an den Rand des Ringes, doch sie war schneller als er. Als er mit der Hüfte gegen den Holzbalken stieß, glitten die ungeschärften Klingen aneinander ab bis hinab zum Heft. Johanna war überrascht, weil sie damit gerechnet hatte, dass ihre Klingen sich aneinander banden. Und noch bevor sie die Situation neu bewerten konnte, flog Chucks Panzerhandschuh bereits heran.
    Die Welt leuchtete in roten Blitzen auf, als das Metall ihre Wange traf. Johanna schrie auf, stolperte zurück. Chuck aber ließ ihr keine Chance, sich zu orientieren, und schlug sofort mit dem Schwert zu, das ihr mit der Spitze über die Brust kratzte. Keuchend kam sie zum Stehen und schüttelte den Kopf. Ihre Wange brannte, als hätte sie eine mächtige Ohrfeige bekommen, doch es fühlte sich nicht nach Schlimmerem an.
    "Körpertreffer! Vier zu Null für Chuck!"
    Erneut brandeten Rufe der anderen Wächter auf. Chuck trat grinsend auf sie zu, die Arme ausgebreitet in Siegerpose. "Das ist 'ne Nummer zu groß für dich, Kind."
    Johannas Griff um ihr Schwert festigte sich. Wieder wallte Zorn in ihr auf, doch sie versuchte ihn mit aller Macht zu bekämpfen. Sie durfte sich keinen Fehler mehr erlauben.

    Er kann mir mit seiner verfluchten Rüstung problemlos eine verpassen, während er selbst keinen Schaden nimmt!, dachte sie wütend. Doch dann leuchtete es ihr ein: seine Rüstung war kein Vorteil in einem Kampf, in dem es nur um das Zählen von Treffern ging! Johanna konnte sie gegen ihn verwenden!
    Sie spuckte ihm das Blut vor die Füße, das sich in ihrem Mund gesammelt hatte. "Bring es zu Ende. Komm schon!"
    "Mit Vergnügen!"
    Chuck stürmte auf sie zu und zog die Klinge quer vor seinem Körper entlang. Johanna wich zurück, Schritt um Schritt. Chuck setzte nach, ließ noch einen Hieb folgen, dann noch einen. Johanna wich weiter zurück, achtete dabei darauf, rechtzeitig einen Bogen zu laufen, um den Ring im Kreis zu durchmessen.
    "Bleib stehen, du beschissenes Karnickel!", brüllte Chuck mit hochrotem Kopf, schlug erneut zu, zorniger, fahriger als zuvor. Sie schritt weiter zurück, wartete ab. Und schließlich wurde er zu ungeduldig. Sein Abwärtshieb kam verfrüht, er musste einen Ausfallschritt tun, um sie zu erreichen. Diesmal stieß sie die Fersen in den Dreck, lenkte den Schlag an sich vorbei und trat neben ihm vorbei in seinen Rücken. Ihr Fuß hakte an seinen Plattenstiefeln ein, und mit einem überraschten Schrei stolperte Chuck vorwärts und landete mit dem Gesicht voran im Schlamm.
    Noch bevor er sich wieder aufrappeln konnte, sprang sie ihm in den Rücken und ließ ihr Schwert auf seine Rüstung niederfahren, wieder und wieder und wieder. Ein Raunen ging durch die anderen Stadtwächter, Jubel brandete auf. Johanna hörte erst auf, als Hertans Stimme die kalte Herbstluft durchschnitt.

    "Das reicht!"

    Mit einem Schlag kehrte Ruhe ein. Schwer atmend stand Johanna über Chuck, der sich ächzend auf dem Boden herumwälzte und zu ihr aufsah. Sein Gesicht war über und über mit Schlamm bedeckt.
    "Fünf Körpertreffer! Fünfzehn zu Vier für die Neue!", rief der Wächter neben Hertan. "Der Kampf ist zu Ende!"
    Johanna ließ das Übungsschwert fallen und trat von Chuck weg, der sich mühevoll aufrappelte. Ihr steinerner Blick entspannte sich langsam, als sie begriff, dass sie gewonnen hatte. Die Wächter raunten, einige vor Enttäuschung ob ihrer verlorenen Wetten, andere vor Jubel über den Sieg. Winstan grinste sich eins und schüttelte den Kopf. Aldrich klatschte in die Hände. "Du hast ihn auseinander genommen!"
    Doch erneut erstarb der Jubel, als Hertan hervor trat in die Mitte des Ringes.
    "Geh und mach dich sauber", knurrte er Chuck zu, der sich kleinlaut fügte und in der Baracke verschwand. Dann erhob der Anführer der Stadtwache seine Stimme.
    "Einen überrumpelten Mann niederzuknüppeln, bis er besiegt ist, erfordert kein Können und hilft uns nicht dabei, die Stadt zu schützen!" Er sah Johanna fest in die Augen, während er zuerst Chucks Übungsschwert, dann ihres aufhob.
    "Nicht jeder Verbrecher ist so überheblich und plump." Er warf ihr das Übungsschwert zu. Sie fing es aus der Luft.
    "Nehmen wir an, ich bin dein Verbrecher." Hertan griff an seinen Gürtel und warf ihr noch etwas zu, das wie eine kurze Eisenkette aussah. Sie fing es mit der freien Hand - es waren einfache Handeisen, die sie nur zu gut aus dem Gefängnis um die Ecke kannte.
    Hertan hob das Schwert und deutete mit der anderen Hand an, auf sie zuzukommen.
    "Fang mich!"
    Geändert von Johanna (17.12.2024 um 00:44 Uhr)

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    Schwertmeisterin Avatar von Chala Vered
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    Heilkammer

    Da war sie nun, allein auf ihrer Liege sitzend, nachdem die beiden Heilerinnen sich verabschiedet hatten. Doch war sie wirklich richtig allein? Sie könnte hören wie Sorgfalt mit Empathie sprach, sie informierte, wie sie sich so sicher gewesen sein konnte, dass mehr als eine Seele diesen Körper bewohnte. Naivität schien geschockt zu sein und hätte sie einen eigenen Körper gehabt, säße sie wohl mit ihren Händen um ihre Beine geschlungen in einer der Ecken der Heilkammer oder gar unter der Liege. Einzig Exzentrik schien mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt zu sein. Aber waren es überhaupt ihre eigenen Gedanken? Jedenfalls konnte Chala, die derzeit wohl Narzissmus war, nicht erahnen, was in ihr vorging.
    Das muss unglaublich schwierig für dich gewesen sein, teilte Empathie ihre Anteilnahme an Sorgfalts Schicksal. Sie war es wohl gewesen, die einen Großteil der zwei Jahre in Thorniara wach gewesen war. In der Zeit hatte sie auch ihre Theorie aufgestellt und war der treibende Faktor gewesen, weshalb Narzissmus schlussendlich Hilfe ersucht hatte. Doch war es die richtige Entscheidung gewesen?

    Unsicher blickte sie sich um. Was sollte sie jetzt tun? Sie hatte ihr vornehmliches Ziel erreicht und musste nun mit den Konsequenzen leben. Doch wie sollte sie das anstellen?
    Hey, wenn du nur hier herumsitzen willst, dann überlass mir die Kontrolle, meldete sich Exzentrik plötzlich und Narzissmus spürte, wie von ihr eine Art Zug ausging, der ihr die Kontrolle über den Körper zu nehmen versuchte.
    Vergiss es!, fauchte Nazissmus und setzte dem Versuch eine energische Blockade vor.
    Ach, jetzt sei doch nicht so! Alles ist besser, als in dieser traurigen Kammer herumzusitzen, wo es nach Krankheit und Kräutern riecht!, versuchte Exzentrik sie mit süßen Worten umzustimmen.
    Es war eine völlig neue Erfahrung für sie, Opfer ihrer eigenen manipulativen Vorgehensweisen zu werden.
    „Schon gut“, erwiderte Chala deswegen und griff nach den Teilen ihrer Lederrüstung.

    Ich mag die Rüstung nicht, fiepste Naivität, Sie ist unbequem!
    Aber sie schützt uns, meinte Sorgfalt, die bereits der neuen Situation angepasst zu sein schien und nicht nur von ihr selbst sprach.
    Alles wird gut, Kleine, wisperte Empathie beruhigend und fokussierte sich dann auf Narzissmus, Lasst uns zum Tempel gehen und etwas Spenden. Immerhin hat Aniron uns geholfen!
    Hat sie das?, zweifelte Narzissmus langsam.
    Ja, das hat sie, aber es wäre nicht klug unsere geringen Reserven auszugeben, warnte Sorgfalt mit Bedacht.
    Man sollte seine Schuld stets begleichen.
    Ich würde mich einfach später revanchieren, wenn wir etwas Gold besorgt haben, schlug Exzentrik vor und schien sich entspannt zurückzulehnen, als säße sie auf einem bequemen Sofa.
    Dabei ließ sie betont unausgesprochen wie sie an besagtes Gold kommen sollten.
    „Könnt ihr alle mal die Klappe halten?“, begehrte Chala brüsk auf und ging endlich dazu über sich ihre Lederrüstung anzuziehen und nach ihrem Schwert, den Wurfmessern und der Tasche zu greifen.

    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie all ihre Habseligkeiten am Körper hatte, trat sie stur aus der Heilkammer hinaus in die Straße Stewarks. Dabei spürte sie noch immer ein leichtes Ziehen in ihrem Brustkorb, wo die Rippe angeschlagen war, doch es war erträglich genug, um sich davon nicht beeinträchtigen zu lassen.
    Da sie noch immer keine Ahnung hatte, wohin sie als nächstes gehen sollte oder was sie unternehmen wollte, fragte sie eine junge Novizin, die scheinbar auf dem Weg in die Heilkammer war, nach dem Weg zum Adanos Tempel, den Aniron erwähnt hatte. Zwar lag ihr nichts an Gebeten oder Frömmigkeit, doch auch wenn sie keine Spende abgeben würde, wollte sie zumindest Anstand beweisen und die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Wehmutter zumindest damit würdigen, dass sie ihrem Vorschlag nachkam. Färbte etwa Empathie auf sie ab? Hoffentlich nicht.

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Übungsplatz der Stadtwache

    Unsicher blickte sie zwischen Hertan und den Handschellen in ihrer Linken hin und her. Der Herr der Stadtwache, Zweiter in der Rangfolge der Baronie von Stewark, baute sich vor ihr auf, die Klinge erhoben, die Schwertspitze auf sie gerichtet. Sie wusste, dass er ein furchteinflößender Kämpfer war, jeden Einzelnen in diesem Rund mit Leichtigkeit von den Beinen gefegt und überwältigt hätte. Wie um alles in der Welt sollte sie gegen ihn bestehen?
    "Los jetzt!", bellte Hertan, dass es ihr durch Mark und Bein fuhr.
    Johanna erinnerte sich an die Worte, die er ihr im Vertrauen mitgegeben hatte. Dass er sie besonders hart prüfen müsse, weil die Vorurteile der Anderen ob ihrer Statur und ihres Geschlechts auf ihn als Anführer der Wache zurückfielen, wenn er es nicht tat. Und sie verstand, welche Chance er ihr gab. Wieder blieb ihr Blick auf den Handschellen hängen. Eine einfache, aber ausgeklügelte Konstruktion. Zwei mal zwei Schellen, jedes Paar verbunden mit stabilen Scharnieren, mit einem Schloss, das einrastete, sobald man die Schellen aneinander drückte.
    Die Unsicherheit in ihrem Blick verbrannte im Feuer einer neu entfachten Entschlossenheit. Johanna blickte Hertan fest in die Augen.
    "Im Namen der Bürger von Stewark!", rief sie ihm entgegen. "Du bist festgenommen! Gib auf und wirf dein Schwert fort!"
    Hertan festigte seinen Stand nur noch mehr. Er spuckte auf den Boden. "Du willst mein Schwert? Dann komm und reiß es mir aus den Händen, Kind!"
    Johanna schnaubte. Zorn wallte in ihr auf. Doch die Vernunft drängte den Impuls zurück, sofort voranzustürmen und ihn in Rage zu attackieren. Johanna raffte die Ketten der Handschellen und hielt sie so in einer Hand, dass sie damit einen Schwerthieb abfangen konnte, wenn es sein musste.
    "Letzte Chance!", rief sie.
    "Komm!", blaffte Hertan.

    Johanna trat vor, in kontrollierten Schritten, das Schwert in offensiver Grundhaltung, und umkreiste Hertan. Sie stieß zweimal in Schlagweite vor und attackierte zuerst seine Deckung, dann seinen vorgestellten Fuß, um ein Gefühl für seine Reaktionen zu bekommen. Beim dritten Mal schloss sie die Lücke zwischen ihnen mit drei schnellen Schritten, schlug mit einem Rückhandhieb zu, den Hertan abwehrte, und ging aus der nun offenen Haltung direkt in einen Stich über. Der alte Kempe trat mit einem Seitwärtsschritt aus ihrer Stoßlinie, aber sie ging vom Stich fließend in einen Hieb aus dem Handgelenk über. Er blockte die schnelle Attacke mit seinem Schwert und schlug mit der freien Hand zu. Johanna blockte den Faustschlag mit ihrer Linken, sodass der Panzerhandschuh scheppernd in die Kettenglieder einschlug.
    "Du bist schnell, aber du kannst roher Kraft wenig entgegensetzen", raunte Hertan. Er tat einen Schritt vor und trat mit dem Gewicht seines ganzen Körpers in Richtung ihres Oberschenkels. Johanna gelang es gerade noch, zur Seite zu springen. Der Tritt hatte seine Seite offen gelassen, doch sie verlor den Tritt und musste sich zurückziehen. Aber er setzte direkt nach und hieb auf ihre Deckung ein. Johanna wurde in die Defensive gedrängt, während er Schlag um Schlag mehr Kraft in seine Hiebe legte. Ihr gelang die Flucht nach vorne, als er zum Oberhau ausholte, und ihr Schwert schrammte gegen seine Flanke, als sie unter seinem Arm hindurch aus der Gefahrenzone sprang. Er geriet nicht einmal ins Wanken.

    "Ein ungezielter Treffer gegen einen gerüsteten Gegner ist nichts wert!"
    Hertan ließ nicht mehr von ihr ab, ließ sie nicht zu Atem kommen. Er dominierte sie mit seiner puren Kraft und trieb sie erneut zurück. Ihr gelang es mehr schlecht als Recht, einen seiner Schläge zu binden, und aus dem Mut der Verzweiflung heraus ging sie in den engen Nahkampf. Ihre Schwerter gebunden und zur Seite weggedrückt, sprang sie mit dem Scheitel voran gegen Hertans Kiefer. Dann ging alles ganz schnell. Der Schmerz des Einschlages nahm ihr für einen Moment die Orientierung. Beide ließen im gleichen Moment ihre Klingen los, doch keinen Wimpernschlag später presste ihr Hertans Schlag mit der Linken gegen den Brustkorb die Luft aus den Lungen. Er packte sie mit beiden Händen unter den Achseln und hob sie in die Höhe. Johanna strampelte hilflos mit den Füßen, während er zwei Schritte mit ihr tat und sie rücklings auf den Boden niederschmetterte. Der Aufschlag in den Schlamm raubte ihr beinahe die Besinnung. Sie keuchte nach Luft, griff nach dem Arm, der sie immer noch zu Boden drückte.

    Klick

    Hertan hielt schwer atmend inne. Johanna japste nach Luft. Ihr Körper war so heftig in den strohgedeckten Schlamm des Kampfrings eingeschlagen, dass der Boden sie regelrecht festsaugte. Sie sah ihm in die harten, stahlgrauen Augen.
    "Du … bist festgenommen."
    Er sah langsam an sich herab, und seine harten Züge entspannten sich. Johanna hatte eine Schelle um sein Handgelenk geschlossen. Die andere hatte sie an ihrem eigenen Arm befestigt.
    "Gut gemacht, Rekrutin."
    Hertan zog die Hand von ihrem Brustkorb zurück, erhob sich und half ihr auf die Beine. Er sah ins Rund zu seinen Männern, die sprachlos auf ihren Hauptmann starrten. "Johanna hat den Test bestanden. Heißt sie als eure neue Kollegin willkommen!"
    Die Männer jubelten ihr zu, klopften auf ihre Rüstungen und stampften auf den Boden, dass es einen Heidenlärm machte. Als Hertan die Faust hob, kehrte augenblicklich Ruhe ein.
    "Wille und Überzeugung sind ein guter Anfang", rief er, "aber ein guter Stadtwächter braucht mehr als das." Er wandte sich direkt an Johanna. "Du kannst kämpfen, aber man merkt dir deine Unerfahrenheit noch an. Du bekommst deine Chance, Johanna. Ich nehme dich als Rekrutin auf Probe in die Wache auf. Ab morgen wirst du mit Winstan auf Streife gehen und von ihm lernen. Und wenn ich denke, dass du bereit bist, wirst du weitere Aufgaben übernehmen dürfen."
    Er blickte wieder zu den anderen. "Schluss mit den Übungen für heute! Alle, die gleich noch Schicht haben, auf ihre Positionen! Allen anderen wünsche ich einen ruhigen Feierabend!"

    Sie schwankte, als Hertans Hand auf ihrer Schulter einschlug.
    "Und du kommst mit mir in mein Büro, Rekrutin. Wir haben ein paar Dinge zu klären."

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Büro der Stadtwache

    In seinem Büro angekommen, bot Hertan ihr keinen Sitzplatz an. Johanna blickte an sich herab und erkannte den Grund dafür recht problemlos.
    „Sieht aus, als müsste ich erstmal ins Badehaus … Chef.“
    Der Hauptmann der Wache, den Blick auf die Dokumente auf seinen Tisch gerichtet, lächelte.
    „In der Tat, Rekrutin. Herzlichen Glückwunsch, Johanna: du bist die erste Frau in der Wache. Ich freue mich, dass du die Herausforderung gemeistert hast. Deine Kollegen werden sich noch eine Weile davon erzählen, wie du die Angriffe eingesteckt und mich verhaftet hast. Was dir hoffentlich einen guten Stand für den Anfang bei ihnen bringen wird – nun, bei den meisten von ihnen, jedenfalls.“
    Nun war es an Johanna, verschwörerisch zu grinsen. „Ich danke für die mehr als gerechte Chance. Du hast mir den Arm ja direkt vor die Nase gehalten.“
    „Und doch hast du den kühlen Kopf bewahrt und das Nötige getan“, raunte er beiläufig, während er die Suche nach irgendeinem Schriftstück wiederaufnahm.

    Eine Weile lang beobachtete sie Hertan schweigend bei seinem Tun, bis ihre Geduld schließlich schwand. Sie räusperte sich diskret.
    „Wäre das dann für den Moment alles? Ich fürchte, mir läuft kalter Schlamm den Rücken herunter.“
    Er hob den Finger, ohne aufzusehen oder in seiner Suche innezuhalten.
    „Durchaus nicht. Ich habe für die Eventualität deiner Wiederkehr und erfolgreichen Prüfung ein Schriftstück vorbereitet. Ah, da ist es ja.“
    Hertan zog einen versiegelten Umschlag hervor und hielt ihn ihr entgegen. Johanna zögerte einen Herzschlag lang, dann trat sie an den Tisch heran und nahm den Umschlag entgegen.
    „Jeder Wächter trägt im Dienst die Rüstung mit dem Wappen des Hauses von Stewark. Eine durchaus kostspielige Angelegenheit, aber die Jungs tragen sie mit Ehre. Und normalerweise ist das kein Problem: die Staturen der Männer ähneln sich oft genug, um die Rüstungen an den Nächsten weiterzugeben, wenn Einer aus dem Dienst tritt, und eine Handvoll in verschiedenen Größen auf Reserve zu haben. Mit dir aber kommen wir in ein gewisses Dilemma.“
    Johanna richtete ihre Augen auf das rote Siegelwachs auf dem Umschlag. Am liebsten hätte sie das Siegel auf der Stelle gebrochen und den Brief gelesen.

    „Wir können keine Rüstung für deine Körpergröße komplett auf unsere Kosten anfertigen lassen“, erklärte er, „aber wir können einen Kompromiss finden. Nimm diesen Brief und geh zum zweistöckigen Haus am Südende des mittleren Ringes, gleich nachdem du dich vom Schlamm befreit hast. Verlange nach Herrin Liuven und überreiche ihr diese Nachricht von mir. Sie ist meine Schwester und wird dir helfen, denn ich löse einen alten Gefallen ein, den sie mir schuldet. Und morgen früh meldest du dich zum Morgenappell kurz nach Sonnenaufgang hier im Wachquartier für deine erste Patrouille mit Winstan. Er wird dir dann alles Weitere erklären.“
    Johanna schluckte, umgriff den Umschlag fester und drückte ihn an ihre Brust.
    „Vielen Dank, Chef. Ich weiß deine Hilfe zu schätzen.“
    „Dann geh nun und vergeude deine Chance nicht. Wir sehen uns morgen.“
    Johanna nickte. „Jawohl.“ Sie drehte auf dem Absatz um und trat zur Tür, als Hertan ihr noch einmal zurief.
    „Ach, und Johanna?“
    „Ja?“
    „Vorsicht mit Chuck. Deine Leistung mag Einigen unter den Jungs genug imponiert haben, um dich zu akzeptieren, aber er wird die Schmach nicht so schnell vergessen, die du ihm beigebracht hast. Er ist zwar dein Kamerad, aber ich bin mir durchaus darüber bewusst, was für eine Art Charakter er ist.“
    Sie nickte erneut. „Jawohl.“
    „Und jetzt fort mit dir. Richte meiner Schwester schöne Grüße aus!“
    „Jawohl, Chef.“
    Er lächelte. „Viel Glück. Ich bin gespannt, wie es aussehen wird.“

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    Schwertmeisterin Avatar von Chala Vered
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    Wie sich herausstellte, befand sich der Tempel an der Insel abgewandten Seite der Stadt auf der niedrigsten Ebene. Das bedeutete, dass Chala nur einen kurzen Weg durch den Inneren Ring nehmen musste, um dorthin zu gelangen. Im Schatten der steinernen Zitadelle im Herzen Stewarks verließ sie die Heilkammer Richtung Norden und wandte sich dann den Treppen nach Westen zu, die sie hinab in den mittleren und schließlich in den äußeren Ring hinab führten. Schon vom Kopf der Stufen konnte sie einige Wachen in bronzener Rüstung ausmachen.
    Die rauen Pflastersteine unter ihren Sohlen knirschten leicht, als sich kleinere Steine und Dreck in die Fugen drückte. Eine unangenehme Brise schnitt ihr vom Meer aus ins Gesicht und sie zog ihr blaues Schaltuch höher, um sich zu schützen.

    Was für ein Ausblick!, stieß Exzentrik verzückt aus und meinte damit wohl den weiten Ozean, welcher sich jenseits der zerklüfteten Klippen bis zum fernen Horizont erstreckte.
    Möwen trotzten den aufgeregten Winden und kreischten laut, während sie über etwas kreisten, was sich im Wasser befinden musste.
    „Das Meer, diese Insel ist umringt davon“, meinte Narzissmus abweisend und setzte ihren Weg die Stufen hinab fort.
    Wie Zuhause!, rief Naivität mit kindlicher Freude.
    Zuhause?, fragte Sorgfalt und man konnte ihr Stirnrunzeln förmlich spüren.
    Ja! Die schwarzen Strände am Meer! Der Sand ist so warm, schwelgte die vermeintlich junge Chala in Erinnerungen.
    Ich habe keinerlei Erinnerungen an unsere Heimat, sagte Sorgfalt tonlos und es war unmöglich zu sagen, ob sie darüber enttäuscht und frustriert oder ob es ihr gleichgültig war.

    „Warte“, sprach Narzissmus, „Du kannst dich an gar nichts erinnern?“, fragte sie, ihr Interesse geweckt.
    Nein, ich kann mich nur an endlose Tage in Thorniara erinnern. Tag ein, Tag aus widerlichen Eintopf von der Armenspeisung gefolgt von Verstecken, damit es mir nicht abgenommen wird.
    „Was sollten dir einige Straßenräuber anhaben können, wenn du Wildkatze hattest?“
    Ich habe keine Verwendung für Waffen, wenn ich mit ihnen nicht umgehen kann, oder?
    Ich hab mich immer gefragt, warum ich ein Schwert habe. Aber da es schön ist und zu meinem Stil passte, habe ich es behalten, mischte sich Exzentrik ein.
    „Moment mal. Ihr wollt mir sagen, dass ihr nicht wisst, wie man kämpft?“
    Ah, ich glaube, ich verstehe langsam, was hier gerade geschieht, ging Sorgfalt ein Licht auf, Du hast das Kämpfen gelernt, Narzissmus, doch wir anderen nicht.
    „Aber… es ist doch derselbe Körper.“
    Aber ein anderer Geist.

    Chala verstummte, alle Chalas verstummten. Diese Erkenntnis brachte sie alle zum Nachdenken und vielleicht verbargen sich dahinter Möglichkeiten, die ihnen zum Vorteil gereichen konnten. Wenn Narzissmus die Einzige war, welche sich in einem Kampf zu behaupten wusste und das für alles galt, was sie in ihrer wachen Zeit erlebt und gelernt hatte, dann musste es doch auch etwas geben, was die anderen beherrschten, dass ihr fehlte, oder nicht? Offensichtlich unterschieden sie sich immens in ihren Wesensarten und Sorgfalt war mit Sicherheit ein Quell guter Ideen, während Exzentrik zumindest auf ihren eigenen Vorteil aus war, genau wie Narzissmus. Von Naivität brauchte sie nicht viel zu erwarten, außer vielleicht dem Wissen um ihre Vergangenheit. Und Empathie? Empathie war in Narzissmus‘ Augen schwach. Was nutzte es andere vor sich selbst zu stellen, wenn man am Ende schlechter dastand, als zu Beginn der aufopferungsvollen Taten, die im Bestfall ein Danke ernteten?

    Die beiden schwer gerüsteten Wächter blickten sie bereits eine ganze Weile an, während sie offenbar Selbstgespräche führte. Dabei sahen sie sich zwischendurch unsicher an, bis einer dem anderen etwas zuflüsterte, der nur mit den Schultern zuckte und die schwere Hellebarde anhob, um auf sie zuzulaufen.
    „Hey, das hier ist kein Aufenthaltsort für Spinner!“, raunte er sie unfreundlich an.
    „Warum steht ihr dann hier?“, konterte Chala, ehe sie sich zurückhalten konnte.
    Verdammt, sei freundlicher zu den edlen Herren!, empörte sich Exzentrik und Narzissmus spürte, wie sie sich ihr aufdrängte.
    Es ist nicht klug, den Ärger der hiesigen Soldaten auf uns zu ziehen, gab Sorgfalt zu bedenken.
    Ich mach das schon!, fauchte Narzissmus, doch da war es schon zu spät.
    Sorgfalt und Exzentrik rangen ihr die Kontrolle ab und letztere Übernahm schlussendlich das Ruder.

    Mit einem erschrockenen Ausdruck im Gesicht schlug sie sich die Hand vor den Mund, während Narzissmus im Innern tobte, zurückgehalten von Sorgfalt.
    Lass sie das machen!
    Ihr seid nichts ohne mich!, giftete Narzissmus.
    „Es tut mir leid, edler Herr! Ich war so tief in Gedanken, weil ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich Euch ansprechen sollte oder nicht!“, spielte Chala dem Krieger etwas vor, der auf die erste brüske Reaktion ihrerseits bereits ungehalten werden wollte, nun aber verwirrt schien.
    „Und was willst du?“, fragte er, statt sie sofort fortzujagen.
    „Ich würde gern den Tempel besuchen, weil man mir in der Heilkammer geholfen hat. Ich bin aber das erste Mal hier in Stewark und war nicht sicher, ob ich einfach so in die Heilige Stätte hereindarf.“
    „Der Zutritt ist für jeden erlaubt. Wir stehen hier, weil es kürzlich Probleme mit einigen roten Ratten hatten“, antwortete der Soldat und spuckte aus.
    „Oh? Aber Ihr habt das Problem sicher im Handumdrehen gelöst, nicht wahr?“
    „Die Wassermagier haben sich darum gekümmert. Wir stehen hier, um eine Wiederholung des Vorfalls zu verhindern.“
    „Ich verstehe! Ich bin wirklich nur hier, um meiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Darf ich hinein?“
    „Nur zu. Wenn du Ärger machst, wirst du es ohnehin schneller bereuen, als wir eingreifen könnten“, grinste der Kerl abfällig und bedeutete ihr weiterzugehen, bevor er die Geduld verlor.
    Dass er sie dabei eindringlich musterte, tat sie nur mit einem Zwinkern in seine Richtung ab, bevor sie eine Wendeltreppe erreichte, deren Fuß nicht zu erkennen war.

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Liuvens Haus

    Mit erhobener Faust stand sie vor der Tür des Hauses, das Hertan ihr beschrieben hatte, und hielt inne. Wie konnte es sein, dass sie im Angesicht der Stadtwächter und der drohenden Prüfung ihrer Fähigkeiten nicht einen Moment gezögert hatte, sich in den Kampf zu stürzen, und nun so unsicher war? Sie mochte es nicht sonderlich, Geschenke von anderen anzunehmen – erst recht nicht, wenn sie das Gefühl hatte, sich diese Zuwendung nicht in irgendeiner Weise verdient zu haben. Doch dies hier war genau solch eine Konstellation: Hertan hatte ihr schon bei der Prüfung wortwörtlich die Hand gereicht, und nun löste er einen Gefallen bei seiner Schwester ein, um ihr den Anfang zu erleichtern. Bedeutete das, dass sie bei ihm von nun an in der Schuld stand? Und wie genau würde die Herrin ihr bei der Beschaffung einer Rüstung helfen können?
    Sie atmete tief durch und rang sich endlich dazu durch, anzuklopfen. Das Pochen verhallte in der Weite des Platzes. Zehn, zwanzig Herzschläge vergingen. Sie klopfte noch einmal. Diesmal öffnete sich nach wenigen Augenblicken die Tür, und ein altes Gesicht mit langen, schlohweißen Haaren schob sich durch den Türspalt.
    Die Alte lächelte, als sie Johanna vor sich erblickte. „Hallo, Kindchen! Wie kann ich dir denn helfen?“
    „Guten Tag, Großmütterchen. Ich bin Mitglied der Stadtwache und wurde von Lord Hertan geschickt, um Herrin Liuven eine Nachricht zu übermitteln. Bin ich hier richtig?“
    Die alte Frau, mit ihrer buckligen, eingefallenen Haltung nur unwesentlich größer als Johanna selbst, kniff die Augen zusammen und beugte sich vor, bis nur noch zwei Handbreit zwischen ihre Nasenspitzen passten. Dann hellte sich ihre Miene schlagartig auf.
    „Entschuldige, Liebes. Ich habe dich für ein Mädchen gehalten! Verzeih einer alten Frau ihre schlechten Augen.“
    Johanna lächelte verlegen. „Ist schon in Ordnung. Das passiert mir öfter.“
    „Und du dienst in der Stadtwache, sagst du? Das ist ja ein starkes Stück!“ Sie lachte voll großmütterlicher Güte, dass es Johanna das Herz wärmte.
    „Ja, meine Herrin Liuven ist im Haus. Soll ich ihr deine Nachricht überbringen?“
    „Das wäre wunderbar, Großmütterchen.“ Sie streckte der Alten bereitwillig den Brief entgegen.
    „Bitte warte kurz, Liebes. Ich bin gleich zurück.“

    Mit dem Brief Händen verschwand die Frau im hinter der Tür und ließ sie auf der Straße zurück. Johanna verschränkte die Arme vor der Brust, trat von einem Bein aufs andere und begutachtete eingehend die Fassade des Hauses, um sich die Zeit zu vertreiben. Rudra hätte ihr bestimmt Einiges über die Bauweise erzählen können, doch sie sah nur recht hübsches Fachwerk, dessen Verarbeitung und momentaner Zustand ihr nicht mehr verrieten, als dass seine Besitzer gut betucht sein mussten.
    Eine gefühlte Ewigkeit verging, bis sich die Tür wieder öffnete. Erneut zeigte sich das Antlitz der alten Frau.
    „Liebes! Meine Herrin möchte dich sehen. Komm bitte herein!“
    Die Alte öffnete die Tür ein Stück weiter und schenkte Johanna ein warmes Lächeln, als sie eintrat.
    „Sag, wie darf ich dich nennen, Großmütterchen?“
    „Nenn mich Hilda, Liebes. Ich bin die Amme der Herrin und an ihrer Seite, seit das Licht von Innos‘ strahlender Güte zum ersten Mal ihre Haut berührt hat.“
    „Freut mich, die kennenzulernen. Ich bin Johanna.“
    „Ein schöner Name für ein schönes Kind. Nun komm! Komm, meine Herrin wartet!“

    Hilda führt Johanna durch einen Eingangsbereich, der zwar eindeutig von Reichtum und Einfluss sprach, aber auf unnötigen Pomp verzichtete. Der Salon, in den sie geführt wurde, war holzgetäfelt und warm. Gemälde von Jagd- und Waldszenen zierten die Wände, auf Sekretären und Kommoden von dunklem Holz ruhten silberne Kerzenständer und goldene Teller. Am hinteren Ende überblickte der ausgestopfte Kopf eines majestätischen Schattenläufers den gesamten Raum. In der Mitte des Salons saß eine Frau an einer Seite der langen Tafel und trank aus einer Teetasse von feinstem Porzellan. Herrin Liuven mochte vielleicht zehn, fünfzehn Jahre älter als Johanna sein. Ihr rotblondes, langes Haar war sorgfältig zu einer aufwändigen Frisur hochgesteckt, deren geflochtene Strähnen ihr gepflegtes, volles Gesicht wie Ähren reifen Korns umrahmten. Ihre Haut war hell mit einem rosigen Schimmer. Ihre Augen hatten dasselbe Graublau wie die ihres Bruders, doch wo seine hart und dominant waren, zeigten ihre eine weiche Herzlichkeit, wie sie nur eine sanfte Seele besitzen konnte.
    „Johanna, richtig?“, sagte die Herrin, als sie eintraten, und deutete auf einen Stuhl an ihrer Seite. „Komm und setz dich.“ Sie legte ihre Hand auf den geöffneten Brief, der neben dem Teeservice auf dem Tisch ruhte. „Mein Bruder schickt dich, ja? Lass uns reden.“

    „Solltet Ihr mich brauchen, Herrin?“, sagte Hilda, „Sonst würde ich hinaufgehen und holen, worum Ihr mich gebeten habt.“
    Liuven kicherte. „Danke, Hilda. Wir kommen derweil hier unten zurecht, denke ich.“
    „Natürlich.“
    Johanna war froh, dass sie in der Klippenschänke ausgiebig im Zuber gebadet und sich von all dem Schlamm befreit hatte, den ihre Kämpfe bei der Wache ihr eingebracht hatten. Sie staunte über das wunderschöne, rote Kleid, dass Liuven über einer feinen, weißen Bluse trug. Es wirkte schlicht, doch die Farbe war so lebhaft, der Schnitt mitsamt der leichten Schnürung die Taille so perfekt geeignet für ihre kurvige Figur, dass Johanna sie gern einfach nur eine Weile angestarrt hätte. Stattdessen aber folgte sie der Einladung ihrer Gastgeberin und setzte sich auf dem Stuhl neben ihr nieder.
    Liuven musterte Johanna neugierig, dann lachte sie. „Hertan ist immer wieder für eine Überraschung gut. Du bist tatsächlich eine neue Rekrutin in seinen Diensten?“
    Johanna nickte knapp. „Ja, ich habe seine Prüfung bestanden und möchte die Stadt beschützen.“
    „Erstaunlich. Weißt du, warum dich mein Bruder zu mir geschickt hat?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Herrin. Er sagte nur, dass Ihr mir dabei helfen könnt, eine Rüstung zu bekommen, weil mir die Rüstungen der Wache nicht passen würden.“
    „In der Tat, und dafür löst er einen Gefallen ein, den ich ihm seit einer Weile schulde. Er muss hohe Stücke auf dich halten, wenn er so etwas tut, Johanna. Er scheint Potenzial in dir zu sehen.“
    Ein Hauch von Röte schoss ihr ins Gesicht. „Das … schmeichelt mir ein wenig zu sehr, glaube ich. Ich muss noch viel lernen.“
    In diesem Moment rumpelte es im Eingangsbereich, und einen Moment später trat eine schwer atmende Hilda herein.
    „Ich habe sie gefunden, Herrin. Sie steht eingepackt an der Tür. Ich habe sie noch schnell etwas abgestaubt und die Spinnweben entfernt.“
    „Das ist reizend, Hilda. Vielen Dank für deine Mühe.“
    Liuven trank den Rest ihres Tees aus, stellte vorsichtig die Tasse ab und wandte sich wieder Johanna zu.
    „Würdest du mich auf einen Spaziergang begleiten? Du müsstest allerdings ein Paket für mich tragen.“
    Johanna runzelte die Stirn. „Ich – ähm, natürlich, Herrin“, stammelte sie.
    Liuven lachte erneut. „Nicht so steif, Johanna. Du bist unter Freunden. Komm, lass uns ein wenig die Beine vertreten.“
    Die Herrin erhob sich, und Johanna tat es ihr gleich. An der Tür angekommen, wartete bereits Hilda auf sie, einen hellen Fellmantel in den runzligen, alten Händen.
    „Hier, Herrin.“
    „Danke, meine Liebe. Also dann, Johanna?“

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    Provinzheldin Avatar von Johanna
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    Straßen von Stewark

    Die Nachmittagssonne brach in goldenen Strahlen durch die sonst so dichte, graue Wolkendecke und ließ das klamme Pflaster aufleuchten wie ein wohliges Feuer. Das Paket, welches Hilda am Eingang des Hauses bereitgestellt hatte, hatte ein respektables Eigengewicht, und mit jedem Schritt drang ein metallisches Scheppern daraus hervor. Johanna hielt schweigend mit Liuven Schritt, die sich mit strahlenden Augen in ihrer Stadt umsah, während sie die große Treppe in Richtung des Torplatzes hinabstieg. Die Herrin erinnerte Johanna in ihrem Ausdruck allgemeiner Lebensfreude an Frieda, wenngleich die beiden Frauen aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensweisen ein ganz verschiedenes Gebaren an den Tag legten. Sie mochte Hertans Schwester, gleich vom ersten Moment an. Und im nächsten Moment fragte sie sich, ob sie nicht zu naiv war. Immerhin war dies eine Frau, die Macht besaß. Und wer Macht hatte, nutzte sie meist zu seinem Vorteil.
    „Schon seit meiner Kindheit kenne und liebe ich diesen Blick über das Herz der Stadt“, seufzte Liuven und ließ ihren Blick über den Platz schweifen. Johanna stutzte. Von einem Mitglied der Herrscherfamilie von Stewark hätte sie erwartet, dass sie die Zitadelle als das Herz der Stadt ansah.
    „So viel hat sich seitdem geändert. Es ist erstaunlich, wie sehr sich der Anblick dennoch gleicht.“ Sie lächelte zu Johanna hinüber. „Ich frage mich manchmal, ob all die Machtspiele der Herrscherhäuser, alles, was wir Fürsten, Barone und Könige tun, überhaupt eine Bedeutung hat.“
    „Es hat eine Bedeutung“, sagte Johanna. „Es ist Eure Aufgabe, den Menschen Sicherheit und Beständigkeit zu schenken. Dafür zu sorgen, dass Ihr noch als Greisin hier stehen und die gleichen Worte sprechen könnt wie jetzt.“
    Liuven zögerte. Dann kicherte sie und setzte ihren Weg fort.

    „Du fragst dich sicher, wohin unser Spaziergang führt“, sagte die Herrin, als sie den unteren Treppenabsatz erreichten. Das geschäftige Treiben einer Stadt, deren Bewohner nach getaner Arbeit einkehrten und sich der Freizeit hingaben, füllte den Platz mit Leben, während die beiden Frauen sich auf der Nordseite weiter bewegten, von wo immer noch das geschäftige Klirren von Stahl auf Stahl aus den Schmieden ertönte.
    „Ich nahm an, Ihr würdet es mir verraten, wenn der Moment gekommen ist“, entgegnete Johanna. Liuven schien diese Antwort zu belustigen.
    „Die Stadt kennt viele talentierte und erfahrene Schmiede. Wir besuchen Einen der Besten von ihnen.“
    Sie zeigte auf das Paket in Johannas Händen.
    „Was du da trägst, ist ein Andenken an meine Jugend. Stewark stand schon immer im Schatten der beiden großen Städte auf dieser Insel und war immer wieder Spielball verschiedener Herrscher. Und unser Vater wollte stets, dass wir uns im Fall der Fälle verteidigen können. Also ließ er für jeden von uns eine Rüstung anfertigen. Meine Brüder trugen ihre mit Stolz, und zumindest mein jüngerer Bruder sammelte viele Scharten auf seinem Panzer. Der meines älteren Bruders glänzte vor allem golden in der Sonne. Aber meiner setzte ziemlich bald Spinnweben an.“
    Ihr Lachen klang so klar wie das Plätschern eines Gebirgsbaches.
    „Ich war gerade einmal 14 Sommer alt und hatte sicher anderes im Sinn, als zu kämpfen. Und als ich älter wurde, lernte ich, dass man als Frau in dieser Welt seine Kämpfe besser ohne Klinge austrägt. Aber die Rüstung war zu schade, um sie wegzuwerfen. Und nun könnte sie doch noch den Zweck erfüllen, für den sie gefertigt wurde – mit ein paar Anpassungen, vielleicht.“

    Johanna starrte verdutzt auf das Paket. Sie musste sich eilen, um zu Liuven aufzuschließen. „Das hier ist Eure Rüstung?“
    „Nur ein Brustpanzer“, stellte Liuven richtig. „Nun schau nicht so, als hätte ich dir ein Stück Land vermacht! Mir lag nie viel an diesem Ding, und wenn Hertan so große Stücke auf dich hält, trenne ich mich gern davon. Und wer weiß? Vielleicht kann ich eines Tages eine Beschützerin gut gebrauchen. Ich würde meine Unversehrtheit lieber einer Frau anvertrauen, die meinem Bruder dient, als die Hilfe einer Akademie-Kriegerin in Anspruch zu nehmen.“
    Nun begriff Johanna. Ein verstehendes Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie antwortete: „Es ist mir eine Ehre.“
    „Aber glaub bloß nicht, dass du um alle Kosten herumkommst! Alle anderen Teile deiner Rüstung wirst du selbst bezahlen müssen. Ich komme aber gern für die Anpassung dieses Stücks hier an deine Maße auf.“
    Liuven blieb vor einer Tür stehen, aus der gedämpft Hammerschläge an ihr Ohr drangen. Sie sah sich um, und ihre Augen weiteten sich. Diesen Ort kannte sie!
    Die Herrin deutete lächelnd auf die Tür und hob die Augenbrauen. „Wollen wir?“

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    Waldläufer Avatar von Kisha
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    Vor dem Haus der Magier

    Es war so einfach. Ein gutes Wort von Aniron, ein kurzes Schreiben von Tinquilius. Mehr brauchte sie nicht. Kisha schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Ihr lebt in einer komischen Welt von Zetteln“, sagte sie an die Wehmutter gewandt und wedelte mit der Zugangserlaubnis für das Archiv der Burg Silbersee herum.
    „Die Kizalongwe erinnern sich mit ihren Köpfen und teilen ihre Geschichten von Mund zu Ohr. Unsere Erinnerung lebt. Eure liegt aufgeschrieben in einer Burg, und man kommt nur hin, wenn man noch mehr Geschriebenes mitbringt.“
    Kisha saß vornüber gebeugt auf der Bank vor dem Haus der Magier, die Ellenbogen auf die Knie gestützt. Ihr Reisegepäck stand neben ihr. Es war schon seit gestern fertig gepackt.
    „Danke, dass du mit mir reist“, sagte sie an ihre Lehrerin gerichtet. „Und du willst danach auch nach Tooshoo, eh? Ich hoffe, deinem mume und deiner binti geht es gut.“
    Ihr Blick ging hinüber zu den beiden kleinen Mädchen, die sich die Zeit damit vertrieben, möglichst akrobatisch eine volle Drehung um die eigene Achse mit einem Sprung zu vollführen.
    „Also mit beiden Mädchen in den Sumpf? Da müssen wir gut aufpassen.“ Sie tippte ungeduldig mit dem Fuß auf die Pflastersteine. „Falls wir hier noch wegkommen.“

    „Ich bin ja schon da!“, keifte es von der Eingangstür. Kisha atmete erleichtert auf. Endlich hatte dieses elende Warten ein Ende.
    „Jetzt tu nicht so theatralisch, Novizin! Hätte mir mal eher jemand Bescheid gesagt, hätte ich auch schon alles fertig gehabt!“
    Die Frau mit den holzbraunen, gelockten Haaren hievte einen erstaunlich großen Reisesack auf ihre Schulter und lief zu den beiden Mädchen hinüber. „Riya, zieh das hier an, sonst erkältest du dich auf der Reise!“
    Die Größere der beiden hielt inne und zog eine Schnute. „Mama! Ich bin fast zehn! Ich kann mir meine Sachen selbst aussuchen!“
    „Offenbar ja nicht, sonst wäre dir vielleicht aufgefallen, dass es Winter ist! Glaubst du, ich will, dass du mir in diesem blöden Sumpf, in dem sich dein Vater verkrochen hat, eine Lungenentzündung kriegst?“
    Das Mädchen erwiderte nichts, sondern riss ihrer Mutter seufzend den Überwurf aus der Hand. Fianna, die jüngste Tochter von Aniron, schenkte ihrer Freundin einen mitleidigen Blick.
    „Können wir los, Alia?“, fragte Kisha, der es ihrer Natur gemäß nicht recht gelingen wollte, den entnervten Unterton zu verstecken.
    „Aaliyah!“, korrigierte die Magierin schnippisch. „Und ja – je eher ich meinen Mann wieder aus diesem Tümpel schleifen kann, desto besser.“
    Kisha wandte sich Aniron zu, dass Aaliyah und die Mädchen in ihrem Rücken standen, und sah Aniron mit großen Augen an, die ‚Muss die wirklich mit?‘ schrien. Ihr Mund aber vermied es glücklicherweise, den Gedanken auszusprechen. Stattdessen schob sich ein Ausdruck der Erleichterung auf ihre Lippen. Endlich ging es los.
    „Na dann! Twende!“
    Das würde eine interessante Reise werden. Ihre Reisegesellschaft, bestehend aus zwei Wassermagierinnen und deren Töchtern, war es allemal.

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    Krieger Avatar von Die Bürger
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    Hungrig und völlig unbekümmert züngelten Flammen an den Hölzern des kleinen Lagerfeuers und vertrieben dabei tapfer die eingesetzte Dunkelheit. Ein beruhigendes Blubbern des Eintopfes füllte die alles vereinnahmende Stille zwischen den beiden Männern, die beide wortlos ihren eigenen Gedanken nachgingen. Armond selbst genoss nach all der Zeit in der nach Fisch und Meerwasser stinkenden Ansammlung von Müll und Bruchbuden, die sich Stadt schimpfte, die erfrischende und unberührte Nachtluft des stewarknahen Umlands.
    Und Isidor?

    Der Schmiedegeselle klammerte sich noch immer unsicher an den geliehenen Kurzbogen und fuhr nervös mit den Fingern zum wiederholten Male über die Maserung der einfach gearbeiteten Waffe. Sein Ausdruck war in den letzten Stunden regelmäßig von absoluter Überraschung, vollkommener Überforderung, Todesangst und einem kleinen Funken Neugierde gewechselt, er war allerdings schlau - oder feige - genug gewesen, nicht nachzufragen. Wortlos war er jeder einzelnen Anweisung des mittelalten Mannes gefolgt, hatte sich die Waffe umgeschwungen, war ihm quer durch Stewark und durch das Haupttor hinaus in die Wildnis gefolgt, hatte Feuerholz gesammelt und schließlich Gemüse für den Eintopft geschnitten. Und so sehr Armond einen folgsamen, schweigenden Handlanger bevorzugte, der ohne dümmliche Fragen zu stellen, seine Befehle befolgte - nach seiner Erfahrung vereinfachte es die Zusammenarbeit enorm, wenn die Hackordnung von Beginn an klar war - so wie der Knabe gerade drauf war, würde er diese Nacht vermutlich einen Herzinfarkt erleiden und seine ganze bisherige Arbeit zerstören.

    »Wir sind nicht hier draußen, weil ich dich umbringen möchte.« Seine Stimme durchschnitt die Stille zwischen ihnen mit einer Endgültigkeit, die darauf schließen ließ, dass das nicht der einzige Satz bleiben sollte. Dennoch ließ er sich Zeit. Er erhob sich langsam und füllte beide Schalen mit dem Eintopf. Eine davon reichte er begleitet von einem zustimmenden Nicken dem Schmiedeburschen.
    »Ich schlage vor, dass du mir in aller Ausführlichkeit von deinem kleinen Ausflug in die Akademie berichtest und dir im Anschluss erzähle, weswegen wir hier sind. Aber bitte - wir möchten ja nicht, dass der Eintopf kalt wird. Wohl bekomm's.«

    Felia

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    AI  Avatar von Isidor
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    Stewarker Umland

    Etwas benommen nahm Isidor die angebotene Schüssel mit erstaunlich gut riechendem Eintopf entgegen. Die dickflüssige Masse dampfte einladend und die Hitze, die sich in seinen Händen ausbreitete, war ein wohliger Kontrast zu der kalten Nachtluft des winterlichen Stewarker Umlands. Zwar war der Winter auf Argaan deutlich gemäßigter als auf dem Kontinent, aber angenehme Temperaturen war keine Beschreibung, die der Schmied gewählt hätte.
    Dass Armond ihm versicherte, dass sie nicht hier waren, damit der Hüne seine letzte Mahlzeit vertilgen und später als Futter für die Tiere enden konnte, hatte er vermutet. Warum sollte sich der Mann auch selbst die Hände schmutzig machen, wenn er sicher jemanden fand, der es freudig für ihn erledigen würde? Stattdessen beschäftigte den Blondschopf eher, wieso er den Bogen von ihm bekommen hatte. Offenbar wollte er seinem Versprechen nachkommen, ihm etwas beizubringen. Aber bisher hatte er nur einfache Aufgaben erledigt, von denen keine etwas mit dem Schießen zu tun gehabt hatte.

    Isidor setzte die Schüssel an den Mund, blies vorsichtig herein und nahm dann einen Schluck. Etwas wässrig vom Geschmack, aber die Wärme tat gut und er spürte, wie sie in seinen Magen wanderte.
    „Ich fürchte, dass ich nicht viel Nützliches in Erfahrung bringen konnte“, begann er dann zu erzählen, was er in der Akademie gemacht hatte, „Ich wurde in eine Art Buch oder Liste eingetragen, habe von Meister Alberich den Zettel überreicht und im Austausch eine beträchtliche Summe Gold erhalten. Dafür musste ich in das oberste Stockwerk, wo es einige Räume gibt. Ich habe einen Blick riskiert, aber es sind bloß einfache Unterkünfte, die vielleicht etwas besser ausgestattet sind, als ein Zimmer in der Klippenschänke.“
    Er nahm einen weiteren Schluck des Eintopfes und beobachtete, wie Armond ebenfalls das Essen genoss. Als Mitglied einer wichtigen Organisation des myrtanischen Reiches hätte Isidor vermutet, dass er eher dekadenteres Essen bevorzugen würde. Doch scheinbar machte der undurchsichtige Mann keinen Unterschied, solange es seinen Magen füllte.

    „Das Büro des Leiters Tiberon war ähnlich karg eingerichtet. Arbeitstisch, einige Regale mit Schriftrollen und Büchern.“
    Ob dort das gesamte Wissen der Akademie verwahrt wurde? Der Schmiedesohn hatte keinen Vergleich und war nie sonderlich belesen gewesen. Seine Vorstellungskraft konnte die potentielle Menge an Informationen, die auf einige Seiten Pergament passten, nicht fassen.
    „Wenn ich schätzen müsste, kann das kaum das gesamte Wissen der Akademie sein, welches du suchst“, wägte er ab, um einen nicht zu enttäuschenden Eindruck zu hinterlassen.
    Er fragte sich, ob Armond zufrieden wäre, wenn er mit seinem Bericht fertig war oder ob er nicht sogar schon all das wusste. Vermutlich war dem so und dies war lediglich ein Test, dessen Bestehen über viele Dinge ihrer ungleichen Beziehung entscheiden würde.

    „Im ersten Stockwerk bin ich auf einige Klingen getroffen. Sie waren ein gemischter Haufen. Einer hieß Aaro, eine Keeva und die andere beiden haben ihre Namen nicht genannt. Scheinbar fehlt es der Akademie an Rekruten, Aspiranten nannten sie sie. Eine von ihnen war sehr arrogant, während die anderen offen überlegten, ob ich mich nicht eignen würde.“
    Dass er es mit seiner nicht sonderlich schlagfertigen Art vermutlich schlimmer gemacht hatte, ließ er bewusst unausgesprochen.
    „Und später habe ich Meister Alberich nach Unterstützung gebeten. Er war wohl einst ein Meister der Akademie und berichtete mir, wie es dort ablief. Es wirkte sehr propa… proga… beeinflusst durch andere. Die Klingen wären sehr angesehen gewesen und wenn man ihnen beitreten wollte, musste man etwas vorzuweisen haben. Die Meister bildeten ein Tribunal, welches als Richter fungierte und den Leiter unterstützte.“

    Isidor schwieg, trank den Rest seines mittlerweile stark abgekühlten Eintopfes und überlegte, ob er etwas vergessen hatte, was er nicht bewusst unerwähnt lassen wollte.
    „Da war wohl alles. Meister Alberich scheint nicht bereit zu sein, mir zu helfen, aber wenn ich ihn weiterhin bearbeite, dann gibt er mir vielleicht eine Chance. Ich vermute, dass ich ihm nur vorspielen muss, dass ich sein Heimatland verteidigen will, weil es auch für mich zur Heimat wurde oder so etwas in der Art.“
    Armonds Miene war undurchdringlich. Das übliche, immerwährende Schmunzeln spielte um seine Lippen, während er seine Hände dem knisternden Feuer entgegenstreckte.
    „Wirst du mir das Bogenschießen beibringen?“, fragte der Hüne schließlich und hob den kleinen Bogen an, der auf seinem Schoß ruhte.

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    Stewarker Umland

    »Ich bin ein wenig enttäuscht, mein Gutester.«, gestand Armond offen. Er nahm sich einen Nachschlag vom Eintopf, denn während Isidors Erzählungen hatte er seine Schüssel restlos geleert.
    »Du kannst doch eine Erzählung nicht damit beginnen, deine Erkenntnisse selbst klein zureden und dann einen minutenlangen Monolog halten.« Zufrieden lächelte er den Schmied an. Dieser Bursche hatte also tatsächlich Zugang zur Akademie erhalten - das an sich war durchaus schon eine nennenswerte Leistung, die ihn von vielen seiner Vorgängerinnen und Vorgänger unterschied - er aber hatte das zugegeben sehr zu Armonds Überraschung schneller geschafft als die Leute vor ihm. Und er war jetzt hier, um von seinen Erkenntnissen zu berichten. Das war ein Alleinstellungsmerkmal.

    »Willst du noch? Nein- na gut. Selbst Schuld.«

    Für eine Weile ging er schweigend seinen eigenen Gedanken nach, dann riss die Frage des Verbrannten ihn unschön zurück ins Hier und Jetzt.
    Armond brummte zustimmend.

    »Nach allem was wir wissen, liegt in der Akademie ein besonderer Fokus auf die Ausbildung der Krieger. Wenn du wirklich Zugang dorthin erlangen willst, dann musst du wenigstens die Grundzüge an einer Waffe beherrschen.«
    Mit dem Kinn deutete er auf den Bogen.
    »Für einen Mann deiner Statur ist der Bogen eine völlig ausreichende Waffe. Die absoluten Grundkenntnisse sind vergleichsweise schnell gelernt, du solltest aufgrund deiner Schmiedearbeit außerdem zumindest ausreichend Kraft in den Armen haben, sodass wir uns nicht groß mit der körperlichen Ertüchtigung beschäftigen müssen.«, erklärte der Mann monoton, musterte Isidor aber bei jedem seiner Worte eindringlich.
    »Du darfst dir aussuchen, ob du weiterhin deinen Damenfreunden in der Stadt nachts das Bett wärmst und jeden Morgen herkommst oder ob du deine Sachen packst und du für ein paar Tage verschwindest. Aber lass dir bitte für beides eine gute Ausrede einfallen. Wortlos zu verschwinden und täglich die Stadt zu verlassen fällt beides irgendwann auf.« Für einen Augenblick hielt Armond inne.
    »So oder so erwarte ich dich bei Sonnenaufgang in zwei Tagen wieder hier. Und Isidor-« Er taxierte den Schmiedegesellen eingehend und ließ der ursprünglich zwischen ihnen herrschenden Stille wieder Raum.
    »Eine gute Ausrede.« Erneut pausierte er regungslos.
    »Und ich warte nicht gern. Auf bald.«

    Damit war das Gespräch für ihn beendet und er zückte ein Stück Papier, auf dem er in aller Ruhe und fein säuberlich wieder einige Dinge niederschrieb.

    Felia

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    AI  Avatar von Isidor
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    „Viele Worte mit wenig Inhalt, nichts weiter“, erwiderte Isidor säuerlich, „Was bringt es dir schon, wenn du weißt, wie die Krieger dort hausen oder dass sie nach neuen Streitern suchen? Vermutlich sucht auch das myrtanische Heer stetig nach neuen Rekruten, nicht wahr?“
    Immer wieder sagten ihm Menschen, dass er sich zu Unrecht einredete, dass er nichts von Wert leistete. Doch war dem wirklich so? Wann hatte er das letzte Mal etwas erreicht, worauf er selbst stolz sein konnte? Vor einem Jahr? Vor zehn? Er konnte sich nicht erinnern.

    „Wollen oder müssen, was ist der Unterschied? Wenn du dein Versprechen hältst und mir hilfst den Mörder Hsia seiner gerechten Strafe zuzuführen, dann werde ich mich auch als Krieger für einen der Feinde des Reiches verkaufen bis ich habe, was ich will“, erklärte er bitter, aber mit unumstößlicher Überzeugung.
    Dann erhob er sich, ließ all die anderen Sachen, die Armond ihm an den Kopf geworfen hatte, bevor er sich offenkundig aus dem Gespräch herausgezogen hatte, unkommentiert und stapfte ohne ein weiteres Wort zurück gen Stadt.

    Seine Gedanken ruhten keinen einzigen Moment auf dem Rückweg nach Stewark.
    Eine gute Ausrede, wiederholte er die Warnung des seltsamen Mannes und versuchte eine Lösung für dieses Problem zu finden.
    Die wenigen Wochen, die er erst für Meister Alberich arbeitete, würden tatsächlich eine solide Erklärung erfordern, damit er ihn nicht einfach aus seinen Diensten entließ, sobald er sich einige Zeit nicht blicken ließ. Ein einfaches „Ich werde für eine Weile nicht mehr vorbeischauen“ hätte wohl genau das zur Folge.

    Den Seitenhieb, dass er seinen Damenfreunden das Bett wärmte spürte er noch immer, doch schluckte er den Ärger darüber herunter. Sollte Armond ihn doch verspotten, wenn er wollte. Solange er seinen Teil der Abmachung einhielt, war er für Isidor ebenso ein Mittel zum Zweck wie es andersherum genauso war. Dummerweise war der Hüne von dem Spion deutlich abhängiger, wohingegen er vermutlich entbehrlich war. Scheiterte er, würde einfach jemand anderes seinen Platz einnehmen.

    Der Schmied nickte den beiden Wächtern am Tor zu, die ihm müde auf der fackelbeleuchteten Brücke entgegenstarrten. Ein kurzes Gespräch entstand, wo er erläutern musste, dass er vor wenigen Stunden die Stadt erst verlassen hatte, um „den Kopf freizukriegen“ und nun hoffte etwas Schlaf zu finden. Der eine erkannte ihn sogar als Geselle von Meister Alberich, was ihn maßgeblich wunderte und dann wurde er weiter gewunken. Isidor war dankbar, dass er nicht allzu lange aufgehalten worden war, selbst wenn er nicht ansatzweise so müde war, wie er behauptet hatte. Viel mehr zermarterte er sich noch immer den Kopf darüber, was er Alberich und Elara sagen sollte. Würden sie es ihm abkaufen, wenn er sagte, dass er wegen eines Briefes nach Thorniara musste? Immerhin wussten sie, dass er aus Myrtana kam und dass er dort noch Familie oder Freunde hatte war schnell erschwindelt.

    Doch das würde ihm nur einige wenige Tage verschaffen und vermutlich hätte er einen Boten beauftragen können, ihm das erlogene Schreiben zu bringen. Was, wenn er irgendwie anbrachte, dass er seine Chancen bei Frieda verbessern wollte und deshalb losziehen wollte, um in Thorniara, die als Hafenstadt ein breiteres Angebot an Waren aller Art besaß, auf die Suche zu gehen?
    Bei diesem Gedanken schlingerte sein Magen unangenehm. Fräulein Frieda als Ausrede vorzuschieben, erschien ihm auf vielen Ebenen als falsch und selbst wenn er nun nicht mehr bei der Wahrheit bleiben konnte, gab es Grenzen, die er sich zu übertreten weigerte.
    Irgendetwas muss es doch geben…, dachte er, während er die Klippenschänke betrat und zu seinem Zimmer hinaufstieg.

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    Schwertmeisterin Avatar von Chala Vered
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    Tempel des Wassers

    Am Fuße der Wendeltreppe, die tatsächlich nicht mehr als große, grob geschlagene Steine im Fels zu sein schienen, angekommen, stockte Chala für einen Moment der Atem. Exzentrik, die in diesem Moment die Oberhand hatte, war verzückt und beeindruckt von dem Anblick, der sich ihr bot. Sanftes, blaues Leuchten füllte den ehrfurchtsgebietenden Tempel des Wassers und selbst für sie war der Puls der Magie zu spüren.
    Schaut euch diese Farben an!, schwärmte Exzentrik, [i]Das Leuchten, das Wasser, die Arkaden – es ist alles so wunderbar anders!
    Sie drehte sich im Kreis nachdem sie tiefer in das ausladende Gewölbe getreten war und nahm die unterschiedlichen Eindrücke in sich auf.
    Dieser Ort inspiriert mich zutiefst. Ich fühle mich, als könnte ich hier alles kreieren! Geschichten, Bilder, Musik…

    Oh! Musik, um die Armen die Last des alltäglichen Leids vergessen zu lassen!, stimmte Empathie enthusiastisch zu.
    Ich dachte eher an eine Ode an mich selbst, erwiderte Exzentrik und lächelte schwach, sodass man nicht wusste, ob es als Herabwürdigung des Vorschlags oder als leichter Scherz gemeint war.
    Daraufhin wirkte Empathie geknickt und schwieg wieder, während Chala den Blick durch die Halle schweifen ließ. Sie konnte das Meer riechen, es sogar auf der Zunge schmecken! Unter den Augen einer in blaue Roben gewandten Magierin, wobei sich ihre Gewandung optisch von denen Anirons und Danees unterschied, trat sie an die lange Wand, welche frei von den Akaden mit ihren kleinen Altären und steinernen Bänken war. Wand war nicht mal ein passender Begriff für dieses Wunder. So, als hätte der Ozean an dieser Stelle entschlossen zu enden, zog sich das Wasser von einem Ende der Seite des höhlenartigen Tempels zum anderen. Je näher die Aranisaani der Meereswand kam, desto kühler wurde es. Der Geruch von salz intensivierte sich und sie glaubte auch Fisch und Seetang riechen zu können.

    Es ist wie ein Märchen! quietsche Naivität plötzlich, überwältigt von kindlicher Freude, Fast wie in der Geschichte von Mutter über die versunkene Insel! Der Tempel ist so magisch und schön. Ich wünschte, wir könnten hier für immer bleiben.
    Ohne es tatsächlich sehen zu können, kam es den anderen Chalas so vor, als glänzten die Augen Naivitäts vor Begeisterung, und Exzentrik spürte einen Drang die Wand aus Wasser zu berühren, obwohl es nicht ihr eigener war. Doch sie wehrte sich nicht dagegen und ließ es geschehen, beobachtete mehr, als dass sie etwas dafür tat, wie ihre Finger das feuchte Nass berührten und…
    Man kann hindurchgreifen!, frohlockte Naivität und es war schwierig sich der überschwänglichen Energie zu erwehren, die drohte Exzentrik die Kontrolle vollständig abzuringen.
    Beruhig dich, Kleine!, versuchte sie die Situation zu retten.

    Doch es war Sorgfalt, die Ruhe in das kindliche Naturell brachte.
    Dieser Ort ist voller Geheimnisse, aber auch Gefahren. Wir müssen vorsichtig sein, warnte sie mit ruhiger Stimme, Die magische Schale, der Fels, vor dem die Magierin steht und uns beobachtet – alles Dinge, die wir nicht verstehen und was man nicht versteht, ist mit Vorsicht zu genießen. Wir müssen achtsam und klug handeln. Sprechen wir unseren Dank und verlassen diesen Ort fürs Erste.

    Wie kannst du hier so schnell wieder fort wollen?, fragte Empathie mit seidenweicher Stimme, Dieser Ort hat eine Seele. Ich kann die Energie des Wassers spüren. Ruhe und Frieden strahlt sie aus. Es ist, als ob der Tempel selbst lebt und atmet.
    Ihre Tonlage verriet, dass sie tief berührt war und echte Ehrfurcht empfand.
    Lasst uns etwas Spenden und einen Moment verweilen. Hier finden wir sicher eine Antwort für unsere Frage, wohin es uns als nächstes zieht.

    Narzissmus, die geduldig auf ihren Moment gewartete hatte, stieß mit einem Mal eine Woge der Willenskraft aus, löste sich aus dem gelockerten Griff Sorgfalts und zerrte Exzentrik vom Thron, um die Kontrolle zurückzuerlangen.
    „Hört euch nur selbst beim Reden zu!“, zischte sie leise, nicht ruhig genug, um nur ihre Gedanken sprechen zu lassen, „Schwärmt von diesem Ort und fürchtet ihn gleichzeitig. Sobald wir wieder an der Oberfläche sind, hat er keinen Einfluss mehr auf uns, also reißt euch zusammen!“
    Nur, weil man einen Ort verlässt, heißt das nicht, dass man ihn auch hinter sich lässt, gab Sorgfalt zu Bedenken und traf auf Unverständnis bei Narzissmus.
    „Ich bin dankbar, dass Aniron mir geholfen hat zu ergründen, was mich für so viele Jahre verunsichert hat. Jetzt, wo ich es weiß, kann ich weitermachen“, überging sie die Aussage, als hätte sie sie überhört – was, wie ihnen allen bereits bewusst geworden war, unmöglich war.

    Und was willst du jetzt tun, fragte Exzentrik abschätzig, die offenbar nicht glücklich über den gewaltsamen Verlust der Kontrolle über ihren gemeinsamen Körper war, sich für den Moment jedoch zurückzunehmen schien.
    „Wir werden an einen Ort gehen, wo wir ungestört… reden können und ihr werdet mir all das erzählen, woran ihr euch erinnert. Dann ist es so, als ob ich niemals Aussetzer hatte und kann endlich mein Ziel weiterverfolgen.“
    Während sie leise sprach, machte sie sich bereits wieder auf den Weg zur Wendeltreppe, von wo ihr einige in blau gekleidete Novizen entgegenkamen, die sie zunächst höflich grüßten und dann etwas verdutzt anstarrten, als sie scheinbar Selbstgespräche führte.
    Und das wäre?, wollte Sorgfalt interessiert wissen.
    „Was ich schon immer wollte, Freiheit und die Macht sie zu behalten.“

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