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Danke an alle für die tollen Antworten. Viele Posts sind sehr interessant und lehrreich. Ich finde sogar zuviele Posts sehr gut, deshalb ist es für mich schwierig zu antworten. Wie gesagt, viele Posts haben mir schonmal weitergeholfen.![]()
So richtig abgewirtschaftet wurde die Bundeswehr durch zahlreiche Verteidigungsminister, darunter im für diese Diskussion besonders relevanten Zeitraum 16 Jahre lang ausschließlich Minister von den Schwarzen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_...igungsminister
Das sind diejenigen, die sich Wirtschaftskompetenz anheften, aber die Bundeswehr in ein ökonomisches Desaster geführt haben - so teuer wie eine gut funktionierende mittlere Streitmacht, aber ungefähr so schlagkräftig wie die eines Stadtstaates.
Natürlich kann jeder Minister sich darauf berufen, bereits von seinem Vorgänger einen Haufen Scheiße geerbt zu haben, aber so kann man es doch nicht fortführen, und mit den Jahrzehnten ist da doch wohl ein eklatanter Niedergang der Effizienz und Effektivität zu beobachten, indem da wohl fast jeder noch sein Schippchen Scheiße draufgeschmissen hat. Ein Beschaffungsskandal folgte dem anderen. Dann hieß es immer wieder, das wären gaaanz alte Verträge. Komischerweise sind die jeweils neuen die alten von morgen (bzw. die von heute die neuen von gestern), und nichts hat sich am Modus der maximalen Geldverschwendung geändert, außer der fortschreitende Grad seiner Perfektionierung.
In Friedenszeiten saß die Politik immer am längeren Hebel, gegenüber der Rüstungsindustrie, aber sie hat sich trotzdem immer wieder von der am Nasenring durch die Manege führen lassen, möglichst wenig Ware für maximales Geld, alles angeblich höchstinnovativ und daher dem Feind zigfach überlegen. Nun sehen wir, dass das Blödsinn ist (teils schon, weil der Kram nicht richtig funktioniert, teils wegen simpler Ausstattungsdefizite und nachlässiger Produktpflege) und dass es nicht mal zahlenmäßig genug ist, um diesem geschönten Verhältnis gerechtzuwerden. Es hilft auch nicht viel, wenn die wenigstens einigermaßen bewährten Standardgerätschaften nicht mit genügend Munition versorgt werden können oder wenn dafür die Ersatzteile fehlen.
Das alles war der Politik ganz offensichtlich ziemlich egal, denn eine pragmatische und kostengünstige Strategie zum Beseitigen der Mängel hat es wohl nicht gegeben, wie sich inzwischen gezeigt hat, denn geschafft wurde über all die Jahre des Blablas hinweg fast gar nichts, während naturgemäß weiteres Gerät verschlissen und verfallen ist - weswegen es nicht genügt, sich von der Industrie ein überteuertes und langsames Hinterherflicken oder ein Nachfolgemodell, welches sie über Jahrzehnte streckt, andrehen zu lassen. Die Industrie hat diesen Modus nämlich am liebsten. So kann sie ihre Gewinnquote maximieren und muss sich nicht mit Neueinstellungen "herumplagen", könnte nämlich anstrengend werden, und davon ist sie schon lange entwöhnt. Gleichzeitig macht sie den Auftraggeber jahrzehntelang von sich abhängig und kann so lange mit überholten Designs (der heiße Scheiß von vorgestern) reich werden.
Nun haben wir aber Kriegszeiten, und da sitzt die Rüstungsindustrie am viel längeren Hebel, insbesondere wenn die Lager so leer sind, wie sie jetzt sind. Man muss bloß dem Chef von Rheinmetall zuhören, dann merkt man, wie seine Rhetorik sich gewandelt hat. Zunächst gab er sich wie ein guter Freund, der einen Weg mitgehen will. Inzwischen werden seine Forderungen gewissermaßen bestimmender, und es zeigt sich, dass er zuvor vollmundig angekündigte Investitionen unterlassen hat, da ihm die Politik dafür nicht das Geld der Steuerzahler im Voraus zugesichert hat. Er wähnt sich so sehr am längeren Hebel, dass er nun Rheinmetall zu einem weltweiten Konzern machen will. Es stimmt dennoch, dass die Politik vieles hat schleifen lassen, darunter auch solche Garantien, die die Industrie wirklich braucht. Aber nun ist die Politik Bittsteller, und das ist der teuerste Modus.
Solche Probleme kennt Russland eher nicht! Russland ist zwar korrupt, aber da werden sich die Taschen vollgemacht, während es nicht so wehtut und weniger hingeguckt wird. In Kriegszeiten wie diesen wird besonders genau hingeguckt und die Befehlsgewalt von oben her durchgedrückt. Da wird nicht groß verhandelt, sondern da kriegt ein Oligarch, falls er im Weg ist, entweder eine Prämie (z.B. ein Luxusanwesen für den Urlaub der Familie) oder einen plötzlichen Tod verpasst, das kostet gegenüber den Forderungen, die von unseren Oligarchen und ihren Dienern gestellt werden, vergleichsweise wenig. Genehmigungen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, die gehen geradewegs durch. Es ist auch genügend im Staatseigentum, wo gar nicht erst gefragt wird (anders als bei uns, wo es kaum Staatseigentum gibt und dort, wo es welches gibt, trotzdem lange und schwierige Prozesse geben kann).
Wir haben also erhebliche strukturelle und ökonomische Nachteile gegenüber Russland, aber auf diesem Gebiet entscheidet sich, wer länger durchhalten kann. Wir müssen effizient und effektiv werden, ohne unsere Rechtsstaatlichkeit zu opfern. Und wir müssen all unsere verbleibenden Nachteile (normalerweise lohnender Preis für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit) durch Vorteile auf anderen Gebieten vielfach überkompensieren. Falls wir uns weiterhin darauf ausruhen, irgendwas 10-20 Prozent besser zu können (wobei die Summe von allem unterlegen ist), haben wir schon verloren. Natürlich ist High-Tech weiterhin nötig, um unsere Soldaten zu schützen.
Es war all die Jahre über so bequem, dass die Politik es nicht für nötig hielt, für unser vieles Geld wenigstens harte Verhandlungen mit der Industrie einzufordern, obwohl sie stets und ständig im Besitz des längeren Hebels war. Einige wenige Voraussetzungen, die die Industrie braucht, um effizient arbeiten zu können, gibt es aber auch, und die muss man als Politik bzw. Ministerium von den vorgeschobenen "Gründen" unterscheiden können. Dazu bedarf es Fachleuten, die ausschließlich im Dienst des Staates stehen. Die fallen nicht vom Himmel, man muss sie ausbilden. Trotz ihrer Unabhängigkeit genügt es nicht, wenn sie seit ihrer Jugend nichts außer Behörden gesehen haben. Dennoch dürfen keine Kumpaneien zu Rüstungsfirmen bestehen bzw. entstehen. Die Ausbildung der Experten ist also eine verantwortungsvolle und schwierige, aber umso lohnendere, Aufgabe. Auf diesem Gebiet gibt es bestimmt noch Verbesserungsmöglichkeiten.
Was die Bundeswehr betraf, gab es vor allem einen gravierenden Mangel im Bereich der Personalentwicklungskonzepte. Veraltete Führungskonzepte, perverse Führungskräfte, toxische Praktiken und dumme Parolen taten das übrige, um die Truppe so richtig verhasst zu machen.
Es mag im Bereich von Offizieren davon abweichend andere Einzelerfahrungen gegeben haben - ich kenne auch Leute, die so etwas erlebt haben - aber der überwiegende Tenor der Bundeswehrüberlebenden war, dass das Pack in die Tonne gekloppt gehört.
Da dies lange Zeit niemand offiziell ausgesprochen hat, und man die einfachen Wehrdienstleistenden nicht ernst genommen hat, konnte es jahrzehntelang nicht verändert werden.
Das hat dazu geführt, dass vor allem Leute mit einem halbwegs präsentablen IQ die Bundeswehr gemieden haben, was alle Probleme verschärft hat.
Vielleicht ist heute eine andere Ausgangslage vorhanden, jedoch wird man an den obigen Punkten arbeiten müssen. Das Entscheidende ist jedoch, dass man sicher stellt, dass die Bundeswehr nicht für kurzfristige und einseitige Wirtschaftsinteressen verheizt wird.