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Tooshoo #39
Bewahre Reisender,
die Ruhe im Bruchwald von Tooshoo ist trügerische. Nachdem das Weißauge gefallen ist, halten sich die Echsenmenschen bedeckt. Doch noch immer hält sich das Dunkel, das die Schwarzmagier vor vielen Wintern dort entfesselten, und für jeden Sonnenstrahl, der das Blätterdach durchbricht, tummelt sich eine Kreatur in den Schatten der Mangroven, bereit unbedarfte Wanderer in die Tiefen der Sümpfe zu reißen und nie mehr freizugeben.
Der Baum von Tooshoo steht unberührt - heute mehr denn je wie eine abgeschottete Festung inmitten der Baumkronen. Seit dem Überfall der Echsen hat ihn scheinbar niemand mehr betreten. Doch mancher meint des Nachts einen Lichtschein hoch oben am Baum gesehen zu haben - vermutlich ein verirrtes Irrlicht.
Das unbewohnte Schwarzwasser ringsum ist im Verfall begriffen. Die Dächer sind undicht, so manche Hütte bereits eingefallen. Nur wenige Stege auf dem Hauptweg nach Süden scheinen noch von unsichtbarer Hand instand gehalten zu werden. Einzig die Sumpfkrautplantage südlich von Schwarzwasser, wo sich der Wald zu lichten beginnt, ist wieder in Betrieb und liefert das im Schutze des gefährlichen Waldlandes angebaute Rauchkraut in die Städte des Nordens der Insel.
Es heißt, das Waldvolk sei hierher zurückgekehrt, nachdem das Fort im Bluttal durch die Orks gefallen ist. In Gruppen sollen sie den Bruchwald durchstreifen. Auch sei das ein oder andere Mal ein Reisender durch einen Pfeil oder Speer aus dem Nichts vor einer Sumpfkreatur gerettet worden. Doch die Zeiten, in denen man sie in der Sumpflilie auf ein Bier und einen Plausch antreffen oder auf dem Schwarzmarkt Waren von ihnen erstehen konnte, sind lange vorbei.
Wenn du Kontakt zum Waldvolk suchst, probiere es lieber im südlichen Stewark. Es heißt, regelmäßig besuche eine Gruppe von Waldläufern das Gasthaus zur Gespaltenen Jungfrau. Glaube mir: Du sparst dir eine gefahrvolle Reise und es ist wahrscheinlicher, dass du jemanden triffst, der bereit ist mit dir zu sprechen.
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Baumkrone Thing - Tag 3 - Die Feier danach
Die beiden Rimbe schauten der sich entfernenden Gestalt des Wolfes nach. Beide mit unterschiedlichen Gefühlen. Beide mit verschiedenen Gedanken. Zarra verspürte Dankbarkeit, dass er auf ihrer Seite gestanden und auch, dass er auf ihre Fragen Antworten gegeben hatte. Ja, er mochte schwierige Entscheidungen getroffen haben, die nicht immer jedem gefallen hatten. Doch so, wie sie ihn bisher kennengelernt hatte, waren sie stets zum Wohle der Gemeinschaft gewesen. Er mochte persönliche Ambitionen haben, doch wie schon bei der Verhandlung um Shakes war er in der Lage sich für das Waldvolk zurückzunehmen, wusste, dass seine Meinung wohl die Mehrheit gegen den Sumpfkrautbauern sammelte, wenn er sich geäußert hätte.
Nerea hingegen war die Wut ins Gesicht geschrieben, aber auch Kummer, denn sie wusste, dass er recht hatte. Zarra würde sich nicht ewig damit begnügen abgespeist zu werden, denn irgendwann hätte selbst sie genug. Erwartungsvoll blickte die junge Frau ihre Großmutter an.
„Können wir nicht nach dem Thing…“, versuchte es die Alte erneut doch mit wenig Hoffnung in der Stimme.
„Nein“, beschied ihre Enkelin schlicht und verschränkte erneut die Arme.
„Also gut“, seufzte Nerea und setzte sich dort auf die Bank, wo Ornlu zuvor aufgestanden war.
„Dann lass mich dir erzählen, was ich einst selbst von meiner Mutter und Garaia berichtet bekam“, begann sie endlich die langersehnte Geschichte, nach der sich Zarra verzerrte, „Einst, wenigere Jahrhunderte nach der großen Flut, schlossen sich vier Familien zu einer Sippe zusammen. Wie der Jadewolf sagte, verstanden sie sich alle als einen Flügel der Libelle, denn die Familienoberhäupter waren alle mächtige Druiden, die von großen Libellengeist berührt worden waren. Es gab Thalor, Eldrin, Myrka und Rimbe. Myrka kam aus Gorthar nach Midland, folgte dem Ruf der Libelle zu jenen, mit denen sie über die Natur verbunden worden waren. Die Namen der ersten Oberhäupter sind nicht überliefert, doch sie alle waren wahre Meister darin, wenn es darum ging mit Insekten zu leben und in einer Symbiose zusammenzuarbeiten.“
Vier Familien also, eine für jeden Flügel der Libelle. Zarra staunte nicht schlecht, dass eine der Familien aus Gorthar stammte, einem Ort, den sie nur aus Erzählungen kannte. Ob es noch immer Nachfahren der Myrka gab, die dort lebten? Würde sie sie finden können?
„Die Libellensippe lebte in den Wäldern um Sildana, welches wie heutzutage Silden nennen, deinen und auch meinen Geburtsort“, fuhr Nerea fort und jetzt, wo sie einmal begonnen hatte zu erzählen, legte sich ein erinnerungsschweres Lächeln auf ihre Lippen, „Sie bevorzugten das Leben in der Nähe von Tümpeln, Seen und Flüssen, dort wo die Libellen zahlreich waren. Sie ehrten alle Insekten und die Natur in jeder ihrer Taten und, ganz ähnlich zum Jadewolf, folgten sie den Lehren des Niederen Pfads. Sie erkannten und achteten das Gesetz der Selektion, hatten wenig Platz für Mitgefühl und hielten ihren Kern stark und gesund. Es gibt noch einige wenige Rituale, von denen ich dir erzählen kann, die dies verdeutlichen. In den meisten Fällen berauschten sie sich mit Sumpfkraut und nutzten den Flug der Libellen für Deutungen, wenn sie einen Zustand höheren Bewusstseins erreichten.“
Das klang fast so, wie die Sicht, welche Zarra am Schrein der Mutter und später im Nördlichen Bruchwald durchlebt hatte, als die Blaue Sumpfjungfer auf ihrem Rücken gelandet war. Wenn die Druiden der Libellensippe diesen Zustand willentlich herbeiführen und auch kontrollieren konnten, glaubte sie zu ahnen, wie mächtig sie gewesen waren.
„Als alte Sippe Sildanas waren sie auch mit den anderen Sippen dort verbündet. Viele der Namen hast du bereits gehört und ich brauche sie dir sicher nicht alle aufzählen, denn wie du weißt, diente unsere Familie auch später noch, nachdem es die Libellen nicht mehr gab, ihren alten Verbündeten. Denn wir Rimbe waren die einzigen der vier Familien, die ihren Ursprung in den Wäldern dort begründeten. Aber es gab nicht nur jene, die uns freundlich gesinnt waren. Der große Libellengeist war im steten Krieg mit dem Naturgeist der Blutfliege. Wie du dir vorstellen kannst, bevorzugten sie dieselben Gebiete und dieselbe Beute und es heißt, dass sie beide auf einen uralten Geist zurückgehen. Sie beide suchen nach ihm oder ihr, wobei es nicht ganz unähnlich ist wie mit Garagh und Dzabba, denn sowohl die Libelle, als auch die Blutfliege erhoffen sich Stärke, wenn sie das Urinsekt finden und in sich aufnehmen können. Das war der Hauptgrund für die Entstehung der Libellensippe und einigendes Ziel bis zur Auflösung“, erzählte Nerea weiter und stockte nur kurz, um sich einen Schluck Apfelwein zu genehmigen, da ihre Stimme bereits kratzig wurde.
„Also gab es etwas, das die Familien zueinander führte. Der Wunsch der großen Libelle den Geist des Urinsekts zu finden, um über die Blutfliege zu herrschen?“, hakte Zarra nach, um zu prüfen, dass sie noch folgen konnte.
„Genau, auch wenn das sicher nicht der einzige Grund war, denn das erscheint mir doch etwas primitiv. Allerdings ist die Natur manchmal eben genau das. Brutal und unnachgiebig“, bestätigte die Kräuterfrau und fuhr dann mit ihrer Erzählung fort, „Natürlich waren nicht nur die Druiden an der Suche beteiligt, sondern auch die Waldläufer der Sippe, welche sich – wie der Jadewolf schon richtig sagte – einem leichten Körperbau und ungesehenem Geschick rühmten. Wir waren noch die die Größten und Stärksten, doch Geschwindigkeit, Leichtfüßigkeit und das kluge Nutzen von Giften, die uns die Pflanzen und Insekten schenkten, wogen dies stets mehrfach auf.“
Zarra bemerkte, wie ihre Großmutter zum wir gewechselt war und fühlte dadurch eine stärkere Verbundenheit zu ihren Wurzeln als jemals zuvor. Ihre Oma war noch immer im Herzen Teil der Libellensippe. Wann hatte sich die Sippe aufgelöst? War sie noch tatsächlich eine Angehörige gewesen?
„Es kam immer wieder zu Kämpfen zwischen den Anhängern der Blutfliegen, meist Tiere, aber ab und an auch ein Druide, der sich auf deren Seite geschlagen hatte. Von einer ganzen Sippe ist allerdings nie die Rede gewesen“, wieder hielt Nerea kurz inne, sammelte sich wohl vor dem nächsten Teil, den sie erzählen wollte, „Seit jeher wird die Geschichte der Sippe von den Eltern an die Kinder mündlich weitergegeben, doch ich habe diese Pflicht viel zu lange vor mir hergeschoben. Es soll das Wissen, die Traditionen und die Erinnerungen an die Taten und unsere einzigartige Verbindung zu der Natur lebendig halten. Es stimmt, dass Wahrheiten wichtig sind, aber sie fügen auch Schmerz und Leid zu und das wollte ich dir ersparen, Liebes. Versteh das bitte.“
Die Weißhaarige nickte kurz, wollte nicht riskieren mit ihren Worten einen Vorwand zu liefern, der ihre Großmutter vom Weitersprechen abhalten könnte.
„Es gab einen Verrat in der Libellensippe. Eines der Oberhäupter verschrieb sich der Blutfliege“, offenbarte sie und ihre Miene verdunkelte sich, „Mit Hinterlist und Tücke brachte der Patriarch der Eldrin die anderen Familienführer auf grausamste Art und Weise um, nahm uns das Wissen, welches sie noch nicht geteilt hatten. Wie es danach zur Auflösung der Sippe kam ist umstritten. Manche behaupten, dass die Familie Eldrin verstoßen wurde, andere, dass Zwietracht die vorherige Vertrautheit ersetzte. Es könnte auch sein, dass für die große Libelle nur der Verrat zählte und damit die ganze Sippe in Ungnade gefallen war und seither ein Fluch auf den Familien lastet, der uns langsam aussterben lässt. Wenige oder keine Kinder, schwächlich und kränklich.“
Dieses Wissen brachte Zarra zum Nachdenken. Immerhin war sie selbst als Säugling wohl kränklich gewesen und ihr schlohweißes Haar war auch nichts, was man häufig bei Menschen ihren Alters sah. Doch was sollte sie dagegen tun? Sie hatte überlebt und war bester Gesundheit. Klein war sie, ja, doch das hatte ihr bisher nicht geschadet.
„Und Nori Blaublatt? Ornlu erwähnte sie und dass es ein Lied über sie gibt.“
„Ah ja, die wohl bekannteste Waldläuferin der Libellensippe. Das Lied singe ich dir ein anderes Mal vor, doch sie war sowohl für ihre herausragende Geschicklichkeit gerühmt, als auch für ihren Umgang mit Giften, in die sie ihre Pfeile tunkte. In zahlreichen Kämpfen gegen die Orks aus dem Norden und die Anhänger der Blutfliege tat sie sich hervor und wie auch die Füchse und andere Sippen hat sie eine Waffe aus dem grünen Sumpferz als Anerkennung bekommen. Allerdings ist nicht bekannt, wo die Waffe ist.“
Ein Moment des Schweigens folgte den letzten Worten Nereas, in denen Zarra sich erneut alles vor Augen führte, was sie soeben gehört hatte. Endlich erfuhr sie etwas über ihre Ahnen und doch schien das Bild nicht komplett zu sein.
„Gibt es noch mehr, was du mir erzählen kannst?“, fragte sie deswegen.
„Das ist alles, was mir meine Mutter erzählte“, antwortete die Kräuterfrau ehrlich und breitete entschuldigend die Arme aus, „Aber wenn du mehr wissen willst, findest du vielleicht Antworten in den alten Steinkreisen, die unsere alte Sippe auf dem Festland gepflegt haben.“
„Und…meine Mutter?“, versuchte die junge Frau es erneut.
„Darüber…kann ich einfach nicht reden, Liebes. Entschuldige bitte.“
Nerea wirkte gequält und gleichzeitig betrübt. Die Trauer über den Verlust ihrer Tochter war selbst nach all den Jahren noch nicht abgeklungen und würde sie wohl bis an ihr Lebens Ende begleiten.
„Ich verstehe, Oma“, versuchte die Enkelin ihre Großmutter zu beruhigen, denn sie verstand es wirklich.
Doch es musste noch mehr Menschen hier in und um Tooshoo geben, die ihre Mutter gekannt hatten und ihr etwas über sie erzählen konnten. Enya zum Beispiel und sicher auch einige andere Leute. Sie musste nur den Mut aufbringen zu fragen.
„Ich glaube, dass ich den Rest des Abends allein sein will“, meinte Zarra entschuldigend, „Über alles nachdenken. Danke, dass du es mir endlich erzählt hast.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte die junge Frau sich ab und lief auf die Treppe zu, die sie von der Baumkrone führen würde.
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Nacht nach dem Thing - Schießstand
Freiya ließ die Sehne los und der Pfeil flog mit einem leisen Surren durch die Luft auf die Zielscheibe. Zufrieden ließ die Rothaarige den Bogen sinken, betrachtete das Holz dabei mit einem versonnenen Lächeln. Er schoss so gut, wie sie es sich erhofft hatte. Wer wusste, was sie damit alles machen konnte, wenn sie ihre Schießkünste verfeinerte? Vielleicht tatsächlich mit Onyx‘ Hilfe? Der hatte es ihr immerhin „angeboten“.
Es war eigentlich zu dunkel, um vernünftig zu schießen. Aber sie hatte ihre neue Waffe unbedingt ausprobieren wollen, war sie bisher schließlich nicht dazu gekommen. Also hatte sie ihr Mahl, das nach dem Thing aufgetischt wurde, schnell und ungeduldig heruntergeschlungen und sich anschließend davon geschlichen. Und das, obwohl sie Apfelwein mochte!
Als sie die Pfeile wieder von der Zielscheibe zog, wanderten ihre Gedanken zurück zu den Geschehnissen am Nachmittag und vor allem fiel ihr dabei Leona ein, die Bademeisterin, die ein Badehaus errichten wollte. Ein richtiges Badehaus! Wo man sich von den Blicken der anderen abgegrenzt in Ruhe waschen (lassen) konnte. Freiya fand diese Vorstellung so traumhaft, dass sie hätte am liebsten sofort die Bretter für dieses Badehaus irgendwo beschafft.
„Hier steckst du, wusste ich es doch!“, holte eine Stimme hinter ihr sie aus ihrem gedanklichen Badezuber.
Erschrocken fuhr sie herum: „Fridtjof!“
„Ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich wusste, dass es trotzdem passieren würde“, sprach der Jäger matt. Freiya musste schmunzeln.
„Ich habe den Bogen endlich mal ausprobiert“, erwiderte die Rothaarige und hob Pfeile und Bogen hoch zum Beweis ihres Tuns.
„Darf ich?“, fragte Fridtjof und deutete auf den Bogen. Die Waldläuferin nickte und er nahm das gute Stück, um es genauere zu betrachten.
„Das ist wirklich ein außerordentliches Stück Handwerkskunst“, stellte er fest, zog kurz an der Sehne und reichte Freiya dann wieder den Bogen.
Die Rothaarige nickte strahlend.
„Einer Waldläuferin würdig“, murmelte Fridtjof und Freiya strahlte immer noch, doch dann mbermerkte sie seinen ernsten Gesichtsausdruck.
„Was ist los?“, fragte sie. Er schwieg für einen Augenblick und ließ den Blick über den Schießplatz schweifen. Er atmete gedehnt aus und dann erst blickte er sie wieder an:
„Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden, Freiya.“
„Was? Wieso? Was meinst du?“, fragte sie überrascht.
„Ich werde Jarvo nach Khorinis begleiten, gemeinsam mit Lordan und Sennahoj. Mertens hat mich gefragt, ob ich mitgehen möchte und ich werde das tun. Es ist eine ehrenvolle Aufgabe, Jarvo zu begleiten. Wir brechen noch heute Nacht auf. Meine Sachen sind gepackt, ich mache gerade meine Runde, um jeden Lebwohl zu sagen.“
„Was?“, entfuhr es Freiya und sie sah ihn fassungslos an, Fridtjof aber schwieg. Das erwischte sie kälter als erwartet. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen und nickte:
„Ja, natürlich … Das ist eine ehrenvolle Aufgabe und du wurdest zurecht damit betraut, schweigsam und verlässlich, wie du bist.“
Sie versuchte aufmunternd zu lächeln.
„Freiya, ich gehe, weil ich Abstand brauche. Zu dir.“
Ihr Lächeln erstarb.
„Zu-zu mir?“
„Du weißt, was ich für dich empfinde. Und … ich kann nicht zusehen, wie du … mit dem Hauptmann anbändelst. Ausgerechnet ihm … “
„Ich bändel überhaupt nicht an!“, empörte sie sich. Fridtjof lachte auf, doch seine folgenden Worte waren verbittert:
„Oh, Freiya. Naive, süße Freiya. Selbst jetzt machst du mich wahnsinnig mit deinem Unwissen, und ich habe immer noch nicht herausgefunden, ob du wirklich so denkst oder es nur spielst.“
Getroffen sah sie ihn an, dann senkte sie den Blick und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„So denkst du über mich?“, flüsterte sie, doch er erwiderte nichts.
Warum war er überhaupt hergekommen, wenn er sie zum Abschied mit diesen Worten bedachte?, fragte sie sich. Und doch … es war ein Abschied. Keiner wusste, ob sie sich je wiedersehen würden. Deswegen versuchte sie ihren Groll herunterzuschlucken. Nach ein paar Atemzügen hob sie wieder den Blick und schaute Fridtjof an:
„Du wirst mir sehr fehlen. Ich habe unsere Freundschaft nie als selbstverständlich hingenommen. Ich hatte immer das Gefühl, dass von all den Menschen hier du mich am besten verstehst. Es tut mir leid, dass ich dir nicht die Frau sein konnte, die du verdienst. Ich hoffe, du findest sie eines Tages.“
Vielleicht ja unterwegs auf seiner Reise, doch diese Worte ließ sie unausgesprochen, weil sie wusste, dass das in seinen Ohren nur zynisch klingen würde.
Fridtjof machte einen Schritt auf Freiya zu, legte sachte die Hand an ihren Oberarm und beugte sich zu ihr runter.
„Lebwohl, Freiya“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie ließ es geschehen, doch es wurde ihr einmal mehr schwer ums Herz.
„Bewahre und lebewohl, Fridtjof“, erwiderte sie. Ohne ein weiteres Wort aber mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen drehte der Jäger sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Freiya indessen blieb mit dem Gefühl, versagt zu haben, zurück.
Traurig sank sie in sich zusammen, die Lust zu schießen war ihr vergangen. Eigentlich war ihr grad alles vergangen.
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Am Morgen nach dem Thing
Freiya hatte schlecht geschlafen, war ihr Fridtjofs Abschied doch die ganze Nacht durch den Kopf gegeistert. Sie hatte sich nicht mehr zu den ausklingenden Feierlichkeiten begeben, sondern zu ihrer Unterkunft, da ihr nicht der Sinn nach Geselligkeit gestanden hatte.
Als sie am Morgen erwacht war, hatte sie nach Fridtjofs Lager gesehen und es war tatsächlich leer und unangetastet gewesen. Nachdenklich hatte sie auf seine alte Decke gestarrt. Es würde sich viel verändern in Ricklens Kommando, nun, da Jilvie zur Meisterin der Jäger ernannt worden war, Fridtjof Tooshoo mit Jarvo verlassen hatte und auch Onyx zu einer Reise aufs Festland aufbrechen würde. Und sie – sie selbst würde natürlich auch gehen.
Freiya machte Halt und lehnte sich keuchend gegen einen Baum. Dann nahm sie einen Schluck aus ihrem Wasserschlauch. Sie war früh schon auf den Beinen gewesen und hatte sich entschieden, ein paar Runden über die Stege zu laufen. Es waren nur wenige Leute schon so zeitig wach, hatten sie die Feierlichkeiten vom Thing doch genossen, wenngleich weniger ausschweifend als zu Beltane.
Ein grunzendes Schnüffeln an ihren Füßen ertönte.
„Guten Morgen“, begrüßte Freiya Sandy. „Ich hoffe, du hast besser geschlafen als ich.“
Sie beugte sich runter und kraulte das Opossum an den Ohren. Sandy ließ sich das gefallen.
Nach einer Weile ließ Freiya sich neben der Beutelratte nieder.
„Nun ist Fridtjof weg. Und Onyx wird auch gehen. Chala ist ebenso gegangen. Und ich?“, sprach sie zu dem Tier, als würde es sie verstehen. „Hab ich denn überhaupt das Recht zu gehen, wenn so viele Bauarbeiten anstehen? Wenn Schwarzwasser jede Hilfe und Hand gebrauchen kann und mir als Waldläuferin mehr Verantwortung gegeben wurde?“
Freiya lehnte ihren Kopf an den Baum und schloss kurz die Augen. Der Wind rauschte über ihr in den Baumkronen und die Sonne stand schon am Himmel. Einzelne Strahlen fielen durch das Grün auf ihr Gesicht und sie genoss die sommerliche Wärme, bevor der Sumpf wieder zu stickig werden würde.
Hatte sie denn überhaupt das Recht, ihre eigenen Interessen über das Wohl der Gemeinschaft zu stellen? Nun, zumindest für die anderen schien es in Ordnung und klar, dass sie gehen würde. Vielleicht zermarterte sie sich mal wieder viel zu sehr den Kopf. Sie dachte an Chala und ihre Abmachung. Das Versprechen der Dunkelhäutigen und auch sich selbst gegenüber. Nein, hier bleiben konnte sie nicht. Sie seufzte, als sie auf einmal ein leichtes Kribbeln am Rücken spürte. Freiya öffnete sofort die Augen und tatsächlich: vor ihr auf dem alten Holzgeländer saß ein Uhu. Wobei, nicht irgendein Uhu, sondern ein bestimmtes Tier, das sie sofort erkannte. Sie hatte sein Ankommen nicht gehört, nun, so ein Uhu war eben ein stiller Jäger; dafür hatte sie seine Gegenwart gespürt. Merkwürdig, was war nur mit der Tierwelt los?
„Ah, Argo, nicht wahr? Ich habe deine Nachricht und dein … Geschenk bekommen“, sprach sie. Der Uhu sah sich ein wenig um, hatte die Augen dabei leicht zusammen gekniffen. Dann ließ er ein leises Schuhu hören.
„Dein Geschenk hat sich allerdings als sehr lebendig entpuppt, Argo, das ist Sandy.“
Freiya deutete auf das Opossum auf ihrem Schoß. Der Uhu schien das Tier tatsächlich für einen Augenblick ungläubig anzustarren. „Weißt du, Beutelratten verfallen in eine Todesstarre, wenn sie sich in Gefahr wähnen. Nach einer Weile wachen sie wieder auf. Deswegen war Sandy gar nicht tot“, erklärte sie und schob schnell ein „zum Glück“ hinterher.
„Stimmt es, dass Uhus kein Rot sehen können oder hat Maris mich da auf den Arm genommen?“, fragte sie leichthin. Und dachte: Seht her, ich rede mit Tieren, bin ich schon so verrückt wie Osmo?
Argo ließ wieder ein leises Schuhuhen hören, Sandy indessen beobachtete den Uhu argwöhnisch mit gefletschten Zähnen.
„Nun, Argo, ich danke dir für all deine Geschenke, ich hoffe, es ist nicht unhöflich, wenn ich sage, dass ich erst einmal genug habe“, sagte sie schließlich schmunzelnd, doch das schien Argo nur zu verwirren. Vielleicht sollte sie bei Mama Hooqua mal schauen, ob die Wirtin ein paar Fleischabfälle hatte, die sie sie Argo zugutekommen lassen könnte?
„Komm Sandy, wir schauen mal, ob wir was Gutes für Argo auftreiben können“, sagte sie und wollte sich hochrappeln, als in diesem Moment von der Seite ein „Erwache!“ ertönte. Freiya erschrack dermaßen, dass die Rothaarige zusammenfuhr und Sandy neben ihr sofort in ihre Totenstarre verfiel. Selbst Argo schlug kurz mit den Flügeln und hüpfte aufgeregt auf seiner Stande rum.
„Himmel, Ryu, du hast mich vielleicht erschreckt!“, sagte Freiya und legte kurz die Hand auf ihr klopfendes Herz. Bei den drei Brüdern, musste es denn von allen Leuten hier auf Tooshoo ausgerechnet er sein, der ihr jetzt über den Weg lief?
Freiya blickte etwas bedröppelt auf das Opossum neben sich und klaubte es auf.
„Bewahre und guten Morgen“, sagte sie und strich sich etwas verlegen eine Haarsträhne hinters Ohr. Sie sah zum Hauptmann und ihr fiel sogleich etwas auf: „Oh, du konntest die Verbände abmachen?“
Argo schuhute, den Blick auf Sandy, dann zu Ryu.
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Am Morgen nach dem Thing
Schon sehr früh war der Hayabusa auf den Beinen gewesen. Die Tage des Ausruhens waren glücklicherweise endlich vorbei und er konnte sich endlich um seine Angelegenheiten kümmern, sein Training nachhole. Auf die beschwerte Kleidung verzichtete der Templer noch, aber wohl eher, weil er noch keinen neuen Satz davon besaß. Und was seine Übungen anging musste er es zwar, mit ausdrücklicher Warnung Leylas, noch langsam angehen lassen. Aber das Schwingen einer Waffe, früh am Morgen, die er mit zusätzlichen Metallstücken beschwert hatte, hatte sich der Hüter nicht nehmen lassen. Selbst wenn ihm die Muskeln danach mehr schmerzten als geplant. Aber das würde sich schon noch legen, wenn er daran blieb und keine Müdigkeit vorschob. Und wenn ihn dabei keiner störte, geschweige denn zurückhielt. Es gab viel Neues zu ergründen, sowohl geistig als auch körperlich. Und irgendwie weckte das eine gewisse Vorfreude im Herzen des Kriegers. Lange hatte der Hayabusa in dieser Nacht darüber nachgedacht. Die Grenzen, die er im Kampf gegen Garagh überschritten hatte, waren ein derart unbekanntes Gefilde und das Fassungsvermögen seines Leibes war wohl noch lange nicht in dem Zustand, sich länger dort zu bewegen. Und dann war da noch das Erz. Das so mysteriöse Erz, dem er auf den Grund gehen wollte.
Immer wieder hatte er es am Abend mit einem kleinen Hammer angetippt, in der Hoffnung, dass es zur ihm ‚sprach‘. Ihm verriet, worin sein Geheimnis lag und welcher Metallart es sich am ehesten zugehörig fühlte. Aber irgendwie war der Klang weder der von Eisen noch der von jenem magischen Erz aus Khorinis. Es war kein Kupfer, Gold oder Zinn. Und das beschäftigte den Schmied, der sich wirklich viel Zeit nahm, Metalle in Formen zu bringen deren Qualität für gewöhnlich für sich sprachen. Aber dieser Brocken, den er da mit sich herum trug… Es war, als spräche er in einer völlig anderen, unbekannten Sprache zu dem Schwertmeister. Eine, die es noch zu lernen, oder zumindest ergründen galt. Also hatte er sich, nach abgeschlossenem Training noch einmal auf die Plattform begeben, welche an der Kommandantur angebaut war und dort meditiert. Wieder und wieder fiel dabei der Wyvernblick auf den stummen Brocken, der vor ihm gelegen war und … er antwortete nicht. Es wollte nicht verraten, was es sein wollte. Wollte ihm nicht zuflüstern, welcher Kategorie er sich zuzuordnen vermochte. Irgendwann dann, als der Templer, sitzend wie ein Schneider, den Ellbogen auf das Knie gestemmt und sein Kinn eine lange Zeit von seiner Hand gestützt hob, seufzte er nur leicht und schüttelte den Kopf. Vielleicht war das einfach nicht der richtige Ort. Lautlos hob er das geheimnisvolle Stück auf und hob es in den Schein mittlerweile am Horizont erschienen Sonne. Das grünliche Schimmern ließ Erinnerungen an seine alte Kaste erwachen. Grün schimmernde Klingen, die die Strahlen des Himmelskörpers zurückwarfen. Das Echo vergangener Zeiten. „Das Echo…“, wiederholte der Hüter und verengte die Augen, während er den Kopf hin und her neigte, dabei versuchte den Glanz genauer zu analysieren. Dann zog er wieder den kleinen Hammer aus seiner Schärpe und tippte das Erz erneut an. Dieses Mal klang es irgendwie… anders. Schien mehr zu resonieren im Schein der Sonnenstrahlen. Dann führte er es wieder in die Schatten und klopfte erneut. Der Klang von zuvor. War das Erz etwa vom Licht abhängig? Ungeduldig wippte der Templer mit seinem linken Fuß und schob dabei die geschürzten Lippen hin und her. „Du hast dich verraten, Freundchen. Zwar noch nicht ganz, aber du hast dich verraten!“, murmelte der Schmied schließlich und stand auf.
„Wo geht’s hin, Hauptmann? Willst du Thanan nicht an seinem ersten Tag anweisen?“, fragte Darius, der gerade zur Tür reinkam. Der arme Kerl sah recht bleich und erledigt aus. Beltane und das Thing hatten ihm genügend Anlässe gegeben, ordentlich zu feiern. Und vor allem die Aufnahme seines Sohnes, Thanan, schien ihn nur noch mehr in Feierlaune versetzt zu haben. Ryu hob die Mundwinkel. „Glaubst du wirklich es wäre eine gute Idee, ihn nach dem gestrigen Abend antanzen zu lassen?“. Darius hob nur brummend die Schultern. „Mhrm, hast ja Recht. Seine Freunde wollten mit ihm ja auch nochmal irgendwie feiern… Na, Hauptsache, er treibt keinen Unsinn mehr mit dem Rimbe-Mädchen. Ist zwar eigentlich eine niedliche und ich glaube, Sohnemann mag sie ganz gerne. Aber für meinen Geschmack lässt sie sich zuviele Flausen vom Jadewolf in den Kopf setzen. Und die alte Nerea muss das dann immer richten. Die Frau war so nett, sich um den Bengel zu kümmern nach Beltane, aber…“, murmelte der ambitionierte Pfeifenraucher und ließ sich daraufhin auf dem Hauptmannsstuhl nieder. Es musste nicht viel gesagt werden, als Darius das Erz in der Hand seines Vorgesetzten gesehen hatte. Natürlich würde er sich die nächsten Tage damit auseinandersetzen und seinem Vertreter das Tagesgeschäft überlassen. „… Aber sie ist dir nicht ganz geheuer. Ja, das kann ich nachfühlen… Dieser Hexenzirkel von Tooshoo ist… unheimlich.“, bestätigte der Hüter nur und trat dann an den Schreibtisch heran. Man besprach kurz, was am heutigen Tag anstand, wo entsprechend Wächter abgestellt werden sollten und, dass man speziell Melford immer ein oder zwei an die Seite stellen sollten. So unter anderem auch Thanan am nächsten Tag. Der Junge war ein begnadeter Läufer und Nachrichtenüberbringer. Das würde für den Wideraufbau von Schwarzwasser durchaus Vorteile haben. Dann verabschiedeten sich Hauptmann und Vertretung, ehe Ryu hinunter ging und den Baum verließ.
Gedankenverloren schritt der Hüter über die Stege der bald wiederauferstehenden Siedlung und ließ dabei die Blicke schweifen. Noch vor ein paar Wochen hatte er diesen Ort noch für das befunden, was er war: den Leichnam einer einst von Leben erfüllten Siedlung. Eine Ruhestätte oder gar ein Denkmal für eine große, verlorene Schlacht. Und nun würde hier wieder Leben einkehren. „Wie sie es immer tut…“, gab Ryu unter einem Schnauben zurück. Worte, die er schon damals nach dem Terror mit Odo zu Freiya gesagt hatte. Worte, die auch auf das Waldvolk, einem Teil der Natur zutrafen. Und, wie beschworen, erblickte er sogleich die frisch gebackene Waldläuferin, wie sie, einmal mehr in Zwiesprache mit einigen sehr unkonventionellen Begleitern stand.
Da war einmal der filzige Schal, der sich als Beutelratte herausgestellt hatte und ein schönes, schuhuhendes Federvieh. Argo, hatte sie ihn genannt? Ob sie öfter mit dem Uhu sprach, wenn er schon einen Namen trug? Der Hüter dachte kurz an ihre Beförderung und den Ausdruck in ihren Augen, als er sich ihr erneut vorgestellt hatte. Und, entgegen dem Stolz in ihrer Haltung an jenem Abend, saß sie momentan etwas niedergeschlagen aus. Ryu blinzelte, trat dann schließlich näher und grüßte sie auf die übliche Art und Weise. Nach dem anfänglichen Schreck und dem fast seitlichen Umfallen der roten Snapperin, schien sie sich etwas gefangen zu haben. Und, trotz der zurückhaltenden Geste bei ihrem freundlichen Morgengruß, spürte der Hüter, dass etwas nicht stimmte. Einerseits weiteten sich ihre Pupillen bei dem flüchtigen Blick, den sie ihm geschenkt hatte. Andererseits verflog diese Spur von Freude sogleich wieder und sie wandte sich ihrem, durchaus lebhaften Schal zu, der in die Richtung des Templers fauchte. Stirnrunzelnd, aber vorerst nicht bohrend, hob der Hüter die Arme auf Kopfhöhe und nickte sachte. „Entschuldige. Dabei habe ich dieses Mal mit Absicht nicht den Weg von oben genommen.“, begann der Hayabusa und spielte dabei auf die erste Begegnung der beiden an. Irgendwie fühlte sich das ganze schon wie ein Jahr an. Ein weiteres Zeichen dafür, wieviel sie in dieser kurzen Zeit schon erlebt hatten. Kurz, und vielleicht etwas versonnen, lenkte der Hüter den Blick in die Ferne. Dann hob er beide Arme auf Kopfhöhe, gleich etwas weniger angetan, aber die Aussage der roten Snapperin bestätigend. „Leyla war nicht begeistert, aber noch einen Tag mehr in diesem Kräuter- und Salbengestank und ich hätte mich vom Baum gestürzt. Und du? Schließt neue Freundschaften oder suchst du dir schon einen schönen Bauplatz aus? Nach manchen Diskussionen beim Thing wäre mir ein zahmer Leguan wohl auch lieber.“
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Am Morgen nach dem Thing
Freiya schmunzelte ob seiner Worte.
„Ein zahmer Leguan für den Wyvernhüter?“, sagte sie, dann aber dachte sie wieder ans Thing. „Ich bin froh, dass das Thing vorbei ist“, gestand sie. „Auch wenn ich nicht undankbar erscheinen möchte, immerhin habt ihr mich zur Waldläuferin gemacht. Aber das waren drei lange Tage voller … Rederei.“
Sandy in ihrem Arm hatte das Maul immer noch geöffnet und fixierte Ryu angespannt, während Argo entspannt das Gespräch verfolgte oder die Umgebung musterte. Die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach kamen, ließen sein ohnehin schon schönes Gefieder noch prachtvoller wirken.
Freiya dachte an die Feder, die Vareesa an ihrem Bogen angebracht hatte. Eine Eulenfeder. Wie ausgefuchst diese Frau war! Was wusste sie eigentlich alles? Sie sollte wirklich mal dringend Vareesa und Ronja einen Besuch in der Bognerei abstatten.
Freiya fühlte Sandys Herz durch das Fell hindurch klopfen.
„Das Ryu, er ist ein Freund, du brauchst keine Angst zu haben, auch wenn er zurzeit besonders verwegen aussieht“, sagte sie zu der Beutelratte nicht ohne ein Schmunzeln. Dann blickte sie zu Ryu.
„Das ist Argo“, sprach sie und deutete auf den Uhu. Der fühlte sich sofort angesprochen und drehte den Kopf zu ihr, öffnete leicht den Schnabel und zeigte seine Zunge, während er die Augen wieder halb schloss. Die Stelle an ihrem Rücken, wo das Mal der Jagd gesessen hatte, kribbelte angenehm. „Ich glaube, Argo hat verstanden, dass du ein Freund bist“, sagte Freiya mit Blick auf den Uhu. „Er hatte damals im Tempel die Ratte gebracht. Und er hat mir Sandy hier gebracht.“ Freiya hob das Opossum ein Stück in die Höhe.
„Er hatte sie offensichtlich für tot gehalten und wollte sie mir ebenfalls zum Geschenk machen, so als mächtiger, erfolgreicher Jäger. Aber Sandy war eben nur in die Totenstarre gefallen und beim Thing zu meiner großen Überraschung wieder aufgewacht …“
Vorsichtig setzte sie das Tier auf den Boden, das über die Holzstege schnupperte und dann Ryus Note aufzunehmen schien.
„Du hast also irgendwie recht, ich glaube, ich habe zwei neue Freunde gewonnen“, sagte sie mit einem leichten versonnenen Lächeln. Zwei Geschöpfe, die es ihr nicht wirklich leichter machen, Abschied zu nehmen.
Die Waldläuferin ließ den Blick über das ehemalige Schwarzwasser schweifen und dachte daran, was sie eben noch beschäftigt hatte, bevor Argo und schließlich Ryu aufgetaucht waren. Sie fragte sich, ob sie es Ryu gegenüber ansprechen sollte. Es beschäftigte sie und sie konnte ein offenes Ohr gebrauchen. Sie war sich nicht sicher, ob Ronja sie verstehen würde und sonst hätte sie sich tatsächlich an Fridtjof gewandt, aber … nun … Trotz stieg in ihr auf, als sie das Gespräch mit ihm letzte Nacht dachte. Sie hätte ihn nicht einfach abziehen lassen sondern zur Rede stellen sollen, was genau er gemeint hatte, als er über Ryu gesprochen hatte. Es ärgerte sie, dass sie in diesem Moment so überrumpelt gewesen war.
Und nun, da er sich aus dem Staub gemacht hatte? Immer, wenn sie mit Ryu darüber gesprochen hatte, was sie bewegte, hatte er ihr nicht nur zugehört, sondern auch stets kluge Worte für sie übrig gehabt.
Freiya blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wandte sich wieder an den Hauptmann: „Diese ganzen Baupläne … ich finde es sehr spannend! Stell dir vor, wir könnten tatsächlich all die Dinge umsetzen, nun abgesehen von den Türmen so hoch wie Tooshoo selbst … Aber … ich frage mich, ob es wirklich ein guter Zeitpunkt ist für mich zu gehen. Sollte ich nicht hier sein und beim Wiederaufbau helfen, statt da draußen meinen eigenen Interessen nachzugehen?“
Sie begann nachdenklich auf ihrer Unterlippe zu kauen. Warum passierte denn alles auf einmal? Tatsächlich brachten Ryus Worte, die er gewählt hatte, sie gedanklich wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt, als sie … vor einem Jahr? … nach Feshyr gesegelt war mit Hakenhand und seinen Männern und als sie nach ihrem Entschluss, nach Thorniara zu gehen, Ryu begegnet war. Damals, als er da einfach oben im Baum gehangen hatte. Sie musste unwillkürlich lächeln bei dem Gedanken. Aber seitdem war so vieles geschehen. Und nun, nach der Jagd, tat sich so vieles für die Menschen hier, an dem sie eigentlich teilhaben sollte und auch wollte. Es war ihr Zuhause.
„Nach all den Jahres des Müßigganges passiert nun so vieles auf einmal. Und ich möchte dem Titel gerecht werden, den ihr mir gegeben habt. Kann ich denn dann einfach so gehen?“
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Ryu neigte vor dem Uhu leicht den Kopf und schloss dabei die Augen. „Freut mit sehr, gefiederter Freund von Freiya.“. Der Hüter lächelte kurz und ging dann in die Hocke und neigte den Kopf etwas schief, die Augen dabei auf das zottelige Nervenbündel gerichtet, welches ihn erneut anfauchte. Nun, man konnte wohl nicht jedermanns Freund sein. Und so manches Tier reagierte eher unglücklich, wenn der Hayabusa sich näherte. Also beschloss er, die Beutelratte mal Ratte sein zu lassen. Stattdessen forderte der Hüter die rote Snapperin auf, sich zu erheben. Nicht, ohne dabei den üblich geduldigen Ton eines Lehrmeisters an den Tag zu legen. Und, ohne zu murren, folgte sie seiner Aufforderung. „Was tust du da?“.
Ryu blieb derweil in der Hocke und umgriff dabei behutsam die Wade seiner Jagdgefährtin. „Vertrau mir und handle instinktiv.“, sagte er ruhig und lächelte weiterhin verschmitzt in sich hinein. Dabei übte er leichten Druck auf, so, dass Freiya ihr Bein langsam anhob und dann, dem Druck folgend nach vorne brachte und den Fuß aufsetzte. „Ist das noch so eine Übung?“, harkte sie stirnrunzelnd nach und schien sich nicht wirklich sicher darüber, was sie von der Handlung des Hayabusa zu halten hatte. Dieser jedoch ließ sich nicht stören und umgriff nun das andere Bein. Und, nebenbei bemerkt, diese Frau hatte wirklich schöne Waden! Das ließ sich selbst unter dem Stiefelhals erspüren. Keine Waden, wie es die Gewichtheberinnen in Nordmar hatten, aber doch Waden, die den ein oder anderen Marsch durch die Wälder gewohnt waren. Als dann der zweite Schritt getätigt war, blickte der Hüter nur zu ihr auf. Abwartend. „Und?“, fragte er nur, leicht grinsend. „Und … was?“, wiederholte der Rotschopf. Vermutlich zweifelte sie gerade daran, ob der Schwertmeister die Verbände nicht doch zu früh abgenommen hatte.
Dann stand er auf und legte ihr die Hände an die Schultern. „Du kannst. Gehen, meine ich.“, gab er ihr schließlich diese so simple Antwort auf ihre Frage. „Dein Instinkt hat dir gesagt, dass du es kannst. Und zu gehen, bedeutet nicht gleichzeitig, dass du nich wieder kommst. Wenn dein Instinkt, vielleicht auch dein Herz, dir wieder sagen, dass du gehen sollst, dann gehst du. Hier her zurück. Nach Hause.“. Dann klopfte er ihr mit jeder Hand jeweils zweimal sanft auf die Schultern und nickte. „Du bist nun, so als Waldläuferin, mehr als gut darauf vorbereitet, deine Reise anzutreten. Außerdem: immer nur in Jagdkommandos zu agieren, ohne selbst zu wissen, wieviel du alleine erreichen kannst, macht dich blind für deine eigenen Stärken. Je besser du dich und deine Fähigkeiten kennst, desto besser kannst du auch mit anderen agieren. Nimm dir unsere gemeinsamen Jagden als Beispiel. Die im Gebirge auf Odo. Die auf den Tausendfüßler. Und nun vergleich‘ mal, wieviel du dir an den jeweiligen Punkten zugetraut hast. Das waren Welten! Und ich wette, diese Reise wird dir guttun, noch weiter zu wachsen.“.
Kurz wandte sich der Hüter ab und blickte erneut über das alte Schwarzwasser. Mit einem Schlag wich ein seltsames Gefühl von Wehmut dem Gefühl von Aufbruchstimmung, das er ihr vermitteln wollte und er schmälert seufzend die Lippen. „Nur, komm beizeiten wieder.“. Kurz senkte der Hüter den Blick, atmete einmal tief durch und setzte dann wieder ein leichtes Lächeln auf, ehe er sich Freiya zuwandte. „Ich weiß nicht, wie lange Ronja es ohne dich aushält. Und ab und an wäre es schön, wenn jemand außer mir Griffins dämliche Scherze auf sich zieht, hm? Oder wie siehst du das, Sandy? Stimmst du mir zu?“.
Mit den letzten an Sandy gerichteten Worten, streckte er kurz den Finger nach ihr aus und… spürte im nächsten Augenblick einen kurzen, aber stechenden Schmerz. Die Sackratte hatte ihn gebissen! Mit einem Mal verengte der Wyvern-Hüter die Augen und knurrte dem behelfsmäßigen Schal entgegen, woraufhin dieser… sich wieder tot stellte. Dann, ein tiefes Schnauben später, seufzte der Templer nur und schüttelte den Kopf. „Argo ist mir sympathischer…“, stellte er nur fest, während er am eigenen Zeigefinger nuckelte, die Augen auf Halbmast.
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Freiya brach in ein Lachen aus.
Sie wusste dabei gar nicht, um wen sie sich zuerst kümmern sollte. Wobei Sandy ihre Aufmerksamkeit wohl erstmal nicht benötigte. Das Opossum hatte immerhin den Angriff eines Junguhus überstanden, indem sie sich tot gestellt hatte.
Die Rothaarige ging in die Hocke und nestelte an ihrem Lederbeutelchen herum, zog dann einen schmalen Streifen Leinen heraus, der einen sanften Hauch von Lavendelduft mit sich brachte. Sie hielt Ryu die Hand hin, der ihr schließlich den leicht blutenden Finger reichte.
„Wyvern und Beutetiere, nun ja, das ist schwierig mit der Freundschaft“, gestand Freiya ein und wickelte den Verband fest um Ryus Finger. „Tut mir leid, dass du direkt den nächsten Verband trägst. Und dass ich lachen musste.“
Sie kicherte immer noch, da regte Sandy sich wieder.
„Na, das war keine gute Idee sich mit dem Wyvernhüter anzulegen“, sagte sie leise und eindringlich zur Beutelratte. Diese blickte sie mit ihren großen Augen an.
Freiya zog ein Stück getrockneten Apfel aus ihrer Tasche und reichte es Ryu.
„Für sie“, sagte sie und deutete auf Sandy. „Manchmal braucht man eben die richtigen Argumente.“
Sie schmunzelte und sah zu, wie Ryu etwas misstrauisch der Beutelratte das Leckerli präsentierte. Sandy schnüffelte und näherte sich langsam, nicht weniger misstrauisch, der begehrten Beute. Schon berührte ihre Nase das Apfelstück und mit einem Haps war es im Maul des Opossums verschwunden. Dann machte das Tier sofort kehrt und suchte hinter Freiya Schutz.
Die beiden Menschen in der Runde erhoben sich langsam.
„Du hast Recht mit dem Gehen, das wird mich weiter bringen, danke“, sagte sie schließlich. Es fiel ihr inzwischen wieder leichter, ihm in die faszinierenden Augen zu schauen. „Ich bin gespannt, was dieser Weg bereit hält.“
Sie lehnte sich an die Holzbrüstung, auf der Argo saß. Der Uhu schuhuhte leise, zeigte dabei wieder sein helles Gefieder am Hals. Sandy indessen entschied sich, ein wenig nach weiterem Futter zu schnüffeln, vielleicht fand sich ja der ein oder andere leckere Wurm hier zwischen dem Holz.
„Ich weiß ja gar nicht, wie lange ich es ohne euch aushalte“, murmelte Freiya dann, als ihr Ryus Worte wieder einfielen. Ihr Blick fiel wieder auf seine muskulösen Arme, die er nicht bedeckt hatte, und die schweren Wunden seines Kampfes gegen den Herren des Sumpfes waren immer noch deutlich zu sehen. Sie fragte sich, wie er Leyla hatte umstimmen können, die Verbände abzunehmen.
Etwas kritisch musterte sie die Narben, es würde noch eine Weile brauchen, bis das Gewebe wieder besser aussah. Sie verzog das Gesicht, als würde sie den Schmerz fühlen, den diese Wunden mit sich gebracht haben mussten. Was wäre passiert, wenn Onyx mit seinem Trank nicht gewesen wäre? Hätte Ryu wieder gesunden können? Ach, schon wieder diese doofen Hätte-Wenn-Gedanken, die sie zu nichts brachten außer unguten Gefühlen.
Sie atmete tief ein und aus, der Blick immer noch ernst.
„Ich weiß nicht, was du gerade vorhattest und ob es der richtige Zeitpunkt ist, aber“, sie konnte nicht anders als vorsichtig nach seinem Arm zu greifen und erneut auf die Wunden zu blicken, „was ist eigentlich passiert?“
Sie hatte nur wenig mitbekommen, erinnerte sich aber auch noch an die Schattenläuferin, die zugegen gewesen war. Aber diese Wunden sahen anders aus als alles, was sie damals im Lazarett gesehen hatte.
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Zarra hatte sich früh am Abend des Things aus der Baumkrone verabschiedet, wohl wissend, dass sie nicht einfach so wieder hochkommen könnte, da man ihr den Zugang verwehren würde. Doch das hatte sie nicht kümmert. Ihre Füße hatten sie fortgetragen, denn ihre Gedanken kreisten um das Gehörte. Nun, da sie mehr wusste…was sollte sie mit dem Wissen anfangen? Half es ihr eine Ahnung zu haben, wo ihr weißes Haar herrührte oder warum die Sippe, der sie entstammte, aufgelöst worden war? Wie lange war all das überhaupt her? Ihre Großmutter hatte dahingehend nichts gesagt, also musste sie wohl am nächsten Tag noch einmal fragen.
Ohne es zu merken hatten ihre Schritte sie zum Schrein der Mutter geführt.
„Seltsam“, hatte sie geflüstert und den Glühwürmchen dabei zugesehen, wie sie um die verwitterte Statue der zweiköpfigen Frau geschwirrt waren.
„Ja, seltsam, wie die Wurzeln Tooshoos alles miteinander verbinden, nicht wahr?“, hatte eine krächzende Stimme aus den Schatten sie gefragt.
Beinahe wäre Zarra vor Schreck das Herz stehengeblieben, doch stattdessen schien es ihr aus der Brust springen zu wollen. So heftig schlug es, dass sie glaubte, man könnte es von außen hören und sehen.
„Wer ist da?“, fragte sie in die Stille der Nacht, welche nur von den Geräuschen einiger Insekten nicht völlig lautlos war.
Aus den Schatten trat die alte Frau, welche ihr bei ihrem Aufnahmeritual seltsame Dinge zugeflüstert hatte. Gilana, deren Stirn und Haar wie üblich mit pechschwarzer Farbe bemalt war, war aus den Schatten einiger Bäume getreten, hinein ins spärliche Licht des Mondes.
„Le naur vi men lín, dan le nathar istad i thannath“, hatte sie gegrollt und dabei ruckartig den Kopf bewegt, als sei sie ein Vogel.
„Ich verstehe kein Wort“, hatte Zarra noch immer erschrocken zugegeben.
„Du wirst lernen, i Gwadh. Doch nicht heute. Erst musst du gefunden hast, was du zu suchen bestimmt bist“, hatte sie undeutlich gemurmelt, sowohl was Akustik als auch Sinn hinter ihren Worten anging.
Danach war sie in stumm geworden und hatte auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht mehr reagiert. Sie hatte lediglich auf den Schrein gestarrt und ab und an die Lage ihres Kopfes geändert. Irgendwann hatte die Weißhaarige es aufgegeben etwas aus der mysteriösen Seherin herauszubekommen und war gegangen. In ihrer Hütte angekommen, hatte sie ihre Großmutter schlafend vorgefunden und obwohl ihre Lider von den vergangenen Tagen schwer gewesen waren, hatte sie erst viel später den Schlaf gefunden, der sie von dem Sturm ihrer Gedanken für kurze Dauer behütete.
Am nächsten Morgen war sie völlig erschöpft aufgewacht, doch ein Tee, den Nerea ihr reichte, half gegen die Müdigkeit.
„Danke Oma.“
Die Kräuterfrau lächelte warmherzig, antwortete jedoch nicht.
„Sag, wie lange ist es her, dass die Libellensippe aufgelöst worden ist?“
„Hmmm“, überlegte die Alte und schaute nachdenklich drein.
Ihre Abneigung, etwas von der Vergangenheit preiszugeben, schien verschwunden zu sein.
„Etwa dreihundert Jahre, würde ich schätzen. Schwer zu sagen bei einer so langen Zeit.“
Zarras Augen wurden groß. So lange schon waren sie lediglich vier Flügel, verstreut in alle Richtungen. Lebten die Nachfahren der anderen Familien überhaupt noch? Oder waren sie beide die letzten, die von der alten Sippe noch das Vermächtnis in sich trugen?
Erneut begannen ihre Gedanken zu rasen und selbst der erquickende Tee mochte sie davor nicht bewahren.
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Hoch konzentriert musterte Onyx das Geschenk in seinen Händen. Jarvo hatte ihn vor seinem Abschied aufgesucht und sich dafür bedankt, dass er geholfen hatte, seinem Geist Ruhe zu geben. Sie hatten sich dann über das was er gemacht hatte ausgetauscht und Jarvo verstand, dass Onyx eine ganz besondere Fähigkeit besaß. Der ehemalige Waldläuferführer fragte zwar, ob Onyx noch so einen ‘Trank’ herstellen könnte, doch Onyx verneinte. Erklärte, dass er diesen Sud frisch herstellen müsste und er keine Erfahrung damit hatte, ob und wann die Wirkung nachließ - es aber stark vermutete. Jarvo würde seinen Geist selbst Frieden geben müssen.
“Was hat er dir gegeben, Meister Onyx?”, fragte Runa, die ihre Übung am Bogen pausierte. Onyx blickte auf, musterte sie und gab mit einem Nicken zum Schießstand klar vor, dass es keine Pausen gab. Erst recht nicht, wenn man sich auf das Schießen fokussieren sollte.
“Sein zwei Art von Geschenk.”, sagte der Hüne und wickelte das Wekzeug aus dem Stoff. Dann hob er den Stoff und zeigte ihn Runa. Es war eine moosgrüne Schärpe aus robusten Stoff und gut einen Onyx lang. Es war ein Ehrenabzeichen für Waldläufer, die sie zu Anlässen trugen oder auch immer an sich, als Gurt oder um den Oberkörper.
“Du hast sie dir verdient.” - hatte Jarvo gesagt und hoffte, dass Onyx jemanden finden würde, der die Schärpe bestickt und von Onyx erzählt.
Onyx war ein Veteran zweier Wilder Jagden und vieler Abenteuer auf seinen Einsätzen. Es war mittlerweile wohl angemessen, wenn Onyx mal darüber nachdachte und sich mit anderen Schärpenträgern verglich.
Runa nickte und verschoss einen Pfeil. Kein guter Treffer.
“Atmen langsam. Nicht zu lange warten mit Schuss. Einatmen, zielen, Schuss - ausatmen. Du Beute treffen oder nicht. Du entscheiden muss schnell - immer. Niemand warten, dass Runa schiessen.”
Runa bejahte es und schüttelte den Kopf, während sie einen weiteren Pfeil hervor holte.
Onyx hielt währenddessen eine steinerne Schale und einen Stößel kurz hoch.
“Meine Mutter arbeitet auch mit sowas!”, sagte sie und verschoss dann in einem besseren Tempo ihren Pfeil. “Bist du auch noch Heiler?”, fragte sie und hatte besser getroffen. Noch nicht gut genug, aber gut.
“Onyx nicht Heiler. Onyx nur mit Pflanzen arbeiten. Sein schlaues Geschenk von Boss Jarvo.”, urteilte der Waldläufer und legte die Sachen zur Seite.
“Aha…”, sagte Runa und war dank Onyx Antwort nicht wirklich schlauer geworden.
“Ja. Onyx mit Pflanzen arbeiten. Du weiter machen.”, wies er an und sah Runa zu, wie sie wieder annockte und Ziel nahm. In Gedanken war er jedoch bei Jarvo und wie es damals hier begann. Ohne Jarvo und die Chance die er Onyx gab, wäre Onyx niemals hier geblieben. Er wäre weiter gezogen und sicher irgendwo im Graben geendet. Da wo all die anderen Banditen am Wegesrand enden. Es war ein Gespräch und das Schicksal des Hünen hatte sich geändert.
“Runa konzentrieren. Wenn schaffen drei Schuss sauber, wir bald gehen jagen. Nochmal! Stand! Pfeil ohne sehen holen raus - Annocken und beginnen atmen ein - Bogen heben und spannen - Auge suchen Ziel!”
Just im nächsten Moment jagte ein Pfeil auf die Zielscheibe und kam dem Mittelpunkt sehr Nahe.
“Gut!”, lobte er, weil Runa nicht darauf gewartet hatte, dass er befahl zu schießen. Das machte den Unterschied von Anfang an. Das Zeitgefühl dafür zu haben.
“Was ist das?”, fragte Runa und auch andere hörten es. Weit weg im Norden hörten sie ein dumpfes, rhythmisches Geräusch.
“Hmm…Gewitter…”, meinte Onyx, hatte aber etwas anderes im Gefühl. Er sah ein paar Waldläufer den großen Baum hinauf laufen. Sie machten weiter und Onyx blieb wachsam.
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Wie immer hinterließ der Griff der roten Snapperin eine warme, wohlige Spur auf seiner geschundenen Haut. Die Vorsicht, mit der sie seinen Unterarm ergriffen hatte zeigte eine der vielen Facetten Freiyas: Wo Entschlossenheit und Tatkraft sie in Ernstfall handeln ließen, war es diese vorsichtige, sanfte Art in den ruhigen Zeiten mit der sie anderen einen Moment des Aufatmens schenkte. Und auch der Hayabusa konnte sich eines aufkommenden Lächelns nicht erwehren. Dabei folgte er ihrem Blick nach unten, wo noch immer, dort, wo damals die Schuppen sich ihren Weg hinauf gebahnt hatten, insbesondere die Rillen dazwischen noch immer eine netzförmige, wunde Spur hinterlassen hatten. Fast so, als hätte man nur noch jene Schuppen auflegen müssen, die er nach dem Kampf abgestoßen hatte.
„Um ehrlich zu sein: ich bin selbst noch nicht ganz sicher. Aber ich werde dir zumindest versuchen zu erklären, was ich weiß und welche Reste ich bisher so konstruieren konnte, dass sie für mich fassbar sind. Gehen wir ein Stück. Deine Begleiter sind natürlich auch eingeladen, solange sie nichts verraten, hm?“
Unweigerlich legte der Hüter seine eigene Hand an Freiyas, die seinen Arm von unten angehoben hatte. Trotz des Daseins als Jägerin fühlten sich ihre Finger im Vergleich zu seinen immer noch glatt und einigermaßen filigran an. Der Hüter schenkte ihr einen längeren, von Schweigen untermalten Blick und nickte dann sachte. Dann holte er den Erzbrocken wieder aus seiner Jacke hervor und hob ihn vor sich auf Augenhöhe. Wieder erntete das garstige Geschenk des Froschprinzen einen herausfordernden Blick, doch schwieg es noch immer. „Ich freunde mich mit der Tierwelt an, während du dir mit Steinen ein Blickduell lieferst, Ryu?“, scherzte die rothaarige Waldläuferin und stemmte dabei eine Hand in die Hüfte, den Kopf etwas schief geneigt. „Nein, das nicht. Aber es spricht nicht!“, kommentierte der Schmied nur brummig und drehte den Brocken ein wenig hin und her. „Ist das nicht eine der Eigenschaften von Erzen und Steinen?“, gab sie das offensichtliche zu verstehen. „Und lenk nicht wieder vom Thema ab!“, kam es direkt hinterher. „Natürlich spricht es, wenn man nur zuhört. Denk nicht zuviel darüber nach. Ist so ein Handwerkerding. Dein Bogen?“, eine Kopfbewegung zu dem Meisterstück Vareesas folgte. „Die Frau, die ihn dir gefertigt hat, spricht für gewöhnlich mit dem Holz, bis sie weiß, was sie daraus macht. DAS ist skurril! Ich dagegen höre nur zu.“. Es war ein kleiner, aber feiner Unterschied und ein jeder Handwerker hatte wohl seine ganz eigene Art, sich mit seinen Werkstücken zu befassen. Manche sahen direkt. Andere fertigten intuitiv, als wären sie geleitet von einer fremden Hand. Und dann gab es Leute wie Ryu und Vareesa: Der eine lauschte, die andere unterhielt sich.
Schließlich packte er das Gestein mit der anderen Hand, welche zuvor noch als Kauspielzeug für Sandy gedient hatte. Dabei war ihm kaum aufgefallen, dass jenes Lederband mit dem Freiya ihn verarztet hatte, noch ein paar kleine Blutstropfen hatte entweichen lassen, die sich nun in den Linien zwischen Steinresten und Erzanteil ihren Weg bahnten und … Das Erz zu verändern schienen. Das matte Grün begann, nach einigem Abwischen mit Hilfe seines Daumens, eine eigentümliche, dunkle und jadeartige Farbe anzunehmen, deren Opazität fast schon glasartig wirkte. „Das ist neu!“, erklärte Ryu verwundert und fuhr über die glatte Oberfläche, die eben noch matt und und einem schönen, polierten Stein zu ähneln schien. Freiya beugte sich indessen auch, nun von ihrer scheinbar angeborenen Neugier gepackt nach vorne und begutachtete das Stück. „Stimmt. Sah eben noch anders aus. Glaubst du, das Blut…“, begann sie zögerlich und schaute zu dem Hüter auf, der ungläubig blinzelte. „Ich hab’s mit Wasser versucht und kein ansatzweise so gutes Ergebnis erzielt, also ja… Es wäre eine Möglichkeit.“.
Dann zückte er wieder den kleinen Hammer und tippte die neue Oberfläche vorsichtig an. Und dieses Mal gab es endlich ein Anzeichen von dem, was sich der Templer die ganze Zeit erhofft hatte. Eine Form der Resonanz. Eine Art Schwingung, die leise, selbst für sein geschärftes Gehör nur schwer wahrnehmbar erklang. Ein Ziehen. Wie ein Sog oder ein Hauch. Einer Flöte oder einem Pfeifen gleich. Dann verklang es wieder. „Merkwürdig.“, befand der Waffenschmied und blickte in Richtung der Ruinen. Vielleicht gab das Erz einen Hinweis darauf, wo es bereit war, mit ihm zu sprechen. „Gut. Gehen wir. Du hast doch nichts vor, oder?“. Die rote Snapperin verneinte nach einer kurzen Überlegung, nahm Sandy auf den Arm und nach ein paar Worten erhob sich Argo, dessen Neugier oder Beschützerinstinkt geweckt schien, in die Lüfte und landete auf dem Weg mal hier und mal da, um zu beobachten.
„Also. Der Kampf gegen Garagh, das war der Name dieses pervertierten Sumpfherren.“, begann der Hüter und hob immer wieder mal bei einer kurzen Pause den Erzbrocken und stupste ihn an bevor es weiter ging. Hier und da schlug er den Hammer auch gegen einen Steinbrocken oder einen Baum. Doch die Ergebnisse waren nicht zufriedenstellend. „Es ist schwierig, das ganze richtig kurz zu fassen, ohne auszuholen. Also fangen wir bei den Grundlagen an. Wie du ja weißt, zähle ich mich zu den Hütern. Wir Hüter bewahren das Gleichgewicht. Nicht wie die Männer in den blauen Kutten, die lediglich auf Beliar und Innos Armdrücken blicken und einschreiten, wenn einer droht zu gewinnen. Sondern indem wir dorthin gehen, wo die Natur verdorben wurde und ebendiese Verderbnis ausmerzen. Sei es durch die Jagd auf Wesen wie Odo oder mit Hilfe von Druiden und ihren Ritualen. Du hast gesehen, was geschieht, wenn so ein Ding das Gleichgewicht gefährdet.“.
Der Blick Ryus ging hoch zum unendlichen Geäst des großen Baumes, als suchte er dort nach einem Hinweis oder einer Antwort. Dabei strich er vorsichtig über die steinerne Wand einer der Ruinen, in der sie angekommen waren. „Du meinst die verwelkten Gräser und Blumen. Und die Tiere, die flohen.“, stellte der aufmerksame Rotschopf fest. Der Hüter nickte und strich abermals über die Überbleibsel alter Kerben die in einer vergessenen Sprache ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen versuchten. „Ja genau. Im Prinzip hast du Griffin und mir dabei geholfen, unsere Pflicht zu erfüllen. Was dich damit auch zu einer Art Hüterin macht. Wobei, nein, warte. Das ist so nicht ganz richtig.“, korrigierte er sich selbst und runzelte nachdenklich die Stirn, den Blick nun auf Freiya gerichtet. „Aber wir haben doch alle an einem Strang gezogen. Was ist also falsch daran?“, entgegnete sie, worauf der Schwertmeister einmal tief durchatmete. „Hüter sind mehr als nur ihre Aufgabe. Wir sind, wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, ein wenig anders. In unserem Verhalten. Unserem Auftreten.“. Ja, das war wohl ein guter Ansatz, um auf die Gabe zu sprechen zu kommen, die den Hütern gewährt war. Und Freiya nickte, zwar etwas unbeeindruckt ob des Offensichtlichen, doch sie lauschte weiter.
„Es gibt in dieser Welt Wesen, die man wohl am besten als Geister der Natur bezeichnen könnte. Geister, alle mit ihren eigenen Zügen und Verhaltensarten. Sozusagen die Schutzpatronen verschiedener Aspekte oder Teile der Natur. Geister von Tieren und Pflanzen.“
Der Hüter machte eine kurze Pause, wollte erst einmal, dass sie für sich sortieren konnte, was er ihr da gerade erzählte. Währenddessen ging er weiter seinen Nachforschungen und Überlegungen zum Erz nach. Hämmerte hier und da. Verglich mit der Resonanz des Erzes und schüttelte immer wieder den Kopf.
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Östliche Ruinen
Freiya wusste gar nicht so recht, auf was sie sich konzentrieren sollte. Das, was Ryu erzählte oder das, was er tat? Fasziniert beobachtete sie, wie er immer wieder den kleinen Hammer zückte und entweder dem Erzbrocken oder seiner Umgebung versuchte etwas zu entlocken, was für sie geheimnisvoll und fremd blieb. Sie hätte ihm dabei noch eine ganze Weile schweigend zuschauen können.
Die Jägerin war eine Weile schon nicht mehr in diesen Ruinen gewesen, war das Jagdgebiet, das Ricklen ihnen oft zuteilte, eher der Westen gewesen. Waren diese Pilze schon immer so groß gewesen? Wie schon im Tempel des Fledermausmannes fragte sie sich, was die Steine ihnen wohl erzählt hätten, wenn sie sprechen könnten.
Die Rothaarige setzte Sandy wieder auf den Boden, die Beutelratte würde hier sicherlich einen reich gedeckten Tisch finden. Das Opossum schnüffelte und trabte dann grunzend in die Richtung einer Steinmauer. Die Waldläuferin ließ ihren Blick schweifen und erst nach einer Weile fiel ihr auf, dass nicht weit bei einer Mauer Argo gesessen hatte. Sein Gefieder hatte ihm im waldigen Grün und Braun, das hier und dort von der Sonne beschienen wurde, perfekt getarnt. Es war inzwischen sehr warm geworden, drückend fast. Freiya lockerte ihre Armschienen, um die Ärmel ihrer Bluse drunter hochziehen zu können, während sie weiter durch die Ruinen schritten. Wieder strich sie sich eine, nun doch deutlich feuchte, Haarsträhne hinters Ohr. Dabei lauschte sie, was der Hauptmann ihr erzählte.
Ryu schien an seinem Versprechen festzuhalten und war bereit, ihr ihre Fragen zu beantworten. Das war die Gelegenheit! Nun galt es also, den Stier mal bei den Hörnern zu packen oder eher den Wyvern bei … … wo packte man einen Wyvern? Fast hätte sie diese Frage laut ausgesprochen.
Hoffentlich war Ryu gewillter als Ornlu, der sie hatte abgewimmelt und ein Spiel gespielt. Und von Nacktschnecken gefaselt. Sie schüttelte kurz kaum merklich den Kopf.
„Eure Wilden Herzen werden also durch Naturgeister erweckt“, nahm die Rothaarige schließlich den Faden auf. Nun endlich war es nicht mehr schwer für sie, eins und eins zusammenzuzählen. Ryu war dabei, ihr die letzten Mosaiksteinchen zu reichen. „Darf ich dich dazu etwas fragen?“ Ryu nickte kurz und sie hoffte, dass sie die Dinge nun richtig zusammensetzte.
„Den untoten Wyvern in Silden damals … den hast du besiegt … Du hast es nicht so gesagt, aber Ornlu hat davon gesprochen. Und es war auf den Reliefs zu sehen beim Portal. Also hast du den Wyvern besiegt und sein Geist ist in dich gefahren? Oder hast du ihn besiegt, weil du schon vom Wyverngeist be-… wie sagt man … besessen, beseelt warst? Und wie passiert so etwas?
Mensch, du musst für den Wyvernkult ja wie ein Geschenk der Götter gewesen sein. Du bist jedenfalls der einzige Mensch, den ich kenne, von dem es Reliefs gibt.“
Sie musste schmunzeln, trotz des ernsten Themas.
Von einem Ast war ein Schuhu zu hören und beide drehten sich zur Quelle des angenehmen Geräuschs um. Freiya spürte weiterhin das angenehme Kribbeln auf ihrem Rücken.
„Argo jedenfalls scheint Gefallen an diesem kleinen Ausflug zu haben“, sagte sie lächelnd. Nun gut, das galt für sie ebenso. War der Uhu entspannt, weil Ryu und sie entspannt waren oder war es andersrum?
Ihr Blick fiel auf ihren gefiederten Freund, wie er im Gleitflug wieder nah bei ihr landete. Was, wenn sie einen Handschuh hätte, würde er auf ihrer Hand landen?
Erneut schlug Ryu an den Erzbrocken und lauschte, dann schüttelte er den Kopf und ging weiter.
„Wer weiß alles von dieser Hüter-Sache? Ornlu offensichtlich, also die Druiden generell? Was ist ist mit Griffin? Ihr seid gleich, aber irgendwie auch unterschiedlich“, sinnierte sie und dachte daran, wie sie die beiden in Lyrcas Vision gesehen hatte. Ryu mit den stets orangefarbenen Augen und dem schlagenden Herzen in der gleichen Farbe, Griffin hingegen hatte leuchtend grüne Augen gehabt, ebenso das Herz. Beide hatten im Kampf gegen Odo diese wilde Rohheit gezeigt, diese fast schon erschreckende Brutalität, die es benötigt hatte und nun verstand Freiya, warum – weil es ihre Aufgabe als Hüter war. Aber ihr war sehr wohl aufgefallen, dass die beiden doch gewissen Unterschiede in ihren Kampfstilen aufgezeigt hatten. Und … Griffin hatte gezögert. Bei ihm lag die Sache etwas anders. Auch das verstand sie nun.
Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als ihr auffiel, dass der Himmel sich zugezogen hatte. Wo eben noch die Sonne geschienen hatte, schob sich eine Wolkendecke von Nordosten her über sie und brachte einen auffrischenden Wind mit sich. Ein Wetterwechsel vom Stewarker Land her? Hoffentlich kein Regen, der war aus dieser Richtung immer besonders ergiebig, da die Wolkenmassen vollgesogen vom Meer kamen und sich auf ihrem Weg über das Land abregneten, besonders vorm Gebirge. Der frische Wind erzählte genau davon. Doch noch war Zeit. Sie blickte sich suchend zu Sandy um, die hinter ihnen her trottete und auf irgendetwas rumkaute.
„Eure Pflicht …“, wiederholte sie die Worte, die Ryu benutzt hatte und drehte sich wieder zu ihm um. „Nehmen die Geister euch in die Pflicht oder ihr selbst?“
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Baumkrone - Der Stab des Gesandten
Nachdenklich betrachtete Maris das grünlich schimmernde, unförmige Steinchen in seiner Hand. Seine Aura war ihm auf faszinierende Weise vertraut. Als hielte er ein Stück des großen Baums zwischen den Fingern. Sofort musste er an die Reise in seine mögliche Zukunft denken – an Ramza, an das freie Varant … an das, was aus ihm dort geworden war. Maris hatte diesen Blick nur erhaschen können, indem er sich hatte von Tooshoo durchdringen lassen. Und dieses Erz trug eindeutig denselben Charakter wie das Herz des Baumes, wenngleich in weit schwächerer Form.
Er sah auf, als er Schritte nahen hörte. Vier Stiefel schritten über den weitläufigen Platz in der Baumkrone, der gestern noch zum Bersten voll gewesen war. Maris ließ den grünen Erzbrocken sinken.
„Danke, dass ihr gekommen seid. Und danke noch einmal für das Geschenk. Ich habe möglicherweise eine Idee, was ich damit anfangen kann.“
„Jeder, der an der Jagd teilgenommen hat, erhält einen der Erzbrocken“, erwiderte Mertens. Er nickte ihm zu. „Guten Morgen, Maris.“
„Bewahre“, sagte auch Corax, der hinter Mertens stehen blieb und etwas unter einem dunkelgrün schimmernden Tuch verborgen hielt.
„Wie ich sehe, hattest du schwer zu schleppen“, entgegnete Maris grinsend.
„Eine Last, die du zukünftig schultern wirst.“ Mertens lächelte aufmunternd. „Du hast dir eine große Verantwortung aufgebürdet – das weißt du, oder?“
Maris nickte bedächtig. „Selbiges könnte ich zu dir sagen. Aber wir beide wissen, was wir tun.“ Sein Blick ging wieder zu Corax. „Ich nehme an, ihr seid meiner Bitte nachgekommen?“
„Ein Zeichen dafür, dass du mit der Stimme des Waldvolks sprichst“, sagte Corax. Er zog das Tuch zurück und ließ es sich ganz beiläufig auf seiner geöffneten Handfläche zusammenfalten. Auf der anderen Hand kam ein Stab zum Vorschein, dessen dunkles Holz anders als jedes andere war. Er hatte nicht ganz die Länge eines ausgewachsenen Mannes – vielleicht die Länge von Runa, nicht mehr.
„Geformt aus Tooshoo-Holz. Eine Gabe des Baumes selbst“, erklärte Corax.
Entlang des Schaftes waren Runen und Bilder eingraviert, die den Träger des Stabes als den Gesandten des Waldvolks von Tooshoo auswiesen. „Die sechs Zeichen der Natur, und die Zeichen aller Sippen, die sich zur Gemeinschaft von Tooshoo zählen und die du von nun an nach außen vertreten wirst.“
An der Spitze des Stabes teilte sich das Holz und umschloss wie ein gewundener Korb einen tiefgrünen Edelstein, dessen glatte Bruchkanten irisierten. Nein, das war kein Edelstein. Es war etwas Anderes. Etwas Lebendiges.
„Das Herz einer Tooshoo-Blüte“, erklärte Corax. „Es trägt Magie in sich und wird seine Kraft über das Holz mit der umgebenden Natur teilen, wenn du es rufst.“
Er rammte den Schaft auf den Boden. „Echuio!“
Die Magie des Blütenherzens entfaltete sich durch den Stab in den Boden und breitete sich aus, suchte alles Lebendige und verband sich mit ihm. Einige Ranken in der Nähe regten sich, eine Knospe öffnete sich und ein Vogel zwitscherte angeregt drauf los.
„Sehr beeindruckend“, konstatierte Maris. „Danke für deine Unterstützung, Corax.“
„Wirst du nun also nach Stewark zurückkehren und mit der Prinzessin sprechen?“, fragte Mertens.
„Noch nicht“, entgegnete Maris. „Erst einmal habe ich hier noch Dinge zu erledigen. Lehren und lernen. Zarra und Vareesa werden mich in die Sümpfe begleiten. Und dann …“
Er sah zu Corax. „Dann wartet eine Reise auf mich.“
„Die du bereits begonnen hast.“ Corax lächelte. „Gilana hat mir erzählt, was dir zu Beltane widerfahren ist. Sei dir bewusst, dass nichts bereits geschrieben steht. Erst wenn du den Schritt machst, ist er getan.“
Maris nickte. Er wusste, worauf der Druide anspielte, und war dankbar für die Ermunterung. „Ich werde es mir merken. Vielen Dank.“ Dann wandte er sich an Mertens. „Ich weiß, das wird nicht schnell erledigt sein, aber erst danach werde ich bereit sein, mit eurer Stimme zu sprechen. Und wenn es erledigt ist, werde ich mit Prinzessin Karella sprechen.“
„So soll es sein.“ Mertens nickte. „Vergiss nicht: wir dienen niemandem und verpflichten uns zu keiner Gefolgschaft. Aber wir sind bereit, zuzuhören. Und du wirst künftig die Brücke sein, über die ein Gespräch überhaupt möglich ist.“
Maris legte die Faust auf die Brust und neigte sein Haupt. Eine Respektsbekundung für seinen Anführer.
„Dann geh und beginne, Gesandter! Es klingt, als hättest du Einiges zu tun.“
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Trainingsplattform - Onyx macht Bäääm!
“Fertig! Alle Übungspfeile sind verschossen, Meister Onyx.”, sagte Runa und schüttelte ihre Arme aus, bevor sie sich durchstreckte und ihren Oberkörper hin und her in einer halbdrehung rotierte. Anfang und Ende der Übungen bei Onyx. Der Körper sollte gelockert werden und der Kopf umschalten.
Onyx nickte lediglich und trat an die große Schießscheibe. Er zog die Pfeile heraus, die er für schlechte Treffer hielt und winkte Runa dann herbei.
“Vier von dreißig. Nicht gut.”, urteilte er.
“Aber da sind doch dreimal so viele im mittleren Kreis und zwei sogar in der Mitte!?”, meinte Runa.
“Ja. Aber nur vier Pfeile sind richtig eingeschlagen und waren im guten Bereich. Wenn dein Pfeil nicht stark einschlägt, dann ist es wirkungslos. Ich kann dich mit einem Kieselstein abwerfen oder mit einem faustgroßen Stein. Was mehr schmerzt - weißt du. Ein Pfeil ist da, um dir einen Vorteil zu verschaffen und im besten Fall direkt zu töten. Für dich heißt das, du ziehst die Sehne wirklich bis an deine Wange. Mir sind zehn richtige Schüsse lieber wie das da. Keine halben Sachen. Morgen wird das anders sein, Tochter des Löwen!”, erklärte Onyx auf varantisch und duldete keine Diskussionen. Auf die kurze Distanz musste der Treffer sitzen. Es gab selten eine zweite Chance.
“Wir fertig mit Bogen heute.”, sagte Onyx dann in der Gemeinsprache.
“Gut! Dann können wir da drüben gleich weiter machen. Ich muss meine Schwertkunst üben. Sonst wird Paps noch meinen, dass ich alles vergessen habe. Du musst mitmachen. Ich brauche einen Gegner.”, meinte Runa und entspannte die Sehne an ihrem Übungsbogen.
Onyx brummte irgendwas in seinen Bart und war eigentlich gar nicht daran interessiert, sich nun im Nahkampf zu messen.
“Kommen schon. Du nicht gefunden Argument wieso du nicht gelernt Nahkampf. Vergessen? Du manchmal nicht Zeit für ein Schuss. Aber für ein Schlag!”, sagte Runa in ihrem varantisch. Onyx brummte vor sich hin. Ja, sie hatte ja recht - auch wenn es damals gegen den Oger kaum geholfen hätte. Dann nickte er widerwillig und hoffte, dass es nicht zu lächerlich aussehen würde.
Während Runa sich ein Übungsschwert griff, überlegte Onyx was er nehmen sollte. Einen Stab? Auch ein Übungsschwert? Eine Axt? Eine Keule? Er brummte nachdenklich und griff dann einfach das Übungsschwert. Ein stumpfer Prügel war das und fast etwas zu klein vom Griff für den Hünen. Aber im Grunde war er ja nur Übungspartner. Fechten oder sowas musste er ja nicht.
“Oh ho! Schwertmeister Onyx.”, pfiff Runa und verneigte sich leicht, bevor sie mit ihrem Schwert hin und her schlug und einen Stich in die Luft vollführte.
“Tanzen wir!”, sagte sie mit einem wölfischen Grinsen und Onyx ahnte irgendwie, dass sich seine Schülerin ein wenig austoben wollte, um seine Worte von vorhin zu verarbeiten.
So sprang dieser kleine Floh vor, holte aus und drängte Onyx zurück. Der hob nur das Schwert, mühte sich aber die Schnelligkeit, die er im Kopf für die Reaktion hatte mit dem Körper umzusetzen. Dumpf knallten die Klingen aneinander und Onyx stolperte fast nach hinten. ganz blöd war der Hüne ja nicht, da er zwar keine praktische Erfahrung hatte, aber schon vielen Kämpfen beigewohnt hatte. Es war aber schwerer wie gedacht. Onyx griff an und schlug mit völlig offener Deckung von oben nach unten. Runa nutzte das aus und wich einfach zur Seite aus, schlug gegen seine Klinge, so dass sie Onyx zur Seite entwich und hielt dann mit einer gekonnten Drehung des Handgelenks ihre Klinge Onyx an die Brust.
“Du wärst tot.”, sagte sie und ging wieder in Stellung. Onyx brummte und ging wieder in die Ausgangslage.
“Deine Grundstellung ist soweit ok. Du hältst sogar die Spannung im Körper. Hast du das mal geübt?”, fragte sie dann.
“Onyx gesehen Haltung viel. Alle halten so Grundstellung. Onyx auch machen.”
“Aha! Trotzdem sind deine Bewegungen danach sehr berechenbar. Deine Beinarbeit ist nicht gut. Beobachte mal meine Beinarbeit, wenn ich zuschlage. Mein Meister hat sie mir beigebracht.”, sagte Runa und dann gab es mehrere Aktionen zwischen Angriffen von Runa und Defensive von Onyx und dann umgekehrt im Wechsel. Onyx musste lernen kleinere Schritte zu machen und damit reaktionsschneller zu werden. Nicht einfach für seinen Kopf und gegen einen Floh.
“Du haust mit dem Schwert wie mit einem Knüppel. Ein Schwert ist doch für Schnitte und Stiche da, Meister Onyx.”, sagte Runa nachdem Onyx angegriffen hatte und Runa sehr einfach ausgewichen war..
“Wenn Onyx Bääääm! Dann Onyx Bäääm und niemand stehen auf.”, argumentierte der Waldläufer auf seine Art.
“Dann nimm dir auch was was Bäääm macht, Onyx. Das Mädel hat recht, dass du das Schwert falsch nutzt.”, kommentierte ihr einziger Zuschauer namens Darius. Onyx besah sich das Schwert und nickte.
“Schwert zu klein für Onyx.” - wähnte er als Ausrede - “Onyx nehmen Keule, dann zeigen Runa wie alte Bandit gemacht immer.”
Gesagt - getan packte er eine armlange Keule mit fünf Metallringen am Kopf als Verstärkung. Das war irgendwie mehr nach seinem Geschmack.
Sie gingen in Grundstellung und Runa sollte angreifen.
Kurz deutete sie eine Attacke an, setzte dann einen Ausfallschritt vor und stach in Richtung Onyx Nase, um dann einen halben Kreis zu ziehen und Onyx Hüfte zu treffen.
In derselben Zeit machte Onyx einen Schritt zurück und kreiste - noch eher testend - mit der Keule vor seinem Oberkörper in der Rückwärtsbewegung und hatte eher Glück, in dieselbe Richtung zu kreisen, wohin auch Runas Streich ging.
Die Keule traf auf die Klinge und lenkte sie ab.
Sie stoppten und nun sollte Onyx attackieren. Erinnerungen von damals über die Angriffstechnik seines Banditenbosses kamen auf. So umgriff er die Keule beidhändig, machte einen großen Ausfallschritt nach vorne und Hieb diagonal von oben nach unten. Natürlich wich Runa aus, schön blöd wer meinte so einen Wuchtschlag abzufangen. Dann bremste Onyx den Schwung ab und machte einhändig einen Schlag von links nach rechts. Zu langsam, zu schlecht vom Timing und den Fehler schon in der zu großen Wucht des Anfangsschlages sehend.
Runa musste sich kaum bewegen und schlug dann mit dem Übungsschwert gegen die Keule.
Die donnerte gegen den Boden und Onyx war entwaffnet.
“Nicht gut.”, stellte Onyx fest und hob die Waffe auf. Darius hingegen beobachtete das Geschehen ohne was zu sagen. Sie machten weiter, bis Runa sagen würde, es wäre genug. Selbst die Blöße wollte sich Onyx nicht geben, auch wenn die Keule zu schwingen natürlich recht anstrengend war. Doch auch gut. Als Meisterschütze war sein Zugarm besonders sehr ausgeprägt und zum Austeilen schon mal nicht schlecht.
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Ein Segen für die Götter? Ryu runzelte die Stirn und blinzelte drei Mal. Fast schon belustigt, konnte man meinen. Aber tatsächlich waren es mehr die Menge an Fragen und die verhältnismäßig ruhige, ja eher wissbegierige Neugier, mit der Freiya, entgegen allen Befürchtungen, tief in seinem Unterbewusstsein ihrem Wissensdurst Luft machte. Ob es wohl auch so gewesen wäre, hätte er ihr damals, als sie sich noch fremd waren, davon erzählt? Die Ereignisse der letzten Wochen mussten die rote Snapperin wahrlich zu einem neuen Menschen, gewappnet für all das, geformt zu haben. Und auch wenn der Hüter sie am liebsten vor alldem bewahrt hätte, so tat es doch gut einmal in Ruhe über alles zu sprechen. Zu teilen, was man schon so lange mit sich herumtrug. Aber auch die Arbeit und das Ergründen des Erzes schien ihm selbst eine gewisse Ruhe zu geben, mit der man über all das sprechen konnte. Zumal er auch genug Zeit gehabt hatte, sich auf eine Menge Fragen oder gar die Spontanflucht Freiyas vorzubereiten. Also insgesamt lief doch alles ganz zufriedenstellend.
Einen Augenblick lang ließ der Schwertmeister die Fragen auf sich wirken. Dabei ging sein Blick gen Himmel. Ein weiterer Sturm würde aufkommen. Ein nötiger Sturm, der das Blut der wilden Jagd aus den Sümpfen spülen würde. Ein reinigender Regen der neues Leben verkündete. Der Hüter kam nicht umher einmal mehr zu lächeln. Dann fiel sein Blick wieder auf den Erzbrocken in seiner Hand. Vielleicht würde die Reflektion der wenigen Sonnenstrahlen etwas Neues verraten? Also hob er das wertvolle Stück ein wenig in die Luft und betrachtete es eingängig. Tatsächlich glänzte der vom Blut ‚polierte‘ Teil wunderschön und es war fast, als strahlte jenes Erz eine eigentümliche Form natürlicher Urgewalt aus. „Hmm… Nein. Nichts.“, war der einzige Kommentar, der fiel. Dann jedoch, als ein kühler Windhauch über die Oberfläche des Erzes zog war es fast, als ertönte dort, wo noch die Resonanz erklungen war ein seichtes Pfeifen. Waren die porenartigen Löcher im Gestein um das Erz etwa grob genug um als Klangkörper zu dienen? Der Hayabusa schloss die Augen und lauschte konzentriert. Dieses Pfeifen war ihm nicht fremd. Aber es fiel ihm auch schwer, es zuzuordnen. Vielleicht hatten Resonanz und Pfeifen etwas miteinander zu tun? Es wäre nicht die erste skurrile Sache, die hier im Sumpf geschah. Vielleicht mussten sie an einen Ort gehen, an dem der Wind lauter sprach.
„Lass uns ein wenig weiter gehen. Dem Wind entgegen.“, forderte der Templer, für seine sonst so ruhige Art doch recht enthusiastisch auf, ehe man sich wieder in Bewegung setzte. Und während die beiden so liefen, zur Abwechslung einmal ohne Hatz und Lebensgefahr, begann Ryu, immer wieder dem Erz lauschend, die Fragen der Waldläuferin zu beantworten.
„Zu deiner ersten Frage: ich bin mir nicht sicher, warum oder weshalb die Geister einen beseelen. Manche sehen einen starken Wirt für ihre Zwecke. Andere erkennen große Taten an und wollen einen, hrm, belohnen. Aber, wie so oft, nicht ohne den Träger zu prüfen. Damals, vor Sarkany, gab es einen anderen Geist, der mit mir einen Bund einging. Der Behemoth, der Geist des Tigers. Ein ziemlich provokanter, hinterlistiger Bastard, um ehrlich zu sein.“. Ryu stieg über eine größere Wurzel und reichte Freiya die Hand als Zugpunkt und half ihr hinauf. „Hat mich damals fast um den Verstand gebracht und zur seiner Marionette gemacht. Frag mal Maris nach dem großen Turnier-Finale in der Arena von Varant. Ich glaube, er hat das Doppel-Duell zwischen Griffin, Drakk und, Colodis war sein Name, glaube ich, beobachtet. Sagen wir… Das Waldvolk hat nicht gerade durch zivilisiertes Verhalten geglänzt in diesem Kampf. Und dann begannen die eigentlichen Prüfungen: Das Aufwachen, beschmiert vom Blut und den Innereien gerissener Hoftiere, vielleicht sogar schlimmerem... Das tierhafte Verhalten und der alltägliche, innere Kampf um Kontrolle und das eigene Wesen. Das Ringen darum, sich nicht den eigenen Urinstinkten hinzugeben. Für manche wird es mit der Zeit leichter, wenn sie im Einklang mit den Geistern stehen. Für andere ist es eine ständige Bewährungsprobe. Natürlich erhalten wir dadurch die Geschenke der jeweiligen Aspekte eines Geistes: Geschärfte Sinne, Reflexe und eine übermenschliche Kraft. Aber wenn weder Geist noch Körper darauf eingestellt sind, ist die Gefahr daran zu zerbrechen…“. Der Hüter seufzte und senkte kurz den Blick auf den sumpfigen Morast, der zwischen den großen Wurzeln des Baumes über die sie gerade stiegen, immer wieder große Blubberblasen aufwarf, die kurz darauf zerplatzten. „Griffin war damals nicht bereit. Zwar hatte er sich irgendwie mit ‚seinem‘ Geist arrangiert, aber das bedeutet nicht, dass sie, also die Geister es nicht doch hier und da trotzdem versuchen wenn wir Schwäche zeigen, verstehst du? Ich glaube, das stille Ertragen seiner Sorgen haben ihn von den Leuten fortgetrieben und noch verwundbarer dafür gemacht. Welcher normale Mensch versteht auch schon, warum ein gestandener Krieger sich plötzlich wie ein Tier aufführt? Und wenn es dann auch noch einer wie Griffin ist, der immer nach den anderen schaut, tja… Er sah sich wohl selbst als Gefahr für andere.“
Der Schmied hielt das Erz noch einmal in die Höhe und lauschte dem Pfeifen des Windes. Dann drehte er sich etwas weiter gen Osten. Ja, der Pfad schien der richtige. Er nickte zufrieden und atmete einmal tief durch. Es war schon so lange her, dass er so viel gesprochen hatte. Das trocknete wirklich die Kehle aus! Er räusperte sich und atmete kurz durch.
„Aus Angst, sich völlig zu verlieren, hrm… Sagen wir, er hat es wohl irgendwie geschafft, diesen Geist mental in Ketten zu legen und sich vor ihm zu verschließen. Wie auch immer… Es hat wohl viele Jahre und Alkohol gebraucht, um ihn zum Schweigen zu bringen. So, dass er sich am Ende durch sein eigenes Handeln verlor... Und ehrlich gesagt, gebe ich mir die Schuld daran.“. Doch warum und weshalb, ließ er im Stillen. Freiya war dabei gewesen, als sein Waffenbruder damals berichtet hatte. Sie war dabei gewesen, als unweigerlich die Schwere der selbstsüchtigen Handlungen des Hüters offengelegt wurden. Der Mund des Templers fühlte sich trocken an. Worte wollten ihm nicht so recht entweichen, denn zum ersten Mal anzudeuten, was ihn seit Griffins Rückkehr in ständiger Qual hielt, war schwerer als jede Wunde, die seinen Körper noch plagte. Zwar wollte Freiya etwas sagen, auch spürte er ihre sanfte Berührung auf seinem Schulterblatt, doch hob er nur, den Kopf sachte schüttelnd die Hand. „Schon gut.“.
Mit einem leichten Satz sprangen die beiden nacheinander auf einen frisch, vermutlich im Lauf der wilden Jagd umgestürzten Baum der als Art Brücke diente. Es vergingen einige stille Momente, ehe Ryu dann wieder den Faden aufnahm. „Was uns zum Unterschied zwischen Griffin und mir führt: Er wahrt die Distanz zu seinem ‚Besucher‘, während ich … Wir … Das ist, äh, wirklich kompliziert und hängt wiederum mit meiner ach so großen 'Heldentat' am See von Silden zusammen...“. Stirnrunzelnd kratzte sich Ryu am Hinterkopf, den Blick entlang der sich im Wind neigenden Baumkronen gerichtet. Wie sollte er erklären, dass er Sarkany war. Und Ryu. Und zugleich kein einzelner? Es war ein Konzept, das er selbst kaum fassen konnte. Und doch fühlte es sich so natürlich an, als wäre es nie anders gewesen. Nachdenklich wanderten die Wyvernaugen zu Freiya. Er hätte gerade ein Königreich gegeben, um zu wissen, was ihr durch den Kopf ging. Jedes Wort musste nur noch mehr Fragen vom Stapel brechen. Aber das war in Ordnung. Eins nach dem anderen. Sie hatten Zeit und er ein Versprechen, das es zu halten galt.
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Östliche Ruinen
Sie. Musste. Aufhören. Ihn. Ständig. Zu. Berühren!
Ernsthaft! Sie hatte schon wieder Fridtjofs Stimme im Kopf und konnte nicht anders, als ihn leise hämisch nachzuäffen: „Wie du mit dem Hauptmann anbändelst.“
Idiot. Sich mit so einer ganz offensichtlich unwahren Behauptung einfach aus dem Staub zu machen! Trotzig pustete sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, diese waren heute aber auch wieder störrisch! Ryu, der erneut ins stille Zwiegespräch mit dem Erz getreten war, drehte sich zu ihr um und wirkte weiterhin so entschlossen wie gerade eben schon, als er davon sprach, dass sie dem Wind entgegen gehen sollten. Hatte er einen Hinweis gefunden, wie er dem Erz entlocken konnte, was es so hartnäckig zu verschweigen versuchte? Freiya schmunzelte leicht und folgte ihm.
Mit fast angehaltenem Atem hatte sie genaustens zugehört, was er ihr da alles erzählt hatte. Dieser Wyverngeist war nicht der Erste, der ihn beseelt (das war also anscheinend das richtige Wort dafür) hatte, sondern davor hatte es noch einen Tigergeist gegeben. Es trieb ihr die Gänsehaut über den Körper, als er von den Konsequenzen berichtete, die dieser Bund mit einem Naturgeist mit sich brachte. Als er von den Prüfungen, den Urinstinkten, von den verbesserten Fähigkeiten aber auch dem ständigen inneren Kampf, den das Ganze offensichtlich in sich trug, sprach. Und dann gab es nicht einmal einen offensichtlichen allgemeingültigen Grund dafür. Dann gab es also auch keine Möglichkeit, dem zu entrinnen? Es war zugegeben ein schwerer Gedanke, aber sie musste ihn aussprechen:
„Ryu ... was passiert, wenn man diesen Bund nicht eingehen will? Ich meine … wenn ich es richtig verstehe, hast du dich damit arrangiert … aber, was ist, wenn man das nicht will? Wenn man noch weiter geht als Griffin?“
Seine Gedanken über ihren, inzwischen gemeinsamen, bärtigen Freund erschütterten sie. Ja, sie hatte die Worte gehört, was ihm widerfahren war, und was das mit ihm angerichtet hatte. Diesen Kampf trug er immer noch jeden Tag aus. Aber es jetzt noch einmal so detailliert zu hören und auch noch einmal viel besser zu verstehen, war noch einmal eine andere Welt. Sie erinnerte sich an sein Zögern in der Höhle, als Odo Ryu fast zerquetscht hatte. Was musste das für Griffin bedeutet haben … Ob sie mit ihm darüber reden konnte? Ob sie mit ihm darüber reden durfte? Konnte sie es doch mitnichten nachfühlen, sondern war Ryu der Einzige, der das wohl ansatzweise konnte ...
Der Wyvernhüter gab sich die Schuld daran, dass es Griffin so ergangen war. Oder ihm so ging? Die Rothaarige verstand nicht ganz. Doch es war nicht an ihr, an dieser Stelle nachzuhaken, das ließ Ryus Reaktion sie spüren. Nun, er musste ihr nicht davon berichten, es ging sie nichts an und schließlich beantwortete er ihre Fragen doch so schon mit der größten Geduld. Manche Dinge wogen auch so schwer, das man dafür keine Worte fand.
Lange schwiegen sie, während Freiya Ryu folgte. Immer noch war Argo bei ihnen und Sandy trottete hinter den beiden her, hier und da etwas im Gebüsch oder Totholz naschend. Wenn sie den ein oder anderen Tümpel oder Baumstamm zu überqueren hatten, nahm Freiya die Beutelratte auf den Arm, denn wenn sie sich zu sehr von ihr entfernte, fing Sandy an, unruhig zu werden. Was für ein seltsames Tier.
Wieder frischte der Wind auf und raschelte durch die Bäume, das Gras bog sich leicht unter der frischen Brise und sie hielten sich weiter ostwärts. Erneut hielt Ryu an, hob das Erz und betrachtete den Brocken eingehend. Dann jedoch legte er den Kopf schief, schloss die Augen und lauschte dem Lied, das der Wind ihm ganz offensichtlich zu flüstern schien.
Sie betrachtete ihn, wie der Wind durch sein Haar fuhr und seine Züge ebenmäßig und entspannt waren, während er die Augen immer noch geschlossen hatte. Ein friedliches Bild. Es stand im krassen Gegensatz zu dem, was sie von ihm gesehen hatte in den vergangenen Wochen. Sie selbst schloss für einen Augenblick die Augen, um sich dieses Bild einzuprägen. Doch ihr Kopf hatte seine eigenen Pläne und vor ihrem inneren Auge kam Beltane wieder hoch, als sie ihm so nah war. Als nicht der Wind, sondern sie selbst nach seinem Haar und seinem Gesicht getastet hatte. Erschrocken öffnete sie ihre Augen wieder und keinen Wimpernschlag später rührte Ryu sich. Er steckte das Erz weg und in seinem Blick lag plötzlich ein Funkeln. Etwas überrascht sah sie ihn an:
„Und?“
„Weiter, wir sind auf dem richtigen Weg“, sprach er. Sie musste lächeln, und erneut schlugen sie sich nach Osten durch. Nicht mehr lange, und sie würden ans Ende der Ruinen kommen.
„Aber Ryu, wir gehen jetzt nicht wieder irgendwas nachprüfen, oder?“, fiel Freiya plötzlich ein. Sie hatte gelernt, dass man bei ihm vorsichtig sein musste. Nicht, dass sie ihn nicht gerne begleitete, aber aufs Kämpfen oder einen längeren Ausflug war sie nicht eingerichtet. Sie war aber auch noch gar nicht fertig mit ihren Gedanken und Fragen.
„Silden … erzählst du es mir? Die ‚Heldentat‘? Und was es mit deinem Kampf gegen Garagh letztendlich auf sich hatte?“, sprach sie schließlich, um den Kreis zu schließen.
„Diesem Drakk bin ich übrigens mal im Orkwald begegnet. Wir wurden damals sogar angegriffen. Keine Ahnung, ob er noch lebt.“ Oder ob Ferox, mit dem er gemeinsam unterwegs gewesen war, noch lebte. Wieder ein Gedanke, den sie lieber nicht weiter verfolgen wollte. Maris mal nach dem Turnier in Al Shedim fragen? Nun, das könnte sie tun. Und Griffin offensichtlich auch.
Doch eine letzte Sache lag ihr noch auf der Zunge, denn ihr war seine Philosophie eingefallen, die er mit Vareesa während der Wilden Jagd am Basislager geteilt hatte.
„Darf ich fragen … wie ist es für dich? Bist du im Einklang? Hast du jemals daran gedacht, einen Kampf nicht auszufechten? Wie es ohne den Wyverngeist wäre? Und ist es gut, dass Sarkany jetzt da ist, statt dieses Behemoths? Und … ist Sarkany der Grund, warum du eigentlich so zurückgezogen lebst?“
Sie zögerte kurz und blieb stehen, dann schaute sie zu Boden: „Du musst es mir nicht sagen, wenn du nicht willst. Ich … es sind nur so viele Gedanken …“ Und sie hatte eben noch nie jemanden wie ihn kennen gelernt. „Ich möchte es nur verstehen … so gut es geht. Wenn du erlaubst.“
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Am Trainingsplatz
Am nächsten Tag, ging Valerion seinem üblichen Tagwerk weiter nach. Erst hatte er ein paar Stunden wache gehalten, um weiterhin für die Gemeinschaft seinen Dienst zu machen. Seine Wache war relativ ruhig und so konnte er sich auch Gedanken machen, wie er sich noch mehr in die Gemeinschaft einbringen konnte. Die Idee mit dem Handwerk hatte er nicht vergessen und so wollte er auch dieses Thema angehen. Doch für heute hatte er erstmal ein anderes Thema vor, was er unbedingt angehen wollte. Der Trainingsplatz war heute etwas wichtiger, als das Handwerk. Selana wollte mit ihm etwas trainieren, da er Darius noch nicht getroffen hatte und auch nicht wusste, wo sich dieser gerade herumtrieb. Vielleicht würde dieser ja auch wieder auftauchen. Außerdem musste er wohl mal bald einen Schmied oder Waffenhändler suchen. Seine Klinge war ziemlich unbrauchbar geworden, also musste er auch erstmal mit einem Übungsschwert kämpfen.
Als er am Trainingsplatz ankam, war seine Gefährtin noch nicht da, also nahm er sich erstmal die Trainingspuppe vor. So ging er in die Kampfstellung, positionierte seinen rechten Fuß nach vorne und überprüfte seine Haltung, mit verschiedenen Übungsschlägen in die Luft. Dabei versuchte er aber auch seinen Waffenarm richtig zu bewegen, damit er seine Angriffe auch richtig ausführen konnte und bei einem richtigen Kampf, nicht den kürzeren zu ziehen. Nachdem er zufrieden war mit seinen Übungen, ging er an die Puppe heran, der erste schlag war von oben rechts nach unten Links. Er wiederholte seine Übungen ein paar mal, in verschiedene Richtungen, und zum Schluss gab es einen Stich in die Mitte der Puppe. Er war mit seinem Training zufrieden, wollte sich aber noch verbessern. Da seine Gefährtin noch auf sich warten ließ, ging er einfach die verschiedenen Trainingseinheiten nochmal durch, die er bei Darius gelernt hatte.
Also ging er auch die verschiedenen Schrittstellungen durch, um auszuweichen. Mit einem richtigen Trainingspartner wäre das sicher besser und so grinste er, als er eine vertraute Stimme hörte.
„Mit einem Trainingspartner wäre das sicher besser“, meinte Selana und umarmte Valerion kurz.
„Da ich nun da bin, können wir auch gleich anfangen“, sprach sie und machte sich ebenfalls bereit. Für den Schutz, zogen sie sich auch ein paar Polster an, um nicht zu stark verletzt zu werden, auch trotz Übungswaffen wollten sie auf Nummer sicher gehen.
Also gingen sie in Kampfstellung, Valerion legte seinen Arm, den er nicht benutzte nach hinten, damit er nicht mit beiden Armen kämpfen konnte. Sie wollten erst einmal einfache Schläge machen, damit beide ein Gefühl für die Bewegungen bekamen. Also schlug der Bärtige von oben nach unten zu, dann von rechts nach links. Die Übungen wurden dann auch von der anderen Seite durchgezogen.
Das Tempo wurde etwas angelegt, dieses mal ging es auch darum, den Gegner zu treffen.
Valerion versucht ihren Waffenarm zu treffen, also schlug er von rechts nach ihren Arm, sie blockierte den Schlag ab und wollte gerade nach seinem Arm schlagen, also versuchte der Kerl mit ein paar Schritten nach rechts auszuweichen, sie folgte ihm mit der Bewegungen, und so begannen sie sich quasi zu umrunden, der Bärtige achtete auf seine Schritte, versuchte ihre Bewegungen vorauszusehen und versuchte dann einen Stich nach vorne zu schaffen. Doch da sie auch ausweichte, versuchte sie einen konterschlag gegen sein Bein, dummerweise schaffte er es nicht, richtig auszuweichen, und wurde getroffen. Sie grinste ihn triumphierend an und sofort ging der Übungskampf weiter. Dieses mal wollten sie schneller Kämpfen also wurden die Bewegungen schneller, die Klingen kreuzten sich öfters, die Gegner wollten sich keinen Fehler erlauben, jeder Schlag wurde sorgfältig gewählt, jeder schritt wurde vorsichtig gesetzt und die gegnerischen Angriffe wurden gut geblockt. Langsam wurde der Atem schwerer, der Kampf war anstrengend, aber für die Übung und Erfahrung war das wichtig. Schließlich setzte Valerion einen schlag gegen ihren Waffenarm, den er von unten nach oben ansetzte und sie schaffte es nicht, zu blocken. Es stand also 1 gegen 1 aber sie wollten erstmal eine kleine Pause machen, um danach zu schauen, wer besser ist.
Sie lehnten sich an eine Bank und nahmen einen Schluck aus ihren Wasserschläuchen. Das Training war anstrengend gewesen aber sie wollten noch weiter trainieren, also würde es eine kurze Pause geben, damit sie wieder an das Training weiter gehen konnten.
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Der Hüter trat an Freiya heran. Wie von selbst wanderte seine freie Hand an die Wange seiner Begleiterin und behutsam lenkte er ihren Blick entgegen seines eigenen. Wie sanft ihre Haut sich an seine Handfläche schmiegte ... Einen Augenblick lang schwiegen sie. Ruhig, wenn auch ohne genaueres Ziel zeichnete er abermals die Züge seiner Jagdgefährtin ab und konnte sich eines sanften Lächelns nicht erwehren. „Es fühlt sich gut an.“, begann er. „Darüber zu reden, statt selbst nur nachzudenken. Weißt du, manche starren mich an, als wäre ich ein Monster. Aber du bist anders, Freiya. Du … siehst hinter diese Augen. Willst verstehen. Und das bedeutet mir viel.“
Des Hüters Daumen strich einige Male ab und wieder auf, sein Herz begann zu pochen. Dann, mit dem erneuten Aufkommen des Windes nickte er leicht und, mit einigem Zögern, folgten seine Augen der Windrichtung erneut. „Wir sind bald da. Ich kann es es spüren.“
Dieser Wissensdurst war schon etwas Faszinierendes. Da waren noch Fragen von zuvor, denen er eine Antwort schuldig war, doch kamen mit jeder Antwort mindestens drei weitere Fragen. Ryu atmete tief durch, versuchte gedanklich zu ordnen und auch nichts auszulassen. Was schwer war bei einem Thema, das so verworren, durcheinander und ineinander verzahnt war wie das der Hüter, ihres Wesens und der Naturgeister. Dennoch kam der Templer nicht umher, Freiya hier und da ein sanftes Lächeln zu schenken, als sie zwischen den hüfthohen Gräsern entlangwanderten, welche sich am Rand der Mangroven der Sonne entgegen zu strecken versuchten. Es war so angenehm einmal in aller Ruhe über alles zu sprechen. Gedanken zu teilen mit denen man sonst allein war. Die einen über Jahre beschäftigt hatten. Und irgendwo warfen ihre Fragen auch Gedanken auf, über die der Hayabusa so nie nachgedacht hatte. Vor einem Kampf davonlaufen? Sich aus dem Bund mit Sarkany befreien?
Er hielt inne, hob das Gesicht in Richtung der letzten Sonnenstrahlen die immer wieder von den vorbeiziehenden, dunklen Wolken unterbrochen wurden. Dann schloss er die Augen und atmete tief durch. „Eins nach dem anderen.“, begann er schließlich und verharrte eine Weile in stiller Erinnerung an all die Ereignisse um Sarkany, die Hüter und den Geist des Waldes.
„Es gibt immer eine Wahl, Freiya. Aber egal wie man entscheidet, kommt es mit einem Preis. Du kannst versuchen, sich dem Ruf zu verschließen. Aber ich glaube, so einem Bund zu entsagen, wie Griffin es versucht hat, sorgt mehr dafür, dass man sich verliert, als wenn man sich den Prüfungen stellt. Was wäre von dem Mann geblieben, den wir heute kennen, wäre er noch weiter gegangen? Ein Schatten? Ein zahnloser, zitternder Penner, der in seiner eigenen Pisse seinen Fieberträumen erliegt? Eines dieser bedauernswerten Geschöpfe, dass das Geschenk des Lebens und des eigenen Potentials wegwirft … Und weshalb? Aus Furcht? Nein, das ist nicht der Weg. Wer ihn einmal gegangen ist, würde sich selbst verraten und seiner wahren Natur verschließen.“
Langsam öffneten sich die Wyvernaugen wieder und eher unbewusst strich der Templer dabei über die Spitzen der Grashalme, dabei das sanfte, kribbelnde Gefühl auf seinen Fingerspitzen genießend. Er kam nicht umher dieser Wahrheit wegen zu lächeln und blickte dann zu Freiya. „Das bedeutet aber nicht, dass es unmöglich sein muss. Es gab einmal einen Mann, einer der größten Lehrmeister und Schwertkämpfer, die mir je begegnet sind: Gor Na Jan. Ich glaube, er hat es geschafft. Zu welchem Preis, das weiß ich nicht. Aber ich halte es, wenn dein Körper und Geist stark genug und im Einklang sind, nicht für unmöglich. Leider haben sich unsere Wege auch vor langer Zeit getrennt und es bleibt nur zu hoffen, dass er weiterhin seinem eigenen Weg folgt.“. Verdrießlich, in nostalgischer Erinnerung an das harte Training und all die Beschwerlichkeiten aber auch das Wissen, welches das Sinnbild der alten Kaste ihn damals gelehrt hatte, ließ seinen Blick auf jene Gräser sinken, die sich sanft im Wind wogen.
„Und selbst wenn er es geschafft hat … Ein Körper gewöhnt sich an diesen ‚Zustand‘. Sich von so einer Kraft zu trennen ist, als müsste man das Laufen erneut lernen. Zumindest stelle ich es mir so vor. Nimm ein Haus als Beispiel und entferne die Grundsteine. Es würde in sich zusammenbrechen.“. Dabei gestikulierte der Hüter, als würde er den tragenden Stein unter einem Turm entziehen und diesen zu Fall bringen. Langsam setzten die beiden ihren Weg fort. Immer wieder hob der Hüter den Blick, sah versonnen den Wolken nach und überlegte lange. Ihre Worte hatten eine Lawine an Überlegungen in ihm ausgelöst und die Ordnung zu halten fiel schwer. Irgendwann dann kam die Frage über weitere ‚Überprüfungen‘ und, schmunzelnd blickte der Hüter erneut in die Richtung der Waldläuferin.
„Das wird mit dem ‚Überprüfen‘ wird mich jetzt noch eine Weile verfolgen, oder?“, kommentierte und hob dabei die Augenbrauen. Der Rotschopf neigte den Kopf etwas schief und lächelte ihm nur vielsagend entgegen. Sie musste es nicht aussprechen, doch die Art, wie sie dreinblickte, ließ seine Augen länger auf den ihren ruhen als geplant. Freiya war, gerade in diesen ruhigen Momenten mit einer außergewöhnlichen Anmut und Weiblichkeit gezeichnet die einen in seinen Bann ziehen konnte: das seichte Lächeln unterhalb der grünen, glänzenden Augen, umrahmt von der feurigen Brunst roter Haare, die dort über ihre Schulter reichten und ihr diesen Hauch feuriger Leidenschaft und Neugier verliehen, war manchmal schlicht atemberaubend. Und dann war da ja noch die Frage nach Silden. Ryu seufzte lang und tief. Früher hätte er sich bestimmt damit gerühmt, hoch oben über dem See eine untote Bestie erschlagen zu haben. Aber nun, nachdem er die Erinnerungen Sarkanys, seine Erinnerungen kannte, konnte er diesen Akt der Gnade wohl kaum als Heldentat bezeichnen.
Wieder hob er den Erzbrocken an und lauschte. Das Pfeifen der Poren und der Zug des Windes waren nun fast im Einklang. Der kristalline Teil hatte eine angenehme Wärme, angenommen wenn man mit dem Daumen darüberstrich, und alles in allem waren sie wohl bald da. „Hmm, wir nähern uns dem Wasserfall der Geister. Zumindest hat Ornlu ihn mal so genannt.“, stellte er fest und legte die Stirn abermals in Falten. Natürlich. Wo sonst sollte einen das Erz des Waldvolkes hinführen, als zu einem Ort, der mit Geistern zusammenhing? „Klangvoll. Dort liegt doch unsere Hauptversorgung für frisches Quellwasser.“, bestätigte Freiya hinter deren Augen schon die nächsten Fragen zu jenem Ort aufzukommen schienen. „Ja, aber dazu kann ich dir nicht wirklich viel erzählen. Zuletzt fand dort ein Ritual statt bei dem der gute Jadewolf etwas Hilfe benötigte. Aber gut, Silden, ja?“. Freiya nickte langsam und setzte sich auf eine auffordernde Geste des Templers auf einen von Moos bewachsenen Felsen. Ryu nahm gleich daneben Platz und hielt dabei den Erzbrocken in beiden Händen.
„Diese Häscher, ich vermute, Anhänger Beliars oder sowas … Auf jeden Fall irgendeine üble Gruppe, die es geschafft hat, Sarkany lange genug zu jener Verderbnis auszusetzen, wie du sie bei Garagh und Odo gesehen hast. Und ihn noch über seinen Tod hinaus noch zu versklaven. Ich vermute, das hat etwas mit den 'falschen Versprechungen' zu tun, aber … das ist auch so ein Kapitel für sich.“.
Unruhig und bemüht damit, sich noch einmal vor Augen zu rufen, wie die damaligen Ereignisse vonstattengingen, rollte der Schmied den Erzbrocken von der einen in die andere Hand.
„Lange Rede, kurzer Sinn: es gelang mir, ihn zu erlösen und dabei stürzten wir in den See von Silden. Der Behemoth, als intriganter Bastard der er war, schien kalte Füße zu bekommen und hat mich danach schlichtweg im Stich gelassen. Keine Ahnung wie, aber mit einem Mal verließ mich all die Kraft und Beherrschung über meinen Körper… Und damit mein Bewusstsein.“, berichtete er ruhig und hielt den Erzbrocken schließlich in Begleitung eines langen Seufzers fest. „… Und Sarkany hat dich gerettet?“, schloss die rote Snapperin die bis dahin schweigend mit den Augen dem Erzbrocken gefolgt war. Ryu nickte dezent und hob den Blick in die Ferne.
„Viel war nicht mehr von ihm übrig. Wie viele Jahre man ihn gequält haben musste, das will ich gar nicht wissen. Aber was ich weiß, ist, dass er mir mir damit danken wollte. Nur seltsam: Sarkany hat nie gesprochen. Kein einziges Mal konnte ich seiner Stimme lauschen und doch war er da. Im Gegenzug zum Behemoth, der einen ständig provozierte. Wie eine Präsenz in deinem Kopf, die dir, tja, wie soll man es anders sagen, auf den Sack geht.“. Dabei deutete er mit einem Finger an seine Schläfe und vollführte die charakteristische ‚Plemplem‘-Geste durch. „Und seitdem bist du ‚so‘?“, harkte der Rotschopf dann nach einer Weile vorsichtig nach. Offensichtlich ein erneute Anspielung auf die Frage seines zurückgezogenen Lebensstils hin. Doch der Hayabusa schüttelte nur den Kopf. „Hm, nein. Das ist komplizierter: Es begann auf einer Reise nach Khorinis. Dort fanden wir einen alten Tempel, in dem ich eine Vision hatte. Eine, die mir Hinweise auf den Wyvern-Kult gab. Dass ich von ihm lernen konnte. Und die Möglichkeit, ‚Weh No Su‘ zu erlangen.“.
Sie wiederholte den letzten, so fremd klingenden Begriff und blinzelte fragend. „Näher an den Sternen.“, beantwortete der Hüter nur lächelnd in dem Wissen, dass damit nur noch eine Frage geboren wurde. Doch Freiya sollte fragen, was es zu fragen gab. Der Hayabusa hatte das Gefühl, dass sie so schnell keinen weiteren ruhigen Moment finden würden, für solche intimen Momente. Die Antworten würden sicher auch ihre anderen Fragen beantworten. Was Weh No Su bedeutete. Ob er im Einklang war. Wenn nicht jetzt, wann dann?
-
Östliche Ruinen
Näher an den Sternen.
Freiya ließ die Worte auf sich wirken. Das interessierte sie natürlich, doch sie hatte so viel gehört, er hatte ihr so vieles erzählt, dass sie ihre Gedanken zuerst ordnen musste. Ihr Blick wanderte von dem Erzbrocken in seinen Händen zum Gras, das sich unter dem Wind bog. Hier und da schwirrten Insekten um sie, nicht weit von ihnen stand ein großer Strauch einer Wildrose, deren blassrosafarbenen Blüten Bienen und Schmetterlinge anlockten.
Argo hatte sich nicht weit von ihnen auf einem Ast niedergelassen und döste. Sandy hingegen tapste durch das hohe Gras, so dass man sie selbst kaum sehen konnte, aber die wackelnden Halme verrieten ihren Aufenthaltsort. Ab und zu war ein zufriedenes Grunzen zu hören. Trotz der dunklen Wolken, die über sie hinwegzogen und nur noch hin und wieder Sonnenstrahlen hindurchließen, genoss Freiya die Idylle. Sie hatte völlig die Zeit vergessen über das, was Ryu ihr erzählte und, naja, über überhaupt seine ganze Präsenz.
Sie war anders, hatte er gesagt, sie sah hinter seine Augen. Natürlich tat sie das. Weil er sie ließ. Schon damals auf dem Übungsplatz. Ein kurzer atemloser Moment und sein offener Blick in ihre Augen hatten ihr gereicht, um die Ahnung von einem Menschen zu bekommen, der so anders war als gedacht. Und so anders als jede Person, die sie kannte. Einzigartig eben. Dabei hatte sie sich nie über die Maßen über seine Augen gewundert. Natürlich waren sie eben das Aushängeschild seiner Einzigartigkeit, doch sie hatte, abgesehen von ihrer Neugier, die sie damals im Nachtlager auf dem Weg ins Gebirge hatte danach fragen lassen, nie einen Anlass gesehen, sich übermäßig zu wundern. Waren er und sie doch schließlich Teil des Waldvolkes mit seinen allerlei seltsamen Mitgliedern. Freiya hatte Menschen als Erstes schon immer so akzeptiert, wie sie waren, und entsprechend hingenommen. Etwas, das Ronja manchmal zur Weißglut trieb, wenn sie sich über jemanden aufregte.
Doch, diese Einstellung teilten andere Menschen wohl nicht.
„Monster? Wie kommt man auf sowas?“, empörte sie sich plötzlich, als ihr seine Worte wieder einfielen.
„Du hast sie gehört, beim Thing meine ich. Du hast meine Auseinandersetzung mit Ricklen gesehen“, sprach er und wandte den Blick ab. Ernst und mit einer Spur Bitterkeit? Sie wandte sich ihm zu und musterte ihn. Natürlich hatte sie das gehört, aber sie hatte dem nicht eine derartige Bedeutung beigemessen. Was vielleicht einfach war, wenn man nicht in seinen Schuhen steckte. Trotzdem fragte sie sich, ob seine eigene Wahrnehmung von sich selbst hier vielleicht eine größere Rolle spielte, als gedacht? Obwohl er es nicht aussprach?
Ihr war aufgefallen, welche Worte er gewählt hatte und wie er gesprochen hatte. Wie wichtig ihm das Ganze war. Es war nicht nur die Notwendigkeit, die ihn in die Kämpfe gehen ließ, sondern auch Demut, Dankbarkeit, eigener Antrieb und sicher auch Stolz. Diese Idee dieses Hütertums mit ihren Naturgeistern, er lebte sie mit Haut und Haar.
„Ich sollte das nicht tun aber …“, murmelte sie und griff dennoch nach seiner Hand. Sein Arm lag in ihren Händen und sie streichelte mit ihren Daumen vorsichtig über die Narben.
„Ihr tragt das alles. Du, Griffin und inzwischen auch Onyx, wenn ich das richtig verstanden habe … Ihr alle tragt diese wilden Herzen in euch. Für uns, und für das, was uns umgibt. Um das auszumerzen, was nicht sein soll. Trotzdem seid ihr so menschlich wie es nur geht. Ihr tut eurem Umfeld gut, jeder auf seine Art und Weise. Niemand hat das Recht, das Wort Monster zu benutzen.“
Sie sah auf zu ihm, während sie die Hände um seine freie Hand schloss und sie barg wie einen kleinen Schatz.
„Griffin, mit all seiner Last, die er trägt, schenkt uns immer wieder aufs neue sein großes, wahrscheinlich auch sehr haariges, Herz. Und all seine Fehler machen ihn so menschlich. Onyx hat das Credo unseres Volkes so verinnerlicht wie kaum sonst jemand, den ich kenne. Ohne diese Selbstverständlichkeit, die er mit sich trägt, dass wir füreinander da sind und jenen helfen, die Hilfe bedürfen, wäre ich nicht mehr am Leben. Und du … seit wir uns kennen, hattest du nichts als Freundlichkeit und Zuspruch für mich übrig. Oder waren das nur die Worte eines als Weiberheld bekannten Mannes? Ich hatte nicht den Eindruck.“ Sie wäre auch sehr enttäuscht gewesen, wenn dem so wäre.
„Ihr seid Menschenfreunde. Trotz eures Bundes. Keine Monster.“
Nun legte sie ihm die Hand auf sein Herz, wie damals im Sumpf, und ließ ihre Hände sinken.
"Ihr seid gut so, wie ihr seid."
Wie konnte es sein, dass, wenn sie einander berührten, es sich so beruhigend und wohltuend anfühlte und ihr Herz gleichzeitig schneller zu schlagen schien? Wie ging das?
Ein Grunzen an ihren Füßen ließ sie ihren Blick vom Hauptmann lösen.
„Na, hast du dich satt gefressen?“, sprach sie und hob Sandy auf ihren Schoß. Das Opossum kaute auf einem dicken Grashüpfer herum und als es diesen herunter geschluckt hatte, rollte sie sich zusammen. Freiya kraulte Sandy zwischen den Ohren.
„Wir sind schon zwei“, sprach die Waldläuferin dann und blickte wieder zu Ryu. „Die Frau mit dem Opossum auf dem Schoß und der Mann, der dem Erz lauscht.“ Sie kicherte.
Wieder dachte sie daran, was er von Sarkany erzählt hatte. Dieser Bund klang so viel harmonischer als der mit dem Behemoth. Als hätten Sarkany und Ryu einander gebraucht. Aber wie war das mit den anderen Wesen gewesen?
„Wollten Odo und Garagh dich auch beseelen? Oder vielleicht sogar unterwerfen? Hm, nein, Odo war nur korrumpiert oder? Aber nicht besessen von einem Naturgeist?“, überlegte sie.
Ihr kam der Moment wieder in den Sinn, als sie Odo getötet hatte. Sein gebrochener Blick, als Ryu und Griffin ihn endgültig besiegt hatten. Die Kreatur, die nicht mehr hätte sein dürfen. Sarkany hingegen war einen wirklichen Bund eingegangen mit Ryu.
„Faszinierend“, murmelte sie, dann blickte sie ihm in die Augen, die sie nun so ganz anders sah. „Danke, dass du dir die Zeit nimmst, es mir alles so ausführlich zu erklären. Ich weiß das zu schätzen. Wollen wir weitergehen und du erklärst mir, was es mit Weh No Su auf sich hat? Und naja, da wäre immer noch Garagh …“, sagte sie mit einem fast schon entschuldigenden Lächeln, ob ihrer penetranten Erinnerung daran. Eigentlich hatte sie gar keine Lust, weiterzulaufen, sondern wäre hier lieber noch so nah neben ihm sitzen geblieben. Doch ihr war, als brächte der Wind den Duft von Regen mit sich.
-
Trotz des Gedankensturms, der in ihr tobte, wusste Zarra nicht so recht, was sie mit sich anfangen sollte. Die Wilde Jagd war vorüber, Beltane kam und ging und auch das Thing lag hinter ihnen. Endlich konnte der Alltag wieder seinen Lauf nehmen, auch wenn bereits die ersten Vorkehrungen für den Wiederaufbau Schwarzwassers begonnen wurden. Man mochte über das Waldvolk sagen, was man wollte, doch wenn es darauf ankam, packten sie alle gemeinsam an.
Dennoch blieb für die junge Frau die Frage, wie ihr neuer Alltag eigentlich aussah. Sie war kein einfaches Mädchen mehr, sondern Teil des Druidenzirkels von Tooshoo und sie konnte nicht einfach in ihr altes Leben zurückkehren, in dem sie blind durch die Welt stolperte, Kräuter für ihre Oma sammelte und von ihr lernte, wie man einfache Tinkturen und Salben anfertigte. Doch was tat man als Lehrling der Druiden? Sie würde Maris fragen müssen, wenn sie ihn sah, doch für den Moment blieb sie ein wenig ziellos.
Um auf andere Gedanken zu kommen, steuerte sie auf den Baum zu, vorbei an einigen wenigen Leuten, die bereits nach letzter Nacht munter waren und ihrem Tagewerk nachgingen oder gar damit begannen die von dem Aufbegehren Tooshoos gegen die dunkle Macht überwucherten Stege zu befreien. Sie wurde sogar gegrüßt seit sie vorgestellt wurde und spürte, wie unangenehm ihr die neugewonnene Aufmerksamkeit war. Mit leicht geröteten Wangen grüßte sie Bud und Terrence, die ihr zuzwinkerten, bevor sie die Treppen zur Sumpflilie erklomm. Vielleicht fände sie ja Griffin, den sie noch nicht beglückwünscht hatte, dass man ihn willkommen geheißen hatte. Doch stattdessen entdeckte sie beim Öffnen der Tür zwei Gesichter, die ihr seit Tagen schon im Hinterkopf herumgeisterten; Enya und Fynn. Die Bardin entdeckte sie binnen weniger Augenblicke, lächelte breit und winkte sie zu ihnen an den Tisch.
„Ah, kleine Zarra, wir haben uns seit Beltane nicht mehr gesehen!“, grüßte die hübsche Frau sie und Fynn bestellte sogleich etwas zu trinken für sie alle.
„Ich habe euch gesucht am Morgen nach Beltane“, erklärte die Weißhaarige ohne Vorwurf in der Stimme.
Die beiden schauten sich an und grinsten verliebt.
„Tja, wir hatten…einiges nachzuholen nach der langen Nacht des Spielens und Beobachtens“, verriet Enya nebulös und kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus.
Zarra runzelte die Stirn, verstand sie doch nicht recht, worauf sie anspielte, doch erschien es ihr auch nicht wichtig genug, um nachzuhaken. Viel mehr interessiert sie das Versprechen, welches die Barden ihr in der Nacht von Beltane gegeben hatten.
„Also…meine Mutter“, begann sie.
„Ja, sobald wir unsere Getränke haben. Mit trockener Kehle erzählt es sich schlecht“, bremste Fynn sie und zwinkerte ihr zu.
„Aber du kannst ja schonmal erzählen, weshalb du so gut singst, hm?“, triezte Enya sie und lächelte süffisant, weil ihre Worte Zarra offensichtlich verlegen machten.
„Ich weiß nicht. Ich singe immer nur, wenn ich für Oma Kräuter sammel‘ und mich niemand hören kann“, murmelte sie so leise, dass die beiden Barden sie kaum verstehen konnten.
„So so. Deine Mutter konnte jedenfalls nicht so gut singen. Das kann ich dir sagen“, erwiderte die ältere Frau und lächelte erinnerungsschwer, „Ich hab‘ sie einmal gebeten mit mir zusammen zu singen, allerdings habe ich das schnell bereut!“
„Da kannten wir uns noch nicht“, lachte Fynn und fuhr auf einen fragenden Blick der jungen Frau fort, „Ich bin nicht beim Waldvolk aufgewachsen. Ich stamme aus Geldern.“
Die Weißhaarige nickte und schaute auf, als die Krüge mit Wasser und Saft kamen. Gespannt schaute sie die beiden an, insbesondere Enya, die ihre Mutter wohl gut gekannt hatte, wenn sie sogar mit ihr zusammen hatten singen wollen.
Geändert von Zarra (17.07.2024 um 22:15 Uhr)
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